Ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb?: Eine Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung des Beteiligungserwerbs der Commerzbank an der Dresdner Bank sowie von rechtsvergleichenden und rechtsökonomischen Aspekten [1 ed.] 9783428550609, 9783428150601

Die Arbeit untersucht die umstrittene Fragestellung, ob ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligun

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Ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb?: Eine Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung des Beteiligungserwerbs der Commerzbank an der Dresdner Bank sowie von rechtsvergleichenden und rechtsökonomischen Aspekten [1 ed.]
 9783428550609, 9783428150601

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 102

Ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb? Eine Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung des Beteiligungserwerbs der Commerzbank an der Dresdner Bank sowie von rechtsvergleichenden und rechtsökonomischen Aspekten

Von

Philip Goj

Duncker & Humblot · Berlin

PHILIP GOJ

Ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb?

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 102

Ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb? Eine Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung des Beteiligungserwerbs der Commerzbank an der Dresdner Bank sowie von rechtsvergleichenden und rechtsökonomischen Aspekten

Von

Philip Goj

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15060-1 (Print) ISBN 978-3-428-55060-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-85060-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2015/2016 bei der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation eingereicht. Literatur und Rechtsprechung konnten für die Druckfassung noch bis zum 31. März 2016 berücksichtigt werden. Die Idee zum Thema der Arbeit entstand im Jahr 2010 während meiner Referendarszeit beim Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg, kurz nach Veröffentlichung des Urteils des LG Frankfurt a.M. im Fall Commerzbank/Dresdner Bank. Das Thema wurde durch die nachfolgenden Entscheidungen des OLG Frankfurt a.M. und des BGH begünstigt und hat mich seitdem über die Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Rechtsanwalt begleitet. Mein herzlicher Dank gilt allen, die mich während dieser Zeit bei der Erstellung der Arbeit – auf verschiedenste Weise – unterstützt und diese damit möglich gemacht haben. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Lars Klöhn, LL.M. (Harvard), danke ich sehr herzlich für die Ermöglichung der Bearbeitung des Themas sowie für die wohlwollende Begleitung der Arbeit mit einer sehr guten Mischung aus Betreuung und Gewährung von wissenschaftlichem Freiraum. Herrn Prof. Dr. Peter Kindler danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Den Herausgebern danke ich für die freundliche Aufnahme in die Schriftenreihe. Allen Verantwortlichen der Kanzlei Hengeler Mueller in München danke ich für die Ermöglichung der hervorragenden Rahmenbedingungen zur Erstellung der Arbeit. Meinem Freund und Kollegen Dr. Kilian Eßwein danke ich sehr herzlich für die wertvollen fachlichen Diskussionen und die gute gemeinsame Zeit während der Erstellung und Fertigstellung unserer Arbeiten. Mein persönlicher Dank gilt meiner Freundin Julia für ihre liebevolle Unterstützung, ihre Geduld und ihr Verständnis, auch an manchem Wochenende und Feiertag. Schließlich gilt mein Dank meinen Eltern und meinem Bruder Moritz für jegliche Unterstützung in allen Belangen des Lebens. Euch ist diese Arbeit gewidmet. München, im Dezember 2016

Philip Goj

Inhaltsübersicht Teil 1 Einleitung

23

A. Einführung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Erläuterung des Vorgehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Teil 2 Rechtliche Rahmenbedingungen der Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb

35

A. Der Beteiligungserwerb im Kontext der Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft . 35 B. Leitlinien der Entwicklung ungeschriebener Hauptversammlungserfordernisse . . . . . 61 C. Kritische Würdigung des Meinungsbildes zum Beteiligungserwerb vor dem Fall Commerzbank/Dresdner Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 D. Der Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank . . . . . . . . . . . . . . . 91

Teil 3 Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb de lege lata anhand der Leitlinien der Rechtsprechung des BGH

113

A. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 B. Ausschluss der Problematik durch Verwendung einer Konzernöffnungsklausel . . . . . 116 C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 D. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 E. Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin . . . . . . . . . . . . . . . . 195 F. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . 199

10

Inhaltsübersicht

G. Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses im Fall Commerzbank/Dresdner Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Teil 4 Ermittlung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

226

A. Rechtsvergleichende Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 B. Rechtsökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Teil 5 Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung

339

A. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 B. Schlussbetrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung

23

A. Einführung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Erläuterung des Vorgehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. Untersuchungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. Gang der Erörterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 III. Begriffsklärung und Untersuchungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Teil 2 Rechtliche Rahmenbedingungen der Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb A. Der Beteiligungserwerb im Kontext der Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft

35 35

I. Historische Entwicklung der Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. „Geschriebene“ Kompetenzordnung nach aktueller Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Kompetenzen des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Die Geschäftsführung und Leitung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Die Vertretung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Kompetenzen der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Gesetzliche Hauptversammlungserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Statutarische Hauptversammlungserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 c) Subsidiäre Zuständigkeit der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Kompetenzen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 B. Leitlinien der Entwicklung ungeschriebener Hauptversammlungserfordernisse . . . . . 61 I. Ausgangslage in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Erarbeitung der dogmatischen Grundlagen durch Lutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Rezeption der Thesen Lutters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

12

Inhaltsverzeichnis II. Die Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Das Holzmüller-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Rechtliche Kernaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 b) Rezeption des Holzmüller-Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 aa) Anfängliche Kritik des Holzmüller-Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 bb) Wachsende Akzeptanz des Holzmüller-Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Die Macrotron- und Frosta-Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Die Gelatine-Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Rechtliche Kernaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Rezeption der Gelatine-Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4. Die Stuttgarter Hofbräu-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Rechtliche Kernaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Rezeption der Stuttgarter Hofbräu-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 III. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

C. Kritische Würdigung des Meinungsbildes zum Beteiligungserwerb vor dem Fall Commerzbank/Dresdner Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. Bisheriges Meinungsbild in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Urteil des LG Stuttgart vom 8. November 1991 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Urteil des LG Duisburg vom 27. Juni 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Beschluss des OLG Frankfurt a.M. vom 15. Februar 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4. Beschluss des OLG Frankfurt a.M. vom 21. Juni 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 5. Urteil des OLG Schleswig vom 10. März 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. Bisheriges Meinungsbild in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Grundsätzlich ablehnende Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Grundsätzlich befürwortende Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 III. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 D. Der Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank . . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Ursprünglich geplante Transaktionsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Graphische Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Schritt 1 der Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 c) Schritt 2 der Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Änderung der Transaktionsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 4. Graphische Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Erste Tranche der staatlichen Hilfsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Vollzug der Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Konzernverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 d) Zweite Tranche der staatlichen Hilfsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

Inhaltsverzeichnis

13

5. Ablauf der Hauptversammlung und Einleitung des Gerichtsprozesses . . . . . . . 97 II. Gerichtliche Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Urteil des LG Frankfurt a.M. vom 15. Dezember 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Rechtliche Kernaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 aa) Entwicklung des Prüfungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Anknüpfungspunkt der Zustimmungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 cc) Qualitatives Kriterium: wesentliche Veränderung der Unternehmensstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 dd) Quantitatives Kriterium: vorliegend unerheblich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 ee) Keine Berufung auf satzungsmäßige Konzernklausel . . . . . . . . . . . . . . . 100 ff) Keine Berufung auf Zustimmung zur Schaffung des genehmigten Kapitals 101 gg) „Durchschlagen“ der Anfechtbarkeit auf den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . 101 b) Rezeption des Urteils des LG Frankfurt a.M. vom 15. Dezember 2009 . . . . 101 2. Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 17. Dezember 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Rechtliche Kernaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Entwicklung des Prüfungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Vorstandsautonome Maßnahme wegen Konzernöffnungsklausel . . . . . . 103 cc) Maßgeblichkeit eines Mediatisierungseffekts kann dahinstehen . . . . . . 104 dd) Hilfsweise: qualitative und quantitative Kriterien nicht erfüllt . . . . . . . . 104 (1) Qualitative Kriterien nicht erfüllt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (2) Quantitative Kriterien nicht erfüllt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 ee) Kein anderes Ergebnis im Wege einer „Gesamtbetrachtung“ . . . . . . . . . 106 (1) Unbeachtliche Kriterien im Rahmen der Gesamtbetrachtung . . . . . . 106 (2) Kein Zustimmungserfordernis wegen Veränderung der Unternehmensstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Rezeption des Urteils des OLG Frankfurt a.M. vom 17. Dezember 2010 . . . 107 3. Beschluss des BGH vom 7. Februar 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Rechtliche Kernaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Rezeption des Beschlusses des BGH vom 7. Februar 2012 . . . . . . . . . . . . . . 109 4. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

Teil 3 Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb de lege lata anhand der Leitlinien der Rechtsprechung des BGH

113

A. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 B. Ausschluss der Problematik durch Verwendung einer Konzernöffnungsklausel . . . . . 116 I. Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

14

Inhaltsverzeichnis II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Qualitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Notwendigkeit eines Mediatisierungseffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Organisationsrechtlich orientierte Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Mitgliedschaftsbezogene Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (1) Verbandsrechtliche Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (2) Schutz vor außergewöhnlichen Leitungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . 124 (3) Schutz der Vermögensinteressen der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Schutzzweckerwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 cc) Notwendigkeit des Mediatisierungseffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Grundkonzept des Mediatisierungseffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Bezugspunkt des Mediatisierungseffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Faktische Reduzierung des Aktionärseinflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Berücksichtigung der „Gegenleistung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 d) Instrument des Eingriffs und Auswirkungen auf die interne Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. Mediatisierungseffekt beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel . . . . . . . . . . . 137 a) Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 aa) Enge Ansicht: keine Mediatisierungsfähigkeit von Barmitteln . . . . . . . . 138 bb) Weite Ansicht: Mediatisierungsfähigkeit von Barmitteln . . . . . . . . . . . . 140 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 aa) Bewertung formaler Argumente zur Unterscheidung von Barmitteln und „unternehmerischer Substanz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 bb) Sachliche Gleichstellung von Barmitteln und „unternehmerischer Substanz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (1) Beeinträchtigung der Aktionärsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (2) Funktion von „unternehmerischer Substanz“ und Barmitteln als Teile des Gesellschaftsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (3) Verlagerung von Ertragspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 cc) Systematische Kontrollüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 dd) Tendenz in der Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) Spezielle Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Beteiligungserwerb mit fremdfinanzierten Mitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Beteiligungserwerb durch eine Holding-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 150

Inhaltsverzeichnis

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d) Formulierung in Definitionsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 II. Quantitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Grundkonzept der quantitativen Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Höhe des Schwellenwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Relevante Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 aa) Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c) Zeitliche Ermittlung der Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 d) Bezugspunkt der Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 aa) Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (1) Schutzzweck der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung . . . . . . . . . . 159 (2) Vorgehensweise des BGH in den Gelatine-Urteilen . . . . . . . . . . . . . 160 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Quantitative Anforderungen beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel . . . . . . 161 a) Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 c) Wertende Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 D. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 I. Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 II. Qualitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Ausgangspunkt: Definition des Mediatisierungseffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Mögliche wertende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 c) Keine Vergleichbarkeit mit Fällen des „klassischen“ Mediatisierungseffekts 173 III. Quantitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 IV. Gleichwertigkeit der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Maßstab der Mitwirkung der Hauptversammlung nach den Holzmüller/GelatineGrundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) „Klassischer“ Holzmüller-Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Konzeptbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Maßstab der Mitwirkung der Hauptversammlung bei der Schaffung der Anteile der Erwerberin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Ordentliche Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Bedingtes Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Genehmigtes Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

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Inhaltsverzeichnis d) Ausgabe eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

E. Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin . . . . . . . . . . . . . . . . 195 I. Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 F. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Verschmelzung auf die Erwerberin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 II. Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Vorfrage: Verhältnis zu § 179a AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Potentielle Zustimmungsbedürftigkeit der Beteiligungsveräußerung und Neutralisierung des Mediatisierungseffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Vollständige Beteiligungsveräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Teilweise Beteiligungsveräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 III. Abschluss von Unternehmensverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze im Vertragskonzern . . . . 210 2. Grundsätzliche Wirkung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags

211

3. Möglichkeit der Thesaurierung auf Ebene der erworbenen Gesellschaft . . . . . . 212 IV. Folgefragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Zeitliche Nähe zwischen Mediatisierung und Neutralisierung . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Auswirkungen auf die Klagemöglichkeiten der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . 217 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 VI. Formulierung in Definitionsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 G. Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses im Fall Commerzbank/Dresdner Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I. Anknüpfungspunkt der Zustimmungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 II. Auswirkungen der Konzernöffnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 III. Qualitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 IV. Quantitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 V. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses . . . . . . . . . . . 224 1. Erteilung einer gleichwertigen Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Neutralisierung des Mediatisierungseffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Inhaltsverzeichnis

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Teil 4 Ermittlung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

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A. Rechtsvergleichende Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 I. Rechtslage in England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Kompetenzordnung der public limited company . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Zustimmungserfordernis nach Chapter 10 der FCA Listing Rules . . . . . . . . . . . 230 a) Voraussetzungen der Zustimmungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 b) Verhältnis zu anderen Zustimmungserfordernissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 c) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Zustimmungserfordernis . . . . . . . . . . . 235 d) Schutzzweck des Zustimmungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Sonderfall des reverse takeover nach den FCA Listing Rules . . . . . . . . . . . . . . 237 4. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 II. Rechtslage in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Kompetenzordnung der Delaware corporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 2. Zustimmungserfordernisse nach den NASDAQ Listing Rules und dem NYSE Listed Company Manual . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Voraussetzungen der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 aa) NASDAQ Listing Rule 5635 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 bb) NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 cc) Auswirkungen auf Beteiligungserwerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Zustimmungserfordernis . . . . . . . . . . . 247 c) Verhältnis zu anderen Zustimmungserfordernissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 d) Schutzzweck der Zustimmungserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 3. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 B. Rechtsökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Methodisches Vorgehen und Annahmen der ökonomischen Analyse des Rechts

253

1. Positive Folgenprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 a) Grundannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 b) Kritik und Fortentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2. Normative Folgenbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 3. Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 4. Fundamentale Problematiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Principal-agent-Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b) Collective-action-Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

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Inhaltsverzeichnis II. Rechtsökonomische Analyse eines Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Beteiligungserwerb durch börsennotierte Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 263 a) Grundsätzliche Präferenzen und Handlungsoptionen der beteiligten Akteure 264 aa) Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 bb) Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (1) Renditeinteresse der Aktionäre, weitere Präferenzen und Handlungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (2) Differenzierung zwischen verschiedenen Aktionärsgruppen . . . . . . . 270 (a) Strategische Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (b) Anlegeraktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 (c) Finanzinvestoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (aa) Arten von Finanzinvestoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (bb) Gründe für Aktionärsaktivismus von Finanzinvestoren . . . . 275 (cc) Gründe gegen Aktionärsaktivismus von Finanzinvestoren 277 (dd) Regulierungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 (ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 (3) Beteiligungsstruktur der börsennotierten Aktiengesellschaften in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 b) Präferenzen und Handlungsoptionen der beteiligten Akteure beim Beteiligungserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 aa) Beteiligungserwerb ohne Zustimmungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (1) Präferenzen und Handlungsoptionen des Vorstands . . . . . . . . . . . . . 284 (2) Interne Überwachungs- und Disziplinierungsmechanismen . . . . . . . 286 (a) Disziplinierung durch Überwachung durch den Aufsichtsrat . . . 286 (b) Disziplinierung durch faktischen und rechtlichen Einfluss auf den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 (c) Disziplinierung durch Haftung und Haftungsandrohung . . . . . . . 291 (3) Externe Disziplinierungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 (a) Disziplinierung durch den Markt für Unternehmenskontrolle . . 294 (b) Disziplinierung durch den Arbeitsmarkt für Manager . . . . . . . . . 297 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 bb) Beteiligungserwerb mit Zustimmungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (1) Präferenzen und Handlungsoptionen des Vorstands . . . . . . . . . . . . . 299 (a) Fokussierung auf Aktionärsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (b) Potentielle Restriktionen der Koordination mit den Aktionären 300 (2) Präferenzen und Handlungsoptionen der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . 303 (a) Strategische Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 (b) Anlegeraktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (c) Finanzinvestoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

Inhaltsverzeichnis

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(3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 (4) Rechtsökonomische Betrachtung von Argumenten gegen ein Zustimmungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (a) Fehlende Kompetenz und Informationen, Rationalitätsdefizite und Interessenkonflikte der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (b) Potentielle Verzögerung und unzumutbare Beschränkung des Vorstandshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (c) Kosten der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 (d) Möglichkeit von Anfechtungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (aa) Wirkung von Anfechtungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (bb) Entscheidungs-Dilemma des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 c) Empirische Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 aa) Studien zu ökonomischen Auswirkungen einer Zustimmungsbedürftigkeit von Beteiligungserwerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 (1) Studien zum US-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 (2) Studien zum englischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 bb) Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 d) Mögliche Kriterien eines Hauptversammlungserfordernisses bei rechtsökonomischer Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 aa) Materielle Voraussetzungen der Zustimmungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . 326 (1) Qualitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 (2) Quantitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 bb) Entfallen der Zustimmungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 cc) Prozessuale Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 (1) Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 (2) Mehrheitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 (3) Anfechtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 dd) Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 2. Beteiligungserwerb durch nicht börsennotierte Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . 333 a) Beteiligungsstruktur der nicht börsennotierten Aktiengesellschaften in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 b) Präferenzen und Handlungsoptionen der beteiligten Akteure . . . . . . . . . . . . 335 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

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Inhaltsverzeichnis Teil 5 Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung

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A. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 I. Zu Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 1. Der Beteiligungserwerb im Kontext der Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 2. Leitlinien der Entwicklung der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 3. Der Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank . . . . . . . . . . 340 II. Zu Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 1. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 2. Ausschluss der Problematik durch Verwendung einer Konzernöffnungsklausel 341 3. Beteiligungserwerb gegen Barmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 4. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 5. Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin . . . . . . . . . . . 343 6. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses . . . . . . . . 344 7. Ermittlung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses im Fall Commerzbank/Dresdner Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 III. Zu Teil 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 1. Hauptversammlungserfordernisse beim Beteiligungserwerb in rechtsvergleichender Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 a) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 b) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 2. Rechtsökonomische Analyse eines Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 a) Methodisches Vorgehen und Annahmen der ökonomischen Analyse des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 b) Rechtsökonomische Analyse eines Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 aa) Präferenzen und Handlungsoptionen der beteiligten Akteure . . . . . . . . . 348 bb) Beteiligungserwerb ohne und mit Zustimmungserfordernis . . . . . . . . . . 349 cc) Empirische Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 dd) Mögliche Kriterien eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses bei rechtsökonomischer Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 ee) Nicht börsennotierte Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 B. Schlussbetrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

Abkürzungsverzeichnis Hinsichtlich der im Übrigen verwendeten üblichen Abkürzungen wird verwiesen auf Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 8. Aufl. (2015). Allianz AMEX BeckRS BegrRegE Beil. BT-Drucks. CA 2006 Cal. L. Rev. CalPERS CalSTRS CAPM CDAX CEO Colum. Bus. L. Rev. Colum. L. Rev. Commerzbank CREF DAI DAX DCGK Del. J. Corp. L. DEPP DGCL D&O-Versicherung Dresdner Bank EBOR ECMH FCA Fin. Mgmt. FMStBG FMStFG FMStFV FMStG FRC FSA FSMA Geo. L. J. Harv. L. Rev.

Allianz SE American Stock Exchange Beck-Rechtsprechung Begründung zum Regierungsentwurf Beilage Bundestags-Drucksache Companies Act 2006 California Law Review California Public Employees’ Retirement System California State Teachers’ Retirement System Capital Asset Pricing Model Composite DAX Chief Executive Officer Columbia Business Law Review Columbia Law Review Commerzbank Aktiengesellschaft College Retirement Equities Fund Deutsches Aktieninstitut Deutscher Aktienindex Deutscher Corporate Governance Kodex Delaware Journal of Corporate Law Decision Procedure and Penalties Manual Delaware General Corporation Law Directors-and-Officers-Versicherung Dresdner Bank Aktiengesellschaft European Business Organization Law Review Efficient Capital Market Hypothesis Financial Conduct Authority Financial Management Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung Finanzmarktstabilisierungsgesetz Federal Reporting Council Financial Services Authority Financial Services and Markets Act 2000 Georgetown Law Journal Harvard Law Review

22 HoldheimsZ IAS IM Int. Rev. L. & Econ J. Bus. J. Corp. L. J. Econ. Persp. J. Exper. Psychol. J. Fin. J. Fin. Econ. J. Invest. J. L. & Econ. J. Personality & Soc. Psychol. J. Pol. Econ. J. Risk & Uncertainty LR LSE Ltd. Mich. L. Rev. NASDAQ Nw. U. L. Rev. NYSE plc REMM Rev. Econ. and Statistics Rev. Financ. Stud. RIS SEC Sec. SoFFin Stan. L. Rev. SWIB TCI TOP UCLA L. Rev. UK CGC U. Pa. L. Rev. Vand. L. Rev. vs. Wake Forest L. Rev. Ziff.

Abkürzungsverzeichnis Holdheims Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Steuerund Stempelfragen International Accounting Standards Interpretative Material International Review of Law and Economics Journal of Business Journal of Corporation Law Journal of Economic Perspectives Journal of Experimental Psychology Journal of Finance Journal of Financial Economics Journal of Investing Journal of Law and Economics Journal of Personality and Social Psychology Journal of Political Economy Journal of Risk and Uncertainty Listing Rule London Stock Exchange private limited company Michigan Law Review National Association of Securities Dealers Automated Quotation Northwestern University Law Review New York Stock Exchange public limited company Resourceful, Evaluating, Maximizing Man Review of Economics and Statistics Review of Financial Studies Regulatory Information Services U.S. Securities and Exchange Comission Section Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung Stanford Law Review State of Wisconsin Investment Board The Children’s Investment Funds Tagesordnungspunkt UCLA Law Review U.K. Corporate Governance Code University of Pennsylvania Law Review Vanderbilt Law Review versus Wake Forest Law Review Ziffer

Teil 1

Einleitung A. Einführung und Problemstellung Das Holzmüller-Urteil des Bundesgerichtshofs1 ist auch mehr als 30 Jahre nach seiner Veröffentlichung ein ständig präsentes Thema in der gesellschaftsrechtlichen Beratungspraxis und Literatur. Kaum ein anderes Urteil auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts dürfte eine derart intensive Behandlung im Schrifttum ausgelöst haben.2 Der BGH bejahte in diesem Urteil erstmals ein ungeschriebenes Haupt1 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 („Holzmüller“); weitere Fundstellen etwa NJW 1982, 1703; AG 1982, 158; ZIP 1982, 568; WM 1982, 388; DB 1982, 795; BB 1982, 827. 2 Zum guten Überblick: Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 33 ff.; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 31 ff.; siehe im Einzelnen die Veröffentlichungen in unmittelbarer Reaktion auf das Holzmüller-Urteil: Großfeld/Brondics, JZ 1982, 589; Martens, ZHR 147 (1983), 377; Rehbinder, ZGR 1983, 92; Westermann, ZGR 1983, 352; Werner, ZHR 147 (1983), 429; Fleck, in: Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs (1983), § 118 AktG 1965, Bl. 763 ff.; Semler, BB 1983, 1566; Sünner, AG 1983, 169; Heinsius, ZGR 1984, 383; Beusch, in: Festschrift für Werner (1984), S. 1; Götz, AG 1984, 85; Lutter, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 825; Geßler, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 771; Ebenroth, AG 1988, 1; Groß, AG 1994, 266; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225; dies., ZIP 1998, 805; Weißhaupt, NZG 1999, 804; Joost, ZHR 163 (1999), 164; Zimmermann/Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151; Renner, NZG 2002, 1091; Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211; Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279; im weiteren Verlauf dann auch: Hirte, EWiR § 179 AktG 1/04, 1161; Fleischer, NJW 2004, 2335; Wagner, DStR 2004, 141; Fuhrmann, AG 2004, 339; Götze, NZG 2004, 585; Weißhaupt, AG 2004, 585; Koppensteiner, Der Konzern 2004, 381; Altmeppen, ZIP 2004, 999; Bungert, BB 2004, 1345; Simon, DStR 2004, 1528; Habersack, AG 2005, 137; Liebscher, ZGR 2005, 1; Arnold, ZIP 2005, 1573; Reichert, AG 2005, 150; Goette, AG 2006, 522; Adolff/Adolff, in: Festschrift für Mailänder (2006), S. 289; von Falkenhausen, ZIP 2007, 24; Hofmeister, NZG 2008, 47; Feldhaus, BB 2009, 562; Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451; Lorenz/Pospiech, DB 2010, 1925; Gubitz/Nikoleyczik, NZG 2010, 539; dies., NZG 2011, 91; Staake, WuB II A., § 119 AktG, 1.10 (2010), 399; Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261; Kiefner, ZIP 2011, 545; Priester, AG 2011, 654; Hüffer, WuB II A., § 119 AktG, 1.11 (2011), 201; Wilhelm, WuB II A., § 120 AktG, 1.12 (2012), 351; Kommentarliteratur zu der Thematik: Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 29 ff.; Pentz, in: Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 17 Rn. 150 ff.; Bungert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 35 Rn. 46 ff.; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 9 ff.; Reichert, in: Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. (2009), § 5 Rn. 25 ff.; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119

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Teil 1: Einleitung

versammlungserfordernis für die Konstellation der wirtschaftlichen Ausgliederung des wertvollsten Unternehmensteils einer Aktiengesellschaft auf eine Tochtergesellschaft. Neben den durch das Holzmüller-Urteil unmittelbar aufgeworfenen Fragen wurde infolge des Urteils insbesondere diskutiert, ob ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auch in weiteren Fällen bestehen kann, wobei hier insbesondere die Fälle des Beteiligungserwerbs, der Beteiligungsveräußerung, der Veräußerung sonstiger Vermögensgegenstände und des Delistings einer Hervorhebung aus der breit gefächerten Diskussion verdienen.3 In den Gelatine-Urteilen4 hat der BGH den mit dem Holzmüller-Urteil eingeschlagenen Weg fortgesetzt – was angesichts der anfangs vorherrschenden kritischen Grundstimmung keineswegs eine Selbstverständlichkeit war – und hat seine Rechtsprechung anhand der Konstellation der „Verenkelung“, also der Einbringung einer Tochtergesellschaft in eine andere Tochtergesellschaft, präzisiert. Die durch den BGH aufgestellten Kriterien zur Ermittlung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses bilden seither für die bereits entschiedenen Konstellationen einen durchaus handhabbaren Prüfungsmaßstab. Auch zum Delisting5 und zur Rn. 26 ff.; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 21 ff.; Binge/Thölke, in MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010), § 25 Rn. 56 ff.; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 202 Rn. 56 f.; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 16 ff.; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 31 ff.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 33 ff.; Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 12 ff.; Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 16 ff.; Marsch-Barner, in: Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. (2014), § 31 Rn. 31 ff.; Kort, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 76 Rn. 124 ff.; schließlich Monographien aus jüngerer Zeit: Grün, Informationspflichten des Vorstands bei „Holzmüller-Beschlüssen“ (2006); Wagner, Ungeschriebene Kompetenzen der Hauptversammlung (2006); Jansen, Ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung bei der Sanierung der Aktiengesellschaft (2007); Stukenberg, Ungeschriebene „Holzmüller“Zuständigkeiten der Hauptversammlung im Lichte der „Macrotron“- und „Gelatine“-Entscheidungen des BGH (2007); Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009); Jerczynski, Ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung in der Aktiengesellschaft (2009); Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011). Selbst eine Beschäftigung in Gedichtform (!) ist nicht ausgeblieben; siehe Hanau, in: Festschrift für Westermann (2008), S. 951 ff. (unter dem Titel „H.P. Westermann, Holzmüller & Co.“). 3 Siehe zum Überblick über die diskutierten Fallgruppen etwa Habersack, in: Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 38, 42 f.; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 66 f., 86 ff.; Binge/Thölke, in MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010), § 25 Rn. 61 ff. 4 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 („Gelatine I“); weitere Fundstellen etwa NJW 2004, 1860; AG 2004, 384; ZIP 2004, 993; DB 2004, 1200; NZG 2004, 571; DStR 2004, 922; BB 2004, 1182; BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 154/02 („Gelatine II“), NZG 2004, 575; weitere Fundstellen etwa ZIP 2004, 1001; WM 2004, 1085; DNotZ 2004, 872. 5 Zunächst bejahte der BGH hier ein Zustimmungserfordernis: BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 („Macrotron“); weitere Fundstellen etwa NJW 2003, 1032; AG 2003, 273; ZIP 2003, 387; NZG 2003, 280; dann aber Aufgabe der Rechtsprechung durch BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013– II ZB 26/12, NZG 2013, 1324 („Frosta“); weitere Fundstellen

A. Einführung und Problemstellung

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Beteiligungsveräußerung6 hat sich der BGH zwischenzeitlich, wenn im zweiten Fall auch nur recht kurz, geäußert. Keine Rechtssicherheit besteht hingegen nach wie vor bei der Frage, ob auch durch einen Beteiligungserwerb einer Aktiengesellschaft ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis ausgelöst werden kann. Der BGH hat hierzu im Holzmüller-Urteil ausgeführt, dass „gemeinhin auch die Gründung oder der Erwerb einer Tochtergesellschaft und deren Ausstattung mit dem notwendigen Kapital“ zu dem „gewöhnlichen Rahmen von Handlungen der Geschäftsführung“ zu rechnen sei.7 Dieser Formulierung lässt sich allerdings gerade keine Aussage darüber entnehmen, ob ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis dann gegeben sein kann, wenn der Beteiligungserwerb den beschriebenen „gewöhnlichen Rahmen“ überschreitet bzw. wann der „gewöhnliche Rahmen“ gegebenenfalls überschritten wird. Der BGH hat die vorliegende Fragestellung somit im Holzmüller-Urteil ausdrücklich offen gelassen8 und auch bis dato nicht beantwortet.9 In der Literatur wurde die Fragestellung zwar auch bisher schon diskutiert, eine herrschende Meinung vermochte sich jedoch nicht herauszubilden. Vielmehr standen (und stehen) sich die Befürworter beider Lager mit ungefähr gleicher Stärke gegenüber.10 Allerdings scheint dies auch daran zu liegen, dass eine ausführliche und etwa AG 2013, 877; WM 2013, 2213; DB 2013, 2672; ZIP 2013, 2254; DStR 2013, 2526; NJW 2014, 146. 6 BGH, Beschl. v. 20. 11. 2006 – II ZR 226/05, NZG 2007, 234 („Stuttgarter Hofbräu“); weitere Fundstellen etwa AG 2007, 203; ZIP 2007, 24; WM 2007, 257; DStR 2007, 586. 7 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 132 („Holzmüller“). 8 So auch Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 229; Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 265; Wagner, DStR 2004, 141, 142. 9 Zum Beschluss des BGH in der Sache Commerzbank/Dresdner Bank noch sogleich. 10 Siehe zum Überblick über den bisherigen Meinungsstand vor dem Fall Commerzbank/ Dresdner Bank: Wagner, DStR 2004, 141, 142; grundsätzlich ablehnend: Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 3. Aufl. (2007), § 69 Rn. 10; Reichert, in: Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. (2009), § 5 Rn. 32; Marsch-Barner, in: Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. (2009), § 31 Rn. 34; Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 1. Aufl. (2008), § 119 Rn. 17; Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 72; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1577; Götze, NZG 2004, 585, 588; Wagner, DStR 2004, 141, 142 ff.; Renner, NZG 2002, 1091, 1092 ff.; Busch, AG 2002, 145, 148; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 183; Groß, AG 1994, 266, 273 ff.; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1109; vorsichtiger Bungert, BB 2004, 1345, 1351 (keine „zwingenden Schlussfolgerungen“ aus Rechtsprechung des BGH zu ziehen); grundsätzlich bejahend aber: Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. (2008), Vor § 311 Rn. 42; ders., AG 2005, 137, 144; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 1. Aufl. (2008), § 119 Rn. 33; ders., in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2008), § 76 Rn. 39; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2005), § 202 Rn. 56; Semler, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 3. Aufl. (2007), § 34 Rn. 38; Pentz, in: Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 17 Rn. 165; Hofmeister, NZG 2008, 47, 50 f.; Goette, AG 2006, 522, 527; Liebscher, ZGR 2005, 1, 23 f.; Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 229; Zimmermann/Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 155; Wagner, Ungeschriebene Kompetenzen der Hauptversammlung (2006), S. 302; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung (1986), S. 181; Lutter, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 825,

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Teil 1: Einleitung

tiefgehende Beschäftigung mit der Thematik bislang nicht stattgefunden hat. Dies überrascht jedoch vor allem vor dem Hintergrund, dass Beteiligungserwerbe – auch solche großen Umfangs – in der Praxis keine Seltenheit darstellen und sich hier regelmäßig die Frage nach einer Zustimmungsbedürftigkeit stellt bzw. stellen sollte.11 Die instanzgerichtliche Rechtsprechung hat sich schon mehrmals mit der Fragestellung befasst, hat sich hierbei jedoch mit dem Stand der Diskussion in der Literatur und im Übrigen auch mit der Rechtsprechung des BGH nicht dezidiert auseinandergesetzt. So haben das LG Stuttgart12 und das LG Duisburg13 jeweils in obiter dicta ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis im Falle eines Beteiligungserwerbs befürwortet. Das OLG Frankfurt a.M. äußerte zunächst Zweifel, ob ein Beteiligungserwerb trotz Existenz einer Konzernöffnungsklausel überhaupt ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auslösen könne14 und verneinte ein solches dann in concreto in einer weiteren Entscheidung.15 Ebenso hat sich das OLG Schleswig gegen ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb ausgesprochen.16 Im Dezember 2009 erhielt die Debatte dann allerdings neuen Schwung, als das LG Frankfurt a.M. in einer aufsehenerregenden Entscheidung im Falle des Beteiligungserwerbs der Commerzbank an der Dresdner Bank erstmals im Rahmen der tragenden Entscheidungsgründe eines Urteils ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis bei einem Beteiligungserwerb bejahte.17 Dieser Fall wies neben der offensichtlichen rechtlichen Relevanz auch eine starke gesellschaftspolitische Brisanz auf; die Commerzbank war zum Zeitpunkt des Erwerbs die zweitgrößte Bank und die Dresdner Bank die drittgrößte Bank Deutschlands.18 Außerdem wurden der 854; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 806; Geßler, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 771, 786 f.; ohne klare Positionierung Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 548 f. 11 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass die Zustimmung in der Praxis „vielfach“ eingeholt werde; so Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 3. Aufl. (2007), § 69 Rn. 10. In dem vorliegend zentralen Fall des Erwerbs der Dresdner Bank durch die Commerzbank und auch in anderen prominenten Fällen wurde allerdings keine Zustimmung eingeholt; siehe Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261. Zu einer allgemeinen empirischen Studie über Holzmüller-Hauptversammlungen auf Basis der Veröffentlichungen im Bundesanzeiger in den Jahren 1990 bis 1999 siehe Bernhardt, DB 2000, 1873, 1875 ff. Dieser Studie lässt sich allerdings kein Fall des Beteiligungserwerbs entnehmen. 12 LG Stuttgart, Urt. v. 8. 11. 1991 – 2 KfH O 135/91, AG 1992, 236. 13 LG Duisburg, Urt. v. 27. 6. 2002 – 21 O 106/02, AG 2003, 390. 14 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15. 2. 2005 – 20 W 1/05, ZIP 2005, 1419. 15 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21. 6. 2007 – 5 U 34/07, AG 2008, 862. 16 OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900. 17 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09 („Commerzbank/Dresdner Bank“), im Volltext BeckRS 2010, 02351, weitere Fundstellen etwa AG 2010, 416; ZIP 2010, 429; WM 2010, 618; BB 2010, 980; in der Folge wird die Entscheidung zitiert nach juris. 18 Aus den jeweiligen Geschäftsberichten des Jahres 2007 ergibt sich eine Bilanzsumme des Commerzbank-Konzerns von EUR 616,5 Mio. und des Dresdner-Bank-Konzerns von

A. Einführung und Problemstellung

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Commerzbank im Zusammenhang mit der Transaktion Staatshilfen in großem Umfang gewährt. Umso mehr überraschte es, dass die Argumentation des LG Frankfurt a.M. eine dem Anlass angemessene, dogmatisch saubere Begründung vermissen ließ. Vielmehr bejahte das LG Frankfurt a.M. ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis im Wege einer wertenden Einzelfallbetrachtung, ohne aber an bestimmte quantitative Schwellenwerte anzuknüpfen oder sich ausführlich mit der Rechtsprechung des BGH und dem Meinungsstand in der Literatur auseinanderzusetzen.19 Dementsprechend ist die Literatur dem LG Frankfurt a.M. auch nahezu einhellig kritisch entgegengetreten.20 Das OLG Frankfurt a.M. hat in der Berufungsinstanz das Urteil des LG Frankfurt a.M. teilweise abgeändert und ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis verneint.21 Allerdings stützte es sich hierbei hauptsächlich auf das Argument, es habe sich wegen der Konzernöffnungsklausel in der Satzung der Commerzbank um eine vorstandsautonome Maßnahme gehandelt.22 Auf die in der Folge hilfsweise verneinte Frage, ob ein Beteiligungserwerb grundsätzlich ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auslösen kann, kam es damit nach der Argumentation des OLG Frankfurt a.M. nicht mehr entscheidend an. Das Urteil des OLG Frankfurt a.M. wurde in der Literatur etwas positiver aufgenommen als das Urteil des LG Frankfurt a.M.;23 allerdings gab es auch hier Gegenstimmen.24 Die sich widersprechenden Urteile des LG und des OLG Frankfurt a.M. haben somit nicht zur Verbesserung der Rechtssicherheit beigetragen. Der BGH hat die Beschwerde auf Zulassung der Revision abgewiesen25 und hat damit die Gelegenheit EUR 500,2 Mio. Größer war nur die Deutsche Bank mit einer Bilanzsumme von EUR 2.202 Mio. 19 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 84 ff., juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 20 Ehmann, GWR 2010, 89; Wagner, BB 2010, 980, 985; Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2010, 177; Lorenz/Pospiech, DB 2010, 1925; Wilsing/Goslar, EWiR § 119 AktG 1/10, 201; Gubitz/Nikoleyczik, NZG 2010, 539; Nordhues, DB0348686; grundsätzlich positiv Hüffer, AktG, 10. Aufl. (2012), § 119 Rn. 18a. 21 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10 („Commerzbank/Dresdner Bank“), im Volltext BeckRS 2010, 29775, weitere Fundstellen etwa AG 2011, 173; ZIP 2011, 75; WM 2011, 116; NZG 2011, 62; DB 2010, 2788; in der Folge wird die Entscheidung zitiert nach juris. 22 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 64 ff., juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 23 Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 93; Krause, BB 2011, 403; Mackensen, GWR 2011, 11; Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2011, 48, 49. 24 Im Ergebnis ablehnend Lutter, ZIP 2012, 351; Priester, AG 2011, 654; Wilhelm, WuB II A., § 120 AktG, 1.12 (2012), 351. 25 BGH, Beschl. v. 7. 2. 2012 – II ZR 253/10, NZG 2012, 347 („Commerzbank/Dresdner Bank“), weitere Fundstellen etwa AG 2012, 248; ZIP 2012, 515, DB 2012, 569; WM 2012, 546; NJW-RR 2012, 558.

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Teil 1: Einleitung

zu einem klärenden Richterspruch oder jedenfalls zu einem Fingerzeig ungenutzt verstreichen lassen. Trotzdem hat der BGH das Problem klar adressiert, hat sich jedoch offenbar bewusst nicht positioniert. Vielmehr hat er die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Beteiligungserwerb zu einem ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernis führen kann, als „umstritten und nicht geklärt“26 bezeichnet. Damit hat der BGH bildlich gesprochen den „Ring frei gegeben“ und hat die Beantwortung der Frage einstweilen der Literatur und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung überantwortet. Dieser Umstand lässt, insbesondere aufgrund des nicht ausgefochtenen Meinungsstreits in der Literatur und der praktischen Relevanz des Problems, eine tiefergehende Befassung mit der Problematik und deren intensivere Durchdringung als geboten erscheinen. Diese Arbeit soll daher die Fragestellung des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb vertieft erörtern und zu ihrer Klärung beitragen.

B. Erläuterung des Vorgehens I. Untersuchungsprogramm Das Problem des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb soll hierbei aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. Es soll untersucht werden, ob ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb durch eine Aktiengesellschaft de lege lata nach den bisherigen Leitlinien der Rechtsprechung des BGH überhaupt in Betracht kommt und welche Anforderungen gegebenenfalls erfüllt sein müssen, um ein solches Hauptversammlungserfordernis auszulösen. Zu dieser Betrachtung eignet sich die klassisch gesellschaftsrechtliche Perspektive. Weiterhin soll untersucht werden, ob die Existenz eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb de lege ferenda geboten ist und unter welchen Voraussetzungen ein solches gegebenenfalls bestehen sollte. Die rechtsvergleichende und die rechtsökonomische Perspektive eignen sich gut zur Beantwortung dieser zweiten Frage. Durch die rechtsvergleichende Betrachtung können namentlich anderweitige Regelungskonzepte ausländischer Rechtsordnungen aufgezeigt werden, die anhand der rechtsökonomischen Betrachtung auf einer allgemeingültigen Basis mit den bestehenden Regelungskonzepten des nationalen Rechts verglichen werden können.

26 BGH, Beschl. v. 7. 2. 2012 – II ZR 253/10, NZG 2012, 347 („Commerzbank/Dresdner Bank“).

B. Erläuterung des Vorgehens

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II. Gang der Erörterung Die Arbeit gliedert sich in fünf Teile, wobei nach dieser Einleitung, welche den ersten Teil bildet, der zweite Teil die rechtlichen Rahmenbedingungen der Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb darlegt. Der dritte Teil analysiert die Fragestellung de lege lata anhand der Leitlinien der Rechtsprechung des BGH, während der vierte Teil sich mit der Frage beschäftigt, was de lege ferenda gelten soll. Im fünften Teil werden die Ergebnisse zusammengefasst und eine Schlussbetrachtung vorgenommen. Im Detail soll die Beantwortung der vorliegenden Fragestellung in den folgenden systematischen Schritten erfolgen. Im zweiten Teil der Arbeit ist zunächst der Beteiligungserwerb innerhalb der Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft einzuordnen (A.), um von diesem Ausgangspunkt zu einem Überblick über das von dieser grundsätzlichen Kompetenzordnung abweichende Konzept der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse zu gelangen (B.). Hierbei sind insbesondere die vom BGH in den bisher entschiedenen Fällen aufgestellten Voraussetzungen für ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis herauszuarbeiten. Hiernach ist eine kritische Würdigung der bereits vor den Entscheidungen im Fall Commerzbank/Dresdner Bank existierenden Ansätze zur Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb in der deutschen Rechtsprechung (C.I.) und Literatur (C.II.) vorzunehmen. Sodann werden der Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank dargestellt (D.I.) und die hierzu ergangenen gerichtlichen Entscheidungen und deren Rezeption in der Literatur (D.II.) erörtert. Die bis dahin entwickelten Grundlagen sind sodann im dritten Teil der Arbeit heranzuziehen, um zu analysieren, ob sich ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb durch eine Aktiengesellschaft de lege lata nach den Leitlinien der Rechtsprechung des BGH angemessen ermitteln lässt. Nach einer Klärung des methodischen Vorgehens (A.) ist hierbei zunächst zu erörtern, ob die vorliegende Problematik schon allgemein durch die Verwendung einer Konzernöffnungsklausel ausgeschlossen werden kann (B.). Sodann ist zu untersuchen, ob ein Beteiligungserwerb gegen Barmittel (C.), ein Beteiligungserweb gegen Anteile der Erwerberin (D.) und ein „gemischter“ Beteiligungswerwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin (E.) jeweils die noch präziser zu ermittelnden Kriterien zur Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses erfüllen kann und ob ein gegebenenfalls bestehendes ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auf anderem Wege (wieder) entfallen kann (F.). Anhand der so gefundenen Ergebnisse kann der Beteiligungserwerb im Fall Commerzbank/ Dresdner Bank systematisch auf seine Zustimmungsbedürftigkeit hin überprüft werden (G.).

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Teil 1: Einleitung

Im vierten Teil der Arbeit ist dann zu untersuchen, ob die Existenz eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb de lege ferenda geboten ist und wie dieses gegebenenfalls ausgestaltet sein könnte. Hierzu ist zur Ermittlung alternativer Lösungsansätze die Rechtslage in England (A.I.) und den USA (A.II.) vergleichend zu betrachten und auch eine rechtsökonomische Analyse der Mitwirkungsrechte der Aktionäre vorzunehmen (B.). Zum Schluss sollen im fünften Teil der Arbeit die wichtigsten gefundenen Ergebnisse zusammengefasst (A.) und einer Schlussbetrachtung zugeführt werden (B.).

III. Begriffsklärung und Untersuchungsumfang Weiterhin bedarf es vor dem Einstieg in den materiellen Teil der Arbeit der Klärung, auf welche Arten von „Beteiligungserwerben“ sich die vorliegende Untersuchung bezieht bzw. beschränkt. Die Frage lässt sich, ganz nahe am Wortlaut, in zwei Teilfragen aufspalten: Was ist eine Beteiligung und was ist ein Erwerb derselben? Was zunächst recht eindeutig erscheint, lässt sich, ausgehend von dem Grundfall, dass ein Teil der Anteile an einer Aktiengesellschaft von einer anderen Aktiengesellschaft außerbörslich gegen Barmittel erworben wird, durchaus abschichten. – Umfang des Erwerbs: Ist auch der Erwerb aller Anteile einer Aktiengesellschaft (noch) ein relevanter Erwerb einer „Beteiligung“? – Rechtsform der Zielgesellschaft: Ist auch der Erwerb von anderen Gesellschaftsanteilen als Aktien, z. B. von GmbH-Geschäftsanteilen und von Anteilen an Personengesellschaften, ein relevanter Beteiligungserwerb? – Rechtsform der Erwerberin: Kommt als Erwerberin nur eine Aktiengesellschaft in Betracht oder kann ein ungeschriebenes Zustimmungserfordernis auch bestehen, wenn z. B. eine KGaA oder GmbH eine Beteiligung erwirbt? – Art der Gegenleistung: Ist ein relevanter Beteiligungserwerb nur ein solcher gegen Barmittel oder auch ein solcher gegen Anteile der Erwerberin? – Börsennotierung der Erwerberin: Macht es einen Unterschied, ob die Beteiligung durch eine börsennotierte oder nicht börsennotierte Gesellschaft erworben wird? – Börsennotierung der Zielgesellschaft: Macht es einen Unterschied, ob die Beteiligung an einer börsennotierten oder nicht börsennotierten Gesellschaft erworben wird? – Unmittelbarer oder mittelbarer Erwerb: Kommt ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis bei einer Gesellschaft nur dann in Betracht, wenn die Gesellschaft die Beteiligung selbst unmittelbar erwirbt oder auch dann, wenn diese mittelbar, also durch eine Tochtergesellschaft, erworben wird?

B. Erläuterung des Vorgehens

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Diese Fragen zeigen, dass der Begriff des Beteiligungserwerbs durchaus nicht ganz so selbsterklärend und trennscharf ist, wie es prima vista zu vermuten steht. Die Untersuchung soll auf die folgenden Beteiligungserwerbe bezogen und beschränkt werden. – Umfang des Erwerbs: Die erste Frage betrifft die Abgrenzung des Beteiligungserwerbs zum Erwerb des gesamten Unternehmens. Während von einem „Unternehmenskauf“ gesprochen werden kann, wenn alle Vermögensbestandteile einer Gesellschaft im Wege des asset deals oder aber sämtliche Anteile an ihr im Wege des share deals erworben werden, wird mit dem Begriff „Beteiligungserwerb“ in diesem Kontext meist der Erwerb einer geringeren Anteilsquote verbunden.27 In der aktienrechtlichen Literatur, die sich spezifisch mit dem Problem des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb bzw. Unternehmenskauf befasst, findet sich indes die Verwendung beider Begriffe – Beteiligungserwerb28 und Unternehmenskauf29 –, ohne dass sich hierbei beobachten lässt, dass damit einhergehend konsequent zwischen dem Erwerb sämtlicher Anteile oder einer geringeren Beteiligung differenziert wird. Vielmehr scheinen die Autoren primär den Grundfall des Erwerbs aller Anteile im Auge zu haben und eine Beschäftigung mit der Frage des nur teilweisen Erwerbs nicht aufgrund begrifflicher Differenzierung zu unterlassen, sondern eher mangels tiefergehender Beschäftigung mit der Problematik. Da sich das Problem des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses sowohl beim Erwerb aller Anteile als auch beim Erwerb einer geringeren Anteilsquote gleichermaßen stellen kann, ist für die vorliegende Arbeit das Begriffsverständnis nicht auf den Erwerb einer geringeren Anteilsquote zu beschränken. Es sind vielmehr Beteiligungserwerbe von verschiedenem Ausmaß bis hin zum vollständigen Erwerb aller Anteile von der Untersuchung umfasst. – Rechtsform der Zielgesellschaft: Die Frage nach einem ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernis bei einer Aktiengesellschaft als Erwerberin stellt sich grundsätzlich unabhängig davon, welche Rechtsform die Zielgesellschaft hat. Im Rahmen der Arbeit wird allerdings vom Erwerb von Anteilen an einer Aktiengesellschaft ausgegangen, soweit nichts anderes erwähnt ist. – Rechtsform der Erwerberin: Das Konzept der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse wurde zunächst in Bezug auf die Aktiengesellschaft entwi27

Siehe etwa Hölters, in: Handbuch Unternehmenskauf, 8. Aufl. (2015), Teil I, Rn. 1.1. Vgl. etwa die Titel der Beiträge von Hofmeister, NZG 2008, 47 („Veräußerung und Erwerb von Beteiligungen bei der Aktiengesellschaft: Denkbare Anwendungsfälle der Gelatine-Rechtsprechung?“); Wagner, DStR 2004, 141 („Beteiligungserwerb ohne „HolzmüllerHauptversammlung“); Renner, NZG 2002, 1091 („Holzmüller-Kompetenz der Hauptversammlung beim Erwerb einer Unternehmensbeteiligung?“); Kiefner, ZIP 2011, 545 („Beteiligungserwerb und ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit“). 29 Vgl. etwa die Titel der Beiträge von Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261 („Mitwirkungsrechte der Aktionäre beim Kauf von Unternehmen?“); Priester, AG 2011, 654 („Aktionärsentscheid zum Unternehmenserwerb“). 28

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Teil 1: Einleitung

ckelt. Die Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze wird allerdings bei der SE30, der KGaA31 und der GmbH32 ebenfalls diskutiert, wobei die Dis30 Für die SE bejaht die wohl überwiegende Ansicht die Anwendbarkeit der Holzmüller/ Gelatine-Grundsätze (so Mayer, in: Manz/Meyer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, 2. Aufl. (2010), Art. 52 SE-VO Rn. 10, 17 ff.; Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), Art. 52 SE-VO Rn. 12; Kiem, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), Art. 52 SE-VO Rn. 36; Schwarz, SE-VO (2006), Art. 52 SE-VO Rn. 35; Bücker, in: Habersack/ Drinhausen, SE-Recht (2013), Art. 52 SE-VO Rn. 42; Habersack, ZGR 2003, 724, 741 f.; Casper, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 51, 69). Teilweise wird die Anwendbarkeit allerdings auch abgelehnt, hauptsächlich mit den Argumenten, die Anwendung der Holzmüller/ Gelatine-Grundsätzen würde der mit der SE-VO in der EU intendierten Rechtsvereinheitlichung entgegenwirken und zu Rechtsunsicherheit führen (so Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2012), Art. 52 SE-VO Rn. 22; Marsch-Barner, in: Liber amicorum für Happ (2006), S. 165, 171; Brandt, Die Hauptversammlung der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) (2004), S. 127 ff., auch mit Bezugnahme auf weitere ältere Nachweise; erhebliche Zweifel auch bei Spindler, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE Kommentar, 2. Aufl. (2015), Art. 52 SEVO Rn. 22, 47, der die ungeschriebenen Zuständigkeiten dann aber wohl aus dem europäischen Recht ableiten will). 31 Da § 278 Abs. 2 Hs. 2 AktG auf § 164 S. 1 Hs. 2 HGB verweist und somit bei der KGaA auch „außergewöhnliche Geschäfte“ der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen und zudem die Kategorie des „Grundlagengeschäfts“ anerkannt ist, hält eine Ansicht eine Anwendung der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze darüber hinaus nicht für möglich (so Herfs, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 79 Rn. 53; Assmann/ Sethe, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2000), Vor § 278 Rn. 102, § 278 Rn. 123; Perlitt, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2015), § 278 Rn. 181; Förl/Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 278 Rn. 47; dies., NZG 2004, 210, 211 f.; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. (2004), § 278 Rn. 53; Schütz/Reger, in: Bürgers/Fett, KGaA Handbuch, 2. Aufl. (2015), § 5 Rn. 91, 103; Kessler, NZG 2005, 145, 148; Hoffmann-Becking/ Herfs, Festschrift für Sigle (2000), S. 273, 286 f.; Philbert, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien zwischen Personengesellschaftsrecht und Aktienrecht (2005), S. 200; Kessler, Die rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten der Kommanditaktionäre einer GmbH & Co. KGaA auf die Geschäftsführung (2003), S. 220 f.). Auch die Vertreter dieser Ansicht wollen die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze allerdings zur Beantwortung der Frage heranziehen, ob ein „Grundlagengeschäft“ vorliegt (Herfs, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 79 Rn. 51; Assmann/Sethe, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2000), § 278 Rn. 123; so auch OLG Stuttgart, Urt. v. 14. 5. 2003 – 20 U 31/02, NZG 2003, 778, 783) bzw. ggf. aufgrund der Treuepflicht des Komplementärs eine Vorlagepflicht bejahen, auch wenn die Zuständigkeit der Hauptversammlung für „außergewöhnliche Geschäfte“ statutarisch wie im Regelfall ausgeschlossen ist (so Förl/Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 278 Rn. 47; auch Perlitt, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2015), § 278 Rn. 181 ff.). Die Gegenansicht hält die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze hingegen auch hier für unmittelbar anwendbar (so Schmidt, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 278 Rn. 39; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 278 Rn. 71; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Aufl. (2015), § 31 Rn. 21; Koch, DB 2002, 1701, 1703 f.; Heermann, ZGR 2000, 61, 70 f., 81 f.; Ihring/Schlitt, ZHR-Beiheft, 67/1998, 33, 65). Im Kern betrifft der Streit vor allem die Frage, ob auch in Holzmüller/Gelatine-Fällen die Zustimmungsbedürftigkeit durch eine konkrete Regelung in der Satzung ausgeschlossen werden kann, was dann nicht möglich ist, wenn man eine unmittelbare Anwendbarkeit der Holzmüller/GelatineGrundsätze bejaht. 32 Im GmbH-Recht wird die Anwendung der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze primär im Kontext der Konzernbildung adressiert und überwiegend bejaht (so ausdrücklich Liebscher, in:

B. Erläuterung des Vorgehens

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kussion durch die Besonderheiten der jeweiligen Rechtsform geprägt ist. Der Fokus der Arbeit soll allerdings auf die Betrachtung der Aktiengesellschaft als Erwerberin beschränkt werden. – Art der Gegenleistung: Primär, das wird auch die Analyse des Meinungsbildes in der Literatur zeigen, kreist die Diskussion um einen Beteiligungserwerb gegen Barmittel. Dieser begrenzte Fokus ist aber gerade Teil des Problems der teilweise fehlenden differenzierteren Beschäftigung mit der Thematik, sodass auch Beteiligungserwerbe gegen Anteile der Erwerberin und solche mit gemischter Gegenleistung (Barmittel und Anteile der Erwerberin) betrachtet werden sollen. – Börsennotierung der Erwerberin: Für die Anwendung der Holzmüller/GelatineGrundsätze macht es nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH keinen Unterschied, ob die Erwerberin börsennotiert ist oder nicht, sodass Beteiligungserwerbe durch börsennotierte und nicht börsennotierte Aktiengesellschaften Gegenstand der Untersuchung sind. – Börsennotierung der Zielgesellschaft: Ebenso wenig macht es grundsätzlich einen Unterschied, ob eine Beteiligung an einer börsennotierten oder nicht börsennotierten Gesellschaft erworben wird. Bei börsennotierten Zielgesellschaften besteht allerdings zusätzlich zur Möglichkeit eines außerbörslichen Kaufs die Möglichkeit eines (gegebenenfalls sukzessiven) Kaufs über die Börse und eines

Münchener Kommentar GmbHG, 2. Aufl. (2015), Anh. § 13, GmbH-Konzernrecht Rn. 1098; Decher/Kiefner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, 4. Aufl. (2012), § 68 Rn. 13 ff.; Koppensteiner/Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl. (2013), § 52 Anh. Rn. 45; Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, 2. Aufl. (2014), § 37 Rn. 21; auch Seibt, in: MAH GmbH-Recht, 3. Aufl. (2014), § 2 Rn. 107; Lutter, in: Festschrift für Barz (1974), S. 199, 216 f.; in der Sache ebenso, jedoch ohne ausdrückliche Referenz auf die Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung: Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Anh. 318 Rn. 49; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. (2013), SchlussAnh. GmbH-Konzernrecht Rn. 100; Casper, in: GmbHG Großkommentar (2008), Anh. § 77 Rn. 69; andere Ansicht Emmerich, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl. (2012), Anh. § 13 Rn. 61, mit Verweis auf die Vorlagepflicht nach § 42 Abs. 2 GmbHG, wobei dann bei „strukturändernden außergewöhnlichen Maßnahmen“ ebenfalls eine qualifizierte Mehrheit erforderlich sein soll). Allerdings stellt sich das zugrundliegende Problem bei der GmbH in der Tat nur in geringerer Schärfe. Die nach § 37 Abs. 1 GmbHG „allzuständige“ Gesellschafterversammlung kann ohnehin Fragen der Geschäftsführung an sich ziehen. Auch wenn die Begriffsbildung bzw. die einschlägigen Fallgruppen wenig konturiert sind, ist außerdem dem Grunde nach anerkannt, dass die Geschäftsführer bei „außergewöhnlichen“ Geschäften bzw. Maßnahmen die Pflicht trifft, nach § 42 Abs. 2 GmbHG die Zustimmung der Gesellschafter, allerdings mit einfacher Mehrheit, einzuholen (siehe zum Überblick nur Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617, 618 ff.; hierzu auch schon BGH, Urt. v. 29. 3. 1973 – II ZR 139/70, NJW 1973, 1039). Maßgeblich bei einer Differenzierung zwischen Holzmüller/Gelatine-Fälle und „außergewöhnlichen“ Geschäftsführungsmaßnahmen ist somit das erhöhte Mehrheitserfordernis sowie die Frage, inwieweit eine Einschränkung der Kompetenzen der Gesellschafterversammlung und des Mehrheitserfordernisses durch die Satzung zulässig sind (hierzu ausführlich Priester, in: Festschrift für Westermann (2008), S. 1281, 1286 ff.; differenzierend Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617, 619 ff.).

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Teil 1: Einleitung

öffentlichen Angebots nach dem WpÜG.33 Für Zwecke der vorliegenden Arbeit wird allerdings von einem Beteiligungserwerb als Paketkauf außerhalb der Börse ausgegangen. – Unmittelbarer oder mittelbarer Erwerb: Grundsätzlich kommt ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb auch dann in Betracht, wenn eine Aktiengesellschaft die Beteiligung nicht selbst unmittelbar sondern mittelbar durch eine Tochtergesellschaft erwirbt. Im Rahmen der Arbeit wird aber von einem unmittelbaren Erwerb ausgegangen.

33 Auch im übernahmerechtlichen Schrifttum ist die Behandlung der Holzmüller/GelatineGrundsätze nicht abschließend geklärt. Es dürfte dort allerdings überwiegende Ansicht sein, dass wenn man einen Beteiligungserwerb nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen gesellschaftsrechtlich für zustimmungsbedürftig hält, es keinen Unterschied machen kann, ob der Beteiligungserwerb als Paketerwerb außerhalb der Börse, als Erwerb über die Börse oder als öffentliches Übernahmeangebot ausgestaltet wird (so ausdrücklich Geibel, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl. (2008), § 10 Rn. 32; so zu verstehen auch Krause/Favoccia, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 2. Aufl. (2013), § 18 Rn. 60 und Noack/Holzborn, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. (2010), § 18 WpÜG Rn. 12, jedoch jeweils ohne Positionierung in der Sache; so im Ergebnis auch Thoma, in: Baums/Thoma, WpÜG, Bd. 1, Stand 1/11, § 10 Rn. 38 und Diekmann, in: Baums/Thoma, WpÜG, Bd. 1, Stand 5/04, § 25 Rn. 3, die in der Sache die Zustimmungsbedürftigkeit eines Beteiligungserwerbs aber kritisch sehen; eine mögliche Zustimmungsbedürftigkeit bejahend Hasselbach, in: Kölner Kommentar WpÜG, 2. Aufl. (2010), § 25 Rn. 2; Süßmann, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl. (2008), § 25 Rn. 3; ohne erkennbare Positionierung Hirte, in: Kölner Kommentar WpÜG, 2. Aufl. (2010), § 10 Rn. 39).

Teil 2

Rechtliche Rahmenbedingungen der Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb Als Ausgangspunkt dieser Arbeit sind zunächst diejenigen Grundsätze darzulegen und zu entwickeln, welche den rechtlichen Rahmen zur Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb bilden. Die Problematik der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse bewegt sich in einem Spannungsfeld, das unter dem Blickwinkel verschiedener juristischer Teildisziplinen betrachtet werden kann. So stellt sich aktienrechtlich primär die Frage nach der Ermittlung einer angemessenen Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Hauptversammlung als Organe der Aktiengesellschaft. Verfassungsrechtlich könnte auch die Frage nach der zulässigen Reichweite der Rechtsfortbildung durch die Obergerichte aufgeworfen werden,1 die letztlich ein Problem der Gewaltenteilung zwischen der ersten und der dritten Gewalt darstellt.2 Der Fokus in dieser Arbeit ist allerdings auf die Kompetenzordnung innerhalb der Aktiengesellschaft zu richten.

A. Der Beteiligungserwerb im Kontext der Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft Das deutsche Aktienrecht sieht bekanntlich eine dreigliedrige Organstruktur mit Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung vor, basierend auf den Grundsätzen der Eigenverantwortlichkeit der Organe einerseits und der wechselseitigen Kontrolle 1 Wobei sich diese Problematik grundsätzlich nur bei einer „gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung“ auftut; siehe zur Begriffsklärung Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. (1991), S. 366 f. (die Grenze zur gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung sei allerdings nicht trennscharf); Ulmer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2 (2007), S. 113, 116 f. Eine solche gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung ist bei den Holzmüller-Grundsätzen jedoch anzunehmen; so schon grundlegend Geßler, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 771, 780; auch Wank, ZGR 1988, 314, 372 (Kompetenzverteilung der Aktiengesellschaft durch Holzmüller „grundlegend verändert“); Zimmermann/Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 165; inzwischen auch BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 43 („Gelatine I“) („Ergebnis einer offenen Rechtsfortbildung“, mit ausdrücklicher Referenz auf Geßler). 2 Siehe ausführlicher hierzu Wank, ZGR 1988, 314, 369 ff.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

im Sinne einer Gewaltenteilung andererseits.3 Vor der Betrachtung des Beteiligungserwerbs im Kontext der aktuellen Kompetenzordnung (hierzu unter II.) lohnt es sich – in der gebotenen Kürze – auch auf die historische Entwicklung der Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft einzugehen (hierzu unter I.), da sich auch hier bereits Ansatzpunkte für Hauptversammlungserfordernisse bei außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen finden.

I. Historische Entwicklung der Kompetenzordnung Insgesamt beschreibt die Entwicklung der Aktiengesellschaft einen Bogen von den ersten frühen Vorgängerorganisationen der Aktiengesellschaft,4 über die frühen Handelskompagnien5 zur Zeit des Oktroisystems6 im 17. Jahrhundert7 und die Ge3 Siehe etwa Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), Vor § 76 Rn. 18 („Dreigliederung der Organisation“); Fleischer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2 (2007), S. 430, 437 („checks and balances“ zwischen den Gesellschaftsorganen); Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231 („checks and balances“); Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 7 („innergesellschaftliche Machtbalance“); Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 76 Rn. 5 („Machtbalance“). 4 Als (frühe) Vorgängerorganisationen der Aktiengesellschaft werden vielfach die italienischen Banken des 15. Jahrhunderts genannt, da diese bereits einige später prägende Charakteristika der Aktiengesellschaft aufwiesen, namentlich die Haftungsbeschränkung der Anteilseigner auf das eingelegte Kapital und die Übertragbarkeit der Anteile; siehe etwa Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 1 Rn. 1; Lehmann, Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts bis zum Code de Commerce (1895), S. 4 („Wiege der modernen Aktiengesellschaft“, mit weiterführenden Nachweisen zu dieser Ansicht, die damals zu „fast allgemeiner Anerkennung gelangt“ war). Teilweise wird aber der Zusammenhang zu der späteren Entwicklung der moderneren Aktiengesellschaften bezweifelt; so Bösselmann, Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens im 19. Jahrhundert (1939), S. 52 („zufällige Einzelerscheinung“), S. 60 („ohne sichtbaren Zusammenhang“); Schmoller, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich 1893, S. 959, 963 („schwer nachweisbar […] aber wahrscheinlich“). 5 Als Initialzündung für die Entwicklung des Aktienwesens im moderneren Sinne wird man erst den durch die Kolonialisierung möglich gewordenen, weltweiten und daher kapitalintensiven Seehandel ansehen können. Dieser verlangte nach größer angelegten Zusammenschlüssen von Kapitalgebern, wofür die bis dahin gängigen Gesellschaftsformen nicht geeignet waren; siehe Schmoller, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich 1893, S. 959, 960; ähnlich Cordes/Jahntz, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 1, 14 (zur Lage in den Niederlanden). So wird, insbesondere in der neueren Literatur, vielfach die Niederländisch-Ostindische Kompagnie, die 1602 aus einem Zusammenschluss mehrerer kleinerer und regionaler Vorgängervereinigungen entstand, als erste Vorläuferin der Aktiengesellschaft im moderneren Sinne gesehen; so aus neuerer Zeit: Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 15 f.; Zöllner, in: Kölner Kommentar AktG, 1. Aufl. (1984), Einl. Rn. 56; siehe aber auch schon Bösselmann, Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens im 19. Jahrhundert (1939), S. 56 f.; Lehmann, Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts bis zum Code de Commerce (1895), S. 29 ff. 6 Die Gründung der Kompagnie konnte – anders als heute – nicht allein durch einen privatautonomen Willensakt der Gründer mit einer anschließenden registerlichen Eintragung

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sellschaften zur Zeit des Konzessionssystems8 im 18. und 19. Jahrhundert, bis hin zur modernen Aktiengesellschaft von heute. Hierbei wurde, einhergehend mit dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel, spiegelbildlich auch die innere Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft verändert. Reformen wurden meist zu Zeitpunkten angestoßen als verbunden mit einem wirtschaftlichen Abschwung der Missbrauch der bis dahin bestehenden Regelungen deutlich zu Tage trat. Zu Zeiten des Oktroisystems war die Kompetenzordnung fast noch ausschließlich von dem Einfluss der Gründer und der gewählten statutarischen Ausgestaltung abhängig,9 wobei die Gesellschaft typischerweise lediglich zwei Organe hatte: das Direktorium und die Generalversammlung.10 Da es dem Gesetzgeber aufgrund der damals neuen Erscheinungsform noch nicht gelungen war, ein umfassendes Regelwerk betreffend die Kompagnie zu entwerfen, versuchte man den Schutz der Gläubiger und der Anleger durch Erteilung des Oktroi im Einzelfall sicherzustellen.11 Zwar war es Privatleuten möglich sich an einer Kompagnie zu beteiligen,12

vollzogen werden. Vielmehr bedurfte es des staatlichen Oktroi, also einer Genehmigung im Einzelfall, durch welche die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit und Hoheitsrechte erhielt; siehe exemplarisch das Oktroi der Dänisch-Ostindischen Compagnie vom 17. März 1616, abgedruckt mit deutscher Übersetzung bei Lehmann, Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts bis zum Code de Commerce (1895), Anhang (S. 89 ff.). 7 Von Holland ausgehend verbreitete sich die Organisationsform der Kompagnie auch in andere europäische Länder. Die erste deutsche Kompagnie war (wohl) die BrandenburgischOstindische Kompagnie von 1651; so Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 17; Bösselmann, Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens im 19. Jahrhundert (1939), S. 51; Kießling, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 126, 133. Großfeld benennt hingegen die Brandenburgisch-Afrikanische Kompagnie von 1682, Ring gar erst die 1750 genehmigte Asiatische Kompagnie in Emden zum asiatischen Seehandel; siehe Großfeld, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 4 (1979), S. 236; Ring, Das Reichsgesetz betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18. Juli 1884, 2. Aufl. (1893), S. 3. 8 Zur Unterscheidung zwischen Oktroi- und Konzessionssystem etwa Zöllner, in: Kölner Kommentar AktG, 1. Aufl. (1984), Einl. Rn. 60; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 1 Rn. 4. 9 Schmoller, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich 1893, S. 959, 986; Cordes/Jahntz, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 1, 22. 10 Siehe statt vieler nur Cordes/Jahntz, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 1, 20. Bei Gesellschaften mit einem überschaubaren Kreis von wirtschaftlich erfahrenen Gesellschaftern war aber durchaus auch eine formlosere Art der Entscheidungsfindung unter Beteiligung aller Gesellschafter möglich, ohne dass formal eine Generalversammlung oder ein Direktorium existierte; siehe Schmoller, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich 1893, S. 959, 990 f. 11 Eine Regulierung ergab sich durch die Verleihung des Oktroi und dadurch, dass staatliche Kommissare in das Direktorium entsendet wurden, teilweise aber auch dadurch, dass eine staatliche Genehmigung zur Änderung der Statuten erforderlich war; siehe Lehmann, Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts bis zum Code de Commerce (1895), S. 87 f. (mit einer weiteren Aufzählung typischer staatlicher Einflussmöglichkeiten); Bösselmann, Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens im 19. Jahrhundert (1939), S. 64.

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allerdings war der primäre Zweck der Gesellschaft eher an staatlichen Zielsetzungen wie zum Beispiel der Erschließung der Kolonien13 orientiert und die Gesellschaft war kraft des Oktroi Inhaberin gewisser Hoheitsrechte.14 Der Einfluss der „kleinen Aktionäre“ in der Generalversammlung war insbesondere aufgrund von Beschränkungen des Stimmrechts jedoch vielfach noch gering15 und es fehlte noch an festen Strukturprinzipien.16 In Reaktion auf den zunehmenden Eisenbahnbau im frühen 19. Jahrhundert17 kam es in Preußen 1838 zu einer ersten aktienrechtlichen Kodifizierung auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens.18 Hinsichtlich der Genehmigungspraxis vollzog sich eine 12 „Allen Einwohnern der vereinigten Provinzen soll es freistehen, an dieser Compagnie mit soviel oder sowenig, als es ihnen gefällig ist, theilzunhemen.“ – übersetzter Auszug aus dem Oktroi der Niederländisch-Ostindischen Kompagnie vom 20. 3. 1602, zitiert nach Lehmann, Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts bis zum Code de Commerce (1895), S. 33. 13 „Da der Wohlstand der vereinigten Niederlande hauptsächlich in der Schiffahrt, Handel und Commerz besteht […] so haben wir solches reiflich überlegt und erwogen, wie sehr den vereinigten Provinzen und ihren guten Einwohner daran gelegen sey, dass diese Schiffahrt, Handel und Commerz unter eine gute allgemeine Ordnung, Policey, Correspondez und Gemeinschaft (Gemeenschap) gestellet, und dass sie unterhalten und vermehret werden […]“ – übersetzter Auszug aus dem Oktroi der Niederländisch-Ostindischen Kompagnie vom 20. 3. 1602, zitiert nach Lehmann, Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts bis zum Code de Commerce (1895), S. 29. 14 Siehe zu einer (freilich nicht abschließenden) Aufzählung der typischerweise verliehenen Hoheitsrechte: Lehmann, Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts bis zum Code de Commerce (1895), S. 83. Die Organisationsform war somit gemischt privatrechtlich-öffentlichrechtlich; siehe Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 1 Rn. 1; Lehmann, Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts bis zum Code de Commerce (1895), S. 8; Schmoller, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich 1893, S. 959, 987 15 Hopt, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 5 (1980), S. 128, 151; Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 19. Daher war die Position der Minderheitsaktionäre letztlich nicht unähnlich zu der eines Vorzugsaktionärs; siehe Cordes/Jahntz, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 1, 19. 16 Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 26 f.; Cordes/Jahntz, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 1, 22. 17 Hoffmann-Becking spricht von der „bahnbrechenden“ Wirkung der Eisenbahngesellschaften für die Verbreitung des Aktienrechts; siehe Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 1 Rn. 3. In Preußen wurden in der Zeit von 1837 bis 1850 alleine 28 Eisenbahngesellschaften gegründet; siehe Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 48; Hopt, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 5 (1980), S. 128, 137 („zwischen 1800 und 1850“). Die Gesellschaften waren in ihrer Ausgestaltung maßgeblich von der französischen societé anonyme des französischen Code de Commerce von 1807 geprägt, der auch in einigen deutschen Landesteilen galt; siehe Zöllner, in: Kölner Kommentar AktG, 1. Aufl. (1984), Einl. Rn. 59. 18 Namentlich durch das Gesetz über die Eisenbahn-Unternehmungen vom 3. 11. 1838, abgedruckt bei Weinhagen, Das Recht der Aktien-Gesellschaften (1866), Anh., S. 5 ff. und die Allerhöchst genehmigte Instruktion des Staatsministeriums an sämtliche Oberpräsidenten über die Prüfung der Anträge auf Konzessionierung von Eisenbahn-Anlagen vom 30. 11. 1838, ebenfalls abgedruckt bei Weinhagen, a.a.O., dort Anh., S. 37 ff.

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Entwicklung weg vom klassischen gemeinnützigkeitsbasierten und Hoheitsrechte verleihenden Oktroi, hin zu einer Konzessionserteilung auch für solche Gesellschaften, die nicht gleichzeitig hoheitliche Privilegien beantragten.19 Auch in anderen, durch die industrielle Revolution möglich gewordenen Produktionsbereichen, vor allem aber auch bei Banken, kam die Aktiengesellschaft als Gesellschaftsform vermehrt zum Einsatz,20 wobei bei den Investoren zunehmend kapitalistische Motive in den Vordergrund traten und die Aktie auch als Spekulationsobjekt verwendet wurde.21 Zu einer originär aktienrechtlichen „deutschen“ Gesetzgebung kam es erstmals im Jahr 1843, angelehnt an den französischen Code de Commerce,22 durch das Gesetz über Aktiengesellschaften in Preußen.23 Das Gesetz regelte zwar gewisse grundsätzliche Fragen,24 es blieb allerdings zunächst bei der stark statutarisch geprägten Ausgestaltung der Kompetenzordnung.25 Die Organstruktur der Aktiengesellschaft war hierbei aufgrund der Existenz eines Verwaltungsrats faktisch oft schon eine dreigliedrige, wobei der starke Einfluss der im Verwaltungsrat vertretenen Großaktionäre auf die Geschäftsführung fortbestand.26 An der inzwischen umstrittenen Konzessionspraxis wurde einstweilen festgehalten.27

19 Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 36 ff; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 1 Rn. 3 f. 20 Hopt, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 5 (1980), S. 128, 135. Dem stand die preußische Regierung durchaus kritisch gegenüber, befürchtete man doch die Entstehung von Aktiengesellschaften mit großen Geldmitteln und potentiell gemeinschädlicher Wirkung; siehe Großfeld, in: Coing/Wilhelm, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 4 (1979), S. 236, 241 ff. 21 Bösselmann, Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens im 19. Jahrhundert (1939), S. 102 f. 22 Der Code de Commerce beinhaltete die erste gesetzliche Regelung in Europa betreffend die Aktiengesellschaft und hatte daher eine maßgebliche Vorbildfunktion; siehe Bösselmann, Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens im 19. Jahrhundert (1939), S. 60; Lehmann, Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts bis zum Code de Commerce (1895), S. 1; auch Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 1 Rn. 3. 23 Gesetz über die Aktiengesellschaften für die Königlich Preussischen Staaten vom 9. 11. 1843, abgedruckt bei Baums, Gesetz über die Aktiengesellschaft für die königlich preußischen Staaten vom 9. November 1843, Text und Materialien (1981), S. 211 ff. Dem waren intensive Vorüberlegungen vorausgegangen. So stammten die ersten Überlegungen für eine Gesetzgebung im Bereich des Aktienrechts schon aus dem Jahre 1817; siehe Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 45; Baums, a.a.O., S. 29 ff. 24 So legte das Gesetz zwar fest, dass ein Vorstand mit bestimmten Rechten und Pflichten existiert, §§ 19 – 27, die Existenz einer Generalversammlung wurde in § 2 Ziff. 6 allerdings lediglich vorausgesetzt, ohne aber zu deren Kompetenzen Stellung zu nehmen. 25 Zöllner, in: Kölner Kommentar AktG, 1. Aufl. (1984), Einl. Rn. 60; Hopt, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 5 (1980), S. 128, 153 f.; Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 59, 65. 26 Kießling, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 193, 218 f.

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Die dreigliedrige Organstruktur der Aktiengesellschaft mit einem allerdings noch fakultativen Aufsichtsrat28 wurde dann gesetzlich erstmals durch das ADHGB von 1861 eingeführt,29 wobei die Kompetenzordnung noch nicht verbindlich festgeschrieben war.30 Die Abgrenzung der Kompetenzen der Organe war somit zwar bereits angelegt, aber noch nicht konsequent zu Ende geführt. Die obligatorisch dreigliedrige Struktur wurde dann erst durch die erste Aktienrechtsnovelle von 1870 eingeführt,31 die gleichzeitig das Konzessionssystem beseitigte32 und das System der Normativbedingungen33 etablierte. Durch die zweite 27

Zum „Niedergang des Konzessionssystems“: Großfeld, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 4 (1979), S. 236, 242 f. In anderen Rechtsordnungen war das Konzessionssystem inzwischen abgeschafft worden, so in Frankreich 1844 und in England 1856/1857. Auch in Hamburg und Bremen war es bereits weitgehend aufgegeben worden; siehe Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 69; Hopt, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 5 (1980), S. 128, 129. 28 Unklar war insbesondere, welche genaue Stellung dem Aufsichtsrat nach dem Willen des Gesetzgebers zukommen sollte; siehe Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 74 f. In der Praxis wurde der Aufsichtsrat in der Folge daher meist ähnlich dem bisherigen Verwaltungsrat ausgestaltet; so Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 75; Lieder, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 318, 363. 29 Das ADHGB wurde zunächst im Wege der Parallelgesetzgebung in den einzelnen deutschen Staaten eingeführt und markierte damit das Ende der bis dahin bestehenden Rechtszersplitterung zwischen den deutschen Staaten auf dem Gebiet des Aktienrechts; siehe Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 1 Rn. 5; Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 76. So hatten 27 der damals 31 deutschen Staaten das ADHGB bereits im Jahre 1868 eingeführt; so Pahlow, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 237, 241; siehe zur preußischen Umsetzung: Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch und Allgemeine Deutsche Wechsel-Ordnung nebst den darauf bezüglichen Gesetzen, Verordnungen und Instruktionen, Amtliche Ausgabe (1862), S. 37 ff. 30 So führte der Vorstand zwar die Geschäfte, die Generalversammlung konnte ihm allerdings noch Weisungen erteilen, Art. 231 Abs. 1 ADHBG. 31 Gesetz betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 11. 6. 1870, Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1870, S. 375. Die aktienrechtlich relevanten Regelungen sind abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, ZGR-Sonderheft 4 (1985), S. 107 ff. 32 Es hatte sich zwischenzeitlich die Auffassung durchgesetzt, dass das Konzessionssystem nicht zu einem effektiven Schutz der Anleger und zu einer Bekämpfung von Schwindel führte, sondern dass im Gegenteil die Anleger in Anbetracht der erteilten staatlichen Konzession eigene Vorsichtsmaßnahmen unterließen und damit noch öfter Opfer von Schwindel wurden; siehe Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 81; ähnlich auch Bösselmann, Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens im 19. Jahrhundert (1939), S. 73; Schubert, ZGR 1981, 285, 287. 33 Damit knüpfte die Entstehung der Aktiengesellschaft künftig an die Erfüllung von gesetzlichen Mindestvoraussetzungen an, welche durch das Registergericht im Rahmen des Eintragungsverfahrens geprüft werden mussten; siehe zum Charakter des Systems der Normativbedingungen in Abgrenzung zum Konzessionssystem etwa Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 1 Rn. 5; Habersack, in:

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Aktienrechtsnovelle von 188434 erfolgte eine Stärkung der Kompetenzen der Generalversammlung35 und insbesondere der Minderheitsaktionäre.36 Obwohl damit immer noch keine gesetzlich abschließend festgelegte Kompetenzordnung bestand, kann die zweite Aktienrechtsnovelle von 1884 doch als „Geburtsstunde“ der modernen aktienrechtlichen Kompetenzordnung bezeichnet werden.37 Die meisten Grundprinzipien und die wesentlichen Regelungen, die auch noch heute das Aktienrecht prägen, waren – vom Konzernrecht einmal abgesehen – ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der zweiten Aktienrechtsnovelle von 1884 im Aktiengesetz enthalten.38 Erwähnenswert ist ferner, dass in Art. 236 Abs. 2 ADHGB geregelt wurde, dass der Vorstand die Generalversammlung, außer in den im Gesetz oder in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen, auch dann einzuberufen hatte, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erschien. Hierdurch bestand ein gesetzlicher Anknüpfungspunkt für Generalversammlungserfordernisse bei außergewöhnlichen Maßnahmen.39 In der Folge bejahte schon das Reichsgericht in zwei wichtigen Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), Einl. Rn. 16; ausführlich hierzu Beitzke, ZHR 108 (1941), 32. 34 Gesetz betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18. 7. 1884, RGBl. 1884, S. 123, abgedruckt bei Ring, Das Reichsgesetz betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18. Juli 1884, 2. Aufl. (1893), S. 21 ff. 35 Die Generalversammlung erhielt das unentziehbare Recht zur Änderung von Satzung und Grundkapital, Art. 215, 215a ADHGB, und hatte in der Folge die alleinige Befugnis den Aufsichtsrat zu wählen und abzuberufen, Art. 224, 191 Abs. 1 ADHGB. Aufsichtsräte durften auch nicht mehr Mitglieder des Vorstands sein und umgekehrt, Art. 225a ADHGB. Allerdings war die Reformierung des Aufsichtsrats insofern auch nicht völlig abgeschlossen, als der Satzungsgeber dem Aufsichtsrat auch noch weitere Kompetenzen zuweisen konnte, Art. 225 Abs. 3 ADHGB. 36 So hatten Minderheitsaktionäre nun das Recht, Beschlüsse anzufechten, Art. 190a, 222 ADHGB, die Verfolgung von Ersatzansprüchen zu erzwingen, Art. 223 ADHGB, und die Generalversammlung einzuberufen bzw. deren Tagesordnung zu ergänzen, Art. 237 ADHGB. 37 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 55 („Geburtsstunde eines modernen Aktienrechts“); Zöllner, in: Kölner Kommentar AktG, 1. Aufl. (1984), Einl. Rn. 64; Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 104 („Einfluß bis hin zu dem heute geltenden Aktienrecht“). 38 Zöllner, in: Kölner Kommentar AktG, 1. Aufl. (1984), Einl. Rn. 64. Dennoch blieb in der Praxis offensichtlich auch nach Inkrafttreten der 2. Aktienrechtsnovelle zunächst vieles „beim alten“. Aufgrund der positiven Entwicklung der deutschen Wirtschaft bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges stellte sich die Frage nach einer weiteren Reform des Aktienrechts jedoch zunächst nicht; siehe Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 116 f. 39 Bemerkenswert ist weiterhin, dass nachdem Art. 236 Abs. 2 ADHGB später in § 253 Abs. 2 HGB überführt wurde und zwischenzeitlich im Aktiengesetz 1937 entfallen war, die Vorschrift grundsätzlich unverändert in § 121 Abs. 1 Aktiengesetz 1965 wieder eingeführt wurde. Allerdings spielt sie bei der Diskussion über die dogmatische Herleitung der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse in jüngerer Zeit keine nennenswerte Rolle mehr. Erwähnt wird sie allerdings noch von Geßler, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 771, 776 ff. Die unterschiedliche Handhabung der Norm dürfte darauf zurückzuführen sein, dass das

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Entscheidungen – dem sog. Grubeneisenbahn-Fall40 und dem sog. Melasse-Fall41 – derartige ausnahmsweise Generalversammlungserfordernisse, wobei die Diktion des Reichsgerichts bereits durchaus an das Holzmüller-Urteil erinnert.42 Die genannten Fälle betrafen die Veräußerung von Gesellschaftsvermögen43 bzw. eine umfangreiche Investitionsmaßnahme.44 In der zeitgenössischen Literatur rief vor allem das Melasse-Urteil des Reichsgerichts Kritik hervor.45 Es wurde auch damals erkannt, ADHGB wie dargestellt noch keine abschließende Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft kannte und insbesondere die Geschäftsführung noch nicht trennscharf dem Vorstand zugewiesen war. Art. 236 Abs. 2 ADHGB dürfte somit als Ausprägung der damals noch stärken Stellung der Generalversammlung im Bereich der Geschäftsführungsangelegenheiten zu begreifen sein; siehe auch Geßler, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 771, 772 (Rechtslage damals „völlig anders“). 40 RG, Urt. v. 28. 5. 1895 – II 69/95, RGZ 35, 83 („Grubeneisenbahn“). 41 RG, Urt. v. 5. 5. 1902 – HoldheimsZ 1903, 197 („Melasse“). 42 Siehe RG, Urt. v. 28. 5. 1895 – II 69/95, RGZ 35, 83, 87 („Grubeneisenbahn“) („Aus der Vorschrift des Art. 236 HGB, wonach der Vorstand die Generalversammlung zu berufen hat, so oft dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich scheint, und der Vorschrift des Art. 241 Abs. 2, wonach die Mitglieder des Vorstands bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns zu beobachten haben, ergiebt sich vielmehr die Folge, daß, falls der Abschluß eines Rechtsgeschäftes es ist, welche[s] im Interesse der Gesellschaft die Einberufung der Generalversammlung erfordert, die Mitglieder des Vorstands ihren Pflichten zuwiderhandeln, wenn sie den Abschluß dieses Rechtsgeschäftes, sofern die Befragung der Generalversammlung ausführbar ist, ohne dieselbe vornehmen, und daß sie der Gesellschaft schadensersatzpflichtig sind, wenn aus diesem nach Art. 231 Abs. 2 für die Gesellschaft bindenden Geschäfte der Gesellschaft ein Schade[n] erwächst, es sei denn etwa, daß sie zu erweisen vermöchten, auch die Generalversammlung würde, wenn befragt, die Vornahme des Geschäftes beschlossen haben.“). 43 Im Grubeneisenbahn-Fall hatte der Vorstand der Gesellschaft sich mit Zustimmung des Aufsichtsrats verpflichtet, eine Grubeneisenbahn unter bestimmten, später eingetreten Voraussetzungen unentgeltlich an die Staatsregierung zu übertragen. Die Grubeneisenbahn machte etwa 15 % der Aktiva der Gesellschaft aus. Die Übertragung klagte der Fiskus in der Folge erfolgreich ein, worauf die Gesellschaft die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats erfolgreich in Regress nahm; siehe RG, Urt. v. 28. 5. 1895 – II 69/95, RGZ 35, 83 („Grubeneisenbahn“). 44 Im Melasse-Fall führte der Vorstand einer Gesellschaft, die eine Fabrikation für Zuckerrohr betrieb, lediglich mit Zustimmung des Aufsichtsrats ein neues Verfahren zur Entzuckerung ein, sog. Melasse-Entzuckerungsverfahren. In der Satzung fand sich eine Klausel, nach der die Errichtung von Anlagen im Wert von mehr als 25.000 Mark der Zustimmung der Generalversammlung bedurft hätte. Obwohl schon im Ausgangspunkt die Kosten der Errichtung der neuen Anlage etwa 150.000 Mark betragen sollten, wurde die Generalversammlung nicht beteiligt. Das zunächst angewendete Trockenverfahren führte aber zu keinen verwertbaren Ergebnissen. Ebenso wenig waren weitere Versuche mit dem sog. Laugeverfahren erfolgreich, die nach weiteren Umbauten durchgeführt wurden, sodass das gesamte Verfahren letztlich eingestellt wurde. Hierdurch entstand der Gesellschaft ein Schaden in Höhe der nutzlos aufgewendeten Ausgaben. Die Gesellschaft nahm daraufhin den Vorstand und den Aufsichtsrat erfolgreich in Regress; siehe RG, Urt. v. 5. 5. 1902 – HoldheimsZ 1903, 197 („Melasse“). 45 Endemann, HoldheimsZ 1903, 201 f. (Das Gericht habe „vollständig unter dem Eindruck des Tatbestandes gestanden“ und „unnötigerweise verallgemeinernde Ausführungen“ getätigt.).

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dass eine zu weitgehende Mitwirkung der Hauptversammlung bei der Geschäftsführung zu einer Lähmung des Vorstands und damit auch zu einer Schädigung der Gesellschaft und des Aktienwesens im Allgemeinen führen kann.46 Die grundsätzliche Existenz „ungeschriebener“ Generalversammlungserfordernisse wurde aber deswegen nicht in Abrede gestellt. Man stritt sich vielmehr, wie auch heute, hauptsächlich um deren Reichweite und das Thema wurde 1904 sogar im Rahmen des 27. Deutschen Juristentags erörtert. Hierbei plädierte Lehmann für eine Unterteilung in gewöhnliche und außergewöhnliche Angelegenheiten,47 während nach der restriktiveren Auffassung von Staub nur Geschäfte von fundamentaler Bedeutung für den Bestand der Gesellschaft von dem Zustimmungserfordernis erfasst sein sollten.48 Etwa zur gleichen Zeit kam es in Deutschland erstmals zu einem vermehrten Zusammenschluss von Unternehmen.49 Diese frühen Entwicklungen in Richtung der vermehrten Konzernbildung wurden als ökonomisch wünschenswert begrüßt.50 Kombiniert man diese Beobachtung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts im Grubeneisenbahn- und Melasse-Fall, so gelangt man zu dem Schluss, dass nach damaliger Rechtslage durchaus auch ein Beteiligungserwerb von größerem Ausmaß geeignet gewesen wäre, eine außerordentliche Einberufung der Generalversammlung auszulösen. Nach dem ersten Weltkrieg51 kam es – vor allem steuerrechtlich bedingt – zu einer starken Ausbreitung der Konzernbildung,52 was sich zunächst allerdings noch nicht in diesbezüglichen aktienrechtlichen Regeln niederschlug. Erst nach der Zeit der

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Simon, DJZ 1904, 778 f. Lehmann, in: Verhandlungen des 27. DJT, Bd. 1 (1904), S. 57, 71 ff. 48 Staub, in: Verhandlungen des 27. DJT, Bd. 1 (1904), S. 80, 86 ff. 49 Zum Überblick Altmeppen, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 1027, 1030; Großfeld, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 4 (1979), S. 236, 250 f. 50 Altmeppen, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 1027, 1030; Großfeld, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 4 (1979), S. 236; RG, Urt. v. 4. 2. 1897 – VI 307/96, RGZ 38, 155, 157 ff. („Sächsischer Holzstoff-FabrikantenVerband“). 51 Während des ersten Weltkriegs kam es zu einem vermehrten Einfluss des Staates auf die Aktiengesellschaften und zur Gründung von sog. Kriegsaktiengesellschaften mit dem Zweck, den durch den Krieg entstandenen Anforderungen gerecht zu werden; siehe Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 127. Schon vorher waren mit dem Inkrafttreten des HGB im Jahr 1900 die Vorschriften über die Aktiengesellschaft in die §§ 178 – 319 HGB überführt worden, ohne dass damit für die Kompetenzordnung bedeutsame Änderungen einhergingen; siehe Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 1 Rn. 7; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), Einl. Rn. 18. Die wichtigste Veränderung war wohl in der Tat eine systematische, namentlich, dass die Regelungen über die Aktiengesellschaft, in Abkehr von der bisherigen Reihenfolge, nun im Gesetz vor den Regelungen über die Kommanditgesellschaft auf Aktien verortet wurden. 52 Altmeppen, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 1027, 1034; Spindler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2 (2007), S. 440, 515 ff. 47

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

Weimarer Republik53 brachte das Aktiengesetz 1937 maßgebliche Neuerungen.54 Es basierte – trotz ursprünglich anderweitiger Zielsetzung55 – noch maßgeblich56 auf den Vorarbeiten des Entwurfs von 1930/31,57 dessen Umsetzung zu Zeiten der Weimarer Republik nicht mehr gelungen war. Durch das Aktiengesetz 1937 wurden die Rechte des Vorstands gestärkt, indem der Hauptversammlung58 und dem Aufsichtsrat59 Angelegenheiten der Geschäftsführung entzogen wurden, wodurch Letzterer zu einem reinen Kontrollorgan umfunktioniert wurde. Die Begründung dafür, die Hauptversammlung nicht mehr an der Geschäftsführung mitwirken zu lassen, lag – mit den eigenen Worten des Gesetzgebers – darin, dass es nicht sein könne, dass die Mitglieder des Vorstands „bei ihrer Geschäftsführung in dem bis53 In der Weimarer Republik entbrannte dann zwar zunächst eine intensive Debatte über die Notwendigkeit einer Reform des Aktienrechts. Es dauerte aber bis zum Anfang der Weltwirtschaftskrise ab dem Jahr 1929 bis auch der Gesetzgeber sich dieser Reformdebatte annahm; siehe Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 129; Spindler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 440, 482. Durch die in Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise erlassenen Notverordnungen, von denen insbesondere die Verordnungen vom 19. September 1931 und 6. Oktober 1931 hervorzuheben sind, wurde die Kompetenzordnung ebenfalls nicht entscheidend verändert; siehe zum Überblick über die wichtigsten Änderungen hierdurch Engelke/Maltschew, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 570, 580 ff. bzw. 595 ff. 54 Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 30. 1. 1937, RGBl. 1937 I, S. 107, abgedruckt bei Klausing, Aktiengesetz nebst Einführungsgesetz und „Amtlicher Begründung“ (1937), Teil B, S. 1 ff. Hier fand sich nun erstmals zentral in § 15 AktG 1937 der Begriff des Konzerns und auch in anderen Vorschriften wurden Regelungen über den Konzern getroffen. 55 Die nationalsozialistische Regierung hatte die Vorarbeiten aus der Weimarer Republik ursprünglich nicht weiterführend verwenden wollen. Vielmehr sollte sich die nationalsozialistische Ideologie auch in einem gänzlich neu zu schaffenden Aktienrecht widerspiegeln; siehe Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 619, 624; Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 151. Teilweise wurde damals sogar gefordert, das Aktienwesen insgesamt abzuschaffen; siehe hierzu Klausing, Aktiengesetz nebst Einführungsgesetz und „Amtlicher Begründung“ (1937), Teil A, S. 20 f. 56 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), Einl. Rn. 21 („nur einige Konzessionen an den Geist der Zeit aufgenommen“); Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 1 Rn. 12; Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 148 ff. 57 Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (1931), abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik (1987), S. 849 ff.; zur Entstehungsgeschichte Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 138 ff. 58 Die Hauptversammlung war nun nur noch dann zur Entscheidung berufen, wenn Gesetz oder Satzung dies ausdrücklich bestimmten, § 103 Abs. 1 AktG 1937, oder wenn der Vorstand eine solche Entscheidung verlangte, § 103 Abs. 2 AktG 1937. Weiterhin wurde der Hauptversammlung das Recht zur Entscheidung über die Gewinnverwendung zugewiesen, § 126 AktG 1937. 59 Siehe § 95 Abs. 5 AktG 1937. Erstmals kam auch die Kompetenz den Vorstand zu bestimmen und abzuberufen zwingend dem Aufsichtsrat zu, § 75 Abs. 1 S. 1 AktG 1937, sodass die Hauptversammlung auch keinen unmittelbaren Einfluss mehr auf die Besetzung der Geschäftsleitung hatte.

A. Beteiligungserwerb im Kontext der Kompetenzordnung der AG

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herigen Umfang von der Masse der unverantwortlichen Aktionäre abhängig sind, denen meist auch der notwendige Überblick über die Geschäftslage fehlt.“60 Damit hatte der Gesetzgeber erstmals eine verbindliche Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft geschaffen und hatte die Zuständigkeiten der einzelnen Organe untereinander klar abgegrenzt.61 Obwohl in der Zeit des Nationalsozialismus geschaffen, blieb das Aktiengesetz 1937 nach Kriegsende noch zwanzig Jahre in Kraft und wurde erst durch das Aktiengesetz 196562 abgelöst.63 Durch das Aktiengesetz 1965 wurde die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft nicht mehr im Grundsatz angetastet.64 Eines der Ziele des Aktiengesetzes 1965 war es jedoch durchaus, die Möglichkeiten der Einflussnahme der Aktionäre und der Hauptversammlung zu stärken, die der Gesetzgeber als „wirtschaftliche Eigentümer“ der Gesellschaft bezeichnete.65 Der Erwähnung bedarf ferner die umfassende Kodifizierung des Konzernrechts in den §§ 15 – 20, 291 ff., 311 ff. AktG. Geändert und beeinflusst wurde das Aktiengesetz nach einer „Phase relativer Konstanz“66 dann im weiteren Verlauf durch hauptsächlich europarechtlich veran-

60 Amtliche Begründung zum AktG 1937, Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger 1937, Nr. 28, abgedruckt bei Klausing, Aktiengesetz nebst Einführungsgesetz und „Amtlicher Begründung“ (1937), Teil B, dort S. 3. 61 Statt vieler Kort, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), Vor § 76 Rn. 6; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), Vor § 76 Rn. 17; Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 619, 647. Dies war auch gerade das erklärte Ziel des Gesetzgebers; siehe Amtliche Begründung zum AktG 1937, Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger 1937, Nr. 28, abgedruckt bei Klausing, Aktiengesetz nebst Einführungsgesetz und „Amtlicher Begründung“ (1937), Teil B, S. 56. 62 Aktiengesetz vom 6. 9. 1965, BGBl. 1965 I, S. 1089, abgedruckt bei Kropff/Thölke, Aktiengesetz 1965 (2005), S. 19 ff. 63 Der Grund für diesen auf den ersten Blick möglicherweise überraschenden Befund kann darin gesehen werden, dass die Reformen von 1937 letztlich mehr an ökonomischen als an ideologischen Motiven orientiert waren und dass sich das Aktiengesetz 1937 offenbar auch nach Ende des Krieges bewährte; siehe Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 619, 669; Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 173; so auch BegrRegE AktG 1965, abgedruckt bei Kropff/Thölke, Aktiengesetz 1965 (2005), S. 13. 64 Assmann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1992), Einl. Rn. 195; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), Vor § 76 Rn. 19; Fleischer, in: Festschrift für Heldrich (2005), S. 597, 606. 65 Siehe BegrRegE AktG 1965, abgedruckt bei Kropff/Thölke, Aktiengesetz 1965 (2005), S. 14 ff. Insbesondere heißt es dort (a.a.O., S. 14): „Richtlinie aller aktienrechtlichen Regelungen muß daher die Fragestellung sein, ob die einzelne Regelung der Stellung der Aktionäre als der wirtschaftlichen Eigentümer des Unternehmens entspricht und ob sie die Befugnis der Aktionäre nur solchen Bindungen und Beschränkungen unterwirft, die wegen der Besonderheiten des aktienrechtlichen Mitgliedschaftsrechts als einer auf die Großwirtschaft und den Kapitalmarkt zugeschnittenen Erscheinungsform wirtschaftlichen Eigentums oder aus vorrangigen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Gründen gerechtfertigt sind.“ 66 So Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 889, 892 f.

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lasste Gesetzgebung der jüngeren Zeit.67 Zu beobachten ist hierbei zwar keine wesentliche Veränderung der Kompetenzordnung, wohl aber eine zunehmend unterschiedliche Behandlung der börsennotierten und der nicht börsennotierten Aktiengesellschaft68 und gerade in jüngerer Zeit auch ein verstärkter Einfluss der CorporateGovernance-Diskussion auf die Leitung der Aktiengesellschaft.69

II. „Geschriebene“ Kompetenzordnung nach aktueller Rechtslage In der Folge sind die wichtigsten Kompetenzen von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung zu skizzieren und deren Kompetenzbereiche voneinander abzugrenzen, wobei insbesondere auf die grundsätzliche Einordnung eines Beteiligungserwerbs in diesem Kompetenzgefüge einzugehen ist. 1. Kompetenzen des Vorstands a) Die Geschäftsführung und Leitung der Gesellschaft Nach § 76 Abs. 1 AktG leitet der Vorstand die Gesellschaft in eigener Verantwortung,70 woraus sich sowohl das Recht als auch die Pflicht zur Leitung ergibt.71 67

Zu nennen sind hier das Gesetz zur „kleinen AG“ von 1994 (Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2. 8. 1994, BGBl. 1994 I, S. 1961), das KonTraG von 1998 (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. 4. 1998, BGBl. 1998 I, S. 786), das NaStraG von 2001 (Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung vom 18. 1. 2001, BGBl. 2001 I, S. 123), das WpÜG von 2001 (Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz vom 20. 12. 2011, BGBl. 2001 I, S. 3822), das TransPuG von 2002 (Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität vom 19. 7. 2002, BGBl. 2002 I, S. 2681), der Corporate Governance Kodex von 2002 (der freilich kein Gesetz darstellt, aber dennoch erheblichen praktischen Einfluss hat), das UMAG von 2005 (Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22. 9. 2005, BGBl. 2005 I, S. 2802), das MoMiG von 2008 (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. 10. 2008, BGBl. 2008 I, S. 2026), das ARUG (Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30. 7. 2009, BGBl. 2009 I, S. 2479), das BilMoG (Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts vom 26. 5. 2009, BGBl. 2009 I, S. 1102) und das VorstAG (Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31. 7. 2009, BGBl. 2009 I, S. 2509) von 2009 sowie die ursprünglich als „Aktiennovelle 2011“ gestartete „Aktiennovelle 2016“ (Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes vom 22. 12. 2015, BGBl. 2015 I, S. 2565); siehe zu einer prägnanten Zusammenfassung der Entwicklungen Seibert, AG 2015, 593, 595. 68 Statt vieler etwa Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1 (2007), S. 889, 894; Marsch-Barner, in: Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. (2014), § 1 Rn. 46. 69 Zum Überblick etwa Spindler, in: Münchener Kommentar, 4. Aufl. (2014), Vor § 76 Rn. 63 ff. 70 Eigenverantwortlichkeit der Leitung bedeutet primär Weisungsunabhängigkeit gegenüber dem Aufsichtsrat, der Hauptversammlung und einzelnen Aktionären; siehe etwa Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 76 Rn. 25; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG,

A. Beteiligungserwerb im Kontext der Kompetenzordnung der AG

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Während unter der Geschäftsführung nach § 77 Abs. 1 S. 1 AktG jede rechtliche und tatsächliche Tätigkeit für die Gesellschaft verstanden wird, wird mit der Leitung nur ein herausgehobener Teilbereich der Geschäftsführung bezeichnet, die dem Gesamtvorstand vorbehalten ist.72 Gerade im Bereich der Leitungsaufgaben nähern sich die Vorstandskompetenzen und die Hauptversammlungskompetenzen an, sodass dort der Anknüpfungspunkt für die ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse zu suchen ist. In den Bereich der Leitung fällt auch der Erwerb wesentlicher Beteiligungen gegen Barmittel, wohingegen der Erwerb einer unbedeutenden Beteiligung als einfache Geschäftsführungsmaßnahme zu qualifizieren wäre.73 Die Grenzziehung ist hier freilich fließend, für die vorliegende Betrachtung allerdings nicht von entscheidender Bedeutung, da Beteiligungserwerbe des in Rede stehenden Ausmaßes aufgrund ihrer außergewöhnlichen Bedeutung stets als Leitungsentscheidung zu qualifizieren sein werden. Auch die Ausnutzung eines genehmigten Kapitals zum Erwerb einer Beteiligung als Sacheinlage ist Teil des Geschäftsführungs- bzw. Leitungsaufgabe des Vorstands.74 Das Gesetz selbst enthält zu der Frage, an welchen Faktoren sich der Vorstand bei der Leitung der Gesellschaft zu orientieren hat, keinen ausdrücklichen Anhaltspunkt.75 In jüngerer Vergangenheit besteht an dieser Stelle insbesondere Streit, ob 4. Aufl. (2014), § 76 Rn. 22 f.; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 19 Rn. 32; Weber, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 76 Rn. 8; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 76 Rn. 21. 71 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 76 Rn. 14; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 76 Rn. 10; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 76 Rn. 8; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Aufl. (2015), § 14 Rn. 12; Timm, AG 1980, 172, 181. 72 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 76 Rn. 8; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 76 Rn. 15 ff.; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 19 Rn. 16; Weber, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 76 Rn. 8; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 76 Rn. 4; Kort, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 76 Rn. 28. Eine ältere Mindermeinung will die Begriffe allerdings gleichsetzen; siehe nur Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 2. Aufl. (1996), 1. Teil, Rn. 6. 73 Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; Bertschinger, Arbeitsteilung und aktienrechtliche Verantwortlichkeit (1999), S. 75 f. (allerdings zum Schweizer Verwaltungsrat und weiterhin differenzierend, ob durch den Erwerb ein neues Geschäftsfeld eröffnet wird). 74 So allgemein zur Ausnutzung des genehmigten Kapitals: Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 202 Rn. 20; Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 59 Rn. 42; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 202 Rn. 86; Marsch-Barner, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 202 Rn. 15. 75 Die vormals in § 70 Abs. 1 S. 3 AktG 1937 aufgezählten Abwägungsbelange wurden, auch aufgrund der historischen Vorbelastung, ersatzlos gestrichen; siehe Wiedemann, ZGR 2011, 183, 189 („Schatten der Vergangenheit“). Der Gesetzgeber des Aktiengesetzes 1965 hielt indes sowohl eine Berücksichtigung der Belange der Aktionäre als auch der Belange der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit für selbstverständlich und sah auch gerade deswegen von einer ausführlichen Regelung ab, um durch eine Aufzählung nicht den Eindruck zu erwecken, ein Belang genieße vor dem anderen einen Vorrang; siehe Bericht des Rechtsausschusses, abgedruckt bei Kropff/Thölke, Aktiengesetz 1965 (2005), S. 98 („Bei ihrer Auf-

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

den Aktionärsinteressen, namentlich dem shareholder value, gegenüber den Interessen der sonstigen stakeholder, also den sonstigen mit der Gesellschaft im engen Bezug stehenden Interessensträgern, ein Abwägungsvorrang einzuräumen ist.76 Zwischenzeitlich schien auch der Gesetzgeber in Richtung des shareholder-valueGedankens zu tendieren.77 Inzwischen dürfte jedoch in Deutschland – auch in Reaktion auf die Finanzkrise – die Auffassung überwiegen, dass der Vorstand eine sorgfältige Abwägung aller maßgeblichen Interessen vorzunehmen hat, wovon insbesondere die Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und gegebenenfalls auch die der Allgemeinheit erfasst sind, ohne dass einem der Belange ein zwingender Vorrang zukommt.78 Von diesem Verständnis geht im Übrigen auch der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) aus.79 Insbesondere Ziff. 4.1.1 DCGK stellt deutlich heraus, dass der Vorstand bei der Leitung das „Unternehmensinteresse“ im Sinne der Belange der Aktionäre, Arbeitnehmer und sonstiger stakeholder80 zu berücksichtigen hat. nahme in das Gesetz bestehe die Gefahr, daß ihr gleichwohl eine weitergehende Bedeutung beigemessen werde. Diese Gefahr bestehe umso mehr, wenn aus der Reihenfolge der Aufzählung der Schluß gezogen werden würde, das zuerst genannte Wohl der Arbeitnehmer habe im Zweifel Vorrang vor dem Wohl der Aktionäre und diese beiden wiederum vor dem Wohl der Allgemeinheit.“). 76 Die Diskussion geht zurück auf die Monographie von Rappaport, Creating Shareholder Value (1986). Für einen Vorrang des shareholder value etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 76 Rn. 29 ff., dort insbes. Rn. 36 ff.; Goslar, in: Wilsing, DCGK (2012), Ziffer 4.1.1 Rn. 18; Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 152, Fn. 45; Adams, AG 1990, 243, 246 f.; ähnlich auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG (2002), S. 41 f. (stakeholder-Interessen können nur insoweit Berücksichtigung finden, als dies dem erwerbswirtschaftlichen Ziel der Gesellschaft dient); Zöllner, AG 2003, 2, 12 (Kontrolle der Unternehmensleitung sollte „am besten auf die Anleger ausgerichtet werden“); zurückhaltender Wiedemann, ZGR 2011, 183, 194 ff. (einerseits plädierend für eine Orientierung am „Gesellschaftswohl“, wobei Ertragslage und Marktwert vorrangig zu berücksichtigen seien; andererseits verbleibe dennoch ein „Ermessensspielraum“ die Interessen anderer Gruppen einzubeziehen). 77 Siehe BegrRegE, BT-Drucks. 13/9712, S. 11 („stärkere Orientierung an einer langfristigen Wertsteigerung für die Anteilseigner“). 78 Kort, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 76 Rn. 52 („interessenpluralistische Unternehmensführung“); von Werder, in: Ringleb/Kremer/Lutter/von Werder, Kodex-Kommentar, 5. Aufl. (2014) Rn. 322; grundsätzlich auch Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 76 Rn. 30 („interessenplurale Zielkonzeption“); ebenso noch Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 3. Aufl. (2007), § 19 Rn. 20 (Abwägung im Sinne der „praktischen Konkordanz“), nun aber etwas stärker in Richtung des Shareholder-Value-Konzepts tendierend; siehe ders., in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 19 Rn. 20 ff. 79 von Werder, in: Ringleb/Kremer/Lutter/von Werder, Kodex-Kommentar, 5. Aufl. (2014), Rn. 322; Klöhn, ZGR 2008, 110, 118 f. 80 Weitgehend ungeklärt ist hingegen die Frage, ob auch – schon vor der Insolvenz oder Insolvenznähe der Gesellschaft – Gläubigerinteressen in die Abwägung einzustellen sind. Dagegen argumentiert Klöhn, ZGR 2008, 110, 154 f., dass ein solcher Gläubigerschutz bei ökonomischer Betrachtung „zu einem viel zu hohen Preis“ erkauft sei und dass daher eine Priorität der Aktionärsinteressen einem Ausgleichsmodell unter Berücksichtigung der Gläu-

A. Beteiligungserwerb im Kontext der Kompetenzordnung der AG

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Ohne auf das Problem an dieser Stelle vertieft eingehen zu können, erscheint es für die Praxis vorzugswürdig, von einem moderaten shareholder-value-Konzept auszugehen, welches die längerfristige Wertmaximierung für die Aktionäre zur Zielsetzung hat, welches aber die Interessen anderen stakeholder als abwägungsrelevante Faktoren anerkennt, soweit deren Berücksichtigung zur Erreichung dieser Zielsetzung nach pflichtgemäßem Ermessen des Vorstands erforderlich ist.81 Die Instrumentarien zur Beschränkung der Geschäftsführungs- bzw. Leitungsbefugnis des Vorstands im Innenverhältnis sind allgemein in § 82 Abs. 2 AktG aufgeführt. Allerdings muss es sich logischerweise im Einzelfall um solche Einschränkungen handeln, welche aktienrechtlich zulässig sind und welche die gesetzlich geregelte Kompetenzordnung nicht durchbrechen.82 Die Hauptversammlung kann außerhalb ihrer Kompetenzen nicht aus eigener Initiative, sondern nur dann einschränkend auf die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands einwirken, wenn der Vorstand ihr eine Maßnahme nach § 119 Abs. 2 AktG vorgelegt hat und er daher in der Folge nach § 83 Abs. 2 AktG an die Entscheidung der Hauptversammlung gebunden ist.83 Es besteht aber die Möglichkeit der Gestaltung der Satzung, wodurch insbesondere durch die Festlegung des Gesellschaftszwecks und des Unternehmensgegenstands nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG dem Vorstandshandeln ein einschränkender Rahmen gezogen werden kann.84 Zwar berührt eine solche Bebigerinteressen vorzuziehen sei; ebenso dagegen Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 76 Rn. 28; ohne weitere Differenzierung dafür Goette, in: Festschrift 50 Jahre BGH (2000), S. 123, 127; so zu verstehen auch Henze, BB 2000, 209, 212 (die Intentionen des BGH beschreibend). 81 Für ein moderates shareholder-value-Konzept: Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 76 Rn. 74; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 76 Rn. 23; Weber, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 76 Rn. 22; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 76 Rn. 33; von Werder, ZGR 1998, 69, 89 ff.; etwas unklarer Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 76 Rn. 18 f. Dies entspricht auch im Wesentlichen dem Konzept des „enlightened shareholder value approach“ des britischen Companies Act 2006, welcher unter Sec. 172 (1) CA 2006 einen sehr ausführlichen Katalog von Abwägungsbelangen beinhaltet, die bis hin zu den Interessen der Kunden, der Gemeinschaft und der Umwelt gehen; siehe hierzu auch Companies Act 2006, explanatory notes, Sec. 172, Nr. 325. 82 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 82 Rn. 8; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 82 Rn. 30; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 26; Weber, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 82 Rn. 15; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 82 Rn. 19; Habersack/Foerster, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 82 Rn. 20. 83 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 82 Rn. 11; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 82 Rn. 41; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 35; Weber, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 82 Rn. 21; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 82 Rn. 40; Habersack/Foerster, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 82 Rn. 27. 84 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 82 Rn. 9; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 82 Rn. 34 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 27 ff.; Weber, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 82 Rn. 17 ff.; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 12 ff.; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

schränkung die Wirksamkeit einer Maßnahme im Außenverhältnis grundsätzlich nicht, der Vorstand kann sich allerdings nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG schadensersatzpflichtig machen und bei Bejahung einer groben Pflichtverletzung nach § 84 Abs. 3 AktG abberufen werden.85 b) Die Vertretung der Gesellschaft Während die Geschäftsführung das rechtliche Dürfen im Innenverhältnis betrifft, betrifft die Vertretung das rechtliche Können im Außenverhältnis.86 Mit der umfassenden Befugnis des Vorstands zur Geschäftsführung und Leitung geht nach § 82 Abs. 1 AktG die sachlich grundsätzlich unbeschränkte und unbeschränkbare organschaftliche Vertretungsmacht des Vorstands einher, was – korrespondierend mit dem dahingehenden allgemeinen Grundsatz des deutschen Handelsrechts87 – auf einer gesetzgeberischen Abwägungsentscheidung zwischen der Schnelligkeit und Leichtigkeit des Handelsverkehrs einerseits und dem Schutz der Gesellschaft andererseits beruht.88 Die Vertretungsmacht ist insbesondere auch nicht durch den Unternehmensgegenstand beschränkt,89 etwa beim Erwerb einer Beteiligung außerhalb des bisherigen Unternehmensgegenstands. AktG, 3. Aufl. (2010), § 82 Rn. 20 ff.; Habersack/Foerster, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 82 Rn. 22 f. 85 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 82 Rn. 14; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 82 Rn. 45 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 37; Weber, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 82 Rn. 24; Seibt, in: Schmidt/ Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 19; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 82 Rn. 43; Habersack/Foerster, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 82 Rn. 30. 86 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 82 Rn. 6; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 23 Rn. 1, 4; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 4 f.; Weber, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 82 Rn. 1. 87 Die unbeschränkte Vertretungsmacht findet sich ebenfalls ausgeprägt in § 37 Abs. 2 GmbHG, § 126 Abs. 2 S. 1 HGB und § 27 Abs. 2 GenG. 88 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 82 Rn. 1; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 82 Rn. 48; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 1; Habersack/Foerster, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 82 Rn. 1; BegrRegE, BGBl. 1965 I, S. 1185, abgedruckt bei Kropff/Thölke, Aktiengesetz 1965 (2005), S. 103 („Der Schutz des Rechtsverkehrs geht dem Schutz des Vertretenen vor […].“). 89 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 78 Rn. 5; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 82 Rn. 8; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 23 Rn. 2; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 2; Habersack/Foerster, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 82 Rn. 1. Anders beurteilt dies die tradierte ultra-vires-Lehre des anglo-amerikanischen Rechtskreises, nach welcher die Vertretungsmacht des board of directors nur innerhalb der Grenzen des statutarischen Unternehmensgegenstands besteht, da die Gesellschaft nur in diesen Grenzen rechts- und handlungsfähig ist; siehe hierzu etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 1; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 2. Im englischen

A. Beteiligungserwerb im Kontext der Kompetenzordnung der AG

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Nicht vertretungsbefugt bzw. nicht allein vertretungsbefugt ist der Vorstand jedoch, wenn das Gesetz im Einzelfall ausdrücklich die Vertretung der Gesellschaft durch andere Organe vorsieht oder regelt, dass die Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung zu bestimmten Maßnahmen erforderlich ist.90 Ein solches ausdrückliches Erfordernis existiert freilich für den Beteiligungserwerb nicht. Ferner ist die Vertretungsmacht dort eingeschränkt, wo ein Verkehrsschutz nicht erforderlich ist.91 So sind die Institute der Kollusion und des evidenten Missbrauchs der Vertretungsmacht anwendbar,92 wobei der letztere Fall durchaus für ungeschriebene Hauptversammlungserfordernisse beim Beteiligungserwerb relevant sein kann. Bejaht man ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis, so liegt in der Durchführung des Beteiligungserwerbs ohne Zustimmung der Hauptversammlung denklogisch ein Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht des Vorstands.93 Grundsätzlich besteht, in Abwesenheit anderweitiger Anhaltspunkte, allerdings keinerlei Pflicht des Dritten, die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands zu überprüfen; dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn solch massive Verdachtsmomente bestehen, dass sich die Überschreitung der Befugnisse zur Geschäftsführung aufdrängen muss.94 Aufgrund des weitreichenden Umfangs der in Rede stehenden Beteiligungserwerbe und insbesondere aufgrund einer durchgeführten due diligence können sich jedoch für den Geschäftspartner Anhaltspunkte für eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands ergeben.95 Diese ÜberRecht ist die ultra-vires-Lehre inzwischen allerdings weitgehend hinfällig; siehe noch Teil 4 Fn. 17 und 18. 90 Siehe zum Überblick Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 8 ff.; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 82 Rn. 18 ff.; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 78 Rn. 8. Siehe speziell zur Hauptversammlung noch sogleich unter A.II.2.a). 91 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 82 Rn. 4 ff.; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 82 Rn. 48 ff.; Weber, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 82 Rn. 8; Habersack, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 82 Rn. 9. 92 Im ersten Fall ist bei einem kollusiven Zusammenwirken von Vorstand und Drittem das Rechtsgeschäft schon nach § 138 BGB nichtig; siehe Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 82 Rn. 6; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 82 Rn. 57 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 13; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 82 Rn. 45; Habersack/Foerster, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 82 Rn. 11; so auch der BGH in ständiger Rechtsprechung, siehe nur BGH, Urt. v. 5. 11. 2003 – VIII ZR 218/01, NZG 2004, 139, 140 (mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Zum Missbrauch der Vertretungsmacht siehe sogleich Fn. 96 und 97. 93 Adolff/Adolff, in: Festschrift für Mailänder (2006), S. 289, 297; Altmeppen, ZIP 2004, 999, 1000 f. 94 BGH, Urt. v. 5. 11. 2003 – VIII ZR 218/01, NZG 2004, 139, 140; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 82 Rn. 7; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 14 f.; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 82 Rn. 46; Habersack/Foerster, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 82 Rn. 13. 95 Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 52 (der zu Recht darauf hinweist, dass gerade bei großen Unternehmenskaufverträgen regelmäßig eine umfangreiche

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

legung setzt allerdings denklogisch voraus, dass ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb zunächst zu bejahen bzw. anerkannt ist. Die Rechtsfolge des evidenten Missbrauchs der Vertretungsmacht ist bekanntermaßen seit langem umstritten, wobei ein Teil der Kommentarliteratur zu einer Lösung über §§ 177 ff. BGB tendiert,96 während der BGH den Einwand nach § 242 BGB gewährt.97 2. Kompetenzen der Hauptversammlung a) Gesetzliche Hauptversammlungserfordernisse Nach der Vorstellung des Gesetzgebers des Aktiengesetzes 1965 sollte die Hauptversammlung über „alle mit dem wirtschaftlichen und rechtlichen Aufbau der Gesellschaft zusammenhängenden Fragen“98 entscheiden. Die gesetzlichen Hauptversammlungserfordernisse lassen sich jedoch nicht ganz leicht überblicken, da sich Regelungen hierzu an verschiedenen Stellen im Aktiengesetz und darüber hinaus auch in anderen Gesetzen, namentlich dem UmwG und dem WpÜG, finden. Die zentrale aktiengesetzliche Norm ist § 119 Abs. 1 AktG, wonach die Hauptversammlung „in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen“ beschließt. Hieraus ergibt sich in negativer Hinsicht, dass über die gesetzlich geregelten Fälle und die aufgrund des Gesetzes in der Satzung regelbaren Fälle (hierzu noch sogleich) hinaus – anders als bei der grundsätzlich allzuständigen Gesellschafterversammlung der GmbH99 – keine subsidiäre Zuständigkeit oder Kompetenz-Kompetenz der Hauptversammlung existiert, sodass die Kompetenzen der Hauptversammlung im Gesetz grundsätzlich enumerativ benannt sind.100

due diligence durchgeführt wird); ähnlich Habersack, AG 2005, 137, 142 f. (abstellend auf den großen Umfang); so auch Adolff/Adolff, in: Festschrift für Mailänder (2006), S. 289, 298 f. 96 Habersack/Foerster, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 82 Rn. 14; Seibt, in: Schmidt/Lutter, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 7; ähnlich Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 82 Rn. 16. 97 BGH, Urt. v. 5. 11. 2003 – VIII ZR 218/01, NZG 2004, 139, 140; dem folgend Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 82 Rn. 7a; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 82 Rn. 65; Weber, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 82 Rn. 10; Mertens/ Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 82 Rn. 49. 98 Siehe BegrRegE, abgedruckt bei Kropff/Thölke, Aktiengesetz 1965 (2005), S. 165. 99 Siehe hierzu etwa Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. (2013), § 46 Rn. 89; Römermann, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl. (2010), § 46 Rn. 4, 6; Mollenkopf, in: Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2014), § 45 GmbHG Rn. 2. 100 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 1; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 9; Bungert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 35 Rn. 10; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 1; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 1; Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 5, 10.

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Einige besonders prominente Fälle der Hauptversammlungszuständigkeit sind in § 119 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 AktG geregelt, wobei sich die Details aus denjenigen Normen ergeben, die im systematischen Zusammenhang mit der jeweiligen Maßnahme verortet sind. So entscheidet die Hauptversammlung über: – die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder, soweit diese nicht entsendet oder nach den Regeln der Mitbestimmung bestimmt werden, § 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG – die Verwendung des Bilanzgewinns, §§ 119 Abs. 1 Nr. 2, 174 Abs. 1 S. 1 AktG – die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, §§ 119 Abs. 1 Nr. 3, 120 Abs. 1 AktG – die Bestellung des Abschlussprüfers, § 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG, § 318 Abs. 1 S. 1 HGB – Satzungsänderungen, §§ 119 Abs. 1 Nr. 5, 179 Abs. 1 S. 1 AktG – Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung, §§ 119 Abs. 1 Nr. 6 AktG, in Verbindung mit den jeweils anwendbaren Einzelnormen – die Bestellung von Sonderprüfern, §§ 119 Abs. 1 Nr. 7, 142 Abs. 1 S. 1 AktG und – die Auflösung der Gesellschaft, §§ 119 Abs. 1 Nr. 8, 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG. Eine Kategorisierung dieser Kompetenzen erfolgt üblicherweise in (i) regelmäßig wiederkehrende bzw. laufende Maßnahmen, (ii) Strukturmaßnahmen bzw. Grundlagenentscheidungen und (iii) Sonderfälle, wobei es sich bei Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen und der Auflösung der Gesellschaft um Strukturmaßnahmen handelt.101 In die Kompetenz der Hauptversammlung fällt somit, abgesehen von der Ausübung der Ermächtigung beim genehmigten Kapital, welche eine Geschäftsführungs- bzw. Leitungsmaßnahme des Vorstands darstellt,102 insbesondere auch die Beschlussfassung über eine Kapitalerhöhung zum Erwerb einer Beteiligung als Sacheinlage. Weitere Fälle der Zustimmungsbedürftigkeit begegnen an anderen Stellen des Aktiengesetzes, wobei eine umfassende Darstellung hier zu weit führen würde.103 Zu nennen sind hier jedoch als wesentliche Strukturmaßnahmen104 jedenfalls: 101 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 5 ff.; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 10, 13; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 7 ff.; Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 11 ff. Eine etwas andere Systematisierung wählt Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 4 ff. 102 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 202 Rn. 20; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 59 Rn. 42; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 202 Rn. 86; Marsch-Barner, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 202 Rn. 15. 103 Zur ausführlicheren Übersicht Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 8 f.; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 14, 16; Semler, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 3. Aufl. (2007), § 34 Rn. 11; Spindler, in:

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– die Zustimmung zu Verträgen betreffend die Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens, wenn diese nicht dem Umwandlungsgesetz unterfallen und keine Änderung des Unternehmensgegenstands nach sich ziehen, § 179a Abs. 1 S. 1 AktG – die Zustimmung zum Abschluss oder zur Änderung von Unternehmensverträgen, §§ 293 Abs. 1 S. 1, 295 Abs. 1 AktG – die Eingliederung der Gesellschaft und die Beendigung der Eingliederung, §§ 319 Abs. 1 S. 1, 320 Abs. 1 S. 1 AktG, 327 Abs. 1 Nr. 1 AktG und – der „Squeeze Out“, § 327a Abs. 1 S. 1 AktG (ggf. i.V.m. § 62 Abs. 5 S. 1 UmwG). Als weitere wichtige Hauptversammlungszuständigkeiten finden sich im UmwG und WpÜG: – die Zustimmung zu einer Verschmelzung, §§ 65 Abs. 1 S. 1, 73 UmwG – die Zustimmung zur Spaltung oder Ausgliederung, § 125 S. 1 i.V.m. §§ 65 Abs. 1 S. 1, 73 UmwG – die Zustimmung zur Vermögensübertragung, § 176 Abs. 1 i.V.m. §§ 65 Abs. 1 S. 1, 73 UmwG – die formwechselnde Umwandlung, § 226 i.V.m. § 193 Abs. 1 UmwG und – die Ermächtigung des Vorstands zu Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeangebote, § 33 Abs. 2 WpÜG. b) Statutarische Hauptversammlungserfordernisse Neben den genannten gesetzlichen Hauptversammlungserfordernissen sind grundsätzlich auch statutarische Kompetenzzuweisungen nach § 119 Abs. 1 AktG möglich, wobei bei deren Ausgestaltung restriktiv zu verfahren ist.105 Zu beachten ist hierbei insbesondere der Grundsatz der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG, wonach vom Gesetz abweichende Bestimmungen nur möglich sind, wenn dies ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist, ergänzende Vorschriften dann, wenn das Gesetz keine abschließende Regelung enthält. Ein solcher Spielraum bietet sich hier

Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 12 f.; Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 16. 104 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 7; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 14; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 11; Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 15. 105 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 10; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 17; Bungert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 35 Rn. 5; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 48; Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 61.

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nur in wenigen Fällen, da die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft grundsätzlich abschließend ist.106 Nicht möglich ist es daher, in der Satzung einen Katalog von Geschäftsführungsmaßnahmen zu verankern und diese, beispielsweise auch Beteiligungserwerbe von größerem Umfang, von der Zustimmung der Hauptversammlung abhängig zu machen. Denn auch die ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse sind – positiv wie negativ – als Teil der gemäß § 23 Abs. 5 AktG zwingenden Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft anzusehen und können durch die Satzung weder erweitert, noch beschränkt werden.107 Insgesamt kommt den statutarischen Hauptversammlungserfordernissen daher nur eine sehr geringe Bedeutung zu.108 c) Subsidiäre Zuständigkeit der Hauptversammlung Über die gesetzlichen und statutarischen Hauptversammlungserfordernisse hinaus kann der Vorstand nach § 119 Abs. 2 AktG über Fragen der Geschäftsführung die Zustimmung der Hauptversammlung einholen, was (nur in diesem speziellen Fall) zu einer „subsidiären Zuständigkeit“ der Hauptversammlung für Geschäftsführungsangelegenheiten führt.109 Die Entscheidung, eine Maßnahme der Hauptversammlung vorzulegen, steht im freien Ermessen des Vorstands, was bedeutet, dass es grundsätzlich auch bei weitreichenden oder riskanten Maßnahmen nicht zu einer Ermessensreduktion und somit zu einer Vorlagepflicht des Vorstands kommt.110 Es 106

Typische Beispiele sind hier die Erteilung der Zustimmung zur Übertragung von vinkulierten Namensaktien durch die Hauptversammlung, § 68 Abs. 2 S. 3 AktG, oder die Einrichtung von gesetzlich nicht vorgesehen Gremien, wie z. B. eines Beirats oder eines Aktionärsausschusses; siehe nochmals die Nachweise in Fn. 105. 107 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 98; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 50; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 82 Rn. 39; Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 62; Wiedemann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 179 Rn. 77; Tröger, ZIP 2001, 2029, 2038; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 807 f., Grunewald, AG 1990, 133, 134; anders noch Martens, ZHR 147 (1983), 377, 393 (globale Kompetenzzuweisung nicht möglich, einzeltatbestandlich ausgeformte Entscheidungskompetenzen hingegen schon). 108 Siehe nochmals die Nachweise in Fn. 105. 109 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 18; Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 12; Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 8. 110 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 76 Rn. 22; Bungert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 35 Rn. 16; Weber, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 76 Rn. 37, 39; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 11; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 76 Rn. 43; Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 48. Mit der Vorlagepflicht aus § 119 Abs. 2 AktG hatte der BGH aber freilich noch im Holzmüller-Urteil argumentiert; siehe BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131 („Holzmüller“). In den Gelatine-Urteilen wurde diese dogmatische Anknüpfung dann aber wieder aufgegeben; siehe BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 42 f. („Gelatine I“); hierzu noch ausführlich unter B.II.

