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German Pages 207 [420] Year 1788
uebrige
noch
ungedeckte Werke des
Wolfenbüttlifchen
Fragmentiftem Ein Nachlaß »Ott
Gotthold Ephraim Leßing. Herausgrgeben von
C. A. E. Schmidt.
r 7 ß 7.
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glaube, dem lesenden Publikum keinen gerin gen Gefallen durch die Herausgabe dieses nur in Handschriften bekannten Werks desFragmentisten, zu erzeigen. Leßing, von dem ich es in einer seiner verdrießlichen Stunden erhielt, gab mir es mit der Bedingung, es so lange erlebte, nicht herauszu geben. Ich habe mit Pünktlichkeit diese Bedingung erfüllt, welche jetzo nicht mehr verbindlich ist. Ich gebe sie heraus, weil ich in Hamburg vier, in Ber lin sechs bis acht, in Braunschweig nicht weniger Abschriften kenne, welche, wie Leßing sagt, durch das Schleichen im Verborgenen mehr Prose lyten machen, als sie im Angesichte einer wie dersprechenden Welt thun würden. Ich habe Anmerkungen hinzugesetzt, um das Buch unschäd licher zu machen, ob ich gleich am Ende mich über, zeugte, daß es eine mißliche Sache für einen Layen sey, sich in geologische Streitigkeiten zu mischen. Wiederleg't wird dieses Buch werden, weil es nö.
thig ist, und hiezu find meine Kräfte zu schwach sonst hätte ich es selbst gethan