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könnte also – unabhängig von einer etwaigen Zustimmungspflicht nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen – grundsätzlich auch ein umfangreicher Beteiligungserwerb freiwillig der Hauptversammlung vorgelegt werden.111 Der wichtigste Anreiz hierfür liegt darin, dass ein derartiger Beschluss der Hauptversammlung den Vorstand nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG von der Haftung gegenüber der Gesellschaft befreit.112 Jedoch wäre es nicht zulässig, jede weitreichende Maßnahme, also etwa auch jeden Beteiligungserwerb von gewissem Umfang, freiwillig der Hauptversammlung vorzulegen, da sich der Vorstand auf diesem Wege seiner Leitungsaufgabe begeben würde, was im Lichte der zwingenden Kompetenzordnung des Aktiengesetzes nicht zulässig ist.113

3. Kompetenzen des Aufsichtsrats Die zentrale Funktion des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 1 AktG liegt in der Überwachung der Leitungstätigkeit114 des Vorstands115, sowohl in repressiver Hinsicht für die Vergangenheit116 als auch in präventiver Hinsicht für die Zukunft117. 111 Allerdings ist die Hauptversammlung – anders als im Falle des § 111 Abs. 4 S. 3 AktG – nicht gezwungen, in verbindlicher Weise Beschluss zu fassen, sondern kann auch nicht entscheiden oder nur eine Empfehlung aussprechen; siehe Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 15; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 26; Bungert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 35 Rn. 18 f.; Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 53 („Andernfalls wäre der Vorstand in der Lage, die Hauptversammlung faktisch zu nötigen, ihn […] von den Haftungsrisiken wegen fehlerhafter Geschäftsführung freizustellen.“). 112 Strittig ist, ob die haftungsbefreiende Zustimmung der Hauptversammlung auch noch nach Durchführung der Maßnahme eingeholt werden kann; dies bejahend Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 25; anders aber die überwiegende Auffassung in der Literatur: Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 93 Rn. 242; Bungert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 34 Rn. 21; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 15; Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 42. 113 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 22; Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 13; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 17; Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 47; Stukenberg, Ungeschriebene „Holzmüller“-Zuständigkeiten der Hauptversammlung im Lichte der „Macrotron“- und „Gelatine“-Entscheidungen des BGH (2007), S. 15. 114 Es ist anerkannt, dass der Aufsichtsrat hingegen nicht die gesamte Geschäftsführung des Vorstands in jeder Einzelheit überwachen muss: Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 111 Rn. 2 f.; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 19 f.; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrecht, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 29 Rn. 27; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 111 Rn. 16; Hopt/ Roth, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2005), § 111 Rn. 160. 115 Richtigerweise schuldet der Aufsichtsrat grundsätzlich auch keine Überwachung der leitenden Angestellten unterhalb der Vorstandsebene; so auch Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 111 Rn. 3; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 21; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 29 Rn. 29; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 111

A. Beteiligungserwerb im Kontext der Kompetenzordnung der AG

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Vorliegend ist insbesondere die Mitwirkung an zustimmungsbedürftigen Geschäften nach § 111 Abs. 4 S. 1 AktG als Teil der präventiven Überwachung des Vorstands von Interesse. Es ist auch in Ermangelung einer inhaltlichen Konkretisierung der zustimmungsbedürftigen Geschäfte in der Norm118 weitgehender Konsens, dass – wie auch in Ziff. 3.3 DCGK ausdrücklich niedergelegt – Geschäfte von grundlegender Bedeutung, insbesondere bei fundamentaler Veränderung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, einer vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen.119 Da ein umfangreicher Beteiligungserwerb ein solches Geschäft von grundlegender Bedeutung darstellt,120 wird eine diesbezügliche Zustimmungspflicht schon statutarisch oder in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats und/oder des Vorstands121 verankert sein122 oder den Aufsichtsrat wird jedenfalls aufgrund der Rn. 22; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. (2014), § 3 Rn. 70; andere Ansicht aber schon grundsätzlich Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 9; ebenso aber für den Fall, dass auf der nachgeordneten Führungsebene Führungsentscheidungen getroffen, wesentliche Einzelmaßnahmen ergriffen bzw. einzelne operative Einheiten ausschließlich durch leitenden Angestellte geführt werden: Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 111 Rn. 3; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 21; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2005), § 111 Rn. 252 ff.; ähnlich Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 111 Rn. 26; dies ablehnend Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 29 Rn. 29; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. (2014), § 3 Rn. 71. 116 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 111 Rn. 5; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 29; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 13; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 111 Rn. 10; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 14 ff. 117 BGH, Urt. v. 25. 3. 1991 – II ZR 188/89, NJW 1991, 1830, 1831 („Diese Kontrolle bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Sachverhalte, sondern erstreckt sich auch auf grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftspolitik“); Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 111 Rn. 13; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 39; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 10; Hambloch-Gesinn/ Gesinn, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 111 Rn. 10; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 18 f. 118 Ausführlich auch zu Gestaltungsgrenzen für Zustimmungsvorbehalte: Fleischer, BB 2013, 835; Thiessen, AG 2013, 573. 119 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 111 Rn. 45; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 106; Spindler, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 64; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 111 Rn. 72 ff.; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 111 Rn. 101; Fleischer, BB 2013, 835, 841. 120 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 110; Spindler, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 65; Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 607, Fn. 48; Lutter, in: Ringleb/Kremer/Lutter/von Werder, Kodex-Kommentar, 5. Aufl. (2014) Rn. 340; deutlich J. Hüffer, in: Festschrift für U. Hüffer (2010), S. 365 („nachgerade typische Anwendungsfälle“); Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2005), § 111 Rn. 654 („Praktisch wichtigster Zustimmungsvorbehalt“). 121 Die Verankerung von Zustimmungserfordernissen in der Geschäftsordnung ist in der Praxis üblicher, da so eine Änderung ohne die umständlichere Änderung der Satzung möglich

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

Reichweite der Maßnahme eine Pflicht treffen, auf einer ad-hoc-Mitwirkung zu insistieren.123 Die Zustimmung ist grundsätzlich im Voraus zu erteilen, wodurch die präventive Kontrolle der Geschäftsleitung ermöglicht werden soll.124 Teilweise wird in Eilfällen auch eine nachträgliche Genehmigung für ausreichend erachtet, insbesondere wenn der Vorstand ex ante davon ausgehen durfte, dass der Aufsichtsrat diese erteilen wird.125 Dies ist allerdings, insbesondere aufgrund der zur Verfügung stehenden modernen Kommunikationsmittel, schon generell fraglich,126 wird aber nach hier vertretener Ansicht jedenfalls bei einem Beteiligungserwerb des vorliegend in Rede stehenden Ausmaßes nicht in Betracht kommen. Um seiner Überwachungsaufgabe gerecht zu werden, kann dem Aufsichtsrat einerseits grundsätzlich erst ein ausgehandelter Vertrag bzw. frühestens ein hinreichend konkretes Konzept vorgelegt werden,127 andererseits muss er spätestens zu einem Zeitpunkt beteiligt werden, in

ist und die Zustimmungserfordernisse nicht publik werden; siehe etwa Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 29 Rn. 52; J. Hüffer, in: Festschrift für U. Hüffer (2010), S. 365. 122 Siehe etwa die Muster-Kataloge bei Lutter, in: Ringleb/Kremer/Lutter/von Werder, Kodex-Kommentar, 5. Aufl. (2014), Rn. 340; Happ, Aktienrecht, 4. Aufl. (2015), Muster 8.01, S. 788. 123 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 111 Rn. 37; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 102; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 29 Rn. 54; Spindler, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 67; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 111 Rn. 75; Kort, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), Vor § 76 Rn. 12; ebenso BGH, Urt. v. 15. 11. 1993 – II ZR 235/92, NJW 1994, 520, 524 („Vereinte Krankenversicherung“). 124 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 111 Rn. 46; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 123; Spindler, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 75; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 111 Rn. 106; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2005), § 111 Rn. 680. 125 Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 29 Rn. 58; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 111 Rn. 106; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 111 Rn. 80; Fonk, ZGR 2006, 841, 870. 126 Gegen eine nachträgliche Genehmigung: Habersack in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 124; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 76 („erhebliche Zweifel“); ebenfalls restriktiv Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 111 Rn. 47; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl. (2014), § 3 Rn. 124. 127 J. Hüffer, in: Festschrift für U. Hüffer (2010), S. 365, 372. Ein „Vorratsbeschluss“ soll aber dann möglich sein, wenn die Satzung dies ausdrücklich zulässt oder wenn der Aufsichtsrat den Zustimmungsvorbehalt selbst festgesetzt hat; so Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 126; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 29 Rn. 59; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 111 Rn. 109; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2005), § 111 Rn. 665.

A. Beteiligungserwerb im Kontext der Kompetenzordnung der AG

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dem er den Erwerb der Beteiligung auch noch effektiv verhindern kann, also vor Abschluss des Anteilskaufvertrags.128 Die fehlende Zustimmung des Aufsichtsrats beschränkt nicht die Vertretungsmacht des Vorstands; es stellt jedoch eine Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis dar und kann zum Schadensersatz führen, wenn der Vorstand das Geschäft ohne die notwendige Zustimmung vornimmt.129 Bei einer Verweigerung der Zustimmung des Aufsichtsrats kann der Vorstand freilich nach den allgemeinen Grundsätzen nach § 111 Abs. 4 S. 3 und 4 AktG die Maßnahme der Hauptversammlung zur Entscheidung vorlegen. Hervorzuheben ist für die Zwecke dieser Arbeit schließlich die Personalkompetenz des Aufsichtsrats und hierbei insbesondere die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder nach § 84 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 1 AktG.

III. Zusammenfassung und Stellungnahme Damit lässt sich bei Betrachtung der Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft in ihrer aktuellen Ausformung und in ihrer historischen Entwicklung sowie bei Betrachtung des Beteiligungserwerbs in diesem Kontext Folgendes festhalten: Die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft in ihrer aktuellen Form ist das Ergebnis einer Entwicklung über die vergangenen vier Jahrhunderte, wobei die „deutsche“ Gesetzgebung hierzu sich erst in den letzten 150 Jahren entwickelt hat und es etwa ab diesem Zeitpunkt auch vermehrt zum Erwerb von Beteiligungen an anderen Gesellschaften kam. War die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft bzw. ihrer Vorläufer anfänglich noch überhaupt nicht gesetzlich geregelt, so erfolgte im Laufe der Zeit eine schrittweise gesetzliche Fixierung der Kompetenzen der Organe, bis hin zu der gesetzlich zwingend ausgestalteten Kompetenzordnung des Aktiengesetzes 1937. Dass sich diese Kompetenzordnung grundsätzlich bewährt hat, zeigt schon der Umstand, dass sie in den vergangenen 80 Jahren nicht mehr grundlegend verändert wurde und – bei allen Fragen, die im Detail umstritten sein mögen – auch nicht erkennbar ist, dass eine grundsätzliche Veränderung gefordert wird. Der Vergleich mit den dargestellten grundlegenden Reformen der Vergangenheit bestätigt somit, dass die Entwicklung der Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft in ihren 128 So auch J. Hüffer, in: Festschrift für U. Hüffer (2010), S. 365, 375; so auch allgemeiner Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2005), § 111 Rn. 658. Da die fehlende Zustimmung des Aufsichtsrats die Vertretungsmacht des Vorstands im Außenverhältnis nicht beschränkt (siehe Fn. 129), ist eine nachträgliche Genehmigung also grundsätzlich nicht mehr geeignet, den Vollzug des Vertrags zu verhindern. 129 Habersack in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 129; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 111 Rn. 76; Drygala, in: Schmidt/ Lutter AktG, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 64; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 111 Rn. 112; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2005), § 111 Rn. 702.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

grundsätzlichen Zügen als einstweilig abgeschlossen betrachtet werden kann. Dies schließt es jedoch freilich nicht aus, dass auf einer feingliedrigeren Ebene eine Nachjustierung der Kompetenzordnung erforderlich sein kann. Schon die bisherige Darstellung der aktuellen Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Hauptversammlung weist den Weg in Richtung der Notwendigkeit der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse. Das Aktiengesetz und das Umwandlungsgesetz weisen der Hauptversammlung zwar die Kompetenz zu, über bestimmte Strukturmaßnahmen und Grundlagenentscheidungen zu beschließen, was insoweit auch mit der Vorstellung des historischen Gesetzgebers korrespondiert, die Hauptversammlung sei zuständig für alle Entscheidungen betreffend den wirtschaftlichen und rechtlichen Aufbau der Gesellschaft. Einen Tatbestand, der eine Leitungsmaßnahme im Allgemeinen und einen Beteiligungserwerb im Speziellen aufgrund des Umfangs oder der weitreichenden Auswirkungen auf die Rechte der Aktionäre für zustimmungsbedürftig erklärt, kennt das deutsche Aktienrecht jedoch nicht. Insbesondere hatte der historische Gesetzgeber offenbar die Problematik von hierarchischen Vermögensverlagerungen zu Lasten der Aktionäre der Obergesellschaft nicht vor Augen. Damit steht es dem Vorstand offen, solche Maßnahmen – beispielsweise auch einen Beteiligungserwerb großen Ausmaßes – durchzuführen, welche nicht von den „geschriebenen“ Hauptversammlungszuständigkeiten erfasst sind, auch wenn diese zu einer starken Beeinträchtigung der Aktionärsrechte führen. Kommt es zu einer solchen Maßnahme des Vorstands, die weitreichende Auswirkungen auf die Rechte der Aktionäre zeitigt, so wirft dies die Frage auf, ob hier nicht ein Korrekturbedarf besteht und die Hauptversammlung auch in Ermangelung eines gesetzlich verankerten Zustimmungserfordernisses beteiligt werden muss. Im Hinblick auf die Frage der Ermittlung eines solchen ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb bedeutet das bisher Erörterte jedenfalls, dass hierbei restriktiv zu verfahren ist, da die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft ein austariertes und grundsätzlich abschließendes System darstellt. Bedacht werden muss jedoch auch, dass die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft letztlich dazu dient, eine angemessene Leitung und die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft zu gewährleisten, sodass die Bejahung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb dann geboten sein kann, wenn dies zu einer sinnvollen Ergänzung der Kompetenzordnung führt, ohne diese jedoch grundsätzlich zu verändern oder umzugestalten. In Ausgleich zu bringen sind namentlich die widerstreitenden Interessen der Aktionäre einerseits, deren Einfluss als „wirtschaftliche Eigentümer“ des Unternehmens angemessen gewahrt werden muss, und das Interesse an einer dem Wirtschaftsverkehr angemessenen, sachkundigen und entschlussfähigen Geschäftsführung durch den Vorstand andererseits.130 130 Zu diesen beiden „Polen“: BegrRegE AktG 1965, abgedruckt bei Kropff/Thölke, Aktiengesetz 1965 (2005), S. 14.

B. Leitlinien ungeschriebener Hauptversammlungserfordernisse

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B. Leitlinien der Entwicklung ungeschriebener Hauptversammlungserfordernisse Um die Frage beantworten zu können, ob ein umfangreicher Beteiligungserwerb ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auslösen kann, sind zunächst die Leitlinien der Entwicklung der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse näher zu untersuchen. Hierbei ist von der Ausgangslage in der Literatur ausgehend (hierzu unter I.) zu der zentralen Rechtsprechung des BGH in den Fällen Holzmüller, Gelatine, Macrotron, Stuttgarter Hofbräu und Frosta zu gelangen (hierzu unter II.).

I. Ausgangslage in der Literatur Die Darstellung der Entwicklung der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse setzt in der jüngeren Literatur vielfach erst mit den Arbeiten Lutters ein, der als „Vater“ der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse angesehen wird, da er die Problematik erstmals adressiert bzw. erkannt habe.131 Ohne dessen zweifellos große Verdienste in diesem Zusammenhang zu schmälern, reicht die Diskussion um die Zustimmungsbedürftigkeit außergewöhnlicher Geschäftsführungsmaßnahmen indes noch ein Stück weiter zurück, wie die bereits erwähnte Rechtsprechung des Reichsgerichts im Grubeneisenbahn- und Melasse-Fall und die nachfolgende Diskussion in der zeitgenössischen Literatur zeigen.132 Unter der Geltung des Aktiengesetzes 1965 tauchte die Thematik dann allerdings insofern im anderen Gewand wieder auf, als sie nun primär für Konzernsachverhalte und unter dem Blickwinkel des Schutzes der Aktionäre der Obergesellschaft erörtert wurde. 1. Erarbeitung der dogmatischen Grundlagen durch Lutter Den Arbeiten von Lutter ging schon im Jahr 1971 ein Beitrag von Kropff voraus, der für den Fall der Ausgliederung eines wesentlichen Unternehmensteils – also der klassischen Holzmüller-Konstellation – eine Zustimmung der Hauptversammlung mit einer Mehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals forderte.133 Für die Wesentlichkeit in diesem Sinne sollte es allerdings bereits genügen, wenn der ausgegliederte Teil etwa 10 % des bilanziellen Aktivvermögens des Unternehmens ausmachte.134 Bei einer Beteiligungsveräußerung gegen Entgelt hielt Kropff die 131

Siehe etwa Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 77 („Vater der ,Holzmüller‘-Doktrin“); Westermann, ZGR 1984, 352, 355 (leiser „Urknall“); Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 17. 132 Siehe nochmals unter A.I. 133 Kropff, in: Festschrift für Geßler (1971), S. 111, 124. 134 Kropff, in: Festschrift für Geßler (1971), S. 111, 124.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

Aktionäre nicht für gleich schutzwürdig, da das Entgelt wieder investiert werden könne, sodass hier eine Mitwirkung der Hauptversammlung nicht erforderlich sei.135 Lutter adressierte das Problem in seinen Beiträgen der Jahre 1973/74 schwerpunktmäßig im Zusammenhang mit „fusionsähnlichen Unternehmensverbindungen“ und „Teilfusionen“.136 Nach § 339 Abs. 1 AktG a.F. war damals eine Verschmelzung bzw. Fusion im Sinne des Gesetzes grundsätzlich nur zwischen Aktiengesellschaften bzw. zwischen einer AG und einer KGaA möglich, was eine Beschlussfassung beider Hauptversammlungen mit mindestens drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals voraussetzte, § 340 Abs. 1, 2 AktG a.F. In den gesetzlich nicht vorgesehenen Fällen mussten, um wirtschaftlich ähnliche Ergebnisse zu erzielen, „fusionsähnliche“ Gestaltungen gewählt werden, bei denen die Mitwirkung der Hauptversammlung mangels Regelung im Gesetz nicht vorgesehen war. Lutter stellte daher folgerichtig die Frage, ob in diesen Fällen dennoch eine Mitwirkung der Aktionäre geboten sei.137 Auch den Begriff der Mediatisierung verwendete er bereits.138 Insbesondere betrachtete er auch schon die Konstellation, in der Anteile an einer Zielgesellschaft im Austausch gegen Barmittel oder Anteile der Erwerberin erlangt werden, also klassische Fälle des Beteiligungserwerbs.139 Hierbei drang er sofort zu dem nach wie vor aktuellen und grundlegenden Konflikt vor: „Damit stehen sich hier zwei Prinzipien des Korporationsrechts gegenüber: Einmal die Freiheit der Verwaltung, im Rahmen der Ziele der Gesellschaft auch den Einsatz der Mittel zu bestimmen und dementsprechend auch Beteiligungen zu erwerben. Zum anderen die Zuständigkeit der Gesellschafter für den mitgliedschaftlichen Bereich.“140

Da die Belange der Aktionäre gleichermaßen betroffen seien wie bei einer Fusion im Sinne des Gesetzes, seien die Mitwirkungsrechte der Aktionäre bei einem Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin auszudehnen und auch hier § 340 AktG a.F. anzuwenden, also die Hauptversammlung mit einer Mehrheit von drei Vierteln zu beteiligen.141 Auszunehmen seien allerdings solche Fälle, bei denen die Zahl der zum Erwerb erforderlichen Anteile der Erwerberin nur gering und somit die Beteiligungsstruktur praktisch nicht betroffen sei.142 Für unbedenklich hielt Lutter hingegen den Erwerb von Beteiligungen gegen Barmittel, da es hierdurch nur zu einer – wenn oft auch sehr bedeutenden – Umschichtung des Anlagevermögens

135

Kropff, in: Festschrift für Geßler (1971), S. 111, 125. Lutter, DB 1973, Beilage Nr. 21/73, S. 1; ders., in: Festschrift für Barz (1974), S. 199; ders., in: Festschrift für Westermann (1974), S. 347; weiterhin dann auch ders., in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 825; ders., in: Festschrift für Fleck (1988), S. 169. 137 Lutter, in: Festschrift für Barz (1974), 199, 209. 138 Lutter, in: Festschrift für Barz (1974), 199, 211. 139 Lutter, DB 1973, Beilage Nr. 21/73, S. 1, 7. 140 Lutter, DB 1973, Beilage Nr. 21/73, S. 1, 7. 141 Lutter, DB 1973, Beilage Nr. 21/73, S. 1, 7. 142 Lutter, DB 1973, Beilage Nr. 21/73, S. 1, 7. 136

B. Leitlinien ungeschriebener Hauptversammlungserfordernisse

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komme.143 Anderes gelte aber, wenn die Barmittel vorher durch Veräußerung von Mitgliedschaften geschaffen wurden.144 Es kann somit jedenfalls gesagt werden, dass die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit von Beteiligungserwerben schon von Anfang an im Fokus der Debatte um ungeschriebene Hauptversammlungserfordernisse stand. 2. Rezeption der Thesen Lutters Einige Autoren griffen in der Folge die Ideen Lutters auf und entwickelten diese für andere Konstellationen weiter, wobei die Diskussion schwerpunktmäßig um die Mitwirkung der Hauptversammlung der Obergesellschaft bei Strukturmaßnahmen in der Tochtergesellschaft kreiste.145 Vor allem Timm legte den Fokus auf den Schutz der Anteilseigner der Konzernobergesellschaft, für deren Mitwirkung hinreichend Sorge getragen werden müsse.146 Der Begriff des „ungeschriebenen“ Hauptversammlungserfordernisses wurde dann (wohl) erstmalig von Ulmer verwendet.147 Andere Autoren standen dem Konzept der Ausweitung der Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung hingegen grundsätzlich kritisch gegenüber.148 In diese Richtung tendierte zunächst auch die Rechtsprechung. Im Fall Holzmüller blieb die Klage in erster Instanz vor dem LG Hamburg149 und auch in der Berufungsinstanz vor dem OLG Hamburg noch ohne Erfolg.150

II. Die Rechtsprechung des BGH 1. Das Holzmüller-Urteil Der BGH wendete das von der Literatur entwickelte Konzept der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse dann erstmals in seinem viel beachteten 143

Lutter, DB 1973, Beilage Nr. 21/73, S. 1, 7. Lutter, DB 1973, Beilage Nr. 21/73, S. 1, 7. 145 Schneider, in: Der GmbH-Konzern (1976), S. 78 ff. (bezogen auf den GmbH-Konzern); ders., in: Festschrift für Bärmann (1975), S. 873 ff. (bezogen auf das Konzernrecht bei Personengesellschaften); ders., ZHR 143 (1979), 485, 516 ff. 146 Timm, AG 1980, 172, 182 ff. 147 Ulmer, AG 1975, 15, 16 („ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnissen“, „ungeschriebenen Kompetenzkatalogs“); später dann auch Vollmer, BB 1977, Beilage Nr. 4/1977, S. 1, 3. 148 Raiser/Wiesner, AG 1976, 266, 270 f.; kritisch auch Vollmer, BB 1977, Beilage Nr. 4/ 1977, S. 1, 3 ff. (mit Wertungskriterien für und gegen die Annahme ungeschriebener Mitwirkungsrechte). 149 LG Hamburg, Urt. v. 1. 10. 1979 – 69 O 113/75, AG 1980, 199. 150 OLG Hamburg, Urt. v. 5. 9. 1980 – 11 U 1/80, ZIP 1980, 1000, 1008 („Es kann insbesondere nicht bejaht werden, daß das geltende Recht sich im Wege der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und Rechtswissenschaft bereits in Richtung der Forderungen Lutters und Schneiders weiterentwickelt und entsprechende Rechtsgrundsätze ausgebildet hätte.“). 144

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

Holzmüller-Urteil151 aus dem Jahr 1982 auf die Konstellation der wirtschaftlichen Ausgliederung an.152 a) Rechtliche Kernaussagen Anstelle einer ausführlichen Besprechung der Urteilsgründe, die bereits vielerorts vorgenommen wurde, soll es hier genügen, die rechtlichen Kernaussagen des Urteils zusammenzufassen. (1) Bei grundlegenden Entscheidungen, die zwar durch die Außenvertretungsmacht des Vorstands, seine Geschäftsführungsbefugnis und durch den Wortlaut der Satzung noch gedeckt sind, kann es dennoch zu einer Vorlagepflicht des Vorstands an die Hauptversammlung kommen.153 Dies ist bei Maßnahmen der Fall, die „so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, daß der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung 151 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 („Holzmüller“), vgl. auch nochmals die ausführlichen weiteren Fundstellennachweise bei Fn. 1. 152 Der Fall betraf (bekanntermaßen) die wirtschaftliche Ausgliederung eines Seehafenbetriebs, der 80 % der Aktiva der nicht börsennotierten J.F. Müller & Sohn AG repräsentierte. Diese konkrete Zahl ergibt sich indes nicht aus dem Holzmüller-Urteil des BGH selbst, sondern lediglich aus dem vorangegangenen Urteil des OLG Hamburg, Urt. v. 5. 9. 1980 – 11 U 1/80, ZIP 1980, 1000, 1005 (Seehafenbetrieb DM 33.332.000, nicht übertragene Aktiva DM 7.902.000). Zur Vorbereitung der rechtlichen Verselbstständigung des Seehafenbetriebs wurde die Satzung in der Hauptversammlung vom 14. Juli 1972 an mehreren Stellen geändert und es wurde unter anderem § 2 Abs. 2 zu einer allgemeinen Konzernöffnungsklausel gefasst. Zum Zeitpunkt dieser Satzungsänderung stand bereits in Rede, wie durch ein Vorstandsmitglied auf der Hauptversammlung erörtert wurde, den Seehafenbetrieb auf eine neu zu gründende Tochtergesellschaft in Form der KGaA auszugliedern, was in der Folge auch geschah. Am 22. Juni 1972 wurde zunächst die Holzmüller Hafenbetriebs Beteiligungs GmbH gegründet, die dann am 13. November 1972 zusammen mit drei weiteren Gründern die Holzmüller Seehafenbetrieb KGaA gründete. Der Vorstand der J.F. Müller & Sohn AG brachte sodann mit Zustimmung des Aufsichtsrats den Seehafenbetrieb mit allen Aktiva und Passiva im Wege der Sachkapitalerhöhung in die Holzmüller Seehafenbetrieb KGaA ein. Die J.F. Müller & Sohn AG erhielt dafür im Gegenzug Aktien an der Holzmüller Seehafenbetrieb KGaA. Sie hielt letztendlich alle Aktien der Holzmüller Seehafenbetrieb KGaA und das gesamte Stammkapital der Komplementärin, der Holzmüller Hafenbetriebs Beteiligungs GmbH. Der Kläger hielt die so erfolgte Einbringung wegen Verstoß gegen § 361 AktG a.F., der damals die Veräußerung des gesamten Vermögens regelte, wegen einer faktischen Änderung des Unternehmensgegenstands und auch wegen § 138 BGB für nichtig und beantragte entsprechende Feststellung der Nichtigkeit aller Ausgliederungsmaßnahmen. Hilfsweise beantragte er die Verurteilung der Holzmüller Seehafenbetrieb KGaA zur Rückübertragung des Seehafenbetriebs bzw. Feststellung, dass die Zustimmung der Hauptversammlung der J.F. Müller & Sohn AG zu solchen Maßnahmen in der Holzmüller Seehafenbetrieb KGaA einzuholen sei, die nach dem Gesetz einer Mehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals bedürfen. Letzteres wurde insbesondere mit Blick auf eine Kapitalerhöhung nochmals ausdrücklich beantragt. Dies erfolgte vor dem Hintergrund, dass die Aufnahme eines neuen Investors zwar nicht konkret geplant, allerdings in der Zukunft auch nicht auszuschließen war. 153 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131 („Holzmüller“).

B. Leitlinien ungeschriebener Hauptversammlungserfordernisse

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treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen.“154 Der Vorstand verletzt in einem solchen Fall seine Sorgfaltspflichten, wenn er von der Vorlage nach § 119 Abs. 2 AktG keinen Gebrauch macht.155 (2) Ein Fall des ungeschriebenen Zustimmungserfordernisses kann bei der wirtschaftlichen Ausgliederung gegeben sein, wenn diese sich im Kernbereich der Unternehmenstätigkeit abspielt, den wertvollsten Betriebszweig betrifft und die Unternehmensstruktur von Grund auf ändert.156 Eine Zustimmungsbedürftigkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft besteht zwar nicht bei sämtlichen Maßnahmen, die in der Tochtergesellschaft einer qualifizierten Mehrheit bedürfen.157 Die Aktionäre sind allerdings an wichtigen Grundentscheidungen, die sich auf ihre eigene Rechtsstellung nachhaltig auswirken können, in derselben Form und mit denselben Mehrheiten zu beteiligen, wie dies für entsprechende Entscheidungen in der Obergesellschaft der Fall ist.158 Dies ist insbesondere bei einer Kapitalerhöhung in einer Tochtergesellschaft nach einer Ausgliederung der Fall.159 Ein Mitwirkungsrecht besteht selbst dann, wenn die Obergesellschaft ihr Bezugsrecht vollständig ausübt; denn auch so werden investierte Betriebsmittel der Obergesellschaft und die entsprechenden Machtbefugnisse der Verwaltung noch stärker auf die Tochtergesellschaft verlagert.160 (3) Durch die Verlagerung wesentlicher Teile des Betriebsvermögens auf eine Tochtergesellschaft wird die Rechtsstellung der Aktionäre der Obergesellschaft geschwächt, da nun der Vorstand der Obergesellschaft die Rechte hinsichtlich der Beteiligung an der Tochtergesellschaft ausübt161 und über die Verwendung des Jahresüberschusses, den Abschluss von Unternehmensverträgen mit Dritten oder die Aufnahme Dritter als Gesellschafter entscheidet, wodurch konkrete Vermögensverluste für die Aktionäre eintreten könnten.162 Bei Kapitalerhöhungen besteht die Gefahr der Beeinträchtigung der Mitgliedschaft der Aktio-

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BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131 („Holzmüller“). BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131 („Holzmüller“). 156 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131 f. („Holzmüller“). 157 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 140 („Holzmüller“). 158 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 138 („Holzmüller“). 159 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 142 („Holzmüller“). Ob all dies allerdings auch dann gelten soll, wenn die Hauptversammlung der Ausgliederung anfänglich oder nachträglich zugestimmt hat, ließ der BGH ausdrücklich offen. Ebenso ließ er die Frage offen, ob eine Mitwirkungspflicht auch dann gegeben sein kann, wenn das Vermögen der Tochtergesellschaft anders als durch Ausgliederung entstanden ist; siehe BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 138 („Holzmüller“). 160 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 143 („Holzmüller“). Den Aktionären der Obergesellschaft werde mithin die Möglichkeit genommen, ihre Beteiligung durch eine weitere Kapitalanlage im eigenen Unternehmen zu verbessern. 161 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136 („Holzmüller“). 162 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 137 („Holzmüller“). 155

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

näre, namentlich, dass ihre Beteiligung verwässert und ihre Bezugsrechte ausgeschlossen werden.163 (4) Eine Verletzung der internen Vorlagepflicht lässt die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen im Außenverhältnis jedoch unberührt.164 Grundsätzlich besteht ein individuelles Klagerecht auf Unterlassung oder Wiederherstellung gegen die Gesellschaft, wenn der Vorstand die Hauptversammlung von einer nach der Sachlage gebotenen Mitwirkung ausschließt.165 Dieses Klagerecht ergibt sich aus der eigenen Mitgliedstellung des Aktionärs.166 Ein solcher Anspruch muss aber ohne unangemessene Verzögerung geltend gemacht werden, wobei die Monatsfrist des § 246 AktG bei der Anfechtungsklage als Referenzpunkt gilt.167 Nach drei Jahren kann die Wiederherstellung des früheren Zustandes jedenfalls nicht mehr verlangt werden.168 Auch hinsichtlich einer (vorbeugenden) Feststellungsklage bestehen keine Bedenken.169 b) Rezeption des Holzmüller-Urteils aa) Anfängliche Kritik des Holzmüller-Urteils Das Holzmüller-Urteil stieß in den ersten, teilweise sehr ausführlichen Stellungnahmen hauptsächlich auf Kritik.170 Kritisiert wurde in dogmatischer Hinsicht die Herleitung des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses über § 119

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BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 142 („Holzmüller“). BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 132 („Holzmüller“). 165 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 133 („Holzmüller“). 166 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 135 („Holzmüller“). 167 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 135 f. („Holzmüller“). 168 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136 („Holzmüller“). 169 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 141 („Holzmüller“). Dass die Kapitalerhöhung bereits beschlossen sei oder jedenfalls unmittelbar bevorstehe, sah der BGH nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine solche Klage an; die abstrakte Möglichkeit der Kapitalerhöhung durch der Vorstand der Obergesellschaft genüge bereits. 170 Heinsius, ZGR 1984, 383, 399 („Mit ,ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnissen‘ der Hauptversammlung kann die aktienrechtliche Praxis nicht leben.“); Semler, BB 1983, 1566, 1573 (Schritt in die „falsche Richtung“); Werner, ZHR 147 (1983), 429, 431 f. („Schutzbedürfnis der Hauptversammlung […] nicht gegeben; „richterliche Rechtsfortbildung nicht erforderlich“); Martens, ZHR 147 (1983), 377, 427 („Ergebnis […] noch vertretbar“, „in rechtsdogmatischer Hinsicht“ nicht überzeugend); Beusch, in: Festschrift für Werner (1984), S. 1, 21 (Der BGH habe sich „beim Blick in den Himmel von Wunschbildern modischer basisdemokratischer Vorstellungen gegenüber den vom Gesetzgeber verfaßten Zuständigkeitsordnungen in die Irre leiten lassen.“); Götz, AG 1984, 85, 94 („mißglückte Rechtsfortbildung“); grundsätzlich befürwortend aber: Lutter, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 825, 853 f. („notwendige[r] Schritt“; „Gebote der Rechtssicherheit angemessen beachtet“); im Ergebnis offen Rehbinder, ZGR 1983, 92, 108. 164

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Abs. 2 AktG.171 Das größte Problem wurde allerdings in der drohenden Rechtsunsicherheit gesehen, resultierend aus der Unklarheit, welche Arten von Maßnahmen von der Holzmüller-Rechtsprechung erfasst sein können und welche nicht.172 Insbesondere Martens stellte diese beiden Kritikpunkte verknüpfend heraus, dass durch die dogmatische Lösung über § 119 Abs. 2 AktG keine zwingende Differenzierung zwischen strukturellen Maßnahmen und rechtsformneutralen Maßnahmen, also beispielsweise großen Investitionsentscheidungen, möglich sei.173 Solange es aber nicht gelinge, rechtsformneutrale Maßnahmen vom Anwendungsbereich ungeschriebener Hauptversammlungserfordernisse auszunehmen, sei die Konzeption der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse nicht ausgereift.174 Der BGH stand allerdings, wie sich der Kommentierung von Fleck – seinerzeit Mitglied des II. Zivilsenates und Berichterstatter im Fall Holzmüller – entnehmen lässt, offenbar selbst nicht unter dem Eindruck, durch seine Rechtsprechung ein breites Einfallstor für eine Vielzahl von Konstellationen geschaffen zu haben. Vielmehr habe man sich „mit aller gebotenen Vorsicht“ an eine Lösung herangetastet und sich durch eine „enge Begrenzung auf den entschiedenen Fall“ die Möglichkeit offengelassen „es bei dieser Entscheidung bewenden zu lassen oder aber ihre Grundsätze auf andere Gestaltungen zu erweitern“.175 Auch die Formulierung von Mitwirkungsrechten der Hauptversammlung der Obergesellschaft bei Maßnahmen in der Tochtergesellschaft, also der Schritt in Richtung der Schaffung einer „konzernspezifischen Binnenordnung“176, sah sich vielseitiger Kritik ausgesetzt. Hier wurden vor allem die Offenheit des Leitsatzes und das für die Praxis ungeeignete Prüfprogramm bemängelt,177 weiterhin, dass der BGH nicht einmal den Versuch unternommen hatte, diesbezüglich zur dogmatischen Herleitung an eine positivrechtliche Norm anzuknüpfen.178 Auch dass der BGH das 171 Rehbinder, ZGR 1983, 92, 98 f.; Westermann, ZGR 1984, 352, 364 f.; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 383, 388 („kompetenzrechtliche[n] Friktionen“); Heinsius, ZGR 1984, 383, 393 ff.; Werner, ZHR 147 (1983), 429, 438 ff.; zustimmend zunächst nur Großfeld/ Brondics, JZ 1982, 589, 591; aus späterer Zeit auch Reichert, AG 2005, 150, 152 f.; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1575. 172 Heinsius, ZGR 1984, 383, 388 („ausweglos erscheinende Wüste der Rechtsunsicherheit“); Sünner, AG 1983, 169, 170 („weites Feld der Rechtsunsicherheit“); Werner, ZHR 147 (1983), 429, 436 („kaum zu überbietende[n] Rechtsunsicherheit“); Rehbinder, ZGR 1983, 92, 108; Westermann, ZGR 1984, 352, 366; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 380 ff. 173 Martens, ZHR 147 (1983), 377, 383. 174 Martens, ZHR 147 (1983), 377, 383, dort insbesondere Fn. 14. 175 Fleck, in: Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs (1983), § 118 AktG 1965, Bl. 764 f. 176 Vgl. BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 138 („Holzmüller“); siehe auch Martens, ZHR 147 (1983), 377, 405. 177 Martens, ZHR 147 (1983), 377, 404 f. 178 Martens, ZHR 147 (1983), 377, 405; Rehbinder, ZGR 1983, 92, 103; ähnlich Werner, ZHR 147 (1983), 429, 450 („frei im gesetzesleeren Raum stehende und der Absicht des historischen Gesetzgebers zuwiderlaufende Rechtsfortbildung“); aus späterer Zeit auch Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 33.

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Verhältnis von „Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle“ offen gelassen hatte, indem er die Frage nicht beantwortete, ob die Mitwirkungsrechte bei einer Kapitalerhöhung auf Ebene der Tochtergesellschaft entfallen, wenn vorher eine Zustimmung der Hauptversammlung zur Ausgliederung erteilt wurde, sorgte für Unmut.179 bb) Wachsende Akzeptanz des Holzmüller-Urteils In der weiteren Folge wuchs dann allerdings die Akzeptanz des Holzmüller-Urteils.180 Dies mag auch daran gelegen haben, dass die instanzgerichtliche Rechtsprechung die Holzmüller-Grundsätze wiederholt anwendete181 und diese somit zu einem Teil der rechtlichen Realität wurden.182 Die wissenschaftliche Diskussion verlagerte sich langsam weg von der Frage, ob diese Rechtsprechung überhaupt zutreffend sei und hin zu Detailfragen. Betreffend die dogmatische Herleitung der 179

Für eine Entbehrlichkeit der weiteren Mitwirkung Martens, ZHR 147 (1983), 377, 426 (oder jedenfalls Reduzierung „auf einen Kernbereich unverzichtbaren Interessensschutzes“); Sünner, AG 1983, 169, 172; dagegen Götz, AG 1984, 85, 92 (Konzernbildungskontrolle sei abzulehnen, da sie nicht geeignet sei, die Konzernleitungskontrolle zu ersetzen); Lutter, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 825, 849 (durch Zustimmung entfällt Konzernleitungskontrolle nicht). 180 Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 2. Aufl. (1999), § 69 Rn. 7 („im Grundsatz beizupflichten“); Semler, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 2. Aufl. (1999), § 34 Rn. 39 (mag „als akzeptiert gelten“); Zimmermann/Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 180 („sachlich gerechtfertigt“); Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279, 284 („im Ergebnis akzeptabel“). 181 Hierbei wurde im Ergebnis die Zustimmungsbedürftigkeit freilich teils verneint und teils bejaht; siehe in umgekehrt chronologischer Reihenfolge die vor Erlass der Gelatine-Urteile ergangen Entscheidungen des OLG Stuttgart, Urt. v. 14. 5. 2003 – 20 U 31/02, AG 2003, 527 (Veräußerung eines unselbstständigen Betriebsteils); LG Duisburg, Urt. v. 27. 6. 2002 – 21 O 106/02, AG 2003, 390 (Beteiligungsveräußerung); OLG Celle, Urt. v. 7. 3. 2001 – 9 U 137/00, AG 2001, 357 (Veräußerung des gesamten Vermögens einer eingegliederten Gesellschaft); LG Frankfurt a.M., Urt. v. 12. 12. 2000 – 3/5 O 149/99, AG 2001, 431 (Auflösung eines Konzerns durch Verkauf fast aller wesentlichen Beteiligungen); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31. 8. 2000 – 6 W 33/00, NZG 2000, 1078 (Einberufung der Hauptversammlung wegen Entscheidung über ein feindliches Übernahmeangebot); LG Heidelberg, Urt. v. 1. 12. 1998 – O 95/ 98 KfH I, AG 1999, 135 (Gründung neuer Tochtergesellschaften); LG Frankfurt a.M., Urt. v. 29. 7. 1997 – 3/5 O 162/95, ZIP 1997, 1698 (Veräußerung des gesamten Vermögens und des Geschäftsbetriebs einer Tochtergesellschaft); LG Düsseldorf, Urt. v. 13. 2. 1997 – 31 O 133/96, AG 1999, 94 (Beteiligungsveräußerung); OLG München, Urt. v. 26. 4. 1996 – 23 U 4586/95, WM 1996, 1462 (Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung); OLG München, Urt. v. 10. 11. 1994 – 24 U 1036/93, AG 1995, 232 (Einbringung von Grundbesitz in eine Projektgemeinschafts-GbR); LG Frankfurt a.M., Urt. v. 10. 3. 1993 – 3/14 O 25/92, AG 1993, 287 (Ausgliederung einer wichtigen Niederlassung auf eine Tochtergesellschaft); OLG Köln, Urt. v. 24. 11. 1992 – 22 U 72/92, ZIP 1993, 110 (Verschmelzung einer Tochtergesellschaft mit einer nicht zur Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaft); LG Stuttgart, Urt. v. 8. 11. 1991 – 2 KfH O 135/91, AG 1992, 236 (Ermächtigung des Vorstands zur Ausgliederung des Geschäftsbetriebs). 182 Ähnlich auch Joost, ZHR 163 (1999), 164, 165 (allerdings mit Kritik an diesem Ergebnis).

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ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse setzte sich zunehmend die Meinung durch, diese sei auf eine Einzel- oder Gesamtanalogie zu den gesetzlich geregelten Hauptversammlungserfordernissen zu stützen.183 Die Diskussion löste sich darüber hinaus zunehmend von dem vormals zwingend erscheinenden Kontext der Konzernbildungs- bzw. Konzernleitungskontrolle.184 Auch zeigte sich schnell, dass der BGH einige entscheidende Fragen nicht beantwortet hatte, etwa die des Mehrheitserfordernisses für Maßnahmen auf Ebene der Obergesellschaft oder die des Umfangs der Informationsrechte der Aktionäre.185 Rege Diskussion herrschte auch bezüglich der Schwellenwerte und möglichen Referenzpunkte zur Ermittlung der quantitativen Anforderungen eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses. Als Referenzpunkte wurden die Bilanzsumme und der Unternehmenswert, aber auch der Umsatz und die Ertragskraft, das Eigenkapital, das Grundkapital sowie die historische Prägung des Unternehmens und die Zahl der Mitarbeiter benannt, wobei die vorgeschlagenen Schwellenwerte dabei von 10 % bis hin zu 75 % reichten.186 Diese große Spannweite der Schwellenwerte 183 Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 2. Aufl. (1999), § 69 Rn. 6; Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 23; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 807 („Gesamtanalogie“); Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 806; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 195; Kort, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2002), § 76 Rn. 82 („singuläre[n] Analogiebildung“); Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2004), § 119 Rn. 41 ff. (Analogie zu § 179 AktG). Eine andere Ansicht sah den Rechtsgrund in einer „gesetzesüberschreitenden richterlichen Rechtsfortbildung“; so ausdrücklich Zimmermann/Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 165; ähnlich auch schon Geßler, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 771, 786 f. Allerdings fanden sich auch Befürworter einer Lösung über § 119 Abs. 2 AktG; so etwa Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279, 284 f. („beachtliche praktische Vorzüge“). 184 Joost, ZHR 163 (1999), 164, 172 (Gefährdung bei bloßem Abhängigkeitsverhältnis noch größer); Weißhaupt, NZG 1999, 804, 807 (der „eigentliche Holzmüller-Beschluß“ sei Instrument der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung und nicht der konzernspezifischen Binnenordnung); Hommelhoff, ZHR 151 (1987), 493, 506; auch Habersack, in: Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. (2008), Vor § 311 Rn. 34; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2004), § 119 Rn. 36; anders etwa noch Liebscher, Konzernbildungskontrolle (1995), S. 86 (Gefährdung der Mitgliedschaftsrechte nur bei verbundenen Unternehmen). 185 Siehe etwa Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 20; Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279, 297 ff.; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2004), § 119 Rn. 38. 186 Zum Überblick etwa Zimmermann/Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 156; im Einzelnen exemplarisch aus der breit gefächerten Diskussion: Geßler, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 771, 787 (10 % des Grund- oder Eigenkapitals); Lutter, AG 2000, 342 (15 – 20 %-iger Anteil der Tochter am Gesamtunternehmen); ders., in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 825, 850 (20 – 25 % der Aktivseite der Bilanz); Liebscher, Konzernbildungskontrolle (1995), S. 89 („25 % des Umsatzes oder des Gesamtwertes des Gesellschaftsvermögens“); Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2004), § 119 Rn. 47 (50 % der Bilanzsumme); Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 223 (einzelfallbezogene Betrachtung; bei weniger als 50 % in der Regel keine Zustimmung); Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279, 295 (75 % des Buchvermögens oder des Umsatzes); Krieger, in: Münchener Handbuch des Ge-

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erklärt sich auch vor dem Hintergrund der unterschiedlichen dogmatischen Herleitung der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse; während bei einer Einzel- oder Gesamtanalogie zu den geschriebenen Hauptversammlungserfordernissen konsequenterweise geringere Schwellenwerte zum Einsatz kommen, da in den zur Analogiebildung heranzuziehenden Vorschriften keine Bagatellgrenzen vorgesehen sind, zieht eine Begründung über § 119 Abs. 2 AktG tendenziell die Annahme höherer Schwellenwerte nach sich.187 Auch die diesbezüglich uneinheitliche Rechtsprechung der Instanzgerichte trug freilich nicht zur Vereinheitlichung eines Prüfungsstandards bei.188 Aufgrund der Vielzahl der Veröffentlichungen und der unterschiedlichen Bewertung des Holzmüller-Urteils entsponn sich langsam ein immer unübersichtlicher werdendes Netz an Meinungen. Einvernehmen bestand jedoch weitgehend dahin, dass eine klärende Rechtsprechung des BGH notwendig bzw. hilfreich wäre.189 2. Die Macrotron- und Frosta-Entscheidungen Im Kontext der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse zu nennen ist auch die Macrotron-Entscheidung des BGH. Der BGH bejahte in dieser Entscheidung aus dem Jahr 2002 ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auch beim Delisting.190 Der Fall betraf die Konstellation des regulären Delistings, also den Rückzug einer börsennotierten Gesellschaft aus dem amtlichen Handel.191 Schon vor sellschaftsrechts, Bd. 4, 2. Aufl. (1999), § 69 Rn. 8 (Analyse des Einzelfalles, aber Nennung von Umsatz, Mitarbeiterzahl und Ertragskraft). 187 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2004), § 119 Rn. 46; ähnlich auch Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 22. 188 Siehe nochmals die Nachweise bei Fn. 181. 189 So etwa Werner, ZHR 147 (1983), 429, 453; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 428; Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279, 301 f. 190 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 („Macrotron“); vgl. auch nochmals die ausführlichen weiteren Fundstellennachweise bei Fn. 5. 191 Die beklagte Ingram Macrotron AG hatte ein Grundkapital von DM 11 Mio., welches je zur Hälfte in Stamm- und Vorzugsaktien eingeteilt war. Diese waren an der Frankfurter Wertpapierbörse und an der Bayerischen Börse zur amtlichen Notierung zugelassen. Im Jahr 1999 befanden sich aber nur noch 1,07 % der Stammaktien und 8,5 % der Vorzugsaktien im Streubesitz. Die Hauptversammlung beschloss daher, den Vorstand zu ermächtigen, bei beiden Börsen den Widerruf der Zulassung zu beantragen. Gerechtfertigt wurde dieser Schritt seitens der Verwaltung mit dem unverhältnismäßigen Kostenaufwand, sowie mit sprunghaften Kursveränderungen aufgrund des geringen Handelsvolumens. Die Beklagte gab ferner bekannt, ihr Großaktionär beabsichtige den Minderheitsaktionären ein Kaufangebot für jede Aktie im Nennwert vom DM 50 zum Preis von DM 1057 pro Stamm- und DM 820 pro Vorzugsaktie zu unterbreiten. Die Kläger hielten den gefassten Ermächtigungsbeschluss wegen fehlender Befristung, wegen fehlender sachlicher Rechtfertigung und Unverhältnismäßigkeit, sowie wegen des Fehlens eines Vorstandsberichts für rechtswidrig und erhoben deswegen Anfechtungsklage. Die Klage hatte in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg, auch nicht bezüglich eines in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellten Antrages auf Verweisung in das Spruchverfahren.

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der Entscheidung war in der Literatur umstritten, ob ein Delisting eine Zustimmungspflicht auslösen kann und ob sich diese nach den Holzmüller-Grundsätzen beurteilt.192 Dennoch lässt sich diese Entscheidung nicht vollständig in einer Linie mit Holzmüller betrachten, da der BGH die Frage des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Delisting nicht über die Holzmüller-Grundsätze gelöst hat.193 Dass die Macrotron-Entscheidung dennoch vielfach in diesem Zusammenhang diskutiert wurde, ist der vorhergehenden Behandlung in der Literatur und der Argumentation der Gerichte in den Vorinstanzen geschuldet.194 Der BGH judizierte in Macrotron, dass das reguläre Delisting eines Hauptversammlungsbeschlusses bedürfe,195 was sich aber nicht aus einem Eingriff in die innere Struktur der Gesellschaft oder in die Mitverwaltungsrechte der Aktionäre ergebe,196 sondern aus den mit dem Rückzug der Gesellschaft aus dem amtlichen Handeln einhergehenden gravierenden Nachteilen für die Minderheits- und Kleinaktionäre.197 Da der Verkehrswert der Aktie und seine jederzeitige Realisierung von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG umfasst seien, sei dieser Schutz auch im Verhältnis der Gesellschaft zu den Aktionären zu beachten.198 Notwendig sei daher ein Hauptversammlungsbeschluss mit einfacher Mehrheit199 sowie ein Pflichtangebot der Gesellschaft oder des Großaktionärs,200 dessen Angemessenheit auch in einem anschließenden Spruchverfahren überprüft werden könne201. Allerdings hat der BGH in jüngerer Vergangenheit in der Frosta-Entscheidung die Macrotron-Rechtsprechung nun wieder ausdrücklich aufgegeben.202 Nachdem das BVerfG in Sachen Macrotron entschieden hatte, dass der Widerruf der Börsenzu192

Siehe zur ausführlichen Übersicht über den damaligen Meinungsstand Klöhn, ZBB 2003, 208, 209, dort insbes. Fn. 11. Für die Annahme der Zuständigkeit der Hauptversammlung nach den Holzmüller-Grundsätzen etwa Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 806; Steck, AG 1998, 460, 461; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 765 (nur in „besonders gravierenden Fällen des Delisting“); für eine Zustimmungspflichtigkeit, ohne aber ausdrücklich auf Holzmüller abzustellen Lutter, in: Festschrift für Zöllner, Bd. 1 (1998), S. 363, 380 f.; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 475; dagegen etwa Groß, ZHR 165 (2001), 141, 165; Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 242; Hopt, in: Festschrift für Drobnig (1998), S. 525, 537; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 129, 139. 193 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54 („Macrotron“). 194 Ausdrücklich auf Holzmüller abstellend OLG München, Urt. v. 14. 2. 2001 – 7 U 6019/ 99, AG 2001, 364, 365; unklarer LG München I, Urt. v. 4. 11. 1999 – 5 HKO 10580/99, BB 1999, 2634, 2635 („Delisting stellt rechtlich keinen Struktureingriff“ dar). 195 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 53 („Macrotron“). 196 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54 („Macrotron“). 197 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54 („Macrotron“). 198 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 55 („Macrotron“). 199 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 53 („Macrotron“). 200 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 57 („Macrotron“). 201 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 58 („Macrotron“). 202 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, NZG 2013, 1342 („Frosta“); vgl. auch nochmals die ausführlichen weiteren Fundstellennachweise bei Fn. 5.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

lassung für den regulierten Markt auf Antrag des Emittenten grundsätzlich nicht den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts des Aktionärs berühre,203 sah der BGH seiner Macroton-Rechtsprechung „die Grundlage entzogen“204 und judizierte, obwohl es sich im Fall Frosta um eine Situation des Downlisting handelte,205 ohne weitere Differenzierung, dass bei einem Widerruf der Zulassung der Aktie zum Handel im regulierten Markt auf Veranlassung der Gesellschaft ein Beschluss der Hauptversammlung und ein Pflichtangebot nicht erforderlich seien.206 Der BGH hat durch die Frosta-Entscheidung seine Rechtsprechung zu den ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernissen somit auf die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze „zurückgebaut“. 3. Die Gelatine-Urteile Zu der lange erwarteten Präzisierung seiner Holzmüller-Rechtsprechung hatte der BGH dann erstmals im Jahr 2004 in den sog. Gelatine-Urteilen207 die Möglichkeit, welche eine bereits durchgeführte208 und eine noch durchzuführende209 Verenkelung betrafen.210 203 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 @ 1 BvR 3142/07, WM 2012, 1378 f. („Macrotron“); hierzu Klöhn, NZG 2012, 1041. 204 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, NZG 2013, 1342 („Frosta“). 205 Mit Ad-hoc-Mitteilung vom 11. Februar 2011 gab die FRoSTA AG bekannt, dass der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats beschlossen hatte, den Wechsel vom regulierten Markt der Wertpapierbörse in Berlin in den Entry Standard des Freiverkehrs (Open Market) der Frankfurter Wertpapierbörse einzuleiten. Am 16. Februar 2011 wurde der Widerruf der Zulassung am regulierten Markt wirksam; seither waren die Aktien der FRoSTA AG in den Entry Standard einbezogen. Die Antragsteller beantragten ein Spruchverfahren zur Festlegung einer angemessenen Barabfindung. Das Landgericht Bremen wies die Anträge indes als unzulässig zurück. Die Beschwerden der Antragsteller hiergeben blieben ohne Erfolg. Dagegen richteten sich die Rechtsbeschwerden der Antragsteller, welche jedoch vor dem BGH ebenfalls ohne Erfolg blieben. 206 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, NZG 2013, 1342 („Frosta“). 207 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 („Gelatine I“); BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, 575 („Gelatine II“), vgl. zu weiteren ausführlichen Fundstellennachweisen nochmals Fn. 4. Die beklagte Deutsche Gelatine-Fabriken Stoess AG betrieb die Herstellung und den Vertrieb von Gelatine und Nebenprodukten, wobei sie teils selbst operativ tätig war und teils Beteiligungen an anderen Gesellschaften hielt. Die Satzung enthielt unter § 2 Abs. 2 eine entsprechende Konzernöffnungsklausel. Die Hauptversammlung vom 5. Mai 2000 hatte über drei Maßnahmen zu entscheiden, von denen zwei Maßnahmen den Gegenstand der jeweiligen Urteile bilden. 208 Unter TOP 10 sollte die Hauptversammlung (hierauf bezieht sich die Entscheidung Gelatine I) einer bereits im Jahr 1998 durchgeführten Maßnahme zustimmen. Damals hatte der Vorstand der Beklagten ohne Mitwirkung der Hauptversammlung die Anteile an zwei 100 %igen Tochtergesellschaften (einer schwedischen und einer englischen) im Wege der Sachkapitalerhöhung in eine 100 %-ige deutsche Tochter-GmbH eingebracht, wodurch die beiden erstgenannten Gesellschaften zu Enkelgesellschaften der Beklagten wurden. Die schwedische Tochtergesellschaft leistete einen Beitrag von etwa 22 % zum Jahresüberschuss des Konzerns. Auf sie entfielen ferner ca. 8 % der Bilanzsumme, 11 % des Eigenkapitals und 11 % des Um-

B. Leitlinien ungeschriebener Hauptversammlungserfordernisse

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a) Rechtliche Kernaussagen (1) Die dogmatische Herleitung der „besonderen Zuständigkeit der Hauptversammlung“ ergibt sich im Wege der „offenen Rechtsfortbildung“.211 Schutzzweck der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse bei der Ausgliederung wichtiger Unternehmensteile ist der damit notwendigerweise verbundenen Mediatisierung des Aktionärseinflusses zu begegnen.212 Zugleich soll auch ein Schutz vor einer nachteiligen Beeinträchtigung des Wertes der Beteiligung gewährleistet werden.213 Hingegen gibt es keinen weiten Bereich grundlegender Geschäftsführungsaufgaben, an denen mitzuwirken die Aktionäre durch die Hauptversammlung der herrschenden Gesellschaft berufen sind.214 Der Einfluss der Hauptversammlung auf die Konzernbildung und Konzernleitung tritt lediglich als Reflex der erforderlichen Beteiligung der Aktionäre ein.215

satzes, wobei die Zahlen des Konzernabschlusses vom 31. Dezember 1998 von den Parteien diesbezüglich unterschiedlich bewertet werden. Der Kläger zu 1) hielt diese Maßnahmen für rechtswidrig und forderte daher in einem gesonderten Verfahren deren Rückgängigmachung. Dieses Verfahren wurde bis zur Entscheidung in dem hier besprochenen Verfahren ausgesetzt. In der Hauptversammlung vom 5. Mai 2000 stellte der Vorstand vor diesem Hintergrund die angegriffenen Maßnahmen zur Genehmigung der Hauptversammlung, die auch mit etwa 70 % des vertretenen Grundkapitals erteilt wurde. Dagegen stimmten im Wesentlichen nur die vier Kläger, die etwa 30 % des Grundkapitals der Gesellschaft hielten. 209 Unter TOP 11 sollte die Hauptversammlung (hierauf bezieht sich die Entscheidung Gelatine II) einer steuerlich motivierten Einbringung von 49 % der Anteile an einer GmbH & Co. KG und ihrer Komplementär-GmbH in eine 100 %-ige Tochtergesellschaft zustimmen. Die GmbH & Co. KG, deren anderer Gesellschafter ein US-amerikanischer Konzern war, produzierte und vertrieb Gelatinekapseln für die Pharmaindustrie und trug insgesamt etwa 25 % zum Ergebnis vor Steuern, 44 % zum Umsatz, 31 % zur Bilanzsumme und 55 % zur Mitarbeiterzahl des Konzerns bei. Die Zustimmung der Hauptversammlung wurde mit etwa 66 % des vertretenen Grundkapitals erteilt. 210 Die Kläger erhoben gegen die Beschlussfassung zu TOP 10 und TOP 11 Widerspruch zu Protokoll des Notars und anschließend zwei separate Anfechtungsklagen. Sie vertraten die Auffassung, dass die Maßnahmen unter die im Holzmüller-Urteil entwickelten Grundsätze fielen und daher einer Zustimmung der Hauptversammlung mit Dreiviertelmehrheit bedurft hätten. Im Ergebnis hielt der BGH die Revisionen jedoch für unbegründet. 211 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 43 („Gelatine I“). Der BGH verteidigte zunächst die Holzmüller-Entscheidung insofern, als der Senat mit der Anlehnung an § 119 Abs. 2 AktG habe klarmachen wollen, dass die Außenvertretungsmacht durch ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis unberührt bleibe. Die in der Literatur vertretene Einzel- oder Gesamtanalogie sei zwar tatbestandlich besser geeignet, hingegen von der Rechtsfolge her nicht passend, da sie zu einem Fehlen der Vertretungsmacht führe. Die Vorzüge beider Ansätze kombinierend wurde dann auf die „offene Rechtsfortbildung“ abgestellt; siehe BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 42 f. („Gelatine I“). 212 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 („Gelatine I“). 213 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 („Gelatine I“). 214 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 39 („Gelatine I“). 215 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 39 („Gelatine I“).

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

(2) Ungeschriebene Hauptversammlungserfordernisse sind nur in engen Grenzen anzuerkennen, namentlich dann, wenn Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands „an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rühren und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entsprechen, der allein durch Satzungsänderung herbeigeführt werden kann.“216 Hierzu muss der Bereich, auf den sich die Maßnahme erstreckt, in seiner Bedeutung für die Gesellschaft die Ausmaße der Ausgliederung wie im Holzmüller-Fall erreichen.217 Schwellenwerte von 10 – 50 %, bezogen auf verschiedene Parameter, genügen hingegen nicht,218 sodass Kennziffern für Bilanzsumme, Eigenkapital, Umsatz und Ergebnis vor Steuern von maximal 30 % weit unter der Grenze für die Zustimmungsbedürftigkeit liegen.219 (3) In qualitativer Hinsicht kann auch eine Verenkelung ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auslösen, da diese zu einem Mediatisierungseffekt führt.220 Die Beeinträchtigung der Aktionärsrechte ergibt sich daraus, dass „eine weitere hierarchische Ebene geschaffen [wird] und damit der Einfluss der herrschenden Obergesellschaft und deren Hauptversammlung auf die Führung der Geschäfte, aber auch auf die Entscheidung über die Gewinnverwendung und andere Maßnahmen“221 abnimmt. Bei welchen weiteren Geschäftsführungsmaßnahmen ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis im Übrigen in Betracht kommt, ließ der BGH ausdrücklich offen.222 Nicht zustimmungsbedürftig sei allerdings jedenfalls eine Übertragung von Anteilen, die durch eine 100 %-ige Tochtergesellschaft gehalten werden, auf eine andere 100 %-ige Tochtergesellschaft,223 also eine Übertragung „zur Seite“. (4) Nicht ausgeschlossen wird ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis durch die Existenz einer Konzernöffnungsklausel.224 Durch eine solche wird lediglich der Handlungsspielraum des Vorstands erweitert, den Unternehmensgegenstand auch mithilfe von Beteiligungsgesellschaften zu verwirklichen, wodurch sich die Aktionäre aber nicht ihres weiteren Schutzes durch ungeschriebene Hauptversammlungserfordernisse begeben.225

216 217 218 219 220 221 222 223 224 225

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 48 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 41, 47 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 41, 47 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 41 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 47 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 46 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 46 („Gelatine I“).

B. Leitlinien ungeschriebener Hauptversammlungserfordernisse

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(5) Der notwendige Beschluss bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals,226 welche auch nicht durch eine Satzungsregelung abgesenkt werden kann.227 b) Rezeption der Gelatine-Urteile Die Rezeption der Gelatine-Urteile in der Literatur war fast einhellig positiv,228 wobei die Wortwahl – nun im anderen Extrem – teilweise ähnlich polemisch ausfiel wie seinerzeit bei der Kritik am Holzmüller-Urteil.229 Zustimmung fand vor allem die restriktive Haltung des BGH bei der Anwendung der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse, welche der vormals befürchteten ausufernden Anwendung der Holzmüller-Grundsätze entgegentrat, wodurch sich die Literatur den vormals geforderten Zugewinn an Rechtssicherheit versprach.230 Kritik wurde aber bezüglich der neuerdings vertretenen dogmatischen Begründung der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse im Wege der offenen Rechtsfortbildung geäußert.231 Insbesondere wäre es dogmatisch auch möglich gewesen, auf Tatbestandsseite die geschriebenen Hauptversammlungserfordernisse analog anzuwenden und dennoch die Rechtsfolge auf eine Beschränkung der Wirkung im Innenverhältnis zu reduzieren.232 Es fanden sich aber auch nach wie vor Stimmen in der Literatur, die das Konzept der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse insgesamt ablehnten.233 Im Übrigen wurde zutreffend erkannt, 226

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 46 („Gelatine I“). 228 So etwa Habersack, AG 2005, 137, 149 (das Lob stehe „ganz im Vordergrund“); Liebscher, ZGR 2005, 1, 33 („uneingeschränkt zu begrüßen“); Altmeppen, ZIP 2004, 999 (geeignet „fast ein Vierteljahrhundert Rechtsunsicherheit“ zu beenden); Bungert, BB 2004, 1345 („fast in allen Punkten nachdrücklich zu begrüßen“); Pentz, BB 2005, 1397, 1403; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1579; Reichert, AG 2005, 150, 160; grundsätzlich positiv auch Hirte, EWiR § 179 AktG 1/04, 1161 f.; Fleischer, NJW 2004, 2335, 2339; Fuhrmann, AG 2004, 339, 342; Götze, NZG 2004, 585, 589; Weißhaupt, AG 2004, 585, 591 f.; kritisch Koppensteiner, Der Konzern 2004, 381 f. 229 Fleischer, NJW 2004, 2335 („Manna in der Wüste der Rechtsberater“); Fuhrmann, AG 2004, 339, 342 (Gelatine beendet „jahrzehntelange juristische Irrfahrt“). 230 Habersack, AG 2005, 137, 149; Liebscher, ZGR 2005, 1, 15 (Ende einer „lange[n] Phase der Rechtsunsicherheit“); Fuhrmann, AG 2004, 339, 341 („wertvolle[r] Beitrag zur Rechtssicherheit“); Altmeppen, ZIP 2004, 999; ähnlich Simon, DStR 2004, 1528, 1530. 231 Koppensteiner, Der Konzern 2004, 381, 384 („freie Rechtsfortbildung“); Liebscher, ZGR 2005, 1, 20 ff.; Fleischer, NJW 2004, 2335, 2337. 232 Fleischer, NJW 2004, 2335, 2337; Habersack, AG 2005, 137, 142 f.; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 29; Reichert, AG 2005, 150, 153 („nicht gerade eleganter, aber immerhin denkbarer Ansatz“). 233 Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 238; Simon, DStR 2004, 1528, 1530; so zu verstehen wohl auch Koppensteiner, Der Konzern 2004, 381, 383; deutlicher ders., in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2004), Vorb. § 291 Rn. 55 ff. 227

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

dass auch nach den Gelatine-Urteilen noch weitere ungeklärte Punkte bestanden, etwa die Übertragbarkeit der Rechtsprechung auf andere Maßnahmen oder der Umfang der Informationspflichten gegenüber den Aktionären.234 Die instanzgerichtliche Rechtsprechung nahm die Gelatine-Urteile positiv auf bzw. wendete ihre Grundsätze, letztlich auch wie nach dem Holzmüller-Urteil, ohne größere Kritikpunkte an.235 4. Die Stuttgarter Hofbräu-Entscheidung Die nächste, ebenfalls sehr beachtenswerte Entscheidung des BGH war der Nichtannahmebeschluss in Sachen Stuttgarter Hofbräu.236 Dieser betraf die Konstellation der Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel.237 234

Siehe etwa Habersack, AG 2005, 137, 138; Götze, NZG 2004, 585, 588 f.; Weißhaupt, AG 2004, 585, 587 ff. (speziell zu Informationspflichten); Arnold, ZIP 2005, 1573, 1575 (auch zu weiteren Spezialfragen). 235 Infolge der restriktiveren Rechtsprechung des BGH wurde ein Zustimmungserfordernis von vielen instanzgerichtlichen Entscheidungen in der Folge verneint, teilweise wurde ein solches aber auch bejaht; siehe in umgekehrt chronologischer Reihenfolge die nach Erlass der Gelatine-Urteile ergangenen Entscheidungen des OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/ 08, DB0363900 (Beteiligungserwerb); OLG Köln, Urt. v. 15. 1. 2009 – 18 U 205/07, AG 2009, 416 (Veräußerung der Hoch- und Tiefbausparte); OLG Hamm, Urt. v. 19. 11. 2007 – 8 U 216/07, AG 2008, 421 („Arcandor“) (Konzernumstrukturierung mit Beteiligungsveräußerung); OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21. 6. 2007 – 5 U 34/07, AG 2008, 862 (Beteiligungserwerb); LG München I, Urt. v. 8. 6. 2006 – 5 HK O 5052/06, NZG 2006, 873 (Ausgliederung im Wege der Einzelrechtsnachfolge und späterer Börsengang); OLG Schleswig, Urt. v. 8. 12. 2005 – 5 U 57/04, NZG 2006, 951 (Zustimmung zu einer weitreichenden Vergleichsvereinbarung); OLG Stuttgart, Urt. v. 13. 7. 2005 – 20 U 1/05, ZIP 2005, 1415 (Beteiligungsveräußerung; Vorinstanz zur Entscheidung des BGH in Sachen Stuttgarter Hofbräu); OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15. 2. 2005 – 20 W 1/05, ZIP 2005, 1419 (Beteiligungserwerb). 236 BGH, Beschl. v. 20. 11. 2006 – II ZR 226/05, NZG 2007, 234 („Stuttgarter Hofbräu“); vgl. zu weiteren ausführlichen Fundstellennachweisen nochmals Fn. 6. Der Sachverhalt ergibt sich nur aus dem Urteil der Vorinstanz; siehe OLG Stuttgart, Urt. v. 13. 7. 2005 – 20 U 1/05, ZIP 2005, 1415 („Stuttgarter Hofbräu“), weitere Fundstellen etwa AG 2005, 693; WM 2005, 1708. 237 Die beklagte Stuttgarter Hofbräu AG übertrug im Jahr 2003 ihren gesamten Brauereibetrieb im Wege der Ausgliederung zur Aufnahme auf die Stuttgarter Hofbräu Brau AG & Co. KG und behielt lediglich Beteiligungen, Finanzanlagen und einen Immobilienbestand, der dem Brauereibetrieb diente, in ihrem Vermögen. Der Unternehmensgegenstand in § 2 der Satzung wurde entsprechend angepasst. Auf die Stuttgarter Hofbräu Brau AG & Co. KG entfielen im Geschäftsjahr 2003 etwa 73 % des Umsatzes, 30 % des Jahresüberschusses und 30 % der Aktiva des Konzernergebnisses. Am 10. Dezember 2003 informierte die Beklagte im Wege der Ad-hoc-Mitteilung, dass mit der Radeberger Gruppe AG ein Kooperations- und Partnerschaftsvertrag geschlossen worden sei, zu dem die Zustimmung der Hauptversammlung noch eingeholt werden sollte. Ziel der Vereinbarung sei eine 50 %-ige Beteiligung der Radeberger Gruppe AG an der Stuttgarter Hofbräu Brau AG & Co. KG. Am 7. April 2004 veräußerte die Beklagte dann 50 % ihrer Kommanditanteile an der Stuttgarter Hofbräu Brau AG & Co. KG sowie einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem zugehörigen Brauereigrundstück an die Radeberger Gruppe AG. Dem Tatbestand lässt sich nicht aus-

B. Leitlinien ungeschriebener Hauptversammlungserfordernisse

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a) Rechtliche Kernaussagen Die kurze Begründung des Nichtannahmebeschlusses des BGH lautete im Kern wie folgt: „Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des RevGer. zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Ein Mediatisierungseffekt wie in den Fällen der so genannten ,Gelatine‘-Rechtsprechung […] – ist bei der hier vorliegenden Beteiligungsveräußerung nicht gegeben; die Grenze des § 179a AktG wird nach den revisionsrechtlich einwandfreien Feststellungen des BerGer. nicht überschritten.“238

b) Rezeption der Stuttgarter Hofbräu-Entscheidung Der Beschluss des BGH wurde in der Literatur im Ergebnis verschieden aufgenommen,239 hat aber insgesamt trotz seiner Bedeutung nur vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erfahren.240 Kritisiert wurde (zutreffenderweise), dass es der Relevanz der Thematik durchaus angemessen gewesen wäre, die Revision anzunehmen und nicht im Wege des Nichtzulassungsbeschlusses zu entscheiden.241 Der Beschluss wird von der wohl überwiegenden Zahl der Autoren dahingehend interpretiert, dass die Anwendung der Holzmüller-Grundsätze auf eine Beteiligungsveräußerung grundsätzlich nicht (mehr) möglich sei.242 Dieser Ansicht liegt drücklich entnehmen, was als Gegenleistung erbracht wurde. Offenbar handelte es sich aber um Barmittel, wie sich aus den Entscheidungsgründen, aus dem Kontext und aus externen Quellen ergibt. Gleichzeitig wurde eine Call- und Put-Option bezüglich der übrigen Kommanditanteile und Miteigentumsanteile an dem Grundstück sowie sämtlicher Anteile an der Stuttgarter Hofbräu Verwaltungs AG, der alleinigen Komplementärin der Stuttgarter Hofbräu Brau AG & Co. KG, vereinbart. Die Hauptversammlung wurde jedoch nicht wie angekündigt beteiligt. Die Firma der Beklagten wurde später unter Beteiligung der Hauptversammlung in SHB Stuttgarter Finanz- und Beteiligungs AG geändert. Die klagende Aktionärin beantragte daraufhin festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Zustimmung der Hauptversammlung zu dem streitgegenständlichen Vertragswerk einzuholen. Hilfsweise beantragte sie, die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarungen festzustellen. Die Klage hatte sowohl in der ersten Instanz, als auch in der Berufung vor dem OLG Stuttgart keinen Erfolg. 238 BGH, Beschl. v. 20. 11. 2006 – II ZR 226/05, NZG 2007, 234 („Stuttgarter Hofbräu“). 239 Zustimmend von Falkenhausen, ZIP 2007, 24; 26; Hasselbach/Flesner, WuB II A., § 179a AktG, 1.07 (2007), 278, 280; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 76 Rn. 63; ohne ersichtliche Wertung Hofmeister, NZG 2008, 47 ff.; Feldhaus, BB 2009, 562, 567; ablehnend aber Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 68. 240 So auch Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 35. 241 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 67; von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25. 242 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 42; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 76 Rn. 63; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 35; Drinhausen, in:

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

das Verständnis zu Grunde, dass der Mediatisierungseffekt für die Annahme eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses erforderlich ist und der BGH so zu verstehen sei, dass ein Mediatisierungseffekt bei der Beteiligungsveräußerung grundsätzlich nicht eintreten könne.243 Andere Stimmen argumentieren hingegen näher am Wortlaut der Entscheidung und wollen deren Aussage auf die „vorliegende Beteiligungsveräußerung“ beschränken.244 Teilweise wird ein Zustimmungserfordernis bei der Beteiligungsveräußerung auch trotz der Entscheidung des BGH noch für möglich gehalten; diese Ansicht basiert auf der Annahme, dass ein Mediatisierungseffekt nicht zwingende Voraussetzung für die Bejahung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses ist.245

III. Zusammenfassung und Stellungnahme Damit lässt sich zusammenfassend festhalten, dass der BGH durch die beschriebenen Leitentscheidungen das Recht der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse im Verlauf der letzten 30 Jahre immer wieder entscheidend geprägt und fortentwickelt hat. Insbesondere durch das aufsehenerregende HolzmüllerUrteil wurde diese vormals nur von bestimmten Autoren in der Literatur diskutierte Thematik zu einem zentralen Bestandteil der aktienrechtlichen Literatur, Rechtsprechung und Beratungspraxis. Die von der Literatur geforderte Präzisierung der Holzmüller-Grundsätze erfolgte zum Teil in den Gelatine-Urteilen, was von der Literatur wohlwollend aufgenommen wurde. Hierbei nahm der BGH insbesondere Stellung zur dogmatischen Herleitung, zum Mehrheitserfordernis, zum Mediati-

Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 21; von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25; Hofmeister, NZG 2008, 47, 50; Hasselbach/Flesner, WuB II A., § 179a AktG, 1.07 (2007), 279, 280; ebenso OLG Hamm, Urt. v. 19. 11. 2007 – 8 U 216/07, AG 2008, 421, 422 f. („Arcandor“). 243 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 42; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 76 Rn. 63; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 35; Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 21; Hofmeister, NZG 2008, 47, 50; so zu verstehen auch Weber, in: Hölters, AktG, 1. Aufl. (2011), § 76 Rn. 45; OLG Hamm, Urt. v. 19. 11. 2007 – 8 U 216/07, AG 2008, 421, 422 f. („Arcandor“); Hasselbach/Flesner, WuB II A., § 179a AktG, 1.07 (2007), 279, 280 (differenzierend aber für den Fall der Beteiligungsveräußerung gegen Gewährung von Anteilen an der Erwerberin). 244 Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30 f.; Feldhaus, BB 2009, 562, 567; vgl. darstellend Bungert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 34 Rn. 59; darstellend auch Hofmeister, NZG 2008, 47, 50 (der selbst aber anderer Ansicht ist). 245 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 68; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30g (plädierend auch für eine geringere Wesentlichkeitsschwelle von 50 – 55 % für diesen Fall); Hüffer, AktG, 10. Aufl. (2012), § 119 Rn. 18a; anders nun aber Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 22.

B. Leitlinien ungeschriebener Hauptversammlungserfordernisse

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sierungseffekt auch bei Verenkelungssachverhalten und zur restriktiven Handhabung der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse in quantitativer Hinsicht. Als einstweilig geklärt kann man daher jedenfalls die Kernpunkte der Holzmüller/ Gelatine-Rechtsprechung betrachten: (i) deren generelle Existenz bzw. deren Fortbestand, was unmittelbar nach Erlass des Holzmüller-Urteils keineswegs die zwangsläufig abzusehende Entwicklung war, (ii) das grundsätzliche Prüfungsschema bestehend aus qualitativen und quantitativen Kriterien (hierzu sogleich noch ausführlicher), (iii) das Mehrheitserfordernis bei der Beschlussfassung, (iv) die Rechtsfolgen bei Verletzung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses durch den Vorstand und (v) die Klagemöglichkeiten der Aktionäre.246 An diesem Befund hat sich auch durch die Entscheidungen in Macrotron, Stuttgarter Hofbräu und Frosta nichts geändert. Diese Kernpunkte sind der Arbeit daher bei den weiteren Betrachtungen zugrunde zu legen. Bemerkenswert ist ferner, dass der BGH bei der Ermittlung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses auf zwei verschiedenen Abstraktionsebenen operiert, was in der Literatur nicht immer vollständig reflektiert wird. Obersatzartig stellt er der Prüfung zunächst den abstrakten Prüfungsmaßstab voran, indem er betont, dass die in Rede stehende Maßnahme „tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen muss“247 bzw. „an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rühren und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entsprechen [muss], der allein durch Satzungsänderung herbeigeführt werden kann.“248 Dieser abstrakte Maßstab bietet indes kaum geeignete Ansatzpunkte für eine konkrete Subsumption. Auch der BGH selbst interpretiert diesen Maßstab daher nicht wörtlich. So finden sich weder Ausführungen dazu, wie die Vermögensinteressen der Aktionäre konkret beeinträchtigt werden müssen, noch dazu, wann eine Maßnahme mit solchen Maßnahmen vergleichbar ist, die durch Satzungsänderung herbeigeführt werden müssen. Letzteres würde ohnehin einen gewissen Widerspruch zur dogmatischen Herleitung darstellen, die gerade ausdrücklich nicht auf einer Analogie zu den gesetzlichen Hauptversammlungserfordernissen basiert.249 Auf zweiter Ebene wird der abstrakte Maßstab daher durch eine Aufteilung in kumulativ erforderliche qualitative und quantitative Kriterien zergliedert, wodurch eine Handhabbarkeit für die Subsumption entsteht. In qualitativer Hinsicht ist jedenfalls eine Maßnahme mit Mediatisierungseffekt geeignet, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszulösen. In quantitativer Hinsicht muss die Maßnahme Auswirkungen wie im Fall Holzmüller erreichen, was der BGH offenbar insbesondere anhand der in Gelatine I genannten Kennziffern von Bilanzsumme, 246 247 248 249

Siehe zu alldem auch Habersack, AG 2005, 137, 138. BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131 („Holzmüller“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 f. („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 42 f. („Gelatine I“).

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

Eigenkapital, Umsatz und Ergebnis vor Steuern bemessen will. Diese Kriterien bilden für die in Holzmüller und Gelatine bereits entschiedenen Fallkonstellationen der wirtschaftlichen Ausgliederung und der Verenkelung einen durchaus handhabbaren Maßstab zur Ermittlung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses, was zu hinreichender Rechtssicherheit in der Praxis führt. Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH allerdings bisher die vorliegend entscheidende Frage, bei welchen weiteren Maßnahmen es zu einem ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernis kommen kann.250 In Bezug auf die Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel hat er sich in Stuttgarter Hofbräu ablehnend geäußert.251 In Bezug auf den Beteiligungserwerb herrschte und herrscht allerdings nach wie vor Rechtsunsicherheit. Es wäre nun an dieser Stelle zu einfach, mit dem begrenzten Fokus gerichtet auf den Beteiligungserwerb deswegen Kritik an der Rechtsprechung des BGH zu üben und zu bemängeln, dass sich der BGH in den bisherigen Entscheidungen nicht auch zu der Zustimmungsbedürftigkeit eines Beteiligungserwerbs geäußert hat bzw. ausdrücklich allgemeingültige Kriterien zur Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses definiert hat. Bedenkt man, welches Echo die besprochenen Entscheidungen jeweils in der Literatur ausgelöst haben, so überrascht es wenig, dass der BGH sich, ohne hierzu konkret veranlasst gewesen zu sein, nicht zu weiteren in Betracht kommenden Maßnahmen geäußert hat, sondern seine Rechtsprechung behutsam auf Einzelfallbasis vorangetrieben hat. Mangels ausdrücklicher Positionierung des BGH zu der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit des Beteiligungserwerbs mussten sich die Literatur und die instanzgerichtliche Rechtsprechung bisher damit begnügen bzw. darin versuchen, die vom BGH entwickelten Grundsätze auf die Konstellation des Beteiligungserwerbs zu übertragen (hierzu sogleich unter C.). Da dieses Meinungsbild die Grundlage für die Entscheidungen im Fall Commerzbank/Dresdner Bank darstellte, ist dieses im folgenden Abschnitt darzustellen und insbesondere hinsichtlich der grundlegenden Auseinandersetzung mit der vorliegenden Problematik kritisch zu würdigen.

C. Kritische Würdigung des Meinungsbildes zum Beteiligungserwerb vor dem Fall Commerzbank/Dresdner Bank I. Bisheriges Meinungsbild in der Rechtsprechung Der Betrachtung des Meinungsbildes in der Rechtsprechung ist vorauszuschicken, dass wie bereits erwähnt bisher keine Entscheidung existierte, die in ihren tragenden Gründen ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Be250 251

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 („Gelatine I“). BGH, Beschl. v. 20. 11. 2006 – II ZR 226/05, NZG 2007, 234 („Stuttgarter Hofbräu“).

C. Meinungsbild vor dem Fall Commerzbank/Dresdner Bank

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teiligungserwerb bejahte. Dennoch begegneten in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung auch schon bisher Entscheidungen, die – obwohl sie andere Konstellationen betrafen – Äußerungen der Gerichte zu dieser Fragestellung beinhalteten. Die in der Folge dargestellten Entscheidungen des OLG Schleswig und des OLG Frankfurt a.M. betrafen zwar Konstellationen des Beteiligungserwerbs, verneinten allerdings jeweils ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis aus verschiedenen Gründen. 1. Urteil des LG Stuttgart vom 8. November 1991 In der Sache hatte das LG Stuttgart hier eine statutarische Ermächtigung an den Vorstand der Fa. Vereinigte Altenburger und Stralsunder Spielkarten-Fabriken AG zu beurteilen.252 Die Hauptversammlung hatte den Vorstand ermächtigt, „zu einem in der Zukunft liegenden, ihm geeignet erscheinenden Zeitpunkt“ nach der Zustimmung des Aufsichtsrats den Betrieb zur Herstellung und zum Vertrieb von Spielkarten und weiteren Erzeugnissen auf eine GmbH auszugliedern und die „Geschäftsanteile“ an dieser GmbH entsprechend dem hierzu geänderten Unternehmensgegenstand „zu betreiben“.253 Das LG Stuttgart gab einer gegen diese Ermächtigung erhobenen Nichtigkeitsklage mit dem Argument statt, eine derart weitreichende Ermächtigung sei mit der Grundstruktur der Aktiengesellschaft nicht vereinbar.254 Der Vorstand könne nämlich nun ohne Richtlinien oder Vorgaben mit dem Vermögen der Gesellschaft frei „schalten und walten“.255 Ein Eingriff in den Kernbereich des Unternehmens, wie hier durch die „Ausgliederung des eigentlichen Unternehmensgegenstandes“, aber auch die Verwaltung von Beteiligungen einschließlich ihres Erwerbes und ihrer Veräußerung, müsse aber der Hauptversammlung zur Entscheidung vorgelegt werden.256 Hierfür spreche auch, dass nach der Holzmüller-Entscheidung eine Verletzung der Pflicht, die Hauptversammlung zu befragen, keine Außenwirkung habe.257 Gerade deswegen müssten später irreparable Verletzungen bereits von vornherein verhindert werden und dürften nicht durch Satzungsänderungen schon vorprogrammiert werden.258 Das LG Stuttgart ging also, ohne dass dies vorliegend entscheidungserheblich war oder weiter begründet wurde, davon aus, dass auch ein Beteiligungserwerb der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf, wenn er einen Eingriff in den Kern252

LG Stuttgart, Urt. v. 8. 11. 1991 – 2 KfH O 135/91, AG 1992, 236. LG Stuttgart, Urt. v. 8. 11. 1991 – 2 KfH O 135/91, AG 1992, 236 (gemeint sein dürfte die Geschäftsanteile zu verwalten bzw. das Geschäft zu betreiben). 254 LG Stuttgart, Urt. v. 8. 11. 1991 – 2 KfH O 135/91, AG 1992, 236, 237. 255 LG Stuttgart, Urt. v. 8. 11. 1991 – 2 KfH O 135/91, AG 1992, 236, 237. 256 LG Stuttgart, Urt. v. 8. 11. 1991 – 2 KfH O 135/91, AG 1992, 236, 237 f. 257 LG Stuttgart, Urt. v. 8. 11. 1991 – 2 KfH O 135/91, AG 1992, 236, 238. 258 LG Stuttgart, Urt. v. 8. 11. 1991 – 2 KfH O 135/91, AG 1992, 236, 238. 253

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bereich des Unternehmens darstellt. Dies wurde zwar nicht ausdrücklich mit den Holzmüller-Grundsätzen begründet, die Bezugnahme auf das Urteil wenige Absätze später259 lässt jedoch den Rückschluss zu, dass das Gericht sich gerade hierauf beziehen wollte. 2. Urteil des LG Duisburg vom 27. Juni 2002 In dem der Entscheidung des LG Duisburg260 zu Grunde liegenden Sachverhalt hatte die Babcock Borsig AG die Veräußerung ihrer Beteiligung von 50 % plus einer Aktie an der HDW Howaldtswerke Deutsche Werft AG an Equity Partners bekanntgegeben. Hierbei sollten 25 % der Anteile sofort veräußert werden und auf den Erwerb der restlichen Anteile eine Option bestehen. Die Antragsteller erwirkten zunächst eine einstweilige Verfügung.261 Das LG Duisburg bejahte dann auch in dem kurz darauf ergangenen Urteil den Verfügungsanspruch, da für die vorliegende Maßnahme ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis gegeben gewesen sei.262 In der Literatur werde vertreten, dass auch bei der Veräußerung einer Beteiligung, deren Wert weniger als 50 % der Bilanzsumme des Konzerns ausmache, die Kompetenz der Hauptversammlung sich aus ihrem Recht ergeben könne, den Unternehmensgegenstand festzulegen, wobei insbesondere das charakteristische und gewachsene Bild der Gesellschaft zu berücksichtigen sei.263 Der Erwerb oder die Veräußerung einer Beteiligung sei dann der Hauptversammlung zur Entscheidung vorzulegen, wenn die Maßnahme den Kernbereich der Unternehmenstätigkeit betreffe und die Unternehmensstruktur von Grund auf ändere.264 Auch das LG Duisburg hielt somit einen Beteiligungserwerb für geeignet, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszulösen. Im Weiteren wurden dann zwar die Holzmüller-Grundsätze erörtert, wobei das Verhältnis zu dem vorangehenden Satz, namentlich die Bezugnahme auf das Recht zur Festlegung des Unternehmensgegenstands, unklar blieb. Das Gericht schien hier die Frage des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses mit derjenigen der faktischen Überschreitung des Unternehmensgegenstands zu vermischen. Die Überschreitung des Unternehmensgegenstands stellt allerdings, wie auch in den später ergangenen Gelatine-Urteilen sehr deutlich wird,265 eine von der Frage des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses zu differenzierende Problematik dar. 259 260 261 262 263 264 265

LG Stuttgart, Urt. v. 8. 11. 1991 – 2 KfH O 135/91, AG 1992, 236, 238. LG Duisburg, Urt. v. 27. 6. 2002 – 21 O 106/02, AG 2003, 390. LG Duisburg, Beschl. v. 29. 5. 2002 – 21 O 106/02, NZG 2002, 643. LG Duisburg, Urt. v. 27. 6. 2002 – 21 O 106/02, AG 2003, 390. LG Duisburg, Urt. v. 27. 6. 2002 – 21 O 106/02, AG 2003, 390, 391. LG Duisburg, Urt. v. 27. 6. 2002 – 21 O 106/02, AG 2003, 390, 391. BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 37 („Gelatine I“).

C. Meinungsbild vor dem Fall Commerzbank/Dresdner Bank

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3. Beschluss des OLG Frankfurt a.M. vom 15. Februar 2005 Das OLG Frankfurt a.M. hatte über eine spezielle Konstellation des Beteiligungserwerbs zu entscheiden.266 Der Antragsteller, ein ehemaliger Vorstand und mit mehr als 5 % am Grundkapital beteiligter Aktionär der Gesellschaft, hatte beim AG Marburg beantragt, ihn zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung zu ermächtigen, in der insgesamt über zehn Tagesordnungspunkte Beschluss gefasst werden sollte.267 Einer dieser Tagesordnungspunkte war die Geltendmachung von Ansprüchen auf Unterlassung gesellschaftsschädigender Maßnahmen durch Realisierung einer „Barkaufoption“ aus einem mit der C. GmbH geschlossenen Einbringungsvertrag.268 Die Gesellschaft hatte unter diesem Einbringungsvertrag die Wahlmöglichkeit, als Gegenleistung für die Einbringung von Aktien einer anderen Gesellschaft entweder neue, auf den Inhaber lautende Stückaktien aus einer bisher noch nicht erfolgten Kapitalerhöhung aus einem genehmigten Kapital gegen Sacheinlage zu gewähren oder die einzubringenden Aktien im Wege des Barkaufes zu einem näher bestimmten Kaufpreis zu erwerben.269 Das AG Marburg gab dem Antrag durch Beschluss vom 14. Oktober 2004 bezüglich eines anderen Tagesordnungspunktes statt und wies ihn im Übrigen zurück.270 Auf die sofortige Beschwerde beider Seiten hob das LG Marburg den Beschluss des AG Marburg dann mit Beschluss vom 22. Dezember 2004 wieder auf und wies den Antrag insgesamt zurück, wogegen sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde zum OLG Frankfurt a.M. wendet.271 Die Beschwerde hatte jedoch keinen Erfolg. Bezüglich der Ausübung der „Barkaufoption“ begründete das OLG Frankfurt a.M. dies damit, dass es sich hierbei um eine Maßnahme der Geschäftsführung handele, die nicht in die Beschlusskompetenz der Hauptversammlung falle, was sich insbesondere auch nicht aus den Holzmüller- bzw. Gelatine-Grundsätzen ergebe.272 Zunächst sei schon zweifelhaft, ob der in Rede stehende Erwerb einer Unternehmensbeteiligung auch zu einem ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernis führen könne, wenn dieser durch eine Konzernklausel gedeckt sei.273 Jedenfalls aber sei die im Holzmüller-Fall geforderte Größenordnung vorliegend nicht erfüllt und auch aufgrund der Komplexität der zu treffenden Abwägungsentscheidung zwischen

266

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15. 2. 2005 – 20 W 1/05, ZIP 2005, 1419. Dies ergibt sich aus OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15. 2. 2005 – 20 W 1/05, ZIP 2005, 1419. Die Entscheidungen des AG und LG Marburg ist nicht veröffentlicht. 268 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15. 2. 2005 – 20 W 1/05, ZIP 2005, 1419. 269 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15. 2. 2005 – 20 W 1/05, ZIP 2005, 1419. 270 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15. 2. 2005 – 20 W 1/05, ZIP 2005, 1419, 1420. 271 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15. 2. 2005 – 20 W 1/05, ZIP 2005, 1419, 1420. 272 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15. 2. 2005 – 20 W 1/05, ZIP 2005, 1419, 1421. 273 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15. 2. 2005 – 20 W 1/05, ZIP 2005, 1419, 1422. 267

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

der Ausübung der beiden Optionen sei eine Ermessensschrumpfung des Vorstands nicht anzuerkennen.274 Eine eindeutige Position hinsichtlich der grundsätzlichen Zustimmungsbedürftigkeit des Beteiligungserwerbs ist dem Beschluss des OLG Frankfurt a.M. somit noch nicht zu entnehmen, jedoch bereits eine klar ablehnende Tendenz. 4. Beschluss des OLG Frankfurt a.M. vom 21. Juni 2007 In diesem Fall des OLG Frankfurt a.M. versuchte eine Aktionärin der im Bereich der Mobilfunkleistungen tätigen Verfügungsbeklagten im Wege des einstweiligen Rechtschutzes den Erwerb weiterer Beteiligungen an einer anderen Mobilfunkgesellschaft zu verhindern.275 Die Verfügungsbeklagte hatte bereits mehrmals Aktien an der Zielgesellschaft erworben und vermeldet dann, nun 9,39 % bzw. später 10,37 % an dieser zu halten. Die Satzung der Verfügungsbeklagten enthielt auch eine entsprechende Konzernöffnungsklausel. Am 30. Oktober 2006 kam es dann zu einer Presseveröffentlichung, in der mitgeteilt wurde, dass die Verfügungsbeklagte beabsichtige, ihren Anteil an der Zielgesellschaft auf bis zu 20 % zu erhöhen.276 Die Verfügungsklägerin wandte sich gegen den Erwerb weiterer Anteile mit dem Argument, dass durch diesen fremdfinanzierten Erwerb die Gesellschaft von einem Telekommunikationsunternehmen in ein Finanzanlageunternehmen umgestaltet werde.277 Das Gericht lehnte den Erlass der einstweiligen Verfügung jedoch ab und verneinte sowohl einen Satzungsverstoß als auch ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis.278 Das Gericht schloss sich der Literaturauffassung an, die dem Beteiligungserwerb den Mediatisierungseffekt abspricht279 (hierzu sogleich noch unter C.II.1.). Insbesondere würden beim Beteiligungserwerb keine unternehmerischen Tätigkeiten dem Einflussbereich der Aktionäre entzogen, sondern es würden vielmehr noch solche hinzutreten.280 Nur für den Fall, dass Teile des operativen Geschäfts veräußert werden und stattdessen eine Beteiligung erworben wird, läge ein Fall vor, welcher der Ausgliederung entspreche.281

274 275 276 277 278 279 280 281

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15. 2. 2005 – 20 W 1/05, ZIP 2005, 1419, 1422. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21. 6. 2007 – 5 U 34/07, AG 2008, 862. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21. 6. 2007 – 5 U 34/07, AG 2008, 862, 863. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21. 6. 2007 – 5 U 34/07, AG 2008, 862, 863. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21. 6. 2007 – 5 U 34/07, AG 2008, 862, 863. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21. 6. 2007 – 5 U 34/07, AG 2008, 862, 864. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21. 6. 2007 – 5 U 34/07, AG 2008, 862, 864. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21. 6. 2007 – 5 U 34/07, AG 2008, 862, 864.

C. Meinungsbild vor dem Fall Commerzbank/Dresdner Bank

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5. Urteil des OLG Schleswig vom 10. März 2009 Das Urteil des OLG Schleswig betraf den Erwerb der debitel-Gruppe durch die freenet AG, wobei die Gegenleistung (offenbar) im Wesentlichen aus Anteilen aus einem genehmigten Kapital und teilweise aus Barmittlen bestand.282 Die Klägerin versuchte zunächst im einstweiligen Rechtschutz vor dem LG Kiel zu erreichen, die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung aus dem genehmigten Kapital zu verhindern, bis die Hauptversammlung der freenet AG die Zustimmung zum Erwerb der debitel Gruppe erteilt hatte.283 Nachdem das LG Kiel den Antrag zurückgewiesen und die Klägerin gegen das den Antrag zurückweisende Urteil Berufung eingelegt hatte, wurde die Kapitalerhöhung ins Handelsregister eingetragen, sodass der Streit im Wege der einseitigen Erledigterklärung weitergeführt wurde.284 Das OLG Schleswig wies auch hier die Klage ab, da es im Erwerb der Anteile der debitelGruppe keine Strukturmaßnahme nach der Holzmüller-Rechtsprechung des BGH erblickte.285 Es führte zunächst aus, dass nach der (aus seiner Sicht) herrschenden Auffassung Unternehmens- und Beteiligungserwerbe nicht der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit unterfallen.286 Hier führte das Gericht als ersten Beleg den soeben besprochenen Beschluss des OLG Frankfurt a.M. vom 15. Februar 2005 an,287 obwohl sich diesem wie gesehen eine eindeutige Stellungnahme gerade nicht entnehmen lässt. Der vorliegende Fall weise die Besonderheit auf, dass der Erwerb der Beteiligung im Wesentlichen aus einem genehmigten Kapital finanziert worden sei und dass die Hauptversammlung dem Erwerb der Beteiligung damit bereits mit satzungsändernder Mehrheit zugestimmt habe.288 Die Handlungsfreiheit des Vorstands bei der Ausnutzung des genehmigten Kapitals, die der BGH in mehreren Entscheidungen betont habe, werde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn der Vorstand nun erneut die Hauptversammlung befragen müsse.289 Außerdem lasse sich ein Mediatisierungseffekt vorliegend nicht feststellen; ein solcher sei nur gegeben, wenn der Zugriff auf das Vermögen und die Kontrolle über dessen Verwendung geschwächt werde, was vorliegend nicht der Fall sei.290 Im

282

OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900. OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 6 (Seitenzahlen im Folgenden zitiert nach Druckversion). 284 OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 6. 285 OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 6 f. 286 OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 6. 287 OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 6. 288 OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 6. 289 OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 7. 290 OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 7. 283

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

Übrigen habe sich auch die Unternehmensstruktur der Gesellschaft nicht von Grund auf verändert.291 Schließlich ergebe auch die Betrachtung der quantitativen Wesentlichkeit nichts anderes.292 Das Gericht befand es zunächst schon für zweifelhaft, ob im Lichte der neueren Rechtsprechung des BGH, namentlich dem Beschluss in Sachen Stuttgarter Hofbräu, die quantitative Komponente überhaupt noch maßgeblich sei oder ob es nicht vielmehr nur auf die Mediatisierung ankomme.293 Auch seien die quantitativen Voraussetzungen ohnehin nicht erfüllt.294 Zwischen den Parteien sei zwar streitig, in welchem Verhältnis die Unternehmenskennzahlen zueinander stünden; nach den Behauptungen der Beklagten lägen diese alle weit unter, nach den Behauptungen der Klägerin über 80 %.295 Bisher habe der erkennende Senat aber ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis erst dann bejaht, wenn das wirtschaftliche Volumen des abzuschließenden Vertrags die Bilanzsumme der eigenen Gesellschaft deutlich überschreite, was hier nach dem Vortrag beider Parteien nicht der Fall sei.296

II. Bisheriges Meinungsbild in der Literatur Etwas mehr Aufmerksamkeit als in der Rechtsprechung hat die vorliegende Fragestellung auch schon vor dem Fall Commerzbank/Dresdner Bank in der rechtswissenschaftlichen Literatur erfahren. Hierbei hielten sich die grundsätzlich ablehnenden Stimmen und die grundsätzlich befürwortenden Stimmen jedoch die Waage, sodass – anders als das OLG Schleswig dies behauptete297 – von einer herrschenden Auffassung nicht gesprochen werden konnte. Zu einem Überblick über das bisherige Meinungsbild, welcher an dieser Stelle insbesondere erforderlich ist, um den Hintergrund der Rechtsprechung des LG und OLG Frankfurt a.M. im Fall Commerzbank/Dresdner Bank zu erhellen, wird das Meinungsspektrum hier zunächst hinsichtlich grundsätzlicher Ablehnung (hierzu unter 1.) und grundsätzlicher Zustimmung (hierzu unter 2.) sowie der wesentlichen Argumentationslinien geordnet und im Rahmen der kritischen Würdigung insbesondere auf grundlegende Punkte eingegangen. Um Wiederholungen zu vermeiden, findet eine ausführlichere Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ansichten, dem zugrundeliegenden Verständnis der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung sowie den einzelnen Argumenten – auch unter weiterer Berücksichtigung der

291 292 293 294 295 296 297

OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 7. OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 7. OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 7. OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 7. OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 7. OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 7. OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 7.

C. Meinungsbild vor dem Fall Commerzbank/Dresdner Bank

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Stellungnahmen in Folge der Rechtsprechung im Fall Commerzbank/Dresdner Bank – dann im Rahmen der detaillierten Analyse in Teil 3 der Arbeit statt. 1. Grundsätzlich ablehnende Stimmen Die ablehnenden Stimmen298 führten bezogen auf die Konstellation des Beteiligungserwerbs gegen Barmittel hauptsächlich das Argument ins Feld, ein Beteiligungserwerb sei nicht geeignet, einen Mediatisierungseffekt auszulösen.299 Die Verlagerung von Barmitteln in die Beteiligung sei zwar eine Verlagerung von Wirtschaftspotential,300 es werde dem Einfluss der Aktionäre – anders als im Falle der Ausgliederung – aber keine bereits bestehende „unternehmerische Substanz“ bzw. „unternehmerische Aktivität“ entzogen.301 Auch werde durch eine Verlagerung von Barmitteln das Gewinnverwendungsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft nicht beeinträchtigt, da ein Gewinnanspruch nur nach Maßgabe des Gewinnverwendungsbeschlusses auf Basis des festgestellten Bilanzgewinns bestehe; hiervon seien in der Beteiligung gegebenenfalls thesaurierte Gewinne aber schon nicht erfasst.302 Teilweise wurde – dem ähnlich – die Ablehnung auch damit begründet, dass ein Mediatisierungseffekt zwar vorliege, dennoch aber keine Zustimmungsbedürftigkeit gegeben sei,303 da sich die Mediatisierung hier „nur“ auf die liquiden Mittel der Gesellschaft beziehe und diese Form der Mediatisierung weniger gravierend sei.304 298

Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 3. Aufl. (2007), § 69 Rn. 10; Reichert, in: Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. (2009), § 5 Rn. 32; MarschBarner, in: Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. (2009), § 31 Rn. 34; Reger, in: Bürgers/ Körber, AktG, 1. Aufl. (2008), § 119 Rn. 17; Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 72; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1577; Götze, NZG 2004, 585, 588; Wagner, DStR 2004, 141, 146; Renner, NZG 2002, 1091, 1092 ff.; Busch, AG 2002, 145, 148; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 183; Groß, AG 1994, 266, 273 ff.; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1109; vorsichtiger Bungert, BB 2004, 1345, 1351 (keine „zwingenden Schlussfolgerungen“ aus Rechtsprechung des BGH zu ziehen). 299 Marsch-Barner, in: Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. (2009), § 31 Rn. 34; Bungert, BB 2004, 1345, 1350; Götze, NZG 2004, 585, 588, Fn. 39; Wagner, DStR 2004, 141, 142 f.; Renner, NZG 2002, 1091, 1092 f.; Groß, AG 1994, 266, 275; Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 1. Aufl. (2008), § 119 Rn. 17. 300 Wagner, DStR 2004, 141, 143. 301 Reichert, AG 2005, 150, 156 f.; Renner, NZG 2002, 1091, 1092; Wagner, DStR 2004, 141, 143; ähnlich Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze (1980), S. 142. 302 Renner, NZG 2002, 1091, 1093; Wagner, DStR 2004, 141, 143 f.; Groß, AG 1994, 266, 273. 303 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2004), § 119 Rn. 67; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 3. Aufl. (2007), § 69 Rn. 10; Reichert, AG 2005, 150, 156 f.; ders., in: Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. (2009), § 5 Rn. 32; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1109; ähnlich Arnold, ZIP 2005, 1573, 1577; Götze, NZG 2004, 585, 588, Fn. 39. 304 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2004), § 119 Rn. 67 (Mediatisierung der Beteiligungsrechte „nach einem Beteiligungserwerb dieselbe wie nach einer Ausgliederung“, aber „keine allgemeine Mittelverwendungskontrolle“); Krieger, in: Münchener Hand-

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

Bei einem Beteiligungserwerb handele es sich um eine Frage der Mittelverwendung, für welche die Hauptversammlung nicht zuständig sei.305 Nichts anderes gelte bei einer Fremdfinanzierung.306 Es wurde sogar argumentiert, dass durch den Beteiligungserwerb gerade neue Vermögensgegenstände dem Einfluss der Aktionäre unterstellt würden.307 In einem erfreulich differenzierten Beitrag ging Hofmeister auch bereits auf verschiedene Konstellationen des Anteilstauschs ein, wobei er hier einen Mediatisierungseffekt grundsätzlich verneinte, es sei denn, dass im Gegenzug Anteile an einer Holding-Gesellschaft erworben würde, da in diesem Fall Vermögen auf eine tiefere hierarchische Ebene verlagert werde.308 Soweit auch schon Beteiligungserwerbe gegen Anteile der Erwerberin angesprochen wurden, wurde meist ohne weitere Begründung davon ausgegangen, dass die Mitwirkung der Hauptversammlung bei der Schaffung dieser Anteile genüge und daneben kein weiteres Hauptversammlungserfordernis nötig sei.309 Teilweise wurde es bei einem Beteiligungserwerb unter Ausnutzung eines genehmigten Kapitals aber auch als unklar bezeichnet, wie sich die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze zur Ausnutzung des genehmigten Kapitals verhalten.310 2. Grundsätzlich befürwortende Stimmen Die grundsätzlich befürwortenden Stimmen311 stellten hauptsächlich darauf ab, dass auch durch einen Beteiligungserwerb ein Mediatisierungseffekt ausgelöst buch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 3. Aufl. (2007), § 69 Rn. 10 (Mediatisierung finde beim „reinen Bargeschäft nicht in vergleichbarer Weise“ statt); Arnold, ZIP 2005, 1573, 1577 („Diese Form der Mediatisierung ist aber nicht unbedingt mit der vom BGH beschriebenen Mediatisierung“ zu vergleichen.); Reichert, AG 2005, 150, 156 f. 305 So als Vertreter der letztgenannten Ansicht: Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2004), § 119 Rn. 67; im Übrigen ebenso: Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 1. Aufl. (2008), § 119 Rn. 17; Bungert, BB 2004, 1345, 1350; Wagner, DStR 2004, 141, 143; Renner, NZG 2002, 1091, 1093; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 183; Groß, AG 1994, 266, 273; Ebenroth/ Daum, DB 1991, 1105, 1109. 306 Renner, NZG 2002, 1091, 1093; Wagner, DStR 2004, 141, 143; Groß, AG 1994, 266, 274. 307 Speziell zur Fremdfinanzierung Wagner, DStR 2004, 141, 143; allgemein Renner, NZG 2002, 1091, 1092; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1109. 308 Hofmeister, NZG 2008, 47, 51. 309 Wagner, DStR 2004, 141, 143; Renner, NZG 2002, 1091, 1093; Götze, NZG 2004, 585, 588, Fn. 39; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1109; Aha, BB 2001, 2225, 2231. 310 Hirte, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2001), § 202 Rn. 162 („Nicht ganz klar“). 311 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. (2008), Vor § 311 Rn. 42; ders., AG 2005, 137, 144; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 1. Aufl. (2008), § 119 Rn. 33; ders., in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2008), § 76 Rn. 39; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2005), § 202 Rn. 56; Semler, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 3. Aufl. (2007), § 34 Rn. 38; Pentz, in:

C. Meinungsbild vor dem Fall Commerzbank/Dresdner Bank

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werden könne.312 Meist wurde hier wiederum nur der grundlegende Fall des Erwerbs einer Beteiligung gegen Barmittel betrachtet. Häufig fand sich das Argument, es könne keinen Unterschied machen, ob die Gesellschaft vorhandene „unternehmerische Substanz“ bzw. „unternehmerische Aktivität“ oder liquide Mittel in eine Beteiligung verlagere.313 Entscheidend sei, dass im Ergebnis Gesellschaftsmittel dem unmittelbaren Einfluss der Aktionäre entzogen werden und sich nun in der Tochtergesellschaft befinden.314 Insbesondere würden den Aktionären der Obergesellschaft aufgrund der Möglichkeit des Vorstands in der Tochtergesellschaft Gewinne zu thesaurieren hierdurch dividendenfähige Gewinne entzogen.315 Auch bestehe die Gefahr einer Subventionierung der außenstehenden Aktionäre der erworbenen Tochtergesellschaft, wenn diese gegen eine Einlageleistung erworben wird, welche den Anteilswert übersteigt.316 Teilweise wurde die Möglichkeit eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses auch für außergewöhnliche Leitungsmaßnahmen317 bzw. quantitativ extreme Sonderfälle bejaht.318 Dem nahestehend wurde der Grund für die Zustimmungsbedürftigkeit teilweise auch darin gesehen, dass es, auch unabhängig von Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 17 Rn. 165; Hofmeister, NZG 2008, 47, 50 f.; Goette, AG 2006, 522, 527; Adolff/Adolff, in: Festschrift für Mailänder (2006), S. 289, 298; Liebscher, ZGR 2005, 1, 23 f.; Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 229; Zimmermann/Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 155; Wagner, Ungeschriebene Kompetenzen der Hauptversammlung (2006), S. 302; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung (1986), S. 181; Lutter, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 825, 854; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 806; Geßler, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 771, 786 f.; ohne klare Positionierung Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 548 f. 312 Habersack, AG 2005, 137, 144, dort insbes. Fn. 62 („Die tragenden Erwägungen der ,Holzmüller‘-Entscheidung […] lassen sich denn auch ohne jede Einschränkung auf den Beteiligungserwerb übertragen.“); Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2008), § 76 Rn. 39; ders., in: Schmidt/Lutter, AktG, 1. Aufl. (2008), § 119 Rn. 33; Hofmeister, NZG 2008, 47, 50 f.; Goette, AG 2006, 522, 527; Liebscher, ZGR 2005, 1, 23 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 371; so zu verstehen auch Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2005), § 202 Rn. 56; Zimmermann/ Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 155. 313 Hofmeister, NZG 2008, 47, 50 f.; Pentz, in: Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 17 Rn. 165; Liebscher, ZGR 2005, 1, 24; Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 229; Zimmermann/Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 155; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 363 f., 371; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung (1986), S. 163 f. 314 Siehe nochmals Fn. 313. 315 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2008), § 76 Rn. 39; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. (2008), Vor § 311 Rn. 42, 34; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 371 f. 316 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. (2008), Vor § 311 Rn. 34. 317 Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279, 289 f. 318 Semler, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 3. Aufl. (2007), § 34 Rn. 38 („nur in extremen Sonderfällen“); Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 806.

90

Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

einem Mediatisierungseffekt, zu einer wesentlichen Veränderung der Unternehmensstruktur durch die Umwidmung des investierten Kapitals und oft auch zu einer wesentlichen Veränderung der Kapitalstruktur komme.319 Von manchen Stimmen wurde betreffend den Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin davon ausgegangen, dass jedenfalls bei Ausnutzung eines genehmigten Kapitals im Einzelfall die bereits erteilte Zustimmung nicht ausreichen könne, um ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszuschließen.320 Namentlich Bayer ging davon aus, dass auch bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals bei einem Überschreiten der Holzmüller-Schwelle der Erwerbsvorgang den Aktionären zur Entscheidung vorgelegt werden müsse.321 Es sei „geradezu widersinnig“, die Verwaltung bei der Ausnutzung des genehmigten Kapitals gegenüber „normalen“ Holzmüller-Fällen zu privilegieren, da nicht nur ein kompetenzrechtlicher Eingriff in die Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre vorliege, sondern die Altaktionäre teilweise aus ihren Herrschafts- und Vermögensrechten verdrängt würden.322

III. Zusammenfassung und Stellungnahme Insgesamt wird deutlich, dass es vor dem Fall Commerzbank/Dresdner Bank an einer ausreichend differenzierten Beschäftigung mit der vorliegenden Problematik noch fehlte. Die Situation des Beteiligungserwerbs gegen Barmittel wurde bereits recht ausführlich besprochen; es wurde überraschenderweise – soweit erkennbar außer von Habersack323 – allerdings nicht versucht, eine allgemeine Definition des zentralen Begriffs des Mediatisierungseffekts zu erarbeiten bzw. die vom BGH entwickelten Grundsätze zum Mediatisierungseffekt konsequent auf den Beteiligungserwerb anzuwenden. Auf eine Gegenleistung in Anteilen der Erwerberin wurde wenn überhaupt nur kurz und meist noch nicht sehr differenziert eingegangen.324 Die praktisch wichtige Konstellation eines Beteiligungserwerbs gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin wurde in der Literatur, soweit erkennbar, noch nicht angesprochen. Eine Be-

319

Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 1. Aufl. (2007), § 119 Rn. 30. Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2005), § 202 Rn. 57; Happ, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 175, 184 f. (bei Ausnutzung zu „fusionsähnlichen Sachverhalten“); Hirte, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2001), § 202 Rn. 162 (bei Begründung einer „qualifiziert faktischen Abhängigkeit“); Cahn, ZHR (163) 1999, 554, 581 f. (z. B. bei Ausnutzung des gesamten genehmigten Kapitals zur „Finanzierung einer fusionsähnlichen Umstrukturierung“). 321 Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2005), § 202 Rn. 57. 322 Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2005), § 202 Rn. 57. 323 Habersack, AG 2005, 137, 145. 324 Ausführlicher, wie gesehen, schon Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2005), § 202 Rn. 57; Hofmeister, NZG 2008, 47, 51. 320

D. Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank

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schäftigung mit der Anwendung der relevanten quantitativen Kriterien auf den Beteiligungserwerb fand ebenfalls kaum statt.325 In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung fand weder eine intensive Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BGH, noch mit dem Stand der Diskussion in der Literatur statt. Wie gesehen wurde ein Zustimmungserfordernis teils ohne nähere Begründung befürwortet oder abgelehnt. Einzig das OLG Schleswig326 setzte sich bereits in gewinnbringender Tiefe mit der vorliegenden Fragestellung auseinander. Mag man auch bezüglich der Antworten im Einzelnen teilweise anderer Meinung sein, so adressierte das Gericht doch jedenfalls bereits einige der maßgeblichen Fragen, die auch im weiteren Verlauf dieser Arbeit von Relevanz sein werden (siehe zu den wichtigsten Fragen unter D.II.4. am Ende). Insbesondere leidet aber auch das Urteil des OLG Schleswig daran, dass es an den entscheidenden Stellen zu undifferenziert ist. So wird das Fehlen des Mediatisierungseffekts lediglich behauptet und nicht begründet. Weiterhin werden auch zentrale Aussagen getroffen, die mit der Rechtsprechung des BGH nicht vereinbar sind. Insbesondere ist nicht recht nachvollziehbar, wieso sich die Anwendung des quantitativen Elements überholt haben sollte oder woraus sich ergibt, dass das Transaktionsvolumen die Bilanzsumme der eigenen Gesellschaft deutlich überschreiten muss. Zusammenfassend konnte dem bisherigen Meinungsbild in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur keine überwiegende Tendenz hinsichtlich der Existenz und Ermittlung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb entnommen werden. Während die Entscheidungen der Instanzgerichte in der Summe eine eher ablehnende Tendenz aufwiesen, hielten sich die befürwortenden und die ablehnenden Stimmen in der Literatur die Waage. Auch soweit die Existenz eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses grundsätzlich befürwortet wurde, war die Auseinandersetzung mit der Problematik meist noch nicht sehr ausdifferenziert. Insbesondere fehlte es auch seitens der Befürworter an einer ausführlichen Analyse der verschiedenen denkbaren Konstellationen des Beteiligungserwerbs und an der konsequenten Entwicklung eines belastbaren Prüfungsmaßstabs zur Ermittlung des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses vor allem in quantitativer Hinsicht.

D. Der Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank In diese Phase der noch nicht sehr ausdifferenzierten Beschäftigung mit der Problematik fiel dann der Beteiligungserwerb der Commerzbank Aktiengesellschaft 325

Ansätze bei Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1109 (mit dem Hinweis, dass es an einer objektiv bestimmten Grenze fehle); Wagner, DStR 2004, 141, 145 (Erwerb außerhalb des bisherigen Kernbereichs; erstmalige operative Tätigkeit auf Ebene einer Tochtergesellschaft). 326 OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900.

92

Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

(im Folgenden „Commerzbank“) an der Dresdner Bank Aktiengesellschaft (im Folgenden „Dresdner Bank“) (hierzu unter I.) und die darauf folgenden gerichtlichen Entscheidungen (hierzu unter II.).

I. Sachverhalt327 1. Ursprünglich geplante Transaktionsstruktur Am 31. August 2008 gab die Commerzbank durch eine Ad-hoc-Mitteilung bekannt, dass sie die Dresdner Bank von der Allianz SE (im Folgenden „Allianz“) für insgesamt ca. EUR 8,82 Mrd. übernehmen werde.328 Die Transaktion sollte spätestens bis Ende 2009 abgeschlossen sein. Die Transaktion sollte sich in zwei Schritten vollziehen. Im ersten Schritt sollte die Commerzbank bis spätestens Anfang 2009 mindestens 60,2 % der Aktien an der Dresdner Bank von der Allianz erwerben. Hierfür sollte die Allianz rund 163,5 Mio. junge Aktien an der Commerzbank aus genehmigtem Kapital erhalten und damit eine Beteiligung von rund 18,4 %. Der Wert der Aktien sollte ca. EUR 3,4 Mrd. betragen. Weiterhin sollte die Commerzbank rund EUR 1,565 Mrd. in bar bezahlen. Zusätzlich sollte ein Betrag von maximal EUR 975 Mio. für einen Trust zur Risikoabdeckung spezieller forderungsbesicherter Wertpapiere (asset-backed securities) der Dresdner Bank gezahlt werden und die Commerzbank sollten die mit ca. EUR 700 Mio. bewertete „cominvest-Gruppe“329, die einen wesentlichen Teil ihrer Asset Management Aktivitäten betrieb, an die Allianz übertragen. In einem zweiten Schritt sollte die Dresdner Bank dann mit Zustimmung der Aktionäre der Commerzbank auf die Commerzbank verschmolzen werden, die auf diesem Wege auch die restlichen 39,8 % an der Dresdner Bank übernehmen sollte. Im Gegenzug sollte die Allianz ca. 151 Mio. Aktien an der Commerzbank im Wert von rund EUR 3,15 Mrd. erhalten. Die Beteiligungsquote der Allianz an der Commerzbank sollte damit letztlich knapp 30 % betragen. Der genaue Wortlaut der Vereinbarung vom 31. August 2008 wurde zu keinem Zeitpunkt bekanntgegeben. Eine Zustimmung der Hauptversammlung der Commerzbank zu der Vereinbarung vom 31. August 2008 wurde nicht eingeholt. Die 327

Zum Sachverhalt LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 1 ff., juris („Commerzbank/Dresdner Bank“); OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 1 ff., juris („Commerzbank/Dresdner Bank“), hier insbesondere Rz. 154 zu den Bestandteilen der Gegenleistung; siehe außerdem die im Folgenden weiter zitierten Quellen, insbesondere die Ad-hoc-Mitteilungen der Commerzbank. 328 Siehe Ad-hoc-Mitteilung der Commerzbank vom 31. August 2008. 329 Der Geschäftsbericht 2009 der Commerzbank, S. 150 spricht von der Veräußerung der „cominvest-Gruppe“. Laut einer Präsentation der Commerzbank vom 27. November 2008 handelte es sich dabei um die cominvest AM GmbH, cominvest S.A., Münchener KAG und MK Lux Invest S.A.

D. Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank

93

Satzung der Commerzbank enthielt im Übrigen in § 2 Abs. 2 eine übliche Konzernöffnungsklausel. 2. Graphische Darstellung Graphisch stellte sich die geplante Transaktionsstruktur damit folgendermaßen dar. a) Ausgangslage Vereinbarung vom 31.08.2008

Commerzbank AG

Allianz SE

ca. EUR 8,82 Mrd. 100% Aktien Dresdner Bank

100 %

Dresdner Bank AG

b) Schritt 1 der Transaktion 18,4 % ca. EUR 5,66 Mrd.

Commerzbank AG

• 163,5 Mio. Aktien Commerzbank (Wert ca. EUR. 3,4 Mrd.) • EUR 1,565 Mrd. in bar • C-GmbH (Wert ca. EUR 0,7 Mrd.)

Allianz SE

60,2% Aktien Dresdner Bank 39,8 % 60,2 %

Dresdner Bank AG

94

Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

c) Schritt 2 der Transaktion ca. 30 %

ca. 151 Mio. Aktien Commerzbank (Wert ca. EUR 3,15 Mrd.)

Commerzbank AG

Verschmelzung nach §§ 13, 65 UmwG

Allianz SE

Beschluss der HV der Commerzbank

Dresdner Bank AG

3. Änderung der Transaktionsstruktur Im Zuge der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 kam es bekanntermaßen zu einer globalen Finanzkrise. Der Deutsche Bundestag beschloss als Reaktion hierauf die Einführung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (FMStG), das am 18. Oktober 2008 in Kraft trat, und dessen zentrales Instrument der Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) darstellte. Durch Ad-hoc-Mitteilung vom 3. November 2008 teilte die Commerzbank mit, dass sie staatliche Finanzhilfen durch den SoFFin in Anspruch nehmen werde.330 Der SoFFin sollte eine stille Einlage über EUR 8,2 Mrd. gewähren, die jährlich mit 9 % verzinst werden sollte. Die stille Einlage sollte vollständig auf die Kernkapitalquote („Tier 1“) angerechnet werden, wodurch diese auf ca. 10 % ansteigen sollte. Die Einlage sollte später zum Nominalwert zurückgezahlt werden. Weiterhin sollte der SoFFin eine Garantie für Schuldverschreibungen der Commerzbank-Gruppe über EUR 15 Mrd. einräumen. Die geplante Vereinbarung mit dem SoFFin schrieb außerdem eine Aussetzung der Dividende für die Jahre 2009 und 2010 vor.331 Am 27. November 2008 teilte die Dresdner Bank mit, dass sie ihren für 2008 geschätzten Verlust für das 2. Quartal auf EUR 2 Mrd. und für das 3. Quartal auf EUR 1,3 Mrd. (später dann für das 2. Halbjahr 2008 insgesamt auf EUR 4,7 Mrd.) korrigieren müsse. Ebenfalls am 27. November 2008 veröffentlichte die Commerzbank eine Ad-hocMitteilung über eine Vereinbarung mit der Allianz, welche die Vereinbarung vom 31. August 2008 hinsichtlich des zweiten Schritts der Transaktion modifizierte.332 330

Siehe Ad-hoc-Mitteilung der Commerzbank vom 3. November 2008. Zum Abschluss einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung kam es dann am 19. Dezember 2008. 332 Siehe Ad-hoc-Mitteilung der Commerzbank vom 27. November 2008. 331

D. Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank

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Demnach sollte die Commerzbank die restlichen Aktien an der Dresdner Bank in Höhe von 39,8 % bereits im Januar 2009 und im Wesentlichen gegen Zahlung von EUR 1,4 Mrd. in bar erwerben.333 Sodann sollte die dann hundertprozentige Tochtergesellschaft Dresdner Bank ohne Zustimmung der Hauptversammlung der Commerzbank auf Letztere verschmolzen werden, wodurch die für Anfang 2009 vorgesehene Verschmelzungshauptversammlung der Commerzbank entfallen sollte. Kurz nach der Vereinbarung vom 27. November 2008 wurde mit dem SoFFin Mitte Dezember 2008 abgestimmt, dass dieser der Commerzbank zusätzlich zu der bereits in November 2008 vereinbarten stillen Einlage in Höhe von EUR 8,2 Mrd. nach der Übernahme eine zweite Tranche an Eigenkapital in Höhe von ca. EUR 10 Mrd. zur Verfügung stellen sollte, damit diese auch nach der Übernahme der Dresdner Bank eine Kernkapitalquote („Tier 1“) von etwa 10 % erreicht. Die zweite Beihilfe sollte dadurch erbracht werden, dass der SoFFin im Rahmen einer Kapitalerhöhung ca. 295 Mio. Stammaktien zum Preis von EUR 6 pro Stück – in der Summe somit ca. EUR 1,77 Mrd. – an der Commerzbank und damit eine Beteiligung in Höhe von 25 % plus einer Aktie erhält und der Commerzbank eine weitere stille Einlage in Höhe von EUR 8,2 Mrd. gewährt, deren Bedingungen sich an den Bedingungen der stillen Einlage vom November 2008 orientieren sollten.334 Die Übernahme der Dresdner Bank wurde in der vorstehend geschilderten Weise am 12. Januar 2009 vollzogen. Seit dem 12. Januar 2009 war die Commerzbank somit alleinige Eigentümerin der Dresdner Bank. Mit Verschmelzungsvertrag vom 27. März 2009 erfolgte dann eine Konzernverschmelzung der Dresdner Bank auf die Commerzbank nach § 62 UmwG, welche eine Zustimmung der Hauptversammlung der Commerzbank nicht voraussetzte. Zuvor hatte am 7. Mai 2009 die EU-Kommission die zweite Beihilfe335 durch den SoFFin unter anderem unter der Auflage genehmigt, dass die Commerzbank (i) ihre Bilanzsumme auf EUR 600 Mrd. reduziert, (ii) keine Zukäufe in den kommenden drei Jahren vornimmt und (iii) ihre Tochtergesellschaft Eurohypo AG veräußert.

333 Weitere EUR 250 Mio. sollten zur Abgeltung des Verzichts der Allianz auf die Risikoabdeckung der asset-backed securities gezahlt werden. 334 Siehe Ad-hoc-Mitteilung der Commerzbank vom 8. Januar 2009. 335 Am 3. Juni 2009 wurde der Vertrag über die zweite stille Einlage geschlossen.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

4. Graphische Darstellung a) Erste Tranche der staatlichen Hilfsmaßnahmen SoFFin 1. stille Einlage EUR 8,2 Mrd.

Vereinbarung vom 27.11.2008

Commerzbank AG

Allianz SE

ca. EUR 4,87 Mrd. 100% Aktien Dresdner Bank

100 %

Dresdner Bank AG

b) Vollzug der Transaktion SoFFin 1. stille Einlage EUR 8,2 Mrd. ca. EUR 4,87 Mrd.

Commerzbank AG

• 163,5 Mio. Aktien Commerzbank (Wert ca. EUR 1,2 Mrd.) • EUR 2,97 Mrd. in bar • C-GmbH (Wert ca. EUR 0,7 Mrd.)

100% Aktien Dresdner Bank 100 %

Dresdner Bank AG

Allianz SE

D. Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank

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c) Konzernverschmelzung SoFFin ca. 18,4 %

1. stille Einlage EUR 8,2 Mrd.

Commerzbank AG

Verschmelzung nach § 62 UmwG

Allianz SE

Kein Beschluss der HV der Commerzbank

Dresdner Bank AG

d) Zweite Tranche der staatlichen Hilfsmaßnahmen SoFFin 1. stille Einlage EUR 8,2 Mrd. 2. stille Einlage EUR 8,2 Mrd.

25% + 1 Aktie (EUR 1,77 Mrd.)

Commerzbank AG

ca. 14 %

Allianz SE

5. Ablauf der Hauptversammlung und Einleitung des Gerichtsprozesses Auf der ordentlichen Hauptversammlung der Commerzbank vom 15. Mai 2009 wurde unter TOP 10 das Kapital der Gesellschaft gegen Bareinlage unter Bezugsrechtsausschluss nach § 7 FMStBG erhöht, um die Aktien für die Beteiligung des SoFFin zu schaffen; unter TOP 2 und TOP 3 wurden die Entlastungsbeschlüsse für Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2008 gefasst, gegen welche die Kläger Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage zum LG Frankfurt a.M. erhoben. Die Kläger argumentierten, der Vorstand der Commerzbank habe beim Erwerb der Dresdner Bank seine kaufmännischen Sorgfaltspflichten nicht beachtet. Die Übernahme habe keine reine Geschäftsführungsmaßnahme dargestellt, vielmehr habe eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit bestanden. Ein möglicher Rücktritt vom Vertrag sei pflichtwidrig unterlassen worden.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

II. Gerichtliche Entscheidungen 1. Urteil des LG Frankfurt a.M. vom 15. Dezember 2009 Das LG Frankfurt a.M. hat mit Urteil vom 15. Dezember 2009 der Anfechtungsklage gegen die Beschlüsse zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat der Commerzbank stattgegeben.336 Das Gericht begründete dies damit, dass für den Erwerb der Dresdner Bank durch die Commerzbank ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis bestanden habe.337 Da der Beteiligungserwerb an der Dresdner Bank aber allein durch den Vorstand und mit der Billigung des Aufsichtsrats stattgefunden habe, liege eine Gesetzes- bzw. Satzungsverletzung vor, die zu einer Anfechtbarkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse gemäß § 243 AktG führe.338 a) Rechtliche Kernaussagen aa) Entwicklung des Prüfungsmaßstabs339 Das Gericht führte zunächst aus, dass bei der Untersuchung einer ungeschriebenen Zuständigkeit der Hauptversammlung darauf abzustellen sei, ob „tief in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingegriffen werde“ oder ob „wichtige Grundlagenentscheidungen getroffen werden, die sich auf die eigene Rechtsstellung (der Aktionäre) nachhaltig auswirken können.“340 Es nahm damit Bezug auf die beiden Kernaussagen der Holzmüller- und Gelatine-Urteile. Ob eine Maßnahme derart tiefgreifende Auswirkungen habe, sei dann im Wege einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln. Hierbei sei entscheidend, ob es durch den Beteiligungserwerb vorhersehbar zu einer wesentlichen Veränderung der Unternehmensstruktur komme. Diese sei dann gegeben, wenn es zu einer erheblichen Änderung der Kapitalstruktur, insbesondere einer Erhöhung des Verschuldungsgrads komme. Hingegen sei, unabhängig davon ob ein Beteiligungserwerb zu einem solchen führen könne, ein Mediatisierungseffekt nicht der ausschließliche Grund, der die Annahme eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses rechtfertigen könne. 336

LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, juris („Commerzbank/Dresdner Bank“); vgl. zu weiteren Fundstellennachweisen nochmals Teil 1 Fn. 17. 337 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 84, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 338 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 84, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 339 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 85 – 89, juris („Commerzbank/Dresdner Bank“). 340 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 85, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“).

D. Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank

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bb) Anknüpfungspunkt der Zustimmungsbedürftigkeit341 Als Anknüpfungspunkt der Zustimmungsbedürftigkeit sah das Gericht den Erwerb der Dresdner Bank in seiner tatsächlich durchgeführten Form, also entsprechend der geänderten Transaktionsstruktur nach der Vereinbarung vom 27. November 2008. Dahinstehen könne daher, ob ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auch schon auf Grundlage der ursprünglich geplanten Transaktionsstruktur entsprechend der Vereinbarung vom 29. August 2008 bestanden habe. Hiernach hätte die Hauptversammlung der Commerzbank zwar „nur“ nach § 13 UmwG der Verschmelzung zustimmen müssen und nicht dem vorangegangenen Erwerb der Anteile an der Dresdner Bank. Allerdings hätte die Hauptversammlung hierdurch immerhin entscheiden können, ob sich die ungünstige Kapitalstruktur der Dresdner Bank (durch die Verschmelzung) unmittelbar auf den Verschuldungsgrad der Commerzbank auswirken sollte. cc) Qualitatives Kriterium: wesentliche Veränderung der Unternehmensstruktur342 Der Erwerb der Dresdner Bank durch die Commerzbank habe in der Gesamtschau zu einer wesentlichen Veränderung der Unternehmensstruktur der Commerzbank geführt, da sich hierdurch die Kapitalstruktur wesentlich verändert habe und insbesondere eine Erhöhung des Verschuldungsgrads eingetreten sei. Dies sei auch am 27. November 2008, also zu dem Zeitpunkt der Änderung der Transaktionsstruktur, absehbar gewesen. Aufgrund der Erhöhung des Verschuldungsgrades habe die Commerzbank (erneut) staatliche Hilfen durch den SoFFin in Anspruch nehmen müssen, mit der Folge, dass (i) der SoFFin Großaktionär der Commerzbank wurde, (ii) die Auflagen der EU-Kommission (insbesondere der Verkauf der Eurohypo AG) umzusetzen sind, (iii) die Commerzbank aufgrund der Vorschriften des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes und der Begleitgesetze Vorgaben betreffend die Geschäftspolitik beachten muss und (iv) die Ausschüttung von Dividenden unzulässig ist. Am 27. November 2008 seien die Auflagen der EUKommission zwar noch nicht absehbar gewesen, allerdings sei absehbar gewesen, dass die Eigenkapitalstruktur der Commerzbank durch die Verschmelzung erheblich beeinträchtigt würde. Da bereits am 3. November 2008 zur Stärkung des Eigenkapitals die erste stille Einlage des SoFFin in Anspruch genommen werden musste, habe es auf der Hand gelegen, dass nach der Übernahme der Dresdner Bank weitere Maßnahmen zur Erhöhung des Eigenkapitals durch den SoFFin notwendig werden würden. Auch die unmittelbare Beteiligung des SoFFin an der Commerzbank – mit 25 % plus einer Aktie – sei damit hinreichend erkennbar gewesen. Ohne Belang sei in 341

LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 90 f., juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 342 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 92 – 98 f., juris („Commerzbank/Dresdner Bank“).

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

diesem Zusammenhang, dass zur Beteiligung des SoFFin eine eigenständige Beschlussfassung der Hauptversammlung nach §§ 7, 7a Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (FMStBG) erfolgt sei. Weiterhin stellte das Gericht maßgeblich auf die Einflussmöglichkeiten des SoFFin ab, die sich – über die Ausübung von Aktionärsrechten hinaus – aus den Sondergesetzen zur Finanzmarktstabilisierung ergeben.343 Deshalb bestehe eine Sachlage, die mit einer ebenfalls die Zustimmung der Hauptversammlung erfordernden Eingliederung nach §§ 319 ff. AktG oder einem Beherrschungsvertrag nach § 291 Abs. 1 AktG vergleichbar sei. dd) Quantitatives Kriterium: vorliegend unerheblich344 Auf die Quote der Werte der Commerzbank und der Dresdner Bank – also auf eine Prüfung quantitativer Kriterien – käme es bei den dargelegten Gesamtumständen wegen der einschneidenden Änderung der Unternehmensstruktur der Commerzbank letztlich nicht an. ee) Keine Berufung auf satzungsmäßige Konzernklausel345 Zu keiner anderen Beurteilung würde die Tatsache führen, dass die Satzung der Commerzbank eine Konzernöffnungsklausel beinhaltete. Es komme nicht darauf an, ob die Satzung den Erwerb von Unternehmen generell gestatte. Vielmehr sei entscheidend, ob (im Einzelfall) eine Maßnahme vorliege, die tief in die mitgliedschaftlichen Rechte der Aktionäre eingreife und damit einer Satzungsänderung nahe komme.

343 Durch die Abgabe einer Verpflichtungserklärung der geschäftsführungsberechtigten Organe des Unternehmens nach § 5 Abs. 8 Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung (FMStFV) a.F. i.V.m. § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 9 Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG) sei der Vorstand nach § 2 Abs. 1 FMStBG gebunden. Der SoFFin habe somit nach § 5 Abs. 8 FMStV die Möglichkeit erhalten, Einfluss auf die Geschäftsentwicklung der Commerzbank zu nehmen, insbesondere die Erfüllung von Bedingungen für die Stabilisierungsmaßnahmen nach § 5 Abs. 2 FMStFV durch Vertrag, Verwaltungsakt und Nebenbestimmungen oder durch Verpflichtungserklärungen sicherzustellen. Der SoFFin könne insbesondere gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 FMStFV darauf hinwirken, dass mit besonderem Risiko verbundene Geschäfte oder Geschäfte in bestimmten Produkten oder Märkten reduziert oder aufgegeben werden. 344 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 99, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 345 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 100, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“).

D. Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank

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ff) Keine Berufung auf Zustimmung zur Schaffung des genehmigten Kapitals346 Ebenfalls kein anderes Ergebnis ergebe sich daraus, dass der Erwerb teilweise mithilfe von Aktien aus genehmigtem Kapital nach §§ 202 ff. AktG erfolgt sei, an deren Schaffung die Hauptversammlung bereits beteiligt war. Eine Genehmigung des Erwerbs der Dresdner Bank läge darin nicht. Bei einer solchen Entscheidung der Hauptversammlung gehe es nur um die grundsätzliche Möglichkeit der Schaffung eines genehmigten Kapitals, gegebenenfalls auch zum Erwerb von Beteiligungen, aber nicht um den erfolgten Erwerb in seiner konkreten Form, also insbesondere die sich anschließende Verschmelzung und den Einstieg des SoFFin. Dies sei nicht mehr von der Beschlussfassung zur Ermächtigung des Vorstands zur Schaffung des genehmigten Kapitals gedeckt. gg) „Durchschlagen“ der Anfechtbarkeit auf den Aufsichtsrat347 Aus der Anfechtbarkeit der Entlastung der Vorstandsmitglieder ergebe sich schließlich auch die Anfechtbarkeit der Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder. Da der Aufsichtsrat nach § 111 AktG zur Überwachung des Vorstands berufen sei, hätte ihm die Verpflichtung oblegen, den Vorstand dahingehend zu überwachen, ob dieser seine rechtlichen Pflichten zur erforderlichen Einholung einer Zustimmung der Hauptversammlung für den Erwerb der Dresdner Bank nachkomme. b) Rezeption des Urteils des LG Frankfurt a.M. vom 15. Dezember 2009 Das Urteil des LG Frankfurt a.M. hat in der Literatur fast einhellige Kritik ausgelöst.348 Insbesondere wurde die fehlende Anknüpfung an quantitative Bezugsgrößen bemängelt; auch wenn dies teilweise aufgrund des Einzelfalles für (noch) verständlich gehalten wurde, wurde ein derartiges Vorgehen mit Blick auf die

346 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 101, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 347 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 102, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 348 Kritische Stellungnahmen bei Ehmann, GWR 2010, 89; Wagner, BB 2010, 980, 985 („Hoffnung, dass das Urteil keinen Bestand haben wird“); Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2010, 177 („zahlreiche[n] Angriffspunkte“); Lorenz/Pospiech, DB 2010, 1925; Wilsing/ Goslar, EWiR § 119 AktG 1/10, 201 („stark einzelfallgetrieben“; zu hoffen, dass das Urteil keinen Bestand haben wird); Gubitz/Nikoleyczik, NZG 2010, 539, 542 („von der Begründung als auch vom Ergebnis angreifbar“); Nordhues, DB0348686; Staake, WuB II A., § 119 AktG, 1.10 (2010), 399 ff.; im Ergebnis positiv dann aber Hüffer, AktG, 10. Aufl. (2012), § 119 Rn. 18a; Spindler, in: Festschrift für Goette (2011), S. 513, 518 f.; Priester, AG 2011, 654, 659; vor allem aber Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30a ff. (dessen Ansatz das LG gefolgt war).

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

Rechtssicherheit zutreffenderweise geschlossen abgelehnt.349 Weiterhin wurde teilweise die fehlende Befassung mit der BGH-Rechtsprechung kritisiert und hierbei insbesondere die getroffene Aussage hinsichtlich der Entbehrlichkeit des Mediatisierungseffekts.350 Außerdem wurde teilweise in Bezug auf den Einzelfall kritisiert, dass eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Änderungsvereinbarung vom 27. November 2008 jedenfalls nur dann in Betracht gekommen wäre, wenn sicher festgestanden hätte, dass der Einstieg des SoFFin ohne deren Abschluss vermieden worden wäre.351 Zwar aus Anlass der Entscheidung des LG Frankfurt a.M., jedoch von ihrem Inhalt weitgehend losgelöst, analysierte Decher die Problematik des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb.352 Er differenzierte in seinem bemerkenswerten Beitrag erstmals in erfreulicher Tiefe zwischen verschiedenen denkbaren Konstellationen des Beteiligungserwerbs, auf welche auch noch im Laufe dieser Arbeit eingegangen wird. Decher verneinte die Notwendigkeit eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses allerdings im Ergebnis und widersprach somit auch dem Urteil des LG Frankfurt a.M.353 2. Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 17. Dezember 2010 Das OLG Frankfurt a.M. wies dann mit Urteil vom 17. Dezember 2010354 auf die Berufung der Beklagten hin die Klagen ab und verneinte hierbei das Vorliegen eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses für den Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank.355

349 Lorenz/Pospiech, DB 2010, 1925, 1929; Ehmann, GWR 2010, 89 („gefährlicher Weg“); Wagner, BB 2010, 980, 984 („als Richtschnur“ für die Praxis zweifelhaft); Wilsing/Goslar, EWiR § 119 AktG 1/10, 201, 202 (Abstellen auf „weiche Kriterien“ sei „[ä]ußert bedenklich“); Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2010, 177; Staake, WuB II A., § 119 AktG, 1.10 (2010), 399, 400. 350 Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2010, 177; Staake, WuB II A., § 119 AktG, 1.10 (2010), 399, 401 f. 351 Gubitz/Nikoleyczik, NZG 2010, 539, 542. 352 Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261. 353 Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 273 f. 354 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, juris („Commerzbank/Dresdner Bank“); vgl. zu weiteren Fundstellennachweisen nochmals Teil 1 Fn. 21. 355 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 59, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“).

D. Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank

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a) Rechtliche Kernaussagen aa) Entwicklung des Prüfungsmaßstabs356 Zunächst entwickelte das Gericht, ebenso wie das LG Frankfurt a.M., den anzulegenden Prüfungsmaßstab. Dabei stellte es zunächst klar, – worauf das LG Frankfurt a.M. nicht eingegangen war – dass die Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses wegen eines inhaltlichen Mangels einen eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß voraussetzt.357 Ein solcher habe vorliegend jedoch mangels eines Mitwirkungsrechts der Hauptversammlung der Commerzbank nicht bestanden. Entscheidend für die Bejahung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses sei es, dass die Maßnahme qualitativ so „tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreife, dass diese Auswirkungen an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreichen.“358 Quantitativ müsse die Maßnahme nach ihrer Bedeutung für die Gesellschaft ähnliche Ausmaße erreichen wie die Ausgliederung im Fall Holzmüller. bb) Vorstandsautonome Maßnahme wegen Konzernöffnungsklausel359 Der Beteiligungserwerb an der Dresdner Bank gehörte aber nach Auffassung des Gerichts360 zu den vorstandsautonomen Geschäftsführungsangelegenheiten, da die Satzung der Commerzbank in § 2 Abs. 2 S. 2 eine Konzernöffnungsklausel enthielt. Dies führe dazu, dass die Beklagte, also die Commerzbank (konkret hätte hier wohl auf den Vorstand abgestellt werden sollen), zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt sei, die geeignet sind, den Gesellschaftszweck zu fördern, was insbesondere auch durch den Erwerb von Beteiligungen möglich sei.

356 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 56 – 60, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 357 Gerade dieser Umstand sollte dann später bei der Entscheidung des BGH die zentrale Rolle spielen; siehe BGH, Beschl. v. 7. 2. 2012 – II ZR 253/10, NZG 2012, 347 („Commerzbank/Dresdner Bank“); hierzu sogleich noch ausführlicher. 358 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 60, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 359 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 64 – 67, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 360 Siehe zu dieser Ansicht des OLG Frankfurt a.M. auch schon OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21. 6. 2007 – 5 U 34/07, AG 2008, 862.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

cc) Maßgeblichkeit eines Mediatisierungseffekts kann dahinstehen361 Der BGH habe sich dazu, wann der beschriebene Maßstab für eine Zustimmungsbedürftigkeit bei einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen erfüllt sei, nicht abschließend geäußert, habe dies aber jedenfalls für solche Maßnahmen bejaht, denen ein Mediatisierungseffekt zukommt. Nicht zutreffend sei daher die Annahme des LG Frankfurt a.M., dass sich der Rechtsprechung des BGH entnehmen lasse, dass die Mediatisierung nicht der ausschließlich rechtfertigende Grund für ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis sei und dass daher im Falle des vorliegenden Beteiligungserwerbs unabhängig davon, ob ein Beteiligungserwerb zu einer Mediatisierung führe, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis gegeben sein könne. Offen bleiben könne aber – da es sich wegen der Konzernöffnungsklausel um eine vorstandsautonome Maßnahme gehandelt habe – die Frage, ob der BGH sich mit seinem Beschluss vom 20. November 2006362 dahingehend festgelegt habe, dass qualitativ nur solche Geschäftsführungsmaßnahmen, die einen Mediatisierungseffekt auslösen, zu einem ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernis führen können und ob ein solcher Mediatisierungseffekt beim Beteiligungserwerb denknotwendig ausscheidet. dd) Hilfsweise: qualitative und quantitative Kriterien nicht erfüllt (1) Qualitative Kriterien nicht erfüllt363 In der Folge prüfte das Gericht dann aber, etwas unübersichtlich direkt nach der eben dargestellten Aussage über die Wirkung der Konzernöffnungsklausel, doch noch hilfsweise, ob ein Beteiligungserwerb generell zu einem Mediatisierungseffekt führen kann und ob dies vorliegend der Fall war. Es treffe zu, dass die Aktionäre nach Vollzug eines Beteiligungserwerbs keinen unmittelbaren Zugriff auf die dividendenfähigen Gewinne des Beteiligungsunternehmens hätten; ein der Ausgliederung vergleichbarer Fall liege aber nur dann vor, wenn Teile des operativen Geschäfts veräußert würden und stattdessen eine Beteiligung erworben werde. Denn während bei der Ausgliederung bereits vorhandene „unternehmerische Aktivitäten“ dem Einflussbereich der Hauptversammlung entzogen würden (was zu einer Mediatisierung führe), würden beim Beteiligungserwerb „unternehmerische Aktivitäten“ hinzutreten. Die weitere Gefahr einer Vermögensverlagerung für den Fall, dass die Anteile über Wert erworben werden, sei allerdings das wirtschaftliche Risiko des Beteiligungserwerbs und unterscheide sich nicht von 361

OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 62 f., juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 362 BGH, Beschl. v. 20. 11. 2006 – II ZR 226/05, NZG 2007, 234 („Stuttgarter Hofbräu“). 363 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 66, 69, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“).

D. Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank

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sonstigen Investitionsentscheidungen, sei also mithin eine reine Frage der Mittelverwendung. Aufgrund der Verschmelzung der Dresdner Bank auf die Commerzbank könne sich der Einfluss der Aktionäre der Commerzbank nicht verringert haben. Die Verschmelzung sei sowohl nach der ursprünglich geplanten Transaktionsstruktur als auch nach der geänderten Transaktionsstruktur vorgesehen gewesen und es mache auch keinen Unterschied, dass die Verschmelzung letztlich als Konzernverschmelzung durchgeführt worden sei. (2) Quantitative Kriterien nicht erfüllt364 Wenn der Beteiligungserwerb schon qualitativ nicht die Voraussetzungen für ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis erfülle, sei es auch ohne Bedeutung, ob die Maßnahme quantitativ ein Ausmaß wie in der Holzmüller-Entscheidung erreicht habe. Im Übrigen sei das quantitative Erfordernis im vorliegenden Fall aber auch ohnehin nicht erfüllt. Ins Verhältnis zu setzen seien richtigerweise die Größenverhältnisse des erworbenen Unternehmens, also der Dresdner Bank, zum hypothetisch gedachten Gesamtunternehmen nach dem Erwerb, also der Commerzbank plus der Dresdner Bank. Nur dies werde dem Gedanken der Mediatisierung gerecht. Mit „Unternehmen“ ist hier offenbar jeweils der Konzern gemeint, wie die folgenden Ausführungen deutlich zeigen. Das Gericht zog namentlich in der Folge die Bilanzsumme, den Ertragswert, die Anzahl der Mitarbeiter, das Kreditvolumen und das bilanzierte Eigenkapital heran und verglich jeweils die Konzernzahlen der Dresdner Bank mit den Zahlen des zukünftigen Gesamtkonzerns, wobei sich keine Überschreitung der Schwellenwerte ergab.365 Keine Veränderung des Maßstabs des quantitativen Kriteriums ergebe sich weiterhin daraus, dass die Dresdner Bank zum Zeitpunkt des Vollzuges der Transaktion 364 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 72 – 84, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 365 Die Pro-forma-Bilanzsumme der Commerzbank habe unter Einschluss der Dresdner Bank zum 12. Januar 2009 rund EUR 1.045 Mrd. betragen. Hierbei seien auf die Dresdner Bank EUR 421 Mrd., also rund 40 %, entfallen. Der Ertragswert der Dresdner Bank habe sich zum Ertragswert der Commerzbank laut einem von Deloitte & Touche erstellten Bewertungsgutachten vom 29. August 2008 in einer Bandbreite von 35,1:64,9 bis 37,1:62,9 verhalten, sodass der Ertragswert der Dresdner Bank deutlich niedrigen gewesen sei als derjenige der Commerzbank und somit auch keinen überwiegenden Teil des Ertragswerts des Gesamtkonzerns ausgemacht habe. Die Commerzbank habe im Jahr 2008 durchschnittlich 39.239 Mitarbeiter beschäftigt, die Dresdner Bank 28.957, sodass die Zahl der Mitarbeiter der Dresdner Bank im Gesamtkonzern rund 42 % betrage. Das Kreditvolumen der Commerzbank habe zum 31. Dezember 2008 rund EUR 313,7 Mrd. betragen, das der Dresdner Bank rund EUR 105,1 Mrd. und somit ca. 24,7 % des Kreditvolumens des Gesamtkonzerns. Das bilanzierte Eigenkapital der Commerzbank habe zum 31. Dezember 2008 rund EUR 19,9 Mrd. betragen, das der Dresdner Bank rund EUR 4,5 Mrd. und somit ca. 18 % des bilanzierten Eigenkapitals des Gesamtkonzerns.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

wertlos oder mit einem negativen Wert behaftet gewesen sei. Nicht zutreffend sei es, das „bereinigte“ Eigenkapital der Commerzbank von EUR 11,7 Mrd. mit der Summe des Kaufpreises (EUR 8,8 Mrd.), der Kapitalerhöhung bei der Dresdner Bank durch die Commerzbank (EUR 4 Mrd.) und den Geldern des SoFFin (EUR 18,2 Mrd.) zu vergleichen. Auch könnten die formalen Quoten nicht schon deswegen außer Betracht bleiben, weil die Bilanzsumme der Dresdner Bank zu derjenigen der Commerzbank am 31. Dezember 2008 knapp 70 % ausgemacht habe. ee) Kein anderes Ergebnis im Wege einer „Gesamtbetrachtung“366 Auch wenn mehrere Einzelmaßnahmen, die zu einer Mediatisierung der Aktionärsrechte führen, ihren Auswirkungen nach zusammengerechnet werden müssten, wenn zwischen ihnen ein zeitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, so ergebe sich auch aus dieser Zusammenrechnung vorliegend keine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit. (1) Unbeachtliche Kriterien im Rahmen der Gesamtbetrachtung367 Irrelevant im Rahmen einer Gesamtbetrachtung seien Faktoren, die auch einzeln nicht geeignet seien, zu einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit zu führen. Das LG Frankfurt a.M. habe jedoch eine Gesamtbetrachtung auch für solche Maßnahmen angestellt, die einzeln betrachtet keine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit begründen könnten und dies auch in ihrer Gesamtheit nicht vermocht hätten. Unter diesem Obersatz prüfte das Gericht in der Folge nacheinander mehrere von den Klägern vorgetragene Argumente und Argumente des LG Frankfurt a.M., wobei einige der Aspekte nicht mit einer Gesamtbetrachtung im engeren Sinne zusammenhingen.368

366 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 92 – 106, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 367 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 85 – 91, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 368 So sei es irrelevant für die Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses, dass die Commerzbank durch die Verschmelzung eine Erhöhung des Bestands bestimmter (toxischer) Wertpapiere erfahren habe, da hierdurch eine Mediatisierung nicht eintreten könne. Auch das Argument, der Vorstand der Commerzbank habe bei der Vereinbarung der Transaktion am 31. August 2008 nicht darauf vertrauen können, dass die Beklagte in der Lage sein würde, die Übernahme der Dresdner Bank aus eigener Kraft zu bewältigen, sei unerheblich, da es sich weder auf ein qualitatives noch auf ein quantitatives Merkmal beziehe. Auch sei der Zusammenbruch einer systemrelevanten Bank wie Lehman Brothers zu diesem Zeitpunkt gemeinhin nicht für möglich gehalten worden.

D. Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank

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(2) Kein Zustimmungserfordernis wegen Veränderung der Unternehmensstruktur369 Unrichtig sei die Argumentation des LG Frankfurt a.M., dass sich das Zustimmungserfordernis aus der Veränderung der Unternehmensstruktur der Commerzbank, namentlich der Veränderung der Kapitalstruktur durch eine wesentliche Veränderung des Verschuldungsgrades, ergebe. Zweifelhaft sei, ob das Zustimmungserfordernis für die Vereinbarung vom 29. August 2008 dahinstehen könne, da die Hauptversammlung nach der ursprünglich geplanten Transaktionsstruktur nach § 13 Abs. 1 UmwG der Verschmelzung hätte zustimmen müssen. Durch diese Zustimmung wäre der Erwerb von ca. 60 % der Aktien an der Dresdner Bank im ersten Schritt nämlich nicht mehr zu verhindern gewesen, wodurch die Zustimmung zu dem zweiten Schritt den Aktionären hätte „abgenötigt“ werden können. Die Änderungsvereinbarung vom 27. November 2008 sei nicht zustimmungspflichtig, da sie „nur“ den Erwerb von ca. 40 % der Anteile an der Dresdner Bank betroffen habe, aber schon der Erwerb von 100 % der Anteile im konkreten Fall qualitativ und quantitativ nicht zustimmungspflichtig gewesen wäre. Außerdem sei durch die Änderungsvereinbarung der Kaufpreis herabgesetzt und damit seien die Auswirkungen für die Commerzbank abgeschwächt worden. Auch auf den nachfolgenden Einstieg des SoFFin könne für die Zustimmungsbedürftigkeit nicht abgestellt werden. Maßgeblich sei für die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit der Zeitpunkt des 31. August 2008, da der Vorstand seine Entscheidungen betreffend die Leitung und Geschäftsführung der Gesellschaft nur unter Berücksichtigung der Umstände treffen konnte, die zu diesem Zeitpunkt auch bekannt oder absehbar waren. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Transaktionsvertrags am 31. August 2008 habe aber weder der SoFFin existiert, noch hatte die Insolvenz von Lehman Brothers stattgefunden. Schließlich ergebe sich auch aus den stillen Einlagen des SoFFin keine Zustimmungsbedürftigkeit, da nach § 15 Abs. 1 S. 2 FMStBG eine stille Beteiligung des SoFFin gerade keiner Zustimmung bedürfe. Der Kapitalerhöhung, die zu der Beteiligung des SoFFin von 25 % plus einer Aktie führte, habe die Hauptversammlung aber im Übrigen zugestimmt. b) Rezeption des Urteils des OLG Frankfurt a.M. vom 17. Dezember 2010 Die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. wurde in der Literatur positiver aufgenommen als die des LG Frankfurt a.M.370 Vor allem im Ergebnis wurde begrüßt, 369

OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 92 – 106, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 370 Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 93 („verdient im Ergebnis Zustimmung“); Krause, BB 2011, 403, 404; Mackensen, GWR 2011, 11; Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2011, 48, 49 („Ergebnis des OLG überzeugt“); Bodenbrenner/Grewe, Der Konzern 2011, 547; im Ergebnis ablehnend Lutter, ZIP 2012, 351; Priester, AG 2011, 654, 659.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

dass die durch das Urteil des LG Frankfurt a.M. drohende Rechtsunsicherheit beseitigt worden sei.371 Kritischer wurde hingegen die weitreichende Interpretation der Wirkung der Konzernöffnungsklausel gesehen.372 Unterschiedlich beurteilt wurde der in quantitativer Hinsicht angestellte Vergleich zwischen den Parametern des erworbenen Unternehmens und denen des hypothetischen Gesamtunternehmens (zu verstehen jeweils im Sinne des Konzerns) nach dem Erwerb. Nach einer Auffassung werde so der Bezug zu Beteiligungsveräußerungen und Ausgliederungen hergestellt, bei denen „unstreitig“ die kombinierte Einheit dem auszugliedernden bzw. zu veräußernden Teil gegenüberzustellen sei.373 Anderenfalls würde dieselbe Beteiligung nach anderen Maßstäben beurteilt, wenn diese zunächst erworben und dann wieder veräußert werde.374 Nach anderer Auffassung sei hingegen das erwerbende Unternehmen als Bezugsgröße maßgeblich.375 Zutreffend wurde an dieser Stelle erstmals, namentlich von Hüffer, angesprochen, dass beim Beteiligungserwerb als Ansatzpunkt für die quantitative Bemessung die abfließenden Mittel der Gesellschaft in Betracht zu ziehen sind.376 Lutter befürwortete im Fall Commerzbank/Dresdner Bank ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis, da es sich um eine Strukturmaßnahme von grundlegendem Charakter gehandelt habe.377 3. Beschluss des BGH vom 7. Februar 2012 Mit Beschluss vom 7. Februar 2012 wies der BGH die von den Klägern erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 7. Dezember 2010 zurück.378 Nach Ansicht des BGH war keiner der erforderlichen Gründe für die Zulassung der Revision gegeben. So habe der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordere die Fortbildung des

371 Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 93; Krause, BB 2011, 403, 404; Mackensen, GWR 2011, 11. 372 Priester, AG 2011, 654, 660; Hüffer, WuB II A., § 119 AktG, 1.11 (2011), 201, 203; Bodenbrenner/Grewe, Der Konzern 2011, 547, 550; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30b; andere Ansicht Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 93 f. 373 Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 93. 374 Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 93. 375 Priester, AG 2011, 654, 661. 376 Hüffer, WuB II A., § 119 AktG, 1.11 (2011), 201, 204 („[d]ie Holzmüller-Schwelle von 75 % oder 80 % müsste also, wenn sie auch hier passen sollte, auf die abließenden Eigenmittel […] bezogen werden“; mangels hinreichender Feststellungen der Gerichte hierzu könne die quantitative Beurteilung allerdings nicht abschließend vorgenommen werden). 377 Lutter, ZIP 2012, 351 („Wenn je die Hauptversammlung aufgerufen war, dann hier.“); ähnlich auch Priester, AG 2011, 654, 659 („Umschlagen von Quantität in Qualität“, auch wenn Größenkriterien nicht erreicht sind). 378 BGH, Beschl. v. 7. 2. 2012 – II ZR 253/10, NZG 2012, 347 („Commerzbank/Dresdner Bank“); siehe zu weiteren Fundstellen nochmals Teil 1 Fn. 25.

D. Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank

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Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung in der Revision.379 a) Rechtliche Kernaussagen Der BGH sah die Klage gegen die Entlastungsbeschlüsse als unbegründet an, da in der unterlassenen Mitwirkung der Hauptversammlung jedenfalls kein eindeutiger Gesetzesverstoß durch den Vorstand und den Aufsichtsrat zu sehen sei.380 Die Entlastung stehe grundsätzlich im Ermessen der Hauptversammlung, welches erst bei einem eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß von Vorstand und Aufsichtsrat überschritten sei.381 Da aber „umstritten und nicht geklärt“382 sei, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungserwerb zu einer ungeschriebenen, auf einer richterlichen Rechtsfortbildung beruhenden Hauptversammlungszuständigkeit führt, hätten sich der Vorstand und der Aufsichtsrat der Commerzbank nicht über eine zweifelsfreie Gesetzeslage hinweggesetzt, als sie die Zustimmung der Hauptversammlung zum Erwerb der Dresdner Bank nicht einholten.383 Von einer weiteren Begründung sah der BGH nach § 544 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 ZPO ab. b) Rezeption des Beschlusses des BGH vom 7. Februar 2012 Trotz seiner Wichtigkeit, wohl aber vor allem wegen seiner Ergebnisoffenheit, hat der Beschluss des BGH wenig Aufmerksamkeit im Schrifttum erfahren. Erste Befassungen aus der Literatur ließen zunächst einige Zeit auf sich warten und referierten die Entscheidung dann nur kurz.384 Positive Impulse lieferte dann die Besprechung von Wilhelm, mit begrüßenswerten Aussagen hinsichtlich der Mediatisierungswirkung von Beteiligungserwerben und dem Referenzpunkt des quantitativen Erfordernisses beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel, namentlich den abfließenden Mittel.385 Insgesamt wurde die Entscheidung des BGH in der Literatur für nachvollziehbar erachtet.386 379 BGH, Beschl. v. 7. 2. 2012 – II ZR 253/10, NZG 2012, 347 („Commerzbank/Dresdner Bank“). 380 BGH, Beschl. v. 7. 2. 2012 – II ZR 253/10, NZG 2012, 347 („Commerzbank/Dresdner Bank“). 381 BGH, Beschl. v. 7. 2. 2012 – II ZR 253/10, NZG 2012, 347 („Commerzbank/Dresdner Bank“). 382 BGH, Beschl. v. 7. 2. 2012 – II ZR 253/10, NZG 2012, 347 („Commerzbank/Dresdner Bank“). 383 BGH, Beschl. v. 7. 2. 2012 – II ZR 253/10, NZG 2012, 347 („Commerzbank/Dresdner Bank“). 384 Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2012, 240; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 42. 385 Wilhelm, WuB II A., § 120 AktG, 1.12 (2012), 351, 354.

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

4. Zusammenfassung und Stellungnahme Dem LG Frankfurt a.M. ist zunächst zugutezuhalten, dass es sich um die Ermittlung eines konkreten Prüfungsmaßstabs zur Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb bemüht hat. Obwohl das Gericht eingangs noch die Leitsätze der BGH-Rechtsprechung rezitiert, setzt es sich allerdings in der Folge teilweise in Widerspruch zu diesen. Insbesondere hält sich das LG Frankfurt a.M. auf konkreter Subsumptionsebene nicht an den in der BGH-Rechtsprechung entwickelten Prüfungsmaßstab bestehend aus qualitativen und quantitativen Kriterien. So ist die Aussage, dass es auf einen Mediatisierungseffekt nach der Rechtsprechung des BGH nicht zwingend ankomme, – wie in der Folge noch zu zeigen sein wird – jedenfalls äußert zweifelhaft. Die Aussage, dass es auf quantitative Kriterien aufgrund des speziellen Einzelfalles nicht ankomme, erscheint hingegen schwer vertretbar und befördert in der Tat die Rechtsunsicherheit. Stattdessen wendet das LG Frankfurt a.M. einen eigenen, dogmatisch wenig fundierten Prüfungsmaßstab an, der offensichtlich ausschließlich auf der Kommentierung von Hoffmann basiert387 und auch ansonsten in dieser Form, soweit ersichtlich, nicht vertreten wird. Entscheidend sei demnach eine wesentliche Änderung der Unternehmensstruktur und hierfür wiederum (i) eine wesentliche Veränderung der Kapitalstruktur, insbesondere des Verschuldungsgrads und/oder (ii) eine wesentliche Änderung der Leitungsstruktur der Gesellschaft. Das Urteil des LG Frankfurt a.M. ist daher zu Recht als überraschend bezeichnet worden. In Anbetracht der vorangegangenen Diskussion über die Zustimmungsbedürftigkeit eines Beteiligungserwerbs und insbesondere auch mit Blick auf die Öffentlichkeitswirksamkeit des Falles, hätte man eine dogmatisch intensivere Befassung mit der Thematik erwarten dürfen. Stattdessen hat sich das Gericht sehr stark von den Besonderheiten des Einzelfalles leiten lassen und sich weit von der Rechtsprechung des BGH entfernt, weswegen die aufgestellten Prüfkriterien zu Recht als problematisch angesehen worden sind. Erfreulicher ist allerdings die Aussage des Gerichts zur Wirkung der Konzernöffnungsklausel. Das OLG Frankfurt a.M. kritisiert zutreffend einige der angesprochenen Schwächen des Urteils der Vorinstanz, insbesondere die zweifelhaften Aussagen des LG Frankfurt a.M. zur Rolle des Mediatisierungseffekts und zur Entbehrlichkeit des quantitativen Kriteriums. Allerdings setzt sich auch das OLG Frankfurt a.M. teilweise in Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH, zumal bei dem entscheidenden Punkt der Wirkung der Konzernöffnungsklausel. Das zentrale Argument, auf dem die Entscheidung beruht, ist somit – wie noch näher zu zeigen sein wird – nicht haltbar. Die hilfsweise erfolgten Ausführungen zu den qualitativen und quantitativen An386 Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2012, 240; Wilhelm, WuB II A., § 120 AktG, 1.12 (2012), 351, 352 f. 387 Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 1. Aufl. (2007), § 119 Rn. 30; inhaltsgleich ders., in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. (2010), § 119 Rn. 30; ausführlicher nun ders., in: Spindler/ Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30a ff.

D. Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank

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forderungen gewinnen zwar gegenüber den Ausführungen des LG Frankfurt a.M. an Tiefe, sind aber im Detail teilweise ebenfalls wenig überzeugend. So ist auch die Prüfung des OLG Frankfurt a.M. zu stark an den Besonderheiten des Einzelfalles orientiert und verliert sich teilweise in diesen, anstatt auf die entscheidenden Kriterien der Rechtsprechung des BGH zu fokussieren und diese konsequent auf die Konstellation des Beteiligungserwerbs anzuwenden bzw. diese fortzuentwickeln. Nicht überzeugend sind namentlich die Ausführungen zum Mediatisierungseffekt und hierbei insbesondere das Abstellen auf die Maßgeblichkeit der Verlagerung „unternehmerischer Aktivität“. Auch der quantitativ vorgenommene Vergleich zwischen den Referenzwerten des erworbenen Unternehmens und des hypothetischen Gesamtunternehmens überzeugt nicht. Auf beides wird in der Folge noch näher einzugehen sein. Der Beschluss des BGH erscheint – jedenfalls dogmatisch – konsequent, wobei der BGH sich freilich dadurch einer Entscheidung in der Sache entzogen hat. Aufgrund des anzulegenden Prüfungsmaßstabs bei der Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen kam es auf die vorliegende Fragestellung des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses nicht entscheidend an. Wieso sollte dem Vorstand und dem Aufsichtsrat auch zugemutet werden, sachkundiger zu sein als die Rechtsprechung und die Literatur und zu einer eindeutigen Antwort hinsichtlich der Zustimmungsbedürftigkeit eines Beteiligungserwerbs zu gelangen, obwohl dies auch in Rechtsprechung und Literatur bisher nicht gelungen ist? Eine Stellungnahme des BGH in der Sache wäre dennoch wünschenswert gewesen. Im Gegensatz zu den Gelatine-Urteilen und dem Beschluss in Sachen Stuttgarter Hofbräu schien es dem BGH aber hier einstweilen kein Anliegen zu sein, die Rechtsfortbildung weiter zu betreiben. Damit hat der BGH in seinem Beschluss vom 7. Februar 2012 das vorliegend zu behandelnde Problem des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb zwar ausdrücklich angesprochen, hat es allerdings lediglich als „umstritten und nicht geklärt“388 bezeichnet. Obwohl es durchaus möglich gewesen wäre, die Beschwerde zurückzuweisen und dennoch zur Frage des Zustimmungserfordernisses Stellung zu nehmen, hat sich der BGH in der Sache nicht geäußert. Würde der BGH ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb prinzipiell ablehnen, wäre es auch hier möglich gewesen, die Beschwerde – ähnlich wie im Fall Stuttgarter Hofbräu – mit diesem Argument abzuweisen. Denn damit wäre es umgekehrt auf die Frage nicht mehr angekommen, ob der Gesetzes- oder Satzungsverstoß eindeutig oder schwerwiegend war, da ein Verstoß mangels Zustimmungsbedürftigkeit schon nicht vorgelegen hätte. Aus alldem lässt sich nur der Rückschluss ziehen, dass der BGH sich bewusst nicht positioniert hat und die vorliegende Fragestellung einstweilen der Literatur und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung zur Beantwortung übertragen hat. 388 BGH, Beschl. v. 7. 2. 2012 – II ZR 253/10, NZG 2012, 347 („Commerzbank/Dresdner Bank“).

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Teil 2: Rechtliche Rahmenbedingungen

Durch die sich in mehreren Punkten widersprechenden Urteile des LG und des OLG Frankfurt a.M. und die fehlende Positionierung des BGH wird allerdings nochmals unterstrichen, dass bezüglich des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb noch einige offene Fragen bestehen. Die Entscheidungen in Sachen Commerzbank/Dresdner Bank haben indes erfreulicherweise dazu geführt, dass die Diskussion um die Frage des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb (zwischenzeitlich) neuen Schwung erhalten hat und es zu einer Beschäftigung mit dem Thema in der Literatur kam, die in ihrer Tiefe über den vormaligen Stand der Dinge hinausging. Hervorzuheben sind hier insbesondere die Beiträge von Decher, Hüffer, Priester und Wilhelm389, mit deren Aussagen im Laufe der Arbeit noch eine intensivere Befassung stattfinden wird. Aus den Gerichtsentscheidungen und der Diskussion in der Literatur lassen sich die folgenden Kernfragen herausdestillieren, an deren Beantwortung sich der weitere Aufbau dieser Arbeit orientieren wird. (1) Wird das Problem des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb richtigerweise bereits durch das Vorliegen einer Konzernöffnungsklausel ausgeschlossen? (2) Ist der Mediatisierungseffekt das einzige qualitative Kriterium, das geeignet ist, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszulösen? (3) Kann ein Mediatisierungseffekt in den verschiedenen Konstellationen des Beteiligungserwerbs, also insbesondere beim Erwerb gegen Barmittel, gegen Anteile der Erwerberin und bei einem gemischten Erwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin, eintreten? (4) Wie wirkt sich eine erteilte Zustimmung der Hauptversammlung zur Schaffung der Anteile der Erwerberin aus, die im Rahmen des Beteiligungserwerbs als Gegenleistung verwendet werden? Was gilt hier insbesondere bei einem gemischten Erwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin? (5) Was ist bei einem Beteiligungserwerb der richtige Bezugspunkt für die Bestimmung der quantitativen Relevanz? Auf welche Parameter ist jeweils schwerpunktmäßig abzustellen? Müssen die Referenzwerte der Erwerberin mit denen der Zielgesellschaft verglichen werden oder die Referenzwerte der Zielgesellschaft mit denen des hypothetischen Gesamtunternehmens nach dem Erwerb? Kommt es auf eine Betrachtung auf Konzernabschluss- oder Einzelabschlussbasis an? Kommt es überhaupt auf die Parameter der erworbenen Beteiligung an oder vielmehr auf die abfließenden Mittel bei der Erwerberin?

389 Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261; Hüffer, WuB II A., § 119 AktG, 1.11 (2011), 201; Priester, AG 2011, 654; Wilhelm, WuB II A., § 120 AktG, 1.12 (2012), 351.

Teil 3

Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb de lege lata anhand der Leitlinien der Rechtsprechung des BGH In diesem Teil der Arbeit ist nun zu untersuchen, ob und wie sich ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis in den verschiedenen denkbaren Konstellationen des Beteiligungserwerbs und im Fall Commerzbank/Dresdner Bank anhand der Leitlinien der bisherigen Rechtsprechung des BGH de lege lata angemessen ermitteln lässt. Hierzu ist nach der Erläuterung des methodischen Vorgehens (hierzu unter A.) zunächst die Vorfrage zu klären, ob ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb sich bereits durch eine Konzernöffnungsklausel in der Satzung der Gesellschaft ausschließen lässt (hierzu unter B.). Weiterhin ist dann zu prüfen, ob ein Beteiligungserwerb gegen Barmittel (hierzu unter C.), ein Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin (hierzu unter D.) und ein „gemischter“ Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin (hierzu unter E.) die noch präziser zu ermittelnden Kriterien zur Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses erfüllen kann. Ferner ist zu prüfen, ob ein solches Hauptversammlungserfordernis im Einzelfall trotz des Vorliegens der relevanten qualitativen und quantitativen Kriterien ausgeschlossen sein kann (hierzu unter F.). Schließlich ist der so ermittelte Prüfungsmaßstab exemplarisch auf den Fall Commerzbank/Dresdner Bank anzuwenden (hierzu unter G.).

A. Methodisches Vorgehen Eine derartige Betrachtung wirft natürlich in Ermangelung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung speziell zum Beteiligungserwerb und angesichts des bereits dargestellten kontroversen Meinungsbildes in der Literatur und in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung die Frage auf, welche Grundsätze überhaupt als Maßstab für die Beurteilung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb herangezogen werden können. Dass die Kriterien aus Holzmüller und Gelatine sich nicht eins-zu-eins auf den Beteiligungserwerb anwenden lassen, ist bereits hinreichend deutlich geworden. Naheliegend erscheint es im Lichte dessen, die Leitlinien der Rechtsprechung des BGH auf die verschiedenen Konstellationen des Beteiligungserwerbs zur Anwendung zu bringen. Die Aufgaben-

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

stellung ähnelt somit der Anwendung einer positivrechtlichen Norm mit allgemein gefassten Tatbestandsmerkmalen auf einen (gegebenenfalls) ähnlichen aber nicht eindeutig erfassten Sachverhalt, also letztlich einer Analogiebildung. Nichts anderes, nämlich eine entsprechende Anwendung der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze, unternimmt im Übrigen – ohne dies freilich ausdrücklich zu benennen – auch die bisherige Literatur, indem sie beispielsweise über die Existenz eines Mediatisierungseffekts beim Beteiligungserwerb oder über die Festsetzung adäquater quantitativer Parameter diskutiert. Da sich der Gesamtkomplex der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse allerdings nicht auf der Ebene des geschriebenen Gesetzesrechts sondern auf der Ebene der richterlichen Rechtsfortbildung abspielt, stellt sich die Frage nach der methodischen Zulässigkeit eines derartigen Vorgehens. Im Rahmen der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung ist anerkannt, dass planwidrige Regelungslücken des Gesetzes im Wege der Analogiebildung geschlossen werden können.1 Auch der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG im Fall Macrotron lässt sich nochmals ausdrücklich entnehmen, dass eine der Aufgaben der Rechtsprechung die Rechtsfortbildung ist, die sich allerdings darauf zu beschränken hat, den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen oder eine planwidrige Regelungslücke mithilfe der anerkannten Auslegungsmethoden zu füllen.2 Bei den ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernissen handelt es sich allerdings um ein Institut, welches im Wege der offenen bzw. gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung entwickelt wurde,3 da nach wohl allgemeinem Verständnis keine planwidrige Regelungslücke, sondern eine „Anschauungslücke“ des historischen Gesetzgebers vorlag.4 Damit läge es also nahe, zu ermitteln, ob die im Vergleich zur gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung erhöhten und recht abstrakten Anforderungen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung5 auch in Bezug auf einen Beteiligungserwerb vorliegen. Allerdings kann auch ein anderes, direkteres Vorgehen gewählt werden. Erkennt man die Schaffung von ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernissen für die Fälle der Ausgliederung und Verenkelung durch die Rechtsprechung des BGH in Holzmüller und Gelatine als zulässige Fälle der 1

Siehe etwa Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. (1991), S. 381 ff. BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, ZIP 2012, 1402, 1406 („Macrotron“). 3 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 43 („Gelatine I“) (in Abkehr von dem noch in Holzmüller gewählten Ansatz über § 119 Abs. 2 AktG). 4 So grundlegend bereits Geßler, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 771, 780 f. (auf den der BGH in Gelatine I ausdrücklich Bezug nimmt); ebenso etwa Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279, 284 (konzernrechtliche Problematik vom Gesetzgeber nicht „hinreichend erkannt“); Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 269 f.; Zimmermann/ Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 160; ähnlich Wank, ZGR 1988, 314, 371 f.; auch BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 („Gelatine I“). 5 Hierzu ausführlich Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. (1991), S. 413 ff. 2

A. Methodisches Vorgehen

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gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung an, so steht damit gleichzeitig fest, dass vergleichbare Fälle von ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernissen grundsätzlich ebenfalls die Voraussetzungen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung erfüllen. Wenn die Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung des BGH also insgesamt ein zulässiges Instrumentarium ist, um eine Anschauungslücke des Gesetzgebers zu schließen, so dient die Schließung einer Lücke auf Ebene dieser Rechtsprechung gleichzeitig auch der Schließung dieser Anschauungslücke. Anders gesagt: Dass der Gesetzgeber die Beantwortung der Frage, in welchen Konstellationen ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis gegeben sein kann, grundsätzlich der Rechtsprechung überantwortet hat, ergibt sich schon daraus, dass – obwohl gemeinhin von einer Anschauungslücke des historischen Gesetzgebers ausgegangen wird6 und obwohl die Problematik der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse bereits seit 30 Jahren bekannt ist – der Gesetzgeber auf diesem Gebiet offenbar bewusst untätig geblieben ist.7 Dass bezüglich des Beteiligungserwerbs aber eine Lücke in der bisherigen Rechtsprechung des BGH zu den ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernissen vorliegt, lässt sich schon unschwer daraus ersehen, dass der BGH in dem Beschluss in Commerzbank/Dresdner Bank ausdrücklich darauf verwiesen hat, dass die Frage des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb „umstritten und nicht geklärt“8 sei. Mithin geht der BGH selbst davon aus, dass diese Frage durch seine bisherige Rechtsprechung nicht beantwortet ist. Damit ist aber auch die Antwort auf die Frage, wie diese Lücke zu schließen ist, vorgezeichnet. Nimmt man methodisch an, dass der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung gleichzeitig die konkludente Aussage innewohnt, dass diese gerechtfertigt sei und dass nach ihr künftig gleichartig gelagerte Fälle entschieden werden,9 so ist davon auszugehen, dass der BGH auch auf einen Beteiligungserwerb die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze anwenden würde, wenn sich ergibt, dass eine vergleichbare Schutzwürdigkeit zu den bisher entschiedenen Fällen besteht. Mit den Worten Lutters geht es also „nur noch“ um die Anwendbarkeit des Instituts der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse im Einzelfall.10 Es fragt sich also in der Tat, ob und wie die Leitlinien der Rechtsprechung des BGH auf die verschiedenen Konstellationen des Beteiligungserwerbs zu übertragen sind. Bei diesem Vorgehen ist einerseits davon auszugehen, dass die Grundsätze aus Holzmüller und Gelatine den äußeren Rahmen der Betrachtung bilden. Was erkennbar über die dort niedergelegten Grundsätze hinausgeht, kann nicht als Leitlinie 6

Siehe nochmals Fn. 4. Goette, AG 2006, 522, 525; Lutter, ZIP 2012, 351; Fleischer, in: Festschrift für Canaris, Bd. 2 (2007), S. 71, 79. 8 BGH, Beschl. v. 7. 2. 2012 – II ZR 253/10, NZG 2012, 347 („Commerzbank/Dresdner Bank“). 9 So Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. (1991), S. 429. 10 Lutter, ZIP 2012, 351. 7

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

der bisherigen Rechtsprechung bezeichnet werden. Andererseits ist zu bedenken, dass der BGH sich mit der Konstellation des Beteiligungserwerbs gerade noch nicht ausführlich befasst hat und dass die Kriterien zur Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses in Holzmüller und Gelatine gerade für diese speziellen Fälle entwickelt worden sind. Es liegt aber gerade in der Natur von Rechtsinstituten der gesetzesübersteigenden richterlichen Rechtsfortbildung, dass diese anhand einzelner Fälle entwickelt und schrittweise auf vergleichbare Fälle übertragen werden.11 Genauso wie der BGH in Gelatine seine in Holzmüller entwickelten Grundsätze auf die (freilich ähnlichere) Konstellation der Verenkelung übertragen und weiterentwickeln musste, so müssen diese auch auf die verschiedenen Konstellationen des Beteiligungserwerbs übertragen und gegebenenfalls weiterentwickelt werden.

B. Ausschluss der Problematik durch Verwendung einer Konzernöffnungsklausel Es stellt sich zunächst die Frage, ob das Problem des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb bereits durch das Vorliegen einer allgemeinen Konzernöffnungsklausel in der Satzung ausgeschlossen wird.

I. Meinungsbild Eine Ansicht bejaht dies, da der Schutz durch die Satzung insofern genüge.12 Eine Mediatisierung der Aktionärsrechte sei mithin bei Existenz einer Konzernöffnungsklausel schon in der Satzung angelegt, was auch jedem an der Gesellschaft beteiligten Aktionär bekannt sei, sodass ein weiteres Schutzbedürfnis nach den Holzmüller-Grundsätzen nicht bestehe.13 11 Grundsätzlich hierzu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. (1991), S. 431. 12 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 64 f., juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“); ebenso schon vorher OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21. 6. 2007 – 5 U 34/07, AG 2008, 862, 864; dem folgend Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 93; Reger, in: Bürgers/ Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 17; Bungert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 35 Rn. 58; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 11; Simon, DStR 2004, 1528, 1529 f.; Koppensteiner, Der Konzern 2004, 381, 382 f.; vorsichtiger noch OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15. 2. 2005 – 20 W 1/05, ZIP 2005, 1419, 1422 („zweifelhaft“); ähnlich Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht (1988), S. 57 (Beschluss bedarf bei Vorliegen einer Konzernöffnungsklausel nur noch der einfachen Kapital- und Stimmenmehrheit). 13 So insbesondere Simon, DStR 2004, 1528, 1529 f.; Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 93.

B. Wirkung einer Konzernöffnungsklausel

117

Nach anderer Ansicht gibt die Konzernöffnungsklausel hingegen nur den Rahmen vor, innerhalb dessen der Vorstand seine Leitungsaufgabe wahrnehmen kann.14 Die Wirkung der Konzernöffnungsklausel erschöpft sich also darin zu regeln, ob es dem Vorstand grundsätzlich erlaubt ist, den Unternehmensgegenstand nur durch eigene operative Tätigkeit der Gesellschaft zu verwirklichen oder auch durch den Erwerb und die Gründung von Tochtergesellschaften.15 Die Frage eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses werde hiervon aber nicht berührt.16 Auch der BGH spricht das Problem in den Gelatine-Entscheidungen ausdrücklich an und folgt – für die Konstellation der Verenkelung – der zweiten Auffassung.17 Mit der Aufnahme einer allgemeinen Konzernöffnungsklausel in die Satzung solle lediglich der Handlungsspielraum des Vorstands erweitert werden.18 Des mit der Anerkennung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses bezweckten Schutzes würden sich die Aktionäre durch eine Konzernöffnungsklausel jedoch nicht begeben.19 Auch die Rechtsprechung im Holzmüller-Urteil war bereits in diesem Sinne zu interpretieren.20 Auch hier hatte der BGH die aufgenommene Konzernöffnungsklausel bei der Ausgliederung nicht für geeignet erachtet, das ungeschriebene Hauptversammlungserfordernis auszuschließen.21

14 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 21; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 50 f.; ders., in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 82 Rn. 25; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30b; Wilhelm, WuB II A., § 120 AktG, 1.12 (2012), 351, 353; Bodenbrenner/ Grewe, Der Konzern 2011, 547, 549 f.; Priester, AG 2011, 654, 660; Kiefner, ZIP 2011, 545, 547; Goette, AG 2006, 522, 526; Marsch-Barner, in: Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht (2006), S. 105, 115; Bungert, BB 2004, 1345, 1349 (nun aber restriktiver, siehe Fn. 12); Liebscher, Konzernbildungskontrolle (1995), S. 86, 99; Emmerich, AG 1991, 303, 307; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 74; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung (1986), S. 160 f.; ebenso LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/ 09, Rz. 100, juris („Commerzbank/Dresdner Bank“). 15 Siehe nochmals Fn. 14. 16 Siehe nochmals Fn. 14. 17 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 46 („Gelatine I“). 18 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 46 („Gelatine I“). 19 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 46 („Gelatine I“). 20 So auch ausdrücklich BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 46 („Gelatine I“). 21 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 130 f. („Holzmüller“) (So führt der BGH, nachdem er eine faktische Satzungsänderung abgelehnt hat, aus: „Das bedeutet freilich nur, daß sich eine förmliche Satzungsänderung erübrigte. Ob der Vorstand die Ausgliederung des Seehafenbetriebs von sich aus beschließen durfte, ohne die Aktionäre zu befragen, ist damit noch nicht entschieden.“).

118

Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

II. Stellungnahme Schon angesichts der eindeutigen Rechtsprechung des BGH überrascht die gegenteilige Auffassung des OLG Frankfurt a.M. und seiner Anhänger zunächst. Für diese Gegenauffassung könnte aber folgende Überlegung sprechen: Ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis setzt das Vorliegen von qualitativen und quantitativen Kriterien voraus, wobei in qualitativer Hinsicht ein tiefgehender Eingriff in die Mitgliedsrechte der Aktionäre vorausgesetzt wird, der jedenfalls im Falle einer Mediatisierung dieser Rechte gegeben ist.22 Eine Maßnahme, die schon in qualitativer Hinsicht diese Kriterien nicht erfüllt, ist nicht geeignet, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszulösen. Unterstellt, dass auch ein Beteiligungserwerb grundsätzlich zu einer Mediatisierung führen kann (hierzu ausführlich unter C.I.3.) schützen jedoch sowohl die Konzernöffnungsklausel als auch die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze im Falle des Beteiligungserwerbs die Aktionäre vor einer Verlagerung von Gesellschaftsvermögen in eine Beteiligungsgesellschaft. Aufgrund dieser (teilweisen) Parallelität des Schutzzwecks liegt damit zunächst der Gedanke in der Tat nicht fern, dass die Aktionäre, welche durch Gründung oder durch Beitritt an die Konzernöffnungsklausel gebunden sind, in qualitativer Hinsicht nicht mehr vor einer Vermögensverlagerung in eine Tochtergesellschaft geschützt sind, sodass der Anknüpfungspunkt für ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis entfallen sein könnte. Dagegen spricht aber entscheidend, dass ein statutarischer Verzicht auf den Schutz durch ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis nach herrschender Auffassung schon gar nicht möglich ist, da die ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse als zwingender Teil der Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft anzusehen sind.23 Dies unterstrich auch der BGH in Gelatine, indem er judizierte, dass das Mehrheitserfordernis nicht statutarisch abgesenkt werden kann.24 Es ist mithin – wie bereits angesprochen – nicht möglich, nach allgemeinen Kriterien definierte Fallgruppen in der Satzung zu verankern und für diese ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszuschließen.25 Faktisch würde die Wirkung einer Konzernöffnungsklausel nach der erstgenannten Ansicht aber einem statutarischen Verzicht auf den Schutz durch ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis gleichkommen, da ein solches mangels qualitativer Beeinträchtigung der Aktionärsrechte stets ausgeschlossen wäre. 22

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 („Gelatine I“). Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 98; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 50; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 82 Rn. 39; Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 62; Wiedemann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 179 Rn. 77; Tröger, ZIP 2001, 2029, 2038; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 807 f.; Grunewald, AG 1990, 133, 134; anders noch Martens, ZHR 147 (1983), 377, 393. 24 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 46 („Gelatine I“). 25 Siehe nochmals Fn. 23. 23

B. Wirkung einer Konzernöffnungsklausel

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Diese eher formale Argumentation überzeugt aber auch in der Sache. Da ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis seiner Natur nach Maßnahmen betrifft, die mit großen qualitativen und quantitativen Auswirkungen auf die Aktionärsrechte verbunden sind, muss sich jede Art der Zustimmung bezüglich solcher Maßnahmen daran messen lassen, ob die Aktionäre diese weitreichenden Auswirkungen im Einzelfall in qualitativer und quantitativer Hinsicht hinreichend konkret gebilligt haben. Hierfür eine generelle Regelung in der Satzung genügen zu lassen, die allenfalls den qualitativen Eingriff vorzeichnet, im Übrigen aber keinerlei Anknüpfung an ein quantitatives Kriterium und an den konkreten Fall beinhaltet, würde den Schutzzweck der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse leer laufen lassen. In der Konsequenz müsste die Gesellschaft dann neben der Konzernöffnungsklausel nur noch eine „Ausgliederungs- und Verenkelungsklausel“ in die Satzung aufnehmen (bzw. man könnte die allgemeine Konzernöffnungsklausel ebenfalls genügen lassen, um auch diese Fälle auszuschließen) und könnte somit auch die Zustimmungsbedürftigkeit in Fällen wie Holzmüller und Gelatine beseitigen. Die gesamte Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung des BGH würde damit in der Praxis auf einen Abschnitt in der Satzung reduziert. Es bestünde somit keine Möglichkeit mehr, bei konkreten Einzelmaßnahmen, welche tief in die Mitgliedsrechte eingreifen, mitzuwirken, sondern lediglich die Möglichkeit der Billigung der allgemeinen Satzungsklausel. Dies wäre mit dem Grundkonzept der Holzmüller/ Gelatine-Rechtsprechung evident nicht vereinbar. Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Satzung bereits zu einem konkreten Beteiligungserwerb ermächtigen würde.26 Allerdings wirft eine derartige Klausel dann nicht mehr die Frage der Wirkung einer allgemeinen Konzernöffnungsklausel auf, sondern vielmehr die Frage der Zulässigkeit einer konkreten Ermächtigung zum Beteiligungserwerb, mit dem Sonderaspekt, ob diese in die Satzung aufgenommen werden kann. Praktische Relevanz dürfte dieser Fall ohnehin kaum besitzen. Jedenfalls wären an eine solche Klausel hinsichtlich der konkreten Beschreibung der Maßnahme dieselben Anforderungen zu stellen wie an einen Ermächtigungsbeschluss in Holzmüller/Gelatine-Fällen (hierzu noch ausführlicher unter D.IV.1.b)). Eine derartige statutarische Ermächtigung brächte im Übrigen gegenüber einem Ermächtigungsbeschluss dann kaum einen ersichtlichen Vorteil, da in beiden Fällen eine Befassung der Hauptversammlung mit der konkreten Ermächtigung erforderlich wäre. Eine allgemeine Konzernöffnungsklausel erfüllt diese Voraussetzungen, wie gesagt, jedenfalls offensichtlich nicht.

26 Siehe zu solchen konkreten Satzungsklauseln Bungert, BB 2004, 1345, 1349; Stukenberg, Ungeschriebene „Holzmüller“-Zuständigkeiten der Hauptversammlung im Lichte der „Macrotron“- und „Gelatine“-Entscheidungen des BGH (2007), S. 138; ähnlich Wagner, Ungeschriebene Kompetenzen der Hauptversammlung (2006), S. 67 f. (hinreichend konkrete Ermächtigung soll genügen); noch weitergehend Liebscher, Konzernbildungskontrolle (1995), S. 100 (so zu verstehen, dass auch eine allgemeine Konzernöffnungsklausel genügen soll, die im „Hinblick auf eine konkret anstehende Konzernbildungsmaßnahme geändert wird“).

120

Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

Damit ist dem BGH auch in der Sache Recht zu geben. Die Aktionäre wollen und können sich durch eine allgemeine Konzernöffnungsklausel ihres Schutzes durch die ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse nicht begeben. Somit stellt die Konzernöffnungsklausel auch beim Beteiligungserwerb in der Tat „nur“ ein Instrument dar, welches den Handlungsspielraum des Vorstands erweitert und mögliche Organisationsstrukturen beschreibt, ohne aber konkrete Mitentscheidungsrechte der Hauptversammlung zu beseitigen. Eine Konzernöffnungsklausel ist mithin zwar notwendig, um es dem Vorstand generell zu erlauben, den Unternehmensgegenstand auch durch Beteiligungen und nicht nur durch unmittelbare operative Tätigkeit der Gesellschaft selbst auszufüllen, da anderenfalls ein Zustimmungserfordernis schon aus der Überschreitung des statutarischen Unternehmensgegenstands resultieren würde.27 Daraus ergibt sich aber für die Holzmüller/Gelatine-Problematik nur ein Schutz auf „erster Stufe“,28 also hinsichtlich der nach dem Unternehmensgegenstand grundsätzlichen Zulässigkeit des Beteiligungserwerbs. Ob der Beteiligungserwerb hingegen im Einzelfall die Aktionärsrechte derart stark beeinträchtigt, dass eine ungeschriebene Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich ist, ist hiermit noch nicht beantwortet. Eine allgemeine Konzernöffnungsklausel in der Satzung der Gesellschaft ist also richtigerweise nicht geeignet, die Problematik eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses auszuschließen.

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel I. Qualitative Anforderungen Welche qualitativen Anforderungen stellen sich bei der Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel? Der schillerndste Begriff in diesem Zusammenhang ist sicherlich der des

27

Die inzwischen wohl überwiegende Auffassung hält eine Konzernöffnungsklausel allgemein für notwendig: Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 65; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 5; Habersack, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 82 Rn. 25; Stein, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 179 Rn. 113; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 9 Rn. 16; Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 26; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2004), Vorb. § 291 Rn. 36 ff.; Holzborn, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 179 Rn. 69; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 810; andere Ansicht Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 82 Rn. 23; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 179 Rn. 34; Kropff, in: Festschrift für Geßler (1971), S. 111, 119; Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 71; offen gelassen BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 130 („Holzmüller“). 28 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 37.

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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Mediatisierungseffekts, den der BGH in den Gelatine-Urteilen maßgeblich geprägt29 und auch später in Stuttgarter Hofbräu wieder aufgegriffen hat30. Die naheliegende Vorgehensweise wäre es also, die Definition des Mediatisierungseffekts mit der Konstellation des Beteiligungserwerbs gegen Barmittel in Abgleich zu bringen. Hierbei stellen sich allerdings mehrere Probleme. Zunächst ist umstritten, ob ein Mediatisierungseffekt überhaupt zwingende Voraussetzung für die Bejahung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses ist (hierzu unter 1.). Darüber hinaus herrscht keine Einigkeit, wie der Mediatisierungseffekt – sollte man einen solchen denn für notwendig halten – genau zu bestimmen ist bzw. welche Reichweite der Begriff hat. Es ist daher nach der Klärung der Vorfrage der Notwendigkeit zunächst das Grundkonzept des Mediatisierungseffekts zu untersuchen (hierzu unter 2.), um die so gewonnenen allgemeinen Leitlinien dann auf den Beteiligungserwerb gegen Barmittel zu übertragen (hierzu unter 3.). Hierbei ist auch gleichzeitig eine Definition des Mediatisierungseffekts zu erarbeiten. 1. Notwendigkeit eines Mediatisierungseffekts Zunächst stellt sich die Frage, ob ein Mediatisierungseffekt überhaupt zwingende Voraussetzung für die Annahme eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses ist. In der Literatur wird die Frage uneinheitlich beantwortet. Die jeweilige Sichtweise ist eng mit der Interpretation des Schutzzwecks der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse verknüpft, sodass dies die Stelle ist, auch den Schutzweck der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse näher zu betrachten (hierzu unter a)). Weiterhin ist im Rahmen der Stellungnahme (hierzu unter b)) insbesondere die Rechtsprechung des BGH hierzu zu würdigen. a) Meinungsbild Aufgrund des breiten und auch unübersichtlichen Meinungsspektrums zum Schutzzweck der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse ist eine Ordnung der vertretenen Ansichten nach verschiedenen Strömungen hilfreich, aber freilich auch nicht vollständig trennscharf möglich.31 Grob lässt sich zunächst zwischen organisationsrechtlich orientierten (hierzu unter aa)) und mitgliedschaftsbezogenen Ansichten (hierzu unter bb)) unterscheiden.

29

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 f., 47 („Gelatine I“). BGH, Beschl. v. 20. 11. 2006 – II ZR 226/05, NZG 2007, 234 („Stuttgarter Hofbräu“). 31 Zu einer ähnlichen Einteilung wie hier Jansen, Ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung bei der Sanierung der Aktiengesellschaft (2007), S. 14 ff.; Wagner, DStR 2004, 141, 142 ff.; etwas weniger differenziert Renner, NZG 2002, 1091 ff. 30

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

aa) Organisationsrechtlich orientierte Ansichten Die organisationsrechtlich orientierten Ansichten betrachten die HolzmüllerProblematik primär unter dem Blickwinkel der Konzernsachverhalte, die in der Tat auch den Hauptanwendungsfall der Holzmüller-Problematik bilden32 und versuchen, diagnostizierte Lücken des Aktiengesetzes durch zusätzliche Hauptversammlungserfordernisse zu schließen. Nach älterer, maßgeblich von Lutter vertretener Auffassung, folgt die Zustimmungsbedürftigkeit in Holzmüller-Sachverhalten aus einer Kompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft als „Grundorgan“ für „Grundentscheidungen“ im Konzern.33 Da der Konzern als Rechtsform gesetzlich nicht vorgesehen sei, sondern nur eine Unternehmensform darstelle, existiere ein aktiengesetzliches Regelungsdefizit bei seiner Leitung.34 Insbesondere im Vergleich mit dem GmbH-Konzern lasse sich aber ein allgemeines Rechtsprinzip des privaten Organisationsrechts ableiten, nach welchem die Obergesellschaft als „Grundorgan“ eines Konzerns fungiere.35 Der Art nach seien Leitungsentscheidungen von zustimmungsbedürftigen Strukturentscheidungen zu trennen.36 Auch diese Ansicht verkennt indes nicht vollständig die mitgliedschaftlichen Implikationen der Holzmüller-Problematik, hält diese aber wohl für weniger entscheidend.37 In ihrer weiteren Fortentwicklung will diese Ansicht dann auch außerhalb von Konzernsachverhalten der Hauptversammlung die Kompetenz für solche „Einmal-Entscheidungen“ zubilligen, welche die Verhältnisse in der Gesellschaft grundlegend ändern.38 Nach dieser Auffassung 32 Siehe etwa Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 34; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 39; Renner, NZG 2002, 1091. 33 Lutter, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 825, 832 f. („institutioneller Ansatz“); Fortentwicklung der Auffassung dann bei Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230 ff.; dies., ZIP 1998, 805 ff.; ähnlich auch Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 762 („Grundlagenoder Strukturentscheidungen“). 34 Lutter, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 825, 832. 35 Lutter, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 825, 832 f. 36 Lutter, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 825, 850 ff.; zu einer Aufzählung solcher Strukturentscheidungen Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 806 (Ausgliederung, Teilfusion, Aufnahme Dritter in bisher 100 %-ige Tochtergesellschaften, Abschluss von Unternehmensverträgen der Tochtergesellschaft mit Dritten, Listing, Delisting, Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge, Erwerb und Veräußerung wesentlicher Beteiligungen oder Unternehmensbereiche). 37 Lutter, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 825, 844 („Dennoch erscheint diese Eingriffs-Argumentation nützlich und hilfreich zum Verständnis der gesamten Frage […]. Notwendig für eine entsprechende Anwendung bestimmter Normen ist sie aber nicht.“); ders., a.a.O., S. 852 („Tatsächlich deckt er [scil.: der Eingriffsgedanke] sich sehr weitgehend mit dem Kompetenzverlust bei den Mitverwaltungsrechten der Hauptversammlung und damit den soeben angesprochenen Strukturmaßnahmen.“). 38 Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230; dies., ZIP 1998, 805 f.; ähnlich auch Priester, ZHR 163 (1999), 187, 196 f. (Holzmüller betrifft „generelle Strukturentscheidungen“).

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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kommt es aber nicht ausschließlich auf das Vorliegen eines Mediatisierungseffekts an.39 Andere Autoren sahen die ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse ebenfalls primär konzernperspektivisch, wobei das Verhältnis zwischen Konzernbildungskontrolle und Konzernleitungskontrolle äußerst umstritten war.40 bb) Mitgliedschaftsbezogene Ansichten Die mitgliedschaftsbezogenen Ansichten stellen hingegen, mit verschiedenen Nuancierungen, den Schutz der Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre in den Vordergrund. Sie fragen also danach, ob bei bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre derart stark beeinträchtigt werden, dass eine Mitwirkung der Hauptversammlung erforderlich wird. Innerhalb dieser Ansicht lassen sich wiederum mehrere Strömungen beobachten. (1) Verbandsrechtliche Interpretation Nach einer weit verbreiteten Strömung, die insbesondere auch nach der Rechtsprechung des BGH in Stuttgarter Hofbräu weitere Anhänger gefunden hat, ist der Schutzzweck der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse auf Konstellationen beschränkt, in denen ein Mediatisierungseffekt besteht.41 Hintergrund dessen ist ein vor allem von Habersack aufgezeigtes Verständnis der Aktionärsstellung, die primär auf die mitgliedschaftliche bzw. verbandsrechtliche Komponente abhebt.42 Dem zugrunde liegt ein einheitliches Aktionärsbild, nach welchem die Aktionäre gleichberechtigte Teilhaber der Gesellschaft sind und nach welchem

39

Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 229 f. Siehe zur Breite des Meinungsspektrums exemplarisch Westermann, ZGR 1984, 352, 380 („begrenzte Konzernbildungskontrolle und grundsätzlich keine Konzernleitungskontrolle“); Rehbinder, ZGR 1983, 92, 99 (großzügige Konzernbildungskontrolle, Konzernleitungskontrolle nur in gravierenden Fällen); Götz, AG 1984, 85, 92 (keine Konzernbildungskontrolle, hingegen Konzernleitungskontrolle). 41 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 34; ders., AG 2005, 137, 139; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30; ders., in: Festschrift für Goette (2011), S. 513, 516; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 10; Bodenbrenner/ Grewe, Der Konzern 2011, 547, 550; Hofmeister, NZG 2008, 47, 49 („maßgebliche[r] Schutzzweck“); von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25; Liebscher, ZGR 2005, 1, 20; Reichert, AG 2005, 150, 155; Hasselbach/Flesner, WuB II A., § 179a AktG, 1.07 (2007), 279, 280; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 65 f.; so auch OLG Köln, Urt. v. 15. 1. 2009 – 18 U 205/07, Rz. 113, juris („Strabag/Ed. Züblin“). 42 Habersack, AG 2005, 137, 139 f.; ausführlicher auch ders., Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht (1996), S. 326 ff. 40

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

nicht nach verschiedenen Formen von Anlegern differenziert wird.43 Ungeschriebene Hauptversammlungserfordernisse müssten die Verbandsmitglieder also vor einer Verkürzung ihrer Mitgliedsrechte, insbesondere ihrer Herrschaftsbefugnisse und Dividendenrechte, durch das Handeln der Verwaltung schützen.44 Der gleichzeitige Schutz vor einer nachhaltigen Schwächung des Wertes der Beteiligung sei kein zusätzlicher Schutzzweckbelang, sondern gehe regelmäßig – quasi als Reflex – mit der Mediatisierungswirkung einher.45 Das Kriterium der Mediatisierung habe hierbei „innere Überzeugungskraft“ und ermögliche eine rechtssichere Handhabung.46 (2) Schutz vor außergewöhnlichen Leitungsmaßnahmen Eine weitere Strömung rückt ebenfalls den Schutz der Aktionäre vor Eingriffen in ihre Mitgliedschaftsrechte in den Vordergrund, sieht in der Holzmüller-Rechtsprechung aber primär ein Instrumentarium zum Schutz der Aktionäre vor außergewöhnlichen Leitungsmaßnahmen des Vorstands.47 Diese Strömung unterscheidet sich allerdings insofern von der verbandsrechtlichen Lösung, dass nach ihr von dem Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte nicht zwingend eine Mediatisierungswirkung ausgehen muss.48 Diese Auffassung richtet sich auch ausdrücklich gegen das Verständnis der Holzmüller-Entscheidung als Anerkennung einer Grundlagenkompetenz der Hauptversammlung.49 Entscheidend sei vielmehr eine weitgehende Beeinträchtigung der mitgliedschaftlichen Rechte der Aktionäre.50 Diese ergebe sich aber primär daraus, dass der Vorstand bei Maßnahmen von hinreichendem quantitativen Ausmaß seine grundsätzlich gegebenen Befugnisse übermäßig in Anspruch nehme.51 Speziell Hoffmann, auf dessen Kommentierung offensichtlich die Ent-

43 Habersack, AG 2005, 137, 140 (Dies „würde das bislang einheitliche Bild des Aktionärs zerreißen und eine Zweiklassengesellschaft schaffen.“). 44 Habersack, AG 2005, 137, 139. 45 Habersack, AG 2005, 137, 139. 46 Habersack, AG 2005, 137, 140. 47 Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279, 289 f.; ders., AktG, 10. Aufl. (2012), § 119 Rn. 18 („geboten ist […] Individualschutz der Aktionäre“); Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 25; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30 ff.; Kort, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 76 Rn. 128; Priester, AG 2011, 654, 657; so zu verstehen wohl auch Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 41 ff. (Analogie zu § 179 AktG); Weißhaupt, NZG 1999, 804, 806. 48 So ausdrücklich Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 25; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30b; ebenso zu verstehen Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 48; Kort, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 76 Rn. 129; Hüffer, AktG, 10. Aufl. (2012), § 119 Rn. 18 ff.; anders aber nun wohl Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 16 ff. 49 Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279, 289. 50 Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279, 289; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 31. 51 Hüffer, AktG, 10. Aufl. (2012), § 119 Rn. 18b.

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scheidung des LG Frankfurt a.M. beruhte,52 rückt dabei insbesondere die „wesentliche Veränderung der Unternehmensstruktur“ durch Anstieg des Verschuldungsgrades und Ansteigen der Insolvenzwahrscheinlichkeit in den Mittelpunkt.53 In diese Richtung des Schutzes vor außergewöhnlichen Maßnahmen tendiert auch die Ansicht Fleischers, nach der eine Begrenzung der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse auf Fälle der Mediatisierung nicht überzeugt.54 Der Grund für die Zustimmungsbedürftigkeit liege vielmehr darin, dass sich durch gewisse Grundlagenentscheidungen der Investmentkontrakt zwischen den Anteilseignern und der Gesellschaft so maßgeblich ändere, dass der Vorstand als Verwalter fremden Vermögens zunächst die Zustimmung der Aktionäre einholen müsse.55 Insbesondere müsse auch beachtet werden, dass zwischenzeitlich vermehrt institutionelle Anleger in Aktiengesellschaften investiert seien, bei denen das durch den historischen Gesetzgeber noch maßgeblich für die Entmachtung der Hauptversammlung angeführte Argument der fehlenden Sachkunde nicht mehr greife.56 Einen präzisen Prüfungsmaßstab dafür, wann eine „Basiszuständigkeit der Hauptversammlung in Grundfragen der Unternehmensverfassung“57 gegeben sein soll, benennt allerdings auch Fleischer nicht. Im Übrigen tendiert die Annahme einer solchen „Basiszuständigkeit“ auch durchaus in Richtung der organisationsrechtlichen Auffassungen. (3) Schutz der Vermögensinteressen der Aktionäre Eine weitere, vor allem von Mülbert vertretene Ansicht, stellt demgegenüber verstärkt auf den Schutz der Vermögensinteressen der Aktionäre ab. Der Eingriff müsse nicht zu einer Mediatisierung der Aktionärsrechte führen,58 aber es müssten Vermögensinteressen der Aktionäre betroffen sein.59 Dem liegt die Vorstellung zugrunde, der Aktionär sei beides, nämlich Verbandsmitglied und Anleger, und habe

52

Siehe nochmals unter Teil 2 D.II.4., insbes. Fn. 387. Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30b. 54 Fleischer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2 (2007), S. 430, 461. 55 Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336; ähnlich, wie gesehen, auch Hoffmann, in: Spindler/ Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30b und insbes. 30c (Veränderung der „ökonomischen Rahmenbedingungen“). 56 Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336. 57 Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336. 58 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 420 („Die mit Gruppen(um)bildungsvorgängen verbundene Gefahr einer unmittelbaren oder auch nur mittelbaren faktischen Verkürzung der Herrschaftsrechte rechtfertigt keine ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten bei derartigen Vorgängen.“); weniger ausführlich: ders., in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 33. 59 Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 33; vorsichtig, auf Ebene der Rechtsfolge ansetzend Westermann, ZGR 1984, 352, 378 („Ersatz der nachgewiesenen Werteinbußen der Beteiligung“ wäre der bessere Weg als Rückabwicklung einer KonzernOrganisationsmaßnahme). 53

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

damit eine „hybride Stellung“ inne.60 In der weiteren Folge bleiben die Ausführungen dieser Ansicht allerdings dann insofern abstrakt, als kein Maßstab dafür erkennbar wird, wie die Beeinträchtigung der Vermögensinteressen konkret zu messen ist. Möglich sein soll eine Mitwirkungspflicht allerdings, von Bagatellfällen abgesehen, bei der Verwendung von Aktien zum Erwerb fremden Vermögens, also auch beim Beteiligungserwerb.61 b) Stellungnahme aa) Vorüberlegung Vorauszuschicken ist, dass der BGH seine Schutzzweckerwägungen nie ausdrücklich mit einem Schlagwort etikettiert hat und dass sich der Rechtsprechung an keiner Stelle ausdrücklich entnehmen lässt, dass die Mediatisierung der einzige Schutzzweckbelang und damit zwingende Voraussetzung für die Bejahung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses ist. Goette, der zu Zeiten der Gelatine-Urteile Mitglied des II. Zivilsenats am BGH war, stellte fest, dass der Senat dort keine Festlegung getroffen habe, dass „ausschließlich die Mediatisierung der rechtfertigende Grund für die exceptionelle Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung“62 darstelle. Gewisse Zweifel an dieser Feststellung treten dann allerdings schon aufgrund weiterer Äußerungen im Verlauf dieses Beitrags auf, die den Schluss nahelegen, dass es doch auf einen Mediatisierungseffekt ankommen soll. So führt Goette später aus, dass mangels Mediatisierungseffekts Maßnahmen des Vorstands horizontaler Art, also zwischen Tochter- oder Enkelgesellschaften, ohne Bedeutung seien.63 Weiterhin bezieht sich die Aussage schon chronologisch nur auf die Gelatine-Urteile und nicht auf die später ergangene Entscheidung in Stuttgarter Hofbräu64, bei welcher Goette aber freilich immer noch Mitglied des Senats und sogar dessen Vorsitzender war.

60

Mülbert, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 433, 434 f.; ders., in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 33; hierzu etwa auch Fleischer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2 (2007), S. 430, 461; E. Vetter, AG 2002, 176, 177; Teichmann, AG 2004, 67, 75 (diese kapitalmarktbezogene Sicht habe „auch in das Gesellschaftsrecht schon seit langem Einzug gehalten“); Schiessl, AG 1999, 442, 445 f. (Kleinaktionär sollte mehr als Anleger gesehen werden und daher „auch vorrangig mit den Mitteln des Kapitalmarktrechts und weniger mit denen des Gesellschaftsrechts“ geschützt werden). 61 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 424 ff. (Eine „Subventionierung“ der neuen Aktionäre solle nämlich nur mit Zustimmung der Altaktionäre möglich sein.). 62 Goette, AG 2006, 522, 525. 63 Goette, AG 2006, 522, 527. 64 Der Beschluss in der Sache Stuttgarter Hofbräu datiert vom 20. November 2006, der Beitrag Goettes basiert auf einem Vortrag vom 10. Februar 2006; siehe Goette, AG 2006, 522, in der einführenden Fußnote.

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Erkennbar ist aber in der Rechtsprechung des BGH durchweg ein Abstellen auf den Eingriff in die Aktionärsrechte, weswegen es nicht überrascht, dass der Ansatz des BGH in der Literatur vielfach als „Eingriffslösung“ bezeichnet wird.65 Jedenfalls den organisationsrechtlichen Ansichten hat der BGH allerdings in den GelatineUrteilen eine ausdrückliche Absage erteilt.66 Er stellte – unter Bezugnahme auf Lutter und weitere Autoren – klar, dass das Holzmüller-Urteil nicht dahingehend verstanden werden könne, dass der Hauptversammlung der Obergesellschaft ein weiter Bereich grundlegender Geschäftsführungsaufgaben zukomme.67 Auch eine Stärkung des Einflusses der Aktionäre auf die Konzernbildung und -leitung sei lediglich ein Reflex der Rechtsprechung.68 Als Zwischenergebnis lässt sich damit bereits an dieser Stelle festhalten, dass sich die organisationsrechtlich orientierten Ansichten nicht mehr vertreten lassen, ohne sich in offenen Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH zu setzen. Der Blick ist daher insbesondere auf die mitgliedschaftsbezogenen Ansichten zu richten. bb) Schutzzweckerwägungen Der BGH scheint sich in Holzmüller, Gelatine und Stuttgarter Hofbräu von einer Kombination aus verbandsrechtlichen und vermögensrechtlichen Erwägungen leiten zu lassen. Sehr deutlich ist zunächst als verbandsrechtlicher Ansatzpunkt die Betonung des Eingriffs in die „Mitgliedsrechte der Aktionäre“ als rechtfertigender Grund für die ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten.69 Dies stellt allerdings nur den allgemeinen Obersatz der Prüfung dar. Wie das Holzmüller-Urteil und die Gelatine-Urteile dann ausführlich beschreiben, besteht die konkrete Beeinträchtigung der Mitgliedsrechte darin, dass „eine weitere hierarchische Ebene geschaffen und damit der Einfluß der herrschenden Obergesellschaft und deren Hauptversammlung auf die Führung der Geschäfte, aber auch auf die Entscheidung über die Gewinnverwendung und andere Maßnahmen“70 abnimmt. Für den Fall der wirtschaftlichen Ausgliederung in Holzmüller lag diese Schwächung der Aktionärsrechte konkret darin, dass die Aktionäre die Möglichkeit verloren, „im Rahmen der gemäß § 119 AktG der Hauptversammlung vorbehaltenen Befugnisse den Einsatz des abgespaltenen Betriebskapitals, das Risiko seines Verlusts und die Verwendung seiner Erträge unmittelbar zu beeinflussen.“71 In Gelatine resultierte die Gefahr für die Aktionäre konkret daraus, dass die Leitungsorgane der 65 So etwa Renner, NZG 2002, 1091, 1092; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 806; Wagner, DStR 2004, 141, 142. 66 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 39 („Gelatine I“). 67 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 39 („Gelatine I“). 68 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 39 („Gelatine I“). 69 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 131 („Holzmüller“); BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 („Gelatine I“). 70 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 47 („Gelatine I“). 71 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 136 („Holzmüller“).

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Enkelgesellschaft „den Rahmen für ihr Handeln nunmehr nicht mehr durch den von der Hauptversammlung kontrollierten Vorstand der Muttergesellschaft, sondern von dem organschaftlichen Vertreter der zwischengeschalteten Tochtergesellschaft“72 vorgegeben erhalten. Etwas abstrakter formuliert resultierte die mitgliedschaftliche Schwächung des Aktionärseinflusses also daraus, dass künftig der Vorstand der Obergesellschaft die Aktionärsrechte bezüglich der Beteiligung an der Tochtergesellschaft ausüben konnte, auf welche der Seehafenbetrieb ausgegliedert wurde,73 bzw. der Vorstand der Tochtergesellschaft die Aktionärsrechte bezüglich der hierarchisch auf die Ebene einer Enkelgesellschaft verlagerten vormaligen Tochtergesellschaft.74 Darüber hinaus findet auch die vermögensrechtlich orientierte Auffassung einen Ansatzpunkt in der Rechtsprechung des BGH.75 Namentlich heißt es in Gelatine, neben der Mediatisierung solle „[z]ugleich […] der Schutz der Anteilseigner vor einer durch grundlegende Entscheidungen des Vorstands eintretenden nachhaltigen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung gewährleistet werden“.76 Dies klingt auf den ersten Blick in der Tat nach einem neben den Mediatisierungseffekt tretenden gleichwertigen Schutzzweckbelang. Dagegen, dass der BGH den Vermögensschutz der Aktionäre zu einem gleichwertigen, kumulativ zum Mediatisierungseffekt zu prüfenden oder gar allein ausreichenden Schutzzweckbelang erheben wollte, spricht aber, dass er diesen weder in Gelatine noch in Stuttgarter Hofbräu in der Folge weiter geprüft hat.77 Dies wäre aber erforderlich gewesen, wenn es sich um ein eigenständiges Kriterium handeln würde.78 Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass der BGH den Vermögensschutz der Aktionäre der Obergesellschaft zwar adressiert, dieser aber nach der bisherigen Rechtsprechung keinen gleichwertigen bzw. gar eigenständigen Schutzzweckbelang neben der Reduzierung des mitgliedschaftlichen Einflusses darstellt.79 Vielmehr sorgt der BGH durch seine Rechtsprechung für einen Vermögensschutz auf „zweiter Stufe“, der indes nur aus dem Schutz der mitgliedschaftlichen Rechtsposition resultiert. Gerade weil der mitgliedschaftliche Einfluss der Aktionäre hinsichtlich des verlagerten Vermögensteils reduziert wird, eröffnet dies dem Vorstand in einem zweiten Schritt hinsichtlich dieses Vermögensteils die Möglichkeit, weitere Maßnahmen vorzunehmen, welche dann zu einer konkreten 72

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 47 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136 f. („Holzmüller“). 74 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 47 („Gelatine I“). 75 Siehe auch Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 65. 76 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 („Gelatine I“). 77 Habersack, AG 2005, 137, 139; Hofmeister, NZG 2008, 47, 49; vgl. auch Staake, WuB II A., § 119 AktG, 1.10 (2010), 399, 402; ders., Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 65. 78 Habersack, AG 2005, 137, 139; Hofmeister, NZG 2008, 47, 49. 79 Habersack, AG 2005, 137, 139; Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 268. 73

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Vermögensbeeinträchtigung der Aktionäre der Obergesellschaft führen können. Dies betont der BGH in Holzmüller, da nach der Ausgliederung des Seehafenbetriebs die Gefahr bestehe, dass „der Vorstand namentlich durch Unternehmensverträge mit einem Dritten oder durch Aufnahme fremder Gesellschafter, etwa im Wege einer Kapitalerhöhung, die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre in der Obergesellschaft vollends aushöhlt; damit können zugleich (wie z. B. bei einem zu niedrigen Ausgabekurs für neue Aktien) konkrete Vermögensverluste verbunden sein“.80 Man kann somit sagen, dass die Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung primär einen verbandsrechtlichen Schutz vor tiefen Eingriffen in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre durch an sich autonome Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands bezweckt, hierdurch aber auch zu einem Präventivschutz vor späteren Vermögensbeeinträchtigungen der Aktionäre führt. Umgekehrt lässt sich der Rechtsprechung des BGH allerdings nicht entnehmen, dass nach ihrem derzeitigen Stand ein eigenständiger Schutz vor Vermögensbeeinträchtigungen durch die Maßnahme selbst bezweckt wird. Auch die von Fleischer und Mülbert angesprochene Differenzierung zwischen verschiedenen Aktionärstypen ist zwar für die künftigen Erwägungen äußerst hilfreich,81 findet jedoch bisher keinen Anklang in den verbandsrechtlichen Erwägungen des BGH.82 cc) Notwendigkeit des Mediatisierungseffekts Bei diesem Verständnis des Schutzzwecks liegt es nahe, dass gerade der Mediatisierungseffekt typisches Kennzeichen derjenigen Fälle ist, in welchen ein verbandsrechtlicher Schutz vor solchen tiefen Eingriffen in die Mitgliedschaftsrechte, welche auch zu späteren Vermögensbeeinträchtigungen der Aktionäre führen können, erforderlich ist. Weniger eindeutig ist hingegen, ob von diesem Schutzzweck auch außergewöhnliche Leitungsmaßnahmen erfasst sein können, welche jedoch keinen Mediatisierungseffekt aufweisen. Als Ausgangspunkt der Überlegungen hierzu steht jedenfalls der folgende Befund fest: Der BGH hat zunächst in zwei Entscheidungen, in denen ein Mediatisierungseffekt gegeben war (bei der wirtschaftlichen Ausgliederung in Holzmüller und der Verenkelung in Gelatine), ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis bejaht. In einer Entscheidung (Stuttgarter Hofbräu) wurde ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis gerade unter ausschließlicher Berufung auf den fehlenden Mediatisierungseffekt abgelehnt. Jedenfalls ist damit noch kein Fall vom BGH nach den Grundsätzen von Holzmüller/Gelatine entschieden worden,83 in welchem ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis bejaht wurde, obwohl ausdrücklich kein Mediatisierungseffekt gegeben war. 80 81 82 83

BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 137 („Holzmüller“). Hierzu noch ausführlich unter Teil 4 B.II.1.a)bb). So auch Staake, WuB II A., § 119 AktG, 1.10 (2010), 399, 402. Zu den Entscheidungen in Macrotron und Frosta noch sogleich.

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Eine gewisse Einschränkung könnte diese Aussage allerdings durch den zweiten Teil des Holzmüller-Urteils erfahren. Hier bejahte der BGH auf den hilfsweisen Feststellungsantrag hin die Mitwirkungsbedürftigkeit bei einer Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft.84 Ob der BGH auch einer Kapitalerhöhung in einer Tochtergesellschaft einen Mediatisierungseffekt beimisst, ist dem Urteil jedenfalls nicht eindeutig zu entnehmen. Weiterhin könnte gegen die zwingende Notwendigkeit eines Mediatisierungseffekts angeführt werden, dass der BGH als mögliche zustimmungsbedürftige Maßnahmen in einer Tochtergesellschaft, die zu einer weiteren Aushöhlung der Aktionärsrechte führen können, auch den Abschluss von Unternehmensverträgen mit Dritten nennt85 bzw. noch allgemeiner postuliert, die Aktionäre der Obergesellschaft müssten an „wichtigen Grundentscheidungen in der Tochtergesellschaft, die sich auf ihre eigene Rechtsstellung nachhaltig auswirken können“, intern genauso beteiligt werden, wie das bei entsprechenden Maßnahmen auf Ebene der Obergesellschaft der Fall sei.86 Dabei wird ebenfalls nicht klar, ob der BGH hiermit nur Maßnahmen im Auge hatte, denen er einen Mediatisierungseffekt beimisst. Den Aktionären der Obergesellschaft auch in den genannten Konstellationen ein Mitspracherecht einzuräumen, könnte aber eher auf dem Gedanken des BGH beruht haben, dass sich die Mitspracherechte hinsichtlich des mediatisierten, nun in der Tochtergesellschaft befindlichen Vermögens, deswegen in die Tochtergesellschaft verlängern, da die Ausgliederung ohne die erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung erfolgt war. Ob dies aber auch gelten soll, wenn der Ausgliederung bereits zugestimmt wurde oder wenn die Vermögensverlagerung anderweitig erfolgt ist, hat der BGH ausdrücklich offen gelassen.87 Dennoch verbleiben zunächst gewisse Zweifel an der zwingenden Notwendigkeit eines Mediatisierungseffekts. Diesen Zweifeln lassen sich allerdings folgende Überlegungen entgegensetzen. In Bezug auf den Fall der Kapitalerhöhung in einer Tochtergesellschaft legt die Rhetorik des BGH es durchaus nahe, dass der BGH auch in einer solchen Maßnahme eine (weitere) Mediatisierung der Aktionärsrechte erblickt. Dies gilt jedenfalls soweit die Muttergesellschaft an einer Barkapitalerhöhung der Tochter teilnimmt, da hierdurch die Barmittel „einem anderen Rechtsträger mit der Folge zugeführt [werden], daß sich Schwergewicht und Risiken des Kapitaleinsatzes und die entsprechenden Machtbefugnisse der Verwaltung noch stärker auf die Tochtergesellschaft verlagern.“88 Einen weiteren ganz entscheidenden Anhaltspunkt liefert die jüngere Rechtsprechung des BGH in Stuttgarter Hofbräu, welche stark in Richtung der Not-

84 85 86 87 88

BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 141 ff. („Holzmüller“). BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 137 („Holzmüller“). BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 138 („Holzmüller“). BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 138 („Holzmüller“). BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 143 („Holzmüller“).

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wendigkeit eines Mediatisierungseffekts deutet.89 Wenn nach der Rechtsprechung des BGH der Mediatisierungseffekt tatsächlich nicht das einzige qualitative Kriterium wäre, welches geeignet ist, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszulösen, so hätte es in Stuttgarter Hofbräu nach der Verneinung des Vorliegens des Mediatisierungseffekts in der Folge einer Prüfung weiterer denkbarer Kriterien bedurft.90 Insbesondere nach der Ansicht, welche auch außergewöhnliche Leitungsmaßnahmen ohne einen Mediatisierungseffekt für eine Zustimmungsbedürftigkeit genügen lassen will, stellt die Veräußerung von Gesellschaftsvermögen (assets) im Allgemeinen und von Beteiligungen im Speziellen geradezu einen Paradefall einer solchen potentiell zustimmungsbedürftigen Leitungsmaßnahme ohne Mediatisierungseffekt dar.91 Da der BGH hierauf aber nach der Ablehnung des Mediatisierungseffekts nicht mehr eingegangen ist, kann hieraus nur geschlossen werden, dass außergewöhnliche Leitungsmaßnahmen ohne einen Mediatisierungseffekt nach Auffassung des BGH qualitativ gerade nicht geeignet sind, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszulösen. Dem folgt, mit Verweis auf Stuttgarter Hofbräu, auch das OLG Köln im Fall Strabag/Ed. Züblin, welchem die Veräußerung eines Betriebsteils zugrunde lag.92 Auch das BVerfG hat im Übrigen in seinem Nichtannahmebeschluss im Fall Strabag/Ed. Züblin zwar betont, dass das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum die mitgliedschaftliche Stellung schützt, dass aber in der Veräußerung eines Unternehmensteils „grundsätzlich“ keine Verkürzung der mitgliedschaftlichen Rechte liege und daher die mitgliedschaftliche Komponente des Aktieneigentums „in der Regel“ nicht berührt werde.93 Zwar schließen die Äußerungen des BVerfG damit auch nicht vollständig aus, dass eine Verletzung von Art. 14 GG auch bei Strukturmaßnahmen ohne Mediatisierungseffekt vorliegen könnte. Die Entscheidung des BVerfG kann man indes im Grundsatz dahingehend verstehen, dass bei Strukturmaßnahmen ohne Mediatisierungseffekt ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis – jedenfalls mit Blick auf Art. 14 GG – grundsätzlich nicht geboten ist. Hieraus lässt sich noch eine weitere Annahme ableiten. Da der BGH in Frosta die Macrotron-Rechtsprechung gerade deswegen aufgegeben hat,94 da das BVerfG judiziert hatte, dass beim Delisting ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfor89 So auch Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 66. 90 Ähnlich Hofmeister, NZG 2008, 47, 49. 91 Siehe Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 68 f.; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30f f.; Hüffer, AktG, 10. Aufl. (2012), § 119 Rn. 18a (anders nun aber Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 22); nicht ausdrücklich Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 25. 92 OLG Köln, Urt. v. 15. 1. 2009 – 18 U 205/07, Rz. 113, juris („Strabag/Ed. Züblin“). 93 BVerfG, Beschl. v. 7. 9. 2011 – 1 BvR 1460/10, Rz. 16 f., juris („Strabag/Ed. Züblin“). 94 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, NZG 2013, 1342 („Frosta“).

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

dernis verfassungsrechtlich mit Blick auf Art. 14 GG nicht geboten sei,95 lässt es die Entscheidung des BVerfG in Strabag/Ed. Züblin auch als äußerst unwahrscheinlich erscheinen, dass der BGH Strukturmaßnahmen ohne Mediatisierungseffekt künftig nicht nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen, sondern in einer „Wiederbelebung“ des Begründungsansatzes der Macrotron-Rechtsprechung – entgegen der Entscheidung des BVerfG – über Art. 14 GG rechtfertigen würde. Zusammenfassend lässt sich somit zwar nicht mit abschließender Sicherheit sagen, ob der BGH nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen einen Mediatisierungseffekt als einziges qualitatives Kriterium anerkennt, welches ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis zu rechtfertigen im Stande ist. Sowohl der herausgearbeitete Schutzzweck der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse als auch die Entwicklung der Rechtsprechung des BGH deuten allerdings stark darauf hin. Die Annahme der Notwendigkeit eines Mediatisierungseffekts auch beim Beteiligungserwerb zur Begründung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses ist daher den weiteren Ausführungen in diesem Teil der Arbeit zugrunde zu legen. 2. Grundkonzept des Mediatisierungseffekts Der Begriff der Mediatisierung ist der Geschichtswissenschaft entlehnt. Dort bezeichnen die Historiker mit dem Begriff der Mediatisierung den durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 herbeigeführten Effekt.96 Hier wurde eine Vielzahl von bis dato nur dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches unterstellten reichsunmittelbaren Städte den jeweiligen Landesherren unterstellt;97 es handelte sich also abstrahiert um die „Mittelbarmachung“ einer ursprünglich unmittelbaren Rechtsstellung. Der vorher unmittelbar bestehende Einfluss des Kaisers auf die ehemals reichsunmittelbaren Städte wurde somit durch die Einziehung einer hierarchischen Zwischenebene in Form der Landesherren mittelbar gemacht. Überraschend ist zunächst der Befund, dass trotz der Prominenz des Begriffs in der juristischen Literatur bisher kaum Bemühungen zur Erarbeitung einer umfassenden, allgemeingültigen Definition des Mediatisierungseffekts erfolgt sind.98 Auch wird die Diskussion über die Reichweite des Mediatisierungseffekts nicht abstrakt geführt. Vielmehr kommt ein unterschiedliches Begriffsverständnis erst im Zusammenhang mit der Bewertung verschiedener Maßnahmen, bezüglich derer sich 95

BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 @ 1 BvR 3142/07, WM 2012, 1378 f. („Macrotron“). Schäfer, in: Lexikon der deutschen Geschichte, 3. Aufl. (1998), S. 827 f. 97 Schäfer, in: Lexikon der deutschen Geschichte, 3. Aufl. (1998), S. 827 f. (so wurden durch den Reichsdeputationshauptschluss zunächst 41 Reichsstädte mediatisiert, 1806 folgten nochmals weitere 70 Städte); hierzu auch Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 233. 98 Definitionen in Bezug auf die bisher entschiedenen Fälle finden sich bei Habersack, AG 2005, 137, 145 und Staake, WuB II A., § 119 AktG, 1.10 (2010), 399, 401; ders., Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 64. 96

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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die Frage nach dem Bestehen eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses stellt, zum Ausdruck. Der Meinungsstand, soweit er als solcher bezeichnet werden kann, ist dadurch recht unübersichtlich. In der bisherigen Rechtsprechung wurde das Grundkonzept der Mediatisierung vom BGH vor allem in Holzmüller und Gelatine entwickelt, wobei der BGH erst in Gelatine die Begrifflichkeit verwendete, allerdings dann auch rückbezogen auf den Fall Holzmüller.99 Als gesichert kann daher gelten, dass der BGH hinsichtlich der Ausgliederung in Holzmüller und hinsichtlich der Verenkelung in Gelatine einen Mediatisierungseffekt als gegeben ansieht.100 Somit sind diese eindeutigen Fälle als Ausgangspunkt heranzuziehen, um daraus die Leitlinien des Mediatisierungseffekts zu entwickeln. a) Bezugspunkt des Mediatisierungseffekts Oft begegnet in der Literatur die Formulierung, es gehe bei der HolzmüllerRechtsprechung um eine Mediatisierung der Aktionärsrechte.101 Die Lektüre der Gelatine-Urteile macht indes deutlich, dass diese Formulierung nicht ganz präzise ist. Der BGH spricht von einer „Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre“.102 Bezieht man den vorhergehenden Halbsatz mit ein, so wird das Bild deutlicher. Bezugspunkt der Mediatisierung sind demnach die „entscheidend wichtige[n] Teile des Unternehmens“.103 Es ging also im Falle der Ausgliederungs- bzw. Verenkelungskonstellation um die Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre der Obergesellschaft auf den ausgegliederten Unternehmensteil bzw. die verenkelte Tochtergesellschaft. Noch stärker abstrahiert geht es um die Möglichkeit, das von den Aktionären in die Obergesellschaft investierte „Betriebskapital“ unmittelbar (oder jedenfalls mittelbar) beeinflussen zu können, also Einfluss über „das Risiko seines Verlusts und die Verwendung seiner Erträge“104 ausüben zu können. Diese Betrachtung ist stimmig, da die Mitgliedschaftsrechte sich nur auf die Gesellschaft im Allgemeinen beziehen.105 Bei formaler Betrachtung haben die Aktionäre aber vor und nach dem Vollzug der Ausgliederung bzw. der Verenkelung dieselben mitgliedschaftlichen Rechte in Bezug auf die Gesellschaft,106 denn sie können unverändert ihre Mitverwaltungs- und Vermögensrechte ausüben. Inhaltlich 99

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40, 47 („Gelatine I“). 101 Siehe etwa Pentz, in: Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 17 Rn. 155; Göckeler, in: Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. (2009), § 28 Rn. 24. 102 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 („Gelatine I“). 103 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 („Gelatine I“). 104 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136 („Holzmüller“). 105 Dies klarstellend schon Lutter, in: Festschrift für Westermann (1974), S. 347, 351. 106 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 364; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 169 f.; Staake, WuB II A., § 119 AktG, 1.10 (2010), 399, 401; ders., Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 64. 100

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

verändert wird allerdings das Bezugsobjekt der Mitgliedschaftsrechte insofern, als das Gesellschaftsvermögen umstrukturiert wird.107 An die Stelle des Seehafenbetriebs tritt dann beispielsweise eine Beteiligung an einer Tochtergesellschaft in der sich der Seehafenbetrieb befindet. Bezugspunkt des Mediatisierungseffekts ist bei genauerer Betrachtung also das weggegebene bzw. verlagerte Gesellschaftsvermögen,108 mit den Worten des BGH das „Betriebskapital“ bzw. die „Betriebsmittel“109. Weiterhin fällt hier auf, dass die Vermögensverlagerung in Holzmüller und Gelatine jeweils eigenständige, operative Betriebsteile, also den Seehafenbetrieb bzw. ganze Tochtergesellschaften, betraf. Dadurch wurde die Frage einer Verlagerung von Barmitteln in der Rechtsprechung des BGH noch nicht aufgeworfen. b) Faktische Reduzierung des Aktionärseinflusses Auch die Art, wie der Aktionärseinfluss auf das betrachtete Gesellschaftsvermögens reduziert wurde, verlief in Holzmüller und Gelatine parallel. In beiden Fällen geschah dies durch eine Verlagerung von Gesellschaftsvermögen auf eine tiefere hierarchische Ebene. Damit ging den Aktionären der Obergesellschaft in Holzmüller die Möglichkeit verloren, den Einsatz des verlagerten „Betriebskapitals“ durch Ausübung ihrer Aktionärsrechte unmittelbar zu beeinflussen,110 da nun der Vorstand der Obergesellschaft die Aktionärsrechte an der Tochtergesellschaft ausübte, in der sich der Seehafenbetrieb befand. Den Aktionären verblieb nur die Möglichkeit der mittelbaren Einflussnahme auf bzw. über ihren Vorstand. In Gelatine bestand zwar schon anfänglich keine unmittelbare Einflussmöglichkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft durch Ausübung von Aktionärsrechten in Bezug auf das in den später verenkelten Tochtergesellschaften befindliche „Betriebskapital“, allerdings genügte es nach der Argumentation des BGH auch, dass die Aktionärsrechte hinsichtlich der verenkelten Gesellschaften nun von der Geschäftsführung der zwischengeschalteten Tochtergesellschaft ausgeübt werden konnten und nicht mehr vom Vorstand der Obergesellschaft.111 Hierdurch nahm der „Einfluß der herrschenden Obergesellschaft und deren Hauptversammlung auf die Führung der Geschäfte, aber auch auf die Entscheidung über die Gewinnverwendung und andere Maßnahmen“112 (weiter) ab. Beide Fälle waren also durch die Besonderheit der hierarchischen Vermögensverlagerung geprägt und weiterhin dadurch, dass es sich jeweils um rein konzerninterne Verschiebungen von Einfluss handelte. Mithin wurde in diesen Fällen keinem 107 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 363 f.; ähnlich Renner, NZG 2002, 1091, 1093. 108 So auch Hüffer, WuB II A., § 119 AktG, 1.11 (2011), 201, 204; Wilhelm, WuB II A., § 120 AktG, 1.12 (2012), 351, 354. 109 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136, 143 („Holzmüller“). 110 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136 („Holzmüller“). 111 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 47 („Gelatine I“). 112 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 47 („Gelatine I“).

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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Dritten Einfluss eingeräumt, sondern die Möglichkeit, das verlagerte Gesellschaftsvermögen zu beeinflussen, verschob sich von den Aktionären der Obergesellschaft weg, hin auf eine tiefere Konzernebene. Im Detail kann diese Reduzierung des Einflusses der Aktionäre auch an der faktischen Verkürzung der einzelnen mitgliedschaftlichen Rechte festgemacht werden. Die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre werden gemeinhin unterteilt in Mitverwaltungs- und Vermögensrechte.113 Von den Mitverwaltungsrechten der Aktionäre sind im vorliegenden Kontext das Recht zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder (§ 101 AktG), welche wiederum den Vorstand bestellen (§ 84 AktG), sowie die Möglichkeit, über die Entlastung der für die Geschäftsführung und deren Überwachung zuständigen Organe zu entscheiden (§ 120 AktG), von maßgeblicher Bedeutung, von den Vermögensrechten insbesondere das Recht zur Entscheidung über die Gewinnverwendung (§ 174 AktG). Der BGH rekurrierte in Holzmüller insbesondere auf die Verwendung des Jahresüberschusses, bei welcher der Vorstand nach der Vermögensverlagerung in der Tochtergesellschaft „praktisch keinen Beschränkungen unterliegt“.114 Es besteht namentlich die Gefahr, dass die mithilfe des verlagerten Gesellschaftsvermögens erwirtschafteten Überschüsse auf Ebene der Tochtergesellschaft thesauriert werden (hierzu noch ausführlich unter F.III.3.) und dadurch das Gewinnverwendungsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft wirtschaftlich ausgehöhlt wird. Auch können die Aktionäre den Vorstand der Tochtergesellschaft mithilfe ihrer Mitverwaltungsrechte hinsichtlich des verlagerten Gesellschaftsvermögens nicht gleich effektiv überwachen wie bisher den Vorstand der Obergesellschaft, sodass es auch diesbezüglich zu einer faktischen Rechtsverkürzung der Aktionäre der Obergesellschaft kommt. Plastisch drückt der BGH dies so aus: „Wichtige Entscheidungen werden auf diese Weise mit dem übertragenen Geschäftsvermögen aus der Ober- in die Tochtergesellschaft verlegt.“115 Weiterhin könnten in der Tochtergesellschaft dann Unternehmensverträge mit Dritten geschlossen und fremde Gesellschafter aufgenommen werden, etwa im Wege einer Kapitalerhöhung, und so die „Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre in der Obergesellschaft vollends aushöhlt“116 werden, ohne dass die Aktionäre der Obergesellschaft grundsätzlich zu beteiligen wären. In Gelatine wurden die ohnehin nur mittelbaren mitgliedschaftlichen Einflussmöglichkeiten der Aktionäre der Obergesellschaft, welche durch den Vorstand der Obergesellschaft vermittelt wurden, weiter reduziert, sodass insbesondere „der Einfluß der herrschenden Obergesellschaft und deren Hauptversammlung auf die 113 Siehe nur Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), Vor §§ 118 – 147 Rn. 204 (auch mit Nachweisen zur feingliedrigeren Differenzierung); Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 118 Rn. 35; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 118 Rn. 7 ff. 114 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 137 („Holzmüller“). 115 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 137 („Holzmüller“). 116 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 137 („Holzmüller“).

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

Führung der Geschäfte, aber auch auf die Entscheidung über die Gewinnverwendung und andere Maßnahmen dieses nunmehr zu einer Enkelgesellschaft gewordenen Unternehmens“117 (weiter) abnahm. Entscheidend war weiterhin, dass die Leitungsorgane der Enkelgesellschaft „den Rahmen für ihr Handeln nunmehr nicht mehr durch den von der Hauptversammlung kontrollierten Vorstand der Muttergesellschaft, sondern von dem organschaftlichen Vertreter der zwischengeschalteten Tochtergesellschaft vorgegeben“ bekamen, „der seine Berufung einer nach § 76 AktG getroffenen Entscheidung des Vorstandes der Muttergesellschaft verdankt.“118 Damit ist der Einfluss der Aktionäre der Obergesellschaft auf die Besetzung und Überwachung der Organe angesprochen, welcher ebenfalls abgeschwächt wird, wenn nun die Organe der Enkelgesellschaft für die Entscheidungen in Bezug auf das verlagerte Vermögen zuständig sind, auf deren Besetzung und Überwachung die Aktionäre der Obergesellschaft aber nur noch äußerst mittelbaren Einfluss ausüben können. Festzuhalten ist also, dass der BGH nicht auf eine rechtliche Reduzierung der Aktionärsrechte abstellt, sondern auf eine faktische Reduzierung aufgrund der hierarchischen Verlagerung von Gesellschaftsvermögen, welches den Bezugspunkt des Mediatisierungseffekts darstellt. c) Berücksichtigung der „Gegenleistung“ Eine „Gegenleistung“ für die Weggabe bzw. Verlagerung des Gesellschaftsvermögens kann (bei weitem Verständnis des Begriffs) in Holzmüller und Gelatine jeweils in der im Gegenzug eingeräumten Beteiligung an derjenigen Gesellschaft gesehen werden, in welche das Vermögen verlagert wurde. Es lag mithin in der Natur der Sache, dass der mittelbare Einfluss gerade durch diese Beteiligung vermittelt wurde. Bei der Beurteilung der Mediatisierung ist also nicht nur das weggegebene bzw. verlagerte Vermögen zu betrachten, sondern insbesondere auch die hierauf eingeräumten Einflussmöglichkeiten. Untechnisch gesprochen könnte man die Mediatisierung auch als die Differenz zwischen der vormals bestehenden Einflussmöglichkeit der Aktionäre auf das Gesellschaftsvermögen und der nach der Vermögensverlagerung bestehenden Einflussmöglichkeit bezeichnen. Mangels Beteiligung eines konzernexternen Dritten an der jeweiligen Maßnahme stellte sich in Holzmüller und Gelatine aber nicht die Frage, wie der Zufluss der Gegenleistung eines Dritten zu würdigen ist.

117 118

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 47 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 47 („Gelatine I“).

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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d) Instrument des Eingriffs und Auswirkungen auf die interne Kompetenzordnung Auch das Instrument des Eingriffs war in Holzmüller und Gelatine dasselbe. Namentlich handelte es sich jeweils um eine autonome Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands. Die faktische Reduzierung des Aktionärseinflusses war also deswegen möglich, da die betroffene Maßnahme – die Ausgliederung des Seehafenbetriebs bzw. die Verenkelung der vormaligen Tochtergesellschaft – eine an sich zustimmungsfreie Geschäftsführungsmaßnahme darstellte. Mit Blick auf die interne Kompetenzordnung führte diese Geschäftsführungsmaßnahme dazu, dass mit dem verlagerten Vermögen faktisch Kompetenzen weg von der Hauptversammlung verlagert wurden.119 e) Zusammenfassung Zusammenfassend kann zum Grundkonzept des Mediatisierungseffekts festgehalten werden: Bezugspunkt des Mediatisierungseffekts ist das Gesellschaftsvermögen, auf welches der Einfluss der Aktionäre der Obergesellschaft faktisch reduziert wird, indem es zu einer Verlagerung des Vermögens auf eine hierarchisch tiefere Ebene im Gegenzug gegen die Gewährung von Anteilen kommt, wobei Instrument des Eingriffs eine an sich vorstandsautonome Geschäftsführungsmaßnahme ist, welche dazu führt, dass der Vorstand die Kompetenzen der Hauptversammlung faktisch verkürzt. 3. Mediatisierungseffekt beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel Meist, dies hat auch die Analyse der älteren Literatur gezeigt,120 steht der Beteiligungserwerb gegen Barmittel im Fokus der Betrachtung. Bei genauerer Betrachtung ist ein Beteiligungserwerb gegen Barmittel in zwei Unterformen möglich. Erstens kann eine von der veräußernden Gesellschaft gehaltene Beteiligung an der Zielgesellschaft im Wege des einfachen Kaufs gegen Barmittel erworben werden. Zweitens kann auch im Wege der Kapitalerhöhung gegen Bareinlage bei der „Zielgesellschaft“ eine Beteiligung an dieser erworben werden. Vorrangig soll hier der erstgenannte Fall betrachtet werden. Grundsätzlich lassen sich die Überlegungen aber auch auf den zweiten Fall übertragen.

119 120

BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 137 („Holzmüller“). Siehe nochmals unter Teil 2 C.II.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

a) Meinungsbild Bei der Beurteilung des Mediatisierungseffekts beim Einsatz von Barmitteln lassen sich zwei prinzipielle Meinungen erkennen, von denen eine einem engen Verständnis des Mediatisierungsbegriffs folgt, die andere einem weiteren Verständnis. Diese Ansichten unterscheiden sich darin, welche Bestandteile des Gesellschaftsvermögens für mediatisierungsfähig gehalten werden, namentlich, ob auch Barmittel mediatisierungsfähig sind. Gemeinsamer gedanklicher Ausgangspunkt beider Ansichten ist jedoch, dass es durch einen Beteiligungserwerb gegen Barmittel zu einer Verlagerung dieser Barmittel auf die Ebene der erworbenen Beteiligung kommt. aa) Enge Ansicht: keine Mediatisierungsfähigkeit von Barmitteln Nach einer Ansicht tritt bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel kein (ausreichender) Mediatisierungseffekt ein.121 Nach einer beachtlichen Zahl von Stimmen innerhalb dieser Ansicht setzt eine Mediatisierung nämlich voraus, dass dem Einfluss der Aktionäre „unternehmerische Aktivität“ bzw. „unternehmerische Substanz“ entzogen wird.122 Manche Stimmen innerhalb dieser Ansicht bejahen hingegen einen Mediatisierungseffekt grundsätzlich bzw. halten diesen für naheliegend, gehen jedoch trotzdem davon aus, dieser sei dem Effekt bei einer Ausgliederung nicht gleichzustellen und daher nicht geeignet ein Zustimmungserfordernis auszulösen.123 Denn – und hierbei handelt es sich um das allgemeinste Argument, das wohl von allen Vertretern dieser Auffassung geteilt werden dürfte – bei 121 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 66, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“); Hölters, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 93 Rn. 221; Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 21; Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 17; Marsch-Barner, in: Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. (2014), § 31 Rn. 34; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 71; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 10; Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 273; Kiefner, ZIP 2011, 545, 547 f.; Bodenbrenner/Grewe, Der Konzern 2011, 547, 550; Reichert, AG 2005, 150, 156 f.; Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 72; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1577; Götze, NZG 2004, 585, 588; Wagner, DStR 2004, 141, 142; Renner, NZG 2002, 1091, 1092 ff.; Busch, AG 2002, 145, 148; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 183; Groß, AG 1994, 266, 273 ff.; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1109; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze (1980), S. 142; vorsichtiger Bungert, BB 2004, 1345, 1351. 122 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 66, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“); Hölters, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 93 Rn. 221; Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 21; Reichert, AG 2005, 150, 156 f.; Wagner, DStR 2004, 141, 143; Renner, NZG 2002, 1091, 1092; ähnlich Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze (1980), S. 142. 123 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 71; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 10; Kiefner, ZIP 2011, 545, 548; Reichert, AG 2005, 150, 156 f.; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1109; ähnlich Bodenbrenner/Grewe, Der Konzern 2011, 547, 550; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1577; Götze, NZG 2004, 585, 588, Fn. 39.

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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dem Einsatz von Barmitteln zum Beteiligungserwerb handele es sich lediglich um eine Frage der Mittelverwendung, für welche die Hauptversammlung aber nicht zuständig sei.124 Teilweise wird auch noch darauf verwiesen, dass Barmittel ohnehin nur einem beschränkten Einfluss durch die Hauptversammlung unterliegen, namentlich der Gewinnverwendungsentscheidung.125 Durch eine Verlagerung von Barmitteln in die Beteiligung werde das Gewinnverwendungsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft aber nicht beeinträchtigt, da ein Gewinnanspruch nur nach Maßgabe des Gewinnverwendungsbeschlusses auf Basis des festgestellten Bilanzgewinns bestehe; gegebenenfalls auf Ebene der erworbenen Beteiligung thesaurierte Überschüsse seien aber schon nicht Teil des Bilanzgewinns der Obergesellschaft.126 Von einigen Vertretern dieser Ansicht wird sogar argumentiert, es fehle deswegen an einem Schutzbedürfnis der Aktionäre, da beim Beteiligungserwerb im Gegenteil ein Zuwachs an „unternehmerischer Substanz“ erfolge.127 Dazu, wann genau „unternehmerische Aktivität“ oder „unternehmerische Substanz“ betroffen ist, äußern sich die Vertreter dieser Auffassung allerdings nicht ausdrücklich. Primär dienen diese Begriffe wohl ohnehin der Abgrenzung zu Barmitteln, sodass Barmittel jedenfalls nicht unternehmerische Aktivität oder unternehmerische Substanz im Sinne dieser Auffassung sein können.128 Gemeint sein dürften vielmehr operativ eigenständige Betriebsteile bzw. die hierzu erforderlichen Produktionsmittel.129 Im Holzmüller-Fall war dieses so verstandene Kriterium erfüllt, da der operativ eigenständige Seehafenbetrieb mit allen Aktiva und Passiva übertragen wurde. Auch die Gelatine-Fälle waren insofern eindeutig, da hier operativ tätige Tochtergesellschaften von der Verenkelung betroffen waren. Diese Ansicht interpretiert die für die Mediatisierung notwendige Vermögensverlagerung somit „gegenständlich“ und will Barmittel gerade nicht erfassen.

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So als Vertreter der letztgenannten Strömung Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 71; Bodenbrenner/Grewe, Der Konzern 2011, 547, 550; im Übrigen ebenso: Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 17; Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 273; Wagner, DStR 2004, 141, 143; Bungert, BB 2004, 1345, 1350; Renner, NZG 2002, 1091, 1093; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 183; Groß, AG 1994, 266, 273; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1109. 125 Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 273; Bodenbrenner/Grewe, Der Konzern 2011, 547, 550; Kiefner, ZIP 2011, 545, 548; Groß, AG 1994, 266, 273. 126 Kiefner, ZIP 2011, 545, 548; Wagner, DStR 2004, 141, 143 f.; Renner, NZG 2002, 1091, 1093; Groß, AG 1994, 266, 273. 127 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 66, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“); Renner, NZG 2002, 1091, 1092; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1109; speziell zum Erwerb mit fremdfinanzierten Mitteln Wagner, DStR 2004, 141, 143; ähnlich bereits Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze (1980), S. 142. 128 Vgl. auch Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung (1986), S. 163. 129 Vgl. Priester, AG 2011, 654, 658.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

bb) Weite Ansicht: Mediatisierungsfähigkeit von Barmitteln Nach dem Verständnis der Gegenansicht macht es hingegen keinen Unterschied, ob „unternehmerische Substanz“ bzw. „unternehmerische Aktivität“ von der hierarchischen Vermögensverlagerung betroffen ist oder Barmittel; entscheidend sei vielmehr, dass Gesellschaftsvermögen dem vormals bestehenden Einfluss der Aktionäre entzogen werde und dieses dann in der Tochtergesellschaft gebunden sei.130 Hierdurch verlieren die Aktionäre die Möglichkeit, den Einsatz des Kapitals, das Risiko seines Verlustes und die Verwendung seiner Erträge unmittelbar zu beeinflussen.131 Entscheidend wird auch darauf abgestellt, dass den Aktionären der Obergesellschaft durch die Verlagerung der Mittel auf eine hierarchisch tiefere Ebene – aufgrund der Möglichkeit des Vorstands in der Tochtergesellschaft Gewinne zu thesaurieren – der unmittelbare Zugriff auf dividendenfähige Gewinne entzogen werde.132 Ferner bestehe die Gefahr einer Subventionierung der außenstehenden Aktionäre der erworbenen Tochtergesellschaft, wenn diese gegen eine Einlageleistung erworben wird, welche den Anteilswert übersteigt.133

130 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 42, Fn. 204 („Die tragenden Erwägungen der ,Holzmüller‘-Entscheidung […] lassen sich denn auch ohne jede Einschränkung auf den Beteiligungserwerb übertragen.“); Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 202 Rn. 56 (hier sogar als herrschende Meinung bezeichnet); Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 34; ders., in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 82 Rn. 41; Pentz, in: Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 17 Rn. 165; Wilhelm, WuB II A., § 120 AktG, 1.12 (2012), 351, 353; Staake, WuB II A., § 119 AktG, 1.10 (2010), 399, 401; ders., Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 76; Wilsing/Goslar, EWiR § 119 AktG 1/10, 201, 202; Kiesewetter/ Spengler, Der Konzern 2009, 451, 455; Hofmeister, NZG 2008, 47, 50 f.; Adolff/Adolff, in: Festschrift für Mailänder (2006), S. 289, 298; Liebscher, ZGR 2005, 1, 24; Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 229; Zimmermann/Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 155; Wagner, Ungeschriebene Kompetenzen der Hauptversammlung (2006), S. 302; schon grundlegend Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 371; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung (1986), S. 164; ähnlich, wenn auch ohne ausdrückliche Positionierung Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 548 f. („Mit der ersten Auffassung ist jedenfalls festzuhalten, dass den Aktionären durch den Beteiligungserwerb der unmittelbare Zugriff auf dividendenfähigen Gewinn entzogen wird.“). 131 So insbes. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 371; Wilhelm, WuB II A., § 120 AktG, 1.12 (2012), 351, 353; Wilsing/Goslar, EWiR § 119 AktG 1/10, 201, 202. 132 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 42, 34; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 34; ders., in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 82 Rn. 41; Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 230; Wilhelm, WuB II A., § 120 AktG, 1.12 (2012), 351, 353; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 371 f. 133 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 34. Dieses Argument betrifft speziell den Erwerb einer Beteiligung unter 100 %, vor allem im Wege der Kapitalerhöhung gegen Bareinlage.

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

141

Diese Ansicht löst sich somit von der gegenständlichen Betrachtung der Vermögensverlagerung und betrachtet primär das wirtschaftliche Ergebnis der Transaktion. Von diesem Verständnis des Mediatisierungsbegriffs sind also sowohl auszugliedernde Betriebsteile wie im Holzmüller-Fall bzw. zu verenkelnde Gesellschaften wie in den Gelatine-Fällen erfasst, als auch Barmittel zur Finanzierung eines Beteiligungserwerbs. b) Stellungnahme Bei näherer Betrachtung funktionieren die vorgetragenen Argumente auf verschiedenen Ebenen, welche abzuschichten sind. Zu beginnen ist mit den Argumenten, die letztlich rein formaler Natur sind (hierzu aa)), um dann die sachliche (hierzu bb)) und systematische (hierzu cc)) Ebene zu betrachten. Schließlich ist nochmals auf die Tendenz der Rechtsprechung des BGH zurückzukommen (hierzu dd)). aa) Bewertung formaler Argumente zur Unterscheidung von Barmitteln und „unternehmerischer Substanz“ Wenig überzeugungskräftig ist zur Abgrenzung zunächst das von der restriktiven Ansicht ins Feld geführte Argument, es handele sich beim Einsatz von Barmittel stets um eine vorstandsautonome Mittelverwendungsentscheidung und es sei eine „allgemeine Mittelverwendungskontrolle“ zu verhindern.134 Unbestritten ist der Einsatz von Barmitteln grundsätzlich Aufgabe des Vorstands. Er entscheidet – gegebenenfalls mit Zustimmung des Aufsichtsrats – grundsätzlich darüber, ob und wie die Mittel der Gesellschaft am besten eingesetzt werden sollen und somit auch darüber, ob diese durch Erwerb einer Beteiligung hierarchisch in die Beteiligung verlagert werden sollen. Dies gilt allerdings nicht nur für Barmittel sondern auch für „unternehmerische Substanz“. Dennoch führt die Entscheidung des Vorstands „unternehmerische Substanz“ auf eine hierarchisch tiefere Ebene zu verlagern freilich auch nach Meinung der Vertreter der restriktiven Ansicht zu einem Mediatisierungseffekt und damit bei Erreichen der notwendigen quantitativen Relevanz auch zu einer Zustimmungsbedürftigkeit. Auch die wirtschaftliche Ausgliederung in Holzmüller und die Verenkelung in Gelatine betrafen die Frage, wie, namentlich auf welcher hierarchischen Ebene, die jeweils betroffenen Gesellschaftsmittel (Seehafenbetrieb bzw. vormalige Tochtergesellschaft) eingesetzt werden sollen und waren mithin Mittelverwendungsentscheidungen, für welche die Hauptversammlung grundsätzlich nicht zuständig ist.135 Dies führt der BGH auch ganz deutlich aus. In Gelatine heißt es, im Rahmen der Frage der faktischen Satzungsänderung, denn auch: „Ob Beteiligungsbesitz von der 134 135

Siehe nochmals Fn. 124. Dies konzedierend auch Groß, AG 1994, 266, 274 (betreffend Holzmüller).

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

Beklagten selbst zu halten und dementsprechend die Führung des Tochterunternehmens in größerem Maße in den Händen des Vorstands der Muttergesellschaft liegen oder die Geschäfte der Beteiligungsunternehmen besser auf einer tieferen hierarchischen Ebene innerhalb des Konzerns geführt werden sollen, ist damit nach der Satzung eine von dem Vorstand – entsprechend der ihm obliegenden aktuellen Beurteilung – allein verantwortungsbewusst zu treffende Entscheidung.“136 Warum die Gefahr der „allgemeinen Mittelverwendungskontrolle“ dann in Bezug auf Barmittel wesentlich größer sein soll als in Bezug auf „unternehmerische Substanz“ wird nicht recht deutlich. Jedenfalls aufgrund der hohen quantitativen Anforderungen nach der Gelatine-Rechtsprechung kommt ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis ohnehin nur in wenigen Ausnahmefällen in Betracht. Eine „allgemeine“ Mittelverwendungskontrolle ist also ohnehin nicht zu befürchten.137 Auch das Argument, Barmittel unterlägen ohnehin nur dem begrenzten Einfluss der Hauptversammlung überzeugt zur Abgrenzung bei näherer Betrachtung wenig. Zutreffend ist, dass die Hauptversammlung nicht generell über den Einsatz der liquiden Mittel disponieren kann, sondern ihr diesbezügliches Recht „nur“ die Gewinnverwendungsentscheidung ist. Allerdings unterliegt auch der Einsatz der „unternehmerischen Substanz“ keiner generellen Disposition der Hauptversammlung. Darüber, wie also etwa eigenständige Betriebsteile und Produktionsmittel eingesetzt werden, kann die Hauptversammlung grundsätzlich noch weniger Einfluss ausüben als über die Barmittel. Dennoch kann hier, wiederum die quantitative Relevanz vorausgesetzt, auch nach der restriktiven Ansicht ein Zustimmungserfordernis ausgelöst werden. Gerade die Gewinnverwendungsentscheidung ist im Übrigen für die Aktionäre von ganz zentraler Bedeutung (hierzu sogleich noch ausführlicher unter cc)). Schließlich ist auch das Argument, es würde durch einen Beteiligungserwerb im Gegenteil „unternehmerische Substanz“ dem Aktionärseinfluss unterstellt, wenig überzeugungskräftig, ja zirkulär. Diese Argumentation verkennt zunächst, dass bei der Bestimmung des Mediatisierungseffekts das verlagerte Vermögen und die Gegenleistung zu berücksichtigen sind.138 Auch bei der Ausgliederung in Holzmüller und der Verenkelung in Gelatine würde man (selbstverständlich) nicht auf die Idee kommen zu argumentieren, es sei lediglich der Seehafenbetrieb auf Ebene der Tochtergesellschaft bzw. die verenkelte Gesellschaft hinzuerworben worden. Diese Argumentation setzt die ausschließliche Maßgeblichkeit der Verlagerung „unternehmerischer Substanz“ als Vorbedingung schon voraus und kann somit den Einsatz der Barmittel logischerweise gar nicht berücksichtigen. 136

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 37 („Gelatine I“). Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 42; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 34; Hofmeister, NZG 2008, 47, 51; Priester, AG 2011, 654, 659. 138 Siehe nochmals unter C.I.2.c). 137

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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bb) Sachliche Gleichstellung von Barmitteln und „unternehmerischer Substanz“ Entscheidend für die Beantwortung der vorliegenden Frage muss damit unter sachlichen Gesichtspunkten sein, ob mit Blick auf den Schutzzweck der Holzmüller/ Gelatine-Rechtsprechung und die Beeinträchtigung der Aktionärsrechte die hierarchische Verlagerung von Barmitteln mit der Verlagerung von „unternehmerischer Substanz“ vergleichbar ist. (1) Beeinträchtigung der Aktionärsrechte Die Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung bezweckt wie gesehen primär einen verbandsrechtlichen Schutz vor tiefen Eingriffen in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre durch ein Handeln des Vorstands, führt hierdurch aber auch zu einem Präventivschutz vor späteren Vermögensbeeinträchtigungen der Aktionäre.139 Bezugspunkt des Mediatisierungseffekts ist wie gesehen das Gesellschaftsvermögen, auf welches der Einfluss der Aktionäre faktisch reduziert wird, indem es zu einer Verlagerung des Vermögens auf eine hierarchisch tiefere Ebene gegen die Gewährung von Anteilen kommt, wobei Instrument des Eingriffs eine an sich vorstandsautonome Geschäftsführungsmaßnahme ist, welche dazu führt, dass der Vorstand die Kompetenzen der Hauptversammlung faktisch verkürzt.140 Diese Voraussetzungen liegen auch beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel dem Grunde nach vor. Auch bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel handelt es sich um eine vorstandsautonome Maßnahme, durch welche die Barmittel gegen Erwerb der Beteiligung auf eine hierarchisch tiefere Ebene verlagert werden, wodurch der Vorstand seine Kompetenzen faktisch zu Lasten der Aktionäre stärkt. Dies dürfte im Ausgangspunkt nicht strittig sein. Fraglich ist indes, ob die Mitverwaltungs- und Vermögensrechte der Aktionäre bei einer hierarchischen Verlagerung von Barmitteln in eine Beteiligung ebenso beeinträchtigt werden wie bei der hierarchischen Verlagerung von „unternehmerischer Substanz“ in den Holzmüller/Gelatine-Fällen. Von besonderer Wichtigkeit für die Aktionäre sind dabei insbesondere das Gewinnverwendungsrecht und der Einfluss auf die Besetzung und Überwachung der Leitungsorgane, welche durch die hierarchische Verlagerung von Gesellschaftsvermögen diesbezüglich faktisch reduziert werden.141 Betreffend das Gewinnverwendungsrecht wird vorgetragen, dieses sei durch einen Beteiligungserwerb formal nicht berührt.142 Dies ist zweifellos richtig. Auch die inhaltliche Beeinträchtigung wird mit dem Argument verneint, das Gewinnverwendungsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft knüpfe ausschließlich an den 139 140 141 142

Siehe nochmals unter C.I.1.b)bb). Siehe nochmals unter C.I.2.e). Siehe nochmals unter C.I.2.b). Siehe nochmals Groß, AG 1994, 266, 275; Renner, NZG 2002, 1091, 1093.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

ausgewiesenen Bilanzgewinn an.143 Gegebenenfalls in der erworbenen Beteiligung thesaurierte Gewinne seien aber schon nicht Teil des Bilanzgewinns der Obergesellschaft.144 Auch das ist richtig. Allerdings kann daraus nicht abgeleitet werden, es liege keine vergleichbare Beeinträchtigung mit den Holzmüller/Gelatine-Fällen vor. Denn auch in Holzmüller betont der BGH ausdrücklich, dass der Vorstand in der Tochtergesellschaft bei der Verwendung des Jahresüberschusses „praktisch keinen Beschränkungen unterliegt“145, stellt also auf die Gefahr der wirtschaftlichen Aushöhlung des Gewinnverwendungsrechts der Aktionäre der Obergesellschaft durch die Thesaurierungsmöglichkeit in der Tochtergesellschaft ab. Ist das Gesellschaftsvermögen erst einmal auf die hierarchisch tiefere Ebene verlagert, indem entweder wie im Holzmüller-Fall ein Betriebsteil ausgegliedert wird oder beim Beteiligungserwerb eine Beteiligung erworben wird, ist die Situation der Aktionäre der Obergesellschaft mit Blick auf das Gewinnverwendungsrecht identisch.146 Gleiches gilt für die Mitverwaltungsrechte der Aktionäre. Auch hier besteht kein Unterschied hinsichtlich einer erworbenen Beteiligung und eines auf eine Tochtergesellschaft ausgegliederten Betriebsteils.147 (2) Funktion von „unternehmerischer Substanz“ und Barmitteln als Teile des Gesellschaftsvermögens Da die Stellung der Aktionäre der Obergesellschaft somit nach einer Ausgliederung und einem Beteiligungserwerb identisch ist, könnte nur vor der Vermögensverlagerung angesetzt werden, um eine geringere Beeinträchtigung der Aktionärsrechte zu begründen. Voraussetzung hierfür wäre, dass Barmittel einen Teil des Gesellschaftsvermögens darstellen, welcher aus Sicht der Aktionäre einen geringeren Schutz genießt als die „unternehmerische Substanz“. Hieraus könnte dann folgen, dass bei der hierarchischen Verlagerung von Barmitteln geringere Anforderungen gelten; mithin könnte es sich um eine spezielle Art der Mittelverwendung handeln, bei welcher eine Mitwirkung der Hauptversammlung nicht erforderlich erscheint. Nach der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung ist für die Aktionäre entscheidend, dass sie hinsichtlich der „Betriebsmittel“, welche sie in die Obergesellschaft investiert haben, ihre Rechte ausüben und mithin das Risiko des Verlustes und die Verwendung der Erträge der investierten Mittel beeinflussen können.148 Die „Be143 144

1093. 145

Wagner, DStR 2004, 141, 142 f.; Renner, NZG 2002, 1091, 1093. Kiefner, ZIP 2011, 545, 548; Wagner, DStR 2004, 141, 142 f.; Renner, NZG 2002, 1091,

BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 137 („Holzmüller“). Allgemeiner hierzu auch Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 76. 147 Allgemeiner hierzu auch Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 76. 148 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136, 143 („Holzmüller“). 146

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

145

triebsmittel“, welche die Aktionäre der Gesellschaft zuführen, können zunächst in Bar- oder Sacheinlagen bestehen. Im Rahmen des Unternehmensgegenstands ist es dann Aufgabe des Vorstands mithilfe dieser Mittel – und freilich auch unter Aufnahme von Fremdkapital – die Gesellschaft zu leiten. Wie der Vorstand hierbei die Erträge erwirtschaftet, welche dann nach Feststellung des Bilanzgewinns der Gewinnverwendungsentscheidung der Hauptversammlung unterliegen, ist Teil seiner originären Leitungsaufgabe. Die Aktionäre kontrollieren ihn hierbei mittelbar über die Besetzung des Aufsichtsrats und unmittelbar über die Entlastungsentscheidung. Der restriktiven Auffassung scheint die Annahme zugrunde zu liegen, dass die „unternehmerische Substanz“ die alleinige bzw. wichtigste Grundlage des Wirtschaftens der Gesellschaft und die Quelle der Erträge ist. Zutreffend hieran ist sicherlich, dass Barmittel – von Zinsen abgesehen – keine unmittelbaren Erträge erwirtschaften, welche zur Ausschüttung an die Aktionäre dienen können. Bei einer hierarchischen Verlagerung von bestehender „unternehmerischer Substanz“ sind hingegen die Erträge betroffen, welche mithilfe dieser „unternehmerischen Substanz“ erwirtschaftet wurden und werden und die von entscheidender Bedeutung für das Dividendeninteresse der Aktionäre sind. Dies könnte dafür sprechen, dass „unternehmerische Substanz“ für die Aktionäre von größerer Bedeutung ist als Barmittel und daher eines stärkeren Schutzes bedarf. Das Argument kann allerdings auch umgekehrt werden. Aus Sicht der Aktionäre dient nämlich die „unternehmerische Substanz“ gerade dazu, um Barmittel zu schaffen, nämlich die Erträge, aus welchen dann die Dividenden bedient werden. Die Schaffung von „unternehmerischer Substanz“ ist mithin kein reiner Selbstzweck. Soweit dies aus Sicht der Aktionäre rentabler ist, ist – freilich im Rahmen des Unternehmensgegenstands – auch ein Verkauf von „unternehmerischer Substanz“ wünschenswert, um Erträge zu generieren. Das Gesellschaftsvermögen ist also nicht statisch sondern die Zusammensetzung unterliegt ständigen Änderungen: Barmittel werden investiert, um „unternehmerische Substanz“ zu schaffen, „unternehmerische Substanz“ wird genutzt und gegebenenfalls veräußert, um Barmittel freizusetzen. Grundsätzlich ist es aber für die Gesellschaft zur Erwirtschaftung von Erträgen ebenso wichtig, „unternehmerische Substanz“, z. B. Sachanlagen und Vorräte, zu haben wie Barmittel.149 Vor allem kommt es für den jeweiligen Bedarf auf das spezifische Tätigkeitsfeld der Gesellschaft an. In produktionsintensiven Bereichen mag es wichtiger sein, zur Erwirtschaftung von Erträgen über die entsprechenden Produktionsstätten und Rohstoffe zu verfügen als über hohe Liquidität, in dienstleistungsorientierten Branchen oder der Finanzbranche kann hingegen das Gegenteil der Fall sein. Grundsätzlich wird sich jedenfalls ohne ausreichende Liquidität auch keine unternehmerische Aktivität mehr entfalten lassen.150 149 Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung (1986), S. 163; ähnlich Hofmeister, NZG 2008, 47, 51. 150 Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung (1986), S. 163.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

(3) Verlagerung von Ertragspotential Letztlich weisen „unternehmerische Substanz“ und Barmittel aus Sicht der Aktionäre ein entscheidendes gemeinsames Merkmal auf: sie repräsentieren Ertragspotential. Wie der Vorstand die Barmittel und die „unternehmerische Substanz“ einsetzt, wird sich also danach richten, worin er das größte Ertragspotential erblickt. Solange der Vorstand das Ertragspotential auf der Ebene der Gesellschaft selbst realisiert, liegt keine Beeinträchtigung der Rechte der Aktionäre im Sinne der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung vor. Denn die Aktionäre können das Risiko des Verlustes und die Verwendung der Erträge der investierten Mittel, im Rahmen der durch das Aktienrecht vorgesehenen Möglichkeiten, beeinflussen. Allerdings macht es qualitativ einen Unterschied, wenn der Vorstand sich entscheidet, das Ertragspotential auf eine hierarchisch tiefere Ebene zu verlagern und dieses dort zu realisieren. Denn insbesondere das Gewinnverwendungsrecht und der Einfluss auf die Besetzung und Überwachung der Leitungsorgane wird hinsichtlich des verlagerten Gesellschaftsvermögens faktisch reduziert.151 Dies gilt für „unternehmerische Substanz“ und Barmittel jedoch gleichermaßen. In beiden Fällen nimmt der Vorstand den Aktionären die Möglichkeit, das Risiko des Verlusts und die Verwendung der Erträge der verlagerten Mittel zu beeinflussen, indem er das Ertragspotential künftig auf hierarchisch tieferer Ebene realisiert. Es ist daher nicht überzeugend, Barmittel und „unternehmerische Substanz“ im Hinblick auf die Mediatisierung verschieden zu behandeln. cc) Systematische Kontrollüberlegungen Weiterhin führt die restriktive Ansicht zu Wertungswidersprüchen, die sich zeigen, wenn man die Situation der Holzmüller- und Gelatine-Urteile weiter- bzw. chronologisch zurückdenkt. Die restriktive Ansicht führt nämlich zu dem Ergebnis, dass der Erwerb einer operativ tätigen Beteiligungsgesellschaft gegen Barmittel mangels Mediatisierungseffekt nicht zustimmungspflichtig wäre. Würde dieselbe Beteiligung nun aber in einem zweiten Schritt wie im Fall Gelatine verenkelt, so bestünde ein Mediatisierungseffekt und damit gegebenenfalls ein Zustimmungserfordernis. Allerdings stellt der Erwerb der Beteiligung aus Sicht der Aktionäre den größeren Eingriff dar als die anschließende Verenkelung der bereits erworbenen Beteiligung. Durch den Beteiligungserwerb wird Gesellschaftsvermögen (die Barmittel) erstmals dem unmittelbaren Einfluss der Aktionäre entzogen, also von der „ersten“ hierarchischen Ebene, auf welcher die Aktionäre ihren Einfluss noch unmittelbar ausüben können, auf die „zweite“ Ebene verlagert. Die Verenkelung intensiviert dann zwar nochmals den Grad dieser Reduzierung des Einflusses der Aktionäre, verändert den Einfluss jedoch qualitativ nicht mehr gleich stark. Es geht mithin „nur“ um die Verlagerung von der „zweiten“ Ebene, auf der bereits nur 151

BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136, 143 („Holzmüller“).

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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mittelbarer Einfluss bestand, auf die „dritte“ Ebene. Wieso dann allerdings bei der aus Sicht der Aktionäre qualitativ intensiveren Maßnahme des Beteiligungserwerbs kein Schutzbedürfnis bestehen soll, während ein solches bei der weniger intensiven „Folgemaßnahme“ der Verenkelung bestehen würde, leuchtet nicht ein. Noch deutlicher zeigt sich der Wertungswiderspruch an einem parallelen Beispiel zum Fall Holzmüller. Angenommen, die Gesellschaft hätte zunächst nur über den Holzhandel und eine große Menge an Barmitteln verfügt. Wäre nun der Seehafenbetrieb zunächst mit den Barmitteln im Wege des asset deal erworben worden und später in einem zweiten Schritt wirtschaftlich auf eine Tochtergesellschaft ausgegliedert worden, so hätte die Ausgliederung nach der Rechtsprechung des BGH in Holzmüller einer Zustimmung der Hauptversammlung bedurft. Wäre hingegen direkt eine Beteiligungsgesellschaft gegen Barmittel erworben worden, in welcher sich der Seehafenbetrieb bereits befunden hätte, so hätte der Erwerb nach dieser Ansicht keine Zustimmungspflicht ausgelöst. Dies erscheint widersprüchlich, da das Ergebnis aus Sicht der Aktionäre in beiden Fällen wirtschaftlich und strukturell identisch ist. dd) Tendenz in der Rechtsprechung des BGH Weiterhin kann man insbesondere in der jüngeren Rechtsprechung des BGH eine der restriktiven Auffassung zuwiderlaufende Tendenz erkennen. Auch die jüngere Rechtsprechung des BGH enthält zu der Fragestellung zwar keine ausführlichen Aussagen, hat der BGH in Commerzbank/Dresdner Bank doch gerade keine inhaltliche Stellung zum Problem des Mediatisierungseffekts beim Beteiligungserwerb unter (teilweisem) Einsatz von Barmitteln bezogen.152 Man kann allerdings aus dem Beschluss in Sachen Stuttgarter Hofbräu und auch aus dem Holzmüller-Urteil eine Tendenz für die Konstellation des Beteiligungserwerbs gegen Barmittel ableiten. Der Beschluss in Stuttgarter Hofbräu legt nahe, dass der BGH hinsichtlich des Mediatisierungseffekts nicht der restriktiven Auffassung folgt. In der Literatur wurde schon vor der Entscheidung vielfach vertreten, dass es bei der (vollständigen) Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel zu einer „Umkehr“ des Mediatisierungseffekts komme, da ursprünglich in der Beteiligung gebundene Mittel nun in Form von Barmitteln in die Obergesellschaft zurückgeführt werden.153 Diesem Verständnis scheint sich auch der BGH angeschlossen zu haben, indem er den Mediatisierungseffekt bei der Beteiligungsveräußerung in Stuttgarter Hofbräu ablehnte.154 152 BGH, Beschl. v. 7. 2. 2012 – II ZR 253/10, NZG 2012, 347 („Commerzbank/Dresdner Bank“). 153 Siehe etwa Habersack, AG 2005, 137, 145; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2008), § 76 Rn. 39; von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25; Goette, AG 2006, 522, 527; Liebscher, ZGR 2005, 1, 24; Reichert, AG 2005, 150, 155; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576 f. 154 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 67; Hofmeister, NZG 2008, 47, 50; so zu verstehen auch von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

Hierauf deuten zunächst schon die Aussagen Goettes, damaliger Vorsitzender des II. Zivilsenats, im engen zeitlichen Zusammenhang vor dem Beschluss in Stuttgarter Hofbräu hin.155 Goette hält namentlich beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel einen Mediatisierungseffekt für gegeben und umgekehrt bei einer Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel für nicht gegeben, da „der bestehende Mediatisierungseffekt ja gerade rückgängig gemacht und die Einflussmöglichkeiten der Hauptversammlung der Muttergesellschaft gestärkt werden“.156 Hätte der BGH dies anders gesehen, so hätte in der Tat die Argumentation der älteren Gegenansicht nahegelegen, die besagt, dass durch eine (vollständige) Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel der Einfluss über das Vermögen der Tochtergesellschaft bzw. den Kernbereich deren Aktivität sogar ganz verloren geht, mithin ein Fall gegeben ist, der in seiner Wirkung den Mediatisierungseffekt sogar noch übertrifft.157 Letztere Auffassung ist aber abzulehnen, da sie nicht berücksichtigt, dass der Kaufpreis der Obergesellschaft unmittelbar zufließt und damit die Mediatisierung in der Tat aufgehoben wird. Wenn die Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel aber die Mediatisierung „umkehrt“, was offenbar auch der BGH so sieht, dann muss der Beteiligungserwerb gegen Barmittel eine solche spiegelbildlich auch begründen. Es handelt sich bildlich gesprochen um zwei Seiten derselben Medaille.158 Auch Goette bezeichnet die Beteiligungsveräußerung ausdrücklich als „actus contrarius“ zum Beteiligungserwerb.159 Auch schon aus dem Holzmüller-Urteil ergeben sich entscheidende Anhaltspunkte in diese Richtung, welche bisher in der Diskussion in diesem Kontext aber kaum gewürdigt worden sind.160 Der BGH führt hier hinsichtlich der Zustimmungsbedürftigkeit einer Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft bei vollständiger Ausübung des Bezugsrechts der Obergesellschaft aus, dass „Betriebsmittel“, welche die Aktionäre der Obergesellschaft dort investiert haben, dieser entzogen werden „und einem anderen Rechtsträger mit der Folge zugeführt [werden], daß sich Schwergewicht und Risiken des Kapitaleinsatzes und die entsprechenden Macht155

Der Beschluss in der Sache Stuttgarter Hofbräu datiert vom 20. November 2006. Die Aussagen Goettes entstammen einem Vortrag vom 10. Februar 2006; siehe Goette, AG 2006, 522, in der einführenden Fußnote. 156 Goette, AG 2006, 522, 527. 157 Götze, NZG 2004, 585, 588; Bungert, BB 2004, 1345, 1350; Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279, 294 f.; Wackerbarth, AG 2002, 14, 16; Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1211 f.; Wollburg/Gehling, in: Festschrift für Lieberknecht (1997), S. 133, 157; Lutter/ Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230; so zu verstehen auch Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 231; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 12. 12. 2000 – 3/5 O 149/99, AG 2001, 431 (Auflösung eines Konzerns durch Verkauf fast aller wesentlichen Beteiligungen); Ansicht aufgegeben bei Reichert, AG 2005, 150, 155. 158 Hofmeister, NZG 2008, 47, 50 f. 159 Goette, AG 2006, 522, 527. 160 So aber Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 372; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung (1986), S. 176; dies erkennend auch Wagner, DStR 2004, 141, 143.

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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befugnisse der Verwaltung noch stärker auf die Tochtergesellschaft verlagern“.161 Hier spricht der BGH zwar nicht ausdrücklich von Mediatisierung, benennt aber das zugrundeliegende Problem. Auch wenn die Obergesellschaft also im Rahmen einer Barkapitalerhöhung Barmittel in die Tochtergesellschaft verlagert, stellt dies nach der Argumentation des BGH qualitativ eine Beeinträchtigung der Rechte der Aktionäre der Obergesellschaft dar.162 Alldem lässt sich letztlich entnehmen, dass der BGH recht eindeutig dazu tendiert, auch Barmittel für mediatisierungsfähig zu halten. ee) Zwischenergebnis Es sprechen die besseren Argumente dafür, dass ein Mediatisierungseffekt auch bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel eintreten kann. c) Spezielle Fallgestaltungen aa) Beteiligungserwerb mit fremdfinanzierten Mitteln Zum Beteiligungserwerb mit fremdfinanzierten Mitteln wird argumentiert, ein Mediatisierungseffekt scheide aus, da die Aufnahme von Fremdmitteln eine allgemeine Investitionsentscheidung sei163 und da bei einer Fremdfinanzierung der Gesellschaft sogar neue Mittel zugeführt würden.164 Weiterhin wird argumentiert, die Fälle, in welchen die Hauptversammlung mit der Aufnahme von Fremdkapital zu befassen ist – vor allem bei Gewinnschuldverschreibungen, § 221 Abs. 1 S. 1 Var. 2. AktG, und Genussrechten, § 221 Abs. 3, 1 AktG, – seien abschließend geregelt, sodass es wiederum an der erforderlichen Anschauungslücke für ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis fehle.165 Klar zu trennen sind allerdings die beiden Schritte der Aufnahme der Fremdfinanzierung und des Beteiligungserwerbs mithilfe der fremdfinanzierten Mittel. Bei der Aufnahme der Fremdmittel handelt es sich um eine vorstandsautonome Investitionsentscheidung soweit das Gesetz nicht in speziellen Fällen eine Zustimmungsbedürftigkeit vorsieht. Dies ist bei einem klassischen Bankkredit freilich nicht der Fall. Auch steht nicht zu befürchten, dass alle fremdfinanzierten Maßnahmen ab einer gewissen Größenordnung eine Zustimmungsbedürftigkeit nach den Holzmül161

BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 143 („Holzmüller“). Hierauf hinweisend Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 372; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung (1986), S. 176. 163 Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 272 f.; Kiefner, ZIP 2011, 545, 548; ähnlich Groß, AG 1994, 266, 274. 164 So Wagner, DStR 2004, 141, 143; allgemeiner hierzu Renner, NZG 2002, 1091, 1092; Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1109; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze (1980), S. 142. 165 Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 272. 162

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

ler/Gelatine-Grundsätzen auslösen.166 Denn wenn die fremdfinanzierten Mittel auf Ebene der Gesellschaft investiert werden, bleiben sie dem Einfluss der Aktionäre unterstellt, sodass es zu keinem Mediatisierungseffekt kommt. Entscheidend ist allerdings, dass bei einem Beteiligungserwerb die Mittel dann auf einer nachgelagerten hierarchischen Ebene gebunden werden, indem sie in die Beteiligung investiert werden. Dabei kann es aus Sicht der Aktionäre auch keinen Unterschied machen, ob vorhandene liquide Mittel oder fremdfinanzierte Mittel in die Beteiligung investiert werden. Ob nun die zukünftigen Erträge der Gesellschaft mit Zins- und Tilgungsaufwendungen belastet werden167 oder bereits aus vergangenen Erträgen Rücklagen gebildet worden sind und diese aufgelöst und in die Beteiligung investiert werden, führt nur zu einer zeitlichen Verschiebung der Aufbringung der Mittel durch die Gesellschaft, ändert aber nichts daran, dass die Mittel von der Gesellschaft aufgebracht werden müssen,168 das Ertragspotential aber in die Beteiligung verlagert wurde. Aufgrund der Rückzahlungsverpflichtung liegt in der Aufnahme der Fremdfinanzierung offensichtlich auch keine reine Vermögensmehrung. Im Gegenteil kann argumentiert werden, dass der Effekt bei einer Fremdfinanzierung sogar noch gravierender ist als bei einem Beteiligungserwerb aus vorhandenen liquiden Mitteln, da die Gesellschaft zusätzlich mit den Zinsaufwendungen der Fremdfinanzierung belastet wird. Klarzustellen ist nochmals: Anknüpfungspunkt für die Mediatisierung ist nicht die Aufnahme der Fremdmittel an sich,169 sondern – ebenso wie beim Einsatz vorhandener liquider Mittel – deren Verlagerung in die Beteiligung. Fremdfinanzierte Beteiligungserwerbe sind daher ebenso geeignet, zu einem Mediatisierungseffekt zu führen wie ein Beteiligungserwerb aus vorhandenen liquiden Mitteln, da in beiden Fällen die Mittel in die Tochtergesellschaft verlagert werden. bb) Beteiligungserwerb durch eine Holding-Gesellschaft Bei einer Holding-Gesellschaft ist strittig, ob die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze zur Anwendung kommen. Wohl überwiegend wird davon ausgegangen, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis käme nicht in Betracht, wenn die Beteiligung durch eine reine oder überwiegende Holding-Gesellschaft erworben wird.170 Begründet wird dies primär damit, dass hier schon ein ausreichender Schutz 166

Zu dieser Befürchtung Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 273. Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 272. 168 Hofmeister, NZG 2008, 47, 51. 169 So zu verstehen aber Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 273. 170 Kiefner, ZIP 2011, 545, 548; Hofmeister, NZG 2008, 47, 51; Reichert, AG 2005, 150, 157; Wagner, DStR 2004, 141, 146; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 95; im Ergebnis auch Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 267 f.; andere Ansicht Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 167

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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über den Unternehmensgegenstand bestehe und die Mediatisierung schon in der Struktur der Gesellschaft angelegt und den Aktionären, die sich an der Gesellschaft beteiligen, bekannt sei.171 Decher argumentiert weiterhin, dass beim Beteiligungserwerb durch eine reine konzernleitende Holding-Gesellschaft ein Mediatisierungseffekt ausscheide, wenn die Mittel von den operativen Tochtergesellschaften erwirtschaftet wurden.172 Die Obergesellschaft könne die jeweilige Tochter dann zwar veranlassen die Mittel auszuschütten oder in einen Cash Pool einzustellen, könne die Mittel aber auch bei der Tochter belassen.173 Die Frage der Mittelverwendung werde also zunächst auf Ebene der Tochtergesellschaft entschieden und unterliege nicht der Mitsprache der Aktionäre der Obergesellschaft; die Beurteilung des Mediatisierungseffekts könne aber von der jeweiligen Entscheidung der Obergesellschaft nicht abhängen.174 Offensichtlich sind zunächst die Probleme, die sich nach der wohl überwiegenden Ansicht bei der praktischen Abgrenzung ergeben. Wann handelt es sich um eine „reine“ Holding-Gesellschaft? Darf diese überhaupt keine operative Geschäftstätigkeit entfalten? Wie viel operative Tätigkeit darf die Holding-Gesellschaft noch ausüben damit noch von einem „überwiegenden“ Holding-Charakter gesprochen werden kann?175 Bezüglich der Herkunft der zu einem Beteiligungserwerb durch eine reine Holding-Gesellschaft eingesetzten Barmittel weist Decher zu Recht darauf hin, dass die Mittel zunächst von einer operativen Tochtergesellschaft erwirtschaftet werden müssen und der Obergesellschaft dann im Wege der Dividendenausschüttung (bzw. Gewinnabführung) oder durch Einstellen in einen Cash Pool zufließen müssen.176 Bei einer überwiegenden Holding-Tätigkeit wäre diese ebenfalls bezüglich eines Großteils der Mittel der Fall. Warum derartige Mittel dann aber schon grundsätzlich nicht mediatisierungsfähig sein sollen, erschließt sich nicht, da diese durchaus dem Einfluss der Aktionäre der Holding-Gesellschaft unterliegen soweit ein solcher Zufluss erfolgt. Durch eine Dividendenausschüttung oder Gewinnabführung werden diese zu Mitteln der Holding-Gesellschaft, sodass sie dem Einfluss der Aktionäre nach den bisher erarbeiteten Grundsätzen unterliegen. Bei einer Abführung im Rahmen eines Cash Pools, der von der HoldingGesellschaft geführt wird, stehen der Tochtergesellschaft entsprechende Gegenansprüche aus Darlehensvertrag zu, sodass die Situation sich aus Sicht der Ak7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 42, 47 (möglich, aber mit großer Zurückhaltung anzuwenden); noch deutlicher Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451, 455. 171 Reichert, AG 2005, 150, 157; Wagner, DStR 2004, 141, 146; Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 268; ebenso Hofmeister, NZG 2008, 47, 51. 172 Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 267. 173 Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 267. 174 Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 267. 175 Hierauf abstellend Wagner, DStR 2004, 141, 146. 176 Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 267.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

tionäre der Holding-Gesellschaft nicht grundlegend von einem fremdfinanzierten Beteiligungserwerb unterscheidet. Wie soeben erörtert, kann es aber keinen Unterschied machen, ob die Beteiligung mit vorhandenen liquiden Mitteln oder mit fremdfinanzierten Mitteln erworben wird.177 Grundsätzlich wäre es aber auch bei einer Gesellschaft mit (teilweisem) HoldingCharakter möglich, die Mittel auf Ebene der Gesellschaft selbst zu investieren, statt sie durch einen Beteiligungserwerb wiederum auf die hierarchisch tiefere Ebene zu verlagern. Allein die Tatsache, dass die Mittel nach dem Unternehmensgegenstand und der Struktur der Gesellschaft auch in eine Beteiligung investiert werden können,178 kann aber – wie schon im Rahmen der Ausführungen zur Wirkung einer Konzernöffnungsklausel erörtert179 – den Mediatisierungseffekt nicht ausschließen, da dies zu einer unsachgemäßen Ausweitung der Wirkung des Unternehmensgegenstands führen würde. Anders dürfte dies in der Tat nur dann zu beurteilen sein, wenn die Gesellschaft ihrem Unternehmensgegenstand nach auf eine ausschließliche Holding-Tätigkeit beschränkt ist. Denn in diesem Fall dürften die Mittel nicht auf Ebene der Gesellschaft investiert werden und die Mediatisierung wäre insofern in der Tat schon strukturell zwingend angelegt.180 d) Formulierung in Definitionsform Als Ausgangspunkt kann die Definition Habersacks herangezogen werden, der die Mediatisierung beschreibt als „die Verlagerung von ursprünglich der unmittelbaren Kontrolle der Aktionäre unterliegendem Vermögen in eine Tochtergesellschaft gegen Erwerb von durch den Vorstand zu verwaltenden Anteilsrechten an dieser Tochter“.181 Diese Definition kann nach der bisherigen Untersuchung noch ergänzt werden. Die Definition könnte so verstanden werden, dass sie von einem Vorgehen in zwei Schritten, orientiert an der Situation einer Ausgliederung, ausgeht. Zunächst müsste bereits eine Tochtergesellschaft bestehen, an der sodann gegen Verlagerung des Vermögens Anteilsrechte erworben werden. Dieser Ablauf trifft bei der wirtschaftlichen Ausgliederung auch zu. Beim Beteiligungserwerb entsteht eine Tochterbzw. Beteiligungsgesellschaft der Käuferin jedoch unmittelbar durch den Erwerb der Beteiligung. Außerdem ist der Begriff der Verlagerung nicht ganz eindeutig, wenn keine weitere Differenzierung hinsichtlich einer wirtschaftlichen Verlagerung vorgenommen wird, da er anderenfalls eine Identität des vorher bei der Mutter bestehenden Vermögens und des später in der Tochter befindlichen Vermögens implizieren könnte. Weiterhin stößt die Definition auf Probleme bei Sachverhalten wie im 177 178 179 180 181

Siehe nochmals vorstehend unter aa). So Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 267. Siehe nochmals unter B.II. Hofmeister, NZG 2008, 47, 51; Reichert, AG 2005, 150, 157. Habersack, AG 2005, 137, 145.

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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Gelatine-Fall, da das Vermögen der Tochtergesellschaft hier schon anfänglich keiner unmittelbaren Kontrolle durch die Aktionäre der Obergesellschaft unterlag. Im Übrigen erscheint es stimmig vom Einfluss der Aktionäre zu sprechen, da diese das Vermögen auch vormalig nicht im engeren Sinne „kontrollieren“ konnten. Schließlich erscheint es sinnvoll, zur Klarstellung auch das Instrument des Eingriffs, namentlich die autonome Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands, und die Auswirkungen auf die Kompetenzordnung, namentlich die Reduzierung des Einflusses der Aktionäre in Form einer faktischen Verkürzung der Mitgliedschaftsrechte, mit in die Definition aufzunehmen. Diese Punkte berücksichtigend kann eine Definition wie folgt lauten: „Ein Mediatisierungseffekt tritt ein, durch eine an sich autonome Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands, durch welche vormals dem unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss der Aktionäre unterliegendes Vermögen gegenständlich oder wirtschaftlich auf eine tiefere hierarchische Beteiligungsebene verlagert wird, wodurch die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre in Bezug auf dieses Vermögen faktisch verkürzt werden.“

II. Quantitative Anforderungen Offensichtlich kann nicht jede Maßnahme des Vorstands, die zu einer Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre führt, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auslösen, da ansonsten die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft empfindlich gestört wäre. Neben der bisher geprüften qualitativen Beeinträchtigung der Aktionärsrechte setzt die Bejahung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses daher auch stets voraus, dass die Auswirkungen einer Maßnahme in ihrer Bedeutung die Ausmaße der Ausgliederung im Fall Holzmüller erreichen.182 Damit ist das Problem der quantitativen Anforderungen angesprochen, die an die jeweils zu untersuchende Maßnahme zu stellen sind. 1. Grundkonzept der quantitativen Betrachtung Bevor auf die Konstellation des Beteiligungserwerbs gegen Barmittel eingegangen werden kann, sind wiederum zunächst das Grundkonzept der quantitativen Betrachtung zu analysieren und die Leitlinien hierzu zu erarbeiten. Hierbei sind vier Einzelfragen zu untersuchen, welche vom BGH nicht ausdrücklich beantwortet worden sind, um die so gefundenen Ergebnisse dann auf den Beteiligungserwerb übertragen zu können. Es stellen sich die folgenden Fragen: – Welcher Schwellenwert muss erreicht werden (hierzu unter a))? – Welche sind die relevanten Parameter, auf die sich der Schwellenwert beziehen muss (hierzu unter b))? 182

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 („Gelatine I“).

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

– Zu welchem Zeitpunkt müssen die Parameter ermittelt werden (hierzu unter c))? – Was ist der relevante Bezugspunkt für die Parameter (hierzu unter d))? a) Höhe des Schwellenwerts Aus der Rechtsprechung des BGH in Gelatine, dass „der Bereich, auf den sich die Maßnahme erstreckt, in seiner Bedeutung für die Gesellschaft die Ausmaße der Ausgliederung in dem vom Senat entschiedenen ,Holzmüller‘-Fall“183 erreichen muss, wird in der Literatur und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung nun weit überwiegend gefolgert, dass ein Schwellenwert von 75 – 80 % erreicht werden muss.184 Teilweise werden auch schon 70 – 80 % als genügend angesehen.185 Nur sehr vereinzelt werden noch geringere Schwellenwerte vorgeschlagen.186 Es ist mit der überwiegenden Ansicht davon auszugehen, dass eine Zustimmungsbedürftigkeit in Betracht kommt, wenn die geplante Maßnahme einen Schwellenwert von mindestens 75 % bezogen auf die in der Folge zu ermittelnden relevanten Parameter erreicht. In der Praxis kann es sich sicherheitshalber aber empfehlen, auch schon bei Überschreitung eines Schwellenwerts von 70 % näher zu prüfen, ob ein Zustimmungserfordernis in Betracht kommt. b) Relevante Parameter aa) Meinungsbild Als Parameter, auf die der Schwellenwert zu beziehen ist, nannte der BGH in den Entscheidungsgründen des Gelatine I-Urteils die „Kennziffern für Bilanzsumme, Eigenkapital, Umsatz und Ergebnis vor Steuern“.187 Im Tatbestand wurden zusätzlich noch in einer Tabelle „gezeichnetes Kapital“, „Buchwerte“ und „Anlagevermögen

183

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 („Gelatine I“). Siehe etwa Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 25; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 51; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 32; Priester, AG 2011, 654, 661; Lorenz/Pospiech, DB 2010, 1925, 1929; Goette, AG 2006, 522, 526; Reichert, AG 2005, 150, 153; Liebscher, ZGR 2005, 1, 15; Bungert, BB 2004, 1345, 1347 (nun scheinbar etwas weniger restriktiv; siehe Fn. 185); Simon, DStR 2004, 1482, 1485; aus der instanzgerichtlichen Rechtsprechung auch OLG Hamm, Urt. v. 19. 11. 2007 – 8 U 216/07, NZG 2008, 155, 157 („Arcandor“); OLG Stuttgart, Urt. v. 13. 7. 2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693, 695. 185 Feldhaus, BB 2009, 562, 568 (zwischen 70 und 80 %); Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 27 (70 – 80 %); so nun auch Bungert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 35 Rn. 57 (zwischen 70 % und 80 %). 186 Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30 g (50 – 55 % für den Fall der Beteiligungsveräußerung). 187 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 48 („Gelatine I“). 184

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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Arbeitnehmer“ aufgeführt,188 in den Entscheidungsgründen dann aber nicht weiter erwähnt. Goette – Mitglied des II. Zivilsenats zum Zeitpunkt der Gelatine-Urteile – betont, dass der Senat sich nicht festgelegt habe, wie genau die Schwellenwerte zu ermitteln seien.189 Nicht zielführend sei es, die Festlegung der Parameter als „technische Prüfungsanweisung“ zu verstehen; sinnvoller sei es, eine Gesamtbetrachtung anzustellen.190 Auch in der übrigen Literatur werden die Gelatine-Urteile dahingehend verstanden, dass die Parameter grundsätzlich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung im Einzelfall gewürdigt werden müssen.191 Den Parametern soll lediglich „Indizwirkung“ zukommen,192 sodass ein Zustimmungserfordernis nicht schon automatisch dadurch ausgelöst wird, dass der Schwellenwert hinsichtlich eines Parameters überschritten wird.193 Die häufigsten Kriterien, welche über die vom BGH konkret benannten Kriterien (Bilanzsumme, Eigenkapital, Umsatz und Ergebnis vor Steuern) hinaus noch genannt werden, sind die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter194 und der „Ertragswert“ bzw. die „Ertragskraft“195. Eine starke Strömung in der Literatur und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung hält im Rahmen der Gesamtbetrachtung den „Ertragswert“ bzw. die „Ertragskraft“ für vorrangig.196 Diese Ansicht dürfte allerdings nicht zwingend im Sinne des Ertragswerts auf Basis einer Unternehmensbewertung zu verstehen sein, sondern eher im Sinne des Beitrags zum bilanziellen Ergebnis. Dies zeigt sich daran, dass „Ertragswert und Umsatz“ gerade „Bilanzsumme und Eigenkapital“ gegenüberge188

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 32 („Gelatine I“). Goette, AG 2006, 522, 526. 190 Goette, AG 2006, 522, 526. 191 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 47; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 34; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 35, insbes. Fn. 170; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 11; Priester, AG 2011, 654, 661; Reichert, AG 2005, 150, 153; Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451, 456; Feldhaus, BB 2009, 562, 568; Liebscher, ZGR 2005, 1, 15; Bungert, BB 2004, 1345, 1347; Götze, NZG 2004, 585, 589. 192 Liebscher, ZGR 2005, 1, 15; Reichert, AG 2005, 150, 154; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 35, Fn. 170. 193 Simon, DStR 2004, 1482, 1486; Bungert, BB 2004, 1345, 1347; Schlitt, in: Semler/ Stengel, UmwG, 3. Aufl. 2012, Anh. § 173 Rn. 35. 194 Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 11; Priester, AG 2011, 654, 661; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 35; ausdrücklich dagegen Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 50 („abenteuerliche Parameter“); Götze, NZG 2004, 585, 589. 195 Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 22; Lorenz/Pospiech, DB 2010, 1925, 1929; Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451, 456; Liebscher, ZGR 2005, 1, 15 f.; Reichert, AG 2005, 150, 154; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576; OLG Hamm, Urt. v. 19. 11. 2007 – 8 U 216/07, NZG 2008, 155, 157 („Arcandor“); OLG Stuttgart, Urt. v. 13. 7. 2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693, 695. 196 Siehe nochmals Fn. 195. 189

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

stellt werden, mithin also die vier vom BGH genannten Kriterien angesprochen werden.197 Anders könnte lediglich Simon zu verstehen sein, der allein den Ertragswert des betroffenen Geschäftsbereichs im Vergleich zum Ertragswert des Gesamtunternehmens für entscheidend hält.198 An anderer Stelle spricht Simon auch vom „Verkehrswert des Vermögens“199, welcher sich bezogen auf einen Geschäftsbereich grundsätzlich nur im Wege einer Bewertung ermitteln lässt. Nach Götze sollte eine Unternehmensbewertung jedenfalls vorrangig herangezogen werden, wenn eine solche vorliegt.200 Kubis geht hingegen davon aus, dass grundsätzlich die Bilanzsumme maßgeblich sei, da Umsatz oder Ertragsentwicklungen – insbesondere für die Zukunft – wegen der (oft zufälligen) Periodenabgrenzung zu volatil seien, um als Parameter für eine Wesentlichkeitsgrenze zu gelten; bei Vermögenspositionen, die keinen Eingang in die Bilanz finden (z. B. Marken), sei auf den Verkehrswert abzustellen.201 bb) Stellungnahme Der BGH hat sich bisher nicht abschließend auf bestimmte Parameter festgelegt, hat in Gelatine jedoch Bilanzsumme, Eigenkapital, Umsatz und Ergebnis vor Steuern zum Vergleich herangezogen.202 Soweit im Einzelfall sinnvoll, sollten daher jedenfalls diese Parameter in die Gesamtbetrachtung eingestellt werden. Das teilweise genannte Kriterium der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer erscheint hingegen wenig geeignet, um Aussagen über die quantitative Relevanz der Maßnahme für die Aktionäre und deren Einflussmöglichkeiten zu treffen. Dass bestimmte Parameter im Rahmen der Gesamtbetrachtung grundsätzlich vorranging zu berücksichtigen sind, lässt sich der Rechtsprechung des BGH bisher nicht entnehmen. Mit der starken Literaturmeinung ist allerdings davon auszugehen, dass – jedenfalls in Fällen der wirtschaftlichen Ausgliederung und Verenkelung wie in Holzmüller und Gelatine – der betroffene Anteil am Umsatz und insbesondere der Anteil am Ergebnis bzw. der Ertragswert wichtige Indikatoren für die Bedeutung der Maßnahme darstellen. Für die Gewinnverwendung und das Dividendeninteresse der Aktionäre ist namentlich vor allem relevant, welchen Ertrag der verlagerte Vermögensteil erwirtschaftet. Ein Unternehmensteil mit einem hohen Ergebnis vor

197 Siehe Liebscher, ZGR 2005, 1, 15 f.; Reichert, AG 2005, 150, 154; Kiesewetter/ Spengler, Der Konzern 2009, 451, 456; ebenso OLG Hamm, Urt. v. 19. 11. 2007 – 8 U 216/07, NZG 2008, 155, 157 („Arcandor“); OLG Stuttgart, Urt. v. 13. 7. 2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693, 695. 198 Simon, DStR 2004, 1482, 1485. 199 Simon, DStR 2004, 1482, 1486. 200 Götze, NZG 2004, 585, 589. 201 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 50. 202 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 48 („Gelatine I“).

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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Steuern ist daher für die Aktionäre von höherem Interesse als solcher mit hohem Umsatz, der unter Umständen aber nur zu einem geringen Ergebnis führt. Dafür, dass zur Ermittlung des Ertragswerts stets eine Unternehmensbewertung vorgenommen werden muss, bieten die Rechtsprechung des BGH und die instanzgerichtliche Rechtsprechung bisher aber keinen Ansatzpunkt. Wenn eine entsprechende Bewertung vorliegt oder mit vertretbarem Aufwand erstellt werden kann, sollte diese allerdings berücksichtigt werden. Auch wenn von einer „Indizwirkung“ der Parameter gesprochen wird, setzt die Bejahung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses jedenfalls voraus, dass hinsichtlich eines oder mehrerer Parameter der relevante Schwellenwert überschritten ist. Richtig ist aber auch, dass durch die Überschreitung nur eines Parameters nicht schon automatisch ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis ausgelöst wird. c) Zeitliche Ermittlung der Parameter Wenig besprochen wird bisher der für die Ermittlung der Parameter relevante Zeitpunkt. Feldhaus schlägt als Anhaltspunkt die Durchschnittswerte der letzten drei Jahre vor der Transaktion vor.203 Das LG München hat gar die Bandbreite der Parameter der letzten fünf Jahre herangezogen.204 Demgegenüber kommt es nach der Auffassung anderer Autoren auf den Zeitpunkt der Transaktion an, sodass grundsätzlich die Zahlen des letzten Geschäftsjahres relevant sind.205 Letztere Auffassung scheint grundsätzlich vorzugswürdig. Auch der BGH hat weder in Holzmüller noch in Gelatine Zahlen aus den vorvergangenen Jahren herangezogen.206 Gleiches gilt für andere instanzgerichtliche Entscheidungen.207 Wenn allerdings aktuellere Zahlen aus einem Quartals- oder Halbjahresabschluss vorliegen, sollten diese zusätzlich herangezogen werden. Weiterhin sollte, wenn sich zeigt, dass die Zahlen des letzten Abschlusses nicht repräsentativ sind, etwa aufgrund einmaliger Sondereinflüsse,208 oder wenn zwischenzeitlich wesentliche Veränderungen eingetreten sind,209 dies im Rahmen der Gesamtbetrachtung angemessen gewürdigt werden. Möglich ist es, dem durch Aufstellung eines Zwischenabschlusses Rechnung zu tragen. Weiterhin kann es auch 203

Feldhaus, BB 2009, 562, 568. LG München, Urt. v. 8. 6. 2006 – 5HK O 5025/06, Rz. 11, 43, juris. 205 Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 32; Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451, 456. 206 So auch Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451, 456. 207 OLG Stuttgart, Urt. v. 13. 7. 2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693, 695; OLG Hamm, Urt. v. 19. 11. 2007 – 8 U 216/07, NZG 2008, 155, 157 („Arcandor“). 208 Hierzu auch Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451, 456. 209 Ähnlich Feldhaus, BB 2009, 562, 568 (wenn die letzten Zahlen bereits „vergleichsweise alt“ sind). 204

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

zu berücksichtigen sein, wenn bestimmte Änderungen unmittelbar bevorstehen, welche zu absehbaren Auswirkungen bei den relevanten Parametern führen werden. d) Bezugspunkt der Parameter Umstritten ist weiterhin, was der richtige Bezugspunkt der Parameter ist, ob die Parameter des ausgegliederten Geschäftsbereichs bzw. der verenkelten Gesellschaft also mit den Parametern des gesamten Konzerns oder mit den Parametern der (Ober-) Gesellschaft zu vergleichen sind, wenn eine Konzernkonstellation vorliegt. aa) Meinungsbild Von der wohl überwiegenden Ansicht in der Literatur wird davon ausgegangen, dass Bezugspunkt der Parameter der Konzern210 oder der jeweils relevante Teilkonzern ist, wenn es sich bei der Gesellschaft um die Obergesellschaft eines Konzerns oder Teilkonzerns handelt.211 Auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wird der betroffene Geschäftsteil mit den Werten des Konzerns verglichen.212 Diese Ansicht beruft sich auf die Gelatine-Urteile;213 begründet wird sie indes nur wenig. Götze führt aus, dass bei einer auch operativ tätigen Holding-Gesellschaft, welche Muttergesellschaft eines bereits tiefer gestaffelten Konzerns ist, ein Vergleich auf Basis unkonsolidierter Zahlen „völlig irreführend“ wäre.214 Krieger argumentiert, die Daten des Konzerns seien entscheidend, da sich das wirtschaftliche Gewicht der Maßnahme für die Interessen der Aktionäre nicht beurteilen lasse, ohne „die gesamten unternehmerischen Aktivitäten einzubeziehen.“215

210 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 50 f.; Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 22; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 11; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 35; Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451, 456; Reichert, AG 2005, 150, 153; Liebscher, ZGR 2005, 1, 16; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576; Reichert, AG 2005, 150, 154; Götze, NZG 2004, 585, 589. 211 So ausdrücklich Reichert, AG 2005, 150, 154; ähnlich auch Götze, NZG 2004, 585, 589. 212 OLG Hamm, Urt. v. 19. 11. 2007 – 8 U 216/07, NZG 2008, 155, 157 („Arcandor“); LG München, Urt. v. 8. 6. 2006 – 5HK O 5025/06, Rz. 43, juris; auch OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 74 ff., juris („Commerzbank/Dresdner Bank“) (hierzu sogleich noch näher); so wohl auch BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, 575, 580. („Gelatine II“) („Konzernergebnis vor Steuern“); offen gelassen: OLG Stuttgart, Urt. v. 13. 7. 2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693, 695 („Stuttgarter Hofbräu“); ebenfalls beide Vergleiche erwähnend OLG Stuttgart, Urt. v. 14. 5. 2003 – 20 U 31/02, NZG 2003, 778, 784. 213 Götze, NZG 2004, 585, 589; Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451, 456. 214 Götze, NZG 2004, 585, 589. 215 Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 11.

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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Eine durchaus starke Gegenansicht geht hingegen davon aus, dass Bezugspunkt der Parameter nicht der Konzern, sondern die Gesellschaft sei.216 Auch das OLG Stuttgart erwähnt jedenfalls einen Vergleich mit den Parametern der Gesellschaft.217 Begründet wird diese Ansicht indes nicht weiter; auch diese Ansicht beruft sich allerdings auf die Gelatine-Urteile.218 bb) Stellungnahme (1) Schutzzweck der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung Der BGH stützt die Beeinträchtigung der Aktionärsrechte in Holzmüller und Gelatine auf den Mediatisierungseffekt, welcher untechnisch beschrieben werden kann als die Differenz zwischen der vormals bestehenden Einflussmöglichkeit der Aktionäre auf das Gesellschaftsvermögen und der nun bestehenden Einflussmöglichkeit.219 Entscheidend für die Frage, wie stark die konkrete Maßnahme die Rechte der Aktionäre quantitativ beeinträchtigt, ist ein Vergleich der Einflussmöglichkeiten der Aktionäre vor und nach der Vermögensverlagerung, bei dem der relevante Gesamtvermögensbestand, welcher ihrem Einfluss unterliegt, oder bildlich gesprochen das „Einfluss-Portfolio“, mit seinen unterschiedlich intensiven und teilweise auch fehlenden Einflussmöglichkeiten, adäquat abzubilden ist. Dass hierbei nicht nur dasjenige Vermögen zu berücksichtigen ist, welches sich unmittelbar auf der hierarchischen Ebene der Gesellschaft selbst befindet, sondern auch mittelbar gehaltene Vermögenswerte wie Tochtergesellschaften, zeigen die Gelatine-Entscheidungen, die auch eine weitere Verkürzung von vormals bereits nur mittelbar bestehendem Einfluss, namentlich die Verenkelung von Tochtergesellschaften, für potentiell zustimmungsbedürftig erklären.220 Das „Einfluss-Portfolio“ der Aktionäre lässt sich sinnvollerweise nur durch die konzernbezogene Betrachtung abbilden. Die Aktionäre der Obergesellschaft haben unterschiedlichen Einfluss auf das im Konzern gehaltene Vermögen: im Hinblick auf das Vermögen der Gesellschaft selbst haben sie unmittelbaren Aktionärseinfluss auf „erster Stufe“, auf das Vermögen der Töchter haben sie einen geminderten mittelbaren Aktionärseinfluss auf „zweiter Stufe“ und auf das Vermögen der nachgeordneten Konzernstufen haben sie praktisch nur noch geringen Einfluss. Maßgeblich ist im Rahmen der quantitativen Betrachtung dann, ob sich das konkrete, aus unter216 Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 32, 37; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 46, 48; Lorenz/Pospiech, DB 2010, 1925, 1929. 217 OLG Stuttgart, Urt. v. 13. 7. 2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693, 695 („Stuttgarter Hofbräu“) (offen gelassen); auch OLG Stuttgart, Urt. v. 14. 5. 2003 – 20 U 31/02, NZG 2003, 778, 784. 218 Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 32, Fn. 90. 219 Siehe nochmals unter C.I.2.c). 220 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 47 („Gelatine I“).

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

schiedlich intensiven Einflussmöglichkeiten bestehende „Einfluss-Portfolio“ durch die konkrete Maßnahme ausreichend massiv ändert, um ausnahmsweise ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszulösen. Eine Betrachtung bezogen nur auf die Gesellschaft berücksichtigt hingegen nicht angemessen, welcher Gesamtvermögensbestand neben dem im konkreten Fall hierarchisch verlagerten Vermögen vorher und nachher noch dem unveränderten (teilweise unmittelbaren, teilweise mittelbaren und teilweise nur noch geringen) Einfluss der Aktionäre unterliegt, sich also in ihrem „Einfluss-Portfolio“ befindet. Würde man allein die Parameter des hierarchisch verlagerten Vermögensteils mit den Parametern der Obergesellschaft auf Einzelabschlussbasis vergleichen, so würde das „Einfluss-Portfolio“ der Aktionäre nicht angemessen abgebildet. Namentlich würde es in Verenkelungs-Konstellationen keinen Unterschied machen, ob es sich bei der verenkelten Gesellschaft um die einzige werthaltige Tochtergesellschaft der Obergesellschaft handelt, in welcher sich fast das gesamte Vermögen und Ertragspotential befindet, auf welches die Aktionäre Einfluss ausüben können, oder ob daneben noch weitere ebenso werthaltige Tochtergesellschaften bestehen, welche von der Maßnahme nicht betroffen sind und dem unveränderten Einfluss der Aktionäre unterliegen, und die verlagerte Tochtergesellschaft mithin nur „eine von vielen“ ist. Auch in Fällen der wirtschaftlichen Ausgliederung wie in Holzmüller muss berücksichtigt werden, ob der ausgegliederte Betriebsteil den größten Teil des Gesamtvermögens repräsentiert oder ob daneben noch weitere werthaltige Töchter bestehen, welche von der Maßnahme aber gar nicht betroffen sind und dem unveränderten Einfluss der Aktionäre unterliegen. (2) Vorgehensweise des BGH in den Gelatine-Urteilen Für die Ansicht, welche die Gesellschaft als richtigen Bezugspunkt für die Parameter ansieht, könnte auf den ersten Blick die Formulierung des BGH in den Gelatine-Urteilen sprechen, dass „der Bereich, auf den sich die Maßnahme erstreckt, in seiner Bedeutung für die Gesellschaft die Ausmaße der Ausgliederung in dem vom Senat entschiedenen ,Holzmüller‘-Fall“221 erreichen muss. Die Frage nach der Bedeutung der Maßnahme für die Gesellschaft, oder noch genauer für die Aktionäre der Gesellschaft, ist als Ausgangpunkt auch zutreffend. Dies beantwortet allerdings noch nicht die Frage, ob sich diese Bedeutung besser anhand einer konzernorientierten Betrachtung oder anhand eines Vergleichs mit den Kennzahlen allein der Gesellschaft vollziehen lässt. In der Tat scheint auch der BGH einer konzernbezogenen Betrachtung zu folgen. Denn im Gelatine I-Urteil werden zunächst im Tatbestand die Kennzahlen der maßgeblichen zu verenkelnden Tochtergesellschaft in das prozentuale Verhältnis zu den Kennzahlen des Konzerns gesetzt.222 In den Entscheidungsgründen wird dann in 221 222

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 32 („Gelatine I“).

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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Bezug auf diese Zahlen die notwendige quantitative Erheblichkeit der Verenkelung abgelehnt, da die „Kennziffern für Bilanzsumme, Eigenkapital, Umsatz und Ergebnis vor Steuern mit maximal 30 % weit unter der Grenze“ 223 liegen, die erforderlich ist, um ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszulösen.224 Da der BGH die Kennzahlen auf Basis von Einzelabschlüssen gar nicht angesprochen hat, spricht dies dafür, dass er diesen auch keine Relevanz beimisst. Noch deutlicher wird dies im Gelatine II-Urteil. Dort werden im Tatbestand zwar die Werte der zu verenkelnden Gesellschaft, der Muttergesellschaft und des Gesamtkonzerns bezüglich „Umsatz u. sonstige Erträge“, Bilanzsumme und Mitarbeiter tabellarisch aufgeführt.225 In den Entscheidungsgründen heißt es dann zur quantitativen Erheblichkeit aber nur kurz, dass „die wirtschaftliche Bedeutung jedoch weit unter der Grenze [liegt], die überschritten sein muss, um eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit zu begründen“ und dass die Beteiligung „insbesondere“ zu „nicht mehr als einem Viertel zum Konzernergebnis vor Steuern“ beigetragen habe.226 Ein Vergleich mit den Zahlen der Muttergesellschaft wurde hingegen nicht mehr angesprochen. cc) Zwischenergebnis Damit sprechen die besseren Gründe dafür, dass die konzernbezogene Betrachtung der relevanten Parameter zutreffend ist. Dem scheint auch der BGH zu folgen. 2. Quantitative Anforderungen beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel Auch beim Beteiligungserwerb im Speziellen ist umstritten, welche Werte bei der quantitativen Beurteilung zu vergleichen sind. Wie bereits angesprochen, hatte die Frage vor den Entscheidungen im Fall Commerzbank/Dresdner Bank bisher nur wenig Aufmerksamkeit erfahren,227 wird nun aber vermehrt diskutiert. a) Meinungsbild Nach einer Ansicht sind die Werte der zu erwerbenden Beteiligung in das Verhältnis zur Erwerberin zu setzen.228 Nicht ganz deutlich wird hier teilweise, ob von 223

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 48 („Gelatine I“). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 48 („Gelatine I“). 225 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, 575 („Gelatine II“). 226 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, 575, 580 („Gelatine II“). 227 Siehe nochmals unter C.III. 228 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 46; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 25; Priester, AG 2011, 654, 661, insbes. Fn. 94; Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 271; 224

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

einem Vergleich auf Basis der Kennzahlen des Konzerns229 oder der Einzelabschlüsse230 ausgegangen wird, wenn die Erwerberin und/oder die Zielgesellschaft Muttergesellschaften eines Konzerns sind. Hoffmann hält diese Betrachtung prinzipiell für zutreffend, will aber letztlich eine von konkreten Schwellenwerten unabhängige Betrachtung anstellen, die auf die absehbaren wirtschaftlichen und insbesondere bilanziellen Auswirkungen abstellt und will dabei neben der Eigenkapitalquote und dem Verschuldungsgrad als bilanziellen Kennziffern insbesondere auch eine hieraus mit einer anerkannten RatingMethode errechnete Ausfallwahrscheinlichkeit berücksichtigen.231 Weiterhin wird namentlich vom OLG Frankfurt a.M. und von Nikoleyczik/Gubitz – orientiert an dem Fall Commerzbank/Dresdner Bank, dem wie dargestellt ein Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin zugrunde lag – vertreten, dass das erworbene Unternehmen mit dem hypothetisch gedachten kombinierten Unternehmen nach dem Erwerb verglichen werden müsse;232 gemeint sind, wie die weiteren Ausführungen deutlich zeigen, die Kennzahlen des jeweiligen Konzerns.233 Für diese Ansicht wird angeführt, allein sie werde dem Gedanken der Mediatisierung gerecht,234 denn bei der Ausgliederung müsse auch auf den Wert des auszugliedernden Teils im Vergleich zum Gesamtunternehmen abgestellt werden und nicht auf den Wert des auszugliedernden Teils im Vergleich zum Gesamtunternehmen abzüglich des auszugliedernden Teils.235 Die Gegenüberstellung der Erwerberin und des Erwerbsobjekts beim Beteiligungserwerb würde hingegen dazu führen, dass der Erwerb und eine (anschließende) Veräußerung ein und derselben

Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 11; Wilsing/Goslar, EWiR § 119 AktG 1/10, 201, 202; Lorenz/Pospiech, DB 2010, 1925, 1929; auch Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30c (der allerdings vorzugsweise für eine eher wertende Gesamtbetrachtung plädiert; siehe sogleich). 229 So wohl Wilsing/Goslar, EWiR § 119 AktG 1/10, 201, 202 („wenn der Wert der Dresdner Bank mindestens 75 % des Werts der Commerzbank ausgemacht hätte“); Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 271 („Wert des zu erwerbenden Unternehmens im Verhältnis zum Erwerbsunternehmen“); Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30c, 34 („Bedeutung für das Gesamtunternehmen“); wohl auch Priester, AG 2011, 654, 661 f. 230 So Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 46 („nicht des Konzerns“); Lorenz/Pospiech, DB 2010, 1925, 1929 („nicht der Gesamtkonzern“). 231 Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30c. 232 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 73, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“); dem folgend Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 93. 233 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 73 ff., juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 234 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 73, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“); Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 93. 235 Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 93.

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

163

Beteiligung unter dem Aspekt einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz unterschiedlich zu beurteilen wären.236 Abweichend von den beiden vorgenannten Ansichten wird nun in jüngerer Vergangenheit namentlich von Hüffer und Wilhelm vertreten, dass zur Beurteilung der Quantität des Beteiligungserwerbs gegen Barmittel an die abfließenden Barmittel anzuknüpfen sei, da diese auch Gegenstand der Mediatisierung seien.237 b) Stellungnahme Systematisch präzise ist allein die letztgenannte Ansicht. Denn die qualitative und die quantitative Betrachtung müssen bezüglich desselben Anknüpfungspunkts erfolgen. Da nach den zum Mediatisierungseffekt erarbeiteten Grundsätzen beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel wirtschaftlich die aufgewendeten Barmittel in die Beteiligung verlagert werden, der Einfluss auf diese also mediatisiert wird, muss für die Bestimmung der Quantität der Maßnahme damit systematisch korrekt ebenfalls an die abfließenden Barmittel angeknüpft werden.238 Hierzu kann anhand der Bilanz verglichen werden, wie sich die aufgewendeten Barmittel im Verhältnis zum bisherigen Aktivvermögen der Erwerberin verhalten. Hierdurch kann – parallel zum Fall Holzmüller – bemessen werden, welcher Prozentsatz der Aktiva der Gesellschaft dann durch den Beteiligungserwerb auf die hierarchisch tiefere Ebene verlagert wird. Wenn es sich bei der Erwerberin um die Obergesellschaft im Konzern handelt, ist nach den vorstehend entwickelten Grundsätzen239 der relevante Anteil der Barmittel anhand der Konzernbilanz zu ermitteln. Denn auch hier muss das „Einfluss-Portfolio“ der Aktionäre, also der Einfluss der Aktionäre auf das gesamte Vermögen, vor und nach der Maßnahme betrachtet werden.240 Auch wenn die verlagerten Barmittel im Vergleich zur Bilanzsumme der Erwerberin auf Einzelabschlussbasis also einen prozentual großen Anteil ausmachen, so ist zu berücksichtigen, ob die Aktionäre auch darüber hinaus noch über Einfluss über weiteres maßgebliches Vermögen, etwa in weiteren Tochtergesellschaften, verfügen. Dies bildet nur die konzernbezogene Betrachtung angemessen ab.241

236

Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 93. Hüffer, WuB II A., § 119 AktG, 1.11 (2011), 201, 204; Wilhelm, WuB II A., § 120 AktG, 1.12 (2012), 351, 354. 238 So auch Hüffer, WuB II A., § 119 AktG, 1.11 (2011), 201, 204; Wilhelm, WuB II A., § 120 AktG, 1.12 (2012), 351, 354. 239 Siehe nochmals unter C.II.1.d)bb). 240 Siehe nochmals unter C.II.1.d)bb). 241 Siehe nochmals unter C.II.1.d)bb). 237

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

Eine Zustimmungsbedürftigkeit kommt in Anwendung des allgemeinen Schwellenwerts erst dann in Betracht, wenn sich bei diesem Vergleich ein Wert von 75 – 80 % ergibt und stellt mithin den absoluten Ausnahmefall dar. Gegen diese Ansicht könnte eventuell sprechen, dass beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel dann nur die Bilanzsumme, hingegen nicht die anderen vom BGH in Gelatine benannten und in dieser Konstellation relevanten Parameter von Umsatz und Ergebnis vor Steuern sowie das Eigenkapital zum Vergleich herangezogen werden könnten. Dieses formale Argument stellt an sich jedoch keinen tauglichen Einwand gegen diese Ansicht dar. Entscheidend muss es sein, einen geeigneten Anknüpfungspunkt für die Bemessung der quantitativen Auswirkungen im Einzelfall zu finden. Allein die Tatsache, dass der Umsatz und das Ergebnis vor Steuern in Fällen der Ausgliederung und Verenkelung geeignete Parameter zur Bemessung der quantitativen Relevanz darstellen, bedeutet indes nicht, dass diese zwingend auch für alle anderen Konstellationen geeignet sind. Umsatz und Ergebnis vor Steuern beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel nicht als relevante Parameter zu berücksichtigen ist auch in der Sache stimmig. Denn während bei einer Ausgliederung und Verenkelung von „unternehmerischer Substanz“ auch tatsächlich der Umsatz und das Ergebnis des hierarchisch verlagerten Vermögensteils betrachtet werden können, werden beim Beteiligungserwerb die Barmittel hierarchisch verlagert, welche zwar ein Ertragspotential aufweisen,242 aber – von Zinsen abgesehen – nicht hinsichtlich Umsatz und Ergebnis betrachtet werden können. Das hinzuerworbene Vermögen, namentlich die erworbene Beteiligung, unterstand aber bisher nicht dem Einfluss der Aktionäre der Obergesellschaft, sodass es systematisch nicht stimmig wäre, hinsichtlich Ergebnis und Umsatz (sowie Eigenkapital) an deren Parameter anzuknüpfen. Dagegen, auf den Umsatz und das Ergebnis vor Steuern der erworbenen Beteiligung abzustellen, spricht auch weiterhin, dass mit zunehmendem Umsatz und Ergebnis der erworbenen Beteiligung die Wahrscheinlichkeit eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses zunehmen würde. Mit anderen Worten: eine gute Investition wäre aufgrund der hohen Parameter der erworbenen Beteiligung eher zustimmungsbedürftig als eine schlechte, obwohl aus Sicht der Aktionäre derselbe Betrag an Barmitteln aufgewendet wird, um diese zu erwerben,243 die Reduzierung ihrer Rechtsposition also dieselbe ist. Das wäre widersprüchlich und unterstreicht den Befund, dass beim Beteiligungserwerb allein das „weggegebene“ bzw. verlagerte Vermögen, also die Barmittel, Gegenstand der quantitativen Betrachtung sein muss und nicht das hinzuerworbene Vermögen, also die erworbene Beteiligung. Es trifft damit auch nicht zu, dass nur ein Vergleich der Zielgesellschaft mit dem hypothetischen Gesamtunternehmen nach Vollzug des Erwerbs dem Gedanken der

242

Siehe nochmals unter C.I.3.b)bb). So Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 93 (zum Ertragswert); Priester, AG 2011, 654, 661; vorsichtiger Wilhelm, WuB II A., § 120 AktG, 1.12 (2012), 353, 354. 243

C. Beteiligungserwerb gegen Barmittel

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Mediatisierung gerecht wird.244 Ausgangspunkt der Betrachtung muss vielmehr immer der status quo ante, also das „Einfluss-Portfolio“ der Aktionäre vor der konkret zu prüfenden Maßnahme sein, wobei dann zu prüfen ist, wie dieses „Einfluss-Portfolio“ durch die konkrete Maßnahme verändert wird.245 Vor dem Beteiligungserwerb waren Teil dieses „Einfluss-Portfolios“ die Barmittel, welche dann in die erworbene Beteiligung investiert wurden, wodurch diese Teil des „EinflussPortfolios“ der Aktionäre wurde. Soll die erworbene Beteiligung später verenkelt werden, wäre dann wieder der status quo des Einflusses der Aktionäre vor dieser Maßnahme zugrunde zu legen. Dies kann gegebenenfalls auch dazu führen, dass eine Zustimmungsbedürftigkeit zu bejahen wäre, obwohl der Beteiligungserwerb vorher keine Zustimmungsbedürftigkeit ausgelöst hat – z. B. wenn die Beteiligung zu einem „guten Preis“, also unter Einsatz weniger Barmittel erworben wurde, sich inzwischen aber so entwickelt hat, dass sie den größten Vermögensbestandteil des Konzerns darstellt – oder umgekehrt, hängt aber letztlich entscheidend von der dann aktuellen Situation ab. c) Wertende Überprüfung Das gefundene Ergebnis hält auch einer wertenden Überprüfung stand. Wenn die zum Beteiligungserwerb aufgewendeten Barmittel tatsächlich 75 – 80 % des Aktivvermögens der Gesellschaft bzw. des Konzerns vor dem Beteiligungserwerb ausgemacht haben, so erscheint es auch mit Blick darauf, dass die ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse nur in engen Grenzen anzuwenden sind, wenn die sinnvolle Ergänzung der ansonsten wohl austarierten und abschließenden Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft dies erfordert,246 gerechtfertigt, die Hauptversammlung bei einem derartigen Beteiligungserwerb zu befragen. Man könnte sogar argumentieren, dass der Effekt für die Aktionäre noch gravierender ist als in Holzmüller oder Gelatine, da in diesen Fällen am eigentlichen „Kerngeschäft“ keine Veränderung vorgenommen wurde. Wenn aber 75 – 80 % des Aktivvermögens in Barmitteln bestehen und somit fast das gesamte Vermögen – freilich im Rahmen des Unternehmensgegenstands – sprichwörtlich auf „eine Karte“ gesetzt und durch hierarchische Verlagerung in eine Beteiligung investiert wird, erscheint es auch bei wertender Betrachtung aufgrund des Ausnahmecharakters dieser Entscheidung für die Aktionäre und der weitreichenden Folgen angebracht, die Aktionäre ausnahmsweise an der Entscheidung zu beteiligen.

244 245 246

So aber Nikoleyczik/Gubitz, NZG 2011, 91, 93. Siehe nochmals unter C.II.1.d)bb). Siehe nochmal unter Teil 2 A.III.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

III. Zwischenergebnis Die Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung bezweckt primär einen verbandsrechtlichen Schutz vor tiefen Eingriffen in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre durch den Vorstand, führt hierdurch aber auch zu einem Präventivschutz vor späteren Vermögensbeeinträchtigungen der Aktionäre. Sowohl dieser herausgearbeitete Schutzzweck der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse als auch die Entwicklung der Rechtsprechung des BGH deuten stark darauf hin, dass gerade der Mediatisierungseffekt das einzige qualitative Kriterium ist, welches ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis zu rechtfertigen im Stande ist. Es sprechen die besseren Argumente dafür, dass ein Mediatisierungseffekt auch bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel eintreten kann. Die Gegenansicht, welche nur „unternehmerische Aktivität“ bzw. „unternehmerische Substanz“ nicht aber Barmittel für mediatisierungsfähig hält, vermag nicht zu überzeugen. Insbesondere droht bei einer Bejahung des Mediatisierungseffekts keine Gefahr der „allgemeinen Mittelverwendungskontrolle“ durch die Hauptversammlung, da die Holzmüller/Gelatine-Fälle aufgrund der zusätzlichen hohen quantitativen Anforderungen auf seltene Ausnahmefälle begrenzt sind. Außerdem ist auch die Frage, auf welcher hierarchischen Ebene „unternehmerische Substanz“ eingesetzt werden soll, ebenso wie der Einsatz von Barmitteln, eine Mittelverwendungsentscheidung. Auch ist nicht erkennbar, dass mit Blick auf den Schutzzweck der Holzmüller/GelatineRechtsprechung Barmittel einen geringeren Schutz genießen als „unternehmerische Substanz“. Im Gegenteil deutet die Rechtsprechung des BGH in Holzmüller und Stuttgarter Hofbräu stark dahin, dass auch Barmittel für mediatisierungsfähig gehalten werden. Dies überzeugt auch in der Sache, da das Gesellschaftsvermögen in seiner Zusammensetzung nicht statisch ist und es für die Gesellschaft grundsätzlich ebenso wichtig ist, über Barmittel zu verfügen wie über „unternehmerische Substanz“ (etwa Produktionsstätten und Rohstoffe); vielmehr kommt es für den Schwerpunkt des jeweiligen Bedarfs entscheidend auf das spezifische Tätigkeitsfeld der Gesellschaft an. Entscheidend ist letztlich, dass auch bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel Ertragspotential hierarchisch in die Beteiligung verlagert wird und der Vorstand den Aktionären damit die Möglichkeit nimmt, das Risiko des Verlusts und die Verwendung der Erträge der verlagerten Mittel zu beeinflussen, indem er das Ertragspotential künftig auf Ebene der Tochter realisiert. Ein Mediatisierungseffekt besteht auch, wenn die Beteiligung mit fremdfinanzierten Mitteln erworben wird. Denn die durch die Finanzierung zur Verfügung gestellten Mittel werden auch hier in die Beteiligung verlagert, während die Gesellschaft mit den Tilgungs- und Zinsaufwendungen belastet ist. Auch bei einer Holdinggesellschaft ist ein Mediatisierungseffekt grundsätzlich denkbar. Anders dürfte dies in der Tat nur zu beurteilen sein, wenn die Gesellschaft nach ihrem Unternehmensgegenstand auf einen ausschließlichen Holding-Charakter beschränkt ist. Denn in diesem Fall dürften die Mittel nicht auf Ebene der Gesellschaft selbst investiert werden, sodass die Mediatisierung schon strukturell zwingend ist.

D. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin

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Beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel ist zur Bestimmung der Quantität der Maßnahme an die aufgewendeten Barmittel anzuknüpfen, da diese auch den Gegenstand der Mediatisierung bilden und die qualitative und quantitative Betrachtung bezüglich desselben Anknüpfungspunkts erfolgen muss. Ein Abstellen auf die Parameter der erworbenen Beteiligung würde hingegen dazu führen, dass eine gute Investition (mit folglich höheren Parametern auf Seiten der Zielgesellschaft) eher zustimmungsbedürftig wäre als eine schlechte, obwohl derselbe Betrag an Barmitteln zum Erwerb aufgewendet wurde, die Reduzierung der Rechtsposition der Aktionäre mithin dieselbe ist. Zur Ermittlung der Quantität kann anhand der Bilanz verglichen werden, wie sich die aufgewendeten Barmittel im Verhältnis zum bisherigen Aktivvermögen der Erwerberin verhalten. Eine Zustimmungsbedürftigkeit kommt erst dann in Betracht, wenn sich bei diesem Vergleich ein Wert von 75 – 80 % ergibt und stellt daher den absoluten Ausnahmefall dar. Wenn es sich bei der Erwerberin um die Obergesellschaft im Konzern handelt, ist der Anteil der aufgewendeten Barmittel anhand der Konzernbilanz zu ermitteln. Denn bei Betrachtung der quantitativen Reduzierung des „Einfluss-Portfolios“ der Aktionäre ist auch das weitere Vermögen zu berücksichtigen, welches den Einflussmöglichkeiten der Aktionäre unterliegt.

D. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin Beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin besteht die Besonderheit darin, dass zur Schaffung der Anteile der Erwerberin, welche als Gegenleistung im Rahmen des Beteiligungserwerbs verwendet werden, schon eine Befassung der Hauptversammlung stattgefunden hat. Es stellt sich somit zunächst die Frage, ob beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin neben einer Zustimmung der Hauptversammlung zur Schaffung bzw. Verwendung dieser Anteile überhaupt noch eine Zustimmung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen in Betracht kommt.

I. Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze 1. Meinungsbild In der Literatur findet man, soweit eine Befassung mit den Auswirkungen der bereits erfolgten Mitwirkung bei der Schaffung von Anteilen der Erwerberin als Gegenleistung beim Beteiligungserwerb stattfindet, teilweise die recht pauschale Aussage, dass ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis nicht in Betracht komme, wenn bereits eine Mitwirkung der Hauptversammlung erfolgt sei.247 Dif247 Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 10; Kiefner, ZIP 2011, 545, 550 f.; Götze, NZG 2004, 585, 588, Fn. 39; Renner, NZG 2002, 1091, 1093; Wagner, DStR 2004, 141, 143; Aha, BB 2001, 2225, 2231.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

ferenzierter wird von Decher vorgebracht, es fehle bei einer ordentlichen Kapitalerhöhung und auch bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals an der für die offene Rechtsfortbildung beim ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernis notwendigen Anschauungslücke des Gesetzgebers, da die Hauptversammlung im Rahmen der Kapitalmaßnahme bereits mit dem Beteiligungserwerb befasst werde.248 Speziell zum genehmigten Kapital wird in der Literatur teilweise argumentiert, es sei gerade charakteristisch, dass der Vorstand dieses ohne eine weitere Befassung der Hauptversammlung ausnutzen dürfe, sodass keine weitere Zustimmungsbedürftigkeit nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen bestehen könne.249 Dieser Ansicht ist auch das OLG Schleswig.250 Teilweise wird es, wiederum zum genehmigten Kapital, aber auch als unklar bezeichnet, wie sich die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze zur Ausnutzung des genehmigten Kapitals verhalten.251 Von anderen Stimmen wird hingegen davon ausgegangen, dass jedenfalls im Einzelfall bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals die bereits erteilte Zustimmung der Hauptversammlung nicht ausreichen könne, um ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb auszuschließen.252 So ist insbesondere Priester der Ansicht, die bereits erfolgte Mitwirkung der Hauptversammlung sei bei Erreichung der Holzmüller/Gelatine-Kriterien grundsätzlich nicht ausreichend, es sei denn, das genehmigte Kapital wurde ausdrücklich für den betreffenden Erwerb geschaffen.253 Ähnlich ging das LG Frankfurt a.M. in seiner Entscheidung im Fall Commerzbank/Dresdner Bank davon aus, dass die Mitwirkung der Hauptversammlung zur Schaffung des genehmigten Kapitals jedenfalls den konkreten Beteiligungserwerb mit der anschließenden, schon anfangs beabsichtigten Verschmelzung, dem erforderlichen Einstieg des SoFFin und der Änderung der Kapital- und Leitungsstruktur nicht gedeckt habe.254 Auch Bayer und Tröger gehen davon aus, dass bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals bei einem Überschreiten der Holzmüller-Schwelle der Erwerbsvorgang den Aktionären zur Ent248

Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 270. Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 59 Rn. 46; von Dryander/Niggemann, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 202 Rn. 36 ff.; Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 270 f.; Bodenbrenner/Grewe, Der Konzern 2011, 547, 550 f.; Kiefner, ZIP 2011, 545, 548; Kimpler, DB 1994, 767, 770. 250 OLG Schleswig, Urt. v. 19. 3. 2009 – 5 U 90/08, DB0363900, S. 6. 251 Hirte, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2001), § 202 Rn. 162 („Nicht ganz klar“); Busch, in: Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. (2014), § 43 Rn. 29 (aber mit klar ablehnender Tendenz: „mehr als zweifelhaft“). 252 Priester, AG 2011, 654, 660; Hirte, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2001), § 202 Rn. 162; Happ, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 175, 184 f.; Tröger, ZIP 2001, 2029, 2040 f.; Cahn, ZHR (163) 1999, 554, 581 f. 253 Priester, AG 2011, 654, 660. 254 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 101, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 249

D. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin

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scheidung vorgelegt werden müsse.255 Teilweise wird in etwas älteren Stellungnahmen auch davon ausgegangen, eine weitere Zustimmung der Hauptversammlung müsse eingeholt werden, wenn das genehmigte Kapital zur Eingehung einer „fusionsähnlichen“ Verbindung eingesetzt werde.256 2. Stellungnahme Zu berücksichtigen ist als Ausgangspunkt der Überlegungen, dass ungeschriebene Hauptversammlungserfordernisse eine Ausnahme von der austarierten und grundsätzlich abschließenden Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft darstellen und insofern nur in Ausnahmefällen bejaht werden können, wenn dies zu einer sinnvollen Ergänzung der Kompetenzordnung führt, ohne diese jedoch grundsätzlich zu verändern oder umzugestalten.257 Zutreffend ist weiterhin, dass ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis nicht in Betracht kommen kann, wenn der Gesetzgeber sich bezüglich bestimmter Maßnahmen bewusst gegen eine (weitere) Zustimmungsbedürftigkeit nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen entschieden hat, also eine abschließende Wertung hinsichtlich der Zustimmungsbedürftigkeit getroffen hat. Die Vertreter der restriktiven Ansicht gehen wie gesehen teils pauschal davon aus, dass eine weitere Befassung der Hauptversammlung nicht notwendig sei, da schon eine Befassung der Hauptversammlung im Rahmen der jeweiligen Kapitalmaßnahme stattgefunden hat. Dies allein ist aber keine Begründung, sondern eine bloße Behauptung. Dass nicht jegliche vorherige Form der Mitwirkung der Hauptversammlung zum Ausschluss eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses genügen kann, zeigt sich bereits daran, dass auch die Zustimmung zu einer allgemeinen Konzernöffnungsklausel ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis nicht ausschließen kann,258 was auch der BGH anerkennt.259 Das von Decher vorgetragene Argument, es fehle an der notwendigen Anschauungslücke für die Bejahung der Anwendung der Holzmüller/GelatineGrundsätze, klingt zunächst stimmig, überzeugt bei näherer Betrachtung in dieser Allgemeinheit aber ebenfalls nicht. Zutreffend ist, dass hinsichtlich der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse gemeinhin von einer „Anschau255 Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2005), § 202 Rn. 57; offener jetzt aber Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 202 Rn. 56 f. (allerdings hauptsächlich wegen der fehlenden quantitativen Relevanz); Tröger, ZIP 2001, 2029, 2040 f. 256 Happ, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 175, 184 f. (bei Ausnutzung zu „fusionsähnlichen Sachverhalten“); Cahn, ZHR (163) 1999, 554, 581 f. (z. B. bei Ausnutzung des gesamten genehmigten Kapitals zur „Finanzierung einer fusionsähnlichen Umstrukturierung“); ähnlich Hirte, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2001), § 202 Rn. 162 (bei Begründung einer „qualifiziert faktischen Abhängigkeit“). 257 Siehe nochmals unter Teil 2 A.III. 258 Siehe nochmals unter B.II. 259 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 46 („Gelatine I“).

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

ungslücke“ des historischen Gesetzgebers ausgegangen wird,260 da das zugrundeliegende Problem bei Erlass des Aktiengesetzes 1965 nicht erkannt worden sei. Wenn der historische Gesetzgeber die Problematik, welche den ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernissen zugrunde liegt, aber gar nicht erkannt hat, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Zustimmung zu Kapitalmaßnahmen – welche freilich schon bei Erlass im Aktiengesetz 1965 beinhaltet waren261 – gegenüber den ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernissen per se als abschließend konzipiert ist. Dies gilt auch für den praxisrelevanten Fall der Ausnutzung des genehmigten Kapitals. Hieraus folgt aber zunächst nur, dass nicht bereits aus der Tatsache, dass eine Zustimmung im Rahmen einer Kapitalmaßnahme erfolgt ist, gefolgert werden kann, dass ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin stets „automatisch“ ausgeschlossen ist. Die Frage ist vielmehr schrittweise anhand der bisher entwickelten allgemeinen Grundsätze zu beantworten. Es ist also zunächst zu prüfen, ob bei einem Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin nach dem Schutzzweck der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung und den bisher herausgearbeiteten Kriterien überhaupt ein Fall vorliegt, welcher qualitativ (hierzu unter II.) und quantitativ (hierzu unter III.) vergleichbare Auswirkungen zeitigt. Nur wenn dies der Fall ist, stellt sich dann im zweiten Schritt überhaupt die Frage nach der Wirkung der bereits im Rahmen der vorangegangenen Kapitalmaßnahme erteilten Zustimmung im Verhältnis zu den Holzmüller/GelatineGrundsätzen (hierzu unter IV.). Da die ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse ihrer Natur nach Maßnahmen betreffen, die mit großen qualitativen und quantitativen Auswirkungen auf die Aktionärsrechte verbunden sind, muss sich daher, wenn derartige vergleichbare Auswirkungen gegeben sein sollten, jede Art der Zustimmung bezüglich solcher Maßnahmen daran messen lassen, ob die Aktionäre diese weitreichenden Auswirkungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht hinreichend gebilligt haben.

260 Grundlegend bereits Geßler, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 771, 780 f. (auf den der BGH in Gelatine I ausdrücklich Bezug nimmt); ebenso etwa Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279, 284; Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 269 f.; Zimmermann/Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 160; ähnlich Wank, ZGR 1988, 314, 371 f.; auch BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 („Gelatine I“). 261 Siehe das AktG 1965 in seiner Originalfassung, abgedruckt bei Kropff/Thölke, Aktiengesetz 1965 (2005), S. 19 ff., dort entsprechend der noch aktuellen Nummerierung: §§ 182, 183, 186 (ordentliche Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen unter Bezugsrechtsausschluss); §§ 192, 194 (bedingte Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen); §§ 202, 205 (genehmigtes Kapital gegen Sacheinlagen); ferner auch § 71 AktG (Erwerb eigener Aktien).

D. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin

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II. Qualitative Anforderungen 1. Meinungsbild Nur wenige kurze Stellungnahmen finden sich zu der Frage, ob auch ein Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin zu einer Mediatisierung der Aktionärsrechte oder einem vergleichbaren Effekt führen kann, sodass kaum von einem echten Meinungsbild gesprochen werden kann. Kiefner verneint dies mit dem Argument, die Erhöhung des Eigenkapitals spiegele sich auf der Aktivseite durch Hinzutreten der Beteiligung wider.262 Hierin liege aber keine Kompetenzbeeinträchtigung der Aktionäre, da die in der Beteiligung gebündelten Investitionsgegenstände nicht „unmittelbar zum Gesellschaftsvermögen“ gehören würden.263 Anders sieht dies Bayer, der darauf abstellt, dass bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals nicht nur ein kompetenzrechtlicher Eingriff in die Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre vorliege, sondern die Altaktionäre sogar teilweise aus ihren Herrschafts- und Vermögensrechten verdrängt würden.264 Es sei daher „geradezu widersinnig“, die Verwaltung bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals gegenüber „normalen“ Holzmüller-Fällen zu privilegieren.265 2. Stellungnahme a) Ausgangspunkt: Definition des Mediatisierungseffekts Ausgangspunkt der Überlegungen zu der Beeinträchtigung der Aktionärsrechte muss die erarbeitete Definition des Mediatisierungseffekts sein. Der Mediatisierungseffekt kennzeichnet sich dadurch, dass durch eine an sich autonome Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands, durch welche vormals dem unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss der Aktionäre unterliegendes Vermögen gegenständlich oder wirtschaftlich auf eine tiefere hierarchische Beteiligungsebene verlagert wird, wodurch die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre faktisch verkürzt werden.266 Hinsichtlich der Folgen des Beteiligungserwerbs gegen Anteile der Erwerberin lässt sich zunächst feststellen, dass weder eine gegenständliche noch eine wirtschaftliche Verlagerung des bisherigen Gesellschaftsvermögens stattfindet. Offensichtlich kommt es nicht zu einer gegenständlichen Verlagerung von Vermögen wie 262

Kiefner, ZIP 2011, 545, 548. Kiefner, ZIP 2011, 545, 548. 264 Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2005), § 202 Rn. 57; unklarer jetzt ders., in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 202 Rn. 57. 265 Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2005), § 202 Rn. 57; unklarer jetzt ders., in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 202 Rn. 57. 266 Siehe nochmals unter C.I.3.d). 263

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

in den Holzmüller/Gelatine-Fällen; das bisherige Gesellschaftsvermögen bleibt vielmehr unverändert und wird hierarchisch nicht bewegt. Auch eine wirtschaftliche Verlagerung liegt nach den bisher erarbeiteten Grundsätzen nicht vor, da keine Barmittel in die Beteiligung verlagert werden; es werden namentlich gar keine Barmittel zum Erwerb der Beteiligung aufgewendet. Mangels hierarchischer Verlagerung von Teilen des bisherigen Gesellschaftsvermögens kann damit auch keine faktische Verkürzung der Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre hinsichtlich solcher Vermögensteile eintreten. Es liegt also kein Mediatisierungseffekt nach der erarbeiteten Definition vor. b) Mögliche wertende Betrachtung Dieser formalen Argumentation könnte gegebenenfalls folgende wertende Betrachtung entgegengesetzt werden. Ein Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin des in Rede stehenden Ausmaßes wird grundsätzlich unter Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre erfolgen.267 Stellt man aber nicht auf die Hauptversammlung der Obergesellschaft als Ganzes sondern auf die Sicht der Altaktionäre ab, so kann man in Bezug auf das bisherige Gesellschaftsvermögen feststellen, dass es zwar nicht wie bei der „klassischen“ Mediatisierung zu einer faktischen Verkürzung der Mitgliedschaftsrechte kommt, es kommt jedoch (sogar) zu einer rechtlichen Verkürzung.268 Denn durch die Beteiligung eines Dritten an der Gesellschaft unter Bezugsrechtsausschluss der Altaktionäre reduziert sich die Anteilsquote der Altaktionäre – sowohl insgesamt als auch mit Blick auf den einzelnen Altaktionär – prozentual. Dadurch kommt dem einzelnen Altaktionär und der Gesamtheit der Altaktionäre bei der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte, etwa bei der Gewinnverwendungsentscheidung, der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder und der Entlastung der Verwaltung, nun ein geringeres Stimmgewicht zu. Auch der prozentuale Anteil 267

Für den Fall einer Sacheinlage durch einen Aktionär wird allerdings diskutiert, die übrigen Aktionäre gleichzeitig im Wege einer Barkapitalerhöhung zu beteiligen, an welcher der Sacheinleger nicht teilnimmt, um die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme mit Blick auf die Rechte der übrigen Aktionäre zu gewährleisten (siehe Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 186 Rn. 34; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 203 Rn. 134; Wiedemann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1994), § 186 Rn. 145; Lutter, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. (1989), § 186 Rn. 64, 79; Schürnbrand, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 186 Rn. 123). Es kann dann in diesem Fall entweder ein „gekreuzter Bezugsrechtsausschluss“ beschlossen werden oder aber eine einheitliche Bar- und Sachkapitalerhöhung, bei welcher nach überwiegender Ansicht kein Bezugsrechtsausschluss stattfindet (OLG Jena, Beschl. v. 12. 10. 2006 – 6 W 452/06, NZG 2007, 147, 149 f.; von Dryander/ Niggemann, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 183 Rn. 17; Sickinger/Kuthe, in: MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010), § 33 Rn. 58; Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 57 Rn. 120; Wiedemann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1994), § 186 Rn. 183; Kirchner/Sailer, NZG 2002, 305, 310; Aha, BB 2001, 2225, 2227; Groß, AG 1993, 449, 453 f.; anders Schürnbrand, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 186 Rn. 124). 268 Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2005), § 202 Rn. 57; unklarer jetzt ders., in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 202 Rn. 57.

D. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin

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an Dividende, welche mithilfe des auf der hierarchischen Ebene der Gesellschaft befindlichen Vermögens erwirtschaftet wird, nimmt ab. Der Preis, mit dem die erworbene Beteiligung „erkauft“ wurde, ist also diese Reduzierung des Einflusses der Altaktionäre auf das bisherige Gesellschaftsvermögen. Als Gegenleistung fließt die erworbene Beteiligung zu, welche allerdings nur dem begrenzten Einfluss der (Alt-)Aktionäre unterliegt und in Bezug auf die auch der Einfluss des Vorstands gestärkt wird. Denn anders als eine Sacheinlage, welche auf der hierarchischen Ebene der Gesellschaft zufließt, wird die erworbene Beteiligung auf hierarchisch tieferer Ebene dem Einfluss der Aktionäre der Obergesellschaft unterstellt. Dies könnte bei wertender Betrachtung unter Umständen einer wirtschaftlichen Verlagerung von Vermögen weg von den (Alt-)Aktionären und hin zum Vorstand und damit einer faktischen Verschiebung von Kompetenzen ähnlich wie im Falle eines „klassischen“ Mediatisierungseffekts gleichstehen. c) Keine Vergleichbarkeit mit Fällen des „klassischen“ Mediatisierungseffekts Diese Betrachtung überzeugt jedoch bei näherer Überprüfung nicht. Bei einem Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin besteht weder im Ansatzpunkt noch im Ergebnis eine vergleichbare Situation für die Aktionäre wie bei einem „klassischen“ Mediatisierungseffekt. Erstens ist die Maßnahme, durch welche der Eingriff beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin erfolgt, anders als beim „klassischen“ Mediatisierungseffekt (grundsätzlich) schon keine autonome Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands. Der Vorstand hat es somit – anders als beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel – schon gar nicht „in der Hand“, durch eine autonome Entscheidung für eine faktische Verschiebung von Kompetenzen zu sorgen. Beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin resultiert die Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte der (Alt-)Aktionäre, welche als denkbarer qualitativer Anknüpfungspunkt in Betracht kommt, namentlich daraus, dass einem Dritten eine Beteiligung an der Gesellschaft eingeräumt wird und hierdurch die Beteiligungsquote der Altaktionäre prozentual reduziert wird. Dieser Effekt basiert aber nicht auf einer autonomen Entscheidung des Vorstands, sondern auf der Kapitalmaßnahme und damit auf einer Entscheidung der Hauptversammlung. Jedenfalls insofern ist der restriktiven Ansicht im Ergebnis zuzustimmen. Anders könnte dies bei der Ausnutzung des genehmigten Kapitals sein, welche, wie gesehen, eine Maßnahme der Geschäftsführung bzw. -leitung darstellt.269 Auch beim genehmigten Kapital geht die konkrete Beeinträchtigung der Aktionärsrechte 269 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 202 Rn. 20; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 59 Rn. 42; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 202 Rn. 86; Wamser, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 202 Rn. 1; Marsch-Barner, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 202 Rn. 15.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

durch die Beteiligung des Dritten an der Gesellschaft allerdings auf eine vorherige Beschlussfassung der Hauptversammlung zurück. Damit hat der Vorstand es auch hier jedenfalls nicht alleine in der Hand, durch eine autonome Geschäftsführungsmaßnahme die Rechte der Aktionäre zu beeinträchtigen, wenn er vorher von den Aktionären hierzu nicht ermächtigt wurde. Zweitens verschiebt sich beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin der Einfluss der Aktionäre auf das bisherige Gesellschaftsvermögen nicht hierarchisch im Verhältnis zum Vorstand, also vertikal, sondern horizontal zwischen den Aktionären, namentlich von den Altaktionären hin auf den neu aufgenommenen Aktionär. Der Vorstand hat es mithin auch nicht wie in Fällen des „klassischen“ Mediatisierungseffekts in der Hand, seinen eigenen Einfluss auf das bisherige Gesellschaftsvermögen auf Kosten der Hauptversammlung zu erweitern. Es findet vielmehr insofern „nur“ eine Verschiebung des Einflusses innerhalb der Hauptversammlung durch eine Veränderung im Aktionärskreis statt. Richtig ist zwar weiterhin, dass die Rechtsstellung des Vorstands in Bezug auf die erworbene Beteiligung dieselbe ist, wie nach einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel. Beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel ist die Stärkung der Stellung des Vorstands allerdings spiegelbildliche Folge der faktischen Rechtsverkürzung der Hauptversammlung, da die Barmittel durch Erwerb der Beteiligung in diese verlagert und insofern dem Einfluss der Hauptversammlung entzogen werden. Beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin wird dem Einfluss der Hauptversammlung hingegen kein Gesellschaftsvermögen entzogen. Hiergegen könnte allenfalls argumentiert werden, der Vorstand stärke seine Einflussmöglichkeiten auf Kosten der Altaktionäre, indem er den Einfluss auf die erworbene Beteiligung durch eine Reduzierung des Einflusses der Altaktionäre „erkauft“. Die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze betreffen aber nicht die interne Machtverteilung der Aktionäre untereinander, sondern das Verhältnis der Hauptversammlung zum Vorstand und kommen namentlich nur in Betracht, wenn dies zur sinnvollen Ergänzung der austarierten und grundsätzlich abschließenden Kompetenzordnung zwischen diesen Organen erforderlich ist.270 Es überzeugt daher insgesamt nicht, auf die Perspektive der Altaktionäre im Verhältnis zu dem neu aufgenommenen Aktionär abzustellen. Damit fehlt es auch im Ergebnis an vergleichbaren Auswirkungen auf die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre und die interne Kompetenzordnung wie in Fällen der „klassischen“ Mediatisierung. Zusammengefasst liegt damit beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin kein Mediatisierungseffekt und auch kein vergleichbarer Effekt vor, sodass eine qualitative Vergleichbarkeit mit den Holzmüller/Gelatine-Fällen richtigerweise nicht gegeben ist.

270

Siehe nochmals unter Teil 2 A.III.

D. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin

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III. Quantitative Anforderungen Lediglich hilfsweise ist daher zu erörtern, wie man die Quantität der Maßnahme bemessen müsste, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht eine qualitative Vergleichbarkeit mit dem Mediatisierungseffekt bejahen wollte. Die qualitativ relevante Verkürzung der Aktionärsrechte würde dann, wie soeben dargestellt, darin liegen, dass die Beteiligungsquote der Altaktionäre prozentual reduziert wird und damit der Einfluss auf das bisherige Gesellschaftsvermögen geschwächt wird, während im Gegenzug die erworbene Beteiligung auf hierarchisch tieferer Ebene zufließt, worin dann gegebenenfalls – entgegen der hier vertretenen Auffassung – eine wirtschaftliche Verlagerung dieses Einflusses auf die Ebene der Beteiligung gesehen werden könnte. Bei der hilfsweisen quantitativen Betrachtung könnte man somit aber wiederum nicht an die Parameter der erworbenen Beteiligung anknüpfen,271 sondern müsste auf den prozentual reduzierten Einfluss auf das bisherige Gesellschaftsvermögen abstellen. Auch hier müsste nämlich der Anknüpfungspunkt der quantitativen Betrachtung mit dem Anknüpfungspunkt der qualitativen Beeinträchtigung korrespondieren. Wie auch schon zum Beteiligungserwerb gegen Barmittel ausgeführt, unterstand die hinzuerworbene Beteiligung bisher aber nicht dem Einfluss der Aktionäre der Obergesellschaft, sodass es systematisch nicht stimmig wäre, an deren Parameter anzuknüpfen.272 Es würde sich anderenfalls bei einer Anknüpfung an die Parameter der erworbenen Beteiligung auch hier das Problem stellen, dass ein vorteilhafter Beteiligungserwerb eher zu einem Zustimmungserfordernis führen würde als ein unvorteilhafter Beteiligungserwerb obwohl dieselbe Gegenleistung eingesetzt wird und die Reduzierung der Aktionärsrechte mithin identisch ist.273 Im Übrigen könnte hier, wenn auch indirekt, auf die vom BGH herangezogenen Parameter von Bilanzsumme, Eigenkapital, Ergebnis vor Steuern und Umsatz274 abgestellt werden. Da die qualitative Beeinträchtigung bei hilfsweiser Betrachtung in der prozentualen Reduzierung des Einflusses der Altaktionäre auf das bisherige Gesellschaftsvermögen aufgrund der Reduzierung ihrer Anteilsquote liegen würde, würde der Einfluss in quantitativer Hinsicht in der Höhe reduziert, in welcher dem Dritten eine Beteiligung an der Gesellschaft eingeräumt wird. Bei einer Drittbeteiligung von 10 % würde also der Einfluss der Altaktionäre auf das Vermögen gemessen – jeweils auf Konzernbasis – an Bilanzsumme, Eigenkapital, Ergebnis vor Steuern und Umsatz, um 10 % reduziert. Die dem Dritten eingeräumte Beteiligung müsste damit allerdings 75 – 80 % betragen, um den relevanten Schwellenwert nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen zu erreichen.

271 272 273 274

Siehe zum Beteiligungserwerb gegen Barmittel nochmals unter C.II.2.b). Siehe zum Beteiligungserwerb gegen Barmittel nochmals unter C.II.2.b). Siehe zum Beteiligungserwerb gegen Barmittel nochmals unter C.II.2.b). BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 48 („Gelatine I“).

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

Bei Einräumung einer derart hohen Drittbeteiligung wäre es zwar wohl auch bei wertender Betrachtung durchaus überzeugend, von einem quantitativ schwerwiegenden Eingriff auszugehen, da die Gesellschaft damit der Kontrolle des Dritten unterstellt würde. Die Einräumung einer derart hohen Beteiligungsquote ließe sich allerdings ohnehin nur im Wege einer ordentlichen Kapitalerhöhung erreichen, da das genehmigte Kapital und das bedingte Kapital auf 50 % des bisherigen Grundkapitals gedeckelt sind (§ 202 Abs. 3 S. 1 bzw. § 192 Abs. 3 S. 1 AktG) und auch eigene Aktien aufgrund einer Ermächtigung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG nur bis zu einem Wert von 10 % des Grundkapitals zurückgekauft werden dürfen (§ 71 Abs. 2 S. 1 AktG) und spiegelbildlich wieder ausgegeben werden können. Damit ist es praktisch kaum denkbar, dass einem Dritten mit einem dieser Instrumente oder auch mit einer Kombination275 eine Anteilsquote von 75 – 80 % eingeräumt wird.

IV. Gleichwertigkeit der Zustimmung Weiterhin stellt sich damit ebenfalls nur hilfsweise die Frage, ob durch die Mitwirkung der Aktionäre bei der Schaffung der Anteile der Erwerberin nicht ohnehin schon eine Zustimmung vorliegt, durch welche die qualitative und quantitative Beeinträchtigung ihrer Rechte umfasst ist und welche gleichwertig zu einer Zustimmung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen ist. Da allerdings freilich die konkreten Anforderungen, welche gegebenenfalls an die Zustimmung bei einem Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin nach den Holzmüller/GelatineGrundsätzen erforderlich wären, nicht ausführlich diskutiert werden, ist zunächst zu 275 Auch wenn die Ausgabe eigener Aktien richtigerweise nicht auf die Begrenzung des genehmigten Kapitals angerechnet wird (siehe Cahn, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015) § 71 Rn. 143; Oechsler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 71 Rn. 256a; Reichert, in: Müller/Rödder, Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. (2009), § 5 Rn. 125; Pajunk/Polte, in: MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010), § 31 Rn. 77; Reichert/Harbarth, ZIP 2001, 1441, 1444 f.; Reger/Wieneke, GWR 2013, 195, 196; a.A. Ihring/Wagner, NZG 2002, 657, 662), ist es praktisch ebenfalls kaum denkbar, dass einem Dritten durch eine Kombination dieser beiden flexiblen Instrumente eine Anteilsquote von 75 – 80 % eingeräumt wird. Im Übrigen können zwar auch das genehmigte Kapital und das bedingte Kapital nebeneinander in voller Höhe bestehen (BGH, Beschl. v. 21. 11. 2005 – II ZR 79/04, Rz. 7, juris; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 202 Rn. 13; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 202 Rn. 70; Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 59 Rn. 16; Lutter, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. (1989), § 202 Rn. 12; Hirte, in: AktG Großkommentar, 4 Aufl. (2001), § 202 Rn. 150 f. (einschränkend aber bei Verwendung des genehmigten Kapitals für Zwecke des bedingten Kapitals nach § 192 Abs. 2 AktG)). Allerdings setzt das bedingte Kapital bereits eine Befassung der Hauptversammlung mit dem konkreten Beteiligungserwerb voraus und ist daher zum Beteiligungserwerb nicht besonders praxisrelevant bzw. bringt keinen entscheidenden Vorteil gegenüber der ordentlichen Kapitalerhöhung (siehe etwa Lutter; in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. (1989), § 192 Rn. 11). Selbst bei einem parallelen Einsatz von Anteilen der Erwerberin aus einem bedingten und einem genehmigten Kapital wäre aber im Übrigen die Einräumung einer Anteilsquote vom 75 – 80 % praktisch kaum denkbar.

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ermitteln, welche Mitwirkung der Hauptversammlung hier bei entsprechender Anwendung der allgemeinen Grundsätze überhaupt erforderlich wäre (hierzu unter 1.). Sodann kann ein Vergleich zu den verschiedenen Formen der Mitwirkung der Hauptversammlung bei der Schaffung der Anteile der Erwerberin vorgenommen werden (hierzu unter 2.). Neben der ordentlichen Kapitalerhöhung wird hier – nach dem eben zur quantitativen Relevanz Erörterten – höchst hilfsweise auch auf das genehmigte Kapital, das bedingte Kapital und den Einsatz eigener Aktien eingegangen. Entscheidend wird es hierbei darauf ankommen, dass der Zeitpunkt, die Informationsgrundlage der Aktionäre, das Mehrheitserfordernis und der Umfang der Zustimmung vergleichbar sind, wobei hinsichtlich des Umfangs insbesondere darauf zu achten sein wird, inwieweit die Aktionäre die Qualität und Quantität der Maßnahme bzw. ihrer Rechtsbeeinträchtigung beurteilen können und dieser zugestimmt haben. 1. Maßstab der Mitwirkung der Hauptversammlung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen a) „Klassischer“ Holzmüller-Beschluss Grundsätzlich ist die Zustimmung in Holzmüller/Gelatine-Fällen bezüglich einer konkreten Maßnahme zu erteilen; Gegenstand der Zustimmung ist also grundsätzlich ein Vertrag oder dessen konkreter Entwurf.276 Dies ist in der Form möglich, dass die Maßnahme vor dem Vollzug der Hauptversammlung zur Zustimmung vorgelegt wird. Ein solcher Beschluss würde der Maßnahme also zeitnah vorausgehen. Schon im Holzmüller-Urteil hat der BGH allerdings anerkannt, dass die Zustimmung grundsätzlich auch noch nach Vollzug der Maßnahme nachgeholt werden kann.277 Der Holzmüller-Beschluss bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals,278 welche auch nicht durch eine Satzungsregelung abgesenkt werden kann.279 Was die notwendige Informationsgrundlage der Aktionäre angeht, so dürfte im Ausgangspunkt unstreitig sein, dass den Aktionären diejenigen Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen, welche sie für eine sachgerechte Willensbildung benötigen.280 Es besteht auch Konsens dahingehend, dass es einer Bekanntgabe des Beschlussgegenstands in der Tagesordnung, der Unterbreitung eines Beschluss276 Siehe nur Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 51; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 41. 277 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 135 („Holzmüller“). 278 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 („Gelatine I“). 279 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 46 („Gelatine I“). 280 BGH, Urt. v. 15. 1. 2001 – II ZR 124/99, NZG 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“); OLG München, Urt. v. 26. 4. 1996 – 23 U 4586/95, NJW-RR 1997, 544, 545 (beide zur freiwilligen Vorlage nach § 119 Abs. 2 AktG); Spindler, in: Festschrift für Goette (2011), S. 513, 525.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

vorschlags und einer konkreten Beschreibung des wesentlichen Inhalts der Maßnahme entsprechend § 124 Abs. 2 S. 2 AktG bedarf.281 Ob darüber hinaus auch stets ein schriftlicher Vorstandsbericht mit einer wirtschaftlichen und rechtlichen Erläuterung der Maßnahme notwendig ist, welcher ab der Einberufung auszulegen, den Aktionären auszuhändigen bzw. zugänglich zu machen und auch auf der Hauptversammlung auszulegen und zu erläutern ist, ist umstritten. Wohl überwiegend wird von einer solchen Berichtspflicht, welche auf eine entsprechende Anwendung der aktienrechtlichen und umwandlungsrechtlichen Berichtspflichten bei Strukturmaßnahmen gestützt wird, und einer Pflicht zur Auslegung und Erläuterung ausgegangen.282 Teilweise wird allerdings auch davon ausgegangen, dass eine Berichtspflicht nur bei einer Vorabermächtigung durch einen Konzeptbeschluss (hierzu noch sogleich unter b)) bestehe, nicht aber bei der Einholung der Zustimmung zu einem konkreten Vertrag.283 Von einer durchaus starken Auffassung wird die Berichtspflicht auch ganz verneint.284 Auch wenn die dogmatische Begründung der Berichtspflicht in der Tat nicht ganz unproblematisch ist, da der BGH eine Herleitung der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse im Wege der Einzel- bzw. Gesamtanalogie zu den gesetzlich geregelten Hauptver-

281

Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 27; Habersack, in: Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 52; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 14; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 54; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 43; Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 26; Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 24; Weißhaupt, AG 2004, 585, 588; Groß, AG 1996, 111, 115; Grün, Informationspflichten des Vorstands bei „Holzmüller-Beschlüssen“ (2006), S. 74 ff.; zweifelnd aber Kort, AG 2006, 272, 275 f.; siehe auch BGH, Urt. v. 15. 1. 2001 – II ZR 124/99, NZG 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“); OLG Schleswig, Urt. v. 8. 12. 2005 – 5 U 57/04, NZG 2006, 951, 953; OLG München, Urt. v. 26. 4. 1996 – 23 U 4586/95, NJW-RR 1997, 544, 545, 545. 282 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 51; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 14; Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 24; Reichert, AG 2005, 150, 158 f.; Pentz, in: Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 17 Rn. 167; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 814; Tröger ZIP 2001, 2029, 2035, 2041; Becker/Horn, JuS 2005, 1067, 1070; Grün, Informationspflichten des Vorstands bei „Holzmüller-Beschlüssen“ (2006), S. 96; so auch OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 23. 3. 1999 – 5 U 193/97, AG 1999, 378, 379 f.; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 29. 7. 1997 – 3/5 O 162/95, AG 1998, 45, 47 (Vorinstanzen im Fall „Altana/Milupa“); LG Karlsruhe, Beschl. v. 6. 11. 1997 – O 43/97 KfH I, NZG 1998, 393, 396. 283 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 55; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 44; ders., in: Festschrift für Goette (2011), S. 513, Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 26; Weißhaupt, AG 2004, 585, 589 f.; Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 232, 234; ähnlich Kort, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 76 Rn. 130 (nur durch Einzelanalogie zu ermitteln). 284 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 27; Götze, NZG 2004, 585, 589; Horbach, BB 2001, 893, 898; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 200 f.; auch LG Hamburg, Urt. v. 21. 1. 1997 – 402 O 122/96, AG 1997, 238.

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sammlungserfordernissen gerade abgelehnt hat,285 erscheint die Situation mit Blick auf das Informationsbedürfnis der Aktionäre doch vergleichbar, sodass in der Praxis, vor allem im Lichte der Rechts- und Transaktionssicherheit, von einem Berichtserfordernis ausgegangen werden sollte.286 Die überwiegende Ansicht bejaht auch eine Pflicht zur Auslegung des Vertrags bzw. des konkreten Vertragsentwurfs, ebenfalls gestützt auf die genannten aktienrechtlichen und umwandlungsrechtlichen Vorschriften.287 Der BGH hat in der Altana/Milupa-Entscheidung eine Gesamtanalogie zu den aktienrechtlichen und umwandlungsrechtlichen Vorschriften zwar abgelehnt, hat sich jedoch in concreto zustimmend geäußert und die Frage allgemein von einer Prüfung des Einzelfalles abhängig gemacht.288 Dieser Fall betraf in der Sache allerdings eine Beteiligungsveräußerung, die freiwillig nach § 119 Abs. 2 AktG vorgelegt worden war.289 Die Gegenansicht in der Literatur will daher auch in Holzmüller/Gelatine-Fällen eine Pflicht zur Auslegung des Vertrags nur in Einzelfällen bejahen.290 Wenn aber schon bei einer vorsorglichen Mitwirkung der Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG eine Vorlage des Vertragstexts erforderlich sein kann, um für die erforderliche Information der Aktionäre zu sorgen, so spricht einiges dafür, bei einer Maßnahme, welche der zwingenden Mitwirkung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen bedarf und welche naturgemäß mit einer stärkeren Beeinträchtigung der Aktio285

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 42 f. („Gelatine I“). So auch als Vertreter der Gegenansicht Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 27; ebenso Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 26; Grün, Informationspflichten des Vorstands bei „Holzmüller-Beschlüssen“ (2006), S. 89. 287 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 52; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 14; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 56 („Auslegung und Übersendung unabdingbar“); Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 45; ders., in: Festschrift für Goette (2011), S. 513, 526; Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 24; Schockenhoff, NZG 2001, 921, 924; Grün, Informationspflichten des Vorstands bei „Holzmüller-Beschlüssen“ (2006), S. 107 f.; so auch OLG Schleswig, Urt. v. 8. 12. 2005 – 5 U 57/04, NZG 2006, 951, 954 f.; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 23. 3. 1999 – 5 U 193/97, AG 1999, 378, 379 f.; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 29. 7. 1997 – 3/ 5 O 162/95, AG 1998, 45, 47; LG Karlsruhe, Beschl. v. 6. 11. 1997 – O 43/97 KfH I, NZG 1998, 393, 396; OLG München, Urt. v. 26. 4. 1996 – 23 U 4586/95, NJW-RR 1997, 544, 545; grundsätzlich zustimmend auch Pentz, in: Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 17 Rn. 167 (im Zweifel Auslegungsbedürftigkeit). 288 BGH, Urt. v. 15. 1. 2001 – II ZR 124/99, NZG 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“). 289 So jedenfalls die zutreffende Einschätzung des BGH, Urt. v. 15. 1. 2001 – II ZR 124/99, NZG 2001, 405 („Altana/Milupa“). Das LG Frankfurt a.M. und wohl auch die Beklagte waren hingegen von einer zwingenden Zustimmungsbedürftigkeit nach den Holzmüller-Grundsätzen ausgegangen; siehe LG Frankfurt a.M., Urt. v. 29. 7. 1997 – 3/5 O 162/95, AG 1998, 45 f. Das OLG hatte die Frage offen gelassen; siehe OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 23. 3. 1999 – 5 U 193/97, AG 1999, 378, 380. 290 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 28; Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 26; Götze, NZG 2004, 585, 589; Weißhaupt, AG 2004, 585, 591; noch restriktiver Becker/Horn, JuS 2005, 1067, 1070; Kort, AG 2006, 272, 275 f. 286

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närsrechte in qualitativer und quantitativer Hinsicht verbunden ist, die grundsätzliche Auslegungspflicht zu bejahen. Auch hiervon wird mit Blick auf das Informationsbedürfnis der Aktionäre und die notwendige Transaktionssicherheit in der Praxis auszugehen sein.291 Bei einem Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin wäre bei einem klassischen Holzmüller-Beschluss in dem zustimmungsbedürftigen konkreten Vertrag oder Vertragsentwurf demnach also insbesondere die vertragliche Leistung und Gegenleistung fixiert. Durch die Bekanntmachung in der Einladung würde den Aktionären der wesentliche Inhalt der Maßnahme auch beschrieben. Schon aufgrund dieser Informationen könnten die Altaktionäre die prozentuale Reduzierung ihrer Beteiligungsquote konkret vorhersehen und würden auch darüber informiert, welche konkrete Beteiligung als Gegenleistung von welchem Veräußerer erworben wird. Geht man mit der überwiegenden Auffassung von einer Pflicht zur Auslegung des Vertrags bzw. konkreten Vertragsentwurfs aus und mit der wohl überwiegenden Ansicht und der praxisgerechten Lösung auch von einer Berichtspflicht des Vorstands, so wird den Altaktionären die Maßnahme hierdurch ausführlich erläutert. b) Konzeptbeschluss Darüber hinaus geht die überwiegende Auffassung davon aus, dass auch schon im Voraus, also in einem früheren Planungsstadium vor Abschluss eines konkreten Vertrags oder Vorliegen eines konkreten Vertragsentwurfs ein „Konzeptbeschluss“ oder „Ermächtigungsbeschluss“ gefasst werden kann.292 Als Argument für die Zulässigkeit eines Holzmüller-Konzeptbeschlusses wird vielfach die Siemens/NoldEntscheidung des BGH herangezogen,293 in welcher es der BGH für zulässig erachtet 291

So auch als Vertreter der Gegenansicht Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 28. 292 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 51; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2013), § 119 Rn. 53, 99; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 41; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 12; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 41; Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 231 ff.; Kort, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 76 Rn. 131; Reichert, in: Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. (2009), § 5 Rn. 50 f.; Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 22; Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 26; Reichert, AG 2005, 150, 159; Bungert, BB 2004, 1345, 1351; restriktiver noch Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 813 (Zulässigkeit nur, wenn Gesellschaft „um ihrer Funktionsfähigkeit am Markt wegen auf eine gesteigerte Handlungsfähigkeit angewiesen ist“); dem folgend LG Frankfurt a.M., Urt. v. 12. 12. 2000 – 3/5 O 149/99, AG 2001, 431, 433; ebenfalls restriktiv Tröger ZIP 2001, 2029, 2038 (zulässig, wenn Konstellation ähnlich zur Ausgabe genehmigten Kapitals unter Bezugsrechtsausschluss und nötig, weil Marktchancen sonst nicht rechtzeitig wahrgenommen werden können); Grün, Informationspflichten des Vorstands bei „HolzmüllerBeschlüssen“ (2006), S. 154 (wenn besonderes Flexibilitätserfordernis besteht). 293 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 51; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2013), § 119

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hat, dass der Ausschluss des Bezugsrechts beim genehmigten Kapital auch dann möglich ist, wenn die Aktionäre vor der Beschlussfassung nur in allgemein gehaltener Form abstrakt über die jeweiligen Maßnahmen informiert werden, zu welchen das genehmigte Kapital eingesetzt werden kann.294 An der generellen Zulässigkeit eines Konzeptbeschlusses kann zwischenzeitlich kein grundsätzlicher Zweifel mehr bestehen, da auch im Gelatine II-Urteil295 eine Ermächtigung des Vorstands in Rede stand und der BGH diese nicht als unzulässig eingestuft hat,296 auch wenn hier freilich die in Rede stehenden Maßnahmen schon in ihren Details geplant waren und auch zeitnah vollzogen werden sollten. Die ältere Gegenansicht, die Konzeptbeschlüsse für unzulässig hält, argumentiert, dass die Erteilung der Zustimmung der Hauptversammlung in Holzmüller-Fällen stets die Vorlage eines konkreten Vertrags oder Plans voraussetzt.297 Allerdings lässt sich dieser Einwand entkräften, indem man einen hinreichenden Grad der Konkretisierung des Konzeptbeschlusses verlangt, der zu einem angemessenen Schutzniveau der Aktionäre führt. An die Konkretisierung des geplanten Konzepts ist mithin die Anforderung zu stellen, dass dieses zwar noch nicht in allen Details feststehen muss, jedoch hinreichend konkret umrissen sein muss.298 Im Lichte dessen ist es zwar denkbar, in dem Konzeptbeschluss mehrere Handlungsalternativen vorzusehen,299 nicht zulässig sollte es hingegen sein, sich eine Häufung von Ermächtigungen erteilen zu lassen, die eine unbestimmte Vielzahl theoretisch denkbarer Möglichkeiten abdecken.300 Die geplante Maßnahme muss also so konkret beschrieben werden, dass sich die Aktionäre ein Bild von ihr machen können und auf angemessener Informations-

Rn. 99; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 12; Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 22; Grün, Informationspflichten des Vorstands bei „Holzmüller-Beschlüssen“ (2006), S. 154. 294 BGH, Urt. v. 23. 6. 1997 – II ZR 132/93, NJW 1997, 2815, 2816 („Siemens/Nold“). 295 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, 575, 576 („Gelatine II“). 296 So auch ausdrücklich Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 41; Simon, DStR 2004, 1528. 297 Mülbert, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 119 Rn. 63 (im Übrigen zu satzungsförmigen Ermächtigungen); differenziert Schockenhoff, NZG 2001, 921, 925 (Einholung einer frühen positiven Grundsatzentscheidung ist möglich, befreit aber nicht von der späteren Einholung der Zustimmung zum konkreten Vertrag). 298 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 100; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 41; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 189 f.; Grün, Informationspflichten des Vorstands bei „Holzmüller-Beschlüssen“ (2006), S. 155 f. 299 Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 42; Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 234; Grün, Informationspflichten des Vorstands bei „Holzmüller-Beschlüssen“ (2006), S. 156. 300 Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 815 f.; vgl. auch Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 233.

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grundlage über ihre Zustimmung entscheiden können.301 Entscheidend ist insbesondere, dass die Aktionäre den der Verwaltung eingeräumten Handlungsspielraum zur Beeinträchtigung ihrer Rechte qualitativ und quantitativ angemessen einschätzen können.302 Bei einer Ausgliederung oder einer Verenkelung ergibt sich die Beeinträchtigung der Aktionärsrechte daraus, dass der Einfluss über einen gegenständlich verlagerten Teil des bestehenden Gesellschaftsvermögens reduziert wird. Insofern ist es stimmig, wenn davon ausgegangen wird, dass hier der konkret betroffene Unternehmensteil zu benennen ist.303 Würde der Vorstand nur mitteilen, dass 80 % des Gesellschaftsvermögens ausgegliedert werden sollen, so hätten die Aktionäre zwar eine Vorstellung von der Quantität der Maßnahme, sie könnten aber nicht beurteilen, wie genau sich die Unternehmensstruktur verändern und welcher Teil des Vermögens verlagert werden soll. Ohne Benennung des betroffenen Unternehmensteils bestünde somit ein Informationsdefizit der Aktionäre, da nicht bekannt wäre, bezüglich welchen Teils des Gesellschaftsvermögens der Mediatisierungseffekt eintreten sollte. Beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin ergibt sich die Beeinträchtigung der Aktionärsrechte – bei der hier vorgenommenen hilfsweisen Betrachtung – daraus, dass durch die Ausgabe der Anteile der Erwerberin der Einfluss der Altaktionäre auf das bisherige Gesellschaftsvermögen prozentual reduziert und damit bei wirtschaftlicher Betrachtung Einfluss auf die Ebene der Beteiligung verlagert wird.304 Die Beeinträchtigung dieser Rechtspositionen ist allerdings bereits dann qualitativ und quantitativ absehbar, wenn benannt wird, welchen Umfang der Beteiligungserwerb haben soll, namentlich welche Anzahl von Aktien dem Dritten maximal gewährt werden können. Denn damit ist der Verwaltung ein „Limit“ gesetzt305 und ist für die Altaktionäre klar, wie stark ihr prozentualer Einfluss auf das bisherige Gesellschaftsvermögen durch die Beteiligung des Dritten maximal reduziert werden kann. Nicht überzeugend wäre es hingegen zu verlangen, dass ein Ermächtigungsbeschluss erst gefasst werden kann, wenn der Veräußerer der Beteiligung306 und die 301 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 27; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 100; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 42; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 814; Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 232; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 198 f. 302 Westermann, in: Festschrift für Koppensteiner (2001), S. 259, 275. 303 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 100; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 42. 304 Siehe nochmals unter D.III. 305 Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 814 (allerdings zum Erwerb gegen Barmittel). 306 So zur Beteiligungsveräußerung auch Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 100 (anders aber zu Kapitalerhöhungen in Tochtergesellschaften, dort Benennung der Person des künftigen Mitgesellschafters).

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konkret zu erwerbende Beteiligung307 benannt werden können. Denn dies ist für die Beurteilung der Qualität und Quantität des Eingriffs in die Rechte der Altaktionäre durch Reduzierung ihres prozentualen Einflusses auf das bisherige Gesellschaftsvermögen generell unerheblich.308 Dass beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin eine zusätzliche Zustimmung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen deswegen notwendig werden soll, weil die erworbene Beteiligung quantitativ bestimmte Parameter überschreitet,309 leuchtet hingegen wie schon gesagt nicht ein, wenn die hierfür aufgewendete maximale Gegenleistung identisch ist, die Beeinträchtigung der Aktionärsrechte sich also nicht verstärkt.310 Es würde somit im Rahmen der hier vorgenommenen hilfsweisen Betrachtung beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin im Rahmen eines Holzmüller-Konzeptbeschlusses eine abstrakt-generelle Beschreibung der Maßnahme genügen, namentlich die Beschreibung, dass die Anteile der Erwerberin zum Beteiligungserwerb eingesetzt werden sollen, ohne dass es jedoch erforderlich wäre, die Zielgesellschaft und deren Parameter konkret zu benennen, wenn dies noch nicht möglich ist. Genannt werden müsste allerdings der (potentielle) Umfang der Transaktion, also insbesondere wie viele Anteile der Erwerberin zu ihrer Finanzierung maximal ausgegeben werden können.

307 Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 814 f. (nicht erforderlich „das Erwerbsobjekt zu individualisieren“); allgemeiner Westermann, in: Festschrift für Koppensteiner (2001), S. 259, 275 (konkrete Maßnahme muss nicht benannt werden); jedenfalls im Ergebnis auch Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 232, 234 (schon aus Gründen der Geheimhaltung „abstrakte Umschreibung geboten“); andere Ansicht aber Groß, AG 1996, 111, 115 (wenn keine Angaben zum Kaufobjekt gemacht werden können, sei das unternehmerische Konzept noch nicht konkret genug). 308 Davor, dass eine Beteiligung erworben wird, welche den ausgegebenen Anteilen dem Wert nach nicht entspricht, sind die Aktionäre im Übrigen grundsätzlich durch das Anfechtungsrecht nach § 255 Abs. 2 AktG geschützt. § 255 Abs. 2 AktG greift zwar bei der Ausnutzung des genehmigten Kapitals nicht ein, wenn der Vorstand den Ausgabebetrag der Aktien festgelegt hat, da es hier an einem Hauptversammlungsbeschluss als tauglichem Anfechtungsgegenstand fehlt (BGH, Urt. v. 10. 10. 2005 – II ZR 148/03, NZG 2006, 20, 21 („Mangusta/Commerzbank II“), ansonsten „Systembruch des geltenden Aktienrechts“; andere Ansicht vormals Paefgen, ZIP 2004, 145, 149 ff.). Vorstand und Aufsichtsrat müssen § 255 Abs. 2 AktG aber materiell-rechtlich dennoch auch hier beachten (BGH, Urt. v. 15. 5. 2000 – II ZR 359/ 98, NJW 2000, 2356, 2357; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28. 8. 2002 – 7 U 137/01, NZG 2002, 959, 965; Stilz, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 255 Rn. 7; Busch, NZG 2006, 81, 86; Rodewald, BB 2004, 613, 614; Martens, in: Festschrift für Bezzenberger (2000), S. 267, 269 f. („normative Fernwirkung“)). Weiterhin sind die Aktionäre durch die Möglichkeit einer (vorbeugenden) Unterlassungs- bzw. Feststellungsklage geschützt und haben die Möglichkeit, die Entlastung zu verweigern und etwaige Schadensersatzansprüche geltend zu machen (BGH, Urt. v. 10. 10. 2005 – II ZR 148/03, NZG 2006, 20, 21 f. („Mangusta/Commerzbank II“). 309 Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2005), § 202 Rn. 57; offener jetzt aber ders., in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 202 Rn. 56 f (allerdings hauptsächlich wegen der fehlenden quantitativen Relevanz); Tröger, ZIP 2001, 2029, 2040 f. 310 Siehe nochmals unter D.III.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

Umstritten ist weiterhin, ob die Ermächtigung nur zeitlich begrenzte Geltung beanspruchen kann, namentlich, ob sie nur bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung erteilt werden kann. Dies war ursprünglich wohl überwiegende Meinung.311 Infolge der Macrotron-Entscheidung des BGH, in welcher der BGH dieser Auffassung ausdrücklich entgegengetreten ist,312 hat sich das Meinungsbild allerdings gewandelt. Dem BGH folgend wird nun überwiegend vertreten, dass die Geltung der Ermächtigung zeitlich nicht begrenzt ist, eine Befassung der nächsten ordentlichen Hauptversammlung allerdings in Form eines Berichts des Vorstands über den status quo betreffend die Ermächtigungsklausel erforderlich ist.313 Insbesondere ergibt sich aus der Rechtsprechung des BGH auch keine maximale Befristung der Ermächtigung auf fünf Jahre, da der BGH die Regelungen in § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG und § 202 Abs. 2 AktG, die eine solche zeitliche Begrenzung vorsehen, zwar ausdrücklich angesprochen hat und dennoch davon ausgegangen ist, dass die Hauptversammlung in der Bestimmung der Frist frei ist.314 Der neueren Ansicht, dass die Ermächtigung nicht automatisch bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung befristet ist, ist zu folgen. Der Ermächtigungsbeschluss soll zwar primär dazu dienen, es dem Vorstand zu ermöglichen, unterjährig auf sich bietende Chancen zum Erwerb von Beteiligungen flexibel und zeitnah reagieren zu können. Wenn während des Jahres die Ermächtigung nicht ausgenutzt wird, bestünde zwar auch auf der nächsten ordentlichen Hauptversammlung die Möglichkeit, eine neue Ermächtigung einzuholen. Wenn die Aktionäre den Vorstand allerdings nicht über die nächste ordentliche Hauptversammlung hinaus ermächtigen wollen, besteht indes die Möglichkeit, den Ermächtigungsbeschluss anfänglich zu befristen oder später zu widerrufen.315

311 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 12. 12. 2000 – 3/5 O 149/99, AG 2001, 431, 434; Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 233 f.; Westermann, in: Festschrift für Koppensteiner (2001), S. 259, 275; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 816; Kort, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2002), § 76 Rn. 87; wohl auch Tröger, ZIP 2001, 2029, 2039; Grunewald, AG 1990, 133, 136 f. 312 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 59 f. („Macrotron“). 313 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 51; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 101; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 41 (indes nicht ausdrücklich für einen Bericht); Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 22; Grün, Informationspflichten des Vorstands bei „Holzmüller-Beschlüssen“ (2006), S. 156. 314 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 59 f. („Macrotron“). 315 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 59 f. („Macrotron“); Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 101; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 41; Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 22.

D. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin

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2. Maßstab der Mitwirkung der Hauptversammlung bei der Schaffung der Anteile der Erwerberin Der vorstehende Maßstab der Mitwirkung der Aktionäre beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen kann nun mit der erfolgten Mitwirkung im Rahmen der jeweiligen Maßnahme zur Schaffung der Anteile der Erwerberin verglichen werden. a) Ordentliche Kapitalerhöhung Bei der ordentlichen Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen sind nach § 183 Abs. 1 S. 1 AktG im Hauptversammlungsbeschluss der Gegenstand der Sacheinlage, die Person des Übernehmers und der Nennbetrag bzw. bei Stückaktien die Zahl der zu gewährenden Aktien festzusetzen. Diese Informationen sind nach § 183 Abs. 1 S. 2 AktG auch schon in der Hauptversammlungseinladung bekannt zu machen. Aufgrund des Bezugsrechtsausschlusses ist zusätzlich ein Vorstandsbericht nach § 186 Abs. 4 S. 2 AktG erforderlich, der den Grund des Bezugsrechtsausschlusses erläutern und eine Begründung des Ausgabebetrags beinhalten muss. Insbesondere muss der Bezugsrechtsausschluss unter gebührender Berücksichtigung der Folgen für die vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt sein, was eine Abwägung der Interessen und der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck einschließt.316 Die ordentliche Kapitalerhöhung bedarf weiterhin einer Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals, § 182 Abs. 1 S. 1 AktG. Es kann grundsätzlich zwar von der Möglichkeit der statutarischen Reduzierung des Mehrheitserfordernisses nach § 182 Abs. 1 S. 2 AktG Gebrauch gemacht werden, der es grundsätzlich auch zulässt, in der Satzung eine einfache Kapitalmehrheit vorzusehen.317 Dies gilt allerdings nicht bei dem hier relevanten Fall des Bezugsrechtsausschlusses, da hier die Dreiviertelmehrheit nach § 186 Abs. 3 S. 3 AktG nicht abgesenkt werden kann und § 182 Abs. 1 S. 2 AktG insoweit eingeschränkt wird.318 Der Zeitpunkt der Mitwirkung und das Informationsniveau der Aktionäre sowie der Umfang der Mitwirkung entsprechen damit bei einem Beteiligungserwerb gegen 316

Grundlegend BGH, Urt. v. 13. 3. 1978 – II ZR 142/76, NJW 1978, 1316, 1317 („Kali+Salz“). 317 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 182 Rn. 8; Schürnbrand, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 182 Rn. 18 f.; Servatius, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 182 Rn. 18; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 182 Rn. 29; Wiedemann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1994), § 182 Rn. 40. 318 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 186 Rn. 21; Schürnbrand, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 186 Rn. 76; Servatius, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 182 Rn. 18, § 186 Rn. 38; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 186 Rn. 23; Wiedemann, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1994), § 186 Rn. 111.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

Anteile der Erwerberin im Wege der ordentlichen Kapitalerhöhung den Voraussetzungen, welche abstrakt auch bei einer Mitwirkung im Rahmen eines „klassischen“ Holzmüller-Beschlusses erfüllt sein müssten. Namentlich entscheiden die Aktionäre in beiden Fällen auf Basis der Informationen in der Hauptversammlungseinladung und eines Vorstandsberichts über die konkrete Maßnahme und können sowohl die konkrete Verkürzung ihrer Mitgliedschaftsrechte, namentlich die prozentuale Reduzierung ihrer Beteiligungsquote, als auch die konkret erworbene Beteiligung beurteilen. Erst recht besteht damit hinsichtlich Zeitpunkt, Informationsniveau und Umfang der Mitwirkung eine intensivere Befassung der Hauptversammlung als bei einem Holzmüller-Ermächtigungsbeschluss. Da eine Gleichwertigkeit der Mitwirkung der Aktionäre im Rahmen der Kapitalmaßnahme somit gegeben ist, besteht für die hier hilfsweise geprüfte Mitwirkung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen in der Tat keine Notwendigkeit. Da die Hauptversammlung im Rahmen der ordentlichen Kapitalerhöhung ohnehin schon mit dem konkreten Beteiligungserwerb befasst wird, wäre es im Übrigen auch praktisch kaum sinnvoll, noch (gegebenenfalls in derselben Hauptversammlung) einen Holzmüller-Beschluss zu fassen. Gerade aufgrund des Bekanntwerdens der konkret zu erwerbenden Beteiligung wird in der Praxis allgemein versucht werden, eine ordentliche Kapitalerhöhung zu vermeiden, es sei denn, dies ist aufgrund des Umfangs der erforderlichen Anteile der Erwerberin nicht anders möglich. b) Bedingtes Kapital Die Fälle der bedingten Kapitalerhöhung sind auf die in § 192 Abs. 2 AktG genannten Zwecke beschränkt, wobei das bedingte Kapital nach § 192 Abs. 2 Nr. 2 AktG auch zur Vorbereitung des Zusammenschlusses mehrerer Unternehmen geschaffen werden kann. Hierunter fällt nach allgemeiner Auffassung auch der Beteiligungserwerb gegen Ausgabe von Anteilen der Erwerberin.319 Allerdings müssen nach § 193 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AktG im Kapitalerhöhungsbeschluss bereits der Zweck und der Kreis der Bezugsberechtigten angegeben werden, sowie der Ausgabebetrag bzw. die Grundlagen seiner Berechnung festgestellt werden. Bei Sacheinlagen müssen speziell nach § 194 Abs. 1 S. 1 AktG auch der Gegenstand der Sacheinlage, die Person des Einbringenden und der Nennbetrag bzw. die Zahl der Stückaktien festgesetzt werden. Dies bedeutet somit, dass bereits die konkret zu erwerbende Beteiligung bezeichnet werden muss.320 Obwohl ein Bezugsrecht beim bedingten 319 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 192 Rn. 14; Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 58 Rn. 10; Fuchs, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 192 Rn. 60; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 192 Rn. 15; Lutter; in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. (1989), § 192 Rn. 11, 14; Frey, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2001), § 192 Rn. 87. 320 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 193 Rn. 5, § 194 Rn. 3; Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 58 Rn. 32; Fuchs, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 193 Rn. 10; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG,

D. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin

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Kapital gesetzlich nicht vorgesehen ist, ist nach überwiegender Auffassung bei Unternehmenszusammenschlüssen im Wege des Beteiligungserwerbs ebenso wie beim Bezugsrechtsausschluss eine sachliche Rechtfertigung und analog § 186 Abs. 4 S. 2 AktG ein schriftlicher Vorstandsbericht über den beabsichtigten Beteiligungserwerb erforderlich.321 Auch die bedingte Kapitalerhöhung bedarf einer Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals, § 193 Abs. 1 S. 1 AktG. Damit ist auch beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin aus bedingtem Kapital aus den vorstehend unter a) genannten Gründen von einer gleichwertigen Mitwirkung der Hauptversammlung auszugehen. Da allerdings beim bedingten Kapital die Einholung der Zustimmung der Hauptversammlung dazu führt, dass die Absicht der Gesellschaft, eine konkrete Beteiligung zu erwerben, früh publik wird,322 wird von dieser Option in der Praxis ebenfalls nur selten Gebrauch gemacht werden. Außerdem ist das bedingte Kapital wie erwähnt auf 50 % des bisherigen Grundkapitals gedeckelt, § 192 Abs. 3 S. 1 AktG, sodass sich unter Einsatz eines bedingten Kapitals die relevante Quantität der Maßnahme beim Beteiligungserwerb praktisch nicht erreichen lassen wird.323 c) Genehmigtes Kapital Von hoher praktischer Relevanz ist der Einsatz eines genehmigten Kapitals zum Beteiligungserwerb,324 da auch hier Sacheinlagen erbracht werden können, wenn die Ermächtigung dies vorsieht, § 205 Abs. 1 AktG. Hierbei kann die Hauptversammlung nach § 205 Abs. 2 S. 1 AktG zwar den Gegenstand der Sacheinlage, die Person, von der die Gesellschaft die Sacheinlage erwirbt, und den Nennbetrag bzw. die Zahl 3. Aufl. (2015), § 192 Rn. 16; von Dryander/Niggemann, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 192 Rn. 40. 321 Busch, in: Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. (2014), § 44 Rn. 34; Fuchs, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 192 Rn. 34; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 192 Rn. 17; etwas restriktiver Frey, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2001), § 192 Rn. 123 (abstellend nur auf Übernahmeangebote); anders wohl OLG München, Urt. v. 17. 3. 1993 – 7 U 5382/92, Rz. 15, juris; andere Ansicht Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 58 Rn. 21; von Dryander/Niggemann, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 193 Rn. 6. 322 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 193 Rn. 5, § 194 Rn. 3; Fuchs, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 193 Rn. 10; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 192 Rn. 16; von Dryander/Niggemann, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 192 Rn. 40; Lutter; in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. (1989), § 192 Rn. 14. 323 Siehe nochmals unter D.III. 324 Statt vieler Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 202 Rn. 2; Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 59 Rn. 2; Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 270.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

der zu gewährenden Stückaktien festsetzen, allerdings ist dies in der Praxis regelmäßig nicht der Fall, da so gerade der Vorteil des genehmigten Kapitals, der in seiner flexiblen Handhabung durch den Vorstand liegt, verloren ginge.325 In der Praxis wird somit meist der Vorstand diese Festsetzungen treffen. Bei Erteilung einer Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss an den Vorstand müssen die Aktionäre durch einen Vorstandsbericht nach §§ 203 Abs. 2 S. 2, 186 Abs. 4 S. 2 AktG informiert werden. Durch die Siemens/Nold-Rechtsprechung326 hat der BGH die Anwendung des genehmigten Kapitals erheblich flexibilisiert. Demnach muss bei Schaffung eines genehmigten Kapitals unter Bezugsrechtsausschluss oder unter Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss die Maßnahme, zu welcher das genehmigte Kapital verwendet werden soll, den Aktionären zunächst nur allgemein und in abstrakter Form bekannt gegeben werden.327 Im konkreten Fall wurde es als ausreichend angesehen, dass zur Begründung im Vorstandsbericht ausgeführt wurde, die Schaffung des genehmigten Kapitals unter Bezugsrechtsausschluss sei unter anderem dazu erforderlich, in „geeigneten Einzelfällen Beteiligungen gegen Überlassung von Stammaktien“ der Gesellschaft erwerben zu können.328 Der Vorstand muss bei Ausübung der Ermächtigung dann im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens prüfen, ob das konkrete Vorhaben der abstrakten Umschreibung entspricht und ob der Bezugsrechtsausschluss noch im Gesellschaftsinteresse gerechtfertigt ist.329 Eine zusätzliche Berichtspflicht vor Ausübung der Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss durch den Vorstand wird inzwischen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH überwiegend abgelehnt.330 Mangels Mitwirkungsrecht der Aktionäre zu diesem Zeitpunkt wäre diese allerdings ohnehin nicht mehr von Einfluss auf die Qualität der bereits erteilten Zustimmung. Unverkennbar ist somit, dass der Gesetzgeber dem Vorstand mit dem genehmigten Kapital bildlich gesprochen ein scharfes Schwert in die Hand gegeben hat. Auch der BGH bestätigt in seiner Rechtsprechung die starke Stellung des Vorstands 325 Statt vieler Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 204 Rn. 6; Hirte, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2001), § 205 Rn. 11; Wamser, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 205 Rn. 16. 326 BGH, Urt. v. 23. 6. 1997 – II ZR 132/93, NJW 1997, 2815 („Siemens/Nold“). 327 BGH, Urt. v. 23. 6. 1997 – II ZR 132/93, NJW 1997, 2815, 2816 („Siemens/Nold“). 328 BGH, Urt. v. 23. 6. 1997 – II ZR 132/93, NJW 1997, 2815 („Siemens/Nold“). 329 BGH, Urt. v. 23. 6. 1997 – II ZR 132/93, NJW 1997, 2815, 2816 („Siemens/Nold“). 330 BGH, Urt. v. 10. 10. 2005 – II ZR 148/03, NZG 2006, 18, 19 („Mangusta/Commerzbank I“) (lediglich Pflicht, auf nächster ordentlicher Hauptversammlung nach Ausübung der Ermächtigung Rede und Antwort zu stehen); Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 203 Rn. 37; Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 59 Rn. 63; so auch schon Kirchner/Sailer, NZG 2002, 305, 307; inzwischen auch Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 203 Rn. 158 ff.; anders noch Lutter, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. (1989), § 203 Rn. 31; Hirte, in: AktG Großkommentar, 4 Aufl. (2001), § 203 Rn. 86.

D. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin

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bei der Ausnutzung des genehmigten Kapitals.331 Durch die Erteilung der generellen Zustimmung der Aktionäre wird die Kapitalmaßnahme, namentlich die Ausnutzung des genehmigten Kapitals, zu einer Geschäftsführungs- bzw. Leitungsmaßnahme des Vorstands,332 wobei nach § 202 Abs. 3 S. 2 und § 205 Abs. 2 S. 2 AktG die Zustimmung des Aufsichtsrats eingeholt werden soll. Soweit der Vorstand auch über die Bedingungen der Aktienausgabe und insbesondere über den Bezugsrechtsausschluss entscheidet, ist die Zustimmung des Aufsichtsrats hingegen Wirksamkeitsvoraussetzung, § 204 Abs. 1 S. 2 AktG.333 Mit der „klassischen“ Zustimmung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen ist die Zustimmung zur Schaffung des genehmigten Kapitals hinsichtlich Zeitpunkt, Informationsniveau und Umfang der Mitwirkung der Aktionäre somit erkennbar nicht vergleichbar, da erstere bereits die konkrete Maßnahme betrifft, also insbesondere Leistung und Gegenleistung bereits konkret benannt sind und den Aktionären bereits konkrete Informationen über die Transaktion vorliegen. Eine Vergleichbarkeit könnte aber mit den weniger strengen Voraussetzungen des Konzeptbeschlusses bestehen. Dieser Vergleich liegt auch deswegen nahe, da es sich wie bei der Zustimmung zur Schaffung des genehmigten Kapitals um einen der Maßnahme zeitlich vorgelagerten Beschluss handelt und die Zulässigkeit des Holzmüller-Konzeptbeschlusses argumentativ vielfach gerade auf die Siemens/NoldEntscheidung gestützt wird.334 In zeitlicher Hinsicht kann die Ermächtigung zur Ausgabe von Aktien aus einem genehmigten Kapital für fünf Jahre erteilt werden, § 202 Abs. 2 S. 1 AktG, während die Holzmüller-Ermächtigung nach zutreffender Ansicht grundsätzlich zwar unbefristet gilt, aber eine Pflicht zur jährlichen Berichterstattung auf der Hauptversammlung angenommen wird.335 Hieraus ergibt sich also kein geringeres Schutz331 BGH, Urt. v. 23. 6. 1997 – II ZR 132/93, NJW 1997, 2815, 2816 („Siemens/Nold“) (das genehmigte Kapital soll „der AG die erforderliche Bewegungsfreiheit u. a. bei der Verbindung mit anderen Unternehmen geben, um die sich auf dem Kapitalmarkt bietenden Gelegenheiten rasch und flexibel ausnutzen zu können“). 332 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 202 Rn. 20; Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 59 Rn. 42; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 202 Rn. 86; Wamser, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 202 Rn. 1; Marsch-Barner, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 202 Rn. 15. 333 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 204 Rn. 6, 7; Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 59 Rn. 44; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 204 Rn. 25; Lutter, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. (1989), § 204 Rn. 16; Hirte, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2001), § 204 Rn. 15. 334 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 51; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2013), § 119 Rn. 99; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 12; Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 22; Grün, Informationspflichten des Vorstands bei „Holzmüller-Beschlüssen“ (2006), S. 154. 335 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 51; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

niveau der Mitwirkung der Aktionäre im Rahmen der Schaffung des genehmigten Kapitals. Wie gesehen würde es nach hier vertretener Ansicht im Rahmen des HolzmüllerKonzeptbeschlusses beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin genügen, dass die maximalen Auswirkungen auf die Aktionärsrechte dargestellt werden, also insbesondere die maximale Zahl der als Gegenleistung auszugebenden Anteile der Erwerberin.336 Dennoch könnten gewisse Zweifel bestehen, ob nicht der notwendige Konkretisierungsgrad im Rahmen von Siemens/Nold noch unterhalb dieses Maßstabs liegt, ob also die Aktionäre die drohende Rechtsbeeinträchtigung qualitativ und quantitativ gleichermaßen absehen können und dieser hinreichend zugestimmt haben. Für das genehmigte Kapital hat der BGH es wie gesehen für ausreichend erachtet, dass der Vorstand in seinem Bericht formulierte, die Ermächtigung solle dazu dienen, „in geeigneten Einzelfällen“337 Beteiligungen zu erwerben. In der älteren Literatur wird, allerdings nicht speziell zum Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin, aber davon ausgegangen, dass es für einen Holzmüller-Ermächtigungsbeschluss nicht ausreichen solle, wenn der Vorstand ermächtigt wird, „bei Bedarf und günstiger Marktlage Beteiligungen zu erwerben“.338 Dies ist grundsätzlich auch zutreffend, da aufgrund einer derart pauschalen Formulierung die Aktionäre die Beeinträchtigung ihrer Rechte nicht hinreichend absehen können. Insbesondere ist nicht absehbar, wie stark sich bei einem Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin die prozentuale Anteilsquote der Altaktionäre reduzieren kann. Im Gegensatz zu einer derart pauschalen Beschreibung ist bei der Beschlussfassung über das genehmigte Kapital aber bekannt, in welchem Umfang Anteile der Erwerberin maximal ausgegeben werden können und somit die Aktionärsrechte maximal beeinträchtigt werden können. In der Praxis ist es üblich, das genehmigte Kapital in ein „Genehmigtes Kapital I“ und „Genehmigtes Kapital II“ einzuteilen, wobei ersteres üblicherweise der Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen und zweiteres der Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen unter Bezugsrechtsausschluss und somit auch dem Beteiligungserwerb dient.339 Damit das genehmigte Kapital zum Beteiligungserwerb unter Bezugsrechtsausschluss herangezogen werden kann, muss dieser Zweck jedenfalls klar benannt werden.340 Den Aktionären ist somit bei der Beschlussfassung über das genehmigte Kapital bekannt, dass dieses zum Zwecke des Rn. 101; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 41 (indes nicht ausdrücklich für Bericht); Grün, Informationspflichten des Vorstands bei „Holzmüller-Beschlüssen“ (2006), S. 156. 336 Siehe nochmals unter D.IV.1.b). 337 BGH, Urt. v. 23. 6. 1997 – II ZR 132/93, NJW 1997, 2815 („Siemens/Nold“). 338 Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 815 f. 339 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 202 Rn. 5; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 59 Rn. 26; von Dryander/Niggemann, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 202 Rn. 18. 340 BGH, Urt. v. 23. 6. 1997 – II ZR 132/93, NJW 1997, 2815 („Siemens/Nold“).

D. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin

191

Beteiligungserwerbs genutzt werden kann. Weiterhin ist bekannt, welche Reduzierung ihrer Anteilsquote bei einer vollständigen Ausnutzung des genehmigten Kapitals zum Beteiligungserwerb damit maximal einhergehen kann. Unklar ist bei der Schaffung des genehmigten Kapitals lediglich noch, ob und wie dieses ausgenutzt wird. Mithilfe des „Genehmigten Kapitals II“ könnten also auch mehrere kleinere Beteiligungserwerbe erfolgen. Bei einem Holzmüller-Konzeptbeschluss dürfte hingegen üblicherweise klar sein, dass das genehmigte Kapital zu einem umfangreichen Beteiligungserwerb genutzt wird. Hierauf kann es allerdings mit Blick auf den Schutz der Aktionäre nicht entscheidend ankommen. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Aktionäre durch die Schaffung des genehmigten Kapitals, welches ausdrücklich auch einen Beteiligungserwerb erlaubt, dem Vorstand die Möglichkeit eröffnet haben, einen umfangreichen Beteiligungserwerb auch unter vollständiger Ausnutzung des genehmigten Kapitals zu finanzieren. Somit ist aber auch die maximale Beeinträchtigung der Aktionärsrechte durch vollständige Ausnutzung des genehmigten Kapitals qualitativ und quantitativ bereits von der Zustimmung der Aktionäre umfasst. Daher überzeugt es auch insbesondere nicht, wie dies teilweise in der Literatur vertreten wird, dass zusätzlich zu der Zustimmung zur Schaffung des genehmigten Kapitals eine Zustimmung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen erforderlich sein soll, wenn das genehmigte Kapital vollständig ausgenutzt wird, um eine „fusionsähnliche“ Verbindung einzugehen341 oder wenn die erworbene Beteiligung bestimmte Parameter überschreitet342. Denn von der erteilten Zustimmung der Aktionäre ist gerade auch die vollständige Ausnutzung des genehmigten Kapitals zum Beteiligungserwerb umfasst, ohne dass es ferner darauf ankommen kann, ob die erworbene Beteiligung nach ihren Parametern besonders groß ist oder ob ein Beteiligungserwerb durchgeführt wird, der zu einer „fusionsähnlichen“ Verbindung führt. Wollen die Aktionäre verhindern, dass derart viele neue Aktien ausgegeben werden, so kann das genehmigte Kapital schon der Höhe nach beschränkt werden. Weiterhin beträgt auch hier das Mehrheitserfordernis mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals, § 202 Abs. 2 S. 2 AktG. Es ist damit festzuhalten, dass für die Aktionäre auch im Rahmen der Schaffung des genehmigten Kapitals ein vergleichbares Schutzniveau besteht wie es im Rahmen eines Holzmüller-Konzeptbeschlusses beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin bestünde. Damit wäre auch hier eine – ohnehin nur hilfsweise un341 Happ, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 175, 184 f. (bei Ausnutzung zu „fusionsähnlichen Sachverhalten“); Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 581 f. (z. B. bei Ausnutzung des gesamten genehmigten Kapitals zur „Finanzierung einer fusionsähnlichen Umstrukturierung“); ähnlich Hirte, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2001), § 202 Rn. 162 (bei Begründung einer „qualifiziert faktischen Abhängigkeit“). 342 Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. (2005), § 202 Rn. 57; offener jetzt aber Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 202 Rn. 56 f (allerdings hauptsächlich wegen der fehlenden quantitativen Relevanz); Tröger, ZIP 2001, 2029, 2040 f.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

tersuchte – zusätzliche Zustimmung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen nicht notwendig. Im Übrigen ist das genehmigte Kapital auf 50 % des bisherigen Grundkapitals gedeckelt, § 202 Abs. 3 S. 1 AktG, sodass sich unter Einsatz eines genehmigten Kapitals die relevante Quantität der Maßnahme beim Beteiligungserwerb praktisch nicht erreichen lassen wird.343 d) Ausgabe eigener Aktien Eine weitere Möglichkeit, sich Aktien für die Finanzierung eines Beteiligungserwerbs zu beschaffen, ist der Rückkauf eigener Aktien. Zu einem solchen kann die Hauptversammlung den Vorstand nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 1 AktG für die Dauer von bis zu fünf Jahren und bis zu einer Grenze von 10 % des Grundkapitals allgemein ermächtigen. Die eigenen Aktien können grundsätzlich zu jedem Zweck erworben werden, außer zum Handel mit eigenen Aktien, § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 2 AktG. Weiterhin kann der Beschluss zum Rückkauf eigener Aktien mangels spezieller Regelung in der Satzung nach § 133 Abs. 1 AktG grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst werden.344 Bei der Wiederveräußerung ist nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 AktG, wie auch beim Erwerb, der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Nach S. 4 genügt dem eine Veräußerung über die Börse. Ebenfalls genügen soll es nach verbreiteter Ansicht, wenn die eigenen Aktien außerhalb der Börse allen Aktionären zum Erwerb angeboten werden.345 Beim Einsatz der eigenen Aktien zur Finanzierung eines Beteiligungserwerbs machen diese Arten der Veräußerung allerdings keinen Sinn. Vielmehr müssen die eigenen Aktien außerhalb der Börse ausschließlich an den Veräußerer der zu erwerbenden Beteiligung ausgegeben werden. Nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 AktG kann die Hauptversammlung auch eine solche, andere Form der Veräußerung beschließen, wobei dann § 186 Abs. 3, 4 AktG Anwendung finden.346 Da diese Veräußerung ähnlich wirkt wie eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss, sind ein sachlicher Grund, ein Beschluss der Hauptversammlung mit Dreiviertelmehrheit,

343

Siehe nochmals unter D.III. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 71 Rn. 19d; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 71 Rn. 110; Wieneke, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. (2014), § 71 Rn. 31; Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2009), § 71 Rn. 124; Merkt, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2007), § 71 Rn. 259; Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 64. 345 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 71 Rn. 133, 135; Laubert, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 71 Rn. 28; Oechsler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 71 Rn. 254; Merkt, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2007), § 71 Rn. 284; so nun auch Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 71 Rn. 83 (in der Vorauflage wurde noch ein Hauptversammlungsbeschluss für stets erforderlich gehalten). 346 Da die eigenen Aktien nicht gegen Barleistung ausgegeben werden, ist auch insbesondere § 186 Abs. 3 S. 4 AktG nicht anwendbar. 344

D. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin

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die Bekanntmachung in der Tagesordnung und ein schriftlicher Vorstandsbericht erforderlich.347 Bei der hier in Rede stehenden Veräußerung gegen Sacheinlagen ist richtigerweise hinsichtlich der Information der Aktionäre der Maßstab der Siemens/NoldEntscheidung heranzuziehen,348 da auch hier zum Zeitpunkt der Beschlussfassung die Details der Transaktion regelmäßig noch nicht feststehen; es müsste also auch hier abstrakt-generell beschrieben werden, dass die eigenen Aktien als Gegenleistung zum Erwerb von Beteiligungen verwendet werden können. Auch hier wäre damit klar, welche Zahl von eigenen Aktien maximal zur Finanzierung des Beteiligungserwerbs eingesetzt werden kann, sodass die Aktionäre die Beeinträchtigung ihrer Rechte qualitativ und quantitativ vorhersehen können und dieser ausreichend zugestimmt haben. Damit gelten auch hier hinsichtlich der zeitlichen Grenzen, der Information der Aktionäre und des Umfangs der Mitwirkung dieselben Maßstäbe wie bei einer genehmigten Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss. Es gilt daher hinsichtlich der Vergleichbarkeit mit der Zustimmung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen das eben unter c) Gesagte. Allerdings bestehen ohnehin mehrere Nachteile, die den Einsatz von eigenen Aktien zur Finanzierung eines Beteiligungserwerbs in der Praxis wenig attraktiv machen. So muss die Gesellschaft die eigenen Aktien zunächst mit bereits vorhandenen Mitteln zurück erwerben und nach § 71 Abs. 2 S. 2 AktG zur hypothetischen Rücklagenbildung in der Lage sein. Vor allem aber ist der Erwerb von eigenen Aktien der Höhe nach auf 10 % des Grundkapitals gedeckelt, § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 1 AktG, sodass sich unter Einsatz eigener Aktien die relevante Quantität der Maßnahme beim Beteiligungserwerb praktisch nicht erreichen lassen wird.349

347 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 71 Rn. 19m; Oechsler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 71 Rn. 255 ff.; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 71 Rn. 134 ff.; Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 71 Rn. 80 f.; Wieneke, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. (2014), § 71 Rn. 41; Lutter/Drygala, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2009), § 71 Rn. 179 ff.; Merkt, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2007), § 71 Rn. 284; so auch BegrRegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 14; anders aber Benckendorff, Erwerb eigener Aktien im deutschen und US-amerikanischen Recht, S. 282 (Veräußerung an Dritte zulässig). 348 Wieneke, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl. (2014), § 71 Rn. 41; Reichert, in: Müller/Rödder, Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. (2009), § 5 Rn. 125; Kirchner/Sailer, NZG 2002, 305, 313; Reichert/Harbarth, ZIP 2001, 1441, 1444; verkürzt Reger/Wieneke, GWR 2013, 195, 196 (keine Ermächtigung zum Einsatz als Akquisitionswährung beim Erwerb). 349 Siehe nochmals unter D.III.

194

Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

V. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann damit festgehalten werden, dass ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin nicht in Betracht kommt. Es besteht schon kein Mediatisierungseffekt und auch kein vergleichbarer Effekt, da beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin gerade nicht wie in Fällen des „klassischen“ Mediatisierungseffekts die Situation vorliegt, dass der Vorstand durch eine autonome Geschäftsführungsmaßnahme den mitgliedschaftlichen Einfluss der Aktionäre auf das Gesellschaftsvermögen faktisch reduzieren kann. Der Vorstand hat es nicht in der Hand, einen Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin autonom durchzuführen. Auch wenn es sich bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals um eine Geschäftsführungsmaßnahme handelt, geht diese, wie auch die anderen Formen der Schaffung der Anteile der Erwerberin, auf eine vorherige Beschlussfassung der Hauptversammlung zurück. Auch im Ergebnis verschiebt sich beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin der Einfluss der Aktionäre auf das bisherige Gesellschaftsvermögen nicht hierarchisch und somit im Verhältnis zum Vorstand sondern „zur Seite“ zwischen den Aktionären, namentlich von den Altaktionären hin auf den neu aufgenommenen Aktionär. Die ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse betreffen aber das Verhältnis der Kompetenzen zwischen Vorstand und Hauptversammlung und nicht das Verhältnis der Aktionäre untereinander. Auch wenn man eine qualitative Vergleichbarkeit mit Fällen des „klassischen“ Mediatisierungseffekts hilfsweise unterstellt, so müsste der Anknüpfungspunkt der quantitativen Betrachtung mit dem Anknüpfungspunkt der – unterstellten – qualitativen Beeinträchtigung der Aktionärsrechte korrespondieren. Qualitativ läge die denkbare Beeinträchtigung in der Reduzierung der Beteiligungsquote der Altaktionäre und der daraus resultierenden Schwächung des Einflusses auf das bisherige Gesellschaftsvermögen, während im Gegenzug die erworbene Beteiligung auf hierarchisch tieferer Ebene zufließt; darin könnte – entgegen der hier vertretenen Ansicht – gegebenenfalls eine wirtschaftliche Verlagerung von Einfluss der Altaktionäre gesehen werden. Folglich müsste dem Dritten aber eine Anteilsquote von 75 – 80 % eingeräumt werden, um den relevanten Schwellenwert nach den Holzmüller/ Gelatine-Grundsätzen zu erreichen. Die Einräumung einer derart hohen Beteiligungsquote ließe sich praktisch ohnehin nur im Wege einer ordentlichen Kapitalerhöhung erreichen. Im Übrigen genügt bei dieser hilfsweisen Betrachtung auch die im Rahmen der Schaffung der Anteile der Erwerberin erfolgte Mitwirkung der Hauptversammlung den Anforderungen, welche bei einer Zustimmung nach den Holzmüller/GelatineGrundsätzen erforderlich wäre. Da der Zeitpunkt der Mitwirkung, das Mehrheitserfordernis, das Informationsniveau der Aktionäre und der Umfang der Mitwirkung jeweils vergleichbar sind und die Aktionäre insbesondere der qualitativen und quantitativen Beeinträchtigung ihrer Rechte bereits ausreichend zugestimmt haben,

E. Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin

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wäre eine weitere Zustimmung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen nicht erforderlich. Bei der ordentlichen Kapitalerhöhung und dem bedingten Kapital wird die Hauptversammlung bereits gleichwertig zu einem „klassischen“ HolzmüllerBeschluss mit dem Beteiligungserwerb befasst. Beim genehmigten Kapital und der Veräußerung eigener Aktien ist die bereits erfolgte Befassung der Hauptversammlung gleichwertig zu einem Holzmüller-Konzeptbeschluss.

E. Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin Von großer praktischer Relevanz ist, wie auch der Fall Commerzbank/Dresdner Bank zeigt, der Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin. Wie die bisherige Prüfung ergeben hat, ist aber lediglich bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis denkbar,350 nicht hingegen beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin.351 Zu prüfen ist, was dies für den Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin bedeutet.

I. Meinungsbild An dieser Stelle von einem echten Meinungsbild zu sprechen, wäre fast übertrieben. Es lassen sich dennoch auf Basis der hier vertreten Ansicht352 zwei grundsätzliche Lösungsmöglichkeiten unterscheiden: Entweder die Zustimmungsbedürftigkeit beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin könnte sich nur aus dem Einsatz der Barmittel ergeben, da der Einsatz der Anteile der Erwerberin von der Betrachtung auszunehmen wäre353 oder aber es wäre eine einheitliche Betrachtung der Maßnahme vorzunehmen, sodass die gesamten Auswirkungen der Transaktion zu betrachten wären und damit auch die Auswirkungen des Einsatzes der Anteile der Erwerberin mit in die Betrachtung eingestellt werden müssten.354

350

Siehe nochmals unter C.III. Siehe nochmals unter D.V. 352 Verneint man eine Zustimmungsbedürftigkeit aus dem Einsatz der Barmittel und aus dem Einsatz der Anteile der Erwerberin, so kann sich freilich auch aus der Kombination nichts anderes ergeben; siehe Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 59 Rn. 46. 353 So Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 271. 354 So Priester, AG 2011, 654, 660. 351

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

II. Stellungnahme Dafür, auch den Einsatz der Anteile der Erwerberin mit in die Betrachtung einzubeziehen, könnten auf den ersten Blick die anerkannten Grundsätze zur Zusammenschau mehrerer Einzelmaßnahmen sprechen. Es ist allgemeine Meinung, dass eine Zusammenrechnung der quantitativen Auswirkungen mehrerer Einzelmaßnahmen vorgenommen werden muss, sofern diese in einem bestimmten Zusammenhang stehen.355 Überwiegend wird hierfür ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang der Einzelmaßnahmen gefordert,356 der insbesondere angenommen wird, wenn es sich um mehrere Einzelmaßnahmen handelt, die „Bestandteil einer allgemeinen Umstrukturierung des Konzerns“ sind357 oder wenn objektive Merkmale für einen Zusammenhang, wie dokumentierte Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlüsse, vorliegen.358 Vereinzelt wird auch nicht die subjektive „Gesamtabsicht“ des Vorstands sondern werden die objektiven Folgen der Summe aller Einzelmaßnahmen in den Vordergrund gerückt und werden für die Zurechnung mehrerer Einzelmaßnahmen zu einem „Gesamtvorhaben“ die Grundsätze der Rechtsprechung zum sachlichen und zeitlichen Zusammenhang bei verdeckten Sachkapitalerhöhungen analog herangezogen.359 Dies bedeutet im Ergebnis, dass bei einem zeitlichen Zusammenhang von sechs Monaten eine widerlegliche Vermutung für ein „Gesamtvorhaben“ sprechen würde.360 Eine vereinzelt gebliebene Ansicht betont allein den 355 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 47; Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 22; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 37; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 11; Priester, AG 2011, 654, 661; Goette, AG 2006, 522, 526; Zimmermann/Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 169 f.; Binge/Thölke, in: MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010), § 25 Rn. 72; auch OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 86 f., juris („Commerzbank/Dresdner Bank“); OLG Hamm, Urt. v. 19. 11. 2007 – 8 U 216/07, NZG 2008, 155, 157 („Arcandor“). 356 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 47; Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 119 Rn. 22; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 37; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 11; Priester, AG 2011, 654, 661; Goette, AG 2006, 522, 526; Simon, DStR 2004, 1482, 1486. 357 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 47. 358 Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 37; Simon, DStR 2004, 1482, 1486. 359 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 52; ähnlich Zimmermann/Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 169 f. 360 Der BGH hat sich in seiner Rechtsprechung allerdings bisher nicht festgelegt, wann ein solcher zeitlicher Zusammenhang bestehen soll, hat dies bei einem Zeitraum von mehr als acht Monaten (BGH, Urt. v. 16. 9. 2002 – II ZR 1/00, NJW 2002, 3774, 3777) bzw. drei Jahren (BGH, Beschl. v. 4. 3. 1996 – II ZB 8/95, NJW 1996, 1473, 1475) allerdings verneint, bei einem Monat aber bejaht (BGH, Urt. v. 16. 1. 2006 – II ZR 76/04, NJW 2006, 1736, 1737). In der Literatur wird daher ganz überwiegend von einem Zeitraum von sechs Monaten ausgegangen (etwa Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 27 Rn. 34; Pentz, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 27 Rn. 104; Benz/Herrler, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 27 Rn. 171;

E. Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin

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zeitlichen Zusammenhang. Nach dieser sehr weitgehenden, soweit erkennbar nur von Hirte vertretenen Ansicht darf der Vorstand nur solche Maßnahmen vornehmen, die innerhalb von fünf Jahren in Summe nicht den relevanten Schwellenwert überschreiten;361 alle Maßnahmen, die darüber hinausgehen, bedürften dann der Zustimmung durch die Hauptversammlung.362 Die Zusammenschau mehrerer einzelner Maßnahmen dient primär dem Umgehungsschutz. Namentlich soll die Holzmüller-Rechtsprechung des BGH nicht dadurch ausgehebelt werden können, dass eine an sich einheitliche Maßnahme in mehrere Einzelmaßnahmen zerlegt wird, um so das Zustimmungserfordernis zu umgehen.363 Gemeint ist hiermit primär eine zeitliche Aufspaltung einer der Sache nach einheitlichen Maßnahme. Nach allen verschiedenen Strömungen wäre – übertragen auf den Beteiligungserwerb – daher etwa eine Zusammenschau der quantitativen Auswirkungen vorzunehmen, wenn der Vorstand auf Grundlage eines anfänglichen „Gesamtplans“ zunächst 50 % der Anteile an einer Zielgesellschaft gegen Barmittel erwirbt und im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang – etwa drei Monate später – weitere 50 % der Anteile gegen Barmittel und hierdurch in der Summe der relevante quantitative Schwellenwert überschritten wäre. Dieser Gedanke könnte auch bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin in etwas abgewandelter Form einschlägig sein. Gedanklich kann man den Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin auch in zwei „Einzelmaßnahmen“ trennen: den teilweisen Erwerb gegen Barmittel und den teilweisen Erwerb gegen Anteile der Erwerberin. Der Vorstand könnte seine Kompetenzen dann namentlich dadurch überschreiten, dass er zu dem von der Hauptversammlung genehmigten Teil des Einsatzes der Anteile der Erwerberin zusätzlich Barmittel aufwendet und damit im Rahmen eines „Gesamtvorhabens“ einen umfangreichen Beteiligungserwerb finanziert, der allein mit Anteilen der Erwerberin nicht zu finanzieren gewesen wäre. Weiterhin denkbar wäre der Fall, dass der Vorstand einen Beteiligungserwerb, der bei ausschließlichem Einsatz von Barmitteln der Zustimmung der Hauptversammlung bedurft hätte, und diese Barmittel gegebenenfalls sogar zur Verfügung gestanden hätten, als Erwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin strukturiert, sodass durch den Einsatz der Anteile der Erwerberin als Gegenleistung die eingesetzten Barmittel die Schwelle der quantitativen Relevanz nicht mehr erreichen und damit die Zustimmungsbedürftigkeit entfällt. Diese Überlegungen könnten eine Zusammenrechnung der Auswirkungen Bayer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 27 Rn. 66; Arnold, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2008), § 27 Rn. 96). 361 Die Ansicht stammt allerdings noch aus der Zeit vor den Gelatine-Entscheidungen und geht von einem Schwellenwert von 25 % aus, der sich freilich durch die Gelatine-Entscheidungen überholt hat. 362 Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung (1986), S. 181. 363 So auch OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 86, juris („Commerzbank/Dresdner Bank“); Priester, AG 2011, 654, 661.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

notwendig machen, ähnlich wie sie auch das LG Frankfurt a.M. im Fall Commerzbank/Dresdner Bank vorgenommen hat.364 Dagegen spricht aber ganz deutlich, dass im Rahmen einer quantitativen Zusammenschau der Auswirkungen mehrerer Einzelmaßnahmen auch nur solche Einzelmaßnahmen von Relevanz sein können, welche für sich genommen qualitativ geeignet sind, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszulösen.365 Nur in diesem Fall droht eine Umgehung des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses durch eine Aufspaltung einer einheitlichen Maßnahme in mehrere Einzelmaßnahmen. Da aber ein Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin auch bei isolierter Betrachtung qualitativ nicht geeignet ist, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszulösen und zudem eine gleichwertige Zustimmung der Hauptversammlung zur Schaffung der Anteile der Erwerberin bereits vorliegt,366 kann der Einsatz der Anteile der Erwerberin als Gegenleistung auch nicht im Wege einer Zusammenschau der Auswirkungen des Beteiligungserwerbs gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin herangezogen werden. Auch wenn nicht nur eine gedankliche sondern eine tatsächliche chronologische Aufteilung der Transaktion erfolgen würde und zunächst 50 % der Anteile an einer Zielgesellschaft gegen Barmittel erworben werden und später, im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang, weitere 50 % gegen Anteile der Erwerberin, so würde dies richtigerweise nicht dazu führen, dass eine Zusammenschau der Auswirkungen vorzunehmen wäre. Nichts anderes kann dann freilich gelten, wenn ohne zeitliche Aufteilung ein einheitlicher Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin vorgenommen wird. Dieses Ergebnis überzeugt auch bei wertender Betrachtung. Findet ein einheitlicher Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin statt, bei dem die Anteile im Wege der ordentlichen Sachkapitalerhöhung oder der bedingten Kapitalerhöhung geschaffen werden, so wird die Hauptversammlung bereits mit dem konkreten Beteiligungserwerb befasst. Stimmt sie der notwendigen Kapitalmaßnahme nicht zu, so wird der Beteiligungserwerb auch nicht durchgeführt. Aber auch bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals oder der Ausgabe von eigenen Aktien als Akquisitionswährung hat die Hauptversammlung vorher den Vorstand dazu ermächtigt, diese Anteile zum Beteiligungserwerb einzusetzen. Damit ist jedoch aus Sicht der Aktionäre ebenfalls klar, dass der Vorstand im Rahmen seiner allgemeinen Kompetenzen weitere Barmittel verwenden kann, um einen Beteiligungserwerb zu realisieren, welcher allein unter Einsatz des genehmigten Kapitals oder der eigenen Aktien nicht möglich gewesen wäre. Hierin liegt dann aber keine Überschreitung der Kompetenzen des Vorstands bzw. eine Umgehung eines 364

LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 88 ff., juris („Commerzbank/Dresdner Bank“). 365 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 88, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 366 Siehe nochmals unter D.V.

F. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses

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Hauptversammlungserfordernisses sondern lediglich eine Kombination der im Einzelnen bestehenden Befugnisse des Vorstands, die Anteile der Erwerberin zu einem Beteiligungserwerb einzusetzen und zusätzlich (bis zur Erreichung der hierfür ermittelten quantitativen Schwelle) auch die Barmittel zu einem Beteiligungserwerb einzusetzen.

III. Zwischenergebnis Bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin kann sich ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis nur aus dem Einsatz der Barmittel als Gegenleistung ergeben. Da ein Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin auch bei isolierter Betrachtung qualitativ nicht geeignet ist, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszulösen, muss der Einsatz der Anteile der Erwerberin auch bei der Betrachtung der quantitativen Auswirkungen eines Beteiligungserwerbs gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin außer Betracht bleiben.

F. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses Auch wenn die herausgearbeiteten qualitativen und quantitativen Voraussetzungen für ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis ausnahmsweise im Einzelfall vorliegen sollten, ist es dennoch denkbar, dass das ungeschriebene Hauptversammlungserfordernis durch das Hinzutreten einer weiteren neutralisierenden Maßnahme wieder ausgeschlossen wird, wenn durch diese weitere Maßnahme der qualitative und quantitative Eingriff in die mitgliedschaftliche Stellung der Aktionäre wieder aufgehoben bzw. neutralisiert wird. Da die ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse nur in engen Grenzen anzuwenden sind, wenn die sinnvolle Ergänzung der ansonsten wohl austarierten und abschließenden Kompetenzordnung dies erfordert,367 kann kein Zweifel bestehen, dass es an dieser Erforderlichkeit fehlt, wenn die qualitative und quantitative Beeinträchtigung der Aktionärsrechte im Einzelfall auf anderem Wege beseitigt wird. Der Ausschluss eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses durch neutralisierende Maßnahmen wurde bisher in der Literatur nur kursorisch angesprochen, jedoch ohne die Frage zu vertiefen.368 367

Siehe nochmals unter Teil 2 A.III. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 35, 45 („neutralisierende Effekte“); Staake, WuB II A., § 119 AktG, 1.10 (2010), 399, 401; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576 f. („Rückgängigmachung einer Mediatisierung“); Bungert, BB 2004, 1345, 1348. 368

200

Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

Da ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis nach dem vorstehend Geprüften nur bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel in Betracht kommt bzw. auch bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin nur durch den Einsatz der Barmittel ausgelöst werden kann,369 betrifft die Frage des Ausschlusses eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses auch nur den Einsatz der Barmittel. Da der Mediatisierungseffekt die faktische Verkürzung der Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre aufgrund einer hierarchischen Vermögensverlagerung beschreibt370 und die quantitative Beeinträchtigung sich parallel zur qualitativen Beeinträchtigung bemisst,371 bieten sich zwei denkbare Ansatzpunkte für eine Neutralisierung der Beeinträchtigung der Aktionärsrechte. Es könnte entweder (i) der betreffende Teil des Gesellschaftsvermögens gegenständlich oder wirtschaftlich unter den Einfluss der Aktionäre zurückgeführt werden oder die Aktionäre könnten (ii) so gestellt werden, dass sie trotz der Vermögensverlagerung das Risiko des Verlusts und die Verwendung der Erträge der verlagerten Mittel in vergleichbarer Weise beeinflussen können wie vor der Vermögensverlagerung372. Eine gegenständliche Rückführung ist im Falle einer Verschmelzung der erworbenen Beteiligung auf die Erwerberin denkbar (hierzu unter I.), eine wirtschaftliche Rückführung im Falle der Veräußerung der erworbenen Beteiligung gegen Barmittel (hierzu unter II.). Eine Stärkung des Einflusses der Aktionärsrechte in Bezug auf das mediatisierte Vermögen kommt schließlich in Form der Abschlusses eines Unternehmensvertrags in Betracht (hierzu unter III.). Weiterhin stellen sich dann (gegebenenfalls) die Folgefragen, ob die neutralisierende Maßnahme in einem bestimmten zeitlichen Zusammenhang mit der mediatisierenden Maßnahme stehen muss und welche Auswirkungen die neutralisierende Maßnahme auf das Klagerecht der Aktionäre hat (hierzu unter IV.).

I. Verschmelzung auf die Erwerberin Gegenständlich kann der mediatisierte Vermögensteil im Wege der Verschmelzung unter den Einfluss der Aktionäre der Obergesellschaft zurückgeführt werden.373

369

Siehe nochmals soeben unter E.III. Siehe nochmals unter C.I.3.d). 371 Siehe nochmals unter C.II.1.d)bb). 372 Vgl. hierzu nochmals BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136, 143 („Holzmüller“). 373 Staake, WuB II A., § 119 AktG, 1.10 (2010), 399, 401; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, 5. Aufl. (2013), § 62 Rn. 3 (Einfluss der Aktionäre wird erweitert); allgemeiner zum Verhältnis der Holzmüller-Grundsätze und § 62 UmwG auch Habersack, in: Festschrift für Horn (2006), S. 337, 342 f.; andere Ansicht Wilhelm, WuB II A., § 120 AktG, 1.12 (2012), 351, 353 f. (Verschmelzung könne den Mediatisierungseffekt nicht egalisieren, da Zustimmungspflicht schon im Vorfeld der Transaktion geklärt werden müsse). 370

F. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses

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Nach einem Beteiligungserwerb kann dies dadurch geschehen, dass die erworbene Beteiligung auf die Erwerberin verschmolzen wird. Durch den Beteiligungserwerb werden die aufgewendeten Barmittel wirtschaftlich in die erworbene Beteiligung verlagert und der Aktionärseinfluss auf diese Mittel wird damit mediatisiert.374 Durch die Verschmelzung auf die Erwerberin wird aufgrund der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Gesamtrechtsnachfolge das Vermögen der vorher erworbenen Beteiligung zum Vermögen der Erwerberin und damit dem unmittelbaren Einfluss der Aktionäre der Erwerberin unterstellt. Damit sind die vormals mediatisierten Mittel wieder in den Einflussbereich der Aktionäre der Erwerberin zurückgekehrt. Im Falle einer 100 %-igen Tochtergesellschaft, von der hier grundsätzlich ausgegangen wird, wäre die Verschmelzung im Wege der Konzernverschmelzung nach § 62 Abs. 1 S. 1 UmwG möglich, sodass die ansonsten nach § 13 Abs. 1 S. 1 UmwG erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung der übernehmenden Gesellschaft und zudem nach § 62 Abs. 4 S. 1 UmwG auch die Zustimmung der Hauptversammlung der übertragenden Tochtergesellschaft entbehrlich wäre. Weiterhin ist auch anerkannt, dass die Konzernverschmelzung selbst keine Zustimmung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen auslöst.375 Was bleibt, ist im Grunde das Ergebnis eines asset deals, also eines Aktivtauschs ohne hierarchische Dimension.376 Die Gesellschaft hat Barmittel aufgewendet und hierdurch – mit einem Zwischenschritt – Vermögensgegenstände erhalten, die dem direkten Einfluss ihrer Aktionäre unterstellt sind, sodass es im Ergebnis nicht zu einer Mediatisierung der Aktionärsrechte kommt. Zu überdenken ist schließlich noch ein potentielles Argument, welches im Urteil des LG Frankfurt a.M. im Fall Commerzbank/Dresdner Bank anklingt. Es könnte sogar eine stärkere Beeinträchtigung für die Aktionäre der Obergesellschaft darstellen und damit der Annahme einer Neutralisierung des Mediatisierungseffekts entgegenstehen, dass durch die Verschmelzung neben den Aktiva nun auch die Passiva des übertragenden Rechtsträgers direkt bei der übernehmenden Gesellschaft 374

Siehe nochmals unter C.III. Überwiegend wird dies in der umwandlungsrechtlichen Literatur darauf gestützt, dass die Konzernverschmelzung nicht die erforderliche Qualität für ein ungeschriebenes Zustimmungserfordernis aufweise, da hierdurch kein Vermögen hierarchisch auf eine tiefere Ebene sondern im Gegenteil „nach oben“ verlagert wird (Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, 5. Aufl. (2013), § 62 Rn. 3; Staake, WuB II A., § 119 AktG, 1.10 (2010), 300, 401; Simon, in: Kölner Kommentar UmwG (2009), § 62 Rn. 26; Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), § 62 Rn. 5; auch OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 69, juris („Commerzbank/Dresdner Bank“); vorsichtiger Habersack, in: Festschrift für Horn (2006), S. 337, 342 f. (Konzernverschmelzung ihrer Art nach umfasst, jedoch typischerweise erforderliche Quantität nicht gegeben). Eine andere Ansicht verneint die Zustimmungsbedürftigkeit deswegen, weil es sich bei § 62 UmwG um eine abschließende Regelung handele (Junker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2014), § 62 UmwG Rn. 7; Grunewald, in: Lutter, UmwG, 5. Aufl. (2014), § 62 Rn. 9; Bodenbrenner/Grewe, Der Konzern 2011, 547, 551). 376 Priester, AG 2011, 654, 658; Staake, WuB II A., § 119 AktG, 1.10 (2010), 399, 401. 375

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

„aufschlagen.“377 Allerdings rechtfertigt auch diese Überlegung im Ergebnis keine andere Betrachtung. Denn dieser Effekt würde genauso eintreten, wenn im Wege des asset deals alle Aktiva und Passiva einzeln übertragen worden wären, wodurch richtigerweise mangels Mediatisierungseffekt kein Zustimmungserfordernis ausgelöst werden kann. Wenn eine erworbene Gesellschaft auf die Erwerberin verschmolzen werden soll, an welcher letztere eine geringere Beteiligungsquote als 90 % hält, wird nach § 13 Abs. 1 S. 1 UmwG ohnehin die Zustimmung der Hauptversammlungen der übernehmenden Gesellschaft (und auch der übertragenden Gesellschaft) erforderlich.378 Auch in diesem Fall ist allerdings von einer Neutralisierung des vorangegangen Mediatisierungseffekts auszugehen. Denn auch wenn aufgrund der Verschmelzung die außenstehenden Aktionäre der erworbenen Beteiligungsgesellschaft an der Obergesellschaft beteiligt werden, § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG, haben die Altaktionäre der Obergesellschaft dem zugestimmt und es kommt nur zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse im Aktionärskreis, welche für die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze nicht relevant ist.379

II. Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel Die Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel nimmt eine Doppelrolle ein bzw. kann von zwei Standpunkten aus betrachtet werden. Einerseits kann sie unter dem Blickwinkel einer neutralisierenden Maßnahme gegenüber einem vorangegangenen Beteiligungserwerb gegen Barmittel gesehen werden. Andererseits stellt sich bei der Beteiligungsveräußerung auch die Frage, ob diese selbst zu einem ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernis führen kann. An dieser Stelle sollen beide Fragestellungen gemeinsam angesprochen werden, da diese letztlich auch untrennbar miteinander verbunden sind. Denn wenn die Beteiligungsveräußerung selbst eine Zustimmungsbedürftigkeit auslösen würde, wäre sie freilich auch nicht geeignet, die Zustimmungsbedürftigkeit eines vorangegangenen Beteiligungserwerbs entfallen zu lassen. Hinsichtlich der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit der Beteiligungsveräußerung selbst ist allerdings zunächst die Vorfrage zu klären, ob diese nicht schon ohnehin aufgrund der Existenz des § 179a AktG ausscheidet. 377

So zu interpretieren LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 93 ff., juris („Commerzbank/Dresdner Bank“) („Wenn auch am 27. 11. 2008 die Auflagen der EUKommission nicht voraussehbar waren, ergibt sich doch schon aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten, dass am 27. 11. 2008 bekannt war, dass wegen der Verwerfungen auf den Finanzmärkten nach der Insolvenz des Bankhauses L der geschätzte Verlust der Y Bank in erheblicher [er] Höhe als zunächst angenommen eintreten und die Eigenkapitalstruktur der Beklagten – jedenfalls nach der vorgesehenen Verschmelzung – in beträchtlichem Ausmaße beinträchtigen würde[.]“). 378 Siehe etwa Priester, AG 2011, 654, 658. 379 Siehe hierzu nochmals unter D.II.2.c).

F. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses

203

1. Vorfrage: Verhältnis zu § 179a AktG Von der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur wird vertreten, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis bei der Beteiligungsveräußerung scheide schon deswegen aus, weil es aufgrund von § 179a AktG an einer Anschauungslücke im Gesetz fehle.380 Dem liegt offenbar die Vorstellung zu Grunde, der Gesetzgeber habe mit § 179a AktG eine abschließende Regelung hinsichtlich der Veräußerung von Gesellschaftsvermögen getroffen, wobei unterhalb dieser Schwelle eine Zustimmungsbedürftigkeit durch die Hauptversammlung nicht in Betracht komme. Dieses Argument ist allerdings in dieser Allgemeinheit wenig überzeugend. Eine Norm, welche die Zustimmungsbedürftigkeit der Veräußerung des gesamten Vermögens regelt, beinhaltete das deutsche Aktienrecht schon in § 255 AktG 1937 und § 361 AktG 1965 a.F.381 Hinsichtlich der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse wird aber gemeinhin davon ausgegangen, dass eine „Anschauungslücke“ des Gesetzgebers des Aktiengesetzes 1965 vorlag.382 Wenn aber die den ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernissen zugrundeliegende Problematik seitens des historischen Gesetzgebers gar nicht bedacht wurde, so lässt sich auch schwerlich argumentieren, bei der Schaffung des § 361 AktG 1965 a.F. sei davon ausgegangen worden, es sollten auch diese Fälle von der Norm erfasst sein.383 Im Übrigen sind die Anforderungen andere und ist die Rechtsfolge bei § 179a AktG strenger als bei den ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernissen, was sich vor dem Hintergrund des abweichenden Schutzzwecks erklärt. Geschützt werden sollen die Aktionäre durch § 179a AktG primär in ihrer Dispositionsfreiheit

380

Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 10; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 43; plakativ Arnold, ZIP 2005, 1573, 1577 („[…] Holzmüller ist kein kleiner § 179a AktG“); Spindler, in: Schmidt/Lutter, 3. Aufl. (2015), § 179a Rn. 6; Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 70; mit Zweifeln Hofmeister, NZG 2008, 47, 50; andere Ansicht Hüffer, WuB II A., § 119 AktG, 1.11 (2011), 201, 204; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30f f.; Wollburg/Gehling, in: Festschrift für Lieberknecht (1997), S. 133, 155. 381 Siehe nur Stein, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 179a Rn. 10; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 179a Rn. 2. § 303 HGB 1897 sah hingegen als Rechtsfolge noch die zwingende Auflösung der Gesellschaft vor. 382 Grundlegend bereits Geßler, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 771, 780 f. (auf den der BGH in Gelatine I ausdrücklich Bezug nimmt); ebenso etwa Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279, 284; Decher, in: Festschrift für Schneider (2011), S. 261, 269 f.; Zimmermann/Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 160; ähnlich Wank, ZGR 1988, 314, 371 f.; auch BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 („Gelatine I“). 383 Siehe Hüffer, WuB II A., § 119 AktG, 1.11 (2011), 201, 204 („§ 179a AktG steht einem solchen Vorfeldschutz nicht entgegen, weil die aus einer älteren Rechtsschicht stammende Vorschrift keinen abschließenden Charakter hat“).

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

und vor unangemessener Vertragsgestaltung.384 Plakativ soll der Vorstand nicht ohne den Willen der Aktionäre das gesamte Gesellschaftsvermögen, das die Grundlage der satzungsmäßigen Unternehmenstätigkeit bildet, aus der Hand geben können.385 Daher ist hier nicht notwendig, dass – wie der Wortlaut zunächst suggeriert – tatsächlich das gesamte Vermögen veräußert wird. Die Voraussetzungen des § 179a Abs. 1 S. 1 AktG sind nach herrschender Meinung vielmehr schon dann erfüllt, wenn der Gesellschaft nicht mehr genügend Vermögen verbleibt, um den statutarischen Unternehmensgegenstand – wenn auch in eingeschränktem Umfang – angemessen auszufüllen.386 Damit kommt es aber nicht allein darauf an, dass ein Teil des Vermögens veräußert wird, der quantitativ einen gewissen Schwellenwert erreicht, sondern es muss auch eine qualitative Bewertung – die verbleibende Möglichkeit der Ausfüllung des Unternehmensgegenstands – vorgenommen werden,387 die allerdings somit anderer Natur ist als die qualitative Bewertung bei ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernissen. Es muss also nicht zwingend die Qualität und Quantität einer Holzmüller-Maßnahme vorliegen, um einen Fall des § 179a AktG auszulösen. Dies zeigt umgekehrt, dass sich Holzmüller-Fälle schon tatbestandlich nicht zwingend als „Minusmaßnahmen“ zu Fällen des § 179a AktG darstellen, sondern dass es auf verschiedenartige Kriterien ankommt. Aus der Verletzung des Zustimmungserfordernisses nach § 179a AktG resultiert dann auch ein Fehlen der Vertretungsmacht zum Abschluss des entsprechenden Verpflichtungsvertrags,388 während die Verletzung des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses nur im Innenverhältnis wirkt.389 Auch dies unterstreicht die Verschiedenartigkeit der Regelungsregime und illustriert, dass durch die Anwendung der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze neben § 179a AktG keine gesetzgeberische Wertung unterlaufen wird. 384 Holzborn, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 179a Rn. 1; Stein, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 179a Rn. 5 ff.; Seibt, in: Schmidt/Lutter, 3. Aufl. (2015), § 179a Rn. 2; Hüren, RNotZ 2014, 77, 78; Brocker/Schulenburg, BB 2015, 1993, 1994. 385 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 128 („Holzmüller“), Referenz nehmend auf BGH, Urt. v. 16. 11. 1981 – II ZR 150/80, WM 1982, 86 („Hoesch/Hoogovens“); ähnlich pointiert auch Stein, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 179a Rn. 5 f.; Brocker/Schulenburg, BB 2015, 1993, 1994. 386 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 128 („Holzmüller“); Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 179a Rn. 5; Holzborn, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 179a Rn. 19; Hüren, RNotZ 2014, 77, 81; Brocker/Schulenburg, BB 2015, 1993, 1995; etwas anders Stein, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 179a Rn. 18 f. (für eine vorrangige Prüfung quantitativer Maßstäbe); etwas anders wohl auch Seibt, in: Schmidt/Lutter, 3. Aufl. (2015), § 179a Rn. 8 (Zustimmung auch, wenn Unternehmensgegenstand – wenn auch eingeschränkt – noch fortgeführt werden kann, aber der verbleibenden Teil des Gesellschaftsvermögens zu geringfügig ist). 387 Siehe nochmals Fn. 386. 388 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 179a Rn. 13; Stein, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 179a Rn. 2; Holzborn, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 179a Rn. 16; Hüren, RNotZ 2014, 77, 84; Brocker/Schulenburg, BB 2015, 1993. 389 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 132 („Holzmüller“).

F. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses

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Da § 179a AktG somit im Detail andere Voraussetzungen und eine strengere Rechtsfolge vorsieht und auch nicht in Ansehung der Problematik der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse geschaffen wurde, wird insgesamt nicht erkennbar, dass es sich bei § 179a AktG um eine Regelung handelt, welche die Anwendung der Holzmüller-Grundsätze auf eine Beteiligungsveräußerung ausschließt. Diesem Grundverständnis folgt im Übrigen offenbar auch der BGH, was daraus deutlich wird, dass in Holzmüller zuerst das Vorliegen der Voraussetzungen von § 179a AktG (bzw. § 361 AktG a.F.) abgelehnt wurde und ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis dennoch bejaht wurde.390 Wie die Rechtsprechung in Stuttgarter Hofbräu zeigt, gilt auch für die Beteiligungsveräußerung nichts anderes, da der BGH hier ebenfalls nacheinander auf den Mediatisierungseffekt und auf § 179a AktG einging.391 Wäre ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis bei der Beteiligungsveräußerung schon stets wegen der Existenz des § 179a AktG ausgeschlossen, so hätte auch ein Hinweis hierauf genügt.392 Damit ist festzuhalten, dass durch die Existenz des § 179a AktG ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis bei der Beteiligungsveräußerung nicht schon per se ausgeschlossen scheint.393 Im Übrigen ließe sich die erörterte Problematik, auch wenn sie dort soweit ersichtlich nicht diskutiert wird,394 auch auf die Frage des Beteiligungserwerbs gegen Barmittel übertragen, da hier die Reduzierung des Aktionärseinflusses ebenfalls an das weggegebene bzw. verlagerte Gesellschaftsvermögen, namentlich die Barmittel, anknüpft.395 Ein genereller Vorrang des § 179a AktG lässt sich aber hier aufgrund der dargestellten Argumente ebenfalls nicht begründen. 2. Potentielle Zustimmungsbedürftigkeit der Beteiligungsveräußerung und Neutralisierung des Mediatisierungseffekts Zu differenzieren ist, ob es sich um eine vollständige oder teilweise Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel handelt.

390 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 128 ff. („Holzmüller“); mit zutreffendem Hinweis hierauf auch Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 31. 391 BGH, Beschl. v. 20. 11. 2006 – II ZR 226/05, NZG 2007, 234 („Stuttgarter Hofbräu“). 392 Ähnlich Hofmeister, NZG 2008, 47, 50. 393 Hüffer, WuB II A., § 119 AktG, 1.11 (2011), 201, 204; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 31; vorsichtiger Hofmeister, NZG 2008, 47, 50. 394 Tendenziell in diese Richtung gehend aber Ebenroth/Daum, DB 1991, 1105, 1109. 395 Siehe nochmals unter C.I.2.a) und C.I.3.d).

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

a) Vollständige Beteiligungsveräußerung Bei der vollständigen Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel werden hinsichtlich der Zustimmungsbedürftigkeit zwei verschiedene Grundansichten vertreten. Einerseits könnte die Beteiligungsveräußerung bei gegenständlicher Betrachtung noch gravierender als ein Fall der Mediatisierung sein, da der Einfluss auf das in der Beteiligung gebundene Vermögen aus Perspektive der Aktionäre nicht nur reduziert wird, sondern – jedenfalls bei isolierter Betrachtung – gänzlich verloren geht.396 Die Vertreter dieser Ansicht halten ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis insbesondere auch in Abwesenheit eines Mediatisierungseffekts für möglich. Nach anderer, nicht gegenständlicher Ansicht bewirkt die vollständige Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel gerade eine Rückführung des vormals dem mittelbaren Einfluss der Aktionäre der Obergesellschaft unterstehenden Vermögens in deren unmittelbaren Einflussbereich und kehrt damit die vormals bestehende Mediatisierung um, sodass mangels Mediatisierungseffekt keine Zustimmungsbedürftigkeit gegeben ist.397 Richtig ist bei gegenständlicher Betrachtung zwar, dass durch die vollständige Beteiligungsveräußerung der mittelbare Einfluss über das Vermögen der Tochtergesellschaft im ersten Schritt gänzlich verloren geht. Diese Ansicht greift dann allerdings zu kurz, indem sie die erhaltene Gegenleistung nicht berücksichtigt, was aber notwendigerweise zu tun ist.398 Bei einer vollständigen Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel fließen namentlich bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mittel, 396

Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 68; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 119 Rn. 30g; Hüffer, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 279, 294 f.; Götze, NZG 2004, 585, 588; Bungert, BB 2004, 1345, 1350; Wackerbarth, AG 2002, 14, 16; Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1211 f.; Wollburg/Gehling, in: Festschrift für Lieberknecht (1997), S. 133, 157; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230; Wagner, Ungeschriebene Kompetenzen der Hauptversammlung (2006), S. 305; so zu verstehen auch Henze, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 211, 231; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 12. 12. 2000 – 3/5 O 149/99, AG 2001, 431 (Auflösung eines Konzerns durch Verkauf fast aller wesentlichen Beteiligungen); Ansicht aufgegeben bei Reichert, AG 2005, 150, 155. 397 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 43; ders., AG 2005, 137, 145; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 119 Rn. 22; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2008), § 76 Rn. 39; ders., in: Festschrift für Goette (2011), S. 513, 519; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 76 Rn. 63; Drinhausen, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 119 Rn. 21; Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451, 453; Hofmeister, NZG 2008, 47, 50; von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25; Goette, AG 2006, 522, 527; Liebscher, ZGR 2005, 1, 24; Reichert, AG 2005, 150, 155; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576 f.; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 81; ablehnend auch schon Joost, ZHR 163 (1999), 164, 185 f.; Groß, AG 1994, 266, 275 f.; ebenfalls ablehnend mit Verweis auf die Entscheidung des BGH in Stuttgarter Hofbräu: OLG Hamm, Urt. v. 19. 11. 2007 – 8 U 216/07, AG 2008, 421, 422 („Arcandor“); die Umkehrung des Mediatisierungseffekts bejahend, im Ergebnis aber offengelassen: OLG Stuttgart, Urt. v. 13. 7. 2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693, 695 (Vorinstanz zum BGH in Stuttgarter Hofbräu). 398 Siehe hierzu nochmals unter C.I.2.c).

F. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses

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die vormals in der Tochtergesellschaft investiert waren, nun direkt an die Obergesellschaft zurück. Die Situation unterscheidet sich von einer Verschmelzung also insofern, dass es nicht zu einer gegenständlichen sondern zu einer wirtschaftlichen Rückverlagerung von Gesellschaftsvermögen kommt. Während also die Verschmelzung aufgrund der bestehenden Identität des verlagerten Vermögens das Pendant zur Ausgliederung darstellt, stellt die Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel das Pendant zum Beteiligungserwerb gegen Barmittel dar, weil es hier jeweils zu einer wirtschaftlichen Vermögensverlagerung kommt. Da die Mediatisierung durch die wirtschaftliche Rückführung des Vermögens aber gerade umgekehrt wird, kann die vollständige Veräußerung einer Beteiligung gegen Barmittel mangels des erforderlichen Mediatisierungseffekts399 nicht zu einer Zustimmungsbedürftigkeit nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen führen. Diesem Verständnis hat sich offenbar auch der BGH angeschlossen, indem er den Mediatisierungseffekt bei der Beteiligungsveräußerung in Stuttgarter Hofbräu ablehnte.400 Als „actus contrarius“401 zum Beteiligungserwerb gegen Barmittel entfällt somit die hierdurch eingetretene Mediatisierung der Aktionärsrechte und damit die Zustimmungsbedürftigkeit eines vorangegangenen Beteiligungserwerbs gegen Barmittel. b) Teilweise Beteiligungsveräußerung Bei der teilweisen Beteiligungsveräußerung gegen Barmittel wird ein zusätzlicher Aspekt diskutiert, namentlich die Gefahr, dass durch die Aufnahme eines Dritten in der Tochtergesellschaft dieser maßgeblichen Einfluss erlangt und insofern der Einfluss des Vorstands der Obergesellschaft und deren Aktionäre geschwächt wird. In der Literatur wird seit längerem diskutiert, ob sich aus einer solchen Verschiebung von Einfluss ein Zustimmungserfordernis ergeben kann. Wenn es sich um eine Tochtergesellschaft handelt, welche von hinreichender quantitativer Wichtigkeit ist, wird mit verschiedenen Nuancierungen vertreten, dass eine Zustimmungsbedürftigkeit gegeben sei, wenn die Beteiligungsquote der Obergesellschaft unter ein bestimmtes Niveau fällt. Für relevant gehalten wird teilweise, schon unabhängig von der eingeräumten Beteiligungsquote, die erstmalige Aufnahme eines Dritten in eine vorher 100 %-ige Tochtergesellschaft.402 Teilweise wird auch darauf abgestellt, ob 399

Siehe hierzu nochmals unter C.I.1.b). Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 67; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 76 Rn. 63; Hofmeister, NZG 2008, 47, 50; so zu verstehen auch von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25. 401 Goette, AG 2006, 522, 527. 402 Wackerbarth, AG 2002, 14, 16; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze (1980), S. 138, 143; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 524; wohl auch Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 82; so zur Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft etwa auch Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 82. 400

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

die Beteiligung der Obergesellschaft an der Tochtergesellschaft unter 75 % oder 50 % sinkt403 bzw., ohne an bestimmte Schwellenwerte anzuknüpfen, ob die gesicherte Herrschaft404 verloren geht. Richtigerweise ist eine Zustimmungsbedürftigkeit bei einer teilweisen Beteiligungsveräußerung allerdings mit der Gegenansicht abzulehnen.405 Zutreffend ist vielmehr die Argumentation von Krieger.406 Soweit die Beteiligung nämlich veräußert wird, kehrt sich der Mediatisierungseffekt durch den Rückfluss der Mittel an die Obergesellschaft um; im Übrigen wird die Beteiligung jedoch gar nicht „angefasst“ und bleibt unverändert.407 Die Tatsache, dass der an der Tochtergesellschaft beteiligte Dritte an Einfluss auf die Tochtergesellschaft gewinnt und der Einfluss des Vorstands der Obergesellschaft und damit spiegelbildlich der Einfluss der Aktionäre der Obergesellschaft abnimmt, mag zu einer Verschlechterung der Einflussmöglichkeiten der Aktionäre der Obergesellschaft führen. Allerdings fehlt es gerade an dem für die Mediatisierung typischen Element der hierarchischen Vermögensverlagerung und der damit einhergehenden faktischen Verkürzung der Aktionärsrechte.408 Diesem Verständnis folgt offenbar auch der BGH. Denn auch im Fall Stuttgarter Hofbräu handelte es sich um eine teilweise Beteiligungsveräußerung von zunächst 50 % an einer vormals 100 %-igen Tochtergesellschaft mit einer (Call- und Put-)Option auf die Veräußerung der weiteren 50 %.409 Dennoch hat der BGH diesen 403

Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze (1980), S. 139 f. (Sperrminorität des Dritten); Liebscher, ZGR 2005, 1, 24 (Sperrminorität oder Mehrheitsbeteiligung des Dritten); Fuchs, in: RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001 (2001), S. 259, 269 (Absinken des Anteilsbesitzes unter 75 % bzw. unter 50 %); Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht (1982), S. 447 (Aufgabe der einfachen absoluten Mehrheit); Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1212; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 82 (Sperrminorität oder Stimmrechtsmehrheit); ähnlich Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung (1986), S. 186 (Einflussverlust von 25 %, wobei sich der Einflussverlust dann aus dem Produkt der abgegebenen Beteiligungsquote und dem Anteil der Tochtergesellschaft am Gesamtvermögen der Obergesellschaft ergeben soll); ähnlich LG Duisburg, Urt. v. 27. 6. 2002 – 21 O 106/02, AG 2003, 390, 391 (zur teilweisen Beteiligungsveräußerung). 404 Lutter, in: Festschrift für Westermann (1974), S. 347, 365 f.; Götze, NZG 2004, 585, 588 („Kontrollverlust“); ähnlich Reichert, AG 2005, 150, 156. 405 Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 10; Habersack, AG 2005, 137, 147 f.; Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451, 453; Hofmeister, NZG 2008, 47, 50; Groß, AG 1994, 266, 276. 406 Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 10; ebenso auch Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451, 453. 407 Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 3. Aufl. (2007), § 69 Rn. 10; nicht mehr ganz so deutlich nun ders., in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 70 Rn. 10; ebenso Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451, 453; vgl. dazu auch Hofmeister, NZG 2008, 47, 50. 408 Im Ergebnis auch Hofmeister, NZG 2008, 47, 50 (in Gesamtschau keine Mediatisierung). 409 Siehe OLG Stuttgart, Urt. v. 13. 7. 2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693 (Vorinstanz in Stuttgarter Hofbräu).

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Punkt in qualitativer Hinsicht nicht problematisiert, sondern hat das Vorliegen eines Mediatisierungseffekts und auch eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses pauschal verneint.410 Im Ergebnis hat nachfolgend auch das OLG Hamm die Zustimmungsbedürftigkeit bei einer teilweisen Beteiligungsveräußerung verneint und dies sowohl qualitativ411 als auch quantitativ412 begründet. Wenn die Beteiligung allerdings nur teilweise veräußert wird, muss insofern noch geprüft werden, ob für Zwecke des Entfallens des Zustimmungserfordernisses in Bezug auf den vorangegangenen Beteiligungserwerb gegen Barmittel im Ergebnis noch eine quantitativ relevante Mediatisierung verbleibt. Dies wird nur dann der Fall sein, wenn ein so geringer Teil der Beteiligung wieder veräußert wird, dass auch der verbleibende Teil für sich genommen beim Erwerb die Anforderungen an das Zustimmungserfordernis erfüllt hätte.

III. Abschluss von Unternehmensverträgen Weiterhin kommt eine Neutralisierung des Mediatisierungseffekts durch den Abschluss von Unternehmensverträgen in Betracht. Hierdurch wird das mediatisierte Gesellschaftsvermögen zwar weder gegenständlich noch (unmittelbar) wirtschaftlich unter den Einfluss der Aktionäre der Obergesellschaft zurückverlagert, allerdings könnte auf diesem Weg der Einfluss der Aktionäre auf das mediatisierte Vermögen derart gesteigert werden, dass die Aktionäre trotz der Vermögensverlagerung das Risiko des Verlusts und die Verwendung der Erträge der verlagerten Mittel in vergleichbarer Weise beeinflussen können wie vor der Vermögensverlagerung, sodass die Zustimmungspflicht im Ergebnis entfällt. Habersack und Bungert nennen für die Konstellation der Verenkelung das Bestehen oder den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zwischen der Mutter- und der nun verenkelten vormaligen Tochtergesellschaft als (möglicherweise) neutralisierende Maßnahme.413 Eine vertiefte Beschäftigung mit der Problematik fand allerdings bisher nicht statt. Für den Beteiligungserwerb gegen Barmittel kommt eine Kompensation des reduzierten Einflusses der Aktionäre der Obergesellschaft durch Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags der Erwerberin mit der erworbenen 410

BGH, Beschl. v. 20. 11. 2006 – II ZR 226/05, NZG 2007, 234 („Stuttgarter Hofbräu“). OLG Hamm, Urt. v. 19. 11. 2007 – 8 U 216/07, AG 2008, 421, 422 („Arcandor“) („Reduzierung einer 100 %-Beteiligung auf eine nur anteilige Beteiligung an einer Tochtergesellschaft [führt] nicht zwingend zu einer Mediatisierung mit der Folge, dass bereits die qualitativen Voraussetzungen der sog. Gelatine-Rechtsprechung nicht eingreifen“). 412 OLG Hamm, Urt. v. 19. 11. 2007 – 8 U 216/07, AG 2008, 421, 422 f. („Arcandor“). 413 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 45; vorsichtiger Bungert, BB 2004, 1345; 1348 (man könne „möglicherweise schließen“, dass bei „Abschluss oder Beibehalten eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags“ die Zustimmungspflicht entfalle). 411

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

Gesellschaft in Betracht. In der Praxis werden Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge meist parallel abgeschlossen, was vormals zur Begründung einer ertragsteuerlichen Organschaft erforderlich war.414 Obwohl das beherrschungsvertragliche Element zwischenzeitlich für die ertragsteuerliche Organschaft entbehrlich ist,415 stellt dies immer noch den Regelfall dar,416 vom dem auch hier auszugehen ist. Zu beachten ist allerdings, dass der Abschluss eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrags ohnehin die Zustimmung der Hauptversammlung der herrschenden Aktiengesellschaft erfordert, § 293 Abs. 2 S. 1 AktG, sowie auch die der beherrschten Aktiengesellschaft, § 293 Abs. 1 AktG.417 1. Anwendbarkeit der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze im Vertragskonzern Weniger relevant für die vorliegende Prüfung ist allerdings die Diskussion um die Frage, ob die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze im Vertragskonzern überhaupt anwendbar sind. Denn diese Diskussion kreist darum, ob in der beherrschten Gesellschaft noch ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten existieren können und zwar insbesondere in der Situation, in der die herrschende Gesellschaft den Vorstand der beherrschten Gesellschaft anweist, eine Holzmüller-pflichtige Maßnahmen durchzuführen.418 Dies wird teilweise mit dem Argument bejaht, dass es sich bei Holzmüller-Fällen gerade nicht um Geschäftsführungsmaßnahmen handele, auf die aber das Weisungsrecht beschränkt sei, sondern um Strukturmaßnahmen, für welche die Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft zuständig ist und bleibt.419 Die Gegenansicht verneint in diesem Fall ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis, primär mit dem Argument, aufgrund der Schutzmechanis414 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), § 291 Rn. 5; Veil, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 291 Rn. 32; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 72 Rn. 2; auch BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613-94, NJW 1999, 3769 („DAT/Altana“) („Der Beherrschungsvertrag und der Gewinnabführungsvertrag werden in der Praxis regelmäßig zu einem Vertrag verbunden.“). 415 Siehe § 14 Abs. 1 KStG und § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG. 416 Dazu etwa Emmerich, AG 2015, 627, 628. 417 Wie einleitend ausgeführt, wird vorliegend als Grundfall der Beteiligungserwerb einer Aktiengesellschaft an einer anderen Aktiengesellschaft betrachtet; siehe nochmals unter Teil 2 B.III. 418 Diese Problemstellung klar benennend Arnold, ZIP 2005, 1573, 1578; Sieger/Hasselbach, AG 1999, 241 f.; Marsch-Barner, in: Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht (2006), S. 105, 119 („Die Frage ist bislang kaum diskutiert worden.“); auch Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 36. 419 Altmeppen, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2015), § 291 Rn. 86; Veil, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 291 Rn. 14; Liebscher, ZGR 2005, 1, 32; Hirte, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2005), § 308 Rn. 27; so zur GmbH auch OLG Stuttgart, Urt. v. 29. 10. 1997 – 20 U 8/97, NZG 1998, 601, 602.

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men der §§ 302 ff. AktG sei hierfür kein Raum.420 Die Diskussion berührt und beantwortet somit aber nicht die Frage, ob der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags nach einem Beteiligungserwerb ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auf Ebene der Obergesellschaft entfallen lassen kann. 2. Grundsätzliche Wirkung des Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrags Erwirbt die Gesellschaft eine Beteiligung gegen Barmittel, so werden diese Barmittel wirtschaftlich in die erworbene Beteiligung verlagert, also mediatisiert.421 Mit der hierarchischen Verlagerung des Vermögens werden die Rechte der Aktionäre der Obergesellschaft faktisch verkürzt, da die Aktionärsrechte in der erworbenen Gesellschaft nun der Vorstand der Obergesellschaft ausübt und die Aktionäre der Obergesellschaft auf den mittelbaren Einfluss auf den Vorstand verwiesen sind.422 Wird nun ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der Erwerberin und der erworbenen Tochtergesellschaft geschlossen, so kann der Vorstand der Erwerberin nicht nur die Aktionärsrechte bezüglich der erworbenen Tochtergesellschaft ausüben, sondern kann aufgrund des Beherrschungsvertrags auch noch zusätzlich direkten Einfluss auf deren Geschäftsführung nehmen und dem Vorstand der Tochtergesellschaft Weisungen erteilen, § 308 Abs. 1 S. 1 AktG. Insofern kann davon gesprochen werden, dass jedenfalls der Vorstand der Obergesellschaft in Bezug auf das mediatisierte Gesellschaftsvermögen wieder ähnlichen Einfluss hat wie vor dem Beteiligungserwerb. Dies stärkt zwar mittelbar auch den Einfluss der Aktionäre der Obergesellschaft, die Aktionäre erhalten durch das beherrschungsvertragliche Element den status quo ante ihrer Aktionärsrechte aber nicht wieder zurück, sondern bleiben vielmehr auf die mittelbare Einflussnahme auf den Vorstand verwiesen. Damit werden die Aktionäre der Erwerberin alleine durch den Beherrschungsvertrag im Ergebnis nicht so gestellt, dass ihr verkürzter Einfluss auf das mediatisierte Gesellschaftsvermögen ausgeglichen wird. Aufgrund des Gewinnabführungsvertrags ist allerdings der gesamte Bilanzgewinn der erworbenen Gesellschaft an die Erwerberin abzuführen, § 291 Abs. 1 S. 1 AktG. Dies könnte es als unerheblich erscheinen lassen, dass die Aktionärsrechte nicht mehr unmittelbar bestehen, da dennoch der mithilfe des mediatisierten Vermögens erwirtschaftete Bilanzgewinn vollumfänglich der Obergesellschaft zu Gute 420 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 36; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1579; Fuhrmann, AG 2004, 339, 342; Sieger/Hasselbach, AG 1999, 241, 243 ff.; inzwischen ebenfalls dieser Ansicht, wenn auch noch vorsichtiger Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 71 Rn. 177 (Hauptversammlungserfordernis besteht grundsätzlich, aber Weisungsrecht geht vor). 421 Siehe nochmals unter C.I.3.b)ee). 422 Siehe nochmals unter C.I.2.b).

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

kommt und die Aktionärsrechte dort von den Aktionären der Obergesellschaft ausgeübt werden können. Spiegelbildlich ist die Erwerberin auch zum Verlustausgleich verpflichtet, § 302 Abs. 1 AktG. Damit könnte sich die Situation grundsätzlich darstellen, als seien die Mittel auf Ebene der Obergesellschaft selbst investiert worden, was keinen Mediatisierungseffekt begründen würde. Denn mit den Worten des BGH könnte sich das Risiko des Verlustes und die Verwendung der Erträge der investierten Mittel423 damit wirtschaftlich auf der Ebene der Obergesellschaft realisieren, auf welcher die Aktionäre ihrer Einfluss ausüben können. 3. Möglichkeit der Thesaurierung auf Ebene der erworbenen Gesellschaft Zu beachten ist allerdings bei dieser Überlegung die Möglichkeit des Vorstands, in der erworbenen Tochtergesellschaft Überschüsse zu thesaurieren, welche dann nicht als Bilanzgewinn abgeführt werden. Nur soweit die auf Ebene der Tochtergesellschaft erwirtschafteten Überschüsse, abzüglich der zur Dotierung der gesetzlichen Rücklagen erforderlichen Beträge, an die Obergesellschaft abgeführt werden, kann aber grundsätzlich von einer Neutralisierung des Mediatisierungseffekts ausgegangen werden. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags freiwillige Gewinnrücklagen in der Tochtergesellschaft gebildet werden, was sich aus § 301 S. 2 AktG ergibt.424 Umstritten ist aber die Reichweite der Rücklagenbildung, insbesondere, ob und wie die Beschränkungen des § 58 AktG Anwendung finden. § 58 Abs. 2 S. 1 AktG besagt, dass höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen eingestellt werden darf, wenn Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluss feststellen. Für den Fall einer 100 %-igen Tochtergesellschaft geht die wohl überwiegende Ansicht aber davon aus, dass § 58 AktG keine Anwendung findet.425 Damit könnte 423

BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136, 143 („Holzmüller“). Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 58 Rn. 15; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 58 Rn. 54; Cahn/von Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 58 Rn. 64; Waclawik, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 58 Rn. 45; Henze, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2000), § 58 Rn. 47. Teilweise wird in der Literatur aber davon ausgegangen wird, dass die Thesaurierungsmöglichkeit im Gewinnabführungsvertrag zugelassen sein muss (siehe Cahn/von Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 58 Rn. 64; Waclawik, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 58 Rn. 46; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. (1997), § 58 Rn. 75; Geßler, AG 1985, 257, 260). 425 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 58 Rn. 15; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 58 Rn. 56; Henze, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2000), § 58 Rn. 48; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. (1997), § 58 Rn. 77; kritisch: Geßler, in: Festschrift für Meilicke (1985), S. 18, 25 f.; anders Cahn/von Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 58 Rn. 61 f., 68 (die gerade 424

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der Vorstand der Tochtergesellschaft grundsätzlich Gewinnrücklagen nach seinem freien Ermessen bilden. Im Übrigen ist zu beachten, dass der Vorstand der Obergesellschaft auch die Aktionärsrechte der Tochtergesellschaft ausübt, sodass es ihm, die entsprechenden Mehrheiten vorausgesetzt, ferner möglich wäre (insbesondere auch in einer 100 %-igen Tochtergesellschaft), auf Basis eines Hauptversammlungsbeschlusses nach § 58 Abs. 3 S. 1 AktG bzw. einer Satzungsänderung nach § 58 Abs. 2 S. 2 AktG auch 100 % des Jahresüberschusses zu thesaurieren.426 Weiterhin wird dann allerdings diskutiert, wie mit dem Problem umzugehen ist, dass unter Umständen somit ein Großteil des in der Tochtergesellschaft erwirtschafteten Jahresüberschusses (oder gar der gesamte Jahresüberschuss) nicht der Gewinnverwendungsentscheidung der Hauptversammlung der Obergesellschaft unterliegt, da dieser aufgrund der Rücklagenbildung auf Ebene der Tochtergesellschaft (und im zweiten Schritt gegebenenfalls auch noch auf Ebene der Obergesellschaft) bei der Gewinnverwendungsentscheidung der Aktionäre der Obergesellschaft gar nicht mehr „ankommt“. Eine Ansicht will bei der Bildung von Rücklagen im Konzern eine Zurechnung analog § 58 AktG vornehmen;427 es müssten mindestens 50 % des Gesamtgewinns im Konzern der Hauptversammlung der Obergesellschaft zur Beschlussfassung über die Gewinnverwendung zugewiesen werden.428 Diese Meinung findet allerdings de lege lata keinen Anknüpfungspunkt im Wortlaut des § 58 AktG und wird daher – auch unter Verweis auf den insofern eindeutigen Hinweis des Gesetzgebers429 – überwiegend zu Recht abgelehnt.430 Überzeugend ist die differenzierende Ansicht, die zwar keine Zurechnung vornehmen will, die aber eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der Aktionäre der Obergesellschaft bei der Dividendenpolitik

für diese Beschlüsse eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit befürworten, wofür § 58 als Anknüpfungspunkt Anwendung finden müsse); Götz, AG 1984, 85, 93. 426 Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 58 Rn. 60; Adler/Düring/ Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. (1997), § 58 Rn. 80; Henze, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2000), § 58 Rn. 51; Cahn/von Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 58 Rn. 60. 427 So Götz, AG 1984, 85, 93; Geßler, in: Festschrift für Meilicke (1985), S. 18, 27 f.; deskriptiv Theisen, ZHR 156 (1992), 174, 182 ff. 428 Götz, AG 1984, 85, 93; Geßler, in: Festschrift für Meilicke (1985), S. 18, 27. 429 Siehe BT-Drucks. 10/4268, S. 124 zu § 58 Abs. 2a AktG: „Der neue Absatz 2 a gilt wie schon bisher Absatz 2 nur für Entscheidungen über den Jahresüberschuß der Gesellschaft, so daß bei Mutterunternehmen entsprechende Entscheidungen von Tochterunternehmen nicht zu berücksichtigen sind.“ 430 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 58 Rn. 17; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 58 Rn. 68 ff.; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 58 Rn. 29; Henze, in, AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2000), § 58 Rn. 57 ff.; Thomas, ZGR 1985, 365, 385; Werner, in: Festschrift für Stimpel (1985), S. 941, 952; Adler/Düring/ Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. (1997), § 58 Rn. 86; Lutter, in: Festschrift für Goerdeler (1987), S 327, 345.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

befürwortet und den Vorstand bei der Thesaurierung in der Tochtergesellschaft diesbezüglich einer Treubindung unterwirft.431 In der Praxis findet sich weiterhin wegen § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 KStG, der eine der Voraussetzungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft regelt, die Regelung in (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsverträgen, dass eine Dotierung der Gewinnrücklagen (§ 272 Abs. 3 HGB) (nur) zulässig ist, soweit dies „bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet ist.“432 Insgesamt ist die Frage der Thesaurierung in der Tochtergesellschaft daher eine solche des Einzelfalls, bei welcher die Pflichtenbindung des Vorstands der Obergesellschaft, die Regelungen des Gewinnabführungsvertrags und die kaufmännische Begründetheit der Rücklagenbildung eine Rolle spielen. Wie angesprochen kann aber nur von einer Neutralisierung des Mediatisierungseffekts ausgegangen werden soweit die erwirtschafteten Überschüsse, im Rahmen des rechtlich Möglichen, auch abgeführt werden. Grundsätzlich muss dann an dieser Stelle versucht werden, die Auswirkungen auf die Quantität der Transaktion insgesamt zu bestimmen. Dies gestaltet sich allerdings in praktischer Hinsicht schwierig, da – jedenfalls wenn der Gewinnabführungsvertrag keine spezifische beschränkende Regelung hierzu enthält – nicht verlässlich abgesehen werden kann, welche Beträge künftig thesauriert werden. Da allerdings in quantitativer Hinsicht Voraussetzung für das Bestehen des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses ist, dass 80 % des Vermögens der Erwerberin in die erworbene Beteiligung verlagert werden,433 verbliebe eine relevante Beeinträchtigung der Aktionärsrechte nur dann, wenn trotz der Gewinnabführung im Rahmen des Gewinnabführungsvertrags quantitativ derartige relevante Auswirkungen verblieben, dass im Ergebnis noch die Voraussetzung des Zustimmungserfordernisses vorläge.434 Eine derart umfangreiche, zumal fortgesetzte 431 Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 58 Rn. 69 f.; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 58 Rn. 29; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. (1997), § 58 Rn. 88; Lutter, in: Festschrift für Goerdeler (1987), S 327, 345 (der als Rechtsfolge eine Sonderprüfung analog § 258 AktG zulassen will); Henze, in, AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2000), § 58 Rn. 62. 432 Siehe Stangl/Winter, in: Formularbuch Recht und Steuern, 8. Aufl. (2014), Formular A, 10.01 (zur AG); Stephan, in: Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, 12. Aufl. (2016), IX., Formular Nr. 54 (zur GmbH). 433 Siehe nochmals unter C.II.2.b). 434 Selbst wenn – um ein einfaches Beispiel zu bilden – durch den Beteiligungserwerb also 100 % des Gesellschaftsvermögens in die Beteiligung verlagert worden wären, müsste durch die Gewinnabführung eine Neutralisierung hinsichtlich weniger als 20 % des verlagerten Gesellschaftsvermögens bestehen. Dies würde bedeuten, dass im Vergleich zur Abführung aller rechtlich verfügbaren Überschüsse, welche mithilfe der mediatisierten Mittel erwirtschaftet werden, nur eine so geringe Abführung erfolgt, dass es nicht einmal zu einer Kompensierung von 20 % der quantitativen Auswirkungen der vorangegangen Verlagerung kommt. Wenn 80 % des Gesellschaftsvermögens in die Beteiligung verlagert worden wären, dürfte mithin gar keine Abführung erfolgen.

F. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses

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Thesaurierung der Überschüsse, welche auf der Ebene der Tochtergesellschaft mithilfe des mediatisierten Vermögens erwirtschaftet werden, dürfte mit Blick auf die Pflichten des Vorstands der Obergesellschaft, die Interessen der Aktionäre der Obergesellschaft bei der Rücklagenbildung angemessen zu beachten und das Kriterium der wirtschaftlichen Begründetheit der Rücklagenbildung allerdings praktisch kaum denkbar sein. Damit dürfte sich die Frage dahingehend beantworten lassen, dass es praktisch kaum denkbar erscheint, dass trotz des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zwischen der Erwerberin und der erworbenen Gesellschaft ein derart geringer Teil der verlagerten Mittel abgeführt wird, dass eine quantitativ relevante Beeinträchtigung der Aktionärsrechte verbleibt. Für praktische Zwecke kann man somit davon ausgehen, dass durch den Abschluss und die Durchführung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zwischen der Erwerberin und der erworbenen Gesellschaft ein gegebenenfalls bestehendes ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis in der Regel entfällt.

IV. Folgefragen Wenn somit eine Neutralisierung des Mediatisierungseffekts und ein Entfallen des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses prinzipiell möglich sind, führt dies zu zwei Folgefragen: Erstens stellt sich die Frage, ob es für das Entfallen des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses notwendig ist, dass die neutralisierende Maßnahme in einem bestimmten zeitlichen Zusammenhang nach der mediatisierenden Maßnahmen, hier dem Beteiligungserwerb, erfolgt (hierzu unter 1.). Zweitens stellt sich die Frage, wie sich eine neutralisierende Maßnahme auf die Klagemöglichkeiten der Aktionäre auswirkt (hierzu unter 2.). 1. Zeitliche Nähe zwischen Mediatisierung und Neutralisierung Das Erfordernis eines zeitlichen (und sachlichen) Zusammenhangs ist, wie bereits besprochen, anerkannt für die Frage, ob mehrere Einzelmaßnahmen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung hinsichtlich ihrer quantitativen Auswirkungen zu addieren sind und so ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis bestehen kann, obwohl jede Maßnahme für sich quantitativ nicht geeignet gewesen wäre, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszulösen.435 Bei einer neutralisierenden Maßnahme liegt der Fall anders. Durch die erste Maßnahme ist ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis an sich gegeben. Das Hauptversammlungserfordernis entfällt dann aber in Zusammenschau mit der neutralisierenden Maßnahme.

435

Siehe nochmals unter E.II.

216

Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

Ein sachlicher Zusammenhang wird in solchen Fällen gegeben sein. Fraglich ist aber, ob sich das Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs auf eine neutralisierende Maßnahme übertragen lässt. Aufschluss bringt eine Analyse des Schutzzwecks des Erfordernisses des zeitlichen Zusammenhangs. Dieser liegt wie gesehen primär darin, dass es nicht möglich sein soll, eine an sich einheitliche Maßnahme in mehrere Einzelmaßnahmen aufzuspalten, um so das Zustimmungserfordernis zu umgehen.436 Liegt ein solcher Sachverhalt jedoch nicht vor und endet der zeitliche Zurechnungszusammenhang nach der ersten Maßnahme – wobei hierfür freilich nur schwierig ein präziser Zeitpunkt definiert werden kann – so sind die Aktionäre danach nicht mehr schutzwürdig, auch wenn weitere Maßnahmen durchgeführt werden, die in Summe mit der ersten Maßnahme ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis ausgelöst hätte. Das Erfordernis des zeitlichen Zusammenhangs hat somit begrenzende Wirkung: der erhöhte Aktionärsschutz durch die Zusammenrechnung der Auswirkungen der Einzelmaßnahmen besteht nicht unbeschränkt, sondern nur innerhalb eines gewissen zeitlichen Rahmens. Im Fall einer neutralisierenden Maßnahme würde die Bejahung des Erfordernisses eines zeitlichen Zusammenhangs hingegen dazu führen, dass eine Zustimmung der Aktionäre noch erforderlich wäre, obwohl in der Summe eine Beeinträchtigung ihrer Rechte gar nicht mehr bestünde. Der Schutz der Aktionäre würde also im Gegenteil erweitert. Obwohl ihre Rechte im Ergebnis nicht mehr beeinträchtigt sind, könnte grundsätzlich dennoch gegen die erste Maßnahme erfolgreich geklagt werden, wenn erst außerhalb des zeitlichen Zurechnungszusammenhangs die neutralisierende Maßnahme erfolgt. Da dieses Ergebnis aber widersprüchlich wäre, ist davon auszugehen, dass eine Neutralisierung und damit ein Entfallen des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses auch dann noch eintreten kann, wenn kein zeitlicher Zusammenhang mehr gegeben ist. Für diese Ansicht spricht im Übrigen auch, dass es nach der Argumentation des BGH im Holzmüller-Urteil die Gesellschaft in der Hand hat, durch nachträgliche Einholung der Zustimmung der Hauptversammlung der Klage eines Aktionärs den Boden zu entziehen,437 wobei dem nicht zu entnehmen ist, dass diese Zustimmung in einem bestimmten zeitlichen Zusammenhang eingeholt werden muss. Wenn also durch eine nachträgliche und gegebenenfalls erst wesentlich später eingeholte Zustimmung der Klage eines Aktionärs noch der Boden entzogen werden, kann, so spricht dies dafür, dass dies auch durch eine neutralisierende Maßnahme noch jederzeit nachträglich möglich ist. Im Übrigen ist ohnehin das zeitliche Zusammenspiel mit den Klagemöglichkeiten der Aktionäre zu beachten (hierzu nun sogleich).

436 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 86, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“); Priester, AG 2011, 654, 661. 437 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 135 („Holzmüller“).

F. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses

217

2. Auswirkungen auf die Klagemöglichkeiten der Aktionäre Hinsichtlich der Klage auf Rückgängigmachung einer Maßnahme ist zu beachten, dass diese in Anlehnung an die Frist der Anfechtungsklage nach § 246 Abs. 1 AktG ohne unangemessene Verzögerung erhoben werden muss,438 wobei hier richtigerweise nicht die starre Monatsfrist anzuwenden ist,439 sondern der einzelfallorientierten Auffassung zu folgen ist, die eine Klage binnen Jahresfrist jedenfalls für zulässig hält.440 Nicht einheitlich bzw. eindeutig benannt wird der Fristbeginn. Teilweise wird darauf abgestellt, dass die Frist mit Kenntniserlangung des Aktionärs von der (geplanten) Maßnahme beginne441, teilweise wird aber wohl auch auf den Vollzug der Maßnahme abgestellt442 bzw. auf die Kenntnis vom Vollzug der Maßnahme443. Frühester Fristbeginn für die Klage auf Rückabwicklung kann richtigerweise erst der Vollzug der Maßnahme sein, da die Klage auf Rückabwicklung noch keinen Sinn macht, ja unbegründet ist, wenn die Maßnahme noch gar nicht vollzogen ist.444 Einschränkend ist aber weiterhin zu fordern, dass die Kenntnisnahme durch den Aktionär auch möglich war, etwa aufgrund einer öffentlichen Bekanntgabe der Transaktion.445 Bei der ebenfalls möglichen Unterlassungsklage, bezüglich derer es an einer Stellungnahme des BGH hinsichtlich der Frist fehlt, wäre hingegen für den Fristbeginn auf den Beschluss der Maßnahme bzw. die Kenntnisnahmemöglichkeit des Aktionärs hiervon abzustellen. Naheliegend ist, dass es sich bei der Unterlassungsklage und der Rückabwicklungsklage im Kern um eine einheitliche, mitgliedschaftlich fundierte Klage handelt. Dies könnte dafür sprechen, dass schon die Unterlassungsklage – soweit aufgrund der Kenntnisnahmemöglichkeit des Aktionärs möglich – stets zeitnah erhoben und später (nach Vollzug der Maßnahme) gegebenenfalls der Antrag auf Rückabwicklung umgestellt werden müsste. Ein derartiges 438

BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 135 f. („Holzmüller“). Auch der Rechtsprechung des BGH ist dies nicht zu entnehmen, sondern lediglich, dass eine Klage nach drei Jahren nicht mehr erhoben werden konnte; siehe BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 135 f. („Holzmüller“). 440 Etwa Pentz, in: Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 17 Rn. 181 (Bemessung im konkreten Einzelfall; Klage binnen Jahresfrist aber jedenfalls akzeptabel); Zimmermann/Pentz, in: Festschrift für Müller (2001), S. 151, 178 (zwischen einem und eineinhalb Jahren); Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 54 (flexible Betrachtung im Einzelfall); andere Ansicht Sieger/Hasselbach, AG 1999, 241, 248; Altmeppen, DB 1998, 49, 51. 441 Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 94; Tretter, in: MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010), § 41 Rn. 36; Altmeppen, DB 1998, 49, 51. 442 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Vor § 311 Rn. 54. 443 Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 103; Sieger/Hasselbach, AG 1999, 241, 248; im Ergebnis auch OLG Stuttgart, Urt. v. 14. 5. 2003 – 20 U 31/02, NZG 2003, 778, 785. 444 So zu verstehen auch Tretter, in: MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010), § 41 Rn. 36. 445 Siehe auch OLG Stuttgart, Urt. v. 14. 5. 2003 – 20 U 31/02, NZG 2003, 778, 785. 439

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

Verständnis lässt sich den einschlägigen Urteilen des BGH allerdings nicht entnehmen. Insbesondere hätte der BGH im Holzmüller-Urteil ansonsten bei der Behandlung der Klage auf Rückabwicklung thematisieren müssen, dass offenbar schon keine Klage auf Unterlassung erhoben wurde.446 Somit ist davon auszugehen, dass die Klagemöglichkeiten grundsätzlich nebeneinander bzw. nacheinander bestehen. Freilich ist der Aktionär gut beraten, möglichst bereits auf Unterlassung zu klagen, da Dritte – von Fällen des evidenten Missbrauchs der Vertretungsmacht und der Kollusion abgesehen – grundsätzlich nicht verpflichtet sind, an der Rückabwicklung mitzuwirken, sodass der Anspruch auf Rückabwicklung – von konzerninternen Konstellationen abgesehen – oft leer laufen wird.447 Im vorliegenden Fall sind zwei Konstellationen denkbar: (i) die neutralisierende Maßnahme wird erst nachträglich geplant oder (ii) sie wurde schon anfänglich als Teil einer einheitlichen Gesamttransaktion geplant, z. B. indem schon anfänglich vorgesehen ist, die Beteiligung nach ihrem Erwerb auf die Erwerberin zu verschmelzen. In der ersten Konstellation wäre eine Klage auf Unterlassung oder – nach gegebenem Vollzug der ersten Maßnahme – auf Rückabwicklung zunächst begründet, wenn eine notwendige Zustimmung der Hauptversammlung nicht eingeholt wurde. Die Klage würde dann durch die spätere neutralisierende Maßnahme nachträglich unbegründet, da die Beeinträchtigung der Aktionärsrechte entfallen wäre. Der Kläger könnte somit für erledigt erklären.448 In der zweiten Konstellation ist zu überlegen, welche Auswirkungen die bereits geplante, aber noch nicht durchgeführte neutralisierende Maßnahme auf die Klagemöglichkeiten der Aktionäre hat. Angedacht werden kann, ob es bereits am Rechtschutzbedürfnis für eine Klage fehlt, weil absehbar ist, dass der zwischenzeitliche Zustand, der die Aktionärsrechte beeinträchtigt, ohnehin wieder beseitigt wird.449 Richtigerweise handelt es sich aber um ein Problem, welches auf Ebene der Begründetheit zu lösen ist. Da der Beteiligungserwerb und die neutralisierende Maßnahme als zwei Teile einer einheitlichen Gesamtmaßnahme zu sehen sind, wenn 446 Keine Erwähnung aber bei BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 135 f. („Holzmüller“). 447 Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl. (2012), Anh. § 173 Rn. 95; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 119 Rn. 102; Sieger/Hasselbach, AG 1999, 241, 248. 448 Fraglich ist allerdings, ab welchem Zeitpunkt von der Unbegründetheit ausgegangen werden kann. Der Beschluss des Vorstands, eine neutralisierende Maßnahme durchzuführen, dürfte bei einer erst nachträglich geplanten neutralisierenden Maßnahme nicht genügen. Es liegt näher, dass es hier in der Risikosphäre der Gesellschaft liegt, die neutralisierende Maßnahme zur Durchführung zu bringen und somit auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der neutralisierenden Maßnahme abzustellen. 449 Dies könnte eine sinnlose Inanspruchnahme des Gerichts darstellen, die durch das Kriterium des Rechtschutzbedürfnisses gerade vermieden werden soll; siehe allgemein hierzu Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar ZPO, 4. Aufl. (2013), Vorbem. zu §§ 253 ff. Rn. 11; Foerste, in: Musielak, ZPO, 12. Aufl. (2015), Vorb. §§ 253 ff. Rn. 7 f.

F. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses

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diese im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang beschlossen und geplant worden sind, ist es vorzugswürdig, materiell von einem Fehlen der Voraussetzungen eines Holzmüller/Gelatine-Falls auszugehen, sodass die Klage unbegründet wäre. Anders gestaltet sich die Situation erst dann, wenn die Gesellschaft dauerhaft von der ursprünglich geplanten neutralisierenden Maßnahme Abstand nimmt. In diesem Fall wäre dann eine Klage des Aktionärs auf Unterlassung bzw. Rückabwicklung der ersten, mediatisierenden Maßnahme begründet. Dem Fristproblem könnte damit abgeholfen werden, dass man die Klagefrist erst mit Kenntnisnahmemöglichkeit dieses Umstandes seitens des Aktionärs anlaufen lässt.450 Praktisch ist die Klage auf Rückabwicklung allerdings ohnehin nur von geringer Bedeutung. Diese wäre zwar nun begründet; wie bereits angesprochen läuft der Anspruch auf Rückabwicklung aufgrund des Verkehrsschutzes aber praktisch meist leer.451

V. Zusammenfassung Es ist somit möglich, dass trotz des Vorliegens der qualitativen und quantitativen Kriterien eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses dieses wieder entfällt, da die Beeinträchtigung der Aktionärsrechte durch eine nachfolgende Maßnahme wieder neutralisiert wird. Dies ist namentlich dadurch möglich, dass der mediatisierte Teil des Gesellschaftsvermögens gegenständlich oder wirtschaftlich unter den Aktionärseinfluss zurückgeführt wird oder dadurch, dass die Einflussmöglichkeiten der Aktionäre auf den betreffenden Vermögensteil gestärkt werden, sodass die Aktionäre trotz der Vermögensverlagerung das Risiko des Verlusts und die Verwendung der Erträge der verlagerten Mittel in vergleichbarer Weise beeinflussen können wie vor der Vermögensverlagerung. Beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel kommt dies in Betracht (i) durch eine Verschmelzung der erworbenen Gesellschaft auf die Erwerberin, (ii) durch eine Veräußerung der erworbenen Beteiligung gegen Barmittel und (iii) durch den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags der Erwerberin mit der erworbenen Gesellschaft. Zu prüfen ist allerdings stets im Einzelfall, ob die neutralisierende Maßnahme neben den qualitativen auch die relevanten quantitativen Anforderungen eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses entfallen lässt. Für das Entfallen des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses ist es nicht notwendig, dass ein bestimmter zeitlicher Zusammenhang zwischen der mediatisierenden Maßnahme und der neutralisierenden Maßnahme besteht. Ist die neutralisierende Maßnahme anfänglich noch nicht geplant, so müsste ein Aktionär 450 Die Möglichkeit der Erhebung einer Unterlassungsklage würde dem Aktionär damit jedoch genommen, wenn die erste Maßnahme bereits vollzogen ist. 451 Siehe nochmals Fn. 447.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

zunächst rechtzeitig Klage gegen die mediatisierende Maßnahme – hier den Beteiligungserwerb – erheben, um sich dagegen zu verteidigen. Durch die spätere neutralisierende Maßnahme würde die Klage dann nachträglich unbegründet. Für den Fall, dass die neutralisierende Maßnahme allerdings schon anfänglich geplant ist, wäre eine Klage des Aktionärs zunächst unbegründet. Erst wenn die Gesellschaft dauerhaft von der ursprünglich geplanten neutralisierenden Maßnahme Abstand nimmt, wäre eine Klage gegen den Beteiligungserwerb gegebenenfalls begründet. Der Anspruch auf Rückabwicklung läuft allerdings aufgrund des vorrangigen Verkehrsschutzes praktisch meist ins Leere.

VI. Formulierung in Definitionsform Eine Formulierung in Definitionsform kann zusammengefasst wie folgt lauten: „Die Neutralisierung des Mediatisierungseffekts kann eintreten durch die unmittelbare oder wirtschaftliche Rückführung eines mediatisierten Teils des Gesellschaftsvermögens unter den Einfluss der Aktionäre oder durch die Gewährung von gesellschaftsrechtlichem Einfluss auf den mediatisierten Teil des Gesellschaftsvermögens, durch den die Aktionäre trotz der Vermögensverlagerung das Risiko des Verlusts und die Verwendung der Erträge der verlagerten Mittel in vergleichbarer Weise beeinflussen können wie vor der Vermögensverlagerung.“

G. Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses im Fall Commerzbank/Dresdner Bank Aufgrund der bisher erarbeiteten Ergebnisse lässt sich ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis im Fall Commerzbank/Dresdner Bank nun systematisch bestimmen. Die bisherige abstrakte Erörterung lässt bereits erahnen, dass es sich hinsichtlich der rechtlichen Probleme im Hinblick auf ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis bei dem Beteiligungserwerb im Fall Commerzbank/ Dresdner Bank geradezu um einen Paradefall handelt.

I. Anknüpfungspunkt der Zustimmungsbedürftigkeit Zu klären ist zunächst, woran hinsichtlich der potentiellen Zustimmungsbedürftigkeit angeknüpft werden muss. In Betracht kommen die Ausgangsvereinbarung vom 31. August 2008 und die geänderte Vereinbarung vom 27. November 2008.452 Das LG Frankfurt a.M. ließ wie gesehen die Zustimmungsbedürftigkeit der Ausgangsvereinbarung dahinstehen und stellte auf den Erwerb in seiner tat452

Siehe ausführlich zum Sachverhalt nochmals unter Teil 2 D.I.

G. Bestimmung im Fall Commerzbank/Dresdner Bank

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sächlich durchgeführten Form ab.453 Das OLG Frankfurt a.M. stellte hingegen primär auf den Zeitpunkt des 31. August 2008 ab,454 wobei an anderer Stelle auch auf die Verbindung beider Vereinbarungen abgestellt wurde.455 Entscheidende Argumente können an dieser Stelle aus dem Konzept der Zusammenschau mehrerer Teilmaßnahmen gezogen werden. Es kann kein Zweifel bestehen, dass ursprünglich an die Vereinbarung vom 31. August 2008 anzuknüpfen gewesen wäre, da diese zum damaligen Zeitpunkt den einzigen Gegenstand der potentiellen Zustimmung bildete. Allerdings wurde die Transaktion in dieser Form nicht durchgeführt. Vielmehr kam es durch die Vereinbarung vom 27. November 2008 zu einer maßgeblichen Modifikation der ursprünglichen Transaktionsstruktur. Damit ist die Situation mit derjenigen vergleichbar, dass zunächst eine Teilmaßnahme beschlossen wird und dann im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang eine zweite Teilmaßnahme. Denn im Ergebnis kann es für den Schutz der Aktionäre keinen Unterschied machen, ob die zweite Maßnahme einen neuen Schritt beinhaltet oder zu einer maßgeblichen Modifikation der bisherigen Planung führt; entscheidend muss die vereinbarte Transaktion in ihrer letztendlichen Form sein. Damit ist klar, dass den Gegenstand der potentiellen Zustimmung die Transaktion in ihrer am 27. November 2008 vereinbarten Form bildet. Die Argumentation, dass durch die Änderungsvereinbarung vom 27. November 2008 der Kaufpreis letztlich in der Summe reduziert wurde und dass für die Aktionäre der Commerzbank die Folgen abgemildert wurden456 ist zwar inhaltlich richtig, ändert aber nichts an dem gefundenen Ergebnis hinsichtlich des Anknüpfungspunkts der potentiellen Zustimmungsbedürftigkeit. Es ist zutreffend, dass eine nachträgliche Vereinbarung zu einer zustimmungsbedürftigen Vereinbarung keine (weitere) Zustimmungspflicht auslösen kann, wenn darin eine reine Abmilderung der Beeinträchtigung der Aktionärsrechte beinhaltet ist, etwa wenn lediglich ein Teil des Kaufpreises nachgelassen wird. Das war hier jedoch nicht der Fall. Zwar wurde der Kaufpreis in der Summe reduziert, gleichzeitig entfiel aber aufgrund der geänderten Transaktionsstruktur die ursprünglich geplante Verschmelzungshauptversammlung und es mussten EUR 1,4 Mrd. mehr an Barmitteln aufgewendet werden. Entscheidend ist somit vielmehr, dass die Transaktion im Kern bestätigt und gleichzeitig in entscheidenden Details verändert wurde und dass diese Änderungen 453

LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09, Rz. 90 ff., juris („Commerzbank/Dresdner Bank“). 454 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 97, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“) („Denn abzustellen ist für die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit bezüglich des Erwerbs und seiner gesamten Konsequenzen auf den 31. 8. 2008 […]“). 455 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 71, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“) („Hiernach sind der Transaktionsvertrag vom 31. 8. 2008 in Verbindung mit dem Änderungsvertrag vom 27. 11. 2008, die dem 100 %igen Erwerb der Y-Ba zugrunde liegen, schon qualitativ nicht zustimmungsbedürftig.“). 456 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 95, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“).

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

nicht nur zu einer Abmilderung der Beeinträchtigung der Aktionärsrechte führten. Damit betraf die Änderungsvereinbarung auch nicht nur den Erwerb von 40 % der Anteile457 sondern die gesamte Transaktion.

II. Auswirkungen der Konzernöffnungsklausel Die Konzernöffnungsklausel in der Satzung der Commerzbank führt nicht dazu, dass ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis schon a priori ausgeschlossen ist. Die Konzernöffnungsklausel gestattet einen Beteiligungserwerb zwar generell und erweitert insofern mit Blick auf den Unternehmensgegenstand den Handlungsspielraum des Vorstands; ein Schutz vor weitreichenden Maßnahmen im Einzelfall besteht durch die Konzernöffnungsklausel hingegen richtigerweise nicht.458

III. Qualitative Anforderungen Als Gegenleistung für 100 % der Aktien an der Dresdner Bank wurden schwerpunktmäßig rund EUR 3,0 Mrd. in bar erbracht sowie 163,5 Mio. Aktien der Commerzbank aus genehmigtem Kapital mit einem Wert von ca. EUR 3,4 Mrd. Hinsichtlich der aufgewendeten Barmittel greift die erarbeitete Definition des Mediatisierungseffekts,459 da hierdurch vormalig dem unmittelbaren Einfluss der Aktionäre der Commerzbank unterliegendes Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich in die Beteiligung an der Dresdner Bank verlagert wurde und die Commerzbank im Gegenzug Anteile an der Dresdner Bank erhielt, wodurch die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre faktisch verkürzt wurden. Durch den Einsatz der Anteile der Commerzbank460 als Gegenleistung kam es hingegen weder zu einem Mediatisierungseffekt noch zu einem vergleichbaren Effekt,461 sodass insofern keine relevante Beeinträchtigung der Aktionärsrechte

457

OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7. 12. 2010 – 5 U 29/10, Rz. 95, juris („Commerzbank/ Dresdner Bank“). 458 Siehe nochmals unter B.II. 459 Siehe nochmals unter C.I.3.d). 460 Durch den Einsatz der Anteile an der Tochtergesellschaft „cominvest“ bzw. der „cominvest-Gruppe“ trat im Übrigen ebenfalls kein Mediatisierungseffekt ein. Denn soweit diese als Gegenleistung für die Anteile an der Dresdner Bank aufgewendet wurde, liegt ein Anteilstausch vor, bei dem eine hierarchische Vermögensverlagerung nicht erkennbar ist (hierzu auch Hofmeister, NZG 2008, 47, 51). Denn mit der Dresdner Bank wurde hierarchisch ebenfalls eine Tochtergesellschaft erworben bzw. diese wurde dann sogar auf die Commerzbank verschmolzen (hierzu noch sogleich). 461 Siehe nochmals unter D.II.2.

G. Bestimmung im Fall Commerzbank/Dresdner Bank

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vorlag. Auch beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin tritt eine Mediatisierung nur durch den Einsatz der Barmittel ein.462 Schließlich kann noch angedacht werden, ob bezüglich der Mediatisierung der Aktionärsrechte auch auf die erfolgte Beteiligung des SoFFin mit 25 % plus einer Aktie abgestellt werden könnte. Da es allerdings schon bei einem Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin, der zumindest insofern ein Element der hierarchischen Vermögensverlagerung aufweist, dass ein Dritter an der Gesellschaft beteiligt wird, die erworbene Beteiligung aber auf hierarchisch tieferer Ebene zufließt, richtigerweise schon an einem Mediatisierungseffekt bzw. vergleichbaren Effekt fehlt,463 ist dies erst recht bei einer Barkapitalerhöhung der Fall.

IV. Quantitative Anforderungen Da in qualitativer Hinsicht nur der Einsatz der Barmittel relevant ist, ist dies spiegelbildlich auch bei der quantitativen Betrachtung der Fall.464 Entscheidend ist, welchen Teil des Aktivvermögens die eingesetzten Barmittel im Verhältnis zur Bilanzsumme der Commerzbank ausmachten, wobei der Vergleich anhand der Konzernbilanz der Commerzbank vorzunehmen ist.465 Zum Zeitpunkt der relevanten Änderungsvereinbarung vom 27. November 2008 waren die letzten veröffentlichten Zahlen der Commerzbank diejenigen in dem Q3 Bericht vom 30. September 2008. Hierbei betrug die Bilanzsumme EUR 595,6 Mrd.466 Laut Konzernabschluss vom 31. Dezember 2008 betrug die Bilanzsumme dann EUR 625,2 Mrd. (2007: 616,5).467 Somit liegt das Verhältnis der eingesetzten Barmittel von rund 3,0 Mrd. im Vergleich zur Bilanzsumme weit unter dem relevanten Schwellenwert von 75 – 80 %. Selbst wenn man – entgegen der hier vertretenen Ansicht – auf den Einzelabschluss der Commerzbank abstellen wollte,468 betrug die Bilanzsumme zum 31. Dezember 2008 EUR 386,4 Mrd. (2007: EUR 324,5)469, sodass der Schwellenwert auch bei dieser Betrachtung weit unterschritten wäre. Auch wenn man hilfsweise – entgegen der hier vertretenen Ansicht – den Einsatz der Anteile der Commerzbank als Gegenleistung berücksichtigt, so wären die hierfür hilfsweise ermittelten quantitativen Erfordernisse nicht erfüllt, wonach dem Erwerber eine Beteiligung von 75 – 80 % an der Erwerberin eingeräumt werden

462 463 464 465 466 467 468 469

Siehe nochmals unter E.II. Siehe nochmals unter D.II.2. Siehe nochmals unter E.II. Siehe nochmals unter C.III. Siehe den Q3 Zwischenbericht der Commerzbank vom 30. September 2008, S. 2. Siehe den Konzernabschluss der Commerzbank vom 31. Dezember 2008, S. 2. Siehe allgemein hierzu nochmals unter C.II.1.d)bb). Siehe den Jahresabschluss der Commerzbank zum 31. Dezember 2008, S. 52.

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Teil 3: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata

müsste.470 Denn der Allianz wurde durch den Beteiligungserwerb (vor der Beteiligung des SoFFin) „nur“ eine Anteilsquote von circa 18,4 % an der Commerzbank eingeräumt. Selbst wenn man die Beteiligung des SoFFin zusätzlich berücksichtigen wollte, gegebenenfalls als zwingende Folge des Beteiligungserwerbs (hierzu noch sogleich), liegt die gesamte Beteiligung der Allianz und des SoFFin bei rund 39 % und damit immer noch unter dem relevanten Schwellenwert.

V. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses 1. Erteilung einer gleichwertigen Zustimmung Höchst hilfsweise ist weiterhin zu beachten, dass soweit man – entgegen der hier vertretenen Ansicht – den Einsatz der Anteile der Commerzbank als Gegenleistung für qualitativ und quantitativ erheblich halten wollte, eine Zustimmung der Hauptversammlung der Commerzbank vorlag, welche nach den erarbeiteten Grundsätzen einer Zustimmung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen gleichwertig ist.471 Zur Schaffung der Anteile der Commerzbank, die als Gegenleistung an die Allianz gewährt wurden, wurden vom Vorstand am 12. Januar 2009 die Ermächtigungen in § 4 Abs. 6 der Satzung („Genehmigtes Kapital 2004/II“) und in § 4 Abs. 8 der Satzung („Genehmigtes Kapital 2006/II“) ausgenutzt472 und das Kapital um EUR 425 Mio. durch Ausgabe von 163,5 Mio. Stückaktien erhöht. Die genehmigten Kapitalia gingen auf die Beschlussfassung der Hauptversammlung vom 12. Mai 2004 unter TOP 8 bzw. vom 17. Mai 2006 unter TOP 12 zurück.473 Nach den erarbeiteten Grundsätzen war damit bereits eine gleichwertige Zustimmung der Aktionäre erfolgt.474 Die Beteiligung des SoFFin geht auf die Zustimmung der Hauptversammlung vom 15. Mai 2009 unter TOP 10 zurück, sodass hier – hilfsweise – grundsätzlich ebenfalls von einer gleichwertigen Zustimmung auszugehen ist. Etwas anderes könnte sich allenfalls aus der Überlegung ergeben, dass die Beteiligung des SoFFin im Zeitpunkt der Zustimmung der Hauptversammlung nicht mehr vermeidbar war, weil die Aktionäre bei der Erteilung der Zustimmung gar keine andere Wahl mehr hatten. Ob allerdings im Mai 2009 tatsächlich keine andere Wahlmöglichkeit der

470

Siehe nochmals unter D.III. Siehe nochmals unter D.IV. 472 Siehe die Rede des Vorstandsvorsitzenden der Commerzbank auf der Hauptversammlung vom 15. Mai 2009, S. 13. 473 Auf der Hauptversammlung vom 15. Mai 2008 war eine Aufhebung des Genehmigten Kapitals 2004 und eine Verlängerung bis zum 14. Mai 2013 unter TOP 11 abgelehnt worden. 474 Siehe nochmals unter D.IV.2.c). 471

G. Bestimmung im Fall Commerzbank/Dresdner Bank

225

Aktionäre mehr bestand, als dem Einstieg des SoFFin zuzustimmen, lässt sich den Feststellungen des LG und OLG Frankfurt a.M. nicht entnehmen. 2. Neutralisierung des Mediatisierungseffekts Als weiterer Punkt bezüglich des Einsatzes der Barmittel zum Erwerb der Anteile an der Dresdner Bank sind – darüber hinaus, dass es schon an der qualitativen und quantitativen Relevanz fehlt – hilfsweise die Auswirkungen der erfolgten Konzernverschmelzung zu würdigen. Durch diese wurde das Vermögen der Dresdner Bank im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Commerzbank übertragen. Hinsichtlich der aufgewendeten Barmittel wurde daher der Mediatisierungseffekt neutralisiert, da die zum Beteiligungserwerb aufgewendeten Barmittel somit wirtschaftlich auf die Ebene der Commerzbank und damit unter den Einfluss der Aktionäre zurückgeführt wurden.475 Insofern verbleibt das Ergebnis eines asset deals – anstelle der ursprünglich auf Ebene der Commerzbank befindlichen Barmittel unterliegen dem Aktionärseinfluss nun die erworbenen assets der Dresdner Bank –, welcher zu keiner Mediatisierung führt.

VI. Ergebnis Der Fall des Beteiligungserwerbs der Commerzbank an der Dresdner Bank gegen Barmittel und Anteile der Commerzbank stellt sich damit nach dem entwickelten Prüfungsmaßstab insgesamt nicht als ein Fall des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses dar. Der Einsatz der Barmittel führt zwar zu einem Mediatisierungseffekt, der jedoch quantitativ bei Vergleich der eingesetzten Barmittel mit der Konzern-Bilanzsumme der Commerzbank eindeutig nicht den notwendigen Schwellenwert für eine Zustimmungsbedürftigkeit von 75 – 80 % erreicht. Zudem wurde durch die nachfolgende Verschmelzung der Dresdner Bank auf die Commerzbank der Mediatisierungseffekt wieder neutralisiert. Der Einsatz der Anteile der Commerzbank als Gegenleistung ist qualitativ nicht relevant, da er weder zu einem Mediatisierungseffekt, noch zu einem vergleichbaren Effekt führt. Auch bei hilfsweiser Betrachtung fehlt es im Übrigen diesbezüglich an der quantitativen Relevanz und liegt zudem bereits eine Zustimmung der Hauptversammlung zur Schaffung der Anteile der Commerzbank vor, welche einer Zustimmung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen gleichwertig ist.

475

Siehe nochmals unter F.I.

Teil 4

Ermittlung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb de lege ferenda Der bisherige Verlauf der Arbeit hat gezeigt, dass sich ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege lata nach den Leitlinien der Rechtsprechung des BGH anhand des erarbeiteten Prüfungsmaßstabs grundsätzlich systematisch ermitteln und handhabbar machen lässt. Aufgrund der aufgezeigten hohen Anforderungen wird ein solches ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb im Ergebnis nur in äußerst wenigen Fällen gegeben sein. In einem nächsten Schritt ist nun zu untersuchen, inwieweit de lege ferenda ein Bedürfnis für die Existenz eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb besteht und wie ein solches gegebenenfalls ausgestaltet sein sollte. Hierzu soll die Problematik unter rechtsvergleichenden und rechtsökonomischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Ein derartiges Vorgehen unter Berücksichtigung dieser beiden juristischen Teildisziplinen bietet sich an, da die Rechtsvergleichung geeignet ist, alternative Regelungskonzepte aufzuzeigen, während die ökonomische Analyse des Rechts es ermöglicht, über den dogmatischen Rahmen des nationalen Rechts hinauszublicken und die verschiedenen Regelungskonzepte anhand eines einheitlichen funktionalen Maßstabs, namentlich anhand der ökonomischen Effizienz, zu beurteilen.1 Im ersten Schritt sind Alternativen zu der bisherigen Lösung der Problematik nach deutschem Recht aufzuzeigen, wozu die Herangehensweisen des englischen und des US-amerikanischen Rechts betrachtet werden sollen (hierzu unter A.). Mithilfe der ökonomischen Analyse des Rechts kann dann in einem zweiten Schritt untersucht werden, welches der betrachteten Regelungsregime in ökonomischer Hinsicht vorteilhaft erscheint bzw. welche Elemente der einzelnen Systeme sich gegebenenfalls vorteilhaft kombinieren lassen (hierzu unter B.).

1 Fleischer, in: Festschrift für Wiedemann (2002), S. 827, 846 ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 6; weiterführend van Aaken, in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2000 (2001), S. 127, 142 ff.

A. Rechtsvergleichende Perspektive

227

A. Rechtsvergleichende Perspektive Betrachtet man die ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse losgelöst von dem speziellen Kontext der richterlichen Rechtsfortbildung, so ist die zugrundeliegende Kernproblematik von Zustimmungserfordernissen der Aktionäre bei außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen von weitreichender Wirkung keineswegs nur ein Spezifikum des deutschen Aktienrechts. Auch die Rechtsordnungen von England und den USA bzw. deren Bundesstaaten kennen solche Zustimmungserfordernisse bei außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen. Gewinnbringend ist daher eine Betrachtung dieser Zustimmungserfordernisse im Hinblick auf die Voraussetzungen, die Systematik und die dahinter stehenden Schutzzwecke, da sich hieraus auch Rückschlüsse für das deutsche Recht ziehen bzw. neue Denkansätze gewinnen lassen. Hierbei ist allerdings auch den grundsätzlichen Unterschiedlichkeiten in der Struktur des Aktienrechts dieser Länder Rechnung zu tragen. Es soll also kein genereller Vergleich der Systeme angestellt werden; vielmehr sind zunächst die im ausländischen Recht angewendeten Lösungsansätze zu analysieren, um sodann zu prüfen, ob sich diese Lösungsansätze oder Teile davon gegebenenfalls für das deutsche Recht fruchtbar machen lassen. Naturgemäß wird im Verlauf dieser Untersuchung auch wiederholt auf systemimmanente Unterschiede eingegangen werden.

I. Rechtslage in England Das Gesellschaftsrecht von England geht von der company als einem einheitlichen Grundtatbestand der Kapitalgesellschaften aus2 und regelt das Kapitalgesellschaftsrecht daher nicht wie in Deutschland in nach Rechtsform getrennten Gesetzen, sondern einheitlich im Companies Act 2006 (CA 2006). Das Pendant zur Aktiengesellschaft ist in der public limited company (plc) zu sehen, während die GmbH eher mit der private limited company (Ltd.) vergleichbar ist.3

2

Siehe nur Just, Die englische Limited in der Praxis, 4. Aufl. (2012), I. Einleitung Rn. 11; Ringe/Otte, in: Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. (2012), V. Kapitel, § 1 Rn. 28; Bayer, in: Verhandlungen des 67. DJT, Bd. 1 (2008), Gutachten E, E 71. 3 Zur Vergleichbarkeit von AG und plc etwa Just, Englisches Gesellschaftsrecht (2008), S. 6 f.; Zimmermann, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 5. Aufl. (2009), H. Auslandsberührung, Rn. 233; wobei natürlich wie Ringe/Otte, in: Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. (2012), V. Kapitel, § 1 Rn. 29 zutreffend bemerken, die plc und die Ltd. noch näher verwandt sind als die AG und die GmbH, da es sich um Abwandlungen derselben Gesellschaftsform handelt.

228

Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

1. Kompetenzordnung der public limited company Im monistischen System des englischen Rechts existieren als „Organe“ der plc das general meeting als Versammlung der Aktionäre und das board of directors als Verwaltung, sodass insbesondere keine Trennung zwischen einem exekutiven und einem überwachenden Verwaltungsorgan besteht. Diese Funktionen sind vielmehr beide innerhalb des board of directors gebündelt.4 Allerdings sieht der U.K. Corporate Governance Code (UK CGC), der für alle public companies mit einem premium listing gilt,5 vor, dass das board aus einer angemessenen Kombination (appropriate combination) von executive directors und non-executive directors bestehen soll.6 Abgesehen davon, dass es in der plc keine gesetzliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer gibt,7 führt dies dazu, dass sich in tatsächlicher Hinsicht die Funktionsweise von Leitung und Überwachung von großen börsennotierten Gesellschaften in Deutschland und England durchaus ähnelt.8 Die plc kennt allerdings keine dem deutschen Aktienrecht vergleichbare gesetzlich zwingende Kompetenzordnung. Soweit der Companies Act 2006 die Mitwirkung der Aktionäre für bestimmte Maßnahmen (hierzu sogleich) nicht vorsieht, obliegt die Ausgestaltung der Kompetenzordnung zwischen Aktionären und board den articles of association.9 Die Companies (Model Articles) Regulations 2008 sehen allerdings drei Mustersatzungen (Model Articles) vor, die nach den verschiedenen Arten von Gesellschaften geordnet sind, wobei für die plc der sog. Schedule 3 Anwendung findet. Nach Sec. 20 (1) CA 2006 gelten bei der Gründung grundsätzlich die jeweiligen Model Articles, wenn deren Anwendbarkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde oder diese inhaltlich modifiziert wurden. Die Mustersatzung stellt somit einen Schritt in Richtung einer vereinheitlichten Kompetenzordnung dar. Die Änderung der articles of association setzt nach Sec. 21 (1) CA 2006 einen Sonderbeschluss (special resolution) der Aktionäre mit qualifizierter Mehrheit voraus.

4 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, 9. Aufl. (2014), S. 420, unter Bezugnahme auf das deutsche Aktiengesetz. Allerdings enthält der Companies Act 2006 keine zwingende Vorgabe dahingehend, dass das board monistisch strukturiert sein muss. 5 Siehe UK CGC, Governance and the Code, Nr. 6; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, 9. Aufl. (2014), S. 384. 6 Siehe UK CGC, Sec. B.1, Supporting Principles. Wie auch beim DCGK in Deutschland handelt es sich bei dem UK CGC, der vom Federal Reporting Council (FRC) herausgegeben wird, um „soft law“, wobei die Abweichung erklärungsbedürftig ist. Das comply-or-explainErfordernis findet sich jedoch, von der Erwähnung im einleitenden Teil abgesehen, nicht im UK CGC selbst, sondern in den Listing Rules der FCA und hier insbesondere in LR 9.8.6 R (5), (6) (für britische Gesellschaften), ggf. i.V.m. LR 9.8.7 R (für ausländische Gesellschaften). 7 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, 9. Aufl. (2014), S. 423. 8 Ringe/Otte, in: Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. (2012), V. Kapitel, § 7 Rn. 211. 9 Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, 9. Aufl. (2014), S. 385.

A. Rechtsvergleichende Perspektive

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Der Companies Act 2006 enthält weiterhin eine Reihe von Zustimmungserfordernissen des general meeting, die dem Katalog des § 119 Abs. 1 AktG durchaus ähnlich sind.10 Aufgrund der sehr ausführlichen Regelungstechnik des Companies Act 2006 dürfte die Anzahl der zustimmungsbedürftigen Maßnahmen sogar noch über diejenige nach deutschem Recht hinausgehen.11 So sind unter anderem zustimmungsbedürftig12: – Änderungen der articles of association, Sec. 21 (1) CA 2006, – die Ausgabe von Aktien im Rahmen von Kapitalerhöhungen, Sec. 549 (1), 551 (1) CA 200613, – die Bestellung der Abschlussprüfer, Sec. 489 (4) CA 200614 und – umfangreiche Transaktionen der Gesellschaft mit den directors, Sec. 190 (1) CA 2006. Eine Vorschrift vergleichbar mit § 179a AktG, nach der die Veräußerung des gesamten Gesellschaftsvermögens der Zustimmung der Aktionäre bedarf, kennt das englische Recht hingegen nicht.15 Darüber hinaus finden sich im Companies Act 2006 auch Zustimmungserfordernisse, die im deutschen Recht in Spezialgesetze, insbesondere in das UmwG, ausgelagert sind. So bedarf es der Zustimmung des general meeting weiterhin etwa – bei Verschmelzungen zur Aufnahme oder zur Neugründung, Sec. 907 (1) i.V.m. Sec. 904 (1) (a) und (b) CA 2006 und – bei Spaltungen zur Aufnahme oder zur Neugründung, Sec. 922 (1) i.V.m. Sec. 919 (1) (a) und (b) CA 2006. Keinen dem deutschen Recht vergleichbaren Schutz entfaltet der Unternehmensgegenstand (company’s objects). Die objects können nach Sec. 31 (1) CA 2006 nämlich auch unbegrenzt (unrestricted) sein, außer die Satzung sieht eine spezifische Beschränkung vor. Schon hierdurch ist die tradierte ultra-vires-Lehre16 weitgehend hinfällig geworden.17 Weiterhin beinhaltet der Companies Act 2006 10

So auch Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 50. Cahn/Donald, Comparative Company Law (2010), S. 479 f. 12 Siehe auch Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, 9. Aufl. (2014), S. 394. 13 Nach Sec. 551 (1) CA 2006 kann die Zustimmung durch die Satzung oder durch Beschluss erteilt werden. 14 Wobei den directors nach Sec. 489 (3) CA 2006 allerdings eine Art „Lückenfüllungskompetenz“ für bestimme Fälle zukommt. 15 Cahn/Donald, Comparative Company Law (2010), S. 659. 16 Siehe nochmals Teil 2 Fn. 89. 17 Siehe auch Ringe/Otte, in: Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. (2012), V. Kapitel, § 3 Rn. 93. Die ultra-vires-Lehre erschließt sich vor allem vor dem historischen Hintergrund, dass früher in England die companies von der Krone nur zu einem bestimmten Zweck konzessioniert waren. Außerhalb dieser Konzessionierung fehlte der Gesellschaft aber die Rechtsfähigkeit, sodass ein derartiges Handeln der directors „ultra-vires“ und damit un11

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

unter Sec. 40 (1) CA 2006 ohnehin eine Vermutung für die unbegrenzte Vertretungsmacht der directors, wenn der Vertragspartner gutgläubig ist.18 Auch bei einer Überschreitung des Unternehmensgegenstands wird die Gesellschaft damit, wie auch nach deutschem Recht, durch ein Handeln der directors grundsätzlich wirksam verpflichtet, wobei eine Überschreitung des Dürfens eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis nach Sec. 171 CA 2006 darstellen kann,19 was Sec. 40 (5) CA 2006 nochmals klarstellt. Einen speziellen Anknüpfungspunkt für die Zustimmungsbedürftigkeit von Beteiligungserwerben bietet der Companies Act 2006 hingegen, wie auch das deutsche Aktiengesetz, nicht. 2. Zustimmungserfordernis nach Chapter 10 der FCA Listing Rules Über die gesellschaftsrechtlich kodifizierten Zustimmungserfordernisse hinaus kennt das Recht von England allerdings auch noch weitere Zustimmungserfordernisse bei besonders weitreichenden Geschäftsführungsmaßnahmen. Diese sind allerdings nicht wie in Deutschland im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung entwickelt worden, sondern sind im sog. FCA Handbook (vormals FSA Handbook20) geregelt.21 Von besonderem Interesse für den Beteiligungserwerb ist das unter Chapter 10 der Listing Rules in LR 10.5.1 R (2) geregelte Zustimmungserfordernis. Es handelt sich hierbei um ein kapitalmarkt- bzw. börsenrechtliches Zustimmungserfordernis, das nur auf börsennotierte Gesellschaften Anwendung findet, die ein sog. premium listing aufweisen. Das premium listing geht in seinen Anforderungen im Gegensatz zum standard listing über den von den EU-Richtlinien gesteckten Rahmen hinaus, LR 1.5.1 G (2), wobei für Stammaktien (equity shares) von commercial companies ein Wahlrecht besteht, nach welchen Regeln die Notierung erfolgen soll, LR 1.5.1 G (4). a) Voraussetzungen der Zustimmungsbedürftigkeit Wenn die Gesellschaft über ein premium listing verfügt und Chapter 10 somit Anwendung findet, wird eine Transaktion, welche von der Gesellschaft (oder einer wirksam war; siehe zur historischen Entwicklung Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. (2013), S. 198 f., 203 f. 18 Schall, in: Schall, Companies Act (2014), sec. 40 Rn. 35; Ringe/Otte, in: Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. (2012), V. Kapitel, § 3 Rn. 93. 19 Schall, in: Schall, Companies Act (2014), sec. 40 Rn. 70; siehe auch Just, Die englische Limited in der Praxis, 4. Aufl. (2012), III. Satzung, Rn. 89 f. 20 Die FSA (Financial Services Authority) war bis zu einer Neuorganisation mit Wirkung zum 31. März 2013 die Vorgängerbehörde der FCA (Financial Conduct Authority). 21 Das FCA Handbook ist abrufbar auf der Seite der FCA unter: http://fshandbook.info/FS/ html/FCA/.

A. Rechtsvergleichende Perspektive

231

Tochtergesellschaft) vereinbart wird, LR 10.1.3 R (1), zunächst gemäß LR 10.2.1 G ihrem Umfang nach kategorisiert. Von vornherein vom Anwendungsbereich ausgenommen sind allerdings Transaktionen zwischen der Gesellschaft und einer 100 %-igen Tochtergesellschaft oder zwischen 100 %-igen Tochtergesellschaften untereinander, LR 10.1.3 R (5). Eine Zustimmungsbedürftigkeit durch das general meeting ergibt sich nach LR 10.5.1 R (2) nur bei einer Einstufung als class 1 transaction, was voraussetzt, dass die Transaktion einen Schwellenwert (ratio) von 25 % nach den sog. class tests erreicht, welche in LR 10 Annex 1 G geregelt sind (dazu sogleich). LR 10.5.1 R (2) zielt nicht ausschließlich und spezifisch auf Beteiligungserwerbe ab, erfasst diese jedoch. Grundsätzlich können von der Regelung sowohl außerbörsliche Beteiligungserwerbe als auch öffentliche Übernahmen (public takeovers) erfasst werden, daneben aber auch Beteiligungsveräußerungen oder der Kauf und Verkauf von einzelnen assets.22 Dass Beteiligungserwerbe einen wichtigen Anwendungsfall der Regelung bilden, zeigt sich insbesondere auch bei der folgenden Betrachtung der einzelnen Vorschriften zur Berechnung der class tests, die immer wieder auf Beteiligungserwerbe Bezug nehmen. Ausreichend ist es, wenn einer der class tests erfüllt ist,23 was sich aus LR 10.2.2 R (3) ergibt.24 Eine Zustimmungsbedürftigkeit eines Beteiligungserwerbs besteht, wenn der Schwellenwert von 25 % bei einem der folgenden class tests erreicht wird: – „Gross Assets test“: Hier wird nach LR 10 Annex 1 G 2 R das Bruttovermögen (gross assets), welches von der Transaktion betroffen ist, mit dem Bruttovermögen der Gesellschaft verglichen, wobei sich das Bruttovermögen der Gesellschaft aus der Summe der langfristigen Vermögenswerte (non-current assets) und der kurzfristigen Vermögenswerte (current assets) berechnet.25 Beim Erwerb einer Beteiligung, welche künftig im Konzernabschluss der Gesellschaft konsolidiert wird, wird als von der Transaktion betroffenes Bruttovermögen der Wert von 100 % der assets der Zielgesellschaft angesetzt, auch wenn keine Beteiligung von 100 % an der Zielgesellschaft erworben wird.26 Erfolgt künftig keine Konsolidierung der Zielgesellschaft, so werden als das von der Transaktion betroffene Bruttovermögen die Gegenleistung (consideration) und die 22

Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 321. 23 Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 345. 24 LR 10.2.2 R (3) lautet: „Class 1 transaction: a transaction where any percentage ratio is 25 % or more.“ 25 Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 328. 26 Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 328.

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

übernommenen Verbindlichkeiten addiert und mit dem Bruttovermögen der Gesellschaft verglichen.27 – „Profits test“: Hier wird nach LR 10 Annex 1 G 4 R der Gewinn (profit), welcher auf die von der Transaktion betroffenen assets entfällt, mit dem Gewinn der Gesellschaft verglichen.28 Beim Beteiligungserwerb werden 100 % des Gewinns der Zielgesellschaft angesetzt, wenn diese künftig konsolidiert wird, auch wenn keine Beteiligung von 100 % an der Zielgesellschaft erworben wird.29 Wenn die Zielgesellschaft künftig nicht konsolidiert wird, ist der Profits test nicht anwendbar.30 – „Consideration test“: Hier wird nach LR 10 Annex 1 G 5 R die Gegenleistung für die Transaktion zum Marktwert aller Anteile der Gesellschaft (ausgenommen eigene Aktien) ins Verhältnis gesetzt.31 Als Gegenleistung wird angesetzt: (i) die gezahlte Geldleistung, (ii) wenn börsennotiert Anteile als Gegenleistung gewährt werden, der Marktwert dieser Anteile und (iii) bei einer aufgeschobenen Gegenleistung (deferred consideration) die maximal erreichbare Gegenleistung.32 Der Marktwert der Anteile der Gesellschaft und von bereits börsennotierten Anteilen als Gegenleistung bestimmt sich jeweils nach dem Schlusskurs am letzten Handelstag vor der Ankündigung der Transaktion; wenn die Notierung der als Gegenleistung eingesetzten Anteile erst noch erfolgen soll, wird der erwartete Marktwert angesetzt.33 – „Gross Capital test“: Hier wird nach LR 10 Annex 1 G 7 R das Bruttokapital (gross capital) der Zielgesellschaft mit demjenigen der Gesellschaft verglichen.34 Das Bruttokapital der Zielgesellschaft bestimmt sich aus dem Gesamtwert (aggregate) (i) der Gegenleistung, (ii) der Anteile und Schuldtitel (debt securities), die nicht erworben werden, (iii) aller anderen Verbindlichkeiten (außer kurzfristigen Verbindlichkeiten) einschließlich Minderheitsbeteiligungen (minority interests) und latente Steuern (deferred taxation) und (iv) des Betrags, um den die 27

Horton/Weston, in: 28. Aufl. (2015), S. 328. 28 Horton/Weston, in: 28. Aufl. (2015), S. 329. 29 Horton/Weston, in: 28. Aufl. (2015), S. 329. 30 Horton/Weston, in: 28. Aufl. (2015), S. 329. 31 Horton/Weston, in: 28. Aufl. (2015), S. 330. 32 Horton/Weston, in: 28. Aufl. (2015), S. 330 f. 33 Horton/Weston, in: 28. Aufl. (2015), S. 331. 34 Horton/Weston, in: 28. Aufl. (2015), S. 331.

A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016,

A. Rechtsvergleichende Perspektive

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kurzfristigen Verbindlichkeiten die kurzfristigen Vermögenswerte übersteigen.35 Das Bruttokapital der Gesellschaft berechnet sich aus der Gesamtwert (i) des Marktwerts ihrer Anteile (ausgenommen eigene Aktien) und dem Ausgabebetrag (issue amount) von Schuldtiteln, (iii) aller anderen Verbindlichkeiten (ausgenommen kurzfristige Verbindlichkeiten) einschließlich Minderheitsbeteiligungen und latenten Steuern und (iv) des Betrags, um den die kurzfristigen Verbindlichkeiten die kurzfristigen Vermögenswerte übersteigen. Der Gross Capital test wird nur beim Erwerb einer Gesellschaft oder eines Unternehmens angewendet, LR 10 Annex 1 G 7 R (2). Als Berechnungsgrundlage dienen jeweils grundsätzlich die Kennzahlen, die sich aus dem zuletzt veröffentlichten geprüften Konzernabschluss ergeben (audited consolidated accounts), LR 10 Annex 1 G 8 R (1).36 Wenn allerdings die Zahlen des folgenden Jahresabschlusses schon vorab veröffentlicht werden, LR 10 Annex 1 G 8 R (1), oder sich bestimmte Bilanzkennzahlen (gross assets und gross capital) aus Zwischenberichten entnehmen lassen, LR 10 Annex 1 G 8 R (2), sind diese heranzuziehen.37 Gegebenenfalls müssen die Zahlen aber noch um die Effekte späterer Transaktionen bereinigt werden, LR 10 Annex 1 G 8 R (3).38 Bei einer Akquisition durch eine Gesellschaft, deren assets ganz oder zum Großteil (predominantly) aus Barmitteln bestehen, müssen diese nach LR 10 Annex 1 G 8 R (5) bei der Berechnung außer Betracht bleiben.39 Ähnlich wie auch nach einhelliger Auffassung im deutschen Recht,40 sind nach den Listing Rules die Auswirkungen von Maßnahmen, die im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, zu addieren, LR 10.2.10 R. Demnach müssen die Auswirkungen der aktuellen Transaktion mit den Auswirkungen von Transaktionen der letzten 12 Monate zusammengerechnet werden, wenn diese denselben Vertragspartner oder dieselbe Zielgesellschaft betreffen oder wenn sie zu einer erheblichen Betätigung in einem Geschäftsfeld führen, in dem die Gesellschaft vorher nicht engagiert war.41 Zustimmungsbedürftig ist dann nur die letzte Transaktion, LR 10.2.10 R (3).42 35 Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 332. 36 Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 326. 37 Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 326. 38 Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 326 f. 39 Gleiches gilt nach nach LR 10 Annex 1 G 8 R (5) für kurzfristige Wertpapiere (shortdated securities); Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/ 2016, 28. Aufl. (2015), S. 327. 40 Siehe nochmals unter Teil 3 E.II. 41 Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 337.

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Wenn sich allerdings bei der Berechnung der class tests im Einzelfall atypische Ergebnisse (anomalous results) ergeben, steht es im Ermessen der FCA, die entsprechende Regel anzupassen und besser geeignete Indikatoren heranzuziehen, LR 10 Annex 1 G 10 G. Spezielle Anpassungsmöglichkeiten ergeben sich teilweise auch schon im Rahmen der einzelnen class tests.43 Insofern wird hier die Rechtssicherheit zu Gunsten der Einzelfallgerechtigkeit eingeschränkt und die starke Stellung der FCA deutlich unterstrichen. Zum Mehrheitserfordernis der notwendigen Zustimmung nehmen die Listing Rules überraschenderweise nicht ausdrücklich Stellung. Dieses ergibt sich indes aus dem Companies Act 2006 selbst. Nach Sec. 282 (1) CA 2006 bedürfen ordentliche Beschlüsse (ordinary resolutions) der einfachen Mehrheit, wobei sich aus den Listing Rules nicht ergibt, dass es sich bei dem hier in Rede stehenden Beschluss nach LR 10.5.1 R (2) um einen Sonderbeschluss handelt, der nach Sec. 283 (1) CA 2006 einer Mehrheit vom 75 % bedürfte. In der Regel wird es sich somit um einen Beschluss mit einfacher Mehrheit handeln.44 Weitere Rechtsfolge einer class 1 transaction ist nach LR 10.5.1 R (2) neben der erforderlichen Zustimmung, dass den Aktionären vor der Abstimmung eine Unterlage übermittelt werden muss, welche die Transaktion erläutert (explanatory circular); die hohen Anforderungen an den Inhalt einer solchen Unterlage sind in LR 13 geregelt.45 Überdies müssen alle Anforderungen einer class 2 transaction beachtet werden, LR 10.5.1 R (1),46 woraus insbesondere die Pflicht zu einer detaillierten Bekanntgabe der Transaktion im Wege eines RIS Announcements nach LR 10.4.1 R folgt. Weiterhin muss jegliche Vereinbarung, die auf die Transaktion von Einfluss ist, unter die Bedingung der Zustimmung gestellt werden, LR 10.5.1 R (3). Eine Ausnahme von der Zustimmungsbedürftigkeit einer class 1 transaction sehen die Listing Rules unter LR 10.8.1 G vor. Demnach kann eine Gesellschaft, die sich in einer schweren finanziellen Krise befindet, einen Teil ihres Geschäftsbetriebs auch ohne Zustimmung der Aktionäre veräußern, wenn dies nachweislich nicht

42 Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 337. 43 Siehe LR 10 Annex 1 3 G und 6 G; Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 329, 331. 44 So auch Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/ 2016, 28. Aufl. (2015), S. 347 („will normaly be an ordinary resolution“). Anders kann dies aber im Einzelfall etwa sein, wenn der Beschluss zur Akquisitionsfinanzierung auch eine Aktienausgabe der Erwerberin unter Bezugsrechtsausschluss beinhaltet; siehe Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 346 f. 45 Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 341. 46 Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 339.

A. Rechtsvergleichende Perspektive

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anders möglich ist, LR 10.8.2 G und LR 10.8.3 G.47 Es existiert aber keine Regelung, die einen zustimmungsfreien Beteiligungserwerb erlaubt, was vor dem Hintergrund des offensichtlichen Schutzzwecks der Ausnahme, namentlich der Zurverfügungstellung von ausreichender Liquidität in der Krise, auch wenig Sinn ergeben würde. b) Verhältnis zu anderen Zustimmungserfordernissen Keine Differenzierung treffen die Listing Rules für die Zustimmungsbedürftigkeit dahingehend, ob bei der Schaffung von Anteilen der Erwerberin als Gegenleistung für einen Beteiligungserwerb schon eine vorherige Mitwirkung des general meeting erfolgt ist. Nach englischem Recht benötigen die directors grundsätzlich eine Ermächtigung durch die Satzung oder durch die Aktionäre, um neue Anteile ausgeben zu dürfen, Sec. 549 (1), 551 (1) CA 2006.48 Die Ermächtigung kann, sowohl durch Beschluss als auch bei Einführung einer Satzungsregelung, mit einfacher Mehrheit erteilt werden, Sec. 281 (1) (i.V.m. Sec. 551 (8)) CA 2006.49 Nach Sec. 551 (3) CA 2006 kann eine Ermächtigung für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren erteilt werden, wobei die Höchstzahl der Aktien zwar benannt werden muss, gesetzlich aber (offenbar) nicht begrenzt ist.50 Damit kann sich auch hier das nach deutschem Recht bereits besprochene Problem stellen, dass die Aktionäre der Kapitalmaßnahme bereits zugestimmt haben und nun noch ein (zusätzliches) Zustimmungserfordernis in Rede steht. Da dieses Konkurrenzproblem von den Listing Rules allerdings nicht adressiert wird, soll es hier offenbar bei dem Grundsatz verbleiben, dass die Zustimmung nach LR 10.5.1 R (2) auch in dieser Situation erteilt werden muss.51 c) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Zustimmungserfordernis Bei einem Verstoß gegen die Listing Rules im Allgemeinen und somit auch gegen das Zustimmungserfordernis nach LR 10.5.1 R (2) im Speziellen kann die FCA unter anderem nach Sec. 91 Financial Services and Markets Act 2000 (FSMA) eine

47 Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 338. 48 Dies gilt nicht, wenn private companies nur eine Klasse von Anteilen haben und daher die Erleichterung in Sec. 550 CA 2006 eingreift. In diesem Fall ist eine Ermächtigung nicht erforderlich, es sei denn, dies ist in den articles of association so vorgesehen; siehe hierzu Siems, in: Schall, Companies Act (2014), sec. 551 Rn. 4. 49 Boyle/Birds, Company Law, 9. Aufl. (2014), S. 197; Siems, in: Schall, Companies Act (2014), sec. 550 Rn. 1. 50 Siehe Boyle/Birds, Company Law, 9. Aufl. (2014), S. 196; Siems, in: Schall, Companies Act (2014), sec. 551 Rn. 3. 51 Siehe auch Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/ 2016, 28. Aufl. (2015), S. 345 ff. (wobei hier der Fall besprochen wird, dass Aktien am Markt platziert werden und die eingenommenen Barmittel dann für den Erwerb verwendet werden).

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Geldstrafe in angemessener Höhe verhängen oder eine offizielle Rüge aussprechen.52 Die Leitlinien für Geldstrafen sind, wie von Sec. 93 (1) FSMA erfordert, in Chapter 6 des Decision Procedure and Penalties Manual (DEPP) niedergelegt, das ebenfalls Teil des FCA Handbook ist. Weiterhin käme auch eine Suspendierung der Notierung in Betracht, wenn nach LR 5.1.1 R (1) der reibungslose Ablauf des Handels (smooth operation of the market) gefährdet wäre oder wenn der Schutz der Investoren dies gebieten würde.53 Eine Verletzung des Zustimmungserfordernisses ist allerdings in der (nicht abschließenden) Liste in LR 5.1.2 G, die Regelbeispiele für eine Marktbeeinträchtigung aufzählt, nicht genannt54 und dürfte auch in der Regel nicht geeignet sein, den reibungslosen Ablauf des Handels zu gefährden.55 Letztlich ist es allerdings eine Ermessensentscheidung der FCA, die Notierung zu suspendieren. Nach LR 5.2.1 R könnte schließlich die Notierung sogar ganz beendet werden, wenn die FCA der Ansicht ist, dass besondere Umstände vorliegen, die den regulären Handel der Aktien der Gesellschaft unmöglich machen (preclude normal regular dealings).56 Dies erscheint, vor allem mit Blick auf die Regelbeispiele in LR 5.2.2 G, allerdings bei einer Verletzung des Zustimmungserfordernisses eher fernliegend. Eine Möglichkeit für die Aktionäre, gegen eine (drohende) Verletzung des Zustimmungserfordernisses nach LR 10.5.1 R (2) vorzugehen, sehen die Listing Rules nicht vor. d) Schutzzweck des Zustimmungserfordernisses Dem FCA Handbook lässt sich an verschiedenen Stellen immer wieder entnehmen, dass die regulatorischen Vorgaben insbesondere dazu dienen sollen, das Vertrauen in die Märkte zu stärken und deren reibungslose Funktionsfähigkeit zu gewährleisten.57 Allerdings ergibt sich aus LR 10.1.2 G bezüglich des Zwecks des 52 May, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 317. 53 May, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 319. 54 Man könnte jedoch ggf. argumentieren, dass die unterlassene Mitwirkung der Aktionäre unter die zweite Alternative von LR 5.1.1 R (1), also den Schutz der Investoren, fällt. Hiermit dürften allerdings eher potentielle Investoren gemeint sein, die durch lückenhafte Informationspolitik seitens der Gesellschaft an einer informierten Investitionsentscheidung gehindert werden, als die bestehenden Aktionäre. Es ließe sich aber auch argumentieren, dass auch potentielle Investoren ein Interesse daran haben, im Vorfeld über derart umfangreiche Transaktionen der Gesellschaft informiert zu werden, und dass auch die Aktionäre als Investoren betroffen sind, namentlich hinsichtlich ihrer Entscheidung investiert zu bleiben. 55 Möglicher Anknüpfungspunkt wäre aber das Unterlassen des notwendigen RIS Announcements. Hierzu allgemein May, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 320. 56 May, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 316. 57 So heißt es etwa in LR 7.1.2 G betreffend den Zweck der in LR 7.2.1 R geregelten allgemeinen Listing Principles: „The purpose of the Listing Principles and Premium Listing

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Chapter 10, in dem auch das vorliegend in Rede stehende Zustimmungserfordernis geregelt ist, dass dieses dazu dienen soll, dass Aktionäre von Gesellschaften mit börsennotierten Stammaktien von bestimmten Transaktionen in Kenntnis gesetzt werden („are notified of certain transactions“) und die Möglichkeit erhalten, über größere vorgeschlagene Transaktionen abzustimmen („have the opportunity to vote on larger proposed transactions“).58 Damit dient das Zustimmungserfordernis nach dem Willen der FCA offenbar gerade (auch) dem Schutz der Aktionäre, was eine Parallele zur Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung des BGH darstellt. Weitere Erhellung zum Schutzzweck bringt LR 10.1.4 G, welcher sich entnehmen lässt, dass der Grund für das Zustimmungserfordernis darin liegt, dass durch derartige Transaktionen, die über die übliche Geschäftsführungstätigkeit hinausgehen, sich das ökonomische Interesse des Aktionärs in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen verändern kann („may change a security holder’s economic interest in the company’s assets and liabilities“). Dies ähnelt der Formulierung von Fleischer, dass sich also der „Investmentkontrakt zwischen Anteilseignern und Gesellschaft“ maßgeblich ändert.59 Weiterhin ist der Umstand interessant, dass die FCA60 im Rahmen einer Konsultation auf die Frage hin, ob das Zustimmungserfordernis für class 1 transactions beibehalten werden sollte, da dies unter Umständen einen Standortnachteil darstelle, jedenfalls nach eigenen Angaben fast nur positives Feedback erhielt.61 Die Mehrzahl der Befragten habe sich für die Beibehaltung des Zustimmungserfordernisses ausgesprochen, da hierin im Gegenteil ein Standortvorteil gesehen werde, da so ein hohes Schutzniveau der Investoren garantiert werde.62

3. Sonderfall des reverse takeover nach den FCA Listing Rules Ein Sonderfall der Zustimmungsbedürftigkeit nach den FCA Listing Rules besteht nach LR 10.5.1 R (2) i.V.m. LR 5.6.3 R bei einem reverse takeover im Sinne von LR 5.6.4 R einer Gesellschaft mit premium listing. Ein reverse takeover setzt zunächst nach LR 5.6.4 R voraus, dass es sich um eine Akquisition eines Betriebsteils, einer Gesellschaft oder einzelner assets handelt.63 Principles is to ensure that listed companies pay due regard to the fundamental role they play in maintaining market confidence and ensuring fair and orderly markets.“ 58 Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 324. 59 Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336; ähnlich auch Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, 9. Aufl. (2014), S. 395. 60 Bzw. die Vorgängerorganisation FSA. 61 FSA-Consultation Paper 04/16, Sec. 3.63, S. 35 f. 62 FSA-Consultation Paper 04/16, Sec. 3.63, S. 35 f. 63 Diese kann durch einen unmittelbaren Erwerb des Emittenten (issuer), durch eine neue holding company oder auf anderem Wege erfolgen.

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Die Regelung ist also auch auf Beteiligungserwerbe anwendbar. Hierbei muss, um eine Zustimmungsbedürftigkeit auszulösen, entweder (i) ein Schwellenwert (ratio) von 100 % bei einem der class tests erreicht werden oder es muss (ii) zu einer fundamentalen Veränderung des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft (fundamental change in the business) oder zu einer Veränderung der Kontrolle über das board oder über die Stimmrechte (change in board or voting control) kommen.64 Einfacher gesagt ändert sich also in einem solchen Fall das Geschäft der Gesellschaft grundlegend oder es übernimmt trotz der formal umgekehrten Struktur der Transaktion de facto der Veräußerer die Kontrolle über die Erwerberin. Allerdings beschreiben die Listing Rules nur den Fall der fundamentalen Änderung des Geschäftsbetriebs näher und nennen in LR 5.6.5 G als Indizien eine Veränderung der strategischen Ausrichtung, eine Tätigkeit in einem anderen Industriesektor oder die künftige Konfrontation mit völlig anderen Lieferanten und Kunden.65 Die Formulierung in LR 5.6.4 R, insbesondere der Begriff der fundamentalen Veränderung des Geschäftsbetriebs, erinnert im Übrigen an die Rhetorik der Holzmüller/GelatineRechtsprechung. Als weitere maßgebliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Regeln über reverse takeovers müssen grundsätzlich allerdings die Anteile der Zielgesellschaft nach LR 5.6.2 R in einem anderen Segment (category of listing) notiert sein als diejenigen der Erwerberin.66 Nach LR 5.6.19 G führt der Vollzug eines reverse takeover dann grundsätzlich – auch bei einer Gesellschaft mit standard listing – dazu, dass die Notierung der Gesellschaft beendet wird und gegebenenfalls neu beantragt werden muss.67 Gesellschaften mit einem premium listing müssen allerdings darüber hinaus nach LR 5.6.3 die bereits beschriebenen Voraussetzungen einer class 1 transaction und damit auch das Zustimmungserfordernis nach LR 10.5.1 R (2) auch dann erfüllen, wenn es zu einem reverse takeover kommt und die Zielgesellschaft nicht in einem anderen Segment notiert ist.68 Auch diese Regelung hat damit für den Beteiligungserwerb Relevanz. Selbst wenn das Erreichen des Schwellenwerts von 100 % nach den class tests eher die Seltenheit sein dürfte, so besteht gerade aufgrund der anderen Tatbestandsalternativen, die mit den beschriebenen unbestimmten Rechtsbegriffen operieren, ein doch nicht unerheblicher Anwendungsbereich für solches ein Zustimmungserfordernis. Auch wenn praktisch oft ein Gleichlauf jedenfalls mit 64

Horton/Weston, in: 28. Aufl. (2015), S. 352. 65 Horton/Weston, in: 28. Aufl. (2015), S. 352. 66 Horton/Weston, in: 28. Aufl. (2015), S. 352 f. 67 Horton/Weston, in: 28. Aufl. (2015), S. 356. 68 Horton/Weston, in: 28. Aufl. (2015), S. 353.

A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016,

A. Rechtsvergleichende Perspektive

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der Erreichung der 25 %-Schwelle nach LR 10.2.2 R (3) bestehen dürfte, setzen weder die fundamentale Änderung des Geschäftsbetriebs noch die Veränderung der Kontrolle über das board oder über die Stimmrechte kumulativ voraus, dass die Transaktion bestimmte quantitative Parameter erreicht. Eine Zustimmungsbedürftigkeit der Transaktion ergibt sich für eine Gesellschaft mit premium listing also auch in einem solchen Fall aus LR 10.5.1 R (2) i.V.m. LR 5.6.3 R. 4. Zusammenfassung und Stellungnahme Das englische Recht kennt somit Zustimmungserfordernisse des general meeting nach dem Companies Act 2006, die den deutschen Hauptversammlungserfordernissen nach dem Aktiengesetz ähneln und weitere Zustimmungserfordernisse nach den FCA Listing Rules, die den ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernissen ähneln. Der Anwendungsbereich des Zustimmungserfordernisses nach LR 10.5.1 R (2) ist allerdings insofern enger gesteckt, dass dieses (auch über die Verweisung der Sondervorschriften betreffend reverse takeovers) nur auf börsennotierte Gesellschaften mit dem beschriebenen premium listing Anwendung findet. Während also die Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung auf alle deutschen Aktiengesellschaften Anwendung findet, finden die beschriebenen Zustimmungserfordernisse nach den FCA Listing Rules nur auf einen kleinen Teil der englischen plcs Anwendung. Betreffend die Regelungssystematik der Zustimmungserfordernisse ist somit interessant, dass das englische Recht das Problem kapitalmarkt- bzw. börsenrechtlich adressiert und nicht auf Ebene des allgemeinen Gesellschaftsrechts. In der Sache ist die Herangehensweise der FCA bei den Zustimmungserfordernissen nach den FCA Listing Rules stärker ökonomisch orientiert als die des BGH. Bei dem Zustimmungserfordernis nach LR 10.5.1 R (2) findet grundsätzlich keinerlei Differenzierung nach der Qualität der Maßnahme statt, sondern es wird nur auf die Überschreitung des relevanten Schwellenwerts von 25 %, bemessen nach den verschiedenen class tests, abgestellt. Mithin kommen sowohl ein Beteiligungserwerb und eine Beteiligungsveräußerung als z. B. auch der Kauf oder Verkauf anderer assets als zustimmungsbedürftige Maßnahmen in Betracht. Offenbar geht die FCA davon aus, dass eine Schutzwürdigkeit der Aktionäre in allen Fällen besteht, die von einem bestimmten quantitativen Ausmaß sind, da dann die ökonomischen Rahmenbedingungen des Investments der Aktionäre maßgeblich verändert werden. Warum die Zustimmungsbedürftigkeit allerdings gerade bei einem Schwellenwert von 25 % besteht, der im Vergleich zur Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung sehr niedrig angesetzt ist, lässt sich weder den Listing Rules selbst, noch – soweit ersichtlich – den erläuternden Materialien hierzu entnehmen. An anderen Stellen der Listing Rules zeigt sich indes auch eine Differenzierung zwischen qualitativen und quantitativen Kriterien. So knüpfen die Regelungen über den reverse takeover in LR 5.6.4 R neben der rein quantitativen Fallgruppe des Erreichens des Schwellenwerts (ratio) von 100 % nach den class tests auch an

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Kriterien wie eine fundamentale Veränderung des Geschäftsbetriebs oder eine Veränderung der Kontrolle über das board oder über die Stimmrechte an. Spaltet man diese Kriterien weiter auf, so ergibt sich auch hier jeweils eine qualitative und eine quantitative Komponente. Qualitativ muss es zu einer Änderung des Geschäftsbetriebs oder einer Verschiebung des Einflusses über das board oder die Stimmrechte kommen. Quantitativ muss die Änderung dann fundamental sein bzw. es muss zu einem Kontrollwechsel kommen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass der persönliche Anwendungsbereich der Zustimmungserfordernisse bei Beteiligungserwerben nach den FCA Listing Rules aufgrund der Beschränkung auf Gesellschaften mit einem premium listing zwar wesentlich enger ist als der Anwendungsbereich der Holzmüller/GelatineGrundsätze, der sachliche Anwendungsbereich ist aufgrund der geringeren Anforderungen an das Zustimmungserfordernis hingegen weiter als der in Teil 3 für das deutsche Recht nach den bisherigen Leitlinien der Rechtsprechung des BGH für den Beteiligungserwerb erarbeitete Maßstab zur Ermittlung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses.

II. Rechtslage in den USA Die Rechtslage in den USA betreffend die mit der Aktiengesellschaft vergleichbare corporation69 stellt sich vielschichtiger dar als in Deutschland oder auch in England. Dies resultiert daraus, dass das Gesellschaftsrecht in die Gesetzgebungskompetenz der einzelnen Bundesstaaten fällt, wohingegen das Kapitalmarktrecht (securities law) bundesrechtlich geregelt ist.70 Da das Gesellschaftsrecht in Delaware als am liberalsten innerhalb der USA gilt,71 hat sich aus eben diesem Grund ein Großteil der US-Gesellschaften dort inkorporiert,72 wodurch das Gesellschaftsrecht von Delaware eine wirtschaftlich große Bedeutung erlangt hat.73 Vorliegend ist daher exemplarisch das Gesellschaftsrecht des Staates Delaware zu betrachten.

69

Zur Vergleichbarkeit von AG und corporation etwa Zimmermann, in: Beck’sches NotarHandbuch, 5. Aufl. (2009), H. Auslandsberührung, Rn. 233; Pentz, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), Anhang § 13e HGB Rn. 12. 70 Siehe nur Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. (2013), S. 139 f., 168 f.; Rehm, in: Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht (2004), § 11 Rn. 1. 71 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. (2013), S. 153; Kuhner, ZGR 2004, 244, 275 f.; insbes. auch schon Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 212 f. 72 So sind über 50 % der Fortune 500 corporations und über 50 % der börsennotierten corporations in Delaware inkorporiert; siehe Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. (2013), S. 153 ff.; Bebchuk, 118 Harv. L. Rev. 833, 843, Fn. 13 (2005). 73 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. (2013), S. 153.

A. Rechtsvergleichende Perspektive

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1. Kompetenzordnung der Delaware corporation Auch das Recht von Delaware kennt, wie das Recht von England, eine one-tier board structure mit einem board of directors als Verwaltung und einem shareholders’ meeting als Versammlung der Anteilseigner. Als Ausgangspunkt steht dem board nach Sec. 141 (a) Delaware General Corporation Law (DGCL) die Kompetenz zu, die Gesellschaft zu leiten, soweit nicht in der Satzung (certificate of incorporation) etwas anderes bestimmt ist. Die Machtfülle des board ist im Vergleich zum englischen und auch zum deutschen Recht wesentlich größer und die Mitentscheidungs- und Initiativrechte der Aktionäre stark begrenzt. Allerdings existieren auch nach dem Delaware General Corporation Law, ähnlich wie im Aktiengesetz, Zustimmungserfordernisse der shareholders bei gewissen grundlegenden Entscheidungen, wobei die Anzahl der zustimmungsbedürftigen Maßnahmen in Delaware erkennbar niedriger ist als in Deutschland.74 So sind etwa zustimmungsbedürftig: – Änderungen des certificate of incorporation, Sec. 242 (a) (2) bis (6) und (b) DGCL – die Bestellung und Abberufung der directors, Sec. 211 (b), 216 (3) bzw. 141 (k) DGCL – Umwandlungsmaßnahmen, Sec. 251 (b) und (c) DGCL75 – Geschäfte über das gesamte Vermögen der Gesellschaft, Sec. 271 (a) DGCL76 und – die Auflösung der Gesellschaft, Sec. 275 (a) und (b) DGCL. 74

So auch Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 57 („lassen sich an einer Hand abzählen“). Wobei die Zustimmung nach Sec. 251 (f) und (g) DGCL entbehrlich sein kann. Insbesondere bedarf es nach Sec. 251 (f) DGCL demnach keiner Zustimmung der Aktionäre der „überlebenden“ Gesellschaft (constituent corporation surviving a merger), wenn deren Satzung nicht geändert wird und keine Anteile als Gegenleistung ausgegeben werden, die mehr als 20 % der bisher ausstehenden Stammaktien ausmachen. Dies rechtfertigt sich aus der begrenzten Bedeutung eines solche small scale merger für die Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft; siehe Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. (2013), S. 661 f. 76 Sec. 271 (a) DGCL ist Ausprägung der in den Rechtsordnungen vieler US-amerikanischer Bundesstaaten anerkannten sale-of-substantially-all-assets-doctrine. Demnach ist die Zustimmung der Aktionäre erforderlich, wenn das gesamte oder im Wesentlichen das gesamte Vermögen der Gesellschaft veräußert wird. Nach der Leitentscheidung des Delaware Chancery Court in dem Fall Hollinger Inc. v. Hollinger International, Inc., 858 A.2d 342 (2004) ist unter „substantially all assets“ nicht einfach eine bestimmte Prozentzahl zu verstehen, sondern es ist im Einzelfall der gesamte qualitative und quantitative Effekt der Transaktion zu betrachten. Es komme – ähnlich wie im deutschen Recht bei § 179a AktG – darauf an, dass ein signifikanter Teil des Geschäfts bei der Gesellschaft verbleibt, namentlich ein überlebensfähiger Teil des operativen Geschäfts, der auch quantitativ erheblich ist (Hollinger Inc. v. Hollinger International, Inc., 858 A.2d 342 (2004)). Ein Zustimmungserfordernis für den Fall des Beteiligungserwerbs wäre nach Sec. 271 (a) DGCL somit nur dann möglich, wenn als Gegenleistung für die zu erwerbende Beteiligung das im Wesentlichen gesamte Vermögen der Gesellschaft geleistet würde. Insgesamt sind die Auswirkungen von Sec. 271 (a) DGCL auf Beteiligungserwerbe daher als gering einzuschätzen. 75

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Auffällig ist weiterhin, dass sich keine Regelung findet, die Kapitalerhöhungen ausdrücklich für zustimmungsbedürftig erklärt. Zwar muss das certificate of incorporation die Anzahl der Aktien beinhalten, welche die Gesellschaft ausgeben darf („which the company shall have authority to issue“), Sec. 102 (a) (4) DGCL. Allerdings ist die Höhe dieser möglichen Festsetzung nicht begrenzt und auch für die Ausgabe der Aktien existiert keine gesetzlich vorgeschriebene sachliche und zeitliche Begrenzung, wie sie etwa das deutsche Recht für das genehmigte Kapital in § 202 AktG kennt. Vielmehr ist es nach Sec. 161 DGCL grundsätzlich allein Sache des board, über die Ausgabe der Aktien zu entscheiden.77 Erst wenn der statutarische Rahmen ausgeschöpft ist, müsste gegebenenfalls im Wege der Änderung des certificate of incorporation die Zahl der autorisierten Aktien (authorized capital stock) erhöht werden, Sec. 242 (a) (3) DGCL,78 was einer Zustimmung der Aktionäre mit einfacher Mehrheit der ausstehenden Aktien bedarf, Sec. 242 (b) (1) DGCL. Da jedoch viele Gesellschaften weit mehr autorisierte Aktien als tatsächlich ausstehende Aktien haben,79 bedeutet dies, dass das board meist autonom über die Ausgabe junger Aktien entscheiden kann.80 Somit wird ersichtlich, dass auch im Hinblick auf Kapitalmaßnahmen das board in Delaware eine wesentlich stärkere Stellung inne hat als in England bzw. der Vorstand in Deutschland.81 Spiegelbildlich resultiert hieraus eine schwächere Stellung der Aktionäre, die dadurch noch weiter geschwächt wird, dass grundsätzlich kein Bezugsrecht der Altaktionäre existiert, es sei denn, dies ist in der Satzung ausdrücklich vorgesehen, Sec. 102 (b) (3) DGCL. Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis in public corporations aber offenbar selten Gebrauch gemacht.82 Begrenzt wird die Befugnis zur Ausgabe von Aktien zwar durch die allgemeinen fiduciary duties der directors,83 wobei ein Verstoß oft schwer nachzuweisen sein

77

Folk, Delaware General Corporation Law, 5. Aufl. (2010), S. 394. Folk, Delaware General Corporation Law, 5. Aufl. (2010), S. 394; allgemein (d. h. nicht speziell zu Delaware) hierzu auch Altman, in: Business Organizations with Tax Planning (2015), § 163.02; Kling/Simon, Negotiated Acquisitions of Companies, Subsidiaries and Divisions (2014), § 2.04. 79 Rock/Davies/Kanda/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 194; ebenso Ganor, 46 Wake Forest L. Rev. 701, 740 ff. (2011) (nach den Recherchen von Ganor bewegte sich bei Gesellschaften, welche in Delaware in den Jahren 2008 und 2009 an die Börse gingen, das Verhältnis von ausstehenden Aktien und autorisierten Aktien zwischen 1:4 und 1:5(!)). 80 Siehe zu den zusätzlichen Anforderungen von NASDAQ Listing Rule 5635(a) und NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03(c) noch sogleich unter A.II.2., zu Begrenzungen durch die directors duties noch sogleich. 81 Cahn/Donald, Comparative Company Law (2010), S. 205. 82 Rock/Davies/Kanda/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 196; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. (2013), S. 289. 83 Rock/Davies/Kanda/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 196; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. (2013), S. 290. 78

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wird.84 Insbesondere ist auch in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Befugnis der directors nicht darauf beschränkt ist, eine Ausgabe von jungen Aktien nur zu Finanzierungszwecken vorzunehmen; die Ausgabe ist vielmehr auch in Fällen möglich, in welchen gezielt auf die Anteilseignerstruktur der Gesellschaft Einfluss genommen werden soll, insbesondere bei der Abwehr von feindlichen Übernahmen.85 Keinen hohen Schutz entfaltet in Delaware, wie auch in England, der Unternehmensgegenstand, da hier auch angegeben werden kann, dass die Gesellschaft jeden rechtlich zulässigen Zweck verfolgen kann (any lawful act or activity), Sec. 102 (a) (3) DGCL. Für einen Erwerb von Beteiligungen findet sich im DGCL keine Regelung, sodass dieser grundsätzlich ohne die Zustimmung der Aktionäre der Erwerberin möglich ist.86 Über die geschriebenen Mitwirkungserfordernisse der Aktionäre hinaus erkennt die Rechtsprechung in Delaware im Übrigen ungeschriebene Mitwirkungserfordernisse nicht an.87 2. Zustimmungserfordernisse nach den NASDAQ Listing Rules und dem NYSE Listed Company Manual Interessanterweise existieren auch nach US-amerikanischem Recht weitere börsenrechtlich verankerte Zustimmungserfordernisse nach NASDAQ Listing Rule 563588 und nach NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c).89 Diese Regelungen 84 Siehe hierzu Ganor, 46 Wake Forest L. Rev. 701, 737 f. (2011) („It is very difficult to prove that the purpose of a specific stock issuance lacks good faith and breaches the fiduciary duties of the managers.“). 85 Siehe Moran v. Household Int’l, 500 A.2d 1346, 1351 (1985) („Appellants are unable to demonstrate that the legislature, in its adoption of § 157, meant to limit the applicability of § 157 to only the issuance of Rights for the purposes of corporate financing.“). Entscheidungsmaßstab ist auch hier die business judgment rule; siehe Moran v. Household Int’l, 500 A.2d 1346, 1350 (1985) mit Verweis auf Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A2d 946 (1985). 86 Zur Zustimmungsfreiheit allgemein, d. h. nicht beschränkt auf Delaware, auch Wood, in: Corporate Acquisitions and Mergers (2015), § 5 D.01; Altman, in: Business Organizations with Tax Planning (2015), § 163.02. Manche US-Bundesstaaten sehen aber eine Zustimmung für spezielle Fälle wie einen sog. „compulsory share exchange“ vor bzw. für bestimmte „majority share acquisitions“. In Delaware existieren derartige Regelungen allerdings nicht; siehe hierzu Altman, in: Business Organizations with Tax Planning (2015), § 163.03. 87 Hierzu Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 57. 88 Die NASDAQ Stock Market Rules sind abrufbar unter http://nasdaq.cchwallstreet.com/ NASDAQ/Main/. Interessanterweise führte die NASDAQ um den Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeit gerade eine öffentliche Anhörung (solicitation of comments) durch, in der um Stellungnahmen zu den Zustimmungserfordernissen nach NASDAQ Rule 5635 gebeten wurde (abrufbar unter https://listingcenter.nasdaq.com/assets/Shareholder%20Approval%20Com ment%20Solicitation.pdf). Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeit waren bereits einzelne Stellungnahmen veröffentlicht (so befürwortete etwa die SEC die Beibehaltung der Zustimmungserfordernisse, abrufbar unter http://www.sec.gov/about/offices/investorad/comment-let ter-investor-advocate-nasdaq-021216.pdf). Konsolidierte Ergebnisse oder mögliche Maßnah-

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

haben in der deutschen Literatur noch keine nennenswerte Aufmerksamkeit erfahren,90 obwohl sie keineswegs Neuerungen darstellen.91 Da – anders als in England – eine Differenzierung nach dem Segment der Notierung nicht ersichtlich ist, ist eine erhebliche Anzahl der US-amerikanischen corporations von diesen Regelungen betroffen. a) Voraussetzungen der Zustimmung aa) NASDAQ Listing Rule 5635 NASDAQ Listing Rule 5635 (a) spricht speziell den Fall der Ausgabe von Anteilen der Erwerberin zur Finanzierung eines Beteiligungserwerbs oder von assets einer anderen Gesellschaft an („issuance of securities in connection with the acquisition of the stock or assets of another company“). Voraussetzung für eine Zustimmungsbedürftigkeit nach NASDAQ Listing Rule 5635 (a) (1) ist zunächst, dass Stammaktien (common stock) oder solche Instrumente, die sich in Stammaktien umwandeln lassen, ausgegeben werden oder möglicherweise ausgegeben werden (potential issuance) und es sich nicht um ein öffentliches Angebot gegen Barmittel handelt (public offering for cash). Der Begriff des public offering wird zwar nicht an dieser Stelle, aber bezüglich NASDAQ Listing Rule 5635 (d) in IM-5635-3 näher erläutert. Maßgeblich ist hierbei insbesondere, ob ein firm commitment underwritten securities offering bei der SEC angemeldet wurde und ob die Anteile einer Vielzahl von Investoren angeboten werden oder nicht. Ein public offering wird in den hier in Rede stehenden Fällen indes nicht gegeben sein, da die jungen Aktien nur dem Veräußerer der zu erwerbenden Beteiligung angeboten werden. Weiterhin müssen diese Stammaktien nach ihrer Ausgabe entweder Stimmrechte von 20 % oder mehr verglichen mit den bisher ausstehenden Stimmrechten gewähren men der NASDAQ waren aber zum Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeit noch nicht veröffentlicht. 89 Das NYSE Listed Company Manual ist abrufbar unter http://nysemanual.nyse.com/lcm/. 90 Auch Paefgen, der ansonsten die Holzmüller-Grundsätze einem ausführlichen Vergleich mit dem britischen und US-amerikanischen Recht unterzieht, spricht diesen Aspekt nicht an; siehe Paefgen, ZHR 2008, 42 ff.; ebensowenig Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 227 (das US-Recht kenne keine mit Chapter 10 der FCA Listing Rules vergleichbaren Hauptversammlungskompetenzen); Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001), S. 118 f. Eine kurze Erwähnung von NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c) findet sich bei Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 41, Fn. 20. Auch in USamerikanischen Veröffentlichungen werden die Regelungen häufig wenn überhaupt nur kurz erwähnt und nicht ausführlich besprochen; siehe etwa Oesterle, The Law of Mergers and Acquisitions, 3. Aufl. (2005), S. 132 ff. 91 So erwähnt Eisenberg schon 1976 die entsprechende Vorgängerregelung der NYSE; siehe Eisenberg, The Structure of the Corporation (1976), S. 235 f.

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oder ihrer Anzahl nach 20 % oder mehr verglichen mit den bisher ausstehenden Stammaktien ausmachen.92 Die Frage nach der Zusammenschau der Auswirkungen mehrerer Maßnahmen stellt sich somit auch hier, wenn durch mehrere Einzelmaßnahmen gemeinsam die 20 %-Grenze überschritten wird. Den NASDAQ Listing Rules selbst lässt sich hierzu nichts entnehmen, allerdings finden sich in den Staff Interpretation Letters der NASDAQ diesbezügliche Stellungnahmen.93 Die NASDAQ stellt bei Vorliegen eines zeitlichen Zusammenhangs für die Zusammenrechnung maßgeblich darauf ab, ob die Teilschritte im sachlichen Zusammenhang stehen.94 Der klassische Fall, in welchem eine Zusammenschau im Ergebnis nicht angenommen wird, ist hiernach ein Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin und eine (zusätzliche) zeitnahe Ausgabe von Anteilen zur Generierung von Barmittel, die jedoch nicht als Gegenleistung für den Beteiligungserwerb benötigt werden.95 Die erforderliche Zustimmung muss dann vor der Ausgabe der Anteile (prior to an issuance of securities) eingeholt werden und ist, was sich aus der allgemeinen Vorschrift in NASDAQ Listing Rule 5635 (e) (4) ergibt, mit der einfachen Mehrheit der abgegeben Stimmen zu erteilen. Nach NASDAQ Listing Rule 5635 (b) kann sich die Zustimmungsbedürftigkeit auch daraus ergeben, dass die Ausgabe von Anteilen der Erwerberin zu einem change of control führt. Eine Erläuterung der Definition, wann ein solcher change of control gegeben ist, findet sich allerdings nicht, sodass eine Prüfung im Einzelfall stattzufinden hat, die sich insbesondere an der Beteiligungsstruktur der jeweiligen Gesellschaft orientieren muss.96 Weitere, vorliegend weniger relevante Zustimmungserfordernisse finden sich in NASDAQ Listing Rule 5635 auch für Transaktionen mit nahestehenden Personen (Rule 5635 (a) (2)), die Ausgabe von Aktien für Aktienoptionspläne (Rule 5635 (c)) und die private Platzierung von Aktien (Rule 5635 (d)). Es existiert eine generelle Ausnahme von den Zustimmungserfordernissen nach NASDAQ Listing Rule 5635. Die Zustimmung muss nach NASDAQ Listing Rule 5635 (f) (1) und (2) namentlich nicht eingeholt werden, wenn die durch die Einholung der Zustimmung eintretende Verzögerung die finanzielle Überlebensfähigkeit (financial viability) der Gesellschaft ernsthaft gefährden würde. Die Inanspruchnahme dieser Ausnahme muss den Aktionären dann spätestens zehn Tage vor 92

Insofern wird also ein Gleichlauf zwischen einem Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin und einem statutory merger hergestellt, da bei letzterem die Aktionäre der „überlebenden“ Gesellschaft nach Sec. 251 (f) DGCL auch nur unten den genannten Voraussetzungen zustimmen müssen; siehe hierzu nochmals Fn. 75. 93 Die NASDAQ Staff Interpretation Letters sind abrufbar unter https://listingcenter.nasda qomx.com/Material_Search.aspx?cid=71&mcd=SI. 94 Siehe NASDAQ Staff Interpretation Letter 2011-6 und 2009-25. 95 Siehe NASDAQ Staff Interpretation Letter 2011-6 und 2009-25. 96 Kling/Simon, Negotiated Acquisitions of Companies, Subsidiaries and Divisions (2014), § 2.04, dort insbes. Fn. 26.

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Ausgabe der jungen Aktien unter Erläuterung der Transaktion mitgeteilt werden und muss ausdrücklich vom audit committee oder einer vergleichbaren Einrichtung des board of directors genehmigt worden sein, welche ausschließlich mit unabhängigen und nicht betroffenen (independend, disinterested) directors besetzt ist. Allerdings dürfte – wie auch schon bei der ähnlichen Ausnahme zum englischen Recht erläutert97 – die Anwendung dieser Ausnahme beim Beteiligungserwerb nicht in Betracht kommen. bb) NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 Die Regelungen in NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 funktionieren ähnlich zu den beschriebenen Regelungen der NASDAQ Listing Rules. Die besonders relevante NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c) stellt zwar einleitend nicht ausdrücklich auf den Einsatz der Anteile der Erwerberin zu einem Beteiligungserwerb ab, ist aber ansonsten (bis auf die Setzung der Kommata) wortlautgleich zu NASDAQ Listing Rule 5635 (a) (1). Entscheidend ist also auch hier, dass Stammaktien oder solche Instrumente ausgegeben werden, die 20 % oder mehr verglichen mit den bisher ausstehenden Stimmrechten oder der Anzahl der bisher ausstehenden Stammaktien ausmachen. Betreffend die Zusammenrechnung mehrerer Einzelmaßnahmen umfasst der Wortlaut von NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (b) auch ausdrücklich eine series of related transactions. Ausgenommen von der Zustimmungsbedürftigkeit sind auch hier ein public offering for cash und eine private Platzierung (bona fide private financing) gegen Barmittel, wenn die Ausgabe zu einem höheren Preis als dem Buch- und Marktwert erfolgt. Weiterhin existiert mit NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (d) auch eine Regelung, die eine Zustimmungsbedürftigkeit bei einem change of control vorsieht, allerdings ebenfalls ohne eine Definition zu liefern. Nach NYSE Listed Company Manual Sec. 312.07 genügt für die Zustimmung auch hier die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. cc) Auswirkungen auf Beteiligungserwerbe Die Auswirkungen von NASDAQ Listing Rule 5635 (a) (1) auf Beteiligungserwerbe sind offensichtlich, knüpft der Wortlaut der Regelung doch gerade an sie an. Allerdings bedarf dies auch keiner ausdrücklichen Erwähnung, sodass auch NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c) einen parallelen Anwendungsbereich hat. Erfasst sind allerdings jeweils nur Beteiligungserwerbe gegen Anteile der Erwerberin, welche der Zustimmung bedürfen, wenn eine der beschriebenen 20 %-Grenzen überschritten wird. Dementsprechend nicht erfasst sind Beteiligungserwerbe gegen 97

Siehe nochmals unter A.I.2.a) am Ende.

A. Rechtsvergleichende Perspektive

247

Barmittel. Dies bedeutet weiterhin, dass gemischte Beteiligungserwerbe gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin nur insoweit der Zustimmung der Aktionäre bedürfen, als durch den Einsatz der Anteile der Erwerberin die beschriebene Grenze von 20 % überschritten wird.98 Dies ergibt sowohl der eindeutige Wortlaut, als auch der historische Vergleich, da nach einer älteren Vorgängerregelung im NYSE Listed Company Manual, die im Übrigen noch einen Schwellenwert von 18,5 % enthielt, interessanterweise noch die gesamte Gegenleistung berücksichtigt werden musste, also insbesondere auch aufgewendete Barmittel.99 Der Fallgruppe des change of control wohnt ein ähnlicher Grundgedanke inne wie dem reverse takeover nach englischem Recht. Obwohl formal die Erwerberin eine Beteiligung erwirbt, erlangt de facto der Veräußerer die Kontrolle über die Erwerberin. Dies kann der Fall sein, wenn der Veräußerer der Beteiligung durch die Transaktion der größte Aktionär der Erwerberin wird, insbesondere, wenn ansonsten keine Aktionäre mit größeren Beteiligungen vorhanden sind.100 Allerdings wird in einem solchen Fall durch die Ausgabe der jungen Aktien ohnehin oft gleichzeitig die 20 %-Grenze in NASDAQ Listing Rule 5635 (a) (1) und NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c) überschritten werden, sodass sich ein Zustimmungserfordernis auch hieraus ergibt. b) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Zustimmungserfordernis Eine spezielle Regelung betreffend die Rechtsfolge einer nicht eingeholten Zustimmung findet sich nicht. Allerdings heißt es im etwas anderen Kontext in den NASDAQ Listing Rules unter IM-5635-2 (Interpretative Material Regarding the Use of Share Caps to Comply with Rule 5635): „Of course, if shareholder approval is not obtained, then the investor will not be able to acquire 20 % or more of the common stock or voting power outstanding before the transaction and would continue to hold the balance of the original security in its unconverted form.“

Auch in NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 heißt es: „Shareholder approval is a prerequisite to issuing securities in the following situations“.

Dies klingt zunächst durchaus nach einem echten Wirksamkeitserfordernis. Nach deutschem Verständnis wäre es allerdings überraschend, wenn börsenrechtliche 98 Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 10; Kamar, Does Shareholder Voting on Acquisitions Matter? (2011), S. 11. 99 Siehe zu der damaligen „18 12% rule“ in Sec. 312.00 NYSE Listed Company Manual a.F. Coffee, 84 Colum. L. Rev. 1145, 1254 f. (1984), dort Fn. 332; Kling/Simon, Negotiated Acquisitions of Companies, Subsidiaries and Divisions (2014), § 2.04, dort insbes. Fn. 6. Voraussetzung für eine derartige Anknüpfung war allerdings auch damals, dass überhaupt Stammaktien der Erwerberin als Gegenleistung eingesetzt wurden. 100 Kling/Simon, Negotiated Acquisitions of Companies, Subsidiaries and Divisions (2014), § 2.04, dort insbes. Fn. 26.

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Regelungen zu einer gesellschaftsrechtlichen Unwirksamkeit der Ausgabe der Anteile führen könnten. Auch in den USAwird in der Literatur davon ausgegangen, dass im Gegensatz zu einem Verstoß gegen Zustimmungserfordernisse des einzelstaatlichen Gesellschaftsrechts ein Verstoß gegen die Listing Rules nicht zu einer Unwirksamkeit der Transaktion führen kann.101 Allerdings droht hier, wie dies auch die FCA Listing Rules vorsehen, bei einem Verstoß ein Delisting.102 Dieses kann nach NASDAQ Listing Rule 5801 erfolgen, wenn Gesellschaften sich nicht an die Erfordernisse der NASDAQ Listing Rules 5000 ff. halten, wobei das Verfahren des Delisting in den folgenden Vorschriften geregelt ist. Ebenso droht an der NYSE ein Delisting, wenn sich die Gesellschaft nicht an die Regeln des NYSE Listed Company Manual hält, was sich aus Sec. 801.00 ergibt. Insbesondere kann sich ein relevanter Verstoß gerade auch aus einer Verletzung von Section 3 im Allgemeinen und damit auch aus Sec. 301.00 ff. im Speziellen ergeben, was Sec. 801.00 ausdrücklich betont.103 Weiterhin drohen Sanktionen nach der allgemeinen Vorschrift in NASDAQ Listing Rule 8310 (1) (a), wobei insbesondere eine offizielle Rüge (censure), eine Strafzahlung und eine Suspendierung der Mitgliedschaft, letztlich aber auch jegliche andere angemessen Maßnahme (any other fitting sanction) in Betracht kommt. Vorher ist jedoch das Verfahren nach NASDAQ Listing Rule 9000 ff. durchzuführen. Eine Möglichkeit für die Aktionäre, gegen eine (drohende) Verletzung des Zustimmungserfordernisses vorzugehen, sehen die NASDAQ Listing Rules und das NYSE Listed Company Manual nicht vor. c) Verhältnis zu anderen Zustimmungserfordernissen Die Frage nach dem Verhältnis zu anderen Zustimmungserfordernissen stellt sich hier nicht in gleicher Schärfe wie nach deutschem und englischem Recht, da wie gesehen nach Sec. 161 DGCL die Ausgabe junger Aktien aus dem authorized stock grundsätzlich im Ermessen des board steht und die Aktionäre nicht zwingend zu beteiligen sind. Es könnte allenfalls eine Konkurrenz zwischen der Zustimmung zur Schaffung bzw. Erhöhung der Anzahl des authorized stock und der notwendigen Zustimmung nach den NASDAQ Listing Rules bzw. dem NYSE Listed Company Manual bestehen. Hierzu lässt sich den NASDAQ Listing Rules und dem NYSE Listed Company Manual aber nichts entnehmen. Da erstere Zustimmung sehr allgemeiner 101 Kling/Simon, Negotiated Acquisitions of Companies, Subsidiaries and Divisions (2014), § 2.04 („These requirements, unlike those imposed by state law or charter provisions, will not, if ignored, affect the validity of the transaction in question.“). 102 Kling/Simon, Negotiated Acquisitions of Companies, Subsidiaries and Divisions (2014), § 2.04 („The failure to abide by them can, however, result in the delisting of the issuer’s shares from such exchange […]“). 103 Dort heißt es: „[…] if common stock is delisted for violation of any of the ,Corporate Responsibility‘ criteria in Section 3 of this Listed Company Manual“.

A. Rechtsvergleichende Perspektive

249

Natur ist, der Zweck der Ausgabe der Anteile nicht angegeben werden muss und keine zeitliche Grenze vorgesehen ist, ist eine Vergleichbarkeit auch in der Sache nicht gegeben. Die allgemeine Natur der Entscheidung wird auch schon aus ihrem Charakter als Änderung der Satzung (certificate of incorporation) ersichtlich, sodass nicht erkennbar ist, dass diese an der spezielleren Zustimmungspflicht der NASDAQ Listing Rules bzw. des NYSE Listed Company Manual etwas zu ändern vermag. d) Schutzzweck der Zustimmungserfordernisse Der Schutzzweck der NASDAQ Listing Rules bzw. des NYSE Listed Company Manual liegt primär auf der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts und der Herstellung von Vertrauen der Öffentlichkeit in den Markt. Dies lässt sich NASDAQ Listing Rule 5101 entnehmen, welche die Präambel zu den Vorschriften über die regulatorischen Kompetenzen der NASDAQ enthält.104 Das Investorenvertrauen soll hierbei auch gerade dadurch hergestellt werden, dass die Gesellschaften Standards für Verantwortlichkeit, Integrität und Rechenschaftspflicht gegenüber den Aktionären beachten, wie NYSE Listed Company Manual Sec. 301.00 unterstreicht.105 Des Weiteren ist jedoch auch eine individualschützende Komponente erkennbar. Offenbar liegt dem gesamten Abschnitt der Sec. 5635 ff. NASDAQ Listing Rules und ebenso NYSE Listed Company Manual Sec. 312 ff. die Idee zugrunde, dass eine maßgebliche Verschiebung des Stimmgewichts einer Zustimmung der Aktionäre bedürfen soll,106 worauf sogleich noch ausführlicher eingegangen wird. 3. Zusammenfassung und Stellungnahme Nach NASDAQ Listing Rule 5635 (a) (1) und NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c) besteht also eine Zustimmungsbedürftigkeit, wenn bei einem Beteiligungserwerb als Gegenleistung Stammaktien der Erwerberin ausgegeben werden und diese Stammaktien nach ihrer Ausgabe entweder Stimmrechte von 20 % oder mehr verglichen mit den bisher ausstehenden Stimmrechten gewähren oder ihrer Anzahl nach 20 % oder mehr verglichen mit den bisher ausstehenden Stammaktien ausmachen. 104

Dort heißt es unter Satz 1: „Nasdaq is entrusted with the authority to preserve and strengthen the quality of and public confidence in its market.“ 105 Dort heißt es: „Investors expect that if a company’s shares are listed on the New York Stock Exchange, the company has complied with specified financial standards and disclosure policies developed and administered by the Exchange. In addition, consistent with the Exchange’s long-standing commitment to encourage high standards of corporate democracy, every listed company is expected to follow certain practices aimed at maintaining appropriate standards of corporate responsibility, integrity and accountability to shareholders.“ 106 So auch Rock/Davies/Kanda/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 194.

250

Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Diese kapitalmarkt- bzw. börsenrechtlichen Zustimmungserfordernisse des USamerikanischen Rechts lassen sich vor allem vor dem Hintergrund des Funktionsverständnisses des Kapitalmarktrechts und dessen Verzahnung mit dem Gesellschaftsrecht interpretieren. Das US-amerikanische Recht begreift vielfach die kapitalmarktrechtlichen Regelungen als primäres Instrument des Aktionärs- bzw. Anlegerschutzes und gewährleistet auf gesellschaftsrechtlicher Ebene nur ein Mindestniveau an Schutz.107 In Anbetracht dieser Feststellung verwundert es auch nicht, dass der einschlägige Abschnitt der Sec. 5600 ff. in den NASDAQ Listing Rules mit „Corporate Governance Requirements“ überschrieben ist und Sec. 3 des NYSE Listed Company Manual mit „Corporate Responsibility“. Das Gesamtbild erschließt sich in Zusammenschau mit dem bestehenden gesellschaftsrechtlichen Hintergrund, namentlich dem beschriebenen Minimalschutz, der sich am Recht des Staates Delaware exemplifizieren lässt. Die einzige gesellschaftsrechtliche Mitwirkung der Aktionäre an der Schaffung der jungen Aktien besteht dort darin, die Zahl des authorized stock im certificate of incorporation festzulegen. Da auch kein zwingendes Bezugsrecht der Altaktionäre besteht, hat das board es somit grundsätzlich – begrenzt nur durch die fiduciary duties108 – alleine in der Hand, die Beteiligung der Altaktionäre zu verwässern und neuen Aktionären auch signifikante Beteiligungen einzuräumen. Dieser extremen gesellschaftsrechtlich vermittelten Machtfülle des board im Verhältnis zu den Aktionären, welche zudem in den einzelnen Bundesstaaten verschieden ausgestaltet ist, soll offenbar durch das Korrektiv eines börsenrechtlichen Zustimmungserfordernisses – jedenfalls bei der Ausgabe einer großen Zahl junger Aktien – entgegengewirkt werden.109 Die Regelungen in NASDAQ Listing Rule 5635 (a) (1) und in NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c) dienen somit in individualschützender Perspektive vor allem dem Schutz der Altaktionäre vor einem Einflussverlust bei der Ausgabe einer großen Zahl junger Aktien durch das board,110 wobei diese Gefahr bei einem umfangreichen Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin freilich groß ist. In dieses Bild fügen sich auch die Regelungen in NASDAQ Listing Rule 5635 (b) und NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (d) ein, da bei einer Ausgabe von Aktien, die zu einem change of control führt, ebenfalls der Einfluss der Altaktionäre maßgeblich beeinträchtigt wird.

107

Merkt, AG 2003, 126, 127; Assmann, in: Festschrift für Kümpel (2003), S. 3 ff. (auch zu den historischen Hintergründen der Entwicklung der Securities Regulation in den USA). 108 Siehe hierzu nochmals Fn. 83 und 84. 109 Ähnlich Ganor, 46 Wake Forest L. Rev. 701, 734 (2011). 110 Rock/Davies/Kanda/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law (2009), S. 194, dort insbes. Fn. 48.

A. Rechtsvergleichende Perspektive

251

III. Zwischenergebnis Für das deutsche Recht de lege ferenda ergeben sich aus dem Vergleich des deutschen mit dem englischen und dem US-amerikanischen Recht mehrere Beobachtungen und Impulse für die Fragen, „wo“ und „wie“ die Zustimmungsbedürftigkeit von Beteiligungserwerben geregelt werden kann. Wenn auch die Rechtssysteme aufgrund ihrer historischen und systematischen Verschiedenheiten nicht vollständig vergleichbar sind, so lassen sich doch die einzelnen Regelungskonzepte und deren Bausteine vergleichen und gegebenenfalls kombinieren. Bezüglich der Frage, „wo“ die Regelung der Problematik erfolgen kann, zeigen sich drei prinzipielle Möglichkeiten: – eine Lösung auf Ebene des Richterrechts, wie bisher nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen, – alternativ hierzu eine gesetzliche Regelung auf Ebene des allgemeinen Gesellschaftsrechts oder – eine Regelung auf Ebene des Kapitalmarkt- bzw. Börsenrechts wie im FCA Handbook in England und den NASDAQ Listing Rules und dem NYSE Listed Company Manual in den USA. Diese dritte Option setzt dabei freilich eine Beschränkung der Regelung jedenfalls auf börsennotierte Gesellschaften voraus. Für die Voraussetzungen der Zustimmungsbedürftigkeit und die Erteilung der Zustimmung, also für das „wie“, lassen sich die folgenden Möglichkeiten festhalten: In qualitativer Hinsicht kann die Zustimmungsbedürftigkeit bei einem Beteiligungserwerb anknüpfen: – an den Einsatz der Barmittel als Gegenleistung, wie nach dem zum deutschen Recht nach den Leitlinien der Rechtsprechung des BGH ermittelten Prüfungsmaßstab, – an den Einsatz der Anteile der Erwerberin wie nach NASDAQ Listing Rule 5635 (a) (1) und in NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c) oder – unabhängig davon, ob der Beteiligungserwerb gegen Barmittel oder Anteile der Erwerberin erfolgt, allein an die Überschreitung von quantitativen Schwellenwerten wie nach dem FCA Handbook nach LR 10.5.1 R (2) bei einer class 1 transaction und (teilweise) nach LR 5.6.4 R bei einem reverse takeover. Weitere denkbare Anknüpfungspunkte, welche allerdings nicht spezifisch für den Beteiligungserwerb sind, wären auch: – ein change of control wie nach NASDAQ Listing Rule 5635 (b) und NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (d) sowie auch nach dem FCA Handbook nach LR 5.6.4 R bei einem reverse takeover oder – eine fundamentale Veränderung des Geschäftsbetriebs wie nach LR 5.6.4 R des FCA Handbook bei einem reverse takeover.

252

Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Bei der quantitativen Bemessung bieten sich zunächst verschiedene Ansatzpunkte bei den zu betrachtenden Parametern, welche freilich mit dem jeweiligen gewählten qualitativen Kriterium korrespondieren müssen: – ein Vergleich der zum Beteiligungserwerb eingesetzten Barmittel mit der Konzern-Bilanzsumme der Erwerberin wie nach dem zum deutschen Recht nach den Leitlinien der Rechtsprechung des BGH ermittelten Prüfungsmaßstab, – ein Vergleich der zum Beteiligungserwerb eingesetzten Anteile der Erwerberin mit den bisherigen Stimmrechten und der Anzahl der bisherigen Anteile wie nach NASDAQ Listing Rule 5635 (a) (1) und NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c) oder – wie nach den class tests von LR 10 Annex 1 G des FCA Handbook ein Vergleich des von der Transaktion betroffenen Bruttovermögens (Gross Assets test), des Gewinns (Profits test) und des Bruttokapital (Gross Capital test) mit den jeweiligen Werten der Gesellschaft auf Konzernbasis sowie der Gegenleistung (Consideration test) mit dem Marktwert aller Anteile der Gesellschaft. Schließlich zeigt sich auch bei dem quantitativen Schwellenwert ein großer Spielraum: – nach der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung muss ein Schwellenwert von 75 – 80 % erreicht werden, wobei in der älteren Diskussion vor Gelatine auch Schwellenwerte zwischen 10 % und 75 % vertreten wurden, – NASDAQ Listing Rule 5635 (a) (1) und NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c) sehen einen Schwellenwert von 20 % hinsichtlich der Stimmrechte und Anzahl der neu ausgegebenen Aktien vor und – nach den class tests des FCA Handbook genügt es, wenn ein Schwellenwert von 25 % erreicht ist. Das Mehrheitserfordernis für eine notwendige Zustimmung kann schließlich ebenfalls verschieden gestaltet werden: – nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen ist eine Mehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals erforderlich; – für die Beschlüsse nach dem FCA Handbook gemäß Sec. 282 (1) CA 2006 bzw. auch gemäß NASDAQ Listing Rule 5635 (e) (4) und NYSE Listed Company Manual Sec. 312.07 genügt hingegen grundsätzlich eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Im nächsten Schritt soll die Fragestellung nun unter rechtsökonomischen Gesichtspunkten näher untersucht werden. Denn die ökonomische Analyse des Rechts schafft, wie bereits erwähnt, eine von der Dogmatik der einzelnen Rechtsordnungen losgelöste Basis für den Vergleich der verschiedenen Regelungskonzepte.111 So kann 111 Fleischer, in: Festschrift für Wiedemann (2002), S. 827, 846 f.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 6.

B. Rechtsökonomische Analyse

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untersucht werden, ob ein Hauptversammlungserfordernis bei umfangreichen Beteiligungserwerben rechtsökonomisch sinnvoll erscheint und wie gegebenenfalls dessen Kriterien mit Hilfe der aufgezeigten Regelungskonzepte nach deutschem, englischem und US-Recht auszugestalten wären.

B. Rechtsökonomische Analyse Die ökonomische Analyse des Rechts112 lässt sich im Bereich der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse fruchtbar machen, da sie geeignet ist, die tradierte Rechtswissenschaft in entscheidenden Punkten, insbesondere hinsichtlich der Folgenprognose und der Folgenbewertung, zu ergänzen und somit Erkenntnisse über die Sinnhaftigkeit bzw. die Ausgestaltung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb ermöglicht. Nach einer kurzen Analyse des methodischen Vorgehens und der grundsätzlichen Annahmen der ökonomischen Analyse des Rechts (hierzu unter I.) kann sodann ein Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb rechtsökonomisch untersucht werden (hierzu unter II.).

I. Methodisches Vorgehen und Annahmen der ökonomischen Analyse des Rechts 1. Positive Folgenprognose Die ökonomische Analyse des Rechts ist zunächst geeignet, positive Aussagen über das Verhalten des Rechtsanwenders zu treffen. a) Grundannahmen Das ökonomische Verhaltensmodell113 unterstellt den Akteuren eigennütziges Handeln, welches unter Analyse der aufzuwendenden Kosten114 an der Mehrung des 112 Teilweise wird auch von „Ökonomischer Theorie des Rechts“ gesprochen, da hierdurch deutlich werden soll, dass es sich sowohl um eine ökonomische Theorie, als auch um eine Unterdisziplin der Rechtswissenschaften handelt; siehe Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts (1997), S. 5 f. 113 Hierzu grundlegend Becker, Ökonomische Erklärung menschlichen Verhaltens, 2. Aufl. (1993). Neben der Bezeichnung als homo oeconomicus finden sich auch die Begrifflichkeiten Rational Choice Model oder Rational Choice Theory; vgl. Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 84; van Aaken, in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2000 (2001), S. 127, 138 f. 114 In Abwesenheit von Transaktionskosten würde sich bei übertragbaren Rechtspositionen, unabhängig von deren ursprünglicher Allokation, stets die effizienteste Nutzung der Ressourcen durchsetzen; so die zentrale Aussage von Coase, der als (einer der) Begründer der

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

eigenen Vorteils orientiert ist.115 Hierbei wird weiter unterstellt, dass bei Handlungen mit risikoreichem Ausgang die Eintrittswahrscheinlichkeit jeder Handlungsfolge mit dem erwarteten Nutzen multipliziert wird, um so den Erwartungsnutzen zu ermitteln.116 Die Erwartungen der Akteure werden wiederum rational unter Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen geformt,117 wobei unterstellt wird, dass die Akteure neue Informationen in ihren Entscheidungsprozess einpflegen.118 Um repräsentative Ergebnisse zu erzielen, wird aber hinsichtlich eines Beobachtungszeitraums üblicherweise von der Konstanz der jeweiligen Präferenzen ausgegangen.119 Kollektive Entscheidungen ergeben sich als Summe individueller Entscheidungen, sog. methodologischer Individualismus, da nur Individuen Präferenzen aufweisen und Restriktionen unterliegen können.120 Restriktionen können insbesondere in der Knappheit von Gütern, aber auch in der Form von sanktionierenden Vorschriften bestehen,121 wobei auch ein Gesetzes- oder Vertragsbruch nach dem ökonomischen Verhaltensmodell zu unterstellen wäre, wenn dieser sich für den Akteur nutzenmaximierend auswirkt.122 Umgekehrt können Gesetze aber auch positive Handlungsanreize setzen.123 ökonomischen Analyse des Rechts angesehen wird und für seine Arbeiten mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde; siehe Coase, 3 J.L. & Econ. 1 ff. (1960). 115 Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. (2014), S. 3 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 95; Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts (1997), S. 13 ff.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 3; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 41 f. 116 Sog. Subjective Expected Utility Theory; hierzu Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 85 f. 117 Sog. Rational Expectations Theory; hierzu Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 86 ff.; grundlegend Muth, 29 Econometrica 315, 316 f. (1961) („rational expectations“ hypothesis). 118 Sog. Bayes’ Gesetz; hierzu Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 88; grundlegend Bayes, 53 Philosophical Transaction of the Royal Society of London 370 (1763). 119 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 98; Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts (1997), S. 8; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 32 f. 120 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), Einl., XXXV, XXXVI; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 3; Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts (1997), S. 18 f.; Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1042; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 49 f.; ausführlicher auch van Aaken, in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2000 (2001), S. 127, 136 ff. 121 Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts (1997), S. 7; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 34 f. 122 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 35 f.; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 41 f. 123 Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts (1997), S. 7; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 41.

B. Rechtsökonomische Analyse

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b) Kritik und Fortentwicklung Die Annahme des rationalen Handelns im Sinne eines homo oeconomicus ist freilich die am meisten kritisierte Annahme der ökonomischen Betrachtung.124 Insbesondere ist es Gegenstand vieler Studien nachzuweisen, dass die Akteure sich in vielen Situationen gerade nicht rational verhalten.125 Die wichtigsten hierbei beobachteten abweichenden Effekte von der Modellannahme des Rationalverhaltens, auf Englisch auch als bias bezeichnet, lassen sich wie folgt zusammenfassen: Was zunächst die Informationsgrundlage von Entscheidungen betrifft, werden Informationen aufgrund begrenzter kognitiver Fähigkeiten nur selektiv wahrgenommen und zudem, insbesondere bei der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten, vorzugsweise leicht verfügbare Informationen herangezogen (availability bias).126 Im Rückblick wird den tatsächlich eingetretenen Folgen oft eine größere ex-ante-Wahrscheinlichkeit beigemessen (hindsight bias).127 Im Übrigen wird auch die eigene Leistungsfähigkeit systematisch überschätzt (overconfidence bias)128 und übermäßig optimistisch vorgegangen (overoptimism).129 Weiterhin besteht eine Tendenz dahingehend, an einer erlangten Besitzposition trotz wirtschaftlich besserer Alternativen festzuhalten (endowment effect).130 Auch besteht im Bereich des Gewinns tendenziell eine Risikoaversion, während zum Ausgleich von Verlusten größere

124 Siehe stellvertretend Fezer, JZ 1986, 817, 820 („[D]as ökonomische Kalkül der Nutzenund Gewinnmaximierung sowie die Allokationseffizienz sind ideologische Vorgaben an die Inhalte von Rationalität und Individualismus im mikroökomischen Modell einer vorgestellten Welt.“); ders., JZ 1988, 223, 224; dagegen Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. (2014), S. 17 („A theory that sought faithfully to reproduce the complexity of the empirical world in its assumptions would not be a theory – an explanation – but a description.“). 125 Siehe zum guten Überblick über die vor allem von Kahneman, Tversky, Thaler und Smith betriebene Forschung zum Rationalverhalten und die hierbei entdeckten Anomalien Fleischer, in: Festschrift für Immenga (2004), S. 575, 577 f.; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218 ff.; ausführlich Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 91 ff.; auch Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 103 ff.; Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. (2014), S. 19 ff. 126 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 108 ff.; Fleischer, in: Festschrift für Immenga (2004), S. 575, 577; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218; Tversky/ Kahneman, 5 Cogn. Psychol. 207 (1973); Kuran/Sunstein, 51 Stanford L. Rev. 683, 761 (1999) („availability heuristic“). 127 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 107; Fleischer, in: Festschrift für Immenga (2004), S. 575, 577; Fischhoff, 1 J. Exper. Psychol. 288 (1975) („creeping determinism“). 128 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 116 ff.; Fleischer, in: Festschrift für Immenga (2004), S. 575, 577; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218. 129 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 116; Weinstein, 39 J. Personality & Soc. Psychol. 806 (1980) („unrealistic optimism“). 130 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 97; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218; Thaler, 1 J. Econ. Behav. & Org. 39, 44 (1980); Kahneman/Knetsch/Thaler, 5 J. Econ. Persp. 193, 194 ff. (1991).

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Risiken eingegangen werden (prospect theory).131 Für die Bewertung als Gewinn oder Verlust hat die Wahl eines gewissen Referenzpunkts, oft des Erwerbspreises, maßgeblichen Einfluss (anchoring oder framing).132 Im Kern kann und wird der Befund, dass es sich bei dem homo oeconomicus nicht um ein realitätsnahes Menschenbild handelt, auch seriöserweise nicht bestritten werden.133 Dies führt allerdings nicht dazu, dass die ökonomische Betrachtung jegliche Legitimität einbüßt. Prinzipiell kann vielmehr an ihr festgehalten werden, indem der homo oeconomicus nicht als umfassendes Menschenbild verstanden wird,134 sondern indem auf den modellhaften Charakter dieser Annahme abgestellt wird.135 Übersimplifizierung liegt mithin in der Natur einer jeden modellhaften Betrachtung136 und mindert nicht zwingend den Wert der allgemein abzuleitenden Schlüsse, sondern trägt im Gegenteil zur Leistungsfähigkeit des Modells bei, indem die Komplexität gegenüber der Realität auf ein angemessenes Maß reduziert wird.137 Dieser Befund sollte allerdings nicht dazu führen, dass sich die ökonomische Analyse des Rechts einer sinnvollen Weiterentwicklung verschließt. Eine solche ist sowohl von ökonomischer als auch vor juristischer Seite in jüngerer Zeit angestoßen worden. Unter dem Schlagwort Behavioral Economics wird auf ökonomischer Seite versucht, die dargestellten Forschungsergebnisse zur Abweichung vom Rationalverhalten heranzuziehen, um die Annahmen der traditionellen Ökonomie heraus-

131

Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 94 f.; Kahneman/ Tversky, 5 J. Risk & Uncertainty 297 f. (1992) („cumulative prospect theory“); vorhergehend dies., 47 Econometrica 263 (March 1979); Thaler, 1 J. Econ. Behav. & Org. 39, 41 ff. (1980). 132 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 95 f., 108; Fleischer, in: Festschrift für Immenga (2004), S. 575, 578; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 219; Tversky/Kahneman, 59 J. Bus. 251, 257 ff. (1986). 133 Siehe etwa Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217 („Der so beschriebene homo oeconomicus ist nicht ein real existierendes Individuum.“). 134 Vgl. aber Fezer, JZ 1986, 817, 822 („REMM nennen die Theoretiker der ökonomischen Effizienz den Menschen ihrer vorgestellten Welt, der mich als Juristen schaudern macht […] REMM ist nicht der Mensch eines verfassungsgestaltenden Privatrechts einer offenen Gesellschaft der Grundrechtsdemokratie.“). 135 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 60; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 39 f.; Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts (1997), S. 18. 136 Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. (2014), S. 17 („[A]bstraction is of the essence of scientific inquiry, and economics aspires to be scientific.“); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 60. 137 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 10; Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. (2014), S. 17 f.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 6; ebenso Fleischer, in: Festschrift für Immenga (2004), S. 575, 586 f.; anders aber Fezer, JZ 1988, 223, 224 („Modellcharakter und Realitätsferne wesentlicher Hypothesen der ökonomischen Rechtstheorie belasten und erschweren die Verwertbarkeit der wirtschaftswissenschaftlichen Aussagen für die Gestaltung des Rechts als einer Handelnsordnung, die sich auf reale Tatbestände der sozialen Steuerung bezieht.“).

B. Rechtsökonomische Analyse

257

zufordern und zu verbessern.138 Als Konsequenz dessen wird in der neuen Institutionenökonomik hinsichtlich der Rationalitätsannahme verstärkt mit dem Konzept der eingeschränkten Rationalität (bounded rationality) gearbeitet, welches begrenzt kognitive Fähigkeiten der Akteure und unvollständige Informationen anerkennt.139 Auch seitens der Juristen wird unter dem Schlagwort Behavioral Law & Economics versucht, mit Hilfe dieser neueren Erkenntnisse die „klassische“ ökonomische Analyse des Rechts zu optimieren.140 Diese Strömung schickt sich indes (noch) nicht an, die ökonomische Analyse des Rechts oder deren Grundannahmen zu überwerfen, sondern sieht ihre Aufgabe darin, die ökonomische Analyse zu ergänzen und zu verfeinern.141 Es sollen die mithilfe der ökonomischen Analyse des Rechts gefundenen Ergebnisse in einem zweiten Schritt anhand der verfeinerten Instrumente der Behavioral Law & Economics überprüft werden.142 Eine derartige Weiterentwicklung der ökonomischen Analyse des Rechts ist zu begrüßen. Denn sie reduziert die Angreifbarkeit der Grundannahmen der ökonomischen Analyse des Rechts und erhöht daher ihre Legitimität, indem sie ein realitätsnäheres Menschenbild zugrundelegt.143 Soweit vorliegend von Relevanz, sollen die rechtsökonomischen Betrachtungen daher auch in dieser Arbeit um das Element des eingeschränkten Rationalverhaltens verfeinert werden. 2. Normative Folgenbewertung Die ökonomische Analyse des Rechts bleibt in ihrer Anwendung allerdings nicht auf eine positive Analyse des Handelns der Akteure unter den existierenden rechtlichen Regelungen beschränkt. Vielmehr ist sie auch im Stande, die gefundenen

138

Vgl. Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 80. Siehe Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 4; auch Fleischer, ZGR 2001, 1, 3; ders., in: Festschrift für Immenga (2004), S. 575, 576 f.; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218 („Innerhalb der Institutionenökonomik – wenn auch nicht in der klassischen mirkroökonomischen Theorie – hat sich dieses Konzept mittlerweile durchgesetzt.“). 140 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 144 f.; Fleischer, in: Festschrift für Immenga (2004), S. 575, 586 f.; ähnlich Eidenmüller, JZ 2005, 216, 223 f. 141 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 144; Fleischer, in: Festschrift für Immenga (2004), S. 575, 586 f. („Vorerst erscheint es daher nicht angezeigt, auf breiter Front von den hergebrachten Modellannahmen abzurücken. Größeren Erfolg verspricht stattdessen eine behutsame Integration empirisch erhärteter Verhaltensmuster und eine allmähliche Verfeinerung der rechtsökonomischen Apparats.“); so auch ausdrücklich Korobkin/ Ulen, 88 Cal. L. Rev. 1051, 1074 f. (2000). 142 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 153; ähnlich auch Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 116. 143 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 138; ähnlich Eidenmüller, JZ 2005, 216, 224. 139

258

Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Ergebnisse zu bewerten und somit normative Aussagen zu treffen.144 Maßstab für die Bewertung ist primär das von Kaldor und Hicks entwickelte Effizienzkriterium. Danach ist eine Maßnahme effizient, wenn die resultierenden Vorteile der Gewinner die Nachteile der Verlierer145 derartig übersteigen, dass die Gewinner die Verlierer entschädigen könnten146 und ihnen dennoch ein Vorteil verbliebe.147 Demgegenüber ist das von Pareto entwickelte Effizienzkriterium für Betrachtungen auf größerer Ebene nur von eingeschränkter Brauchbarkeit.148 Demnach ist ein Zustand Paretosuperior, wenn durch eine Maßnahme ein Zustand geschaffen wird, den mindestens ein Individuum vorzieht, während kein anderes Individuum den Zustand ablehnt bzw. zumindest indifferent ist.149 Pareto-optimal oder -effizient ist der Zustand, wenn es keine anderen Pareto-superioren Zustände gibt.150 Schon hieraus wird deutlich, dass kaum eine Gesetzesänderung denkbar ist, durch die niemand gegenüber dem status quo ante schlechter gestellt wird.151 Diese Folgenorientierung ermöglicht somit eine wertende Analyse der Steuerungswirkung von Rechtsnormen und ermöglicht es damit, Aussagen über die anfänglich optimale Ausgestaltung von Rechtsregeln zu treffen.152 Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die richterliche Rechtsfortbildung.153

144 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 21; Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts (1997), S. 9; van Aaken, in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2000 (2001), S. 127, 128. 145 Die Bemessung der Vor- und Nachteile erfolgt hierbei monetär; siehe Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 52. 146 Würde eine solche Kompensation tatsächlich erfolgen, so läge ein Pareto-superiorer Zustand vor; siehe Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. (2014), S. 14; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 20. 147 Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. (2014), S. 14; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 51; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 39; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 20. 148 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 37; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 50. 149 Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. (2014), S. 14; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 14; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 48. 150 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 38; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 48. 151 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 38 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 12; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 49 f. 152 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 4, 21. 153 Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts (1997), S. 31; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 4.

B. Rechtsökonomische Analyse

259

3. Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts Auch die ökonomische Analyse des Unternehmensrechts wird seitens der Juristen betrieben.154 Seitens der Ökonomen findet sie unter der Bezeichnung als neue Institutionenökonomik statt,155 wobei diese als Schwesterdisziplin der ökonomischen Analyse des Rechts verstanden werden kann.156 Teilweise wird auch der Terminus functional approach gewählt, wobei auch dem eine ökonomische Betrachtung des Unternehmensrechts zugrunde liegt.157 Jedenfalls in ihren Grundannahmen und in ihrem Untersuchungsprogramm ähneln sich die Ansätze stark158 und es werden jeweils die Funktionsbeziehungen der verschiedenen Akteure, insbesondere der Anteilseigner und der Geschäftsleitung betrachtet.159 Aufgrund des methodologischen Individualismus wird auch hier die Kapitalgesellschaft vom Individuum und nicht vom Verband her gedacht.160 4. Fundamentale Problematiken Zwei fundamentale Problematiken, welche die ökonomische Analyse des Rechts untersucht, und welche auch bei der folgenden Analyse des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb von Relevanz sein werden, sind die principal-agent-Problematik und die collective-action-Problematik. a) Principal-agent-Problematik Die klassische principal-agent-Problematik resultiert daraus, dass in der Aktiengesellschaft die Kapitalgeber nicht gleichzeitig die Geschäfte der Gesellschaft führen, sondern vielmehr Eigentum und Kontrolle auseinanderfallen und der Vor154

Vgl. etwa die Arbeiten von Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991); Eisenberg, The Structure of the Corporation (1976); Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. (2014), S. 531 ff.; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 687 ff. 155 Vgl. etwa die Arbeiten von Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 402 ff.; Göbel, Neue Institutionenökonomik (2002); siehe zur historischen Entwicklung der Schule der New Institutional Economics und zur Begriffsbildung durch Williamson ausführlich Richter, EBOR 2005, 161, 162 ff. 156 Fleischer, ZGR 2001, 1, 14 („gehört zur selben Theoriefamilie“). 157 Armour/Hansmann/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 4 („It would perhaps be more accurate to call our approach ,economic‘ rather than ,functional‘ […].“). 158 Beide Theorien berufen sich auch auf Coase als Gründungsvater; siehe Fleischer, ZGR 2001, 1, 14. 159 Hierzu sogleich noch ausführlicher. 160 Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1051.

260

Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

stand als agent die Geschäfte der Gesellschaft führt.161 Hieraus resultieren zwar einerseits Spezialisierungsvorteile,162 aber ebenfalls zwangsläufig auch Zielkonflikte, Informationsasymmetrien und Agenturkosten.163 Da der Vorstand seinen Handlungsspielraum zum Nachteil der Aktionäre ausnutzen kann,164 bedarf es aus Sicht der Aktionäre als Prinzipale165 effektiver Überwachungs- bzw. Disziplinierungsmechanismen des Vorstandshandelns, wobei auch eine Mitwirkung der Aktionäre im Rahmen eines Hauptversammlungserfordernisses als ein solches Instrument in Betracht kommt.166 Gerade auch im Bereich der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse lässt sich die ökonomische Analyse somit fruchtbar machen. Hierbei handelt es sich um eine Konstellation, die zwar in ihrer speziellen Ausprägung noch nicht viel Behandlung gefunden hat,167 deren Grundkonflikt sich jedoch gut in ökonomischer Hinsicht betrachten lässt. Abstrahiert geht es um die Frage, bei welchen Maßnahmen in der Aktiengesellschaft es ökonomisch sinnvoll ist, den Aktionären ein Mitspracherecht einzuräumen.168 161

Zu dem Konflikt aufgrund der Trennung von Eigentum und Kontrolle (ownership and control) exemplarisch statt vieler Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. (2014), S. 561 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 700; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 428 ff.; Fleischer, ZGR 2001, 1, 7 f.; Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 12 f.; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 39 f.; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 56 ff.; grundlegend hierzu Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property (1932). 162 Göbel, Neue Institutionenökonomik (2002), S. 99, 281; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 177; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 39 f.; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 61 f.; Eßwein, Privatautonome Gestaltung der Vorstandshaftung (2015), S. 73. 163 Nach Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976) können die Agenturkosten verstanden werden als die Summe aus (i) den Überwachungskosten des Prinzipals (monitoring expenditures by the principal), (ii) den Kosten für vertrauensstärkende Maßnahmen des Agenten (bonding expenditures by the agent) und (iii) den Residualverlusten (residual loss). 164 Siehe nochmals Fn. 161. 165 Bei genauerer Betrachtung handelt es sich freilich auf Seiten des Vorstands um mehrere Agenten und auf Seiten der Aktionäre um eine (üblicherweise) noch größere Zahl von Prinzipalen. Hinsichtlich der Aktionäre soll in der Folge noch zwischen einzelnen Aktionärsgruppen unterschieden werden, da sich so verschiedene Präferenzen besser differenzieren und kategorisieren lassen. Hinsichtlich des Vorstands soll es jedoch bei einer einheitlichen Betrachtung bleiben. 166 Siehe zu internen und externen Überwachungs- und Disziplinierungsmechanismen sowie zur Wirkung eines Hauptversammlungserfordernisses noch ausführlich unter B.II.1.b)aa) und B.II.1.b)bb). 167 Aus jüngerer Zeit hierzu jedoch Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011); auch Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009) (letzterer allerdings nicht mit einer ökonomischen Analyse im engeren Sinne). 168 Vgl. auch schon Immenga, Aktiengesellschaft, Aktionärsinteressen und institutionelle Anleger (1971), S. 7.

B. Rechtsökonomische Analyse

261

Die rechtsökonomische Betrachtung leitet das Stimmrecht der Aktionäre grundsätzlich daraus ab, dass diese Träger des Residualinteresses sind (residual claimants).169 Während andere stakeholder wie Fremdkapitalgeber oder Arbeitnehmer vertragliche Ansprüche gegen die Gesellschaft haben, die grundsätzlich unabhängig von der Performance der Gesellschaft sind, ist das wirtschaftliche Risiko des Investments der Aktionäre stärker an die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft gekoppelt; in guten Zeiten stehen ihnen die erwirtschafteten Überschüsse als Dividende zu, in schlechten Zeiten werden sie im Falle der Insolvenz nachrangig nach den anderen Gläubigern befriedigt.170 Aufgrund dieser Interessenlage sind die Aktionäre, im Gegensatz zu allen übrigen stakeholdern, als einzige Gruppe von dem Interesse getrieben, die Gesellschaftsmittel so einzusetzen, dass sie ihrer effizientesten Verwendung zugeführt werden.171 Insbesondere bei Maßnahmen von großer Tragweite, welche die Aktionäre ökonomisch stark betreffen können, da es viel „zu gewinnen oder verlieren“ gibt,172 soll daher eine Mitwirkung der Aktionäre gerechtfertigt sein.173 b) Collective-action-Problematik Die collective-action-Problematik stellt sich vor allem bei Gesellschaften mit einem großen Kreis von Aktionären mit jeweils sehr kleinen Beteiligungen.174 Die Teilnahme an Abstimmungen und die Beschaffung von Informationen im Vorfeld verursacht Kosten.175 Ob der einzelne Aktionär allerdings diese Kosten auf sich 169 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 67 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 700; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 174; Göbel, Neue Institutionenökonomik (2002), S. 233; Cahn/Donald, Comparative Company Law (2010), S. 471; Bainbridge, 53 UCLA L. Rev. 601, 613 (2006). 170 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 67; Cahn/ Donald, Comparative Company Law (2010), S. 471; Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. 301, 302 f. (1983); Kuhner, ZGR 2004, 244, 259. 171 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 68; Schäfer/ Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 700; Göbel, Neue Institutionenökonomik (2002), S. 233. 172 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 79; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 173 ff. 173 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 79 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 700; Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336. 174 Nach den grundlegenden Untersuchungen von Berle/Means auch als „Berle/Meanscorporation“ bezeichnet; siehe Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property (1932), S. 4 f. (etwa bezugnehmend auf die damalige American Telephone and Telegraph Company „whose largest holder is reported to own less than one per cent of the company’s stock“). 175 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 66; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 175; Heuser,

262

Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

nehmen wird, hängt insbesondere von der Ausgestaltung seines Investments und von seinen anderweitigen Handlungsoptionen ab. Hinsichtlich der Handlungsoptionen lassen sich drei primäre Optionen unterscheiden:176 – Der Aktionär kann sich entscheiden, keine Informationskosten auf sich zu nehmen, an einer Abstimmung nicht teilzunehmen und gegebenenfalls die Aktie zu veräußern (exit). – Der Aktionär kann sich entscheiden, die Informationskosten auf sich zu nehmen und an der Abstimmung teilzunehmen (voice). – Der Aktionär kann sich entscheiden, keine Informationskosten auf sich zu nehmen, an der Abstimmung aber dennoch teilzunehmen und sein Stimmverhalten an anderen Aktionären oder am Vorschlag der Verwaltung zu orientieren (freerider).177 Für einen Aktionär mit einer kleinen Beteiligung wird sich die Inkaufnahme der Informationskosten aber in der Regel nicht lohnen, da diese im Vergleich zu dem zu erwartenden Vorteil unangemessen hoch wären.178 Wenn viele Aktionäre berechtigt sind, an der Abstimmung teilzunehmen, kann der Einzelne außerdem nicht davon ausgehen, dass sein Abstimmungsverhalten die Entscheidung maßgeblich beeinflusst und ohnehin profitiert er von den Vorteilen der Überwachung des Vorstandshandelns nur zu einem kleinen Teil selbst.179 Die Koordination des Stimmverhaltens mit den anderen Aktionären würde im Übrigen weitere Kosten verursachen.180 Das Ergebnis dieses Befunds kann eine bewusste Entscheidung der einzelnen Aktionäre sein, an der betreffenden Entscheidung nicht teilzunehmen, da es sich mit Blick auf den geringen Einfluss und den möglichen Nutzen nicht lohnt, die Kosten

Shareholder Activism (2012), S. 20; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 89. 176 Siehe Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 441 f.; auch Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 197 f.; grundlegend hierzu Hirschmann, Exit, Voice, and Loyalty (1970). 177 Black, 89 Mich. L. Rev. 520, 585 (1990) („perhaps they’ll adopt a crude rule of thumb like ,always vote with management‘“). 178 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 66; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 175 f.; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 89; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 21. 179 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 66 f.; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 175 f.; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 21. 180 Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 109; Black, 39 UCLA L. Rev. 811, 821 f. (1992); Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 67; Roth, ZIP 2003, 369, 376.

B. Rechtsökonomische Analyse

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für eine informierte Entscheidung auf sich zu nehmen (sog. rational apathy).181 Nimmt aber eine Vielzahl der Aktionäre eine derartige Position ein, so ist offensichtlich, dass es nicht zu einer effektiven Überwachung des Vorstandshandelns kommt.182 Allerdings wird davon ausgegangen, dass gerade bei fundamentalen Entscheidungen die collective-action-Problematik gegebenenfalls dennoch deswegen überwunden werden kann, da für die Aktionäre viel auf dem Spiel steht.183

II. Rechtsökonomische Analyse eines Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb Bei der rechtsökonomischen Analyse eines Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb soll zwischen einem Beteiligungserwerb durch börsennotierte (hierzu unter 1.) und nicht börsennotierte Gesellschaften (hierzu unter 2.) unterschieden werden. Diese Unterscheidung rechtfertigt sich aufgrund der verschiedenen Aktionärsstruktur und Interessenlage der Akteure in börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften.184 Auf beides wird im Verlauf der Untersuchung noch vertieft einzugehen sein. 1. Beteiligungserwerb durch börsennotierte Aktiengesellschaft Bei der Analyse sind zunächst die grundsätzlichen Präferenzen und Handlungsoptionen der beteiligten Akteure zu beleuchten (hierzu unter a)), um dann zu prüfen, wie sich diese Präferenzen und Handlungsoptionen bei einem Beteiligungserwerb ohne und mit Zustimmungserfordernis der Aktionäre auswirken (hierzu unter b)). Im nächsten Schritt sind dann die theoretisch ermittelten Ergebnisse mit empirischen Studien in Abgleich zu bringen (hierzu unter c)). Schließlich soll noch die Ausgestaltung der einzelnen Kriterien eines Hauptversammlungserfordernisses analysiert werden (hierzu unter d)). 181 Statt vieler Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 443; Cahn/Donald, Comparative Company Law (2010), S. 474; Black, 89 Mich. L. Rev. 520, 524 f. (1990); Rock, 79 Geo. L. J. 445, 467 f. (1991); Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), Vor § 76 Rn. 3; Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 11; Roth, ZIP 2003, 369, 376. 182 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 441; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 22. 183 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 79; Rock/ Davies/Kanda/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 184; Fleischer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2 (2007), S. 430, 461; Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016), S. 6. 184 So auch Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 170.

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

a) Grundsätzliche Präferenzen und Handlungsoptionen der beteiligten Akteure Es sind hier die Präferenzen und Handlungsoptionen des Vorstands und der Aktionäre der Erwerberin zu betrachten, da der gesamte Themenkomplex der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse letztlich um die Frage der angemessenen Kompetenzverteilung zwischen diesen beiden Organen kreist. Auch die Rolle des Aufsichtsrats ist aber hierbei freilich zu würdigen. Dass die in der Folge dargestellten Präferenzen und Handlungsoptionen modellhaft zu verstehen sind und dass diese in der Realität stark einzelfallgeprägt sein können bzw. auch Änderungen unterliegen, bedarf nach dem eingangs Gesagten eigentlich keiner weiteren Erwähnung. Nur durch einen angemessenen Grad an Abstraktion lässt sich indes überhaupt eine aussagekräftige modellhafte Betrachtung anstellen.185 aa) Vorstand Von der ökonomischen Annahme des eigennütziges Handelns ausgehend, werden die Vorstandsmitglieder darauf abzielen, die Ressourcen des Unternehmens bestmöglich zur Erreichung ihrer eigenen Präferenzen einzusetzen.186 Dabei können ihre Interessen mit den Interessen der Aktionäre in Konflikt treten. An dieser Stelle sind primär die positiven Zielsetzungen des Vorstands zu beleuchten. Restriktionen werden dann bei den einzelnen Disziplinierungsmechanismen erörtert. Da der Vorstand fremdnützige Arbeit verrichtet, kann davon ausgegangen werden, dass sein primäres Interesse in einer möglichst hohen Entlohnung für diese Tätigkeit liegt.187 Allerdings ist diese ökonomisch auch in Relation zu dem erbrachten Aufwand zu sehen, sodass bei einer fixen Vergütung ein Anreiz gesetzt werden kann, die Anstrengungen zu reduzieren.188 Bei einer Beteiligung der Vorstandsmitglieder am Unternehmenserfolg durch eine variable Vergütung, welche diesem Effekt entgegenwirken soll, stellt sich allerdings gegebenenfalls der sog. 185 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), S. 6; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 10; Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. (2014), S. 17 f. 186 Armour/Hansmann/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 35 f.; Bainbridge, 53 UCLA L. Rev. 601, 625 (2006); Jensen/Murphy, 98 J. Pol. Econ. 225, 226 (1990) („[…] the CEO compares only his private gain and cost from pursuing particular activity.“); Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 67. 187 von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen (2004), S. 177; ähnlich Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 67 (allerdings ohne derart starke Priorisierung); etwas anders aber Eisenberg, The Structure of the Corporation (1976), S. 31 („[H]owever, the desire for financial gain is only one, and perhaps the weakest, of the motives which shape a manager’s conduct, and many of the nonfinancial motives which drive the manager bear heavily on structural changes.“). 188 Göbel, Neue Institutionenökonomik (2002), S. 102 (sog. shirking oder „Drückebergerei“); Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 77 f.

B. Rechtsökonomische Analyse

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„Zeitpräferenzkonflikt“, das heißt, es kann eine Präferenz dahingehend bestehen, solche Investitionen zu tätigen, bei denen mit kurzfristig hohen Überschüssen zu rechnen ist, die sich jedoch später negativ auswirken können.189 In Reaktion hierauf hat der Gesetzgeber inzwischen für börsennotierte Gesellschaften in § 87 Abs. 1 S. 2 AktG ausdrücklich geregelt, dass die Vergütung auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten ist und dass nach § 87 Abs. 1 S. 3 AktG variable Vergütungsbestandteile eine langjährige Bemessungsgrundlage haben sollen.190 Ziffer 4.2.3 DCGK wiederholt und präzisiert diese Grundsätze. Dem Vorstand soll dadurch der Anreiz gesetzt werden, sich nicht nur kurzfristig sondern auch mittelund längerfristig an der Unternehmensentwicklung zu interessieren. Insofern kann ein teilweiser Gleichlauf mit den Interessen der längerfristig investierten Aktionäre hergestellt werden,191 wodurch Zielkonflikte der Akteure teilweise abgebaut werden.192 Im Übrigen ist die erreichbare und erreichte Vorstandsvergütung für die Aktionäre aufgrund der weitreichenden Veröffentlichungspflichten bei börsennotierten Aktiengesellschaften gut nachvollziehbar.193 Eine Verpflichtung zur Einführung variabler Vergütungsbestandteile folgt allerdings aus dem Gesetzeswortlaut nicht; vielmehr bleibt auch eine reine Fixvergütung möglich,194 was allerdings für börsennotierte Gesellschaften eine Abweichung von der Empfehlung in Ziffer 4.2.3 Abs. 2 S. 2 DCGK darstellt. Weiterhin sollten auch kurzfristige Anreize nicht unmöglich gemacht werden, sodass insbesondere Boni für besonders erfolgreiche Transaktionen, etwa auch einen 189 Zur Begrifflichkeit Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 87 Rn. 27; in der Sache ebenso Thüsing, AG 2009, 517, 520 (kein „Selling the Future“); Hoffmann-Becking/ Krieger, Beil. zu NZG Heft 26/2009, S. 1, 2 Rn. 10 (unternehmerisches „Strohfeuer“); Cahn, in: Festschrift für Hopt, Bd. 1 (2010), S. 431, 440. 190 Für eine solche Langjährigkeit wird mindestens ein Zeitraum von zwei Jahren gefordert; siehe Hoffmann-Becking/Krieger, Beil. zu NZG Heft 26/2009, S. 1, 3 Rn. 17 („eindeutig und bedeutet nicht drei oder vier Jahre“); Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 722; teilweise werden aber auch drei bis fünf Jahren gefordert; siehe Cahn, in: Festschrift für Hopt, Bd. 1 (2010), S. 431, 441 ff. (ausdrücklich gegen zwei und wohl für vier Jahre); Eichner/Delahaye, ZIP 2010, 2082, 2983 (drei Jahre); Seibert, WM 2009, 1489, 1490 (drei oder vier Jahre); Weber-Rey, WM 2009, 2255, 2259 (zwei Jahre im Ergebnis nicht ausreichend); Thüsing, AG 2009, 517, 521 (zumindest zwei Jahre, fünf Jahre als Richtschnur); Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 87 Rn. 4d (mindestens zwei, empfehlenswert drei bis vier). 191 Goj, AG 2015, 173, 177. 192 Ob die erfolgsorientierte Vorstandsvergütung indes überhaupt geeignet ist, zu einer messbaren Steigerung des Unternehmenserfolges zu führen, ist empirisch schwierig zu belegen; siehe ausführlicher hierzu Cahn, in: Festschrift für Hopt, Bd. 1 (2010), S. 431, 437 ff.; Jensen/ Murphy, 98 J. Pol. Econ. 225, 227 (1990) („The empirical relation between the pay of top-level executives and firm performance, while positive and statistically significant, is small for an occupation in which incentive pay is expected to play an important role.“). 193 Siehe zum Überlick über die Veröffentlichungspflichten Link/Goj, KSzW 2013, 334. 194 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 87 Rn. 35; Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 722; Hoffmann-Becking/Krieger, Beil. zu NZG Heft 26/2009, S. 1, 2 Rn. 10; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1351; Thüsing AG 2009, 517, 519.

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Beteiligungserwerb, möglich bleiben.195 Jüngere Studien aus den USA zeigen indes, dass Bonuszahlungen infolge von Beteiligungserwerben in Verbindung mit weiteren Vergütungselementen zu einer signifikanten Steigerung der Bezahlung der Vorstände führen können, auch wenn es durch die Transaktion zu einer Vermögenseinbuße für die Aktionäre kommt.196 Überdies können bei der Motivation des Vorstands auch auf den ersten Blick nicht ökonomische Faktoren, wie die Steigerung des persönlichen Einflusses und der Reputation eine Rolle spielen.197 Eine solche Steigerung von Einfluss und Reputation kann beispielsweise auch damit einhergehen, dass durch Beteiligungserwerbe das Unternehmen vergrößert wird (sog. empire-building).198 Allerdings lassen auch diese Präferenzen sich durchaus als ökonomische Faktoren zur Steigerung des eigenen Marktwerts begreifen, die bei den Vertragsverhandlungen für eine neue Amtszeit oder auch für eine neue Stellung bei einem anderen Unternehmen in einer zukünftig höheren Entlohnung resultieren können.199 Namentlich besteht Studien zufolge eine Korrelation zwischen der Größe der Gesellschaft und der Entlohnung des Vorstands.200 195

Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 87 Rn. 29; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 87 Rn. 11 (projektbezogene Boni); Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 721; Hohaus/Weber, DB 2009, 1515, 1517; Hoffmann-Becking/Krieger, Beil. zu NZG Heft 26/2009, S. 1, 3 Rn. 16. 196 Harford/Li, 62 J. Fin. 917, 946 (2007) („Thus, the net effect is that a CEO’s wealth actually increases if he makes a poor acquisition decision. The experience is quite different for the shareholders of the firm; the acquisition arrests what had been superior stock performance and, on average, leads to underperformance, clearly making them worse off.“); Bliss/Rosen, 61 J. Fin. Econ. 107, 110 (2001) („The net result is that even mergers which reduce shareholder value van be in a mangager’s private interest.“). 197 Eisenberg, The Structure of the Corporation (1976), S. 31; Seibert, in: Handbuch der kleinen AG, 5. Aufl. (2008), Teil 1, Rn. 1.38 (Interesse an „Bedeutungszuwachs durch großen Umsatz, an einer luxuriösen Büroausstattung, […] vielfältigen öffentlichen renommeeträchtigen Auftritten etc.“); Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 67 (Macht, Status, berufliches Herausragen). 198 Hamermesh, 152 U. Pa. L. Rev. 881, 886 (2003) („empire-building“); ebenfalls Dent, 80 Nw. U. L. Rev. 777, 781 (1986); Black, 41 Stan. L. Rev. 597, 627 (1989); Rock/Davies/ Kanda/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 199; Eisenberg, The Structure of the Corporation (1976), S. 31 f. 199 Plakativ Rock/Davies/Kanda/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 199 („self-interested attempts by management to build empires or to negotiate their future job status […]“); ähnlich Göbel, Neue Institutionenökonomik (2002), S. 108 (ohne allerdings ausdrücklich auf die Kommerzialisierbarkeit der Reputation einzugehen); Fama, 88 J. Pol. Econ. 288, 292 (1980) („The manager of a firm, like the coach of any team, may not suffer an immediate gain or loss in the current wages from the current performance of his team, but the success or failure of the team impacts his future wages and this gives the manager a stake in the success of the team.“). 200 Bebchuk/Grinstein, Firm Expansion and CEO Pay (2007), S. 23; Bliss/Rosen, 61 J. Fin. Econ. 107, 109 (2001). Begründet wird dieser Zusammenhang vor allem mit der Orientierung an ähnlich großen Mitbewerbern und ferner damit, dass eine größere Gesellschaft bessere Manager benötigen würde, welche sie durch eine höhere Vergütung „anlocken“ kann.

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Aus Sicht der Aktionäre ist es allerdings auch problematisch, wenn der Vorstand zu risikoavers agiert. Aus den genannten Gründen ist es namentlich auch denkbar, dass er lieber auf „Nummer sicher“ geht, indem er zur Absicherung der eigenen Position eine zu starke Diversifizierung der Gesellschaft anstrebt und riskante (aber potentiell gewinnbringende) Investitionen unterlässt, wodurch mittelfristig suboptimale Ergebnisse für die Aktionäre erzielt werden.201 Diese Überlegungen zeigen, dass das primäre ökonomische Interesse der Vorstandsmitglieder darin besteht, eine möglichst hohe Vergütung aus dem aktuellen Vertragsverhältnis zu erzielen und den eigenen Marktwert im Hinblick auf ein neues Vertragsverhältnis zu steigern. Hierbei kann ein teilweiser Gleichlauf mit den Aktionärsinteressen bestehen, was sich insbesondere bei variablen Vergütungsbestandteilen mit langjähriger Bemessungsgrundlage zeigt. Die abweichenden Interessen des Vorstands können aber zu einem Einsatz der Gesellschaftsmittel führen, welche aus Sicht der Aktionäre ökonomisch nicht wünschenswert ist. bb) Aktionäre Bei der Ermittlung der Präferenzen und Handlungsoptionen der Aktionäre sind zunächst Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten (hierzu unter (1) und (2)) und sodann die gefundenen theoretischen Ergebnisse mit der Beteiligungsstruktur deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften in Abgleich zu bringen (hierzu unter (3)). (1) Renditeinteresse der Aktionäre, weitere Präferenzen und Handlungsoptionen Seitens der Aktionäre besteht bei rechtsökonomischer Betrachtung im Ausgangspunkt jedenfalls ein gemeinsames Interesse an einer angemessenen Rendite auf ihr investiertes Kapital.202 Denn unter reinen Renditegesichtspunkten wird ein rationaler Anleger die Investition in die Anteile eines Unternehmens nur dann tätigen

201

Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 450 f.; Fleischer, in: Festschrift für Immenga (2004), S. 575, 580. Namentlich kann dies zu Investitionen führen, die zwar schwarze Zahlen schreiben, die aus Sicht der Aktionäre aber die Eigenkapitalkosten nicht erwirtschaften; siehe Kuhner, ZGR 2004, 244, 263 ff. 202 Mülbert, in: Festschrift für Röhricht (2005), S. 421, 432 f.; Immenga, Aktiengesellschaft, Aktionärsinteressen und institutionelle Anleger (1971), S. 13 f.; Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre in Publikumsgesellschaften in Deutschland und den USA (2008), S. 92; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 63 f.; allgemeiner Eisenberg, The Structure of the Corporation (1976), S. 30 (maximization of per-share earnings); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 174; auch schon Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property (1932), S. 121 („it is to his interest, first that the company should be made to earn the maximum profit compatible with a reasonable degree of risk; second, that as large a portion of these profits should be distributed as the best interests of the business permit“).

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bzw. aufrechterhalten, wenn er dafür eine Rendite erhält, die ihn für das übernommene Risiko angemessen entschädigt.203 Mit Hilfe des Capital Asset Pricing Model (CAPM)204 können die hierfür relevanten Eigenkapitalkosten berechnet werden.205 Zur Berechnung der Eigenkapitalkosten wird die Differenz der zu erwartenden Marktrendite und einer risikofreien Rendite (sog. Marktrisikoprämie) mit einem b-Faktor multipliziert, der das unternehmensindividuelle Risiko im Vergleich zum Markt abbildet.206 Hieraus ergibt sich der Risikozuschlag, den die Aktionäre mindestens von dem Investment gegenüber einer risikofreien Anlage erwarten.207 Der Risikozuschlag wird dann der risikofreien Rendite zugeschlagen.208 Das CAPM arbeitet hierbei mit der Annahme einer homogenen, rein renditeorientierten Interessenlage der Anleger, welche perfekt diversifizierte Portfolios halten, um das unsystematische Risiko der Schwankung eines einzelnen Wertpapiers zu eliminieren.209 Legt man diese Prämissen zugrunde, so deutet dies in der Tendenz auf ein fehlendes Interesse der Aktionäre an der Einflussnahme auf wichtige Geschäftsführungsentscheidungen des Vorstands hin, da sich die Risikosteuerung der Aktionäre primär durch die Zusammensetzung des Portfolios vollzieht.210 Allerdings handelt es sich bei den Aktionären deutscher Aktiengesellschaften tatsächlich um eine inhomogene Gruppe mit signifikant verschiedenen Beteiligungsquoten und disparater Interessenstruktur; ein homogenes Aktionärsinteresse 203 Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl. (2012), Rn. 765, 784; von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen (2004), S. 61; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), § 305 Rn. 69; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S 63; Kuhner, ZGR 2004, 244, 263. 204 Grundlegend Lintner, 47 Rev. Econ. and Statistics 13 ff. (1965); Sharpe, 19 J. Fin. 425 ff. (1964); Mossin, 34 Econometrica 768 ff. (1966). 205 Siehe statt vieler Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl. (2012), Rn. 743 ff.; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 451. 206 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 451; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl. (2012), Rn. 746, 755, 774; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 128. 207 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 451; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl. (2012), Rn. 755; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), § 305 Rn. 69; von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und StakeholderInteressen (2004), S. 61. 208 Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl. (2012), Rn. 746, 755, 774; von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und StakeholderInteressen (2004), S. 61 f. 209 Zwirner, DB 2013, 1797, 1790; Ruthardt/Hachmeister, NZG 2014, 885, 889; Kuhner, ZGR 2004, 244, 263; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 127 f.; auch Fernandez, CAPM: the model and 305 comments about it (2015), S. 3. 210 Hierzu Kuhner, ZGR 2004, 244, 262 f.

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gibt es mithin nicht.211 Dass tatsächlich nicht alle Anleger ein perfekt diversifiziertes Portfolio halten und auch Interessen über die reine Renditeerzielung hinaus bestehen können, bedarf an sich keiner ausdrücklichen Erwähnung. Plakativ ist der von Mülbert hierzu angeführte Vergleich zwischen einem institutionellen Investor, der in der Tat versuchen mag, ein risikoeffizientes Portfolio nach dem CAPM zu halten, und einem Kleinaktionär, der aufgrund eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms nur wenige Aktien seines Arbeitgebers hält.212 Auch wenn also grundsätzlich für Zwecke der rechtsökonomischen Analyse von der primären Renditeorientierung aller Aktionäre ausgegangen werden kann, so unterscheiden sich doch die weiteren Interessen und die präferierten Handlungsoptionen der Aktionäre, um ihre Interessen zu erreichen. Insbesondere die Frage, ob ein ökonomisches Interesse besteht, an einer Überwachung des Vorstandshandelns teilzunehmen und die Aktionärsrechte aktiv auszuüben, hängt maßgeblich von den Einflussmöglichkeiten des Aktionärs, seinem Investitionshorizont und seinen anderweitigen Handlungsoptionen, insbesondere der Möglichkeit, sich problemlos zu deinvestieren, ab.213 Diese real existierenden Unterschiede können zwar bei modellhafter rechtsökonomischer Betrachtung notwendigerweise nicht in ihrer vollständigen Komplexität erfasst werden, können aber dennoch für Zwecke dieser Arbeit differenzierter abgebildet werden als durch eine Gleichsetzung der Präferenzen und Handlungsoptionen aller Aktionäre. Repräsentativere Aussagen über die Auswirkungen eines Hauptversammlungserfordernisses auf das Verhalten der beteiligten Akteure lassen sich nach hier (und auch von anderen Autoren) vertretenem Verständnis aber dann treffen, wenn nach den Präferenzen und Handlungsoptionen verschiedener Aktionärsgruppen differenziert wird.214

211

Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), Vor § 76 Rn. 3; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 76 Rn. 31; Kort, AG 2012, 605, 606; Wiedemann, ZGR 2011, 183, 192; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 458 ff.; fundamental-kritisch: Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), § 305 Rn. 69 („Das CAPM beruht […] auf irrealen Annahmen und ist deshalb im Grunde wertlos.“) 212 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt (1995), S. 135. 213 Siehe nochmals Fn. 211. 214 Im jeweiligen Zusammenhang ebenfalls differenzierend Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 95 ff.; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 458 ff.; Bayer, in: Verhandlungen des 67. DJT, Bd. 1 (2008), Gutachten E, E 101 ff.; anders Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 64 f. (der zwar ebenfalls die heterogene Interessenlage erkennt und kurz beschreibt, aber „[v]ereinfachend“ davon ausgeht, dass die Aktionäre mit ihrer Beteiligung (nur) „an einem qualifizierten finanziellen Zahlungsstrom interessiert“ sind).

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(2) Differenzierung zwischen verschiedenen Aktionärsgruppen In der weiteren Folge soll daher zur Analyse der Präferenzen und Handlungsoptionen zwischen drei Aktionärsgruppen unterschieden werden, namentlich zwischen reinen Anlegeraktionären, strategischen Investoren und Finanzinvestoren.215 (a) Strategische Investoren Über die reine Kapitalanlage hinaus216 verfolgt der unternehmerische Aktionär mit seiner Beteiligung auch strategische Interessen, sodass synonym auch der Begriff „strategischer Investor“ verwendet wird.217 Das Investment des strategischen Investors ist seiner Natur nach langfristig und das Mittel zur Einflussnahme ist primär das Stimmrecht,218 wobei auch eine faktische Einflussnahme auf die Geschäftsführung wahrscheinlicher wird, je größer die gehaltene Beteiligung ist.219 Es ist ein Charakteristikum des strategischen Investors, dass seine Möglichkeit zur Einflussnahme regelmäßig durch großes Stimmgewicht vermittelt wird.220 Hierzu, also zur Ausübung seines Einflusses, ist er umgekehrt aber auch „gezwungen“, da der exit schon unter finanziellen Aspekten regelmäßig keine präferierte Handlungsoption darstellt. Denn erstens ist davon auszugehen, dass sich größere Aktienpakete grundsätzlich nicht ohne Kursverluste über die Börse veräußern lassen221 und zweitens ist beim Erwerb eines größeren Aktienpakets oft auch ein Kontrollpremium 215 So auch Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 95 ff.; unterscheidend zwischen Finanzinvestoren und strategischen Investoren auch Fleischer, ZGR 2008, 185, 186; ebenso Eidenmüller, DStR 2007, 2116; Bayer, in: Verhandlungen des 67. DJT, Bd. 1 (2008), Gutachten E, E 101 unterscheidet indes nur zwischen unternehmerischen Aktionären und Anlegeraktionären und ordnet sonstige institutionelle Anleger – nach hiesiger Terminologie Finanzinvestoren – je nach ihrer Aktivität der einen oder anderen Gruppe zu; ähnlich Redeke, AG 2015, 253, 254 (Unterscheidung zwischen Privatinvestoren und institutionellen Investoren). 216 Die Absicht, eine angemessene Rendite zu erzielen, besteht freilich auch bei einem strategischen Investor; siehe etwa von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen (2004), S. 172. 217 Eidenmüller, DStR 2007, 2116; Fleischer, ZGR 2008, 185, 186; Hölters, in: Handbuch Unternehmenskauf, 8. Aufl. (2015), Teil I, Rn. 1.11; van Kann, in: Praxishandbuch Unternehmenskauf (2009), S. 4; Knott, in: Knott/Mielke, Unternehmenskauf, 4. Aufl. (2012), Rn. 418 f. 218 Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 96 f. 219 Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 95 f. 220 von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen (2004), S. 172. 221 Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 152; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 446; Eisenberg, The Structure of the Corporation (1976), S. 57; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 201; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 23.

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bezahlt worden.222 Allerdings ist der exit – auch wenn dieser ohne finanzielle Einbußen möglich sein sollte – grundsätzlich auch deswegen keine präferierte Option für den strategischen Investor, da sich sein strategisches Interesse gerade auf die konkrete Gesellschaft bezieht.223 Deswegen und aufgrund der hohen Investitionskosten bzw. Deinvestitionskosten wird der strategische Investor folglich auch grundsätzlich die notwendigen Informationskosten auf sich nehmen, um das Handeln des Vorstands zu kontrollieren. Angesichts der eigenen branchen- und unternehmensspezifischen Expertise und der Inanspruchnahme professioneller Beratung überzeugt hinsichtlich strategischer Investoren auch das pauschale Argument nicht, die Aktionäre seien uninformiert und unfähig, unternehmerische Entscheidungen zu beurteilen.224 Im Übrigen rückt bei den hier in Rede stehenden umfangreichen Grundsatzentscheidungen die Wichtigkeit des speziell auf Gesellschaftsinterna bezogenen Detailwissens des Vorstands in den Hintergrund.225 Gerichtet ist das Interesse des strategischen Investors weiterhin auf die langfristige Rentabilität seines Investments,226 also auf eine langfristig positive Kursentwicklung und konstante Dividende statt auf kurzfristige Kursanstiege.227 Damit trifft das Leitbild vom Aktionär als wirtschaftlichem Eigentümer der Gesellschaft und als residual claimant, der am effizienten Einsatz der Gesellschaftsmittel interessiert ist, auf den strategischen Investor am besten zu.228 Daher wird auch gefordert, de lege ferenda die Corporate Governance börsennotierter Gesellschafen vorrangig 222 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 448. Freilich kann auch bei der Veräußerung ein Kontrollpremium erlangt werden, wenn das Aktienpaket im Wege des außerbörslichen Paketverkaufs veräußert oder in ein Übernahmeangebot eingereicht wird. 223 Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 201. 224 Fleischer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2 (2007), S. 430, 461; so die Wertung des historischen Gesetzgebers des AktG 1965, siehe BegrRegE AktG 1965 abgedruckt bei Kropff/ Thölke, Aktiengesetz 1965 (2005), S. 96 („Die Aktionäre haben im allgemeinen weder die Zeit noch die Übersicht, um Geschäftsführungsfragen unter Würdigung aller Gesichtspunkte entscheiden zu können.“). 225 Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 550; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, 9. Aufl. (2014), S. 395; ähnlich Eisenberg, The Structure of the Corporation (1976), S. 260 (zur umfangreichen Beteiligungsveräußerung: „they involve investment rather than purely business skills […] they occur relatively infrequently in the life of a corporation; and they are likely to take a relatively long time to consummate in any event“); Bebchuk, 118 Harv. L. Rev. 833, 880 f. (2005). 226 Bayer, in: Verhandlungen des 67. DJT, Bd. 1 (2008), Gutachten E, E 101 („langfristige[r] Unternehmenserfolg“); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 459. 227 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 459. 228 Ähnlich Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 200.

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in die Hände der unternehmerischen Aktionäre zu legen.229 Allerdings ergibt sich bei strategischen Investoren auch die Gefahr, dass aus einer anderweitigen unternehmerischen Beteiligung resultierende Partikularinteressen verfolgt werden könnten.230 Auch diesem Umstand ist in der Folge Rechnung zu tragen. (b) Anlegeraktionäre Andere Präferenzen und Handlungsoptionen weist hingegen der reine Privat- bzw. Anlegeraktionär auf, der sich dadurch auszeichnet, dass er nur eine kleine Beteiligung hält und ein primäres Renditeinteresse, aber kein mitgliedschaftliches Mitwirkungsinteresse hat.231 Er nutzt die Aktie also primär als eine Form der Kapitalanlage.232 Diesem Umstand trägt das Gesetz auch durch Veränderungen jüngerer Zeit an mehreren Stellen Rechnung, indem es unterhalb einer bestimmten Beteiligungsquote keinen absoluten Bestand der Mitgliedschaft garantiert, sondern lediglich einen Anspruch auf wirksame Rechtsbehelfe gegen Missbrauch und eine volle wirtschaftliche Entschädigung für den Verlust der Rechtsposition gewährt,233 vor allem beim Squeeze-out nach §§ 327a ff. AktG (gegebenenfalls in Verbindung mit § 62 Abs. 5 UmwG bzw. nach § 39a WpÜG). Hieraus wird erkennbar, dass auch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass der Anlegeraktionär primär am Vermögenswert seiner Anlage und nicht mitgliedschaftlich interessiert ist. Dies bedeutet indes nicht, dass das Investment des Anlegeraktionärs zwangsläufig kurzfristiger Natur ist. 229

Siehe Bayer, in: Verhandlungen des 67. DJT, Bd. 1 (2008), Gutachten E, E 102 f. Allgemein Armour/Hansmann/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 36. Es handelt sich mithin um die Problematik, deren Abmilderung auch dem Konzernrecht als Regelungsaufgabe zu Grunde liegt, wobei der klassische Konzernkonflikt freilich bei einem beherrschenden Einfluss noch stärker zum Tragen kommt; siehe allgemein hierzu nur Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl. (2013), Einl. Rn. 1; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 15 Rn. 3; Liebscher, in: Müller/ Rödder, Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. (2009), § 15 Rn. 10. 231 Bayer, in: Verhandlungen des 67. DJT, Bd. 1 (2008), Gutachten E, E 101; Wiedemann, in: Festschrift für K. Schmidt (2009), S. 1731; von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen (2004), S. 172; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 198; so auch schon BGH, Urt. v. 16. 11. 1981 – II ZR 150/80, NJW 1982, 933, 934 („Hoesch/Hoogovens“) („Bei der Aktionärsminderheit, um deren Belange es hier geht, steht der Charakter der Beteiligung als Vermögensanlage und nicht die Mitgliedschaft mit ihren insoweit begrenzten Mitspracherechten im Vordergrund.“). 232 Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 98 ff. 233 Zu den Leitlinien der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 14 GG siehe ausführlich Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche (2009), S. 79 ff., 112; siehe im einzelnen BVerfG, Urt. v. 7. 8. 1962 – 1 BvL 16/60, NJW 1962, 1667, 1668 f. („Feldmühle“) (betreffend eine Mehrheitsumwandlung nach § 15 UmwG a.F.); ebenso BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613-94, NJW 1999, 3769, 3770 f. („DAT/Altana“) (zur Eingliederung); BVerfG, Beschl. v. 23. 8. 2000 – 1 BvR 68/95 u. 1 BvR 147/97, NJW 2001, 279, 280 („Moto-Meter“) (zur „übertragenden Auflösung“); BVerfG, Beschl. v. 30. 5. 2007 – 1 BvR 390/04, NJW 2007, 3268, 3270 („Edscha AG“) (Nicht-Annahmebeschluss zum Squeeze-out). 230

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Ein untergeordnetes bzw. kein Interesse des Anlegeraktionärs besteht hingegen grundsätzlich an der mitgliedschaftlichen Mitwirkung durch die Ausübung des Stimmrechts.234 Dies ergibt sich aus der geringen mitgliedschaftlichen Einflussmöglichkeit aufgrund der geringen Beteiligungsquote, den mit der Informationsbeschaffung und Stimmausübung verbundenen Kosten und der leichten Veräußerungsmöglichkeit des Anlegeraktionärs.235 Entspricht die Leitung der Gesellschaft nicht den Vorstellungen des Anlegeraktionärs bzw. werden seine Erwartungen in das getätigte Investment enttäuscht, so kann er seine Aktien veräußern, also „mit den Füßen abstimmen“.236 In den USA bezeichnet man dieses Phänomen auch als „Wall Street Walk“ oder „Wall Street Rule“.237 Aufgrund der geringen Größe des Investments ist es, einen liquiden Markt vorausgesetzt, auch möglich, sich einfach, schnell und ohne Kursabschläge über die Börse von seinem Investment zu trennen.238 Im Gegensatz dazu ist die Teilnahme an der Hauptversammlung und insbesondere die Herstellung einer angemessenen Informationsgrundlage, um über die in Rede stehenden Fragen abstimmen zu können, kostenaufwendig, wobei nicht gewährleistet ist, dass die Stimme des einzelnen Anlegeraktionärs das Ergebnis der Abstimmung auch beeinflusst.239 Denkbar wäre freilich eine Koordination aller Anlegeraktionäre, was zu einem maßgeblichen Einfluss auf die Abstimmung führen könnte. Allerdings wird es regelmäßig sowohl an der notwendigen Logistik als auch an der Bereitschaft zu einer solchen Koordination fehlen.240 Aufgrund der beschriebenen Präferenzen und Handlungsoptionen ist vielfach die Rede von der hybriden Stellung des Anlegeraktionärs, der einerseits zwar Ver-

234 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 446; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 201; Eisenberg, The Structure of the Corporation (1976), S. 57; Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 152. 235 Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 108 f. 236 Bayer, in: Verhandlungen des 67. DJT, Bd. 1 (2008), Gutachten E, E 101; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 198; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 460; Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 67; Bainbridge, 53 UCLA L. Rev. 601, 619 (2006). 237 Statt vieler Admati/Pfleiderer, The „Wall Street Walk“ and Shareholder Activism: Exit as a Form of Voice (2006), S. 1. 238 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 446. 239 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 66 f.; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 175 f.; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 21. 240 Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 109; Black, 39 UCLA L. Rev. 811, 821 f. (1992); Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 67; Roth, ZIP 2003, 369, 376.

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

bandsmitglied mit den dazugehörigen Rechten ist, andererseits aber primär renditeorientiert agiert und damit in die Nähe eines Fremdkapitalgebers rückt.241 (c) Finanzinvestoren (aa) Arten von Finanzinvestoren Auch wenn es an einer allgemeingültigen Definition des Finanzinvestors, soweit ersichtlich, fehlt,242 werden doch bestimmte Investoren übereinstimmend als solche wahrgenommen. Dies gilt namentlich für Kreditinstitute und Versicherungen, in jüngerer Zeit aber auch für Pensionsfonds, Investmentfonds, Hedgefonds und Private-Equity-Fonds.243 Gemeinsam ist all diesen Investoren, dass sie im Gegensatz zu Anlegeraktionären und grundsätzlich auch zu strategischen Investoren nicht eigene Mittel, sondern Mittel einer Vielzahl von Kapitalgebern treuhänderisch investieren und verwalten, sich mithin als Finanzintermediäre betätigen.244 Gemeinsames Ziel der Finanzinvestoren ist folglich primär die Maximierung der Rendite für ihre Kapitalgeber.245 Dies erfordert sowohl im Vorfeld der Investitionsentscheidung als auch in der Folge eine professionelle Analyse der Zielgesellschaften und des Marktes.246 Unterschiedlich sind aber im Einzelnen die Strategie und auch die rechtlichen Rahmenbedingungen der Finanzinvestoren, sodass diese keine in sich homogene Gruppe darstellen.247 Hedgefonds investieren zum Beispiel klassischerweise eher in eine größere Zahl von Minderheitsbeteiligungen248 und versuchen, mit einer kurzen 241 Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 110; Mülbert, in: Festschrift für Ulmer (2003), S. 433, 434; Schiessl, AG 1999, 442, 445 f.; Merkt, AG 2003, 126, 128 („Doppelrolle“); Teichmann, AG 2004, 67, 75; ähnlich Bayer, ZHR-Sonderheft 71 (2002), 137, 139 f. (im Ergebnis jedoch kritisch gegenüber einer Reduzierung des Kleinaktionärs auf eine reine Anlegerrolle). 242 Hierzu Fleischer, ZGR 2008, 185, 186; van Kann, in: Praxishandbuch Unternehmenskauf (2009), S. 5; Knott, in: Knott/Mielke, Unternehmenskauf, 4. Aufl. (2012), Rn. 420 f. 243 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 436, Fn. 2; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 120 ff.; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 7; Baums/Fraune, AG 1995, 97; Black, 39 UCLA L. Rev. 811, 815 (1992). 244 Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 100, 122 f.; Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre in Publikumsgesellschaften in Deutschland und den USA (2008), S. 32. 245 Hiervon hängt freilich indirekt oft die eigene Entlohnung der maßgeblichen Entscheidungsträger auf Seite der Finanzinvestoren ab. 246 Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 123. 247 Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 126. 248 In einer US-amerikanischen Studie von Brav/Jiang/Partnoy/Thomas betrug die durchschnittliche Beteiligungsquote bei 1.032 Beteiligungserwerben durch 236 Hedgefonds 9,1 %; siehe Brav/Jiang/Partnoy/Thomas, 63 J. Fin. 1729, 1732 (2008).

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Haltefrist von Ineffizienzen des Marktes und kurzfristiger Einflussnahme auf die Geschäftsführung zu profitieren, während Private-Equity-Fonds tendenziell größere Beteiligungen an einer geringeren Zahl von nicht börsennotierten Gesellschaften erwerben und versuchen, durch die mittelfristige Einflussnahme auf die Geschäftsführung und die strategische Ausrichtung des Unternehmens den Unternehmenswert zu steigern.249 Freilich kann diese Trennlinie nicht immer klar gezogen werden und es sind auch umgekehrte Beispiele bekannt.250 Pensions- und Investmentfonds zeichnen sich durch sehr stark diversifizierte Portfolios und eine langfristige Investmentstrategie aus, wenngleich auch hier Unterschiede im Detail bestehen.251 (bb) Gründe für Aktionärsaktivismus von Finanzinvestoren Ein strategisches Interesse und damit auch ein Interesse an der Ausübung des Stimmrechts und der Einflussnahme auf die Geschäftsführung bestand bei den Finanzinvestoren traditionell nicht. In den USA war dann aber mit zunehmender Höhe der Beteiligungsquoten im Laufe der 1980er Jahre zunächst eine vermehrte Aktivität der Investment- und Pensionsfonds zu beobachten,252 ab Mitte der 2000er Jahre dann auch eine aktivere Rolle von Private-Equity-Fonds und von Hedgefonds.253 Unterschiede bestehen allerdings auch hier in der Vorgehensweise, da Investment- und Pensionsfonds eher versuchen, auf eine allgemeine Verbesserung der Corporate Governance hinzuwirken,254 während Private-Equity-Fonds und Hedgefonds auch aktiv versuchen, unternehmerische Entscheidungen zu beeinflussen.255 Die Einflussnahme prägt sich sowohl in informeller Form, etwa durch unmittelbare Gespräche mit dem Vorstand, durch Investorentreffen oder durch öffentliche Kritik und Kampagnen aus,256 zeigt sich allerdings auch an der Stimmrechtsausübung257 und der 249 Eidenmüller, DStR 2007, 2116; Seibert, in: Festschrift für Schwark (2009), S. 261; Fleischer, ZGR 2008, 185, 186; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 15; beispielhaft Hölters, in: Handbuch Unternehmenskauf, 8. Aufl. (2015), Teil I, Rn. 1.10. 250 Eidenmüller, DStR 2007, 2116; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 16; Kahan/ Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1091 (2007). 251 Siehe Del Guercio/Hawkins, 52 J. Fin. Econ. 293 (1999) („The funds range from mostly indexed (CalPERS, CalSTRS, CREF, and NYC) to almost entirely active stock picking (SWIB).“); Gillan/Starks, 57 J. Fin. Econ. 275, 278 ff. (2000). 252 Gillan/Starks, 57 J. Fin. Econ. 275, 278 (2000); Brav/Jiang/Partnoy/Thomas, 63 J. Fin. 1729, 1733 ff. (2008). 253 Ausführlich hierzu Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1029 ff. (2007); Rock, 79 Geo. L. J. 445, 447 ff. (1991); Brav/Jiang/Partnoy/Thomas, 63 J. Fin. 1729, 1734 f. (2008). 254 Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1042 ff. (2007); Gillan/Starks, 57 J. Fin. Econ. 275, 278 (2000). 255 Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1029 (2007). 256 Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297, 299 f.; Bunz, NZG 2014, 1049, 1050 f.; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 201; Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre in Publikumsgesellschaften in Deutschland und den USA (2008), S. 104, 108.

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Ausübung der (Minderheits-)Aktionärsrechte.258 Über Fluch und Segen259 und insbesondere den ökonomischen Nutzen260 eines solchen Aktionärsaktivismus ist seither freilich kontrovers diskutiert worden. Das beschriebene Phänomen ist ökonomisch nachvollziehbar, da wie bereits angesprochen, bei größeren Beteiligungen eine Deinvestition oft nicht ohne Wertverlust möglich sein wird,261 die Einflussmöglichkeit aber gleichzeitig wächst. Hinzu kommt, dass bei Finanzinvestoren, deren Investment spezifisch diversifiziert oder an die Performance eines bestimmten Index gekoppelt ist, ein exit deswegen nicht möglich bzw. wünschenswert ist, da ansonsten die notwendige Diversifizierung bzw. Abbildung des Index verloren geht.262 Somit liegt es nahe, die Kosten für die Kontrolle des Vorstandshandelns auf sich zu nehmen und durch die Ausübung des Stimmrechts, und gegebenenfalls auch anderweitig, den Kurs der Gesellschaft zu beeinflussen.263 Weiterhin kommt hinzu, dass es mit zunehmender Größe einfacher wird, mit anderen größeren Aktionären in Kommunikation zu treten und sich auf eine gemeinsame Strategie zu einigen, mithin die collective-action-Problematik zu überwinden.264 257 Zu Zahlenmaterial für die USA und England betreffend die Zunahme des proxy voting parallel zum Anstieg der Beteiligungsquoten institutioneller Investoren in den 1990er-Jahren, siehe Neville, EBOR 2002, 439, 446. 258 Bunz, NZG 2014, 1049, 1050 (z. B. Sonderprüfungsanträge nach § 142 Abs. 2 AktG oder Anträge auf Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 AktG). 259 Für die Ausweitung des shareholder activism etwa Bebchuk, 118 Harv. L. Rev. 833 (2005); Black, 39 UCLA L. Rev. 811 (1992); speziell betreffend die Abberufung der directors und die Genehmigung von mergers und ähnlichen Transaktionen auch durch die Aktionäre der Erwerberin Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 129, 166 ff. (2009); vorsichtiger Coffee, 91 Colum. L. Rev. 1277 (1991); Rock, 79 Geo. L. J. 445 (1991); ablehnend etwa Bainbridge, 53 UCLA L. Rev. 601 (2006); Anabtwai, 53 UCLA L. Rev. 561, 598 f. (2006); befürwortend in der deutschen Literatur Eidenmüller, DStR 2007, 2116 („Die Aktivitäten von Finanzinvestoren sind überwiegend wertsteigernd und in diesem Sinne volkswirtschaftlich erwünscht.“); Engert, ZIP 2006, 2105, 2113 („Diese Entwicklung ist grundsätzlich zu begrüßen.“). 260 Siehe hierzu noch unter B.II.1.c). 261 Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 152; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 446; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 201; Eisenberg, The Structure of the Corporation (1976), S. 57; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 23. 262 Gillan/Starks, 57 J. Fin. Econ. 275, 278 (2000); Del Guercio/Hawkins, 52 J. Fin. Econ. 293, 300 (1999); Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 203. 263 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 442; Black, 89 Mich. L. Rev. 520, 524 (1990); Coffee, 91 Colum. L. Rev. 1277, 1288 f. (1991); Gillan/Starks, 57 J. Fin. Econ. 275, 279 (2000). 264 Gleichzeitig wird der negative Effekt der free-rider-Problematik marginalisiert. Wenn es für eine bestimmte Gruppe von Aktionären lohnend ist, die Informationskosten für eine Entscheidung gemeinsam zu tragen, so hat es für diese grundsätzlich auch keine negativen Aus-

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Verstärkt werden diese Effekte durch den Einsatz von professionellen Stimmrechtsberatern. Diese senken erstens die Informationskosten des einzelnen Finanzinvestors, da bei einem breiten Portfolio eine detaillierte Beobachtung aller Gesellschaften bzw. Hauptversammlungen nicht zu leisten wäre265 und führen zweitens dazu, dass es einfacher wird, in Kontakt mit anderen Finanzinvestoren zu treten und ein paralleles Stimmverhalten an den Tag zu legen, wenn diese von denselben Stimmrechtsberatern beraten werden.266 Umgekehrt birgt dies selbstverständlich auch die Gefahr, dass Vorschläge durch die Stimmrechtsberater zu pauschal erteilt werden und diesen von den Finanzinvestoren dann „blind“ gefolgt wird.267 Die principal-agent-Problematik wird mithin noch um eine weitere Stufe verlängert.268 (cc) Gründe gegen Aktionärsaktivismus von Finanzinvestoren Weiterhin können allerdings auch spezifische Hemmnisse bei Finanzinvestoren bestehen, sich aktiv zu beteiligen bzw. Gründe dafür, bei der Ausübung ihrer Mitgliedschaftsrechte bestimmte Partikularinteressen zu verfolgen, was wiederum dem Anlagemodell und der internen Struktur der einzelnen Finanzinvestoren geschuldet ist.269 Als Hinderungsgründe für ein aktives Aktionärsverhalten kommen bei Pensions- und Investmentfonds insbesondere die wenig erfolgsorientierte Vergütung der Manager270 und die große Diversifikation des Portfolios271 in Betracht; je größer die Diversifikation ist, desto weniger lohnt sich freilich die Überwachung eines einzelnen Unternehmens. Bei Investmentfonds hindern weiterhin insbesondere die regulatorischen Auflagen den Erwerb von größeren Beteiligungen272 und bei Banken und Versicherungen können bestehende anderweitige Geschäftsbeziehungen mit der Gesellschaft zu Konflikten führen.273 Ist die Bank beispielsweise gleichzeitig Akwirkungen, wenn andere Aktionäre sich an dem Stimmverhalten der Gruppe orientierten ohne vorher Informationskosten getragen zu haben; so Rock, 79 Geo. L. J. 445, 461 (1991). 265 Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 152; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung (2013), S. 189 f.; Vaupel, AG 2011, 63; Kocher/Heydel, AG 2011, 543. 266 Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 151; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung (2013), S. 149. Auch die Empfehlungen der unterschiedlichen Stimmrechtsberater scheinen sich in den allermeisten Fällen zu decken; so Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 90. 267 Ähnlich Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 90; Fleischer, AG 2012, 2, 4. 268 Fleischer/Strothotte, AG 2011, 221, 226; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung (2013), S. 210 f. 269 Trotz Unterschieden im Detail ähneln sich diese Faktoren nach deutschem und nach USamerikanischem Recht im Wesentlichen (so auch Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre in Publikumsgesellschaften in Deutschland und den USA (2008), S. 378), sodass an dieser Stelle eine generalisierende Betrachtung vorgenommen werden kann. 270 Schmolke, ZGR 2007, 701, 720; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 8. 271 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 458; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 8. 272 Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 9. 273 Schmolke, ZGR 2007, 701, 720; Black, 89 Mich. L. Rev. 520, 595 ff. (1990); Brickley/ Lease/Smith, 20 J. Fin. Econ. 267, 276 (1988); sehr ausführlich Winkler, Die Verantwortung

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tionärin und Kreditgeberin, so könnte sie aufgrund ihrer Stellung als Gläubigerin eine risikoaversere Investitionspolitik befürworten, als dies im Aktionärsinteresse wünschenswert wäre.274 Bei öffentlichen Pensionsfonds und Banken mit öffentlichrechtlicher Trägerschaft können ferner politische Verflechtungen die Entscheidungsfindung und den Aktionärsaktivismus beeinträchtigen.275 Hedgefonds können demgegenüber grundsätzlich frei von den eben genannten Zwängen und daher aggressiver am Markt auftreten und versuchen, die Zielgesellschaften aktiver zu beeinflussen, was durch die stark erfolgsorientierte Vergütung ihrer Manager weiter begünstigt wird.276 Allerdings können auch bei ihnen Interessenkonflikte aufgrund anderweitiger Investments und insbesondere aufgrund gegenläufiger Investmentpositionen entstehen.277 Weiterhin können auch Hedgefonds und Private-Equity-Fonds bei der Auswahl ihrer Zielgesellschaften regulatorisch beschränkt sein.278 (dd) Regulierungstendenzen Wie Fleischer pointiert anmerkt, ist die Frage, ob im Lichte der zunehmenden Verbreitung institutioneller Investoren die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft einer Neujustierung bedarf, gerade eine der „großen Zukunftsfragen des Aktienorganisationsrechts“.279 Auch die EU-Kommission hat sich zwischenzeitlich der Thematik angenommen. Sie bemängelt die Passivität der Aktionäre280 und insbesondere von „institutionellen Anlegern und Vermögensverwaltern“281 und plant nun, scheinbar in teilweiser An-

institutioneller Anleger als Aktionäre in Publikumsgesellschaften in Deutschland und den USA (2008), S. 319 ff. 274 Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre in Publikumsgesellschaften in Deutschland und den USA (2008), S. 320. 275 Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre in Publikumsgesellschaften in Deutschland und den USA (2008), S. 329 f. 276 Schmolke, ZGR 2007, 701, 724; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 10 ff.; Kahan/ Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1064 f. (2007). 277 Briggs, 32 J. Corp. L. 681, 701 f., 721 (2006 – 2007) (in den empirisch betrachteten Fällen hätten diese Effekte jedoch eine vernachlässigbare Rolle gespielt); ähnlich Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 11. 278 Schmolke, ZGR 2007, 701, 725; ausführlicher Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 13 f. 279 Fleischer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2 (2007), S. 430, 461. 280 Siehe Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance (2012), S. 5, 9 ff. 281 Siehe den Entwurf einer geänderten Aktionärsrechterichtlinie (Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/EU in Bezug auf bestimmte Elemente der Erklärung zur Unternehmensführung, COM(2014) 213 final), S. 5.

B. Rechtsökonomische Analyse

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lehnung an den UK Stewardship Code282, „zwingende Transparenz“ bei institutionellen Anlegern und bei Vermögensverwaltern in Bezug auf ihr Abstimmungsverhalten und Engagement.283 Demnach sollen die erfassten Finanzinvestoren eine „Einbeziehungspolitik“ ausarbeiten, d. h. die Einbeziehung der Aktionäre in die Anlagestrategie, die Überwachung von Zielunternehmen, die Kommunikation mit dem Unternehmen, die Ausübung der Stimmrechte, die Einschaltung von Stimmrechtsberatern und die Kooperation mit anderen Aktionären,284 und diese sowie die Art und Weise ihrer Umsetzung und ihre Ergebnisse jährlich publizieren285 oder falls keine Einbeziehungspolitik erarbeitet oder veröffentlicht wird, dies „unmissverständlich und ausführlich“ begründen.286 Weiterhin ist auch das Abstimmungsverhalten in der Hauptversammlung offenzulegen und zu erläutern.287 Die Anlagestrategie bestimmter Finanzinvestoren, namentlich von Lebensversicherungen und Pensionsfonds,288 muss „mindestens für die Dauer ihrer Gültigkeit“ publiziert werden.289 Offenbar soll durch die Offenlegungspflichten auch erreicht werden, dass die Finanzinvestoren sich intensiver mit ihrer Aktionärsrolle auseinandersetzen und diese hierdurch auch aktiver wahrnehmen.290 Hinsichtlich Stimmrechtsberatern sind weiterhin „bindende Vorschriften“ zur Offenlegung der Methoden der Stimmrechtsberater für die Stimmrechtsvertretung und von Interessenkonflikten geplant.291 Die weitere Entwicklung in diesem Bereich bleibt abzuwarten. Es lässt sich aber beobachten, dass in der Vergangenheit ein durchaus großer Teil der von der EUKommission angestoßenen Projekte und Maßnahmen betreffend die Corporate Governance der Aktiengesellschaften letztlich auch durchgeführt wurden.292

282 Der UK Stewardship Code benennt als Principle 3, dass institutionelle Investoren sich an der Überwachung aktiv beteiligen sollen. 283 Siehe den Entwurf einer geänderten Aktionärsrechterichtlinie (COM(2014) 213 final), S. 6. 284 Siehe Artikel 3f Abs. 1 des Entwurfs einer geänderten Aktionärsrechterichtlinie (COM (2014) 213 final). 285 Siehe Artikel 3f Abs. 3 des Entwurfs einer geänderten Aktionärsrechterichtlinie (COM (2014) 213 final). 286 Siehe Artikel 3f Abs. 4 des Entwurfs einer geänderten Aktionärsrechterichtlinie (COM (2014) 213 final). 287 Siehe Artikel 3f Abs. 3 S. 3 des Entwurfs einer geänderten Aktionärsrechterichtlinie (COM(2014) 213 final). 288 Bei diesen handelt es sich um „institutionelle Anleger“ i.S.d. Art. 1 Abs. 2 lit. f) des Entwurfs einer geänderten Aktionärsrechterichtlinie (COM(2014) 213 final). 289 Siehe Artikel 3g Abs. 1 des Entwurfs einer geänderten Aktionärsrechterichtlinie (COM (2014) 213 final). Gemeint ist scheinbar, wie auch in Artikel 3f Abs. 3 S. 2, eine Veröffentlichung auf der Seite des Zielunternehmens (siehe auch Freitag, AG 2014, 647, 652). 290 Ähnlich Freitag, AG 2014, 647, 654. 291 Siehe den Entwurf einer geänderten Aktionärsrechterichtlinie (COM(2014) 213 final), S. 6. 292 Siehe zum Überblick Link/Goj, in: ICLG, Corporate Governance 2014, S. 9.

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

(ee) Zwischenergebnis Den Finanzinvestoren kommt hinsichtlich ihrer Präferenzen und Handlungsoptionen eine Zwischenstellung zwischen Anlegeraktionären und strategischen Investoren zu, die je nach Höhe der Beteiligung und spezifischer Interessenlage des jeweiligen Finanzinvestors stärker in die eine oder andere Richtung tendieren kann. (3) Beteiligungsstruktur der börsennotierten Aktiengesellschaften in Deutschland Da wie erläutert für die Präferenzen und Handlungsoptionen der Aktionäre die Höhe der Beteiligung eine entscheidende Rolle spielt, ist im nächsten Schritt die Beteiligungsstruktur deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften näher zu betrachten. Dem DAI Factbook293 lässt sich entnehmen, dass im September 2012 in Deutschland 11.938 Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien eingetragen waren.294 Die letzten Zahlen, die auf die Prozentzahl der börsennotierten Gesellschaften schließen lassen, stammen aus dem Jahr 2011, wobei hier von 12.552 Gesellschaften 673 börsennotiert waren,295 was einer Quote von 5,36 % entspricht. Im Jahr 2010 wurde vom DAI eine Untersuchung der Aktionärsstruktur von 166 börsennotierten Gesellschaften durchgeführt,296 wobei auch 28 der (damaligen) DAX 30-Gesellschaften umfasst waren.297 Untersucht wurde hierbei insbesondere, wieviel Prozent der Aktien sich im Festbesitz, Streubesitz und Auslandsbesitz befanden und wieviel Prozent der Aktien durch „institutionelle Anleger“ und „Privatanleger“ gehalten wurden. Eine Definition dieser gewählten Begrifflichkeiten lässt sich der Untersuchung des DAI nicht entnehmen. Vielmehr wird sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Gesellschaften „unterschiedliche Abgrenzungen einzelner Anlegergruppen“ zugrunde legen.298 Es kann aber nach mündlicher Auskunft des DAI davon ausgegangen werden, dass der Begriff der „institutionellen Anleger“ im Wesentlichen die „Finanzinvestoren“ und „strategischen Investoren“ nach der hier gewählten Terminologie umfasst, während sich die „Privatanleger“ weitgehend mit den „Anlegeraktionären“ decken. 293 Das DAI-Factbook wurde letztmalig im Oktober 2011 in konsolidierter Fassung herausgegeben. Später wurden nur noch vereinzelte Abschnitte aktualisiert, bevor das Format dann schließlich eingestellt wurde. Hieraus rühren die verschiedenen Daten bei der Zitierung der folgenden Abschnitte des DAI-Factbooks. 294 DAI-Factbook, Stand: 5. 4. 2013, Abschnitt 01-1 und Abschnitt 01-1-a. 295 DAI-Factbook, Stand: Oktober 2011, Abschnitt 01-1 (Stand der Gesamtzahl vom August 2011) und Abschnitt 02-3-a (Stand der börsennotierten Gesellschaften vom September 2011). 296 Eine ausführliche, allerdings wesentlich ältere empirische Studie findet sich bei Baums/ Fraune, AG 1995, 97. 297 DAI-Factbook, Stand: Oktober 2011, Abschnitt 08.5-1, 2010. 298 DAI-Factbook, Stand: Oktober 2011, Abschnitt 08.5-1, 2010.

B. Rechtsökonomische Analyse

281

Jedenfalls zur Definition von Fest- und Streubesitz existiert eine anerkannte Definition der Deutschen Börse, die sich dem Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse entnehmen lässt299 und daher auch von den Gesellschaften zugrunde gelegt worden sein dürfte.300 An dieser Stelle soll zunächst primär die Aktionärsstruktur der DAX 30-Gesellschaften zur Betrachtung herangezogen werden, da hier das Zahlenmaterial am repräsentativsten ist. Zusammengefasst lässt sich die Entwicklung der durchschnittlichen Beteiligungsstruktur der DAX 30-Gesellschaften nach dem Zahlenmaterial des DAI wie folgt abbilden301: Jahr

Festbesitz

Institutionelle

Privatanleger

Streubesitz

Auslandsbesitz

2010

24,60 %

62,51 %

16,26 %

74,17 %

65,50 %

2002

32,61 %

53,96 %

23,81 %

68,47 %

44,10 %

1996

37,26 %

57,15 %302

21,47 %303

63,17 %

26,66 %

Zu einem ähnlichen Ergebnis (65 % institutionelle Investoren, 15 % private Haushalte, 13 % strategische Investoren) kommt auf Basis von Zahlen aus dem Jahr 2013 übrigens auch eine private Studie des Deutscher Investor Relations Verband e.V. und der Ipreo Limited.304 Daraus lässt sich ein klarer Trend dahingehend erkennen, dass der Anteil von Aktien, die durch ausländische Investoren und institutionelle Investoren gehalten wird, kontinuierlich zugenommen hat. Spiegelbildlich ist der Anteil der Aktien, die von Privatanlegern gehalten werden oder sich im Festbesitz befinden, kontinuierlich gesunken. Auslöser hierfür waren sicherlich die Reformen der rot-grünen Bundes-

299

Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 7.2, Stand: Mai 2016. So auch Wiedemann, ZGR 2011, 183, 210, der ebenfalls von der Zugrundelegung dieses Verständnisses ausgeht. 301 Die Berechnung basiert auf den Angaben im DAI-Factbook, Stand: Oktober 2011, Abschnitt 08.5-1, für 2010; Abschnitt 08.5-1, für 2002; Abschnitt 08.5-1, für 1996. Berücksichtigt wurde für die Berechnung die Zusammensetzung des DAX 30 zum Ende des jeweiligen Jahres (2010, 2002, 1996). Im DAI-Factbook finden sich jedoch nicht zu allen DAX 30 Gesellschaften für jedes Jahr Angaben zu allen der genannten Kategorien, sodass sich die Berechnung des jeweiligen Durchschnittswerts nur auf den Durschnitt der DAX 30-Gesellschaften bezieht, die zu der jeweiligen Kategorie Angaben gemacht haben. Während das Zahlenmaterial für 2010 und 2002 aussagekräftig ist, finden sich für das Jahr 1996 nur Angaben von 19 der damaligen DAX 30-Gesellschaften und insbesondere nur zwei bzw. drei Angaben zu den Kategorien „Institutionelle“ und „Privatanleger“, sodass hier die Durchschnittswerte freilich nur eingeschränkte Aussagekraft haben. 302 Siehe nochmals Fn. 301 am Ende. 303 Siehe nochmals Fn. 301 am Ende. 304 Siehe die Studie „Investoren der Deutschland AG, die Aktionärsstruktur des deutschen Leitindex DAX“ vom Juni 2014, S. 7, abrufbar unter https://www.dirk.org/dirk_webseite/static/ uploads/Ipreo%20%20DIRK%20-%20DAX-Studie%20Juni%202014%20(final).pdf. 300

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

regierung, insbesondere das Steuersenkungsgesetz305 und das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz,306 wodurch die Veräußerung von Beteiligungen aufgrund der Steuerfreistellung von Veräußerungsgewinnen in § 8 Abs. 2 KStG und gleichzeitig die Investition durch ausländische Investoren erleichtert wurden. Teil der Stärkung des „Finanzplatzes Deutschland“ war es gerade auch, die vorher bestehenden Beteiligungsstrukturen der „Deutschland AG“ aufzubrechen, indem die starke Stellung der Banken im Aktionariat der größten deutschen Gesellschaften reduziert und die gegenseitigen Beteiligungen entflochten werden sollten.307 Aktuelle Statistiken über die durchschnittliche Beteiligungsquote der größten Blockaktionäre sind hingegen schwieriger zu finden. In einer Studie aus dem Jahr 2001 kamen Franks/Meyer – allerdings basierend auf Zahlen aus dem Jahr 1990 – zu dem Befund, dass bei 171 untersuchten börsennotierten Gesellschaften in 22,2 % der Fälle ein Blockaktionär mindestens 75 % der Stimmrechte hielt, in 57,3 % der Fälle mindestens 50 % und in 85,4 % der Fälle mindestens 25 %.308 Zum Vergleich hatten in England im Jahr 1992 von 173 untersuchten börsennotierten Gesellschaften nur 13 % der Gesellschaften einen Blockaktionär mit mindestens 25 % der Stimmrechte und nur 6 % einen Blockaktionär mit mindestens 50 %.309 Becht/Boehmer kamen in einer Studie aus dem Jahr 2003 – allerdings basierend auf Zahlen aus dem Jahr 1996 – bei der Untersuchung von 430 börsennotierten Gesellschaften auf Zahlen von 40,3 % (Blockaktionär mit mindestens 75 %), 64,7 % (Blockaktionär mit mindestens 50 %) und 82,3 % (Blockaktionär mit mindestens 25 %).310 Ampenberger kommt in einer aktuelleren Studie aus dem Jahr 2010 – basierend auf Zahlen aus dem Jahr 2006 – unter Berücksichtigung aller CDAX Unternehmen (also aller an der Frankfurter Wertpapierbörse im General und Prime Standard notierten Aktien) mit Ausnahme von Finanzunternehmen, auf Zahlen von 18 % (Blockaktionär mit mindestens 75 %), 38 % (Blockaktionär mit mindestens 50 %) und 67 % (Blockaktionär mit mindestens 25 %).311 Daraus kann man zwar im Vergleich zu den älteren Untersuchungen eine rückläufige Beteiligungsquote der Blockaktionäre ersehen, es lässt sich aber gleichzeitig festhalten, dass immer noch bei einer Vielzahl der börsennotierten Gesellschaften Blockaktionäre mit maßgeblichem Einfluss existieren. 305

Steuersenkungsgesetz vom 23. 10. 2000, BGBl. I 2000, S. 1433. Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland, BGBl. I 2002, S. 2010. 307 Hierzu auch Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 55 f.; siehe auch BegrRegE, BTDrucks. 14/8017, S. 62. 308 Franks/Meyer, 14 Rev. Financ. Stud. 943, 947 (2001). 309 Franks/Meyer, 14 Rev. Financ. Stud. 943, 947 (2001). 310 Becht/Boehmer, 23 Int. Rev. L. & Econ., 1, 3 (2003). 311 Ampenberger, Unternehmenspolitik in börsennotierten Familienunternehmen (2010), S. 219. 306

B. Rechtsökonomische Analyse

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Insgesamt zeigt sich damit deutlich, dass die Beteiligungsstruktur deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften sich stark von der „Berle/Means-corporation“ mit einer Vielzahl von Aktionären mit atomistisch kleinen Beteiligungsquoten unterscheidet. Insbesondere befanden sich nach den letzten Zahlen des DAI selbst bei den DAX-30-Gesellschaften immer noch 24,60 % aller Anteile im Festbesitz, was eine Beteiligungsquote von über 5 % voraussetzt. Der Anteil der „institutionellen Investoren“ betrug zuletzt 62,51 %. Weiterhin verfügt immer noch eine Vielzahl der börsennotierten Gesellschaften über große Blockaktionäre, wie die Studie von Ampenberger zeigt. Die Zahlen deuten insgesamt darauf hin, dass in den deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften in der Tat strategische Investoren und Finanzinvestoren mit solch umfangreichen Beteiligungen existieren, dass diese entsprechend der vorangegangenen theoretischen Erörterung einen Anreiz haben, aktiv an der Überwachung des Vorstandshandelns mitzuwirken. cc) Zwischenergebnis Allgemein kann damit hinsichtlich der Präferenzen und Handlungsoptionen der Aktionäre festgehalten werden, dass ein kleines Investment, wie typischerweise beim reinen Anlegeraktionär der Fall, dazu führt, dass eine aktive Teilnahme des Aktionärs unwahrscheinlicher wird, da es sich für ihn ökonomisch nicht lohnt, die notwendigen Kosten zur Überwachung des Vorstandshandelns auf sich zu nehmen. Eine Unzufriedenheit mit Entscheidungen des Managements und über nicht erreichte Ziele wird sich daher eher in einer Veräußerung der Anteile widerspiegeln. Bei einem kurzen Investitionshorizont ist präferiertes Ziel insbesondere eine kurzfristige Kurssteigerung, um schnelle Veräußerungsgewinne zu erzielen. Mit zunehmender Größe des Investments erschwert sich die Möglichkeit der Deinvestition und erhöht sich die Einflussmöglichkeit bei Abstimmungen. Daher steigt die Willigkeit, Informationskosten auf sich zu nehmen und aktiv an der Überwachung des Vorstandshandelns zu partizipieren. Bei einem längerfristigen Investitionshorizont wird der bestehende Einfluss dahingehend ausgeübt werden, dass es zu einer langfristig stabilen Kursentwicklung und Dividendenausschüttung kommt. Damit haben Aktionäre, auf welche diese Attribute zutreffen, namentlich strategische Investoren und Finanzinvestoren mit größeren Beteiligungsquoten, die beste Anreizstruktur, das Vorstandshandeln zu überwachen.312 Die untersuchten Zahlen zur Beteiligungsstruktur der deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften deuten darauf hin, dass in den deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften in der Tat strategische Investoren und Finanzinvestoren mit umfangreichen Beteiligungen existieren, die entsprechend einen ökonomischen 312 So auch Coffee, 91 Colum. L. Rev. 1277, 1288 f. (1991) („The profile of the optimal monitor seemingly includes the following elements: (1) an ability to hold large equity stakes; (2) an inclination to hold for the longer term over which improved monitoring can pay off; and (3) the absence of any substantial conflict of interest.“).

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Anreiz haben sollten, aktiv an der Überwachung des Vorstandshandelns mitzuwirken. b) Präferenzen und Handlungsoptionen der beteiligten Akteure beim Beteiligungserwerb Ein umfangreicher Beteiligungserwerb kann die Interessen der beschriebenen Aktionärsgruppen nachhaltig beeinträchtigen. Es handelt sich mithin um eine fundamentale Entscheidung, die auch geeignet ist, den Wert der Anteile der Aktionäre maßgeblich zu reduzieren.313 Mithilfe der entwickelten Grundsätze zu den ökonomischen Präferenzen und Handlungsoptionen der beteiligten Akteure lässt sich eine modellhafte Betrachtung anstellen, um positive Aussagen darüber zu treffen, wie es sich auf deren Verhalten auswirkt, wenn ein solcher Beteiligungserwerb ohne Zustimmungserfordernis (hierzu unter aa)) oder mit Zustimmungserfordernis (hierzu unter bb)) der Aktionäre durchgeführt wird. Hierbei sind über die grundsätzlichen ökonomischen Präferenzen hinaus auch spezifische Erwägungen im Hinblick auf Beteiligungserwerbe in die Betrachtung mit einzustellen. Weiterhin soll die Betrachtung auch um die Berücksichtigung systematischer Rationalitätsdefizite ergänzt werden. aa) Beteiligungserwerb ohne Zustimmungserfordernis (1) Präferenzen und Handlungsoptionen des Vorstands Bei der Frage, ob und wenn ja in welcher Form und zu welchen Konditionen ein Beteiligungserwerb durchgeführt werden soll, wird der selbstinteressiert handelnde Vorstand hinsichtlich seiner positiven Präferenzen die folgenden Erwägungen anstellen.314 Bestehen vertraglich vereinbarte variable Vergütungselemente, die eine kurz-, mittel- bzw. langfristig positive Unternehmensentwicklung, wie z. B. die Steigerung des Börsenkurses oder anderer Parameter, entlohnen? Wenn dies der Fall ist, ist durch die geplante Transaktion eine kurz-, mittel- bzw. langfristig positive Unternehmensentwicklung zu erwarten? Besteht die Aussicht auf besondere (Transaktions-) Boni, ausgelöst durch einen Beteiligungserwerb? Geht mit dem Beteiligungserwerb eine Vergrößerung des eigenen Einflussbereichs und/oder Prestiges einher, die zu einer Steigerung des eigenen Marktwertes führen kann?

313

Treffend Harford/Li, 62 J. Fin. 917, 918 (2007) („[A]cquisition decisions may be the most significant corporate resource allocation decisions that managers make and the potential wealth destruction to firm shareholders is large […].“); ebenso Gaspar/Massa/Matos, 76 J. Fin. Econ. 135, 136 (2005). Zu empirischen Untersuchungen hierzu noch ausführlicher unter B.II.1.c)aa). 314 Siehe nochmals allgemeiner hierzu unter B.II.1.a)aa).

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Aus Sicht der Aktionäre besteht die Gefahr, dass der Vorstand aufgrund dieser Überlegungen eine suboptimale Investmententscheidung trifft, um seinen eigenen Vorteil zu mehren.315 Erkennt man weiterhin ein eingeschränktes Rationalverhalten als Prämisse an, so ergeben sich darüber hinaus weitere Gefahren, die auf den beschriebenen Abweichungen von der Modellannahme des vollständigen Rationalverhaltens basieren.316 Zunächst wird der Vorstand schon aufgrund von begrenzten und selektiv wahrgenommenen Informationen entscheiden (availability bias).317 Auch kann die Frage, ob der Beteiligungserwerb zu einer mittel- bzw. langfristig positiven Unternehmensentwicklung führen wird, nur schwer prognostiziert werden,318 da dies von vielen Variablen abhängt, welche zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht absehbar sind. Weiterhin besteht die Gefahr, dass der Vorstand, selbst in Abwesenheit von eigennützigen Motiven, sein eigenes Urteilsvermögen überschätzt (overconfidence bias) und auch die von dem Beteiligungserwerb ausgehenden positiven Effekte für die Unternehmensentwicklung zu positiv bewerten (overoptimism).319 Auch ein Vorstand, der nicht primär aus eigennützigen Motiven handelt, kann also aus diesen Gründen eine suboptimale Investitionsentscheidung treffen.320 Im Ergebnis kann daher bei Beteiligungserwerben auch aus diesen Gründen ein zu hoher Preis für die Anteile der Zielgesellschaft bezahlt werden. Allerdings kann das Vorstandshandeln auch in Abwesenheit eines Zustimmungserfordernisses beim Beteiligungserwerb durch andere Überwachungs- und Disziplinierungsmechanismen beeinflusst werden. Hier kann zwischen internen (hierzu unter (2)) und externen Überwachungs- und Disziplinierungsmechanismen (hierzu unter (3)) unterschieden werden.

315 Göbel, Neue Institutionenökonomik (2002), S. 102 (sog. „hidden-information-Problem“); Rock/Davies/Kanda/Kraakman, in: The Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. (2009), S. 184 f.; Black, 41 Stan. L. Rev. 597, 627 (1989) („[…] managers may want to increase the size of their firms and to diversify, even if this reduces the return of the shareholders’ investment“); so auch schon plakativ Morck/Shleifer/Vishny, 45 J. Fin. 31 f. (1990) („When an investment provides a manager with particulary large personal benefits, he is willing to sacrifice the market value of the firm to pursue that investment.“). 316 Siehe allgemeiner hierzu nochmals unter B.I.1.b). 317 Siehe allgemeiner hierzu nochmals unter B.I.1.b). 318 Treffend Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 723 („Strategische unternehmerische Entscheidungen können heute und für die nächsten Jahre richtig, fünf oder zehn Jahre später aber falsch sein.“). 319 Malmendier/Tate, 60 J. Fin. 2661, 2662 (2005) („Overconfident CEOs systematically overestimate the return to their investment projects.“); ähnlich Black, 41 Stan. L. Rev. 597, 624 f. (1989) („habitual overoptimism“ und „winner’s curse“); Morck/Shleifer/Vishny, 45 J. Fin. 31, 33 (1990) („infected by hubris“); siehe allgemeiner hierzu nochmals unter B.I.1.b). 320 Zutreffend Malmendier/Tate, 60 J. Fin. 2661, 2662 (2005) („A manager whose incentives are perfectly aligned and who does not face any informational asymmetries may still invest suboptimally if he is overconfident.“); ähnlich dies., 89 J. Fin. Econ. 20, 42 (2008).

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(2) Interne Überwachungs- und Disziplinierungsmechanismen (a) Disziplinierung durch Überwachung durch den Aufsichtsrat Die zentrale Funktion des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 1 AktG liegt, wie bereits angesprochen, in der Überwachung der Leitungstätigkeit des Vorstands, sowohl in repressiver Hinsicht für die Vergangenheit als auch in präventiver Hinsicht für die Zukunft.321 Der Zustimmung des Aufsichtsrats muss sich der Vorstand bei umfangreichen Beteiligungserwerben auch unabhängig von der Bejahung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses versichern, denn bei einem Beteiligungserwerb des in Rede stehenden Umfangs wird es sich um ein zustimmungsbedürftiges Geschäft nach § 111 Abs. 4 S. 1 AktG handeln.322 Eine fehlende Zustimmung des Aufsichtsrats beschränkt zwar nicht die Vertretungsmacht des Vorstands, stellt jedoch eine Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis dar und kann zum Schadensersatz führen.323 In historischer Perspektive zeigt sich, dass die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats in den letzten Jahren sicherlich aktiver und intensiver wahrgenommen wird als vorher.324 Zur Vermeidung der eigenen Haftung kann generell auch durchaus von einer risikobewussten Kontrolle des Vorstandshandelns durch den Aufsichtsrat ausgegangen werden, wobei diese sich neben der Rechtmäßigkeit auch auf die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des Vorstandshandelns erstreckt.325 Der Aufsichtsrat darf somit zwar eigene Vorstellungen auch hinsichtlich unternehmerischer Entscheidungen äußern, allerdings muss er den Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Vorstands beachten,326 was dazu führt, dass der Zweckmäßig321

Siehe hierzu nochmals unter Teil 2 A.II.3. Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 110; Spindler, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 65; Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 607, Fn. 48; Lutter, in: Ringleb/Kremer/Lutter/von Werder, Kodex-Kommentar, 5. Aufl. (2014), Rn. 340; noch deutlicher J. Hüffer, in: Festschrift für U. Hüffer (2010), S. 365 („nachgerade typische Anwendungsfälle“); Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2005), § 111 Rn. 654 („Praktisch wichtigster Zustimmungsvorbehalt“). 323 Habersack in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 129; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 111 Rn. 76; Drygala, in: Schmidt/ Lutter AktG, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 64; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2013), § 111 Rn. 112; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2005), § 111 Rn. 702. 324 Ausführlich hierzu Schneider/Schneider, AG 2015, 621 ff. 325 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 111 Rn. 14; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 42; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 14 ff.; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2005), § 111 Rn. 306; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 20 f. 326 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 43; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 16; Lutter, in: Ringleb/Kremer/Lutter/ von Werder, Kodex-Kommentar, 5. Aufl. (2014), Rn. 867; Fonk, ZGR 2006, 841, 867; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 211 („Planungshoheit“). 322

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keitskontrolle des Vorstandshandelns und damit auch der ökonomischen Bewertung durch den Aufsichtsrat gewisse Grenzen gesetzt sind. Dies zeigt sich in prozeduraler Hinsicht auch daran, dass sich der Vorstand auch über ein ablehnendes Aufsichtsratsvotum nach § 111 Abs. 4 S. 3 AktG durch Anrufung der Hauptversammlung hinwegsetzen kann. Im Übrigen wird es beim Aufsichtsrat systembedingt zwangsläufig dazu kommen, dass er primär die vom Vorstand präsentierten Informationen als Entscheidungsgrundlage heranzieht (availability bias).327 Es ist anerkannt, dass der Aufsichtsrat sich grundsätzlich auf diejenigen Informationen verlassen darf, die ihm der Vorstand überlässt, es sei denn, es bestehen Zweifel an deren Vollständigkeit, deren Eignung als Entscheidungsgrundlage oder Verdachtsmomente für eine Falschinformation.328 Des Weiteren können sich gesteigerte Informations- und Nachforschungspflichten des Aufsichtsrats aber auch bei Geschäften von ungewöhnlichem Umfang und besonders risikoträchtigen Vorhaben ergeben,329 wozu auch ein Beteiligungserwerb des in Rede stehenden Umfangs zählen dürfte. Allerdings muss der Aufsichtsrat, was in der Tat auch eine praxisferne Forderung wäre, nicht über ein Informationsniveau verfügen, welches dem des Vorstands vergleichbar ist.330 Hinzu kommt, dass der Aufsichtsrat sich gegebenenfalls binnen kurzer Zeit eine Meinung bilden muss.331 In der Folge kann dies dazu führen, dass der Aufsichtsrat ein eigennütziges Vorstandshandeln nicht ausreichend als solches identifizieren kann bzw. dass, selbst wenn die Motive des Vorstands uneigennützig motiviert sind, er eine zu positive Prognoseentscheidung des Vorstands unterstützt. Außerdem kann in praktischer Hinsicht die Effektivität der Überwachungstätigkeit durch weitere „weiche“ Faktoren beschränkt werden. So kann insbesondere die persönliche Verbundenheit von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern zu Kontrolldefiziten füh-

327

Siehe allgemein hierzu nochmals unter B.I.1.b). Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 111 Rn. 15; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 44 ff.; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 116 Rn. 25 f.; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 111 Rn. 22; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2005), § 111 Rn. 207, 263, 327, § 116 Rn. 127; Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 548; Schiessl, ZGR 2003, 814, 826; siehe auch BGH, Urt. v. 11. 12. 2006 – II ZR 243/05, ZIP 2007, 224, 225 f.; LG Bielefeld, Urt. v. 16. 11. 1999 – 15 O 91/ 98, WM 1999, 2457, 2464. 329 BGH, Beschl. v. 6. 11. 2012 – II ZR 111/12, AG 2013, 90, 91; BGH, Urt. v. 11. 12. 2006 – II ZR 243/05, AG 2007, 167, 168 f.; OLG Stuttgart, Urt. v. 29. 2. 2012 – 20 U 3/11, AG 2012, 298, 300; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8. 3. 1984 – 6 U 75/83, BB 1984, 997, 999; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 111 Rn. 15; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 46, 50; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 116 Rn. 25 f.; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (2005), § 111 Rn. 146, 173, 181; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl. (2006), Rn. 246. 330 So aber tendenziell OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28. 5. 1990 – 3 W 93/90, DB 1990, 1401; ähnlich Schlitt, DB 2005, 2007 (in der Folge aber relativierend). 331 J. Hüffer, in: Festschrift für U. Hüffer (2010), S. 365, 371; Fonk, ZGR 2006, 841, 859. 328

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

ren,332 weiterhin auch die Überbelastung durch Mehrfachmandate und Interessenkonflikte.333 Folglich bietet die Überwachung des Vorstandshandelns durch den Aufsichtsrat auch beim Beteiligungserwerb einen Filter, um eigennütziges und von Rationalitätsdefiziten geprägtes Handeln des Vorstands zu beschränken und ökonomisch nicht wünschenswerte Transaktionen zu verhindern. Der Leistungsfähigkeit des Aufsichtsrats bei der Überwachung sind allerdings, wie beschrieben, gewisse rechtliche und tatsächliche Grenzen gesetzt. (b) Disziplinierung durch faktischen und rechtlichen Einfluss auf den Vorstand Faktischer Einfluss kann durch strategische Investoren und Finanzinvestoren zunächst durch unmittelbare Gespräche mit dem Vorstand in Investorentreffen oder auf „informellen Kommunikationswegen“334 ausgeübt werden. Der hierdurch erzeugte Druck ist praktisch von größerer Relevanz, als dies auf den ersten Blick erscheinen mag.335 Dass dieser Druck auch geeignet sein kann, umfangreiche Beteiligungserwerbe zu verhindern, zeigt die gescheiterte Übernahme der LSE durch die Deutsche Börse. Obwohl kein Hauptversammlungserfordernis bestand, scheiterte der Erwerb letztlich an dem von TCI und Atticus organisierten „lehrbuchreichen Aufstand“,336 obwohl diese „nur“ mit 7,5 % bzw. 5,5 % beteiligt waren. Ob hierdurch nun eine ineffiziente Transaktion verhindert wurde, die primär als empire-building des Vorstands zu sehen war, oder ob im Gegenteil durch den alternativen Einsatz der 332 Statt vieler etwa Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 544 f.; Reichert, in: Festschrift für Hommelhoff (2012), S. 907, 919 f.; Redeke, AG 2015, 253, 254; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 129. 333 Statt vieler etwa Roth, ZIP 2003, 369, 377; Seibt, in: Festschrift für Hopt, Bd. 1 (2010), S. 1361, 1364 f. 334 Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 201; Winkler, Die Verantwortung institutioneller Anleger als Aktionäre in Publikumsgesellschaften in Deutschland und den USA (2008), S. 104; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 159 f. 335 Plakativ hierzu die Aussagen von Pohle, früherer Finanzvorstand bei Schering: „Da wird man durch die Mühle gedreht […]. Sie müssen sich überlegen, da gibt es Teams, die legen jeden Tag fünf oder sechs Milliarden Dollar an […] Da können Sie in Deutschland hundertmal Regeln über den Aufsichtsrat und wer weiß noch was alles haben – das ist nichts gegen den Druck, den sie von diesen Leuten kriegen.“ – zitiert bei Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 75, Fn. 142. Noch unterhaltsamer ist die Kommunikation des Hedgefonds Third Point gegenüber dem CEO von Star Gas Irik Sevin: „It is time for you to step down from your role as CEO and director so that you can do what you do best: retreat to your waterfront mansion in the Hamptons where you can play tennis and hobnob with your fellow socialites.“ Weiterhin betreffend die Frage, warum die Mutter von Sevin Mitglied des board of directors war: „We further wonder under what theory of corporate governance does one’s mom sit on a Company board. Should you be found derelict in the performance of your executive duties, as we believe is the case, we do not believe your mom is the right person to fire you from your job.“ – zitiert nach Kahan/Rock, 155 U. Pa. L. Rev. 1021, 1029 f. (2007). Tatsächlich trat Sevin daraufhin zurück. 336 So die Die Zeit vom 10. März 2005.

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vorhandenen Barmittel zur Zahlung einer erhöhten Dividende und zum Rückkauf eigener Aktien ein langfristig sinnvolles Projekt verhindert wurde, mag dahingestellt bleiben. Fraglich erscheint dies insbesondere auch in Anbetracht der Tatsache, dass die betreffenden Hedgefonds gleichzeitig Aktien der LSE leerverkauft hatten und somit auch von den fallenden Kursen der LSE profitierten.337 Dennoch ist die Möglichkeit der faktischen Einflussnahme letztlich einzelfallabhängig und ermangelt einer in rechtliche Formen gegossenen Mechanik.338 Mag sie sich in einigen Gesellschaften als probates Mittel erweisen, so kann sie jedoch kaum als flächendeckende Lösung gesehen werden. Insbesondere mangelt es an speziellen Mechanismen zur Durchsetzung des Einflusses. Auch die Androhung der Veräußerung einer maßgeblichen Beteiligung durch den Aktionär stellt sich gegenüber dem Vorstand kaum als universell geeignetes Druckmittel dar.339 Der drohende Schaden einer unwirtschaftlichen Veräußerung der Beteiligung würde den Aktionär selbst eher noch härter treffen als das (zeitweise) Absinken des Aktienkurses den Vorstand, welcher hierdurch an den Aktienkurs gekoppelte Gehaltsbestandteile verlieren könnte.340 Das realistischste Druckmittel dürfte daher die Drohung darstellen, den bestehenden rechtlichen Einfluss gelten zu machen, um auf eine Abberufung hinzuwirken. Gerade in der US-amerikanischen Literatur findet sich vielfach das pauschale Argument, die unzufriedenen Aktionäre könnten anstelle von Mitwirkungsrechten einfach das Management austauschen.341 Dies ist allerdings weder in den USA342 337 Siehe hierzu Schmolke, ZGR 2007, 701, 711; Engert, ZIP 2006, 2105, 2107; Schockenhoff/Culmann, ZIP 2015, 297, 298. 338 Ähnlich Black, 39 UCLA L. Rev. 811, 848 (1992) („Despite the importance of informal action, formal power is still essential.“). 339 So aber offensichtlich Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 201, 204. 340 Siehe hierzu Admati/Pfleiderer, The „Wall Street Walk“ and Shareholder Activism: Exit as a Form of Voice (2006), S. 1 f. 341 Vgl. Cools, 30 Del. J. Corp. L. 697, 746 (2005) („Stockholders who do not agree with the board, so the argument traditionally goes, can replace the board with a new team.“). 342 Zwar ist nach dem Recht von Delaware eine Abberufung der directors grundsätzlich auch ohne wichtigen Grund möglich, Sec. 111 (k) DGCL. Allerdings sind in der Praxis die Amtszeiten nach Sec. 141 (d) DGCL oft zeitlich versetzt (sog. staggered board), sodass kein gleichzeitiger Austausch des gesamten board möglich ist (siehe Bebchuk/Subramanian, 54 Stan. L. Rev. 887, 893 ff. (2002), inklusive einer statistischen Untersuchung der Entwicklung zum Vordringen des staggered board; Cools, 30 Del. J. Corp. L. 697, 745 ff. (2005); Thompson/Edelman, 62 Vand. L. Rev. 129, 167 f. (2009)). Es können mithin drei verschiedene Klassen von directors geschaffen werden, sodass es grundsätzlich drei Jahre dauert das gesamte board auszutauschen. Erleichterung schien zunächst eine jüngere Enscheidung des Delaware Chancery Court zu bringen, auf die Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38, 42 in Fn. 46 verweisen. Hiernach können die Aktionäre in den bylaws regeln, dass der Zeitpunkt der Jahreshauptversammlung verschoben wird, wodurch binnen kürzerer Zeit zwei Hauptversammlungen abgehalten und zwei Klassen von directors ausgetauscht werden könnten; siehe Airgas, Inc. vs. Air ProdS. & Chems, Inc., 2010 Del. Ch. LEXIS 206. Allerdings wurde diese Entscheidung vom

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

noch in Deutschland problemlos möglich. Der Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied setzt nach § 84 Abs. 3 S. 1 AktG das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus, wobei die in § 84 Abs. 3 S. 2 AktG aufgezählten, nicht abschließenden Gründe zeigen, dass die Fortsetzung der Organstellung unzumutbar sein muss.343 Da der Vorstand also grundsätzlich nicht einfach ad hoc und ohne wichtigen Grund ausgetauscht werden kann, liefe auch eine diesbezügliche Ausübung von Druck auf die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat ins Leere. Es verbleibt zwar die Möglichkeit eines Vertrauensentzugs durch eine Beschlussfassung der Hauptversammlung,344 da auch diese nach § 84 Abs. 3 S. 2 AktG a.E. die Abberufung rechtfertigt, es sei denn, das Vertrauen wurde aus offensichtlich unsachlichen Gründen entzogen. Allerdings würde selbst in diesem Fall unter dem Gesichtspunkt der angemessenen Überwachung des Vorstandshandelns unter Umständen „mit Kanonen auf Spatzen geschossen“. Eine Abberufung des Vorstands (zumal des gesamten Vorstands) dürfte praktisch nur dann in Betracht kommen, wenn sich die Transaktion im Nachhinein als sehr nachteilhaft herausgestellt hat. Im Übrigen wäre es der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft erkennbar nicht zuträglich, wenn bei verschiedenen Ansichten über grundlegende Entscheidungen, anstelle einer Befragung der Aktionäre im Vorhinein, im Nachhinein der (gesamte) Vorstand ausgetauscht würde, auch wenn dieser ansonsten im Aktionärsinteresse agiert. Ein Zustimmungserfordernis wäre hier als lediglich punktueller Eingriff in die Leitungstätigkeit des Vorstands das erkennbar mildere Mittel. Da der Vorstand somit nur in extremen Fällen mit der Abberufung rechnen muss, geht von dieser möglichen Folge auch nur eine beschränkt disziplinierende Wirkung aus.

Delaware Supreme Court wieder aufgehoben; siehe Airgas, Inc. vs. Air Prods. & Chems, Inc., 8 A.3d 1182, 1194 (2010) („In this specific case, we may safely conclude that under any construction of ,annual‘ within the intended meaning of the Airgas Charter or title 8, section 141 (d) of the Delaware Code, four months does not qualify.“). Darüber hinaus ist bei einem staggered board wegen Sec. 141 (k) (1) DGCL eine vorzeitige Abberufung nur aus wichtigem Grund möglich. Die Möglichkeit, das unliebsame Management kurzerhand auszutauschen, stellt sich also mehr als „Mythos“ denn als reale Handlungsoption dar; so Bebchuk, 12 Corporate Governance Advisor 28 (2004) („Although shareholder power to replace directors is supposed to be an important element of our corporate governance system, it is largely a myth.“). Leichter ist es hingegen nach englischem Recht einen director abzuberufen. Nach Sec. 168 (1) CA 2006 setzt dies keinen wichtigen Grund voraus und den Aktionären steht auch ein allgemeines Initiativrecht nach Sec. 303 CA 2006 zu. 343 BGH, HinweisBeschl. v. 23. 10. 2006 – II ZR 298/05, NZG 2007, 189; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 84 Rn. 34; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 84 Rn. 127; Weber, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 84 Rn. 70. 344 BGH, Urt. v. 7. 6. 1962 – II ZR 131/61, WM 1962, 811; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 84 Rn. 37 f.; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 84 Rn. 137 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 84 Rn. 111; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 84 Rn. 128.

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(c) Disziplinierung durch Haftung und Haftungsandrohung Die Gefahr der Haftung des Vorstands nach § 93 Abs. 2 AktG bedingt zunächst präventive Anreize des Vorstands sich pflichtgemäß zu verhalten.345 Zum pflichtgemäßen Verhalten gehört es freilich auch, keine eigennützig motivierten Transaktionen durchzuführen, was sich schon aus der Treuepflicht ergibt,346 und nun auch aus der Regelung zur Business-Judgement-Rule in § 93 Abs. 1 S. 2 a.E. deutlich wird.347 Nach der gesetzgeberischen Intention obliegt die Inanspruchnahme des Vorstands allerdings primär dem Aufsichtsrat, § 112 AktG. Falls der Aufsichtsrat nicht von selbst einschreitet, wozu er nach der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung bei verfolgbaren Ansprüchen nicht nur berechtigt, sondern grundsätzlich auch verpflichtet ist,348 steht den Aktionären auch der Weg über ein Klagezulassungsverfahren und eine anschließende Aktionärsklage nach § 148 AktG offen. Obwohl gerade in jüngerer Zeit eine Inanspruchnahme des Vorstands vermehrt zu beobachten ist, können – trotz der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung349 und dem Verfahren nach § 148 AktG350 Hindernisse in der Anreizstruktur der Akteure bestehen, den Vorstand in Anspruch zu nehmen. Was zunächst den Aufsichtsrat betrifft, so kann dieser vor allem deswegen einen Anreiz haben den Vorstand nicht in die 345 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 2 f.; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 93 Rn. 32; Hölters, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 93 Rn. 8; Bayer, NJW 2014, 2546; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 209; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 87, 99; ausführlich zur Steuerungsfunktion Eßwein, Privatautonome Gestaltung der Vorstandshaftung (2015), S. 52 ff. 346 Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 21; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. (2014), § 93 Rn. 60; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 93 Rn. 73; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1257. 347 Ein Handeln „zum Wohle der Gesellschaft“ muss nach der Gesetzesbegründung „unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und ohne unmittelbaren Eigennutz“ sein (siehe BR-Drucks. 3/05, S. 20); hierzu etwa auch Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 93 Rn. 60; Fleischer, in: Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 7 Rn. 57; Hölters, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 93 Rn. 38; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 24; ders., ZGR 2006, 769, 790; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 93 Rn. 73, 115. 348 BGH, Urt. v. 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 („ARAG/Garmenbeck“). 349 Die Handhabung der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung erfolgte in der Praxis in der Vergangenheit durchaus nicht so streng, wie es der Wortlaut zunächst vermuten ließe. Von einer starken Strömung in der jüngeren Literatur wird nun gegen eine Regelverfolgung und für eine stärkere Ausrichtung am Unternehmenswohl plädiert. Insbesondere soll bei der Prüfung des Vorstands auf der „zweiten Stufen“, also beim Absehen von der Anspruchsverfolgung, ein unternehmerisches Ermessen bestehen; siehe Goette, in: Liber Amicorum für Winter (2011), S. 153, 164 f.; Reichert, in: Festschrift für Hommelhoff (2012), S. 907, 924; Mertens, in: Festschrift für K. Schmidt (2009), S. 1183, 1193; Paefgen, AG 2008, 761, 769. 350 § 148 AktG wurde durch das UMAG im Jahr 2005 eingeführt, hat seither jedoch nur eine geringe praktische Relevanz erlangt; so seien bis 2011 erst drei Fälle veröffentlicht worden, in denen das Klagezulassungsverfahren überhaupt eine Rolle gespielt hat; siehe Schmolke, ZGR 2011, 398, 402 f.

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Haftung zu nehmen, da hiermit gleichzeitig Fehler bei der Überwachung des Vorstandshandelns und somit eine eigene Haftung indiziert werden.351 Weiterhin spielen auch „weiche“ Faktoren wie regelmäßig gute Kontakte zwischen den Mitgliedern von Aufsichtsrat und Vorstand eine Rolle.352 Für die Aktionäre wird es oft problematisch sein zu erkennen, ob überhaupt ein Fall von pflichtwidrigem Fehlverhalten des Vorstands vorlag.353 Allein aus dem wirtschaftlich unerfreulichen Ausgang einer Transaktion kann insbesondere nicht schon auf eine relevante Pflichtverletzung des Vorstands geschlossen werden. Namentlich ist für die Aktionäre unklar, ob der Vorstand sich aus eigennützigen Aspekten für den Beteiligungserwerb entschieden hat oder ob er diesen für die beste Investitionsalternative für die Aktionäre hielt.354 Im ersten Fall wäre das Handeln des Vorstands aufgrund der Verfolgung von sachfremden Interessen nicht von der Business-Judgment-Rule nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gedeckt,355 im zweiten Fall wäre dies grundsätzlich der Fall. Es herrscht also ein erhebliches Informationsdefizit, da die Aktionäre keinen Einblick in die Entscheidungsgrundlage des Vorstands haben. Abhilfe kann über die Bestellung von Sonderprüfern geschaffen werden, die nach vorheriger Ablehnung durch die Hauptversammlung nach § 142 Abs. 1 S. 1 AktG auch von einer qualifizierten Minderheit bei Gericht beantragt werden kann, § 142 Abs. 2 S. 1 AktG a.E. Hierbei legt die Rechtsprechung aber einen recht hohen Maßstab für den notwendigen Verdacht an, dass es nach den vom Antragssteller behaupteten Tatsachen zu einer Unredlichkeit des Vorstands oder einer groben Verletzung des Gesetzes oder der Satzung gekommen ist.356 Auch im Fall Com351 Siehe statt vieler Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 93 Rn. 2; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 111 Rn. 34; Bezzenberger, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1999), § 147 Rn. 3; Redeke, AG 2015, 253, 254; plakativ auch BegrRegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 20 zu § 148 AktG: „Es kann typischerweise nicht erwartet werden, dass derjenige Ansprüche verfolgt, der dem Ersatzpflichtigen kollegial oder geschäftlich verbunden, ihm für seine eigene Bestellung zu Dank verpflichtet ist, oder der Gefahr läuft, dass im Verfahren seine eigenen Versäumnisse aufgedeckt werden.“ 352 Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 544 f.; Reichert, in: Festschrift für Hommelhoff (2012), S. 907, 919 f.; Redeke, AG 2015, 253, 254; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 129. 353 Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 95 f. 354 Göbel, Neue Institutionenökonomik (2002), S. 102. 355 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 93 Rn. 60; Fleischer, in: Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 7 Rn. 57; Hölters, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 93 Rn. 38; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 24; ders., ZGR 2006, 769, 790; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 93 Rn. 73, 115. 356 Etwa OLG Köln, Beschl. v. 22. 2. 2010 – 18 W 1/10, Rz. 28, juris; OLG München, Beschl. v. 30. 8. 2010 – 31 Wx 24/10, Rz. 11, juris; OLG Stuttgart, Beschl. v. 15. 6. 2010 – 8 W 391/08, Rz. 16, juris; dies entspricht auch der gesetzgeberischen Intention; siehe BegrRegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 18 („Auch wenn es sich bei § 142 – anders als bei § 148 – um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt und hinsichtlich der Verdachtstatsachen also der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, so sind doch auch hier hohe Anforderungen an die Überzeugung des Gerichts zum Vorliegen der Tatsachen zu stellen.“).

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merzbank/Dresdner Bank wurde eine Sonderprüfung vom OLG Frankfurt a.M. abgelehnt.357 Auch werden nur diejenigen Aktionäre überhaupt eine gerichtliche Kontrolle des Vorstandshandelns auf sich nehmen, welche sich hieraus einen entsprechenden Nutzen erwarten.358 Allerdings wird aus Sicht vieler Aktionäre bei Abwägung von Kosten und Nutzen kein ökonomischer Anreiz für eine Geltendmachung der Ersatzansprüche bestehen,359 da sie auch bei erfolgreicher Durchsetzung durch den Zufluss des Schadensersatzes in das Gesellschaftsvermögen nur mittelbar – genauso wie die untätig gebliebenen Aktionäre – begünstigt würden.360 Daher werden allenfalls strategische Investoren oder Finanzinvestoren mit entsprechend großen Beteiligungsquoten bereit sein, den Aufwand einer Aktionärsklage auf sich zu nehmen.361 Anlegeraktionäre oder kleinere Finanzinvestoren würden unter ökonomischen Gesichtspunkten hingegen eher ihr Investment beenden und hierdurch ihre Unzufriedenheit mit dem Vorstandshandeln zum Ausdruck bringen. Schließlich können bestehende D&O-Versicherungen die verhaltenssteuernde Wirkung der Vorstandshaftung beeinflussen.362 Diese sind bei börsennotierten Gesellschaften Marktstandard, wobei die Prämien regelmäßig von der Gesellschaft getragen werden.363 Durch den obligatorischen Selbstbehalt in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG und durch vertragsimmanente Haftungsausschlüsse, etwa für vorsätzliches Handeln, wird die Steuerungswirkung nicht vollständig beseitigt, da der Vorstand sich ex ante nicht sicher sein kann, ob die Versicherung den Haftungsfall decken wird364 und er auch jedenfalls den Selbstbehalt tragen muss. Allerdings ist auch eine Versicherung

357

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15. 6. 2011 – 21 W 18/11, WM 2011, 2279; ebenso in der Vorinstanz LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 6. 9. 2010 – 3/16 O 36/09, Beschl. v. 26. 11. 2010 – 3/16 O 36/09 (nicht veröffentlicht). 358 So auch Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 89. 359 J. Vetter, in: Festschrift für Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1321; Rieckers/J. Vetter; in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 5; Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 9 ff. 360 J. Vetter, in: Festschrift für Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1321; Rieckers/J. Vetter; in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 5; Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 9. 361 Allgemeiner Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 89, 95. 362 Hierzu ausführlich Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts (2006), S. 64 ff.; Eßwein, Privatautonome Gestaltung der Vorstandshaftung (2015), S. 57 ff.; siehe auch Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 93 Rn. 456; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 93 Rn. 248; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2122; Dreher AG, 2008, 429, 435; Thüsing, AG 2009, 517, 527; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 796 f. 363 Statt vieler Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 225; Mertens/ Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 93 Rn. 243; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 93 Rn. 450, 453; Spindler, AG 2013, 889, 896. 364 Eßwein, Privatautonome Gestaltung der Vorstandshaftung (2015), S. 58 f.

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des Selbstbehalts nicht gesetzlich ausgeschlossen.365 Dies spricht dafür, dass durch das Bestehen einer D&O-Versicherung zumal bei Versicherung des Selbstbehalts, durchaus eine Reduzierung der verhaltenssteuernden Wirkung der Vorstandshaftung eintreten kann. Allerdings kann auch gerade das Bestehen einer D&O-Versicherung dazu führen, dass eine Inanspruchnahme des Vorstandsmitglieds wahrscheinlicher wird, da eine größere Haftungsmasse zur Verfügung steht.366 Auch droht ein Reputationsverlust selbst dann, wenn die Versicherung einen Großteil der Haftungssumme deckt.367 Letztlich sind die Impulse einer D&O-Versicherung auf die verhaltenssteuernde Wirkung somit nicht eindeutig. Insgesamt sind aber, wie erörtert, auch der präventiven Wirkung der Haftungsandrohung gewisse Grenzen gesetzt. (3) Externe Disziplinierungsmechanismen (a) Disziplinierung durch den Markt für Unternehmenskontrolle Weiterhin wird auch dem Kapitalmarkt in seiner Funktion als Markt für Unternehmenskontrolle (market for corporate control) disziplinierende Wirkung auf das Verhalten des Vorstands zugesprochen.368 Ein suboptimales Management der Gesellschaft würde sich in einem niedrigeren Börsenwert niederschlagen, der allerdings bei besserem Management gesteigert werden könnte; damit würde die Gesellschaft ein attraktives Ziel für eine Übernahme durch solche Investoren, die glauben, sie könnten für ein besseres Management der Gesellschaft sorgen.369 Die Übernahme 365 Wobei die Versicherungsprämie hier nicht (unmittelbar) von der Gesellschaft getragen werden darf; siehe Sieg, in: Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl. (2010), § 15 Rn. 83; Mertens/ Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 93 Rn. 248; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2014), § 93 Rn. 205; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 93 Rn. 456. 366 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts (2006), S. 66; Eßwein, Privatautonome Gestaltung der Vorstandshaftung (2015), S. 60 f. 367 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts (2006), S. 80 f.; Eßwein, Privatautonome Gestaltung der Vorstandshaftung (2015), S. 60. 368 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 430 f.; Easterbrook/ Fischel, 94 Harv. L. Rev. 1161, 1173 (1981); Black, 41 Stan. L. Rev. 597, 631 (1989); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 6; Roth, ZIP 2003, 369, 377; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 222; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 57 f.; der Ansatz stammt ursprünglich von Manne, 73 J. Pol. Econ. 110, 113 (1965) („Apart from the stock market, we have no objective standart of managerial efficiency. […] Only the take-over scheme provides some assurance of competitive efficiency among corporate managers and thereby affords strong protection to the interests of vast numbers of small, noncontrolling shareholders.“); weiterhin auch Easterbrook/Fischel, 94 Harv. L. Rev. 1162, 1169, 1173 f. (1981). 369 Manne, 73 J. Pol. Econ. 110, 113 (1965); Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. (2010), S. 430; Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1047; für einen guten Überblick über

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könnte in verschiedenen Formen erfolgen, vor allem durch ein öffentliches Übernahmeangebot, aber auch durch einen „einfachen“ außerbörslichen Beteiligungserwerb.370 Um tatsächlich eine effektive Disziplinierung des Vorstandshandelns zu bedingen, müsste die auf diesem Weg drohende Gefahr des Verlustes seiner Stellung für den aktuellen Vorstand also einen Anreiz setzen, die Unternehmensentwicklung derart positiv zu beeinflussen, dass der Börsenkurs eine Übernahme unmöglich bzw. sehr unwahrscheinlich macht. Diese These kann allerdings unter mehreren Gesichtspunkten angegriffen werden. Zunächst setzt sie voraus, dass das suboptimale Management tatsächlich adäquat durch den Börsenkurs abgebildet wird.371 Außerdem verursacht die Übernahme einer Gesellschaft hohe Transaktionskosten, namentlich Beratungskosten durch Anwälte, Unternehmensberater und Investmentbanken372 und weiterhin regelmäßig die Zahlung eines Kontrollpremiums. Die Inkaufnahme dieser Kosten rechtfertigt sich aber nur, wenn der Wert der Gesellschaft durch besseres Management maßgeblich gesteigert werden kann.373 Somit wird freilich nicht bei jeder suboptimalen Einzelentscheidung, also zum Beispiel einem Beteiligungserwerb, eine Übernahme der Gesellschaft in Betracht kommen, sondern nur bei groben Fehlentscheidungen, die massive Auswirkungen auf den Börsenkurs der Gesellschaft haben.374 Außerdem basiert die These auf der Annahme, dass das aktuelle Management kurzerhand durch ein besseres ausgetauscht375 oder jedenfalls besser incentiviert werden könnte.376 Wie allerdings schon soeben besprochen,377 ist der Austausch des Managements sowohl nach deutschem als auch nach amerikanischem Recht keineswegs so einfach, wie teilweise undifferenziert behauptet wird. Teilweise beinhalten die Anstellungsverträge der Vorstandsmitglieder zudem auch change-ofweitere theoretische Erklärungsansätze für Unternehmensübernahmen und die Zahlung eines Kontrollpremiums siehe Coffee, 84 Colum. L. Rev. 1145, 1166 ff. (1984). 370 Manne, 73 J. Pol. Econ. 110, 115 ff. (1965). 371 Manne, 73 J. Pol. Econ. 110, 112 (1965) („A fundamental premise underlying the market for corporate control is the existence of a high positive correlation between corporate managerial efficiency and the market price of shares of that company.“); Meier-Schatz, ZHR 149 (1985), 76, 94 f.; Spindler, in: Festschrift für Goette (2011), S. 513, 515 f. 372 von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen (2004), S. 193. 373 Black, 89 Mich. L. Rev. 520, 522 (1990); Coffee, 84 Colum. L. Rev. 1145, 1200 f. (1984); von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen (2004), S. 193. 374 Meier-Schatz, ZHR 149 (1985), 76, 106 (nur Ahndung von „groben Fehlern“ des Managements); von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen (2004), S. 193. 375 Easterbrook/Fischel, Yale L. J. 701, 705 (1982); Roth, ZIP 2003, 369, 377; Bainbridge, 53 UCLA L. Rev. 601, 628 (2006). 376 Easterbrook/Fischel, Yale L. J. 701, 705 (1982). 377 Siehe nochmals unter B.II.1.b)aa)(2)(b).

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control-Klauseln, sodass die Vorstandsmitglieder im Falle eines Kontrollwechsels ihre Tätigkeit unter Anspruch auf die ausstehenden Bezüge und eine zusätzliche Abfindungsleistung beenden können.378 Der Vorstand wird also durch den Kontrollwechsel in diesem Fall nicht bestraft, sondern erhält im Gegenteil eine meist lukrative exit-Möglichkeit, was sich auch auf die anfängliche Handlungspräferenz auswirkt.379 Als weitere Option für den Erwerber kommt es in Betracht, den Vorstand durch Boni zu einem besseren Managementverhalten zu incentivieren. Abgesehen von den bestehenden rechtlichen Restriktionen einer solchen Incentivierung,380 führt dies dazu, dass der Vorstand für seine vormals suboptimale Leitung der Gesellschaft ebenfalls nicht diszipliniert, sondern durch Zahlungen, die ihn zu einer besseren Leitung der Gesellschaft incentivieren sollen, noch belohnt wird. Fasst man diese Überlegungen zusammen, so hätte der Vorstand, der eine Übernahme verhindern will, zunächst lediglich einen Anreiz, den Börsenwert nicht so weit absinken zu lassen, dass eine Übernahme wirtschaftlich sinnvoll wird. Gleichzeitig dürfte er, um seine Stellung zu behalten, hierbei kein derartiges Fehlverhalten an den Tag legen, welches eine Abberufung rechtfertigen bzw. einen Entzug des Vertrauens wahrscheinlich machen würde. Im Übrigen hätte es der Vorstand bei Existenz einer change-of-control-Klausel selbst in der Hand, ob er bei einem Kontrollwechsel die Gesellschaft unter Zahlung einer Abfindung verlässt oder ob er gegebenenfalls sogar von einer Incentivierung durch die Erwerberin profitiert. Festzuhalten bleibt insgesamt, dass der Kapitalmarkt als Markt für Unternehmenskontrolle daher nur zu einer begrenzten Disziplinierung des Vorstandshandelns beim Beteiligungserwerb führt.381

378 Hierzu Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 87 Rn. 53; Kort, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 87 Rn. 294; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 170 ff.; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 87 Rn. 85 f.; Dreher, AG 2002, 214 f. 379 Eigentlich sollte allerdings gerade der gegenteilige Effekt bewirkt werden; namentlich sollen sich die Vorstandsmitglieder in einer Übernahmesituation nicht aus Sorge um eigene wirtschaftliche Nachteile entgegen dem Unternehmensinteresse verhalten; siehe etwa Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 170; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 87 Rn. 85. 380 Hierzu ausführlich Spindler, in: Festschrift für Hopt, Bd. 1 (2010), S. 1407; Weber, Transaktionsboni für Vorstandsmitglieder (2006). 381 Ähnlich auch Assmann, in: Festschrift für Kümpel (2003), S. 1, 10 (Bei der Verhinderung von nachvertraglichem opportunistischen Verhalten des Managements erweisen sich „zwingende gesellschaftsrechtliche Verhaltensbindungen […] als effektiver und effizienter als indirekte nachträgliche Sanktionen opportunistischen Verhaltens durch den Kapitalmarkt.“); Immenga, Aktiengesellschaft, Aktionärsinteressen und institutionelle Anleger (1971), S. 24 („Die Wahrscheinlichkeit, über einen an der Börse reflektierten schlechten Geschäftsgang im Amt gefährdet zu werden ist äußerst gering.“).

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(b) Disziplinierung durch den Arbeitsmarkt für Manager Eine Disziplinierung des Vorstandshandelns kommt, im engen Zusammenhang mit dem eben zum Markt für Unternehmenskontrolle Gesagten,382 schließlich auch durch den Arbeitsmarkt für Manager (market for corporate management) in Betracht.383 Da die Manager wie gesehen daran interessiert sind, ihren eigenen Marktwert zu steigern,384 könnte sie dies motivieren, möglichst im Interesse der Aktionäre zu handeln und für eine positive Unternehmensentwicklung zu sorgen.385 Dies könnte sich dann bei Vertragsverhandlungen für eine weitere oder neue Anstellung auch monetär positiv auswirken.386 Anderenfalls, wenn also ihr schlechtes Management oder Fehlverhalten bekannt würde, wären sie in der Branche „gebrandmarkt“ und die künftigen Aussichten damit wesentlich verschlechtert.387 Auch dieser These wohnt ein zutreffender Grundgedanke inne. Allerdings setzt auch sie – spiegelbildlich zur Theorie vom market for corporate control – voraus, dass sich positive Anstrengungen des Managements im Börsenkurs niederschlagen und umgekehrt bzw. dass die Anstrengungen sich in anderer für die Aktionäre beobachtbarer Weise niederschlagen. Im Übrigen kann ein Reputationsgewinn und damit eine Steigerung der Chancen am Arbeitsmarkt für Manager auch durch die Vergrößerung des Unternehmens oder den Erwerb einer reputierten Beteiligungsgesellschaft erfolgen,388 auch wenn der Beteiligungserwerb aus Sicht der Aktionäre nicht ökonomisch wünschenswert ist. Schließlich kann der konkrete Vorteil aus einem Beteiligungserwerb auch schlichtweg höher eingeschätzt werden als die negativen Konsequenzen, selbst wenn das eigennützige Verhalten aufgedeckt und zugeordnet werden kann.389 Auch durch den Arbeitsmarkt für Manager wird somit nur eine gewisse Disziplinierung des Vorstandshandelns erreicht. (4) Zwischenergebnis Auch bei einem Beteiligungserwerb ohne Hauptversammlungserfordernis erfolgt eine Überwachung und Disziplinierung des Vorstandshandelns durch interne und 382 Zum Zusammenhang Jensen, 2 J. Econ. Persp. 21, 23 (Winter 1988) („The market for corporate control is best viewed as a major component of the managerial labor market.“). 383 Hölters, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 93 Rn. 22; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 6; von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen (2004), S. 189; Lohrer, Unternehmenskontrolle und Übernahmerecht (2001), S. 44; grundlegend Fama, 88 J. Pol. Econ. 288, 292 ff. (1980). 384 Siehe nochmals unter B.II.1.a)aa). 385 von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen (2004), S. 189; ähnlich Lohrer, Unternehmenskontrolle und Übernahmerecht (2001), S. 44. 386 Siehe nochmals unter B.II.1.a)aa). 387 Siehe nochmals Fn. 383. 388 Siehe hierzu nochmals unter B.II.1.a)aa). 389 von Bonin, Die Leitung der Aktiengesellschaft zwischen Shareholder Value und Stakeholder-Interessen (2004), S. 190.

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externe Überwachungs- und Disziplinierungsmechanismen. Die Wirkung dieser Mechanismen entfaltet allerdings jeweils nur begrenzte Wirkung. Der Überwachung durch den Aufsichtsrat sind insbesondere dadurch Grenzen gesetzt, dass dieser grundsätzlich auf Basis derjenigen Informationen entscheidet, die ihm der Vorstand vorlegt und somit ein eigennütziges oder übermäßig optimistisches Vorstandshandeln nur schwer identifizieren kann. Ferner können vor allem enge persönliche Beziehungen zwischen Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrat zu Kontrolldefiziten führen. Die faktische Einflussnahme der Aktionäre auf den Vorstand kann ein effektiveres Kontrollmittel darstellen, als dies auf den ersten Blick erscheint. Sie ist allerdings einzelfallabhängig und es fehlt an einer in rechtliche Form gegossenen Mechanik. Die Abberufung des Vorstands ist nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich und daher nur ein begrenzt disziplinierendes Druckmittel. Auch wenn der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung als wichtiger Grund für die Abberufung genügt, muss der Vorstand regelmäßig nur dann mit einer Abberufung rechnen, wenn sich die Transaktion im Nachhinein als sehr nachteilhaft erweisen sollte. Auch die präventive Wirkung der Haftungsandrohung ist begrenzt. Der Aufsichtsrat kann, trotz der Pflichten aus ARAG/Garmenbeck, einen Anreiz haben, den Vorstand nicht in Anspruch zu nehmen, da hierdurch Fehler bei der eigenen Überwachung indiziert werden. Eine Inanspruchnahme des Vorstands durch die Aktionäre nach § 148 AktG ist selten, da ein Fehlverhalten des Vorstands für die Aktionäre schwer zu beobachten ist und den meisten Aktionären der ökonomische Anreiz fehlt, eine gerichtliche Kontrolle des Vorstandshandelns auf sich zu nehmen. Schließlich können auch D&O-Versicherungen die Disziplinierungswirkung der Vorstandshaftung reduzieren. Eine Disziplinierung durch den Kapitalmarkt als Markt für Unternehmenskontrolle (market for corporate control) setzt schon voraus, dass ein suboptimales Managementhandeln unmittelbar im Börsenkurs abgebildet wird. Außerdem verursachen Übernahmen hohe Transaktionskosten, sodass eine Übernahme nur bei groben Managementfehlern in Betracht kommen wird, die sich massiv auf den Börsenkurs auswirken. Durch change-of-control-Klauseln in Vorstandsverträgen und eine Incentivierung durch die Erwerberin kann es weiterhin dazu kommen, dass gerade kein eindeutiger Anreiz des Vorstands besteht, eine Übernahme zu verhindern. Auch der Arbeitsmarkt für Manager (market for corporate management) hat nur begrenzt disziplinierende Wirkung. Eine Steigerung des eigenen Marktwerts kann namentlich nicht nur durch eine Steigerung des Unternehmenswerts bzw. Börsenkurses erreicht werden, sondern etwa auch durch eine Vergrößerung des Unternehmens oder den Erwerb einer besonders prestigeträchtigen Gesellschaft.

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bb) Beteiligungserwerb mit Zustimmungserfordernis Im nächsten Schritt ist daher zu prüfen, wie sich die zusätzliche Existenz eines (ungeschriebenen) Hauptversammlungserfordernisses als weiterer Disziplinierungsmechanismus390 beim Beteiligungserwerb bei rechtsökonomischer Betrachtung auf das Verhalten der beteiligten Akteure auswirkt. (1) Präferenzen und Handlungsoptionen des Vorstands (a) Fokussierung auf Aktionärsinteressen Auch bei Bestehen eines Zustimmungserfordernisses beim Beteiligungserwerb wird der Vorstand zunächst die bereits beschriebenen eigennützigen Überlegungen anstellen.391 Zusätzlich zu den bisher beschriebenen Überwachungs- und Disziplinierungsmechanismen392 hat er nun allerdings weiterhin das Zustimmungserfordernis zu beachten. Das Bestehen des Zustimmungserfordernisses stellt eine Restriktion dar, da der Vorstand die avisierten Vorteile grundsätzlich nur dann erhält, wenn es ihm gelingt, die Zustimmung der Aktionäre einzuholen. Nach deutschem Recht wäre es dem Vorstand zwar auch möglich, sich über ein bestehendes ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis hinwegzusetzen und die Transaktion dennoch zu vollziehen, da die Wirksamkeit der Transaktion im Außenverhältnis hierdurch nicht berührt wird.393 Unterstellt, die Voraussetzungen eines (ungeschriebenen) Hauptversammlungserfordernisses sind de lege ferenda klar definiert und damit für den Vorstand und die Aktionäre klar bestimmbar, dürfte sich ein vorsätzlicher Verstoß gegen ein solches Hauptversammlungserfordernis bei Abwägung der Vorteile gegenüber den potentiellen Nachteilen allerdings kaum als sinnvolle Handlungsoption des Vorstands darstellen. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Zusammenspiel des Hauptversammlungserfordernisses mit den bereits beschriebenen Disziplinierungsmechanismen, und hierbei vor allem der Haftungsandrohung und der Möglichkeit der Abberufung. In der unterlassenen Einholung der Zustimmung der Hauptversammlung läge eine Pflichtverletzung des Vorstands, welche – bei präzise definierten Kriterien des Hauptversammlungserfordernisses – zudem eindeutig von den Aktionären beobachtet werden könnte. Dies macht eine Inanspruchnahme des Vorstandes bei Entstehen eines Schadens und eine Abberufung aus wichtigem Grund oder aufgrund eines Vertrauensentzugs durch die Hauptversammlung wahrscheinlich. Zudem ist zu beachten, dass die Aktionäre – vorausgesetzt sie erhalten rechtzeitig Kenntnis von der geplanten Transaktion – diese auch durch eine Unterlassungsklage bzw. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verhindern könnten. 390 Vgl. Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 79 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 703. 391 Siehe nochmals unter B.II.1.b)aa)(1). 392 Siehe nochmals unter B.II.1.b)aa)(2). 393 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 132 („Holzmüller“).

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Der Vorstand wird unter ökonomischen Gesichtspunkten bei Bestehen eines Zustimmungserfordernisses einen Beteiligungserwerb also nur dann vorschlagen, wenn dieser ihm selbst ökonomische Vorteile bringt und wenn dieser absehbar die Zustimmung der Aktionäre finden wird.394 Damit muss der Vorstand sich neben den eigennützig motivierten Überlegungen mit der Frage auseinandersetzen, ob der Beteiligungserwerb auch aus Sicht der Aktionäre ökonomisch wünschenswert ist. Könnte der Vorstand die Präferenzen und Handlungsoptionen der Aktionäre aufgrund vollständiger Informationsgrundlage gänzlich eigenständig vorhersehen und beurteilen, so müsste dies, wenn sich alle Akteure vollständig rational verhalten, dazu führen, dass der Vorstand nur noch solche Beteiligungserwerbe vorschlägt, die im ökonomischen Interesse der entscheidungstragenden Aktionäre liegen. Da die entscheidungstragenden Aktionäre aufgrund der durchschnittlichen realen Aktionärsstruktur deutscher börsennotierter Gesellschaften strategische Investoren und Finanzinvestoren mit größeren Beteiligungen sein werden, und diese wie gesehen die beste Anreizstruktur aufweisen um an der Überwachung des Vorstandshandelns teilzunehmen und auf den effizientesten Einsatz der Gesellschaftsmittel hinzuwirken,395 müsste dies im Model zu ökonomisch wünschenswerten Beteiligungserwerben führen. (b) Potentielle Restriktionen der Koordination mit den Aktionären Berücksichtigt man allerdings weiterhin, dass die Akteure nicht auf vollständiger Informationsgrundlage handeln und dass Entscheidungen aufgrund begrenzt kognitiver Fähigkeiten und eingeschränkten Rationalverhaltens nicht stets eindeutig vorhersehbar sind,396 so wird deutlich, dass es für den Vorstand von besonderem Interesse ist, ob der Beteiligungserwerb bei den entscheidungstragenden Aktionären mehrheitsfähig ist. Insbesondere würde dem Vorstand ein maßgeblicher Image- und Vertrauensverlust drohen, wenn die Hauptversammlung zwar einberufen, die Zustimmung aber letztlich nicht erteilt würde.397 Dies legt es ökonomisch nahe, dass der Vorstand diesbezüglich schon vor der „offiziellen“ Entscheidung durch die Hauptversammlung die Vorabstimmung bzw. Koordination mit den entscheidungstragenden Aktionären sucht, um zu ermitteln, ob das Vorhaben die Zustimmung der entscheidungstragenden Aktionäre finden wird. Hierbei ist es freilich in einer Publikumsgesellschaft schon logistisch nicht möglich und ohnehin nicht sinnvoll, alle oder auch nur eine Vielzahl der Aktionäre zu 394 Bebchuk, 118 Harv. L. Rev. 833, 878 (2005) („Management does not pursue those changes that it favors but that it does not expect to obtain shareholder approval. The main benefit of this approval requirement, then, is that it discourages management from bringing these valuedecreasing changes to a vote in the first place.“); Burch/Morgan/Wolf, 33 Fin. Mgmt. 45, 46 (Winter 2004). 395 Siehe nochmals unter B.II.1.a)cc). 396 Siehe nochmals unter B.I.1.b). 397 Burch/Morgan/Wolf, 33 Fin. Mgmt. 45, 46 (Winter 2004).

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adressieren. Die Sinnhaftigkeit einer Koordination mit den Aktionären setzt also schon selbstredend voraus, dass die konkrete Aktionärsstruktur der Gesellschaft derart beschaffen ist, dass eine Koordination mit den entscheidungstragenden Aktionären tatsächlich zu einer effektiven Abstimmung der Entscheidung führen kann. Zu prüfen ist aber die insiderrechtliche und gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit eines solchen Vorgehens. Wäre ein solches Vorgehen demnach unzulässig, so würde dies eine maßgebliche Restriktion darstellen, welche der Vorstand im Rahmen seiner Präferenzen zu beachten hätte. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG dürfen Insiderinformationen nicht „unbefugt“ weitergegeben werden.398 Obwohl der EuGH die Frage, wann eine Weitergabe „befugt“ ist, in der Grøngaard und Bang-Entscheidung restriktiv ausgelegt hat,399 wird in der Literatur eine Abstimmung mit Aktionären, die über einen bedeutenden Stimmrechtsanteil verfügen – insbesondere mit einem Aktionärspool oder mit bedeutenden Großaktionären –, dann für möglich gehalten, wenn dies zur effektiven Willensbildung vor der Entscheidung der Hauptversammlung über grundlegende Maßnahmen erfolgt,400 wobei hier vor allem Kapitalerhöhungen401 aber auch Holzmüller-pflichtige Maßnahmen402 genannt werden. Es liege im Interesse der Gesellschaft (und des Vorstands), Entscheidungen von großer Tragweite nicht erst in der Hauptversammlung mit den Aktionären abzustimmen, da deren Durchführung ansonsten gefährdet wäre.403 Die zugrundeliegende ratio dieser Ansicht ist es offenbar, dass ein Schaden für die Gesellschaft (und damit für alle Aktionäre) droht, wenn die Hauptversammlung befragt, aber die Zustimmung dennoch nicht erteilt wird. Dieser Ansicht ist beizupflichten. Die Argumentation ist im Grunde ökonomisch fundiert, da hierdurch Kosten und Nachteile von der Gesellschaft und den Aktionären abgewendet werden können, da die Kosten der Kommunikation im Vorfeld mithin 398 Gleiches gilt nach Artikel 14 lit. c) der Marktmissbrauchsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission), der am 3. Juli 2016 in Kraft tritt. 399 EuGH, Urt. v. 22. 11. 2005 – C-384/02, NJW 2006, 133 („Grøngaard und Bang“). 400 Klöhn, in: Kölner Kommentar WpHG, 2. Aufl. (2014), § 14 Rn. 364; Mennicke, in: Fuchs, WpHG (2009), § 14 Rn. 293 f.; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. (2012), § 14 Rn. 84; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. (2010), § 14 WpHG Rn. 51; Hopt, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, Bd. II (2011), § 107 Rn. 44; Sethe, in: Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. (2015), § 8 Rn. 125; Fleischer, ZGR 2009, 505, 527; Meyer-Landrut/Heuser, AG 2011, R241, R242; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 181 f.; auch schon Süßmann, AG 1999, 162, 167; Schneider/Singhof, in: Festschrift für Kraft (1998), S. 585, 603. 401 Siehe nochmals Fn. 400. 402 Mennicke, in: Fuchs, WpHG (2009), § 14 Rn. 293; Schneider/Singhof, in: Festschrift für Kraft (1998), S. 585, 603. 403 Siehe nochmals Fn. 400.

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geringer sind als diejenigen bei einer verweigerten Zustimmung im Nachhinein. Allerdings wird es für die Sinnhaftigkeit und Zulässigkeit einer derartigen Koordination darauf ankommen, dass diese tatsächlich erforderlich ist und dass die Aktionärsstruktur eine sinnvolle und effektive Koordination überhaupt zulässt, was namentlich dann der Fall ist, wenn die entscheidungstragenden Ankeraktionäre klar identifiziert werden können und diese ein genügendes Stimmgewicht aufweisen, um der avisierten Maßnahme zum Erfolg zu verhelfen. Allerdings ist freilich der Kreis der Insider möglichst klein zu halten und die Vertraulichkeit der Information beim Empfänger zu gewährleisten, § 15 Abs. 1 S. 4 WpHG.404 Auch die von der EU-Kommission eingesetzte „Reflection Group“ empfiehlt in ihrem Bericht „On the Future of EU Company Law“ im Übrigen, dass die Koordination zwischen der Gesellschaft und langfristig engagierten Aktionären möglich sein sollte, ohne die Regelungen über die Weitergabe von Insiderinformationen zu verletzen; insbesondere gäbe es gute Gründe für die Gesellschaft, die langfristig engagierten Aktionäre mehr als andere Aktionäre in Entscheidungen einzubinden, die von der Verwaltung geplant werden.405 Nach § 93 Abs. 1 S. 3 AktG ist der Vorstand ferner dazu verpflichtet, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren. Eine zulässige Weitergabe von Geheimnissen und vertraulichen Angaben durch den Vorstand kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die Weitergabe der Informationen gerade im Interesse der Gesellschaft liegt,406 wobei der Vorstand bei dieser Entscheidung den Schutz der Business-Judgment-Rule nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG genießt.407 Hier sind letztlich dieselben Argumente relevant wie bei der Weitergabe von Insiderinformationen, sodass es auch unter dem Gesichtspunkt der Verschwiegenheitspflicht im Gesellschaftsinteresse möglich sein muss, bei einem umfangreichen Beteiligungserwerb das Vorhaben mit den entscheidungstragenden Aktionären zu koordinieren.408

404

Bzw. künftig Art. 18 Abs. 8 S. 2 Marktmissbrauchsverordnung. Report of the Reflection Group On the Future of EU Company Law (2011), S. 46 f. 406 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 31; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. (2010), § 93 Rn. 120; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 93 Rn. 300; Menke, NZG 2004, 697, 698; Meyer-Landrut/Heuser, AG 2011, R241, R242. 407 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 169; siehe ausführlicher hierzu Körber, in: Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 10 Rn. 21; Israel, in: Bürgers/ Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 93 Rn. 52; ähnlich auch schon BGH, Urt. v. 5. 6. 1975 – II ZR 156/73, NJW 1975, 1412, 1413 („pflichtgemäßes Ermessen“ des Vorstands). 408 So allgemein zur Abstimmung weitreichender Maßnahmen mit einem Großaktionär Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 169; Hopt/Roth, in: AktG Großkommentar, 5. Aufl. (2015), § 93 Rn. 303; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 180; Meyer-Landrut/Heuser, AG 2011, R241, R242. 405

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Weiterhin läge zwar eine tatbestandliche Ungleichbehandlung nach § 53a AktG vor. Allerdings ist eine Ungleichbehandlung bei sachlicher Rechtfertigung zulässig.409 Auch hier sind letztlich dieselben Argumente relevant wie bisher, sodass es sachlich gerechtfertigt ist, die entscheidungstragenden Aktionäre mit größeren Beteiligungsquoten anders zu behandeln.410 Schließlich ist bei börsennotierten Gesellschaften Ziffer 6.1 S. 1 DCGK zu beachten, nach welcher die Gesellschaft die Aktionäre bei Informationen unter gleichen Voraussetzungen411 gleich behandeln wird. Hieraus ergibt sich jedoch kein anderer Maßstab als aus § 53a AktG.412 Damit wäre es für den Vorstand insider- und gesellschaftsrechtlich als zulässig anzusehen, sich im Vorfeld eines zustimmungsbedürftigen Beteiligungserwerbs mit den entscheidungstragenden Aktionären abzustimmen, wenn eine derartige Koordination zur effektiven Willensbildung erforderlich und aufgrund der Aktionärsstruktur zielführend ist, das heißt, wenn wenige Ankeraktionäre existieren, welche ein genügendes Stimmgewicht aufweisen, um der avisierten Maßnahme zum Erfolg zu verhelfen. (2) Präferenzen und Handlungsoptionen der Aktionäre Die Erteilung der Zustimmung durch die Aktionäre (bzw. die Signalisierung ihrer Bereitschaft hierzu ihm Rahmen einer gegebenenfalls erfolgten Koordination im Vorfeld) wird allerdings davon abhängen, dass diese zu einem positiven Urteil hinsichtlich der geplanten Transaktion kommen. (a) Strategische Investoren Primäres wirtschaftliches Ziel der strategischen Investoren ist wie gesehen die Erzielung einer längerfristig positiven Kursentwicklung und einer konstanten Dividende.413 Hierzu kann ein ökonomisch wünschenswerter Beteiligungserwerb durchaus einen Beitrag leisten. Allerdings ist auch zu beachten, dass es strategischen Investoren aufgrund der Langfristigkeit ihres Investments, ihrer regelmäßig hohen Beteiligungsquote und der eingeschränkten Veräußerungsmöglichkeit wichtig ist, durch Ausübung des Stimmrechts Einfluss nehmen zu können. Beteiligungserwerbe 409 Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 53a Rn. 10; Cahn/von Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 53a Rn. 18 f.; Bungeroth, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 53a Rn. 14 ff.; Laubert, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 53a Rn. 11 f.; Meyer-Landrut/Heuser, AG 2011, R241. 410 Fleischer, ZGR 2009, 505, 521; Meyer-Landrut/Heuser, AG 2011, R241; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 175. 411 Die Formulierung „unter gleichen Voraussetzungen“ wurde erst aufgrund der Beschlüsse in der Plenarsitzung vom 5. Mai 2015 – offenbar als Klarstellung zur Angleichung an den Wortlaut des § 53a AktG – ergänzt. 412 von Werder, in: Ringleb/Kremer/Lutter/von Werder, Kodex-Kommentar, 5. Aufl. (2014), Rn. 1143; von der Linden, in: Wilsing, DCGK (2012), Ziffer 6.3 Rn. 3; Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 179. 413 Siehe nochmals unter B.II.1.a)bb)(2)(a).

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des in Rede stehenden Ausmaßes werden oft, wie im Fall Commerzbank/Dresdner Bank, nur gegen Barmittel und Anteile der Gesellschaft finanziert werden können. Durch den Einsatz der Anteile der Gesellschaft unter Bezugsrechtsausschluss wird allerdings die Stimmrechtsquote eines strategischen Investors maßgeblich reduziert und sein Einfluss verwässert. Gleichzeitig ist der absolute Wertverlust bei einer möglichen negativen Auswirkung auf den Börsenkurs bei einer hohen Beteiligungsquote am größten und die Möglichkeit der Deinvestition ohne weitere Abschläge am schlechtesten. Der strategische Investor hat also durch einen umfangreichen Beteiligungserwerb „viel zu verlieren“. Nur wenn dem strategischen Investor die Wahrscheinlichkeit angemessen hoch erscheint, dass sich der Beteiligungserwerb mittel- und langfristig positiv auf die Unternehmensentwicklung auswirkt, wird er einem solchen Vorhaben positiv gegenüber stehen und hierfür die beschriebene Reduzierung seiner Rechte und das Risiko eines Wertverlusts in Kauf nehmen. Da die Beteiligungsquote strategischer Investoren grundsätzlich prozentual am größten ist, ist es für den Vorstand auch am wichtigsten, diese im Vorfeld der Entscheidung mit „ins Boot zu holen“. Geht man von dem bisherigen Mehrheitserfordernis von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals aus, so muss es dem Vorstand in positiver Hinsicht gelingen, Aktionäre mit einem entsprechenden Stimmgewicht von 75 % von seinem Vorhaben zu überzeugen. In negativer Hinsicht bedeutet dies allerdings auch, dass nicht Aktionäre mit einem Stimmgewicht von 25 % gegen das Vorhaben opponieren dürfen. (b) Anlegeraktionäre Anders stellt sich die Situation des Anlegeraktionärs dar. Er wird an einer gegebenenfalls stattfindenden Koordination im Vorfeld nicht beteiligt und wird in der Regel bei der eigentlichen Hauptversammlungsentscheidung keine entscheidungstragende Rolle spielen können. Macht man sich nochmals deutlich, dass alle Anlegeraktionäre gemeinsam in den DAX 30-Gesellschaften durchschnittlich nur 16,26 % halten,414 so wird deutlich, dass diese einen zustimmungsbedürftigen Beteiligungserwerb „aus eigener Kraft“ nur dann verhindern könnten, wenn sie (fast) geschlossen gemeinsam dagegen stimmen und sich ihr Stimmgewicht aufgrund niedriger Hauptversammlungspräsenz auf eine Sperrminorität von über 25 % summiert. Selbst wenn die rational apathy aufgrund des grundlegenden Charakters der Entscheidung ganz oder teilweise überwunden werden kann, ist das Zustimmungserfordernis aus Sicht der Anlegeraktionäre aufgrund des geringen Stimmgewichts damit in der Tat weitgehend verzichtbar.415

414

Siehe nochmals unter B.II.1.a)bb)(3). Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 198 (allerdings nicht speziell auf den Beteiligungserwerb bezogen). 415

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(c) Finanzinvestoren Die Finanzinvestoren stehen auch an dieser Stelle bezüglich Präferenzen und Handlungsoptionen zwischen den strategischen Investoren und den Anlegeraktionären.416 Je größer ihre Beteiligungsquote ist, desto wahrscheinlicher würden sie auch in eine gegebenenfalls stattfindende Koordination im Vorfeld einbezogen und desto mehr haben auch sie – insofern ähnlich zu einem strategischen Investor – durch einen umfangreichen Beteiligungserwerb zu verlieren. Im Fall einer kleineren Beteiligungsquote ähnelt ihre Interessenlage hingegen eher der eines Anlegeraktionärs, sodass das dort Gesagte gilt. (3) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann damit festgehalten werden, dass der Vorstand bei Bestehen eines Hauptversammlungserfordernisses bei einem umfangreichen Beteiligungserwerb auf die Interessen der entscheidungstragenden Aktionäre fokussieren muss, da er die durch den Beteiligungserwerb avisierten Vorteile grundsätzlich nur dann realisieren kann, wenn es ihm gelingt, die Zustimmung der Aktionäre einzuholen. Wenn der Vorstand nicht gänzlich eigenständig vorhersehen und beurteilen kann, ob der Beteiligungserwerb bei einer Hauptversammlungsentscheidung die Zustimmung der Aktionäre finden wird, hat er einen ökonomischen Anreiz dahingehend, schon vor der „offiziellen“ Entscheidung durch die Hauptversammlung die Koordination mit den entscheidungstragenden Aktionären zu suchen, um zu ermitteln, ob das Vorhaben die Zustimmung dieser Aktionäre finden wird. Es wäre für den Vorstand nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (bzw. künftig nach Artikel 14 lit. c) Marktmissbrauchsverordnung) insiderrechtlich und auch nach § 93 Abs. 1 S. 3 und § 53a AktG gesellschaftsrechtlich als zulässig anzusehen, sich im Vorfeld eines zustimmungsbedürftigen Beteiligungserwerbs mit den entscheidungstragenden Aktionären abzustimmen, wenn eine derartige Koordination zur effektiven Willensbildung erforderlich und aufgrund der Aktionärsstruktur zielführend ist, das heißt, wenn wenige Ankeraktionäre existieren, welche ein genügendes Stimmgewicht aufweisen, um der avisierten Maßnahme zum Erfolg zu verhelfen. Da die strategischen Investoren und die Finanzinvestoren mit größeren Beteiligungsquoten den stärksten Anreiz haben, das Vorstandshandeln zu überwachen und die Gesellschaftsmittel effizient einzusetzen und da die Durchführung des Beteiligungserwerbs aufgrund ihres hohen Stimmgewichts maßgeblich von ihrer Zustimmung abhängt, wird der Vorstand bei modellhafter ökonomischer Betrachtung nur solche Beteiligungserwerbe weiterverfolgen, die mit den Interessen dieser Aktionäre vereinbar und damit ökonomisch wünschenswert sind.

416

Siehe allgemein hierzu nochmals unter B.II.1.a)bb)(2)(c)(ee).

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(4) Rechtsökonomische Betrachtung von Argumenten gegen ein Zustimmungserfordernis Es lassen sich allerdings trotz des Zwischenbefunds, dass ein Hauptversammlungserfordernis bei umfangreichen Beteiligungserwerben bei modellartiger Betrachtung generell geeignet ist, das Vorstandshandeln zu disziplinieren und damit ökonomisch wünschenswerte Beteiligungserwerbe zu fördern, auch Gegenargumente formulieren, die im Folgenden ebenfalls ökonomisch zu betrachten sind. (a) Fehlende Kompetenz und Informationen, Rationalitätsdefizite und Interessenkonflikte der Aktionäre Ein Argument gegen eine Mitwirkung der Aktionäre könnte deren fehlende Kompetenz, über weitreichende unternehmerische Entscheidungen zu befinden, sein.417 Dies könnte dazu führen, dass die Aktionäre mangels Sachverstand im Rahmen eines Hauptversammlungserfordernisses vom Vorstand initiierte, ökonomisch sinnvolle Beteiligungserwerbe verhindern. Betreffend das Informationsniveau der Aktionäre liegt das Argument nahe, dass auch die Hauptversammlung aufgrund von Informationen entscheidet, die ihr vom Vorstand präsentiert werden,418 sodass die Problemlage hier teilweise parallel sein könnte wie beim Aufsichtsrat.419 Allerdings erscheinen diese Argumente bei Beteiligungserwerben des in Rede stehenden Umfangs und aufgrund der untersuchten Aktionärsstruktur in deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften nicht besonders schlagkräftig. Strategische Investoren mit großen Beteiligungen werden in der Regel ohnehin über ein gutes Informationsniveau betreffend die Angelegenheiten der Gesellschaft und das Marktumfeld verfügen. Im Übrigen werden die maßgeblich entscheidungstragenden strategischen Investoren und größeren Finanzinvestoren auch bereit sein, die Kosten zur notwendigen Informationsgewinnung zu tragen – insbesondere fachkundige Beratung einzuholen –, um in der Lage zu sein, weitreichende unternehmerische Entscheidungen des Vorstands wie einen umfangreichen Beteiligungserwerb angemessen beurteilen zu können.420 Außerdem ist zu beachten, dass aufgrund des Umfangs der in Rede stehenden Transaktionen das unternehmensbezogene Spezialwissen des Vorstands in den

417 So die Wertung des historischen Gesetzgebers des AktG 1965; siehe BegrRegE AktG 1965, abgedruckt bei Kropff/Thölke, Aktiengesetz 1965 (2005), S. 96 („Die Aktionäre haben im allgemeinen weder die Zeit noch die Übersicht, um Geschäftsführungsfragen unter Würdigung aller Gesichtspunkte entscheiden zu können.“). 418 So allgemein Burch/Morgan/Wolf, 33 Fin. Mgmt. 45, 46 (Winter 2004); Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 108. 419 Siehe hierzu nochmals unter B.II.1.b)aa)(2)(a). 420 Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 550; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, 9. Aufl. (2014), S. 395; ähnlich Eisenberg, The Structure of the Corporation (1976), S. 260.

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Hintergrund rückt.421 Denn es handelt sich bei einem umfangreichen Beteiligungserwerb um eine Entscheidung, die insbesondere Investitionskenntnisse voraussetzt.422 Gerade bezüglich der Finanzinvestoren greift damit aber das Bild des nicht sachkundigen Aktionärs nicht. Wer selbst als Geschäftsmodell Beteiligungen erwirbt, hält und wieder veräußert, dem kann wohl kaum vorgehalten werden, ihm fehle die Kompetenz, die unternehmerischen Implikationen eines Beteiligungserwerbs durch den Vorstand zu übersehen.423 Stärker wiegt hingegen die Überlegung, dass auch die Aktionäre bei ihrer Entscheidung Rationalitätsdefiziten unterliegen bzw. aufgrund eigennütziger Partikularinteressen handeln können.424 Was die Rationalitätsdefizite angeht, so unterliegen die Aktionäre bzw. ihre Entscheidungsträger wie auch der Vorstand kognitiven Beschränkungen. Die Aktionäre können insbesondere die Fähigkeiten des Vorstands überschätzen. Dies gilt vor allem dann, wenn dieser bisher stets erfolgreiche Akquisitionen durchgeführt hat, auch wenn diese kleiner oder nicht vergleichbar waren (sog. sample size neglect).425 Weiterhin können die Aktionäre in diesem Kontext auch das Potential der Zielgesellschaft überschätzen, was sich etwa an der systematischen Überschätzung des Potentials von Internetgesellschaften zu Zeiten der „DotcomBlase“ zeigt.426 Zu beachten ist allerdings, dass sich eine Entscheidung der Hauptversammlung immer als die Summe der individuellen Einzelentscheidungen der Aktionäre darstellt (methodologischer Individualismus).427 Da aber Rationalitätsdefizite und Interessenkonflikte, soweit sie nicht systematisch bedingt sind, in der Person des einzelnen Aktionärs bzw. seiner Entscheidungsträger liegen, können diese durch die Mitwirkung der anderen Aktionäre in der Summe wieder aufgefangen werden. Will also etwa ein einzelner Aktionär aufgrund einer ökonomischen Fehleinschätzung oder abweichender Partikularinteressen einem ökonomisch nicht wünschenswerten Beteiligungserwerb zur Durchsetzung verhelfen oder einen ökonomisch wünschenswerten Beteiligungserwerb verhindern, so wird dies grundsätzlich – es sei 421

Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 550; Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, 9. Aufl. (2014), S. 395; ähnlich Eisenberg, The Structure of the Corporation (1976), S. 260 (zur umfangreichen Beteiligungsveräußerung: „they involve investment rather than purely business skills […] they occur relatively infrequently in the life of a corporation; and they are likely to take a relatively long time to consummate in any event“); Bebchuk, 118 Harv. L. Rev. 833, 880 f. (2005). 422 Siehe nochmals Fn. 421. 423 Ähnlich Immenga, Aktiengesellschaft, Aktionärsinteressen und institutionelle Anleger (1971), S. 25; Fleischer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2 (2007), S. 430, 461. 424 Zu letzterem Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 462 ff. 425 Schouten, 27 Colum. Bus. L. Rev. 763, 784 (2010). 426 Schouten, 27 Colum. Bus. L. Rev. 763, 786 f. (2010). 427 Hierzu Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts (1997), S. 8; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), Einl. XXXV.

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denn sein Stimmgewicht genügt hierzu bereits alleine – nur gelingen, wenn er die Unterstützung einer entsprechenden Zahl der anderen Aktionäre findet. Dies setzt allerdings ähnliche bzw. gleichgerichtete Rationalitätsdefizite oder Partikularinteressen dererseits voraus. Die ökonomisch nicht wünschenswerte Entscheidungsalternative kann sich also nur dann durchsetzen, wenn eine genügende Zahl der entscheidungstragenden Aktionäre einem ähnlichen Interessenkonflikt oder Rationalitätsdefizit unterliegt.428 Insofern besteht ein gewisses Korrektiv über die Kollektiventscheidung. Voraussetzung dafür, dass tatsächlich einer ökonomisch nicht wünschenswerten Entscheidungsalternative zum Erfolg verholfen wird, wäre damit aber stets, dass entweder (i) der Vorstand einen ökonomisch nicht wünschenswerten Beteiligungserwerb initiiert und dass bei den Aktionären Rationalitätsdefizite oder Partikularinteressen bestehen, denen zudem eine so große Anzahl der Aktionäre mit entsprechendem Stimmgewicht unterliegt, dass dem Beteiligungserwerb zugestimmt wird oder dass (ii) bei Initiierung eines ökonomisch wünschenswerten Beteiligungserwerbs durch den Vorstand bei den Aktionären Rationalitätsdefizite oder Partikularinteressen bestehen, denen eine so große Anzahl der Aktionäre mit entsprechendem Stimmgewicht unterliegen, dass der Beteiligungserwerb abgelehnt wird. In der Mehrzahl der Fälle wird das Hauptversammlungserfordernis bei modellhafter ökonomischer Betrachtung demgegenüber ein wirksames Instrument zur Disziplinierung des Vorstandshandelns darstellen. (b) Potentielle Verzögerung und unzumutbare Beschränkung des Vorstandshandelns Weiterhin steht zu befürchten, dass es durch ein Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb zu einer Verzögerung kommen könnte, sodass ökonomisch sinnvolle Transaktionen teilweise nicht durchgeführt werden könnten.429 Hier ließe sich argumentieren, dass die nächste ordentliche Hauptversammlung oft nicht abgewartet werden kann und dass auch die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung nur mit einer Frist von 30 Tagen möglich ist, § 123 Abs. 1

428

Ähnlich Bebchuk, 118 Harv. L. Rev. 833, 883 (2005). Marsch-Barner, in: Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht (2006), S. 105, 114; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 173 f.; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 114; Dent, 80 Nw. U. L. Rev. 777, 788 (1986); vgl. auch Priester, AG 2011, 654, 661; Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451, 452; hierzu grundsätzlich auch BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 („Gelatine I“) („In einer global vernetzten Wirtschaftsordnung, in der es darauf ankommt, sich bietende Chancen umgehend zu nutzen oder aufkommenden Gefahren sogleich zu begegnen, wäre eine zu enge Bindung an jeweils einzuholende Entschließungen der nicht ständig präsenten, sondern regelmäßig nur mit erheblichem Aufwand an Zeit und Kosten einzuberufenden Hauptversammlung gänzlich unpraktikabel und hätte eine Lähmung der Gesellschaft zur Folge.“). 429

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S. 1 AktG.430 Allerdings stehen hier mehrere Mechanismen zur Verfügung, um diesem Problem Herr zu werden. Wenn schon bei der vorhergehenden ordentlichen Hauptversammlung abzusehen ist, dass ein umfangreicher Beteiligungserwerb konkret in Betracht kommen könnte, kann mit einem Konzeptbeschluss gearbeitet werden.431 Selbst wenn von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht wurde oder gemacht werden konnte, besteht die weitere Möglichkeit, den Anteilskaufvertrag unter die Bedingung der Zustimmung der Hauptversammlung zu stellen oder für den Fall der Verweigerung der Zustimmung einen Rücktrittsvorbehalt zu vereinbaren.432 Sodann kann die Zustimmung auf einer außerordentlichen Hauptversammlung eingeholt werden oder eventuell sogar auf der nächsten ordentlichen Hauptversammlung, wenn diese zeitnah stattfindet. Im Übrigen wird die Realisierung umfangreicher Beteiligungserwerbe des in Rede stehenden Ausmaßes ohnehin eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.433 Zwischen signing und closing liegen oft längere Zeiträume, insbesondere wenn Kartellfreigaben einzuholen sind. Im Fall Commerzbank/Dresdner Bank vergingen z. B. von der ersten öffentlichen Ankündigung der Einigung am 31. August 2008 bis zum dinglichen Vollzug am 12. Januar 2009 mehr als vier Monate. In einem derartigen Zeitraum dürften die Planung einer Hauptversammlung und die Einholung der Zustimmung der Aktionäre zeitlich möglich sein.434 Auch könnten wünschenswerte Transaktionen, so ein weiteres Gegenargument, dadurch verhindert werden, dass durch das Zustimmungserfordernis das eigenverantwortliche Vorstandshandeln unzumutbar beschränkt wird.435 Die ökonomische Relevanz dieser Überlegung könnte sich daraus ergeben, dass dem Vorstand bei einer zu starken Einschränkung der eigenverantwortlichen Leitungstätigkeit der Spielraum für unternehmerische Entscheidungen genommen werden könnte und damit gerade die grundsätzlich ökonomisch vorteilhafte Arbeitsteilung zwischen den Aktionären als Eigentümern und dem Vorstand als Geschäftsleiter aufgehoben werden könnte.436 Bei sachgerechter Ausgestaltung der Voraussetzungen des Zustimmungserfordernisses kommt eine derartige Entscheidung jedoch im „Leben“ 430 Deskriptiv Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 174. 431 Siehe zur Zulässigkeit eines Konzeptbeschlusses unter Teil 3 D.IV.1.b). 432 Binge/Thölke, in: Schüppen/Schaub, MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010), § 25 Rn. 95. 433 So auch schon Eisenberg, The Structure of the Corporation (1976), S. 260 (zum spiegelbildlichen Vorgang der umfangreichen Beteiligungsveräußerung). 434 Diese Zusammenhänge übersieht etwa Krautz vollständig, der pauschal behauptet, dass zeitkritische Geschäfte durch ein Zustimmungserfordernis unmöglich bzw. weniger profitabel würden; siehe Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 114. 435 Bainbridge, 53 UCLA L. Rev. 601, 626 (2006). 436 Plakativ hierzu Bainbridge, 53 UCLA L. Rev. 601, 626 (2006) („Active investor involvement in corporate decisionmaking seems likely to disrupt the very mechanism that makes the public corporation practicable; namely, the centralization of essentially nonreviewable decisionmaking authority in the board of directors.“).

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einer Gesellschaft eventuell gar nicht, bestenfalls aber sehr selten vor.437 Dass eine derartig einmalige oder seltene Entscheidung nicht an den Willen der Aktionäre rückgekoppelt werden kann, weil dies den Vorstand in seiner eigenverantwortlichen Leitungstätigkeit grundsätzlich zu stark einschränken würde, überzeugt nicht. Im Gegenteil kann sogar argumentiert werden, dass ein punktuelles Zustimmungserfordernis mit hohen aber klar formulierten Anforderungen die eigenverantwortliche Leitungstätigkeit des Vorstands stärkt. Das Zustimmungserfordernis schwebt dann nicht als Damoklesschwert über dem Vorstand, sondern erlegt ihm nur für bestimmte, klar definierte Ausnahmefälle die Pflicht auf, die Hauptversammlung zu involvieren, wodurch er sich in Abwesenheit der Zustimmungsvoraussetzungen seiner Eigenverantwortlichkeit sicher sein kann. (c) Kosten der Hauptversammlung Weiterhin wird auf die hohen Kosten einer gegebenenfalls einzuberufenden außerordentlichen Hauptversammlung hingewiesen.438 Auch diese können sich effizienzmindernd auswirken, da die Kosten für die Durchführung der Hauptversammlung von der Gesellschaft getragen werden und damit wirtschaftlich von allen Aktionären gemeinsam. Würde also durch die Kosten mehr Wert vernichtet, als durch die positiven Effekte des Zustimmungserfordernisses geschaffen wird, so läge das Zustimmungserfordernis nicht im ökonomischen Interesse der Aktionäre. Zutreffend ist, dass die Kosten einer Hauptversammlung einer börsennotierten Aktiengesellschaft nicht unerheblich sind und sich z. B. bei DAX-30-Gesellschaften durchaus im Millionenbereich bewegen können. Dennoch stellen diese Kosten relativ betrachtet einen Posten dar, der bei den Gesamtkosten einer Transaktion der in Rede stehenden Größe kaum ins Gewicht fallen dürfte. Im Falle des Erwerbs der Dresdner Bank durch die Commerzbank hätten selbst Kosten für die Hauptversammlung im einstelligen Millionenbereich bei dem insgesamt aufgewendeten Kaufpreis von EUR 4,87 Mrd. deutlich weniger als 1 % der Gesamtkosten ausgemacht. Dass dies ein zu hoher Preis ist, um die Aktionäre als wirtschaftliche Eigentümer der Gesellschaft zu befragen, vermag nicht recht zu überzeugen. Die Marginalisierung des effizienzmindernden Effekts der Kosten der Hauptversammlung auf die Gesamttransaktion wird im Übrigen dadurch gewährleistet, dass der quantitative Schwellenwert relativ zum Vermögen der Gesellschaft bemessen wird,439 wodurch gesichert ist, dass eine Zustimmung der Hauptversammlung nur für solche Transaktionen notwendig ist, die relativ zum Vermögen der Gesellschaft einen erheblichen Umfang haben. Bei kleineren Gesellschaften werden indes auch die Kosten für die Durchführung der Hauptversammlung entsprechend geringer sein. 437 Eisenberg, The Structure of the Corporation (1976), S. 260 (zur umfangreichen Beteiligungsveräußerung). 438 Siehe Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 174; Krautz, Mitentscheidungsrechte der Aktionäre (2011), S. 114. 439 Siehe nochmals unter Teil 3 C.II.2.b).

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Hinzu kommt, dass in allen Fällen, in denen bereits eine erfolgreiche Koordination mit den entscheidungstragenden Aktionären im Vorfeld der Hauptversammlung stattgefunden hat,440 die Hauptversammlung keine „unnötigen“ Kosten nach sich zieht. Mithin würde die Maßnahme nur nach Signalisierung der Zustimmungsbereitschaft der entscheidungstragenden Aktionäre vom Vorstand weiter vorangetrieben und damit eine Hauptversammlung nur dann durchgeführt, wenn auch die Zustimmung und damit die Durchführung der Transaktion wahrscheinlich sind. Auch in Fällen, in denen eine Koordination aus den genannten Gründen nicht zulässig bzw. möglich ist,441 wird der Vorstand die Transaktion im Übrigen nur dann der Hauptversammlung vorlegen, wenn er von deren Zustimmung überzeugt ist. Würde dann aber die Zustimmung verweigert, weil die Aktionäre die Maßnahme für ökonomisch nicht wünschenswert erachten, so kann bei ökonomischer Betrachtung davon ausgegangen werden, dass die Kosten ebenfalls nicht „unnötig“ angefallen sind, da so grundsätzlich ein ökonomisch nicht wünschenswerter Beteiligungserwerb verhindert wurde.442 (d) Möglichkeit von Anfechtungsklagen Durch das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses wird für Aktionäre die Möglichkeit eröffnet, diesen nach §§ 243 ff. AktG anzufechten. Dies kann weiteres Verzögerungs- bzw. Verhinderungspotential schaffen.443 (aa) Wirkung von Anfechtungsklagen Da es sich bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel um keine eintragungspflichtige Maßnahme handelt, kann durch die Anfechtungsklage gegen den Zustimmungsbeschluss nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen der Vollzug der Maßnahme also nicht schon an einer Registersperre444 oder an einer faktischen Registersperre scheitern.445 Auch wenn zum Beteiligungserwerb Anteile der Erwerberin als Gegenleistung eingesetzt werden, ergibt sich kein spezielles Eintragungshindernis aus einer Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses nach den

440

Siehe nochmals unter B.II.1.b)bb)(1)(b). Siehe nochmals unter B.II.1.b)bb)(1)(b). 442 Zu möglichen Ausnahmen siehe nochmals vorstehend unter B.II.1.b)bb)(4)(a). 443 Marsch-Barner, in: Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht (2006), S. 105, 114; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 175; vgl. auch Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 806; Priester, AG 2011, 654, 662; Kiesewetter/Spengler, Der Konzern 2009, 451, 452. 444 Eine formale Registersperre aufgrund der Notwendigkeit einer Negativerklärung besteht nur in einer begrenzten Anzahl von Fällen; siehe hierzu etwa Hüffer/Schäfer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 243 Rn. 140; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 243 Rn. 57; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 241 Rn. 116. 445 J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 739. 441

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Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen.446 Der Vorstand kann selbst bei einem fehlenden Hauptversammlungsbeschluss den Beteiligungserwerb im Außenverhältnis wirksam vollziehen.447 Somit muss ihm dies erst recht auch dann möglich sein, wenn der Hauptversammlungsbeschluss „nur“ angefochten wurde.448 Umgekehrt steht aber mangels Eintragungspflichtigkeit des Beteiligungserwerbs auch das Freigabeverfahren nach § 246a AktG gerade nicht offen.449 (bb) Entscheidungs-Dilemma des Vorstands Auch wenn eine Anfechtungsklage kein Vollzugshindernis für den Hauptversammlungsbeschluss zum Beteiligungserwerb darstellt, befindet sich der Vorstand bei einer erhobenen Anfechtungsklage doch in einer Dilemma-Situation. Vollzieht er den Beteiligungserwerb trotz rechtshängiger Anfechtungsklage und wird der Klage letztlich stattgegeben, so entfällt der legitimierende Hauptversammlungsbeschluss und damit das Haftungsprivileg des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG.450 Umgekehrt kann der Vorstand sich aber auch dann schadensersatzpflichtig machen, wenn er den 446 Werden als Gegenleistung Anteile der Erwerberin aus einem genehmigten Kapital ausgegeben, so ist zwar die Durchführung der Kapitalerhöhung eintragungspflichtig, §§ 188 Abs. 1 AktG, 203 Abs. 1 (Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 203 Rn. 14; Scholz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. (2015), § 59 Rn. 71 ff.; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 203 Rn. 21); allerdings fehlt es hier mangels eines Hauptversammlungsbeschlusses schon an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand (BGH, Urt. v. 10. 10. 2005 – II ZR 148/03, NZG 2006, 20, 21 („Mangusta/Commerzbank II“): ansonsten „Systembruch des geltenden Aktienrechts“; Busch, NZG 2006, 81, 84; andere Ansicht vormals Paefgen, ZIP 2004, 145, 149 ff.). Denkbar ist allerdings eine Feststellungs- bzw. (wenn rechtzeitig möglich) eine Unterlassungsklage mit dem Argument, der Vorstand habe sich nicht an die Vorgaben des Ermächtigungsbeschlusses gehalten (BGH, Urt. v. 23. 6. 1997 – II ZR 132/93, NJW 1997, 2815, 2816 („Siemens/Nold“) (unter Verweis auf das Holzmüller-Urteil); hierzu auch Bungert, BB 2005, 2757 ff.). Im Übrigen kann das Registergericht die Eintragung nicht nur wegen der Überschreitung der Kompetenzen des Vorstands, sondern wegen seiner umfassenden formellen und materiellen Prüfungskompetenz auch wegen Verstößen gegen sonstige zu beachtende gesetzliche Vorschriften ablehnen (Krafka/Kühn, Registerrecht, 9. Aufl. (2013), Teil 1. Handelsregister, Rn. 1492; Bayer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 203 Rn. 29; Wamser, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 203 Rn. 109). Diese möglichen Verzögerungen bei der Eintragung bestehen allerdings beim Einsatz des genehmigten Kapitals zum Beteiligungserwerb unabhängig von einem Hauptversammlungserfordernis nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen, sodass sich hieraus kein Argument für das spezifische Verzögerungspotential gerade durch das Hauptversammlungserfordernis formulieren lässt. Gleiches gilt bei der ordentlichen Kapitalerhöhung und beim bedingten Kapital. 447 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 132 („Holzmüller“); BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 42 f. („Gelatine I“). 448 J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 740 (freilich nicht ausdrücklich zum Beteiligungserwerb). 449 J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 738 (allg. zu zustimmungsbedürftigen Maßnahmen). 450 J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 740 (allg. zu zustimmungsbedürftigen Maßnahmen); Horbach, BB 2001, 893, 894.

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Hauptversammlungsbeschluss pflichtwidrig entgegen § 83 Abs. 2 AktG nicht ausführt.451 Im Ergebnis kann vom Vorstand in dieser Dilemma-Situation nicht mehr erwartet werden als eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung. Woran aber hat diese sich zu orientieren? Hat die Klage evident keine Aussicht auf Erfolg, so wird der Vorstand verpflichtet sein, den Beteiligungserwerb durchzuführen.452 Problematischer ist der Fall, wie er meist in der Praxis auftreten wird, dass die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage nicht sicher vorhergesehen werden können.453 Teilweise wird in dieser Situation empfohlen, die Maßnahme zu unterlassen, wenn „konkrete Anhaltspunkte“ für den Erfolg der Anfechtungsklage bestehen.454 Dieses Kriterium ist allerdings insofern wenig hilfreich, als unklar ist, wann derartige „konkrete Anhaltspunkte“ bestehen und die Beantwortung dieser Frage letztlich wieder auf eine Bewertung der schwer zu bestimmenden Erfolgsaussichten der Klage hinausläuft. J. Vetter schlägt vor, das Problem, woran sich die Ermessensentscheidung des Vorstands zu orientieren hat, über die Wertung der für das Freigabeverfahren geschaffenen Regelung des § 246a AktG und hierbei insbesondere über die Wertung des § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG zu lösen.455 Nach letzterer Vorschrift ergeht im Freigabeverfahren der Freigabebeschluss des Gerichts, „wenn das alsbaldige Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses vorrangig erscheint, weil die vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen, es sei denn, es liegt eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes vor.“ Im Freigabeverfahren sind also primär das wirtschaftliche Vollzugsinteresse der Gesellschaft und der nicht klagenden Aktionäre gegenüber dem wirtschaftlichen Suspensivinteresse der Anfechtungskläger abzuwägen und die Erfolgsaussichten der Klage sind nur dann relevant, wenn eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes vorliegt.456 Eine andere Lösung als die Anwendung dieser Wertung auch auf Fälle des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses würde nach J. Vetter im Übrigen zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass eintragungspflichtige Maßnahmen aufgrund der Eröffnung der Möglichkeit des Freigabeverfahrens leichter durchzusetzen wären als nicht eintragungspflichtige Maßnahmen, bei denen der Vorstand bei 451 J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 740; Liebscher, in: Müller/ Rödder, Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. (2009), § 6 Rn. 102. 452 Fleischer, BB 2005, 2025, 2026; J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 740. 453 Fleischer, BB 2005, 2025, 2026 (Fragen harren noch einer gründlichen Aufarbeitung); J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 740 („noch keine klaren Verhaltensmaßstäbe herausgebildet“). 454 Liebscher, in: Müller/Rödder, Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl. (2009), § 6 Rn. 102; Richter, in: Semler/Peltzer, Arbeitshandbuch für Vorstandsmitglieder, 1. Aufl. (2005), § 4 Rn. 279. 455 J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 741 ff. 456 J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 742.

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Unsicherheit über den Ausgang der Anfechtungsklage die Durchführung verweigern müsste.457 Dem ist unter den hier untersuchten rechtsökonomischen Gesichtspunkten vollumfänglich beizupflichten. Durch eine derartige Abwägung wird der positive Effekt, der durch die Rückkoppelung der Entscheidung über umfangreiche Beteiligungserwerbe an das Interesse der entscheidungstragenden Aktionäre entsteht – abgesehen von dem Ausnahmefall, dass ein besonders schwerer Rechtsverstoß vorlag –, aufrechterhalten und es wird verhindert, dass Minderheitsaktionäre versuchen, die Mehrheit bzw. die Gesellschaft zu „erpressen“. In aller Regel wird diese Abwägung des Vorstands orientiert an der Wertung von § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG dazu führen, dass der Beteiligungserwerb vollzogen werden darf.458 Noch spannender ist die Frage allerdings in Bezug auf Klagen mit überwiegenden Erfolgsaussichten. Hier wird üblicherweise in der Literatur undifferenziert davon ausgegangen, dass der Vorstand vom Vollzug der Maßnahme absehen müsse.459 Fraglich ist allerdings, ob dies auch dann gelten kann, wenn die Klage nur wegen kleinerer Formfehler begründet wäre.460 Auch hier will J. Vetter wieder die Wertung des § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG heranziehen, da auch im Freigabeverfahren formale Fehler überwunden werden können, obwohl sogar eine eintragungspflichtige Maßnahme vorliegt.461 Daher müsse es dem Vorstand auch bei Anfechtungsklagen gegen Holzmüller/Gelatine-Beschlüsse, die überwiegende Erfolgsaussichten aufweisen, gestattet sein, die Maßnahme zu vollziehen, wenn das wirtschaftliche Vollzugsinteresse überwiegt und kein Fall einer besonders schweren Rechtsverletzung vorliegt.462 Auch dem ist aus den bereits angesprochenen Gründen beizupflichten. Bei lediglich kleineren Formfehlern besteht kein ökonomischer Grund dafür, dem Vorstand den Vollzug des an sich im Interesse aller Aktionäre ökonomisch wünschenswerten Beteiligungserwerbs zu untersagen. Logische Folge aus dem eben Gesagten wäre dann allerdings, dass bei einem schlussendlichen Erfolg der Anfechtungsklage die Kläger entsprechend § 246a Abs. 4 S. 1 AktG zu kompensieren wären,463 wobei hier von Kosten der Kläger im Rahmen der Prozessführung abgesehen ein Schaden schwer zu begründen sein dürfte.

457

J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 742. J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 743 (freilich nicht ausdrücklich zum Beteiligungserwerb). 459 Fleischer, BB 2005, 2025, 2026; K. Schmidt, in: AktG Großkommentar, 4. Aufl. (1995), § 243 Rn. 71; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 3. Aufl. (2007), § 19 Rn. 7. 460 J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 743. 461 J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 744. 462 J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 745. 463 J. Vetter, in: Liber amicorum für Winter (2011), S. 731, 747. 458

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Da die beschriebene Übertragung der Wertungen aus § 246a AktG allerdings bisher wenig gesichert ist, ist de lege ferenda freilich zu überlegen, das Freigabeverfahren bzw. ein ähnliches Konzept auch für Holzmüller/Gelatine-Beschlüsse einzuführen.464 Bis dahin verbleibt in der Tat die Sorge, dass ökonomisch wünschenswerte Beteiligungserwerbe durch eigennützig motivierte Anfechtungsklagen einzelner Aktionäre verzögert oder sogar verhindert werden könnten. (e) Zwischenergebnis Die meisten gegen die Existenz eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses vorgebrachten Argumente sprechen zwar bezogen auf ein Hauptversammlungserfordernis bei einem umfangreichen Beteiligungserwerb partiell berechtigte Teilaspekte an, haben aber bei modellhafter rechtsökonomischer Betrachtung kein derartiges Gewicht, dass sie geeignet wären, an der grundsätzlich positiven ökonomischen Wirkung des Zustimmungserfordernisses etwas zu verändern. Dies gilt insbesondere für die Argumente (i) der fehlenden Kompetenz und Information der Aktionäre, (ii) der potentiellen Verzögerung und der unzumutbaren Beschränkung des Vorstandshandelns und (iii) der Kosten der Hauptversammlung. Allerdings ist es aufgrund von Rationalitätsdefiziten und der Verfolgung von Partikularinteressen der Aktionäre möglich, dass in Einzelfällen ökonomisch nicht wünschenswerte Beteiligungserwerbe nicht verhindert oder umgekehrt ökonomisch wünschenswerte Beteiligungserwerbe verhindert werden. In der Mehrzahl der Fälle wird das Hauptversammlungserfordernis allerdings bei modellhafter rechtsökonomischer Betrachtung ein wirksames Instrument zur Disziplinierung des Vorstandshandelns darstellen. Ferner ist es möglich, dass durch eigennützig motivierte Anfechtungsklagen einzelner Aktionäre ökonomisch wünschenswerte Beteiligungserwerbe verzögert oder im Extremfall gar verhindert werden. Bei Anfechtungsklagen mit ungewissem Ausgang befindet sich der Vorstand in einem Entscheidungsdilemma, ob er den Beteiligungserwerb vollziehen soll. Diesem Problem kann begegnet werden, indem dem Vorstand entsprechend der Wertung im Freigabeverfahren aus § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG gestattet wird, den Beteiligungserwerb trotz erhobener Anfechtungsklage zu vollziehen, wenn nicht ausnahmsweise das wirtschaftliche Suspensivinteresse der klagenden Aktionäre überwiegt oder ein Fall einer besonders schweren Rechtsverletzung vorliegt.

464 So bereits Veil, AG 2005, 567, 575; Paschos/Johannsen-Roth, NZG 2006, 327, 333; J. Vetter, AG 2008, 177, 191.

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

c) Empirische Beobachtungen Die bisherigen Überlegungen haben zunächst primär auf die positive Funktion der ökonomischen Analyse fokussiert und sind der Frage nachgegangen, welches Verhalten der beteiligten Akteure ein (ungeschriebenes) Hauptversammlungserfordernis bei einem umfangreichen Beteiligungserwerb bei modellhafter rechtsökonomischer Betrachtung nach sich ziehen würde. Dies hat zu dem Ergebnis geführt, dass ein solches Hauptversammlungserfordernis zu einer Orientierung des Vorstandshandelns am Interesse der strategischen Investoren und Finanzinvestoren mit größeren Beteiligungsquoten führt, was bei modellhafter rechtsökonomischer Betrachtung generell zu einer Durchführung von ökonomisch wünschenswerten Beteiligungserwerben führen müsste, da eigennütziges und von Rationalitätsdefiziten beeinflusstes Vorstandshandeln diszipliniert wird. Die nächste Frage gilt nun der empirischen Nachweisbarkeit dieses Effekts. Die in der Folge zitierten Studien stammen primär aus dem angloamerikanischen Raum. Daher ist in der Folge teilweise nicht vom Vorstand sondern allgemeiner vom Management die Rede. Gegenstand dieser Studien sind teilweise verschiedenartige Transaktionen, d. h. auch öffentliche Übernahmen oder Umwandlungsmaßnahmen, aber vor allem auch Beteiligungserwerbe im hier verstandenen Sinne,465 sodass in der Folge teilweise zusammenfassend von Akquisitionen die Rede sein wird. aa) Studien zu ökonomischen Auswirkungen einer Zustimmungsbedürftigkeit von Beteiligungserwerben Neben Studien, die sich mit potentiell negativen ökonomischen Effekten von Akquisitionen im Allgemeinen466 und mit dem Aktionärsaktivismus als Überwa465

Siehe nochmals unter Teil 2 B.III. Insbesondere Moeller/Schlingemann/Stulz kamen in einer vielzitierten Studie zu dem Ergebnis, dass Akquisitionen im Durchschnitt wertvernichtende Wirkung für die Aktionäre der Erwerberin haben; siehe Moeller/Schlingemann/Stulz, 73 J. Fin. Econ. 201, 202 (2004). Ausgewertet wurden 12.023 (!) Akquisitionen (mergers and acquisitions) in den Jahren 1980 bis 2001, wobei Voraussetzung war, dass (i) die Erwerberin vormalig unter 50 % und am Ende zu 100 % an der Zielgesellschaft beteiligt war, (ii) das Transaktionsvolumen mindestens USD 1 Mio. betrug und (iii) das Transaktionsvolumen mindestens 1 % der Marktkapitalisierung der Erwerberin ausmachte; siehe Moeller/Schlingemann/Stulz, 73 J. Fin. Econ. 201, 205 (2004). Morck/Shleifer/Vishny führten diesen Effekt darauf zurück, dass das Management mit Akquisitionen eigennützige Motive verfolge und daher für die Zielgesellschaften oft einen überhöhten Preis bezahle; siehe Morck/Shleifer/Vishny, 45 J. Fin. 31, 47 (1990) („managerial objectives drive bad acquisitions“). Roll hielt primär die Selbstüberschätzung des Managements bei der Bewertung der Zielgesellschaft für den entscheidenden Faktor; siehe Roll, 59 J. Bus. 197, 200 (1986) („hubris hypothesis“). Malmendier/Tate brachten suboptimale Investmententscheidungen gerade mit der overconfidence des CEO in Zusammenhang; siehe Malmendier/Tate, 60 J. Fin. 2661 f. (2005). Studien von Harford/Li, Bliss/Rosen und Grinstein/ Hribar wiesen nach, dass es durch Akquisitionen zu einer signifikanten Steigerung der Bezahlung des Managements kommen kann, auch wenn es durch die Akquisition zu einer Vermögenseinbuße für die Aktionäre der Erwerberin kommt; siehe Harford/Li, 466

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chungsinstrument zur Lösung des Problems467 beschäftigen, wurden in jüngerer Zeit einige Untersuchungen durchgeführt, die sich speziell mit den ökonomischen Auswirkungen einer Zustimmungsbedürftigkeit bei Akquisitionen beschäftigen.468 62 J. Fin. 917, 946 (2007); Bliss/Rosen, 61 J. Fin. Econ. 107, 110 (2001); ähnlich Grinstein/ Hribar, 73 J. Fin. Econ. 119, 120 f. (2004) (Die Kompensation erfolge meistens in Form eines cash bonus und sei vor allem von der Größe des Deals abhängig. Nur 34 % der Firmen gaben demnach an, dass eine Wertsteigerung der Grund für die Zahlung des Bonus sei.). 467 Die Frage, ob eine aktivere Interpretation der Aktionärsrolle insbesondere durch Finanzinvestoren zu einer effektiven Überwachung des Managementhandelns und damit zu einer Wertsteigerung für die Aktionäre führt, ist Gegenstand vieler Untersuchungen. Frühere Studien betreffend Pensionsfonds gelangten hier noch zu indifferenten Ergebnissen; siehe Karpoff/ Malatesta/Walkling, 42 J. Fin. Econ. 365, 366 (1996) („There is no persuasive evidence, however, that the proposals have substantial impact on firm values or performance.“); Gillan/ Starks, 57 J. Fin. Econ. 275, 276 (2000) („The nature of the stock market reaction, while typically small, varies according to the issue and the sponsor identity.“); Del Guercio/Hawkins, 52 J. Fin. Econ. 293, 325 f., 335 (1999) („We find no evidence that this activity has significant effects on stock returns or accounting measures of performance in three years after an initial targeting, and only sketchy evidence of positive effects in the short term.“); etwas positiver Barber, 16 J. Invest. 66, 67 (Winter 2007). Es wurde aber auch beobachtet, dass institutionelle Investoren öfter gegen Vorschläge der Verwaltung stimmen (siehe Brickley/Lease/Smith, 20 J. Fin. Econ. 267 (1988); Bethel/Gillan, 31 Fin. Mgmt. 29, 50 (Winter 2002)) und insbesondere Maßnahmen, die zu einer Verwässerung ihrer Anteilsquote führen, verhindern (siehe Morgan/Poulsen, 62 J. Fin. Econ. 489, 493 (2001)). Jüngere Studien von Klein/Zur, Clifford und Brav/Jiang/Partnoy/Thomas betreffend die aktive Aktionärsrolle von Hedgefonds (und teilweise auch anderen Finanzinvestoren) wollen – allerdings noch vor der Finanzkrise – nun positive ökonomische Effekte, jedenfalls um den Zeitpunkt des Einstiegs des Finanzinvestors und im ersten Jahr danach, beobachtet haben; siehe Klein/Zur, 64 J. Fin. 187 (2009); Clifford, 14 J. Corp. Fin. 323 (2008); Brav/Jiang/Partnoy/Thomas, 63 J. Fin. 1729 (2008). Speziell fokussiert auf die Überwachung des Managementhandelns durch institutionelle Investoren bei Akquisitionen – ohne allerdings nach der Zustimmungsbedürftigkeit der Transaktion zu differenzieren – kommen Chen/Harford/Li, Qiu und Gaspar/Massa/Matos zu dem Ergebnis, dass die Existenz großer Beteiligungen von langfristig investierten institutionellen Investoren dazu führt, dass die Gesellschaft langfristig effizientere Akquisitionen durchführt und ineffiziente Akquisitionen unterlassen werden; siehe Chen/Harford/Li, 86 J. Fin. Econ. 279, 304 (2007); Qiu, Which Institutional Investors Monitor? (2006), S. 1 ff.; ebenso Gaspar/Massa/Matos, 76 J. Fin. Econ. 135, 162 f. (2005). Qiu kommt allerdings auch ausdrücklich zu dem Ergebnis, dass eine Überwachung durch andere Investoren als durch große öffentliche Pensionsfonds zu keinem oder einem gegenteiligen Effekt führen kann. Weiterhin unterstützen die Ergebnisse der Studie von Chen/Harford/Li die These, dass langfristig investierte institutionelle Investoren aufgrund der Höhe ihrer Beteiligungen einen exit durch Veräußerung ihrer Anteile aufgrund drohender Verluste meiden und zu diesem Mittel nur im Vorfeld von außerordentlich nachteiligen Transaktionen greifen; siehe Chen/Harford/Li, 86 J. Fin. Econ. 279, 304 (2007) („only sell in advance of extremely poor bids“). In einer jüngeren deutschen Studie kommen Schreyögg/Unglaube zu dem Befund, dass Finanzinvestoren in Deutschland in „managementkontrollierten Aktiengesellschaften“ keine maßgebliche Aktivität entfalten. Die Untersuchung bezog sich jedoch „nicht auf einzelne Entscheidungen, sondern generell auf Einflussaktivitäten“; siehe Schreyögg/Unglaube, AG 2013, 97, 100. Speziell wurden hierbei 34 managementkontrollierte Aktiengesellschaften ausgewählt, wobei anhand der Analyse von 139 Hauptversammlungen nur eine geringe Anzahl von Gegen- und Ergänzungsanträgen und Wortmeldungen beobachtet wurde. Siehe zu einer Darstellung weiterer Studien auch Heuser, Shareholder Activism (2012), S. 63 ff.

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(1) Studien zum US-Recht Der Vergleich der ökonomischen Auswirkungen von zustimmungsbedürftigen und nicht zustimmungsbedürftigen Akquisitionen ist nach US-Recht reizvoll, da aufgrund des beschriebenen Mechanismus von NASDAQ Listing Rule 5635 (a) (1) bzw. NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c)469 das Zustimmungserfordernis umgangen werden kann, indem die Gegenleistung so strukturiert wird, dass die 20 %Grenzen für neu ausgegebene Anteile der Erwerberin nicht überschritten wird.470 Gleiches gilt auch bei einem statutory merger nach dem Recht von Delaware, da die Aktionäre der aufnehmenden Gesellschaft, also der Erwerberin, nicht zustimmen müssen, wenn als Gegenleistung nicht mehr als 20 % neue Stammaktien ausgegeben werden, Sec. 251 (c) i.V.m. (f) DGCL.471 Damit gilt für die Zustimmungsbedürftigkeit ein paralleler Maßstab wie für Beteiligungserwerbe nach NASDAQ Listing Rule 5635 (a) (1) und NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c). Der Theorie nach steht also zu vermuten, dass Akquisitionen, bei denen eine Zustimmung eingeholt wurde, zu ökonomisch positiveren Effekten für die Aktionäre führen als Transaktionen, bei denen die Gegenleistung so strukturiert wurde, dass die Zustimmung nicht eingeholt werden muss. Zu diesem Ergebnis gelangt in der Tat die Studie von Hsieh/Wang unter Auswertung von 2.205 Akquisitionen aus den Jahren 1990 bis 2005.472 Die Autoren schlussfolgern, dass die Zustimmung der Aktionäre ein effektives Mittel darstellt, um opportunistisches Verhalten des Managements zu unterbinden und die Interessen der Aktionäre zu schützen.473 Berücksichtigt wurden im Rahmen der Studie nur solche Transaktionen, bei denen (i) das Transaktionsvolumen über USD 1 Mio. lag, (ii) die Erwerberin vormalig weniger als 50 % der Anteile an der Zielgesellschaft hielt und versuchte, die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erlangen,474 (iii) Erwerberin und Zielgesellschaft an einer der (damaligen) drei großen US-Börsen notiert waren475 und (iv) das Transaktionsvolumen mindestens 10 % der Marktkapitalisierung der Erwerberin entsprach.476 Die Zustimmungsbedürftigkeit richtete sich nach den vorerwähnten Vorschriften von NASDAQ Listing Rule 5635 (a) und NYSE Listed Company 468 Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008); Kamar, Does Shareholder Voting on Acquisitions Matter? (2011); Burch/Morgan/Wolf, 33 Fin. Mgmt. 45, 65 (Winter 2004) („Is acquiring-firm shareholder approval in stock-for-stock mergers perfunctory?“); Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016). 469 Siehe hierzu nochmals unter A.II.2. 470 Siehe hierzu auch Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 3 f.; Kamar, Does Shareholder Voting on Acquisitions Matter? (2011), S. 21 f. 471 Siehe auch nochmals Fn. 75 und 92. 472 Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 4. 473 Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 35. 474 Gemeint sein dürfte damit eine Mehrheit von über 50 % der Stimmrechte. 475 Also an der NYSE, AMEX oder NASDAQ. 476 Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 8.

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Manual Sec. 312.03 (c).477 Bei den 2.205 Akquisitionen handelte es sich zu 25 % um reine Barerwerbe, zu 57 % um Erwerbe gegen Anteile der Erwerberin und zu 18 % um gemischte Erwerbe, wobei 53 % der Transaktionen einer Zustimmung der Aktionäre bedurften.478 Überraschend hoch war die Höhe des Transaktionsvolumens im Vergleich zur Marktkapitalisierung der Erwerberin mit durchschnittlich 65 %.479 Beobachtet wurde von Hsieh/Wang, dass prozentual weniger Transaktionen den Aktionären vorgelegt wurden, wenn institutionelle Investoren größere Beteiligungen an der Erwerberin hielten, was den Schluss nahelegt, dass das Zustimmungserfordernis in diesen Fällen teilweise durch entsprechende Strukturierung der Gegenleistung umgangen wurde.480 Bei Existenz eines Zustimmungserfordernisses wurden auch prozentual weniger Transaktionen erfolgreich durchgeführt, wobei die Mehrzahl der Transaktionen aufgegeben wurde, bevor es zu einer formalen Beteiligung der Aktionäre kam.481 Hieraus folgern Hsieh/Wang, dass die Zustimmung der Aktionäre einen effektiven Kontrollmechanismus darstellt, welcher das Management davon abhält, den Aktionären Akquisitionen zur Entscheidung vorzulegen, wenn nicht mit einer Zustimmung zu rechnen ist.482 Bei den außerordentlichen Kurssteigerungen nach Ankündigung der Akquisition (announcement returns) im event window [-2, +2] ergab die Untersuchung auf Seiten der Erwerberin kein eindeutiges Bild. Bei zustimmungspflichtigen Transaktionen waren die Verluste zwar sogar prozentual etwas größer, was allerdings nach Hsieh/ Wang auch auf das größere Volumen dieser Transaktionen zurückgeführt werden könnte.483 Ähnliches gilt für das gezahlte Kontrollpremium. Dieses war zwar bei Akquisitionen ausschließlich gegen Anteile der Erwerberin bei Bestehen eines Zustimmungserfordernisses niedriger, bei gemischt finanzierten Akquisitionen allerdings höher als ohne ein Zustimmungserfordernis.484 Die Synergieeffekte (synergy gains) bei Betrachtung der Auswirkungen auf die Erwerberin und Zielgesellschaft fielen bei zustimmungspflichtigen Akquisitionen allerdings durchschnittlich positiver aus als bei nicht zustimmungspflichtigen Akquisitionen.485 Auch entwickelten sich der längerfristige Börsenwert in den 24 477 Siehe hierzu nochmals unter A.II.2. Ein paralleles Zustimmungserfordernis fand sich zudem in AMEX Manual Sec. 712 (b), welches aber durch die Übernahme der AMEX durch die NYSE Euronext im Jahr 2008 hinfällig geworden ist. 478 Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 10, 41. Keiner Zustimmung bedurften logischerweise Erwerbe ausschließlich gegen Barmittel oder Erwerbe unter Einsatz von Anteilen der Erwerberin unterhalb der 20 %-Grenze. 479 Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 11. 480 Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 15 ff. 481 Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 18. 482 Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 19. 483 Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 22. 484 Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 23. 485 Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 24.

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Monaten nach Vollzug der Akquisition und der return on assets bei Bestehen eines Zustimmungserfordernisses positiver.486 Insgesamt kommen Hsieh/Wang damit zu dem Ergebnis, dass ein Zustimmungserfordernis auf Seiten der Erwerberin dazu dienen kann, ineffiziente Akquisitionen zu verhindern.487 In eine ähnliche Richtung deutet das Ergebnis einer Untersuchung von Hamermesh von 97 stock-for-stock-mergers und 81 mergers, bei denen die Gegenleistung ausschließlich in Barmitteln bestand, im Zeitraum von 1999 bis 2002.488 Hierbei stellte dieser fest, dass bei zustimmungsbedürftigen Akquisitionen das gezahlte Kontrollpremium ceteris paribus um 18,65 % niedriger war.489 Angeregt wird daher von Hamermesh, dass auch beim Einsatz von Barmitteln als Gegenleistung über eine Zustimmungsbedürftigkeit der Aktionäre der Erwerberin nachgedacht werden sollte.490 Ebenfalls für ein geeignetes Überwachungsinstrument wird die Aktionärszustimmung von Burch/Morgan/Wolf nach Untersuchung von 209 stock-for-stockmerger im Zeitraum von 1990 bis 2000 gehalten.491 Berücksichtigt wurden nur vollständige Akquisitionen durch börsennotierte Gesellschaften, wobei sich die Zustimmungsbedürftigkeit aus den genannten börsenrechtlichen Vorschriften oder gegebenenfalls aus den einzelstaatlichen Vorschriften über statutory merger ergeben konnte.492 Nach dieser Studie ist eine Verweigerung der Zustimmung zwar unwahrscheinlich,493 teilweise wurde diese aber auch nur knapp erteilt.494 Das Zustimmungserfordernis stelle insgesamt einen disziplinierenden Anreiz (credible threat) für das Management dar, solche Transaktionen nicht vorzuschlagen, die voraussichtlich keine Mehrheit bei den Aktionären finden.495 Da aber gerade nur zustimmungsbedürftige Akquisitionen untersucht wurden und daher kein Vergleich zu nicht zustimmungsbedürftigen Akquisitionen gezogen werden konnte, lässt sich der Studie nicht entnehmen, dass eine Aktionärszustimmung ein effektiveres Überwachungsinstrument darstellt als andere denkbare Überwachungsmechanismen.496

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Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 33 f. Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 3, 35. 488 Hamermesh, 152 U. Pa. L. Rev. 881, 913 (2003). 489 Hamermesh, 152 U. Pa. L. Rev. 881, 888 (2003). 490 Hamermesh, 152 U. Pa. L. Rev. 881, 912 (2003). 491 Burch/Morgan/Wolf, 33 Fin. Mgmt. 45, 49 (Winter 2004). 492 Burch/Morgan/Wolf, 33 Fin. Mgmt. 45, 49 f. (Winter 2004). 493 In den untersuchten Fällen wurde die Zustimmung sogar tatsächlich nie verweigert, wenn es zu einem formalen Vorschlag der Transaktion kam; siehe Burch/Morgan/Wolf, 33 Fin. Mgmt. 45, 65 (Winter 2004). 494 Burch/Morgan/Wolf, 33 Fin. Mgmt. 45, 65 (Winter 2004). 495 Burch/Morgan/Wolf, 33 Fin. Mgmt. 45, 65 (Winter 2004). 496 Burch/Morgan/Wolf, 33 Fin. Mgmt. 45, 65 (Winter 2004). 487

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Zu keinem eindeutigen Befund gelangt schließlich Kamar unter Auswertung von 2.249 Akquisitionen zwischen 1995 und 2006.497 Berücksichtigt wurden solche Akquisitionen, bei denen (i) die Erwerberin börsennotiert war, wobei die Zielgesellschaft börsennotiert sein konnte oder nicht, (ii) das Transaktionsvolumen mindestens 15 % der Marktkapitalisierung der Erwerberin betrug und (iii) die Erweberin ihre Beteiligung von 20 % oder weniger auf 50 % oder mehr steigern wollte.498 Die Zustimmungsbedürftigkeit konnte sich hierbei allerdings aus verschiedenen Vorschriften ergeben, etwa auch aufgrund einzelstaatlicher merger statutes oder aufgrund von Satzungsänderungen, etwa wegen notwendiger Erhöhung des authorized stock,499 was auch dazu führte, dass für die Zustimmung verschiedene Mehrheiten zu beachten waren.500 Außerdem wurden solche Transaktionen nicht berücksichtigt, bei denen keine Anteile der Erwerberin als Gegenleistung ausgegeben wurden.501 Kamar konnte weder größere außerordentliche Kurssteigerungen nach Ankündigung der Akquisition (announcement returns) auf Seiten der Erwerberin im event window [–1, +1] beobachten, noch eine Reduzierung des Kontrollpremiums.502 Auch sei ein Zustimmungserfordernis nicht seltener gewesen, wenn mit Widerstand bei der Zustimmung zu rechnen gewesen sei, also etwa bei Existenz von institutionellen Investoren mit signifikanten Beteiligungsquoten.503 Insgesamt misst Kamar den Zustimmungserfordernissen der Aktionäre durchaus disziplinierende Wirkung bei, konnte diese anhand seiner Studie allerdings nicht nachweisen504 und äußert daher Zweifel an der Rechtfertigung der Zustimmungserfordernisse.505 (2) Studien zum englischen Recht Ebenso ist die Betrachtung der ökonomischen Auswirkungen von zustimmungsbedürftigen und nicht zustimmungsbedürftigen Akquisitionen nach dem englischen Recht reizvoll. Hier besteht, anders als in den USA, nicht die Möglichkeit, 497

Kamar, Does Shareholder Voting on Acquisitions Matter? (2011), S. 8 ff. Kamar, Does Shareholder Voting on Acquisitions Matter? (2011), S. 8 (hierbei wurde in über 99 % der Fälle eine 100 %-ige Beteiligung angestrebt). 499 Siehe nochmals unter A.II.1. 500 Kamar, Does Shareholder Voting on Acquisitions Matter? (2011), S. 1, 12 (Von den 2.249 Transaktionen erforderten 603 eine Zustimmung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen und 701 Transaktionen eine absolute bzw. eine größere Mehrheit (super majority).). 501 Kamar, Does Shareholder Voting on Acquisitions Matter? (2011), S. 8 (Der Grund hierfür liege darin, dass der Markt auf solche Transaktionen anders reagiere und diese ohnehin fast nie einer Zustimmung der Aktionäre bedürften.) 502 Kamar, Does Shareholder Voting on Acquisitions Matter? (2011), S. 31. 503 Kamar, Does Shareholder Voting on Acquisitions Matter? (2011), S. 3, 30. 504 Kamar, Does Shareholder Voting on Acquisitions Matter? (2011), S. 31 („These findings do not mean that shareholder voting cannot discipline acquirers. Surely it can. But the possibility of shareholders voting down acquisitions must have been too remote to have had a measurable effect on acquisitions during my sample period.“). 505 Kamar, Does Shareholder Voting on Acquisitions Matter? (2011), S. 31. 498

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das Zustimmungserfordernis einer class 1 transaction nach den FCA Listing Rules durch anderweitige Strukturierung des Kaufpreises zu umgehen.506 In einer neuen Studie aus dem Jahr 2014, welche 2016 nochmals aktualisiert wurde, untersuchten Becht/Polo/Rossi die ökonomischen Auswirkungen des Zustimmungserfordernisses für class 1 transactions nach den FCA Listing Rules.507 Herangezogen wurden, nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, 50 % aller Akquisitionen (d. h. insgesamt 5.400 Transaktionen), welche zwischen 1992 und 2010 von Gesellschaften getätigt wurden, die an der London Stock Exchange (Main Market) notiert sind bzw. waren.508 Ausgeschlossen wurden dann Transaktionen mit einem Transaktionsvolumen von weniger als (i) USD 1 Mio. und (ii) 5 % der Marktkapitalisierung der Erwerberin, wodurch sich – nach weiteren Bereinigungen509 – ein Datensatz von 1.264 angekündigten Akquisitionen ergab, von denen 1.109 abgeschlossen wurden.510 Diese Studie unterstreicht noch deutlicher als die dargestellten Studien zum USRecht die positive ökonomische Wirkung des Zustimmungserfordernisses. Class 1 transactions hätten demnach im event window [–1, +1] und [–2, +2] zu wesentlich höheren announcement returns geführt als nicht zustimmungsbedürftige class 2 transactions.511 Class 1 transactions hätten, gemessen an den announcement returns im event window [–1, +1], insgesamt zu einer Wertsteigerung von USD 13,6 Mrd. für die Aktionäre der Erwerberinnen geführt, während class 2 transactions USD 3 Mrd. an Wert vernichtet hätten.512 Insbesondere hätten class 1 transactions, welche die Schwellen für die Zustimmungsbedürftigkeit nur leicht überschritten, zu wesentlich höheren announcement returns geführt als class 2 transactions, welche knapp unterhalb der Schwellen lagen.513 Daraus folgern die Autoren insgesamt, dass das Zustimmungserfordernis in den FCA Listing Rules514 dazu führt, dass die Gefahr reduziert wird, dass ein zu hoher Preis für die 506 Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016), S. 3 ff, 15. 507 Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016). 508 Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016), S. 14 f. 509 Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016), S. 14 f. 510 Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016), S. 14 f. 511 Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016), S. 17. 512 Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016), S. 18. 513 Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016), S. 20 f. 514 In der früheren Fassung der Studie aus dem Jahr 2014 fand sich zudem noch der Vergleich zu ähnlichen Akquisitionen in den USA. Hier wurde der Datensatz von Akquisitionen

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Akquisition bezahlt wird und dass Akquisitionen, die nicht im Interesse der Aktionäre liegen, überhaupt vorgeschlagen werden.515 Interessant ist ferner der Umstand, dass keine (!) der betrachteten zustimmungsbedürftigen Akquisitionen in England tatsächlich in der Hauptversammlung durch die Aktionäre abgelehnt wurde.516 Dies deutet auf den Umstand hin, dass ein ökonomischer Anreiz des Managements besteht, vor Ankündigung der Akquisition, die Koordination mit den größten Aktionären zu suchen bzw. jedenfalls zu versuchen, die Reaktion der Aktionäre abzuschätzen,517 und dass der Umstand, dass die Zustimmung eingeholt werden muss, dazu führt, dass für die Aktionäre nicht wünschenswerte Akquisitionen unterlassen und gar nicht zur Abstimmung gestellt werden.518 Außerdem wurde, was interessant mit Blick auf das Argument der möglichen Verzögerung der Transaktion durch die Einholung der Zustimmung ist, in 66 % der Fälle die Zustimmung innerhalb eines Monats nach Ankündigung der Transaktion erteilt.519 bb) Zusammenfassung und Bewertung Die Ergebnisse und Bewertungen der Studien von Hsieh/Wang und Hamermesh leuchten auf Basis der angestellten theoretischen Überlegungen grundsätzlich ein. Die Möglichkeit zur Umgehung des Zustimmungserfordernisses nach NASDAQ Listing Rule 5635 (a) bzw. NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c) legt es nahe, dass das Management solche Akquisitionen, die es als für die Aktionäre ökonomisch nicht wünschenswert einschätzt, so strukturiert, dass die Zustimmung der Aktionäre nicht eingeholt werden muss. Dies würde erklären, warum nicht zunach paralleler Methode wie der Datensatz in England ermittelt, wobei sich ein Datensatz von 10.824 Transaktionen ergab (Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2014), S. 27 ff.). In den Jahren 1992 bis 2010 hätten die Aktionäre der Erwerberinnen in England so durchschnittlich 8 Cent pro Dollar gewonnen, insgesamt USD 13,6 Mrd., während in derselben Zeit in den USA die Aktionäre der Erwerberinnen bei vergleichbaren Transaktionen, die freilich keinem (allgemeinen) Zustimmungserfordernis unterlagen (nicht ganz deutlich wurde hier, ob nicht auch manche Transaktionen den speziellen Zustimmungserfordernissen nach den NASDAQ Listing Rules und dem NYSE Listed Company Manual unterlegen haben könnten) insgesamt USD 210 Mrd. verloren hätten (Becht/Polo/ Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2014), S. 29). Dieser Abschnitt findet sich in der Fassung der Studie aus dem Jahr 2016 allerdings nicht mehr. 515 Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016), S. 6, 28. 516 Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016), S. 15, 28. 517 Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016), S. 28. 518 Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016), S. 16, 28. 519 Becht/Polo/Rossi, Does Mandatory Shareholder Voting Prevent Bad Acquisitions? (2016), S. 4.

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stimmungsbedürftige Transaktionen von ähnlichem wirtschaftlichen Umfang wie zustimmungsbedürftige Transaktionen negativere Auswirkungen, insbesondere auf den längerfristigen Börsenwert der Erwerberin und den return on assets, haben können und warum das gezahlte Kontrollpremium höher ist. Ebenfalls ist plausibel, dass bei einem größeren Anteil von institutionellen Investoren im Aktionariat mit einer intensiveren Überwachung gerechnet wird und daher in dieser Situation Transaktionen seltener vorgelegt werden. Diese Studien unterstützen damit die Argumentation, dass eigennützig motivierte Beteiligungserwerbe des Managements durch ein Zustimmungserfordernis reduziert werden können. Weiterhin legen die Studien nahe, dass die sonstigen Überwachungs- und Disziplinierungsmechanismen offenbar nicht zu einer vergleichbaren Wirkung führen wie ein Zustimmungserfordernis der Aktionäre. Auch wenn die jeweiligen Mechanismen aufgrund der Unterschiede des deutschen und US-amerikanischen Rechts, etwa im Bereich der board-Struktur und der Haftung des Managements, im Detail anders ausgestaltet sein mögen, so existierten auch in den untersuchten Fällen ohne Zustimmungserfordernis die dargestellten anderweitigen Überwachungs- und Disziplinierungsmechanismen.520 Nicht stimmig mit den theoretischen Betrachtungen sind allerdings auch nach der Studie von Hsieh/Wang die Ergebnisse hinsichtlich der announcement returns. Diese hätten der Theorie nach bei zustimmungsbedürftigen Transaktionen durchwegs positiver ausfallen müssen als bei nicht zustimmungsbedürftigen Transaktionen, was allerdings nicht der Fall war.521 Die hierfür möglichen Erklärungen sind indes mannigfaltig, insbesondere kommt auch eine Fehlbewertung durch den Kapitalmarkt in Betracht. Weniger überzeugend erscheinen die Vorgaben der Studie von Kamar, da hier verschiedene Zustimmungserfordernisse mit verschiedenen Mehrheitserfordernissen gleichzeitig betrachtet wurden, sodass nicht eindeutig beobachtet werden konnte, wie es sich ökonomisch auswirkt, wenn ein spezielles Zustimmungserfordernis umgangen wird. Außerdem wurden Akquisitionen gegen Barmittel nicht als Vergleichsgruppe herangezogen. Dies mindert offensichtlich die Aussagekraft der Studie. Indes kommt auch Kamar nicht zu einem gegenteiligen, sondern primär zu einem indifferenten Ergebnis. Damit unterstützen die dargestellten empirischen Studien aus den USA insgesamt in der Tendenz das zuvor bei modellhafter rechtsökonomischer Betrachtung gefundene Ergebnis. Ein völlig eindeutiges Ergebnis liefern sie indes freilich nicht. Die Studie von Becht/Polo/Rossi zum englischen Recht unterstreicht die theoretisch ermittelten Ergebnisse in empirischer Hinsicht deutlicher als die Studien aus den USA. Sowohl der Vergleich von zustimmungsbedürftigen class 1 transactions mit nicht zustimmungsbedürftigen class 2 transactions (als auch der Vergleich mit 520 521

Siehe hierzu nochmals unter B.II.1.b)aa)(2). Hsieh/Wang, Shareholder Voting Rights in Mergers and Acquisitions (2008), S. 22.

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vergleichbaren Transaktionen in den USA) ist systematisch stimmig und zeigt, dass bei zustimmungsbedürftigen Akquisitionen die announcement returns deutlich positiver ausfielen und die Akquisitionen damit zu einer Wertsteigerung für die Aktionäre der Erwerberin führten, während nicht zustimmungsbedürftige Transaktionen im Durchschnitt wertvernichtend waren. Zu beachten ist allerdings, dass langfristige Effekte nicht gemessen wurden. Die Studie deutet dennoch stark darauf hin, dass das Zustimmungserfordernis bei umfangreichen Akquisitionen in der Tat disziplinierende Wirkung auf das Vorstandshandeln entfalten und die Durchführung von ökonomisch wünschenswerten Beteiligungserwerben fördern kann. Was verbleibt, ist die Frage nach der Verwertbarkeit dieser empirischen Beobachtungen für die Betrachtung des deutschen Rechts. Auf die bereits angesprochenen Unterschiede der Aktionärsstruktur in deutschen Gesellschaften einerseits und USamerikanischen bzw. englischen Gesellschaften andererseits braucht hier nicht mehr vertieft eingegangen zu werden. Ebenso unterscheiden sich wie beschrieben die Kompetenzordnungen der Aktiengesellschaft einerseits und der corporation bzw. der public limited company andererseits maßgeblich.522 Damit lassen sich die empirisch beobachteten Effekte sicherlich nicht „maßstabsgetreu“ übertragen.523 Grundsätzlich liegt es allerdings dennoch nahe, dass die aus den empirischen Studien aus den USA und England gezogenen Erkenntnisse auch für umfangreiche Akquisitionen durch deutsche börsennotierte Gesellschaften ökonomischen Sinn ergeben. Da die Existenz eines Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb de lege lata in Deutschland umstritten ist, fehlt es aber freilich schon an der empirischen Basis für vergleichbare Studien in Deutschland. Die Betrachtung der US-amerikanischen Regelungen nach NASDAQ Listing Rule 5635 (a) bzw. NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c) und der englischen Regelungen in Chapter 10 der FCA Listing Rules und ihrer ökonomischen Auswirkungen mag somit als Beurteilungsgrundlage für das deutsche Recht nicht vollständig optimal sein, stellt jedenfalls aber die bestmögliche Quelle für empirische Betrachtungen dieser Art dar und liefert damit brauchbare Anhaltspunkte auch für das deutsche Recht. cc) Zwischenergebnis Damit sprechen sowohl die modellhafte rechtsökonomische Betrachtung als auch die empirische Betrachtung im Grundsatz dafür, dass ein (ungeschriebenes) Hauptversammlungserfordernis bei einem umfangreichen Beteiligungserwerb durch eine börsennotierte Gesellschaft ein geeignetes Instrumentarium darstellen kann, um eigennütziges und von Rationalitätsdefiziten geprägtes Vorstands- bzw. Managementhandeln zu disziplinieren und auf die Durchführung ökonomisch wünschenswerter Beteiligungserwerbe hinzuwirken. 522

Siehe nochmals Teil 2 A.II. (für Deutschland), Teil 3 A.I.1. (für Großbritannien) und Teil 3 A.II.1. (für die USA bzw. Delaware). 523 So auch im etwas anderen Kontext Fleischer, ZGR 2008, 185, 189; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft (2000), S. 464.

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d) Mögliche Kriterien eines Hauptversammlungserfordernisses bei rechtsökonomischer Betrachtung Geht man auf Basis der bisher gefundenen Ergebnisse von der grundsätzlichen ökonomischen Sinnhaftigkeit eines Hauptversammlungserfordernisses bei umfangreichen Beteiligungserwerben aus, so bedarf im nächsten Schritt allerdings noch die Frage der Untersuchung, wie die Anforderungen an ein solches Hauptversammlungserfordernis unter rechtsökonomischen Gesichtspunkten auszugestalten wären. aa) Materielle Voraussetzungen der Zustimmungsbedürftigkeit (1) Qualitative Anforderungen Im Lichte der angestellten rechtsökonomischen Betrachtung scheint das Kriterium des Mediatisierungseffekts als zwingende qualitative Voraussetzung für ein Zustimmungserfordernis nicht gerechtfertigt.524 Das Erfordernis des Mediatisierungseffekts bezweckt, wie herausgearbeitet, primär einen verbandsrechtlichen Schutz vor tiefen Eingriffen in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre, vermittelt hierdurch aber auch einen Präventivschutz vor späteren Vermögensbeeinträchtigungen.525 Nach der rechtsökonomischen Betrachtung bezweckt die Mitwirkung der Aktionäre hingegen eine Disziplinierung des Vorstandshandelns zur Gewährleistung des effizienten Einsatzes der Gesellschaftsmittel bei umfangreichen Maßnahmen, wobei sich diese Frage nicht nur bei einer Reduzierung mitgliedschaftlichen Einflusses durch hierarchische Vermögensverlagerung stellt, sondern etwa auch bei einem asset deal ohne hierarchische Dimension. Für den Beteiligungserwerb gegen Barmittel hat dieser Befund zunächst nur geringe Relevanz, da hier ein Mediatisierungseffekt nach hier vertretener Ansicht ohnehin eintritt.526 Einen Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin könnte man hingegen bei rechtsökonomischer Betrachtung nicht mehr aufgrund einer fehlenden Mediatisierungswirkung von der Zustimmungsbedürftigkeit ausnehmen.527 Es bleibt dann freilich das Spannungsverhältnis zu der schon gesellschaftsrechtlich erforderlichen Mitwirkung der Aktionäre bei der Schaffung der Anteile der Erwerberin (hierzu noch sogleich näher).528 Noch allgemeiner stellt sich daher die Frage, ob de lege ferenda eine Regelung wie diejenige bezüglich class 1 transactions in den FCA Listing Rules geschaffen werden sollte, welche eines qualitativen Kriteriums entbehrt und gerade alle Transak524 So auch Fleischer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2 (2007), S. 430, 461; ders., NJW 2004, 2335, 2336, der ebenfalls der rechtsökonomischen Betrachtung zuneigt. 525 Hierzu nochmals unter Teil 3 C.I.1.b)bb). 526 Hierzu nochmals unter Teil 3 C.I.3.b). 527 Hierzu nochmals unter Teil 3 D.II.2. 528 Hierzu nochmals unter Teil 3 D.IV.

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tionen erfasst, welche an die wirtschaftliche Grundlage des Investments der Aktionäre rühren und gewisse quantitative Schwellenwerte überschreiten.529 Maßnahmen mit Mediatisierungseffekt würden dann lediglich noch reflexartig erfasst. Eine derart umfassende Regelung, welche auch andere Fälle als den Beteiligungserwerb erfasst, erscheint nicht fernliegend, kann und soll allerdings aufgrund des begrenzten Untersuchungsprogramms dieser Arbeit nicht empfohlen werden. Betreffend den Beteiligungserwerb kann es als ausreichend erachtet werden, dass in qualitativer Hinsicht ein Beteiligungserwerb vorliegt. Einfacher gesagt würde das qualitative Kriterium damit nicht mehr „Maßnahme mit Mediatisierungseffekt“ sondern nur noch konkret „Beteiligungserwerb“ lauten. (2) Quantitative Anforderungen Bei der Bestimmung der quantitativen Anforderungen eine konkrete Prozentzahl für den Schwellenwert in den Raum zu stellen setzt sich freilich immer dem Vorwurf aus, diese sei eine eher zufällig „gegriffene Größe“.530 Der Blick auf die Holzmüller/ Gelatine-Rechtsprechung des BGH unterstreicht diesen Verdacht letztlich.531 Wären im Holzmüller-Fall nur 70 % der Aktiva verlagert worden, so würde der Schwellenwert heute höchstwahrscheinlich an dieser Stelle verortet. Der BGH rechtfertigt auch in Gelatine mithin nicht, warum ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis gerade erst bei Vorliegen eines quantitativen Schwellenwerts von 80 % in Betracht kommt, sondern verweist lediglich auf die Vergleichbarkeit mit Holzmüller, wobei das quantitative Erfordernis auch hier nicht konsequent entwickelt wurde.532 Im Gegenteil war hier nur vom „wertvollsten“ Unternehmensteil die Rede.533 Dass dieser 80 % des Aktivvermögens repräsentierte, ergab sich nicht einmal aus dem Holzmüller-Urteil selbst, sondern lediglich aus dem Urteil der Vorinstanz.534 Offensichtlich ist ferner auch, dass ein starrer Schwellenwert die Einzelfallgerechtigkeit mindert, gleichzeitig aber die Rechtssicherheit fördert.535 Indes wird man 529 Es geht, wie gesehen, in den FCA Listing Rules um Transaktionen, „that are outside of the ordinary course of business and change a shareholder’s economic interest in the assets and liabilities of the company“; siehe LR 10.1.4 G; siehe dazu auch Horton/Weston, in: A Practitioner’s Guide to the FCA Listing Regime 2015/2016, 28. Aufl. (2015), S. 330 f. 530 Ausführlicher zum Problem der „gegriffenen Größen“ Fleischer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II (2007), S. 71 ff. (auch zur aktienrechtlichen Spruchpraxis und insbes. zu ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernissen); allgemeiner Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht (2004), S. 242 ff.; grundlegend Haueisen, NJW 1973, 641. 531 Ähnlich Fleischer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II (2007), S. 71, 79 (es fehle eine „überzeugende Ableitungsbasis“). 532 Ähnlich Fleischer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II (2007), S. 71, 79. 533 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, et passim („Holzmüller“). 534 OLG Hamburg, Urt. v. 5. 9. 1980 – 11 U 1/80, ZIP 1980, 1000, 1005 (Seehafenbetrieb DM 33.332.000, nicht übertragene Aktiva DM 7.902.000). 535 Hierzu Larenz, Kennzeichen geglückter richterlicher Rechtsfortbildung (1965), S. 12; Wank, Die juristische Begriffsbildung (1985), S. 100.

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nicht um die Festlegung eines quantitativen Schwellenwerts umhinkommen. Die ursprünglich im Sozialrecht entwickelten Argumente, dass dies im Lichte der Rationalisierung, Typisierung und Berechenbarkeit notwendig sei,536 greifen ebenso im aktienrechtlichen Kontext. Dass ein quantitativer Schwellenwert in bestimmter Höhe aber nicht logisch bzw. rechtsökonomisch zwingend vorgegeben ist, zeigt der Blick auf die FCA Listing Rules.537 Der wesentlich niedrigere Schwellenwert von 25 % wird hier nicht erläutert sondern ebenfalls schlicht festgesetzt. Welche Eingriffsschwelle ist dann aber die „richtige“? Wann ist der Punkt erreicht, an dem das ökonomische Interesse des Aktionärs in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen538 bzw. der „Investmentkontrakt“ zwischen Anteilseignern und Gesellschaft539 sich derart maßgeblich verändert, dass eine Zustimmung erforderlich wird? Die rechtsökonomische Argumentation weist in die Richtung eines hohen Schwellenwerts, wie ihn der BGH annimmt. Eine Mitwirkung der Aktionäre macht demnach primär bei Maßnahmen von großer Tragweite ökonomischen Sinn, da vor allem hier die entscheidungstragenden Aktionäre potentiell stark von einem eigennützigen oder von Rationalitätsdefiziten geprägten Vorstandshandeln betroffen sind, sodass die potentiellen Auswirkungen die Teilnahme an der Überwachung des Vorstandshandelns und eine Informationsbeschaffung im Vorfeld rechtfertigen540 und die Kosten der Hauptversammlung im Verhältnis zum Volumen der Gesamttransaktion marginalisiert werden.541 Diese Argumente werden tendenziell weniger schlagkräftig, je geringer die quantitative Eingriffsschwelle gewählt wird. Der Schwellenwert der FCA Listing Rules von 25 %542 erscheint demnach tendenziell als (zu) niedrig. Damit spricht aus rechtsökonomischer Sicht nichts dagegen, die Höhe des Schwellenwerts bei 75 – 80 % zu belassen. Dies ist letztlich aber eine wertende Entscheidung, sodass auch andere plausible Schwellenwerte möglich erscheinen. Da es, anders als nach den Leitlinien der bisherigen BGH-Rechtsprechung, bei rechtsökonomischer Betrachtung qualitativ nicht (zwingend) auf den Mediatisierungseffekt ankommt, dürfte es damit auch quantitativ nicht mehr zwingend sein, als Bezugspunkt auf das durch den Beteiligungserwerb verlagerte Vermögen abzustellen.543 Vielmehr liegt es hier nahe, wie dies auch die FCA Listing Rules tun,544 die 536 Wannagat, Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung 1972, 153, 162, zitiert nach Fleischer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II (2007), S. 71, 73. 537 Ähnlich Fleischer, NJW 2004, 2335, 2339 („keine sachlich oder logisch zwingenden Lösungen“). 538 Siehe LR 10.1.4 G. 539 Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336. 540 Siehe nochmals unter B.II.1.a)cc). 541 Siehe nochmals unter B.II.1.b)bb)(4)(c). 542 Siehe nochmals unter A.I.2.a). 543 Siehe nochmals unter Teil 3 C.II.2.b). 544 Siehe nochmals unter A.I.2.a).

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Werte des Konzerns der Erwerberin mit den Werten des Konzerns der Zielgesellschaft zu vergleichen. Die relevanten Parameter des BGH – Bilanzsumme, Eigenkapital, Ergebnis vor Steuern und Umsatz545 – sind durchaus heranzuziehen, was auch der Blick auf den ähnlichen Kriterienkatalog der FCA Listing Rules bestätigt.546 Außerdem hat vor allem der betroffene Ertragswert Relevanz.547 Vergleichswert sollten auch weiterhin die Zahlen auf Konzernbasis bleiben.548 Weitere Auffangkriterien, die wiederum unabhängig von dem Vorliegen bestimmter quantitativer Faktoren auf unbestimmte Rechtsbegriffe wie eine fundamentale Veränderung der Unternehmensstruktur oder einen Kontrollwechsel abstellen, wie dies die Regelungen über den reverse takeover in LR 5.6.4 R (2) tun,549 sollten hingegen tendenziell vermieden werden. Hierdurch wird neue Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Auslegung dieser Begriffe geschaffen, wobei die relevanten Fälle sich meist ohnehin auch unter die allgemeine Regel subsumieren lassen dürften. bb) Entfallen der Zustimmungsbedürftigkeit Eine nachträgliche Neutralisierung, die zu einem Entfallen des Zustimmungserfordernisses führt, kommt bei rechtsökonomischer Betrachtung schon mangels Relevanz des Mediatisierungseffekts nicht mehr in Betracht, da nach den Leitlinien der Rechtsprechung des BGH gerade dieser Anknüpfungspunkt für die Zustimmungsbedürftigkeit und spiegelbildlich für die Neutralisierung ist.550 Hier zeigt sich deutlich das abweichende Konstrukt der bisherigen mediatisierungsgeprägten Anschauung der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse nach der Rechtsprechung des BGH und der rechtsökonomischen Betrachtung. Es geht bei der rechtsökonomischen Betrachtung mithin nicht darum, ob der Einfluss über Vermögen entzogen und wiederhergestellt wird, sondern um die Disziplinierung des Vorstandshandelns bei umfangreichen Entscheidungen betreffend den effizienten Einsatz eines (maßgeblichen) Teils der Gesellschaftsmittel durch eine Mitwirkung der Aktionäre. Ist eine solche Überwachung jedoch mangels Mitwirkung der Hauptversammlung nicht erfolgt und hat der Vorstand einen Beteiligungserwerb durchgeführt, der zu einem ökonomisch nicht wünschenswerten Einsatz der Gesellschaftsmittel führt, so entfällt der Zweck des Zustimmungserfordernisses auch dadurch nicht, dass es etwa zu einer nachträglichen Veräußerung der erworbenen

545 546 547 548 549 550

BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 48 („Gelatine I“). Siehe nochmals unter A.I.2.a). Siehe nochmals unter Teil 3 C.II.1.b)bb). Siehe nochmals unter Teil 3 C.II.1.d)bb) und Teil 3 C.II.2.b). Siehe nochmals unter A.I.3. Siehe nochmals unter Teil 3 F.

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Gesellschaft, einer Verschmelzung auf die Erwerberin oder dem Abschluss eines Unternehmensvertrags kommt.551 Konsequent weitergedacht gilt Gleiches für die Erteilung einer anderweitigen Zustimmung im Vorfeld beim Einsatz von Anteilen der Erwerberin als Gegenleistung. Auch die Gleichwertigkeit dieser Zustimmung basiert unter dem Konzept des Mediatisierungseffekts, freilich bei hilfsweiser Betrachtung,552 darauf, dass die Aktionäre bei einer Entscheidung über die Schaffung der Anteile der Erwerberin als Gegenleistung, insbesondere bei der Schaffung des genehmigten Kapitals unter Bezugsrechtsausschluss, ihren insofern – gegebenenfalls als relevant erachteten – Rechtsverlust bereits ausreichend beurteilen können und daher eine (zusätzliche) Zustimmung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen nicht erforderlich ist.553 Bei rechtsökonomischer Betrachtung kommt es hingegen auf die Überwachung des Vorstandshandelns betreffend den Erwerb einer spezifischen Beteiligung in seiner konkreten Ausgestaltung an. Eine solche Überwachung läge allenfalls bei der ordentlichen Kapitalerhöhung oder beim bedingten Kapital vor, das heißt, wenn die Aktionäre mit dem konkreten Beteiligungserwerb befasst werden. Obwohl oder gerade weil die Zustimmung beim genehmigten Kapital aber bereits vorab abstrakt erteilt wurde, besteht hier die Gefahr des eigennützig motivierten Vorstandshandelns, der mit der vorab abstrakt erteilten Zustimmung nicht begegnet werden kann. cc) Prozessuale Aspekte (1) Informationspflichten Betreffend die Informationspflichten wäre daran festzuhalten, dass der Vorstand die Aktionäre vor dem in Rede stehenden Beteiligungserwerb so umfassend informieren muss, dass eine angemessene Informationsgrundlage für ihre Entscheidung besteht. Dies verursacht zwar Kosten; allerdings dürften sich die Kosten im Vergleich zum Volumen der in Rede stehenden Transaktion als verhältnismäßig gering darstellen. Außerdem muss der Vorstand ohnehin eine ausführliche tatsächliche und wirtschaftliche Prüfung des Sachverhalts vornehmen, um den Beteiligungserwerb selbst angemessen beurteilen zu können. In der Sache sollte grundsätzlich an den bestehenden Instrumenten festgehalten werden, also insbesondere an einer Bekanntgabe des Beschlussgegenstands in der Tagesordnung, der Unterbreitung eines Beschlussvorschlags und insbesondere einer Berichts- und Auslegungspflicht.554 Im Rahmen eines Vorstandsberichts müssten insbesondere die strategischen Beweggründe für den Beteiligungserwerb und die Preisfindung sowie die voraussichtlichen ökonomischen Auswirkungen beschrieben 551 552 553 554

Siehe hierzu nochmals unter Teil 3 F. Siehe nochmals unter Teil 3 D.IV. Siehe nochmals unter Teil 3 D.IV. Siehe nochmals unter Teil 3 D.IV.1.a).

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werden. Auch nach den FCA Listing Rules muss die Gesellschaft, wie gesehen, ein ausführliches explanatory circular erstellen, welches den Aktionären die Transaktion erläutert und muss ihnen dieses vor der Entscheidung zur Verfügung stellen. Es sollte aber die Möglichkeit der Geheimhaltung sensibler Informationen durch die Gesellschaft bestehen, soweit die Aktionäre diese nicht benötigen, um eine informierte Entscheidung über den Beteiligungserwerb zu treffen. (2) Mehrheitserfordernis Zu überdenken ist ferner, ob rechtsökonomisch ein höheres Mehrheitserfordernis, wie die Dreiviertelmehrheit nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen oder ein niedrigeres Mehrheitserfordernis, namentlich einfache Mehrheit, wie nach den FCA Listing Rules, den NASDAQ Listing Rules und dem NYSE Listed Company Manual, sinnvoll erscheint. Das Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit führt allgemein zu einem erhöhten Einfluss der dissentierenden Aktionäre, welche den Beteiligungserwerb verhindern wollen, da hierdurch die notwendige Sperrminorität einfacher zu erreichen und umgekehrt der Zustimmungsbeschluss schwieriger zu fassen ist. Finanzinvestoren mit kleineren Beteiligungsquoten und Anlegeraktionäre werden aufgrund der durchschnittlichen Aktionärsstruktur in Deutschland555 allerdings meist auch insgesamt nicht über ausreichendes Stimmgewicht und überdies nach der bisherigen Betrachtung auch nicht über die entsprechenden Präferenzen zur gemeinsamen Koordination verfügen,556 um eine Sperrminorität von 25 % zu erreichen. Bei einem höheren Mehrheitserfordernis könnten insbesondere Aktionäre mit großen Beteiligungsquoten den Beteiligungserwerb leichter verhindern; dies kann aus ökonomisch wünschenswerten Gründen geschehen, möglicherweise können so aber auch ökonomisch wünschenswerte Beteiligungserwerbe aufgrund Partikualinteressen verhindert werden. Ein niedrigeres Mehrheitserfordernis würde hingegen einerseits dazu führen, dass der Zustimmungsbeschluss leichter zu fassen wäre und dass es auch andererseits für Aktionäre mit großen Beteiligungsquoten schwieriger wäre, gegen eine Entscheidung (gegebenenfalls aufgrund von ökonomisch nicht wünschenswerten Partikularinteressen) zu opponieren. Umgekehrt wäre es allerdings für Aktionäre mit großen Beteiligungsquoten auch leichter, einem ökonomisch nicht wünschenswerten Beteiligungserwerb zur Durchsetzung zu verhelfen. Tendenziell dürfte eher selten ein Interesse daran bestehen, einen ökonomisch wünschenswerten Beteiligungserwerb zu verhindern. Im Übrigen wäre die Folge hier auch „nur“, dass die Mittel anderweitig investiert werden müssten und könnten. In dem anderen Fall der Durchführung eines ökonomisch nicht wünschenswerten Beteiligungserwerbs aufgrund einzelner Partikularinteressen käme es hingegen zu 555 556

Siehe nochmals unter Teil 4 B.II.1.a)bb)(3). Siehe nochmals unter Teil 4 B.II.1.a)cc).

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einer Wertvernichtung für die Aktionäre und es bestünde zunächst557 keine anderweitige Einsatzmöglichkeit für die investierten Mittel, sodass dieser Fall sich als problematischer darstellen dürfte. Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass das Mehrheitserfordernis rechtsökonomisch nicht zwingend vorgegeben ist. Dennoch sprechen gute Argumente dafür, an dem Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit festzuhalten. (3) Anfechtbarkeit Da die missbräuchliche Anfechtung von Zustimmungsbeschlüssen die Gefahr mit sich bringt, dass ökonomisch wünschenswerte Beteiligungserwerbe verzögert oder gar verhindert werden, wäre auch unter diesem Gesichtspunkt eine weitere Reformierung des Anfechtungsrechts begrüßenswert.558 Eine Lösung könnte, wie von J. Vetter vorgeschlagen,559 darin bestehen, die Wertung des § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG heranzuziehen und dem Vorstand im Rahmen seiner Ermessensentscheidung zu erlauben, den Beteiligungserwerb trotz erhobener Anfechtungsklage zu vollziehen, wenn nicht ausnahmsweise das wirtschaftliche Suspensivinteresse der klagenden Aktionäre überwiegt oder ein Fall der besonders schweren Rechtsverletzung vorliegt. Eine richterrechtliche oder gesetzgeberische Festschreibung dieser Grundsätze wäre freilich wünschenswert. dd) Zusammenfassung und Stellungnahme Trotz der abweichenden Zielsetzung der rechtsökonomischen Betrachtung, namentlich einer angemessenen Disziplinierung des Vorstandshandelns bei umfangreichen Beteiligungserwerben zur Gewährleistung eines effizienten Einsatzes der Gesellschaftsmittel, können die bei der Analyse de lege lata anhand der Leitlinien der Rechtsprechung des BGH erarbeiteten materiellen und prozessualen Kriterien für ein Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb durchaus in relevanten Teilen beibehalten werden. Quantitativ kann der Schwellenwert von 75 – 80 % beibehalten werden. Als Bezugspunkt liegt es indes hier nahe, die Werte des Konzerns der Erwerberin mit den Werten des Konzerns der Zielgesellschaft zu vergleichen. Als relevante Parameter können Bilanzsumme, Eigenkapital, Ergebnis vor Steuern und Umsatz sowie der Ertragswert herangezogen werden. Auch die Informationspflichten gegenüber den Aktionären im Vorfeld sollten beibehalten werden. Hierbei sollte insbesondere ein Vorstandsbericht erforderlich 557

Möglich bliebe freilich eine Veräußerung der erworbenen Beteiligung und eine anschließende erneute Investition der Mittel. 558 Zum Reformbedarf etwa ausführlich Fleischer, AG 2012, 765; Baums/Drinhausen, ZIP 2008, 145. 559 Siehe nochmals die Nachweise unter B.II.1.b)bb)(4)(d)(bb).

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sein, der die Gründe für den Beteiligungserwerb und die Preisfindung sowie die voraussichtlichen ökonomischen Auswirkungen beschreibt. Ebenso erscheint es rechtsökonomisch durchaus sinnvoll, am Erfordernis der Dreiviertelmehrheit festzuhalten. Aufgrund der anderweitigen Zielsetzung der rechtsökonomischen Betrachtung gegenüber der Konzeption des BGH entfiele neben dem Erfordernis des Mediatisierungseffekts auch die Thematik von neutralisierenden Maßnahmen. Insgesamt kann sich daraus, eine sachgerechte Ausgestaltung im Detail vorausgesetzt, ein Prüfungsmaßstab mit hohen aber klaren Anforderungen ergeben, was zu einer rechtssicheren Handhabung des Zustimmungserfordernisses beiträgt. Die einzelnen Voraussetzungen eines Hauptversammlungserfordernisses sind dabei, wie in der vorstehenden Erörterung angesprochen, rechtsökonomisch jeweils nicht zwingend vorgegeben. Entscheidend ist es somit vor allem, ein stimmiges Gesamtkonzept zu schaffen. 2. Beteiligungserwerb durch nicht börsennotierte Aktiengesellschaft Der Gesetzgeber des Aktiengesetzes 1965 hatte als Leitbild der Aktiengesellschaft die börsennotierte Publikumsgesellschaft vor Augen.560 Dennoch finden, abgesehen von den zwischenzeitlich eingeführten Sonderregelungen für die nicht börsennotierte Gesellschaft i.S.d. § 3 Abs. 2 AktG, welche hauptsächlich formale Erleichterungen enthalten,561 die Regelungen des Aktiengesetzes allgemein ohne Differenzierung nach der Börsennotierung Anwendung. Aufgrund von § 23 Abs. 5 AktG ist eine abweichende Ausgestaltung der Kompetenzordnung der nicht börsennotierten Aktiengesellschaft freilich nicht möglich. Auch bei den ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernissen wird in der Rechtsprechung des BGH nicht danach differenziert ob die Aktiengesellschaft börsennotiert ist oder nicht. Bei der nicht börsennotierten Gesellschaft i.S.d. § 3 Abs. 2 AktG können nochmals zwei weitere Unterformen unterschieden werden. So kann die kapitalmarktorientierte Gesellschaft, die zwar nicht börsennotiert i.S.d. § 3 Abs. 2 AktG ist, deren Anteile aber dennoch im Freiverkehr gehandelt werden,562 von der kapitalmarkt-

560 Seibert, in: Handbuch der kleinen AG, 5. Aufl. (2008), Teil 1, Rn. 1.9; Friedwald, Die personalistische Aktiengesellschaft (1991), S. 3. 561 Zum Überblick siehe Heider, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 3 Rn. 43; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 3 Rn. 5; Marsch-Barner, in: Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. (2014), § 1 Rn. 3, insbes. Fn. 1; Seibert, in: Handbuch der kleinen AG, 5. Aufl. (2008), Teil 1, Rn. 1.23. 562 Hierzu etwa Heider, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), § 3 Rn. 38; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 3 Rn. 6; Marsch-Barner, in: Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. (2014), § 1 Rn. 6.

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fernen Gesellschaft unterschieden werden.563 Bei Letzterer handelt es sich üblicherweise um eine „kleine“ bzw. „geschlossene“ Aktiengesellschaft, welche freilich kein eigenständiger Rechtstypus und auch begrifflich nicht im Gesetz verankert ist,564 sondern vielmehr faktisch dadurch gekennzeichnet wird, dass sie über einen kleinen Gesellschafterkreis und typischerweise über vinkulierte Namensaktien nach § 68 Abs. 2 AktG verfügt.565 Ferner sind typischerweise die Gesellschafter an der Verwaltung beteiligt.566 Nicht notwendigerweise handelt es sich hingegen den wirtschaftlichen Parametern nach um eine kleine Gesellschaft.567 a) Beteiligungsstruktur der nicht börsennotierten Aktiengesellschaften in Deutschland Über die Beteiligungsstruktur der nicht börsennotierten Aktiengesellschaften bestehen, soweit ersichtlich, keine vergleichbaren statistischen Erhebungen wie über die Beteiligungsstruktur der börsennotierten Aktiengesellschaften. Klar ist jedoch, dass die nicht börsennotierten Gesellschaften ihrer Anzahl nach weit überwiegen. Nach den Zahlen des DAI waren von den 12.552 Gesellschaften des Jahres 2011 mithin 11.879 nicht börsennotiert,568 was einer Quote von 94,64 % entspricht. Die in den Freiverkehr einbezogenen Gesellschaften machen hiervon wiederum nur einen geringen Anteil aus. So wurden im Jahr 2011 die Aktien von nur 443 Gesellschaften im Freiverkehr gehandelt.569 Insofern trifft die Aussage zu, dass die nicht börsennotierte Aktiengesellschaft sich rechtstatsächlich stark mit der „kleinen AG“ überschneidet.570 Maßgeblich ist also insbesondere die Frage, ob die bisher gefundenen Ergebnisse sich auch auf letztere übertragen lassen. 563 Vgl. Seibert, in: Handbuch der kleinen AG, 5. Aufl. (2008), Teil 1, Rn. 1.6 („Sie [scil.: die ,kleine AG‘] wird daher auch als ,private‘, ,personalistische‘, als ,geschlossene‘, ,nicht börsennotierte‘, als ,börsenferne‘ oder ,kapitalmarktferne‘ AG bezeichnet.“). 564 Seibert, in: Handbuch der kleinen AG, 5. Aufl. (2008), Teil 1, Rn. 1.3, 1.8; Hölters/ Buchta, in: Die kleine Aktiengesellschaft, 2. Aufl. (2002), S. 1; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), Einl. Rn. 4; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 3 Rn. 6. 565 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), Einl. Rn. 4; Fleischer, ZGR 2001, 1, 17; Bayer, in: Verhandlungen des 67. DJT, Bd. 1 (2008), Gutachten E, E 95; Friedwald, Die personalistische Aktiengesellschaft (1991), S. 15; allgemeiner zur „geschlossenen Kapitalgesellschaft“ Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, ZGR-Sonderheft 18 (2012), S. 5. 566 Friedwald, Die personalistische Aktiengesellschaft (1991), S. 17. 567 Hölters/Buchta, in: Die kleine Aktiengesellschaft, 2. Aufl. (2002), S. 1. 568 DAI-Factbook, Stand: Oktober 2011, Abschnitt 01-1 (Stand der Gesamtzahl vom August 2011) und Abschnitt 02-3-a (Stand der börsennotierten Gesellschaften vom September 2011). 569 DAI-Factbook, Stand: 5. 4. 2013, Abschnitt 02-1-1-2. 570 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. (2016), Einl. Rn. 4; Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 3 Rn. 6.

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b) Präferenzen und Handlungsoptionen der beteiligten Akteure Insgesamt ist für die „kleine AG“ eine stärkere Dominanz einzelner Aktionäre kennzeichnend; die Gesellschaft weist typischerweise eine personalistische Prägung auf.571 Denkbar sind hier insbesondere Konzerngesellschaften, Familien-AGs, Mitunternehmer-AGs und Einmann-AGs.572 Das Aktionariat besteht somit hauptsächlich aus strategischen Investoren, wohingegen Anlegeraktionäre aufgrund der geringeren Fungibilität der Anteile seltener anzutreffen sind.573 Auch wenn Private Equity Investoren durchaus in nicht börsennotierte Gesellschaften investieren,574 wird die Präsenz von Finanzinvestoren im Durchschnitt ebenfalls geringer sein als bei börsennotierten Gesellschaften. Somit verschiebt sich im Vergleich zur börsennotierten Publikumsgesellschaft die wirtschaftliche Macht zu Gunsten eines stärkeren Aktionärseinflusses und zu Lasten der Verwaltung, da der Aktionär noch näher an der Geschäftsführung (und gegebenenfalls sogar selbst im Vorstand) ist und schon faktisch mehr Einfluss auf den Vorstand nehmen kann als bei der börsennotierten Gesellschaft.575 Es entschärft sich somit der Konflikt der Trennung von Eigentum und Kontrolle.576 Die Überwachungs-, Informations- und Koordinationskosten in Gesellschaften mit kleinem Gesellschafterkreis sind mithin niedriger als bei größeren börsennotierten Gesellschaften.577 Dies könnte die ökonomische Sinnhaftigkeit eines Hauptversammlungserfordernisses bei umfangreichen Beteiligungserwerben in Frage stellen, welche nach der dargelegten rechtsökonomischen Argumentation gerade auf der Notwendigkeit einer (auch formalen) Disziplinierung des Vorstandshandelns basiert.578 Damit stellt sich die Frage der Entbehrlichkeit eines Hauptversammlungserfordernisses bei der „kleinen AG“ also in schärferer Form als in der börsennotierten und der kapitalmarktnahen Aktiengesellschaft.

571 Friedwald, Die personalistische Aktiengesellschaft (1991), S. 4; Seibert, in: Handbuch der kleinen AG, 5. Aufl. (2008), Teil 1, Rn. 1.4, 1.6. 572 Friedwald, Die personalistische Aktiengesellschaft (1991), S. 10 f.; ähnlich Bachmann/ Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, ZGR-Sonderheft 18 (2012), S. 6. 573 Bayer, in: Verhandlungen des 67. DJT, Bd. 1 (2008), Gutachten E, E 101 f. 574 Siehe nochmals unter B.II.1.a)bb)(2)(c)(bb). 575 Seibert, in: Handbuch der kleinen AG, 5. Aufl. (2008), Teil 1, Rn. 1.39; Bachmann/ Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, ZGR-Sonderheft 18 (2012), S. 7; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. (1988), § 76 Rn. 51. 576 Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, ZGR-Sonderheft 18 (2012), S. 7, 75; Seibert, in: Handbuch der kleinen AG, 5. Aufl. (2008), Teil 1, Rn. 1.38 f. 577 Klöhn, ZGR 2008, 110, 151; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 229; Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, ZGR-Sonderheft 18 (2012), S. 5. 578 Siehe nochmals unter B.II.1.b)bb).

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Allerdings finden sich auch hier starke Argumente, die für ein solches Erfordernis streiten. Bei einem Aktionariat mit einem kleineren Aktionärskreis mit guter Informationslage und mit wenigen (oder keinen) Anlegeraktionären und Finanzinvestoren, haben die Aktionäre naturgemäß ein noch stärker ausgeprägtes Interesse und im Übrigen auch die notwenige Expertise, um an der Disziplinierung des Vorstandshandelns mitzuwirken.579 Aufgrund der regelmäßigen Vinkulierung der Aktien und bei Fehlen eines liquiden Markts ist zudem die Möglichkeit eines exit noch stärker beschränkt580 als dies aufgrund der faktischen Beschränkungen der strategischen Investoren und Finanzinvestoren mit größeren Beteiligungsquoten in der börsennotierten Gesellschaft der Fall ist.581 Dies verstärkt den Anreiz, auf die Geschäftsführung des Vorstands disziplinierenden Einfluss zu nehmen.582 Weiterhin sprechen die bereits genannten Argumente dagegen, die Rechte der Aktionäre auf die Ausübung nur faktischen Einflusses auf den Vorstand zu beschränken, allen voran die Einzelfallabhängigkeit und die schwierige Durchsetzbarkeit.583 Insbesondere kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Vorstand, welcher die Gesellschaft nach § 76 Abs. 1 AktG unter eigener Verantwortung leitet, ohnehin immer im Interesse der Mehrheit handeln wird.584 Gerade weil ein Beteiligungserwerb des in Rede stehenden Ausmaßes im Leben der Gesellschaft ein seltenes oder einmaliges Ereignis darstellt und potentiell weitreichende Auswirkungen für die Aktionäre nach sich zieht, macht eine formale Mitwirkung der Aktionäre aus rechtsökonomischer Sicht Sinn. Auch greift der kapitalmarktrechtliche Überwachungsmechanismus (market for corporate control)585 bei der „kleinen“, nicht börsennotierten AG naturgemäß nicht ein.586 Im Übrigen erwächst durch die Verflechtung von Eigentum und Geschäftsführung in der „kleinen AG“ auch gerade die Gefahr, dass ein dominanter Aktionär durch seine starke Einflussmöglichkeit auf die Verwaltungsorgane ökonomisch nicht wünschenswerten Partikularinteressen zu Lasten der übrigen Aktionäre zur 579 Siehe Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 701 (allgemein zum Mehrheitsaktionär); ähnlich auch Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 170 f. (Aktionärsbild entspreche hier eher dem Leitbild als wirtschaftlicher Eigentümer). 580 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 230, 233; Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, ZGR-Sonderheft 18 (2012), S. 7. 581 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 230. 582 Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, ZGR-Sonderheft 18 (2012), S. 5. 583 Siehe nochmals unter B.II.1.b)aa)(2)(b). 584 Vgl. aber Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. (1988), § 76 Rn. 51 („In Gesellschaften mit einem engen Aktionärskreis braucht die Mehrheit eine Beschlußkompetenz der Hauptversammlung in derartigen Fällen nicht; denn der Vorstand wird nicht ohne ihr Einverständnis handeln […]“). 585 Siehe nochmals unter B.II.1.b)aa)(3)(a). 586 Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, ZGR-Sonderheft 18 (2012), S. 7 f.; Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 231.

B. Rechtsökonomische Analyse

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Durchsetzung verhilft.587 Für Letztere fehlt es mangels Fungibilität der Aktien an einer einfachen exit-Möglichkeit.588 Der Mehrheitsaktionär kann hier also umgekehrt teilweise gerade „zu nah“ an der Geschäftsführung sein,589 insbesondere wenn er auch selbst Teil der Letzteren ist.590 Insofern kann das (ungeschriebene) Hauptversammlungserfordernis hier auch dazu dienen, eigennütziges bzw. an ökonomisch nicht wünschenswerten Partikularinteressen eines dominierenden Aktionärs orientiertes Vorstandshandeln zu disziplinieren und eine weitreichende Maßnahme wie einen Beteiligungserwerb großen Umfangs an den Willen aller entscheidungstragenden Aktionäre rückzukoppeln. Auch scheint demgegenüber das Argument wenig überzeugend, das Hauptversammlungserfordernis sei für die Minderheit nutzlos, da Vorstand und Mehrheit ohnehin „an einem Strang ziehen werden.“591 Solange nicht ein Aktionär eine satzungsändernde Mehrheit inne hat, wird es namentlich aufgrund der notwendigen Dreiviertelmehrheit592 erforderlich sein, ein Einvernehmen auch mit den sonstigen entscheidungstragenden Aktionären herzustellen. Gerade auch die Möglichkeit der erleichterten Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung und die überschaubaren Kosten aufgrund der geringen Teilnehmerzahl entkräften weitere denkbare Gegenargumente.593 Auch wird die bei Bestehen des Hauptversammlungserfordernisses gegebenenfalls ökonomisch wünschenswerte Koordination des Vorstands mit den entscheidungstragenden Aktionären im Vorfeld594 dadurch erleichtert, dass auf die „kleine AG“, deren Anteile nicht im regulierten Markt oder im Freiverkehr gehandelt werden, das Verbot von Insidergeschäften und die ad-hoc-Publizitätspflicht keine Anwendung finden.595 587 Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, ZGR-Sonderheft 18 (2012), S. 7; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2012), S. 701 (allgemein zum Mehrheitsaktionär). 588 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 230, 233; Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, ZGR-Sonderheft 18 (2012), S. 7. 589 So auch Seibert, in: Handbuch der kleinen AG, 5. Aufl. (2008), Teil 1, Rn. 1.47 (speziell in Bezug auf Unternehmen in öffentlicher Hand). 590 Vgl. Friedwald, Die personalistische Aktiengesellschaft (1991), S. 17. 591 Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. (1988), § 76 Rn. 51. 592 Zum Schutz durch erhöhte Mehrheitserfordernisse Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law (1991), S. 233; Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, ZGR-Sonderheft 18 (2012), S. 38. 593 Siehe nochmals unter B.II.1.b)bb)(4)(c). 594 Siehe hierzu nochmals unter B.II.1.b)bb)(1)(b). 595 Erfasst vom Verbot von Insidergeschäften nach § 14 WpHG wird die kapitalmarktorientierte AG, deren Anteile im Freiverkehr gehandelt werden (siehe § 12 S. 1 Nr. 1 WpHG). Gleiches gilt künftig auch für das Verbot von Insidergeschäften nach Artikel 14 der Marktsmissbrauchsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission), der am 3. Juli 2016 in Kraft tritt. Weiterhin wird durch die Marktmissbrauchsverordnung, unter anderem, auch die ad-hoc-Publizitätspflicht (Artikel 15 Marktmissbrauchsverordnung) auf Emittenten ausge-

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Teil 4: Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb de lege ferenda

Damit ist insgesamt ein Hauptversammlungserfordernis bei umfangreichen Beteiligungserwerben unter rechtsökonomischen Gesichtspunkten auch bei der nicht börsennotierten, „kleinen Aktiengesellschaft“ als grundsätzlich sinnvoll einzuschätzen.596

III. Ergebnis Die rechtsökonomische Analyse spricht somit grundsätzlich dafür, dass ein (ungeschriebenes) Hauptversammlungserfordernis bei umfangreichen Beteiligungserwerben sowohl in börsennotierten als auch in nicht börsennotierten Aktiengesellschaften ein sinnvolles Instrument zur Disziplinierung des Vorstandshandelns darstellt und damit geeignet ist, auf die Durchführung von ökonomisch wünschenswerten Beteiligungserwerben hinzuwirken.

weitet, deren Anteile im Freiverkehr gehandelt werden, es sei denn, die Einbeziehung erfolgt ohne die Zustimmung des Emittenten. 596 So im Ergebnis auch Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (2009), S. 170 f. (wobei Staake freilich keine konsequent rechtsökonomisch orientierte Betrachtung durchführt).

Teil 5

Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung A. Zusammenfassung der Ergebnisse I. Zu Teil 2 1. Der Beteiligungserwerb im Kontext der Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft a) Die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft in ihrer aktuellen Form ist das Ergebnis einer Entwicklung über die vergangenen vier Jahrhunderte, wobei die deutsche Gesetzgebung hierzu sich erst in den letzten 150 Jahren entwickelt hat und es etwa ab diesem Zeitpunkt auch vermehrt zum Erwerb von Beteiligungen an anderen Gesellschaften kam. Die gesetzliche Fixierung der Kompetenzordnung erfolgte schrittweise bis hin zu der gesetzlich zwingend ausgestalteten Kompetenzordnung des Aktiengesetzes 1937, die noch heute prägenden Charakter hat. b) Einen Tatbestand, der eine Leitungsmaßnahme im Allgemeinen und einen Beteiligungserwerb im Speziellen aufgrund des Umfangs oder der weitreichenden Auswirkungen auf die Rechte der Aktionäre für zustimmungsbedürftig durch die Hauptversammlung erklärt, kennt das deutsche Aktienrecht nicht. In Abwägung zwischen den Interessen der Aktionäre einerseits, deren Einfluss als „wirtschaftliche Eigentümer“ des Unternehmens angemessen gewahrt werden muss, und dem Interesse an einer dem Wirtschaftsverkehr angemessenen, sachkundigen und entschlussfähigen Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand andererseits, ist ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb dann geboten, wenn dies zu einer sinnvollen Ergänzung der bestehenden Kompetenzordnung führt, ohne diese jedoch grundsätzlich zu verändern oder umzugestalten. 2. Leitlinien der Entwicklung der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse a) Der BGH hat in seinen Leitentscheidungen Holzmüller, Gelatine, Macrotron, Stuttgarter Hofbräu und Frosta das Recht der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse im Verlauf der letzten 30 Jahre immer wieder entscheidend ge-

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Teil 5: Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung

prägt und fortentwickelt, sodass jedenfalls die Kernpunkte der Holzmüller-Rechtsprechung zwischenzeitlich als geklärt betrachtet werden können. b) Bei der Bestimmung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen operiert der BGH auf zwei verschiedenen Abstraktionsebenen, indem er der Prüfung zunächst obersatzartig den abstrakten Prüfungsmaßstab voranstellt, um diesen dann auf zweiter Ebene in qualitative und quantitative Elemente zu zergliedern. In welchen Fällen außer den bisher entschiedenen ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis noch in Betracht kommt, hat der BGH bisher ausdrücklich offen gelassen. 3. Der Beteiligungserwerb der Commerzbank an der Dresdner Bank a) Vor dem Fall Commerzbank/Dresdner Bank fehlte es noch an einer ausdifferenzierten Beschäftigung mit der Problematik des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb in der Rechtsprechung und Literatur. Dem Meinungsstand in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur konnte keine eindeutige Tendenz hinsichtlich der Existenz eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb und auch kein belastbarer Prüfungsmaßstab entnommen werden. b) Weder das Urteil des LG Frankfurt a.M., noch das Urteil des OLG Frankfurt a.M. im Fall Commerzbank/Dresdner Bank vermögen vollständig zu überzeugen. Das LG Frankfurt a.M. bejahte ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis im Wege einer wertenden Einzelfallbetrachtung, ohne an bestimmte quantitative Parameter anzuknüpfen und ohne sich ausführlich mit der Rechtsprechung des BGH auseinanderzusetzen. Auch das OLG Frankfurt a.M. setzte sich in dem entscheidungstragenden Punkt der Wirkung einer Konzernöffnungsklausel in Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH. Ferner überzeugen auch die hilfsweise gemachten Ausführungen zu den qualitativen und quantitativen Anforderungen an ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis beim Beteiligungserwerb nicht. c) Der BGH hat in seinem Nichtannahmebeschluss im Fall Commerzbank/ Dresdner Bank das Problem des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb zwar ausdrücklich als „umstritten und nicht geklärt“ angesprochen, hat sich jedoch in der Sache offenbar bewusst nicht positioniert und hat die Frage damit einstweilen der Literatur und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung zur Beantwortung übertragen.

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

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II. Zu Teil 3 1. Methodisches Vorgehen a) Dass der Gesetzgeber die Beantwortung der Frage, in welchen Konstellationen ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis gegeben sein kann, grundsätzlich der Rechtsprechung überantwortet hat, ergibt sich schon daraus, dass – obwohl gemeinhin von einer Anschauungslücke des historischen Gesetzgebers ausgegangen wird und obwohl die Problematik der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse bereits seit mehr als 30 Jahren bekannt ist – der Gesetzgeber auf diesem Gebiet bewusst untätig geblieben ist. b) Nimmt man methodisch an, dass jeder gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung gleichzeitig die konkludente Aussage innewohnt, dass diese gerechtfertigt sei und dass nach ihr künftig gleichartig gelagerte Fälle entschieden werden, so fragt sich, ob und wie die Leitlinien der bisherigen Rechtsprechung des BGH auf die Konstellation des Beteiligungserwerbs zu übertragen sind. 2. Ausschluss der Problematik durch Verwendung einer Konzernöffnungsklausel Eine allgemeine Konzernöffnungsklausel in der Satzung der Gesellschaft ist nicht geeignet, die Problematik eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses auszuschließen. Dies käme einem statutarischen Verzicht auf den Schutz durch ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis gleich, der nach ganz herrschender Auffassung nicht möglich ist, da die ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse einen Teil der zwingenden Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft darstellen. Dies überzeugt auch in der Sache, da die Aktionäre durch eine allgemeine Konzernöffnungsklausel insbesondere keine hinreichend konkrete Zustimmung hinsichtlich der qualitativen und quantitativen Beeinträchtigung ihrer Rechte im Einzelfall erteilt haben. 3. Beteiligungserwerb gegen Barmittel a) Die Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung bezweckt primär einen verbandsrechtlichen Schutz vor tiefen Eingriffen in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre durch an sich autonome Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands, führt hierdurch aber auch „auf zweiter Stufe“ zu einem Präventivschutz vor späteren Vermögensbeeinträchtigungen der Aktionäre. Sowohl dieser Schutzzweck als auch die Entwicklung der Rechtsprechung des BGH deuten stark darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BGH gerade der Mediatisierungseffekt das einzige qualitative Kriterium ist, welches ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis zu rechtfertigen im Stande ist.

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Teil 5: Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung

b) Es sprechen die besseren Argumente dafür, dass ein Mediatisierungseffekt auch bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel eintreten kann. Entscheidend ist bei Anwendung der Leitlinien des bisherigen Rechtsprechung des BGH insbesondere, dass auch bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel Ertragspotential hierarchisch in die Beteiligung verlagert wird und der Vorstand den Aktionären damit die Möglichkeit nimmt, das Risiko des Verlusts und die Verwendung der Erträge der verlagerten Mittel zu beeinflussen, indem er das Ertragspotential künftig auf Ebene der Beteiligungsgesellschaft realisiert. Die Gegenansicht, welche nur „unternehmerische Aktivität“ bzw. „unternehmerische Substanz“ für mediatisierungsfähig hält vermag auf Basis der Leitlinien der bisherigen BGH-Rechtsprechung nicht zu überzeugen. c) Eine Mediatisierung kann sich demnach auch dann ergeben, wenn die Beteiligung mit fremdfinanzierten Mitteln erworben wird. Denn die durch die Finanzierung zur Verfügung gestellten Mittel werden auch hier in die Beteiligung verlagert, während die Gesellschaft mit den Tilgungs- und Zinsaufwendungen belastet ist. d) Auch bei einer Holdinggesellschaft ist ein Mediatisierungseffekt grundsätzlich denkbar. Anders dürfte dies in der Tat nur zu beurteilen sein, wenn die Gesellschaft nach ihrem Unternehmensgegenstand auf einen ausschließlichen Holding-Charakter beschränkt ist. Denn in diesem Fall dürften die Mittel nicht auf Ebene der Gesellschaft selbst investiert werden, sodass die Mediatisierung schon strukturell zwingend ist. e) Eine allgemein gefasste Definition des Mediatisierungseffekts kann wie folgt lauten: „Ein Mediatisierungseffekt tritt ein, durch eine an sich autonome Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands, durch welche vormals dem unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss der Aktionäre unterliegendes Vermögen gegenständlich oder wirtschaftlich auf eine tiefere hierarchische Beteiligungsebene verlagert wird, wodurch die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre in Bezug auf dieses Vermögen faktisch verkürzt werden.“

f) Beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel ist zur Bestimmung der Quantität der Maßnahme an die aufgewendeten Barmittel anzuknüpfen, da diese auch den Gegenstand der Mediatisierung bilden und die qualitative und quantitative Betrachtung bezüglich desselben Anknüpfungspunkts erfolgen muss. Hierzu kann anhand der Bilanz verglichen werden, wie sich die aufgewendeten Barmittel im Verhältnis zum bisherigen Aktivvermögen der Erwerberin verhalten. Eine Zustimmungsbedürftigkeit kommt erst in Betracht, wenn bei diesem Vergleich ein Schwellenwert von 75 – 80 % überschritten wird und stellt daher den absoluten Ausnahmefall dar. g) Wenn es sich bei der Erwerberin um die Obergesellschaft im Konzern handelt, ist der relevante Anteil der aufgewendeten Barmittel anhand der Konzernbilanz zu ermitteln. Denn bei Betrachtung der quantitativen Reduzierung des „EinflussPortfolios“ der Aktionäre ist auch das sonstige Vermögen auf tiefer gestaffelter

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

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Ebene zu berücksichtigen, welches den Einflussmöglichkeiten der Aktionäre unterliegt. 4. Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin a) Ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis kommt beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin nicht in Betracht. Es besteht kein Mediatisierungseffekt oder ein vergleichbarer Effekt. Der Vorstand hat es mithin schon nicht in der Hand, einen Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin autonom durchzuführen, da die Schaffung der Anteile stets auf die Mitwirkung der Hauptversammlung zurückgeht. Auch im Ergebnis verschiebt sich beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin der Einfluss der Aktionäre auf das bisherige Gesellschaftsvermögen nicht hierarchisch und somit im Verhältnis zum Vorstand sondern „zur Seite“ zwischen den Aktionären; die ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse betreffen aber gerade das Verhältnis der Kompetenzen zwischen Vorstand und Hauptversammlung und nicht das Verhältnis der Aktionäre untereinander. b) Auch wenn man eine qualitative Vergleichbarkeit mit Fällen des „klassischen“ Mediatisierungseffekts hilfsweise unterstellt, und davon ausgeht, dass diese – entgegen der hier vertretenen Ansicht – in der Reduzierung der Beteiligungsquote der Altaktionäre und der daraus resultierenden Schwächung des Einflusses auf das bisherige Gesellschaftsvermögen zu sehen ist, während im Gegenzug die erworbene Beteiligung auf hierarchisch tieferer Ebene „zufließt“, so müsste der Anknüpfungspunkt der quantitativen Betrachtung mit dem der – unterstellten – qualitativen Beeinträchtigung korrespondieren. Folglich müsste dem Dritten, d. h. dem Veräußerer der Beteiligung, aber eine Anteilsquote von 75 – 80 % an der Erwerberin eingeräumt werden, um den relevanten Schwellenwert nach den Holzmüller/GelatineGrundsätzen zu erreichen. c) Ohnehin genügt aber die im Rahmen der Schaffung der Anteile der Erwerberin erfolgte Mitwirkung der Hauptversammlung den Anforderungen einer Zustimmung, welche – hilfsweise – nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen erforderlich wäre. Bei der ordentlichen Kapitalerhöhung und dem bedingten Kapital wird die Hauptversammlung bereits gleichwertig zu einem „klassischen“ Holzmüller-Beschluss mit dem konkreten Beteiligungserwerb befasst. Beim genehmigten Kapital und der Veräußerung eigener Aktien ist die bereits erfolgte Befassung der Hauptversammlung gleichwertig zu einem ebenfalls zulässigen Holzmüller-Konzeptbeschluss. 5. Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin Bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin kann sich ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis nur aus dem Einsatz der

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Teil 5: Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung

Barmittel als Gegenleistung ergeben. Da ein Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin auch bei isolierter Betrachtung qualitativ nicht geeignet ist, ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis auszulösen, muss der Einsatz der Anteile der Erwerberin auch bei der Betrachtung der quantitativen Auswirkungen eines Beteiligungserwerbs gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin außer Betracht bleiben. 6. Ausschluss des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses a) Es ist möglich, dass trotz des Vorliegens der qualitativen und quantitativen Kriterien eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses dieses entfällt, da die Beeinträchtigung der Aktionärsrechte durch eine nachfolgende Maßnahme wieder neutralisiert wird. Dies ist namentlich dadurch möglich, dass (i) der mediatisierte Teil des Gesellschaftsvermögens gegenständlich oder wirtschaftlich unter den Aktionärseinfluss zurückgeführt wird oder (ii) die Einflussmöglichkeiten der Aktionäre auf den betreffenden Vermögensteil gestärkt werden, sodass die Aktionäre trotz der Vermögensverlagerung das Risiko des Verlusts und die Verwendung der Erträge der verlagerten Mittel in vergleichbarer Weise beeinflussen können wie vor der Vermögensverlagerung. b) Beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel kommt eine derartige Neutralisierung in Betracht (i) durch eine Verschmelzung der erworbenen Gesellschaft auf die Erwerberin, (ii) durch eine Veräußerung der erworbenen Beteiligung gegen Barmittel und (iii) durch den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags der Erwerberin mit der erworbenen Gesellschaft. Zu prüfen ist allerdings stets im Einzelfall, ob die neutralisierende Maßnahme die qualitativen und quantitativen Anforderungen eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses wieder entfallen lässt. c) Für das Entfallen des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses in materieller Hinsicht ist es nicht notwendig, dass ein bestimmter zeitlicher Zusammenhang zwischen der mediatisierenden Maßnahme und der neutralisierenden Maßnahme besteht. Bei einer erst nachträglich geplanten und durchgeführten neutralisierenden Maßnahme wäre aber die Klage eines Aktionärs gegen die zustimmungsbedürftige, ursprüngliche Maßnahme zunächst zulässig und begründet. d) Eine Formulierung in Definitionsform kann wie folgt lauten: „Die Neutralisierung des Mediatisierungseffekts kann eintreten durch die unmittelbare oder wirtschaftliche Rückführung eines mediatisierten Teils des Gesellschaftsvermögens unter den Einfluss der Aktionäre oder durch die Gewährung von gesellschaftsrechtlichem Einfluss auf den mediatisierten Teil des Gesellschaftsvermögens, durch den die Aktionäre trotz der Vermögensverlagerung das Risiko des Verlusts und die Verwendung der Erträge der verlagerten Mittel in vergleichbarer Weise beeinflussen können wie vor der Vermögensverlagerung.“

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

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7. Ermittlung eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses im Fall Commerzbank/Dresdner Bank a) Der Fall des Beteiligungserwerbs der Commerzbank an der Dresdner Bank gegen Barmittel und Anteile der Commerzbank stellt sich nach dem entwickelten Prüfungsmaßstab insgesamt nicht als ein Fall des ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses dar. b) Der Einsatz der Barmittel führt zwar qualitativ zu einem Mediatisierungseffekt, der jedoch quantitativ bei Vergleich der aufgewendeten Barmittel mit der Konzern-Bilanzsumme der Commerzbank eindeutig nicht den notwendigen Schwellenwert für eine Zustimmungsbedürftigkeit von 75 – 80 % erreicht. Zudem wurde durch die nachfolgende Verschmelzung der Dresdner Bank auf die Commerzbank der Mediatisierungseffekt durch den Einsatz der Barmittel wieder neutralisiert. c) Der Einsatz der Anteile der Commerzbank als Gegenleistung ist qualitativ nicht erheblich, da er weder zu einem Mediatisierungseffekt, noch zu einem vergleichbaren Effekt führt. Auch bei hilfsweiser Betrachtung fehlt es im Übrigen diesbezüglich an der quantitativen Relevanz und es liegt zudem bereits eine Zustimmung der Hauptversammlung zur Schaffung der Anteile der Commerzbank vor, welche einer Zustimmung nach den Holzmüller/Gelatine-Grundsätzen gleichwertig ist.

III. Zu Teil 4 Die Rechtsvergleichung ist geeignet, neue Regelungskonzepte aufzuzeigen, während die ökonomische Analyse des Rechts es ermöglicht, über den dogmatischen Rahmen des nationalen Rechts hinauszublicken und verschiedene Regelungskonzepte anhand eines einheitlichen funktionalen Maßstabs, namentlich anhand der ökonomischen Effizienz, zu beurteilen. 1. Hauptversammlungserfordernisse beim Beteiligungserwerb in rechtsvergleichender Perspektive a) England aa) Das englische Recht kennt Zustimmungserfordernisse des general meeting nach dem Companies Act 2006, die den deutschen Hauptversammlungserfordernissen nach dem Aktiengesetz ähneln, und weitere Zustimmungserfordernisse nach den FCA Listing Rules, die den ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernissen ähneln. Die Zustimmungserfordernisse nach den FCA Listing Rules finden allerdings nur auf börsennotierte Gesellschaften mit einem premium listing und damit nur auf einen kleinen Teil der englischen plcs Anwendung.

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Teil 5: Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung

bb) Die Zustimmungsbedürftigkeit eines Beteiligungserwerbs ergibt sich nach LR 10.5.1 R (2), wenn hierdurch ein Schwellenwert (ratio) von 25 % bei einem der vier class tests nach LR 10 Annex 1 G erreicht wird. Verglichen werden das von der Transaktion betroffene Bruttovermögen (gross assets test), der Gewinn (profits test) und das Bruttokapital (gross capital test) mit den jeweiligen Werten der Gesellschaft auf Konzernbasis sowie die Gegenleistung (consideration test) mit dem Marktwert aller Anteile der Gesellschaft. cc) Ein Sonderfall der Zustimmungsbedürftigkeit für Gesellschaften mit einem premium listing kann sich zudem bei einem reverse takeover im Sinne von LR 5.6.4 R aus LR 10.5.1 R (2) i.V.m. 5.6.3 R ergeben. Dies setzt voraus, dass ein Schwellenwert (ratio) von 100 % nach den einschlägigen class tests erreicht wird oder dass es zu einer fundamentalen Veränderung des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft (fundamental change in the business) oder zu einer Veränderung der Kontrolle über das board oder über die Stimmrechte (change in board or voting control) kommt. Einfacher gesagt übernimmt also in einem solchen Fall, trotz der formal umgekehrten Struktur der Transaktion, de facto die Zielgesellschaft die Kontrolle über die Erwerberin. dd) Die Zustimmungserfordernisse nach den FCA Listing Rules sollen dazu dienen, dass die Aktionäre an außergewöhnlichen Maßnahmen mitwirken können, die ihr ökonomisches Interesse in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen verändern („change a shareholder’s economic interest in the assets and liabilities of the company“). b) USA aa) Die Anzahl der zustimmungsbedürftigen Maßnahmen nach dem Delaware General Corporation Law ist erkennbar niedriger als nach dem Aktienrecht in Deutschland und England und das board of directors hat eine stärkere Stellung im Verhältnis zu den Aktionären. bb) Auch nach US-amerikanischem Recht bestehen allerdings weitere Zustimmungserfordernisse nach den NASDAQ Listing Rules und nach dem NYSE Listed Company Manual. Eine Zustimmungsbedürftigkeit besteht nach NASDAQ Listing Rule 5635 (a) (1) und nach NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c), wenn Stammaktien (common stock) oder solche Instrumente, die sich in Stammaktien umwandeln lassen, als Gegenleistung für einen Beteiligungserwerb ausgegeben werden und diese Stammaktien nach ihrer Ausgabe entweder Stimmrechte von 20 % oder mehr verglichen mit den bisher ausstehenden Stimmrechten gewähren oder ihrer Anzahl nach 20 % oder mehr verglichen mit den bisher ausstehenden Stammaktien ausmachen. Nach NASDAQ Listing Rule 5635 (b) und NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (d) besteht auch ein Zustimmungserfordernis, wenn die Ausgabe von Aktien zu einem change of control führt.

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

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cc) Die Existenz dieser Regelungen erklärt sich vor allem vor dem Hintergrund des Funktionsverständnisses des US-Kapitalmarktrechts, welches vielfach als primäres Instrument des Aktionärs- bzw. Anlegerschutzes fungiert, während auf Ebene des allgemeinen Gesellschaftsrechts nur ein Mindestniveau an Schutz gewährleistet wird. Nach dem Recht des Staates Delaware beschränkt sich die gesellschaftsrechtliche Mitwirkung der Aktionäre an der Schaffung junger Aktien darauf, die Zahl des authorized stock im certificate of incorporation festzulegen. Da auch kein zwingendes Bezugsrecht der Altaktionäre besteht, hat das board es somit grundsätzlich – unter Beachtung seiner fiduciary duties – alleine in der Hand, über die Ausgabe junger Aktien zu entscheiden. dd) Dieser großen gesellschaftsrechtlich vermittelten Machtfülle des board im Verhältnis zu den Aktionären, welche zudem in den einzelnen Bundesstaaten verschieden ausgestaltet ist, wird offenbar durch das Korrektiv der börsenrechtlichen Zustimmungserfordernisse entgegengewirkt. Die Regelungen in NASDAQ Listing Rule 5635 (a) (1) und in NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c) dienen in individualschützender Perspektive somit vor allem dem Schutz der Altaktionäre vor einem Einflussverlust bei der Ausgabe einer großen Zahl junger Aktien, wobei diese Gefahr bei einem umfangreichen Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin freilich groß ist. 2. Rechtsökonomische Analyse eines Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb a) Methodisches Vorgehen und Annahmen der ökonomischen Analyse des Rechts aa) Das ökonomische Verhaltensmodell unterstellt den Akteuren selbstinteressiertes Handeln, welches unter Analyse der aufzuwendenden Kosten an der Mehrung des eigenen Vorteils orientiert ist, wobei die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkungen aller möglichen Handlungsfolgen von den Akteuren rational unter Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen abgewogen werden. Der kritische Befund, dass es sich bei dem homo oeconomicus nicht um ein realitätsnahes Menschenbild handelt, kann freilich nicht bestritten werden. Übersimplifizierung liegt allerdings in der Natur einer jeden modellhaften Betrachtung und mindert nicht zwingend den Wert der allgemein abzuleitenden Schlüsse, sondern trägt im Gegenteil zur Leistungsfähigkeit des Modells bei, indem die Komplexität gegenüber der Realität angemessen reduziert wird. bb) Dennoch sollte sich die ökonomische Analyse des Rechts einer sinnvollen Weiterentwicklung nicht verschließen und sollte auch die Erkenntnisse zum eingeschränkten Rationalverhalten berücksichtigen, welche von der Strömung Behavioral Law & Economics untersucht werden.

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Teil 5: Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung

cc) Die rechtsökonomische Betrachtung leitet das Stimmrecht der Aktionäre daraus ab, dass diese Träger des Residualinteresses (residual claimants) sind und damit im Gegensatz zu allen übrigen stakeholdern als einzige Gruppe von dem Interesse getrieben sind, die Gesellschaftsmittel so einzusetzen, dass sie ihrer effizientesten Verwendung zugeführt werden. Hieraus rechtfertigt sich eine Mitwirkung der Aktionäre an Maßnahmen von großer Tragweite, welche die Aktionäre ökonomisch stark betreffen können, da es für sie viel „zu gewinnen oder verlieren“ gibt. b) Rechtsökonomische Analyse eines Hauptversammlungserfordernisses beim Beteiligungserwerb aa) Präferenzen und Handlungsoptionen der beteiligten Akteure (1) Das primäre ökonomische Interesse der Vorstandsmitglieder besteht darin, eine möglichst hohe Vergütung aus dem aktuellen Vertragsverhältnis zu erzielen und den eigenen Marktwert im Hinblick auf ein neues Vertragsverhältnis zu steigern. Faktoren wie die Steigerung des persönlichen Einflusses und der Reputation lassen sich bei näherer Betrachtung ebenfalls als ökonomische Faktoren zur Steigerung des eigenen Marktwerts begreifen. Die Interessen des Vorstands können zu einem Einsatz der Gesellschaftsmittel führen, welche aus Sicht der Aktionäre ökonomisch nicht wünschenswert ist. (2) Es besteht ein gemeinsames ökonomisches Interesse der Aktionäre an einer angemessenen Rendite auf ihr investiertes Kapital. Allerdings unterscheiden sich aufgrund der verschiedenen Beteiligungsquoten und weiteren hinzutretenden Interessen die präferierten Handlungsoptionen der Aktionäre um ihre Ziele zu erreichen. Die Frage, ob ein ökonomisches Interesse besteht, an einer Überwachung des Vorstandshandelns teilzunehmen und das Stimmrecht im Rahmen eines Hauptversammlungserfordernisses auszuüben, hängt maßgeblich von den Einflussmöglichkeiten des Aktionärs und seinen anderweitigen Handlungsoptionen ab. (3) Zur Analyse der Präferenzen und Handlungsoptionen kann zwischen drei Aktionärsgruppen unterschieden werden, namentlich zwischen reinen Anlegeraktionären, strategischen Investoren und Finanzinvestoren. Ein kleines Investment, wie beim Anlegeraktionär, führt dazu, dass eine aktive Teilnahme des Aktionärs an der Überwachung des Vorstandshandelns unwahrscheinlicher ist, da es sich für ihn ökonomisch nicht lohnt, angesichts des geringen Stimmgewichts die notwendigen Kosten auf sich zu nehmen und da eine Deinvestition problemlos möglich ist. Mit zunehmender Größe des Investments erschwert sich die Möglichkeit der Deinvestition und erhöht sich die Einflussmöglichkeit auf Abstimmungen. Vor allem in Kombination mit einem längerfristigen Investitionshorizont steigt daher die Willigkeit des Aktionärs, Informationskosten auf sich zu nehmen und aktiv an der Überwachung des Vorstandshandelns zu partizipieren. Der Einfluss wird dahingehend ausgeübt werden, dass es zu einer längerfristig stabilen Kursentwicklung und Dividendenausschüttung kommt. Aktionäre, auf welche diese Attribute zutreffen,

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

349

namentlich strategische Investoren und Finanzinvestoren mit größeren Beteiligungsquoten und längerem Investitionshorizont, haben damit die beste Anreizstruktur, das Vorstandshandeln zu überwachen. (4) Die reale Beteiligungsstruktur deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften unterscheidet sich stark von der „Berle/Means-corporation“ mit einer Vielzahl von Aktionären mit atomistisch kleinen Beteiligungsquoten. Bei den DAX-30-Gesellschaften befanden sich zuletzt immer noch 24,60 % aller Anteile im Festbesitz, was eine Beteiligungsquote von über 5 % voraussetzt. Der Anteil der institutionellen Investoren betrug nach den Zahlen des DAI bei den DAX-30-Gesellschaften zuletzt 62,51 %. Weiterhin verfügt immer noch eine Vielzahl der börsennotierten Gesellschaften über große Blockaktionäre. Laut einer Studie aus dem Jahr 2010 existierte bei Untersuchung aller CDAX Gesellschaften (mit Ausnahme von Finanzunternehmen) bei 18 % der Gesellschaften ein Blockaktionär mit mindestens 75 %, bei 38 % der Gesellschaften ein Blockaktionär mit mindestens 50 % und bei 67 % der Gesellschaften ein Blockaktionär mit mindestens 25 %. Die Zahlen deuten darauf hin, dass in den deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften in der Tat strategische Investoren und Finanzinvestoren mit größeren Beteiligungsquoten existieren, welche einen Anreiz haben, aktiv an der Überwachung des Vorstandshandelns mitzuwirken. bb) Beteiligungserwerb ohne und mit Zustimmungserfordernis (1) Auch bei einem Beteiligungserwerb ohne Hauptversammlungserfordernis erfolgt eine Disziplinierung des Vorstandshandelns durch interne und externe Mechanismen, namentlich durch (i) die Überwachung durch den Aufsichtsrat, (ii) die Möglichkeit der faktischen und rechtlichen Einflussnahme der Aktionäre auf den Vorstand, (iii) die präventive Wirkung der Haftungsandrohung, (iv) den Kapitalmarkt als Markt für Unternehmenskontrolle (market for corporate control) und (v) den Arbeitsmarkt für Manager (market for corporate management). Die Wirkung dieser Mechanismen entfaltet allerdings jeweils nur begrenzte disziplinierende Wirkung. (2) Bei Bestehen eines Hauptversammlungserfordernisses bei einem umfangreichen Beteiligungserwerb muss der Vorstand auf die Interessen der entscheidungstragenden Aktionäre fokussieren, da er die durch den Beteiligungserwerb avisierten Vorteile grundsätzlich nur dann realisieren kann, wenn es ihm gelingt, die Zustimmung der Aktionäre einzuholen. Da die strategischen Investoren und die Finanzinvestoren mit größeren Beteiligungsquoten den stärksten Anreiz haben, das Vorstandshandeln zu überwachen und die Gesellschaftsmittel effizient einzusetzen und da die Durchführung des Beteiligungserwerbs aufgrund des hohen Stimmgewichts maßgeblich von deren Zustimmung abhängt, wird der Vorstand bei modellhafter rechtsökonomischer Betrachtung nur solche Beteiligungserwerbe weiterverfolgen, die mit den Interessen dieser Aktionäre vereinbar und damit ökonomisch wünschenswert sind.

350

Teil 5: Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung

(3) Wenn der Vorstand nicht gänzlich eigenständig vorhersehen und beurteilen kann, ob der Beteiligungserwerb bei einer Hauptversammlungsentscheidung die Zustimmung der Aktionäre finden wird, hat er einen ökonomischen Anreiz dahingehend, schon vor der offiziellen Entscheidung durch die Hauptversammlung die Koordination mit den entscheidungstragenden Aktionären zu suchen, um zu ermitteln, ob das Vorhaben die Zustimmung dieser Aktionäre finden wird. Es wäre für den Vorstand insiderrechtlich und auch nach § 93 Abs. 1 S. 3 und § 53a AktG gesellschaftsrechtlich als zulässig anzusehen, sich im Vorfeld eines zustimmungsbedürftigen Beteiligungserwerbs mit den entscheidungstragenden Aktionären abzustimmen, wenn eine derartige Koordination zur effektiven Willensbildung erforderlich und aufgrund der Aktionärsstruktur zielführend ist, das heißt, wenn wenige Ankeraktionäre existieren, welche ein genügendes Stimmgewicht aufweisen, um der avisierten Maßnahme zum Erfolg zu verhelfen. (4) Manche der gegen die Existenz eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses vorgebrachten Argumente sprechen zwar bezogen auf ein Hauptversammlungserfordernis bei einem umfangreichen Beteiligungserwerb partiell berechtigte Teilaspekte an, haben aber im Rahmen der modellhaften rechtsökonomischen Betrachtung kein derartiges Gewicht, dass sie geeignet wären, an der insgesamt positiven ökonomischen Wirkung des Zustimmungserfordernisses etwas zu verändern. Dies gilt insbesondere für die Argumente der fehlenden Kompetenz und Information der Aktionäre, der potentiellen Verzögerung und unzumutbaren Beschränkung des Vorstandshandelns durch die Mitwirkung Hauptversammlung und der Kosten der Hauptversammlung. (5) Allerdings ist es aufgrund von Rationalitätsdefiziten und der Verfolgung von Partikularinteressen der Aktionäre möglich, dass in Einzelfällen ökonomisch nicht wünschenswerte Beteiligungserwerbe nicht verhindert oder ökonomisch wünschenswerte Beteiligungserwerbe verhindert werden. In der Mehrzahl der Fälle wird das Hauptversammlungserfordernis bei modellhafter rechtsökonomischer Betrachtung allerdings ein wirksames Instrument zur Disziplinierung des Vorstandshandelns darstellen. (6) Ferner ist es möglich, dass durch eigennützig motivierte Anfechtungsklagen einzelner Aktionäre ökonomisch wünschenswerte Beteiligungserwerbe verzögert oder im Extremfall gar verhindert werden. Bei Anfechtungsklagen mit ungewissem Ausgang befindet sich der Vorstand in einem Entscheidungsdilemma, ob er den Beteiligungserwerb vollziehen soll. Dem Problem kann begegnet werden, indem dem Vorstand entsprechend der Wertung im Freigabeverfahren aus § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG gestattet wird, den Beteiligungserwerb trotz erhobener Anfechtungsklage zu vollziehen, wenn nicht ausnahmsweise das wirtschaftliche Suspensivinteresse der klagenden Aktionäre überwiegt oder ein Fall einer besonders schweren Rechtsverletzung vorliegt.

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

351

cc) Empirische Beobachtungen (1) Der empirische Vergleich der ökonomischen Auswirkungen von zustimmungsbedürftigen und nicht zustimmungsbedürftigen Beteiligungserwerben ist nach US-Recht reizvoll, da aufgrund des Mechanismus von NASDAQ Listing Rule 5635 (a) (1) und NYSE Listed Company Manual Sec. 312.03 (c) das Zustimmungserfordernis umgangen werden kann, indem die Gegenleistung so strukturiert wird, dass die 20 %-Grenze für ausgegebene Anteile der Erwerberin nicht überschritten wird. (2) Jüngere empirische Studien aus den USA legen das Ergebnis nahe, dass die Zustimmung der Aktionäre ein effektives Mittel darstellt, um opportunistisches Verhalten des Managements zu unterbinden und die Interessen der Aktionäre zu schützen, da das Zustimmungserfordernis der Aktionäre einen disziplinierenden Anreiz für das Management darstellt, ökonomisch nicht wünschenswerte Akquisitionen nicht vorzuschlagen. Es wurde insbesondere beobachtet, dass Akquisitionen mit Zustimmung der Aktionäre der Erwerberin zu größeren Synergieeffekten und einer besseren Börsenkursentwicklung bzw. Entwicklung des operativen Ergebnisses über die nächsten zwei Jahre führten. Ein völlig eindeutiges Ergebnis liefern diese Studien indes freilich nicht. (3) Ebenso ist die Betrachtung der ökonomischen Auswirkungen von zustimmungsbedürftigen und nicht zustimmungsbedürftigen Akquisitionen nach dem englischen Recht reizvoll. Hier besteht, anders als in den USA, nicht die Möglichkeit, das Zustimmungserfordernis einer class 1 transaction nach den FCA Listing Rules durch anderweitige Strukturierung des Kaufpreises zu umgehen. (4) Eine jüngere Studie von Becht/Polo/Rossi zum englischen Recht unterstreicht die theoretisch ermittelten Ergebnisse in empirischer Hinsicht deutlicher als die Studien aus den USA. Der Vergleich von zustimmungsbedürftigen class 1 transactions mit nicht zustimmungsbedürftigen class 2 transactions zeigte demnach, dass bei zustimmungsbedürftigen Akquisitionen die announcement returns deutlich positiv ausfielen und die Akquisitionen zu einer Wertsteigerung für die Aktionäre der Erwerberinnen führten, während nicht zustimmungsbedürftige Transaktionen im Durchschnitt wertvernichtend waren. Auch wenn sie langfristige Effekte nicht bemisst, deutet diese Studie doch stark darauf hin, dass das Zustimmungserfordernis bei umfangreichen Beteiligungserwerben in der Tat disziplinierende Wirkung entfalten und die Durchführung von ökonomisch wünschenswerten Beteiligungserwerben fördern kann. dd) Mögliche Kriterien eines ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisses bei rechtsökonomischer Betrachtung Quantitativ könnte auch bei rechtsökonomischer Betrachtung der Schwellenwert von 75 – 80 % durchaus beibehalten werden. Als Bezugspunkt liegt es indes nahe,

352

Teil 5: Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung

hier die Werte des Konzerns der Erwerberin mit den Werten des Konzerns der Zielgesellschaft zu vergleichen. Als relevante Parameter können Bilanzsumme, Eigenkapital, Ergebnis vor Steuern und Umsatz sowie der Ertragswert herangezogen werden. Auch die Informationspflichten gegenüber den Aktionären im Vorfeld sollten beibehalten werden. Hierbei sollte insbesondere ein Vorstandsbericht erforderlich sein, der die Gründe für den Beteiligungserwerb und die Preisfindung sowie die voraussichtlichen ökonomischen Auswirkungen beschreibt. Ebenso erscheint es rechtsökonomisch durchaus sinnvoll, am Erfordernis der Dreiviertelmehrheit festzuhalten. Aufgrund der anderweitigen Konzeption der rechtsökonomischen Betrachtung gegenüber derjenigen des BGH entfällt allerdings neben dem Erfordernis des Mediatisierungseffekts auch die Thematik von neutralisierenden Maßnahmen. ee) Nicht börsennotierte Aktiengesellschaft Ein Hauptversammlungserfordernis bei umfangreichen Beteiligungserwerben ist unter rechtsökonomischen Gesichtspunkten auch bei der nicht börsennotierten, „kleinen Aktiengesellschaft“ als grundsätzlich sinnvoll einzuschätzen.

B. Schlussbetrachtung und Ausblick Wer nun ist schließlich der richtige Adressat, welcher darüber befinden sollte, ob ein Hauptversammlungserfordernis bei umfangreichen Beteiligungserwerben besteht bzw. bestehen sollte? Eine Regelung der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze wurde bereits mehrmals angedacht. Zunächst war geplant, im Rahmen der Einführung des UmwG 1994 in §§ 251, 252 UmwG Regelungen insbesondere zur wirtschaftlichen Ausgliederung im Wege der Einzelübertragung einzuführen.1 Eine solche „lex stricta“2 wurde aber als Eingriff des Gesetzgebers „zur Unzeit in eine im Fluß befindliche Diskussion“3 abgelehnt und letztlich auch nicht eingeführt. Auch später wurde eine Katalogisierung ähnlich derjenigen der FCA Listing Rules im Deutschen Corporate Governance Kodex von der Regierungskommission Corporate Governance erwogen aber abgelehnt.4 Insbesondere wurde argumentiert, ein solcher Katalog würde kaum für mehr Rechtsklarheit sorgen, da er als nicht abschließend verstanden würde, sodass bei nicht erfassten Konstellationen weiterhin Rechtsun-

1

Hierzu ausführlich K. Schmidt, in: Festschrift für Heinsius (1991), S. 715 ff. (im Ergebnis ablehnend); auch Wagner, Ungeschriebene Kompetenzen der Hauptversammlung (2006), S. 195. 2 K. Schmidt, in: Festschrift für Heinsius (1991), S. 715, 729. 3 K. Schmidt, in: Festschrift für Heinsius (1991), S. 715, 726. 4 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001), S. 120.

B. Schlussbetrachtung und Ausblick

353

sicherheit bestünde.5 Ferner passe ein derartiger Katalog nicht für jede Gesellschaft in gleicher Weise.6 Teilweise wird (dennoch) nach wie vor vorgeschlagen, der Gesetzgeber solle sich der Thematik annehmen.7 Warum die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze bzw. deren Fortentwicklung und auch Beschränkung einer Kodifizierung bzw. allgemeiner einer Fixierung in verbindlichen Regelungen nicht zugänglich sein sollen, erschließt sich allerdings nicht. Nicht überzeugend ist zunächst das Argument, eine Regelung würde nicht für jede Gesellschaft in gleicher Weise passen.8 Auch die bisherige Rechtsprechung arbeitet mit Fallgruppen, in denen ein ungeschriebenes Hauptversammlungserfordernis bei Vorliegen der entwickelten Voraussetzungen zu bejahen ist und die auf alle Aktiengesellschaften gleichermaßen Anwendung finden. Noch schwächer ist das Argument, eine Regelung wäre zu einer Verbesserung der Rechtsklarheit kaum geeignet.9 Zwischenzeitlich liegt bereits höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH zur Ausgliederung, zur Verenkelung, zum Delisting und – wenn auch nur wenige Zeilen – zur Beteiligungsveräußerung vor.10 Hauptsächlich konzentriert sich die Diskussion noch auf den Beteiligungserwerb, bereits im reduzierten Maße auf die Beteiligungsveräußerung und genereller auf umfangreiche Maßnahmen ohne Mediatisierungseffekt, wie etwa den asset deal. Bezüglich letzterer Maßnahmen müsste der BGH oder der Gesetzgeber eine prinzipielle Wertungsentscheidung treffen, ob eine Mitwirkung der Hauptversammlung auch in Abwesenheit eines Mediatisierungseffekts in Betracht kommt. Warum es nicht für ein Mehr an Rechtsklarheit sorgen würde, die bereits entschiedenen und die noch umstrittenen Fälle zu regeln und stattdessen gar keine Regelung getroffen wird, ist nicht einzusehen. In qualitativer Hinsicht könnte mit Regelbeispielen für bestimmte Maßnahmen gearbeitet werden und in quantitativer Hinsicht mit einem hohen Schwellenwert sowie mit klaren Parametern und Referenzpunkten. Das Arbeiten mit Regelbeispielen würde es im Übrigen auch nicht ausschließen, einerseits für Rechtssicherheit in den Fällen zu sorgen, die bisher umstritten sind und geregelt werden sollen und andererseits der Rechtsprechung und Literatur genügend Raum zu lassen, ausdrücklich nicht geregelte Fälle weiterzuentwickeln. Auch ist die Problematik der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse seit mehr als 30 Jahren bekannt und die umstrittenen Fallgruppen werden seither eingehend diskutiert. Es steht somit auch kaum zu befürchten, dass nach der Schaffung einer Regelung plötzlich viele neue, bisher nicht diskutierte Konstellationen auftreten, die den Geltungsanspruch einer Regelung wieder in Frage stellen. 5

Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001), S. 120. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001), S. 120. 7 So etwa Becker/Horn, JuS 2005, 1067, 1070. 8 Vgl. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001), S. 120. 9 Vgl. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001), S. 120. 10 Siehe hierzu nochmals unter Teil 2 B.II. 6

354

Teil 5: Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung

Die umstrittenen Fragen bezüglich der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse ausschließlich dem BGH und der Literatur zur Klärung zu überlassen, erscheint demgegenüber mittelfristig nicht als gleich geeignete Alternative. Die Literatur kann für sich in Anspruch nehmen, die Grundlagen für die Leitentscheidungen des BGH gelegt zu haben; dass der BGH sich hierbei allerdings jeweils auf ein weitgehend abgeschlossenes Meinungsbild stützen konnte, kann nicht behauptet werden. An dem hier untersuchten Beispiel des Beteiligungserwerbs zeigt sich vielmehr anschaulich das Problem. Es ist in der Literatur und in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung innerhalb von mehr als 30 Jahren nicht gelungen, eine herrschende Auffassung hierzu herauszubilden; die Frage ist nach wie vor völlig umstritten. Da die Entwicklung der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse und die damit teilweise verbundene Rechtsunsicherheit schon 30 Jahre andauert, erscheint es doch im Interesse aller Beteiligten wenig wünschenswert abzuwarten, bis nach und nach jeweils ein geeigneter Fall zu jeder noch umstrittenen Konstellation den BGH erreicht und dieser für schrittweise Klärung sorgt. Der Blick auf die FCA Listing Rules in England zeigt im Übrigen, dass eine praxistaugliche Regelung nicht unmöglich ist. Warum der deutsche Gesetzgeber eine solche Regelung nicht treffen kann oder will, bleibt nach alldem unklar. Abschließend lässt sich sagen, dass sich das Konzept der ungeschriebenen Hauptversammlungserfordernisse über die letzten 30 Jahre in der deutschen Rechtspraxis etabliert hat und vom BGH immer wieder weiterentwickelt wurde. Es handelt sich also nicht um ein starres Relikt, welches beseitigt werden muss, sondern vielmehr um ein grundsätzlich anerkanntes Instrument, welches jedoch der maßvollen Anwendung und der angemessenen Weiterentwicklung bedarf. Dies bestätigen im Hinblick auf den hier untersuchten Beteiligungserwerb auch die rechtsvergleichende und die rechtsökonomische Perspektive. Wichtig erscheint es allerdings, den Anwendungsbereich der Holzmüller/Gelatine-Grundsätze durch die Formulierung hoher Anforderungen und klarer Voraussetzungen auf solche Einzelfälle zu beschränken, die von fundamentaler Bedeutung für die Aktionäre sind. So kann der Vorstand in allen übrigen Fällen auch ohne das Damoklesschwert der Zustimmungsbedürftigkeit agieren. Ein Beteiligungserwerb des hier in Rede stehenden Ausmaßes kann eine solche Entscheidung darstellen, welche nur einmal oder jedenfalls selten im Leben einer Gesellschaft auftritt und welche insbesondere geeignet ist, die Stellung der Aktionäre – mitgliedschaftlich wie ökonomisch – maßgeblich zu beeinträchtigen. Für den Beteiligungserwerb können die Leitlinien der bisherigen Rechtsprechung des BGH bei konsequenter Anwendung und Weiterentwicklung zwar, wie in Teil 3 dieser Arbeit dargestellt, durchaus handhabbar gemacht werden. Hieraus ergibt sich, dass ein Zustimmungserfordernis beim Beteiligungserwerb qualitativ nur bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel in Betracht kommt (bzw. dass bei einem Beteiligungserwerb gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin nur auf die eingesetzten Barmittel abgestellt werden kann) und quantitativ nur in extremen Aus-

B. Schlussbetrachtung und Ausblick

355

nahmefällen zu bejahen ist, namentlich wenn die aufgewendeten Barmittel 75 – 80 % der Aktiva der Erwerberin gemessen an der Bilanzsumme bzw. bei einer Obergesellschaft im Konzern an der Konzernbilanzsumme, ausmachen. Eine klarstellende Rechtsprechung des BGH wäre allerdings unter dem Aspekt der Rechtssicherheit freilich dennoch wünschenswert. Zu einer umfassenden Regelung der Problematik der (ungeschriebenen) Hauptversammlungserfordernisse in Holzmüller/GelatineFällen unter Einschluss des Beteiligungserwerbs und unter Berücksichtigung der in Teil 4 dieser Arbeit dargelegten rechtsvergleichenden und rechtsökonomischen Erwägungen ist hingegen de lege ferenda der Gesetzgeber aufgerufen.11

11

Nicht ausgeschlossen scheint hier im Übrigen auch eine Initiative auf europäischer Ebene. Auch zur Thematik der Related Party Transactions findet sich im Entwurf der Aktionärsrechterichtlinie (Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/EU in Bezug auf bestimmte Elemente der Erklärung zur Unternehmensführung, COM(2014) 213 final) der Vorschlag, Related Party Transactions bei börsennotierten Gesellschaften ab einem Schwellenwert von 5 % des Vermögens des Unternehmens bzw. Transaktionen, die „erhebliche Auswirkungen auf den Gewinn oder Umsatz haben können“, der Zustimmung der Hauptversammlung zu unterwerfen (siehe Artikel 9c Abs. 2 S. 1 des Entwurfs einer geänderten Aktionärsrechterichtlinie (COM (2014) 213 final)). Der Vorschlag hat freilich im deutschen Schrifttum breitflächige Kritik geerntet (siehe auszugsweise aus dem umfangreichen Schrifttum etwa Fleischer, BB 2014, 2691, 2699; Seibt, DB 2014, 1910, 1914 f.; Bayer/Selentin, NZG 2015, 7, 8 f.; J. Vetter, ZHR (2015), 273, 301 ff., 326). Im Nachgang wurden mehrere Fassungen eines Kompromissvorschlags der italienischen Ratspräsidentschaft und nachfolgend auch der lettischen Ratspräsidentschaft vorgelegt (siehe hierzu ausführlich J. Vetter, ZHR (2015), 273, 279 ff.). Das Verfahren war zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Arbeit noch nicht abgeschlossen. Unverkennbar ist jedenfalls, dass die vorgeschlagene Regelung zu den Related Party Transactions Anleihe bei der parallelen Regelung in den FCA Listings Rules genommen hat (dazu etwa Fleischer, BB 2014, 2691, 2697; Seibt, DB 2014, 1910, 1914; J. Vetter, ZHR (2015), 273, 278). Insofern scheint es auch nicht unwahrscheinlich, dass mittelfristig eine Regelung wie die Zustimmungserfordernisse zu class 1 transactions vom europäischen Gesetzgeber aufgegriffen werden könnte. Die weiteren Entwicklungen gilt es hier freilich – gespannt – abzuwarten.

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Stichwortverzeichnis actus contrarius 148, 207 Aktionärseinfluss 73, 128, 134, 137, 142, 159, 201, 205, 219, 225, 335, 344 Altaktionäre 90, 171 – 175, 180, 182, 183, 190, 194, 202, 242, 250, 343, 347 Altana/Milupa-Entscheidung 179 Anfechtungsklage 66, 98, 217, 311 – 315, 332, 350 Anlegeraktionäre 270, 272 – 274, 280, 293, 304, 305, 331, 335, 336, 348 announcement returns 319, 321, 322, 324, 325, 351 ARAG/Garmenbeck-Entscheidung 291, 298 articles of association 228, 229 asset deal 31, 147, 201, 202, 225, 326, 353 Aufsichtsrat passim Ausgliederung 24, 54, 61, 64, 65, 68, 73, 74, 80, 81, 84, 87, 103, 104, 108, 114, 117, 119, 127, 129, 130, 133, 137, 138, 141, 142, 144, 147, 152 – 154, 156, 160, 162, 164, 182, 207, 352, 353 authorized stock 242, 248, 250, 321, 347 availability bias 255, 285, 287 Behavioral Law & Economics 257 Berle/Means-corporation 283, 349 Beteiligungserwerb – allgemein passim – Begriffsklärung 30 ff. – gegen Anteile der Erwerberin 167 ff. et passim – gegen Barmittel 120 ff. et passim – gegen Barmittel und Anteile der Erwerberin 195 ff. et passim Beteiligungsveräußerung 24, 25, 61, 76, 77, 78, 80, 108, 147, 148, 179, 202, 203, 205 – 209, 231, 239, 353 Bezugsrecht 65, 148, 186, 242, 250, 347 Bezugsrechtsausschluss 66, 97, 172, 181, 185, 187, 188 – 190, 192, 193, 304, 330

Bilanzsumme 69, 74, 79, 82, 86, 91, 95, 105, 106, 154 – 156, 161, 163, 164, 175, 223, 225, 252, 329, 332, 345, 352, 355 Blockaktionär 282, 283, 349 board of directors 228, 238 – 242, 246, 248, 250, 324, 346, 347 bounded rationality 257 Capital Asset Pricing Model 268, 269 certificate of incorporation 241, 242, 249, 250, 347 change of control 245 – 247, 250, 251, 295, 296, 346 class 1 transaction 231, 234, 237, 238, 251, 322, 324, 326, 351 class 2 transaction 234, 322, 324, 351 class tests 231, 234, 238, 239, 252, 346 collective-action-Problematik 259, 261, 263, 276 Commerzbank/Dresdner Bank-Fall – allgemein passim – Zusammenfassung 91 ff. – Zustimmungsbedürftigkeit 220 ff. Companies Act 2006 227 – 230, 234, 235, 239, 252, 325, 345 Consideration test 232, 252, 346 Corporate Governance Kodex 48, 57, 265, 303, 352 corporation 240 – 242, 244, 283, 349 DAX-30-Gesellschaften 281, 283, 310, 349 de lege ferenda 28 – 30, 226, 251, 271, 299, 315, 326, 355 de lege lata 28, 29, 113, 213, 226, 325, 332 Delaware General Corporation Law 241 – 243, 248, 318, 346 Delisting 24, 70, 71, 131, 248, 353 Deutsches Aktieninstitut 280, 281, 283, 334, 349 Disziplinierungsmechanismus 260, 264, 285, 286, 294, 298, 299, 324

384

Stichwortverzeichnis

Eigenkapital 69, 74, 80, 95, 99, 105, 106, 154 – 156, 161, 164, 171, 175, 329, 332, 352 Einfluss-Portfolio 159, 160, 163, 165, 167, 342 Eingriffslösung 127 einstweiliger Rechtsschutz 84, 85, 299 empire-building 266, 288 Entlastung 53, 97, 98, 101, 103, 109, 111, 135, 145, 172 Ergebnis vor Steuern 74, 80, 154 – 156, 161, 164, 175, 329, 332 Ertragspotential 146, 150, 160, 164, 166, 342 Ertragswert 105, 155 – 157, 329, 332, 352 exit 262, 270, 271, 276, 296, 336, 337 explanatory circular 234, 331 FCA 234 – 237, 239 FCA Handbook 230, 236, 251, 252 FCA Listing Rules 230, 231 – 240, 248, 251, 252, 322, 325, 326, 329, 346 Feststellungsklage 66 fiduciary duties 242, 250, 347 Finanzinvestoren 270, 274 – 277, 279, 280, 283, 288, 293, 300, 305 – 307, 316, 331, 335, 336, 348, 349 Freigabeverfahren 312 – 315, 350 fremdfinanzierte Mittel 149, 150, 152, 166, 342 Frosta-Entscheidung – allgemein 61, 79, 131 – Zusammenfassung 70 ff. functional approach 259 Gelatine-Urteile – allgemein passim – Zusammenfassung 72 ff. general meeting 228, 229, 231, 235, 239, 345 Generalversammlung 37, 38, 41 – 43 Gesamtbetrachtung 98, 106, 155 – 157, 215 Gesamtvorhaben 196, 197 Gewinnverwendungsrecht 87, 135, 139, 143, 144, 146 gleichwertige Zustimmung 176, 186, 187, 195, 198, 224, 225, 330, 343, 345

Gross Assets test 231, 233, 252, 346 Gross Capital test 232, 233, 252, 346 Grubeneisenbahn-Fall 42, 43, 61 Hauptversammlung passim hindsight bias 255 Holding-Gesellschaft 88, 150 – 152, 158, 166, 237, 342 Holzmüller-Urteil – allgemein passim – Zusammenfassung 63 ff. homo oeconomicus 255, 256, 347 Informationsgrundlage 177, 255, 273, 300, 330 Informationskosten 262, 271, 277, 283 Informationsniveau 185, 186, 189, 194, 287, 306 Informationspflichten 69, 76, 179, 330, 332, 352 Insiderrecht 301, 302, 305, 350 Investmentkontrakt 125, 237, 328 Kapitalerhöhung – allgemein 83, 85, 106, 107, 137, 168, 176, 177, 194 – 196, 198, 223, 229, 242, 301, 330 – in Tochtergesellschaft 68, 129, 130, 135, 148, 149 Kennziffer 74, 79, 154, 161, 162 kleine AG 334 – 338, 352 Konzeptbeschluss 178, 180, 181, 183, 189 – 191, 195, 309, 343 Konzernbildungskontrolle 68, 69, 73, 123 Konzernleitungskontrolle 68, 69, 73, 123 Konzernöffnungsklausel 26, 27, 29, 74, 84, 93, 100, 103, 104, 108, 110, 112, 113, 116 – 120, 152, 169, 222, 340, 341 limited company 227 Macrotron-Entscheidung – allgemein 61, 79, 114, 131, 132, 184, 339 – Zusammenfassung 70 ff. market for corporate control 294, 297, 298, 336, 349

Stichwortverzeichnis market for corporate management 297, 298, 349 Mediatisierungseffekt – allgemein passim – beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin 167 ff. et passim – beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel 137 ff. et passim – Definition 90, 152 f., 342 – Grundkonzept 132 ff. – Notwendigkeit 121 ff. et passim Mehrheitserfordernis 69, 75, 78, 79, 118, 177, 185, 191, 194, 234, 252, 304, 324, 331, 332 Melasse-Fall 42, 43, 61 methodologischer Individualismus 254, 259, 307 Mitgliedschaftsrechte 64, 79, 98, 100, 103, 118, 119, 123, 124, 129, 131, 133 – 135 Mittelverwendung 88, 105, 139, 141, 142, 144, 151, 166 NASDAQ Listing Rules 243 – 252, 318, 323, 325, 331, 346, 347, 351 neue Institutionenökonomik 257, 259 Neutralisierung 200 – 202, 205, 209, 212, 214 – 216, 220, 225, 329, 344 NYSE Listed Company Manual 243, 246 – 252, 318, 323, 325, 331, 346, 347, 351 ökonomische Analyse des Rechts 253 ff. et passim overconfidence bias 255, 285 overoptimism 255, 285 Parameter 74, 108, 112, 114, 153 – 161, 164, 167, 175, 183, 191, 239, 252, 284, 329, 332, 334, 340, 352, 353 Partikularinteressen 272, 277, 307, 308, 315, 331, 336, 337, 350 Präventivschutz 129, 143, 166, 326, 341 premium listing 228, 230, 231, 237 – 240, 345, 346 principal-agent-Problematik 259, 277 Profits test 232, 252, 346 public limited company 227, 228, 239, 325, 345

385

quantitative Anforderungen – allgemein passim – beim Beteiligungserwerb gegen Anteile der Erwerberin (hilfsweise) 175 ff. et passim – beim Beteiligungserwerb gegen Barmittel 161 ff. et passim – Grundkonzept 153 ff. rational apathy 263, 304 Rationalitätsdefizite 284, 288, 306 – 308, 315, 316, 325, 328, 350 Rechtsfortbildung – gesetzesimmanente Rechtsfortbildung 114 – gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung 114 – 116, 341 – offene Rechtsfortbildung 73, 75, 114, 168 – richterliche Rechtsfortbildung 35, 109, 111, 114, 116, 227, 230, 258 Referenzpunkt 66, 69, 109, 256, 353 reverse takeover 237 – 239, 247, 251, 329, 346 Schwellenwert 27, 69, 70, 74, 105, 153 – 155, 157, 162, 164, 175, 194, 197, 204, 208, 223 – 225, 231, 238, 239, 247, 251, 252, 310, 327, 328, 332, 342, 343, 345, 346, 351, 353 Siemens/Nold-Entscheidung 180, 188 – 190, 193 shareholder-value 48, 49 shareholders’ meeting 241 strategische Investoren 270 – 272, 274, 275, 280, 281, 283, 288, 293, 300, 303 – 306, 316, 335, 336, 348, 349 Stuttgarter Hofbräu-Entscheidung – allgemein 61, 79, 80, 86, 111, 121, 123, 126 – 131, 147, 148, 166, 205, 207, 208, 339 – Zusammenfassung 76 ff. Thesaurierung 89, 140, 144, 212 – 215 Umsatz 69, 74, 80, 154 – 157, 161, 164, 175, 329, 332, 352 Unterlassungsklage 66, 217, 218, 299

386

Stichwortverzeichnis

Unternehmensverträge 54, 62, 65, 129, 130, 135, 200, 209, 330 unternehmerische Aktivität 87, 89, 104, 111, 138 – 140, 145, 166, 342 unternehmerische Substanz 87, 89, 138 – 146, 164, 166, 342 Verenkelung 24, 72, 74, 80, 114, 116, 117, 129, 133, 137, 139, 141, 142, 146, 147, 156, 159 – 161, 164, 182, 209 Vermögensbeeinträchtigung 129, 143, 166, 326, 341

Vermögensverlagerung 60, 118, 130, 134 – 136, 139 – 141, 144, 159, 200, 207 – 209, 219, 220, 223, 326, 344 Verschmelzung 54, 62, 95, 97, 99, 101, 105, 107, 168, 200 – 202, 207, 219, 221, 225, 229, 330, 344, 345 Verschuldungsgrad 98, 99, 107, 110, 125, 162 Vorstand passim Vorstandsbericht 178, 185 – 188, 193, 330, 332, 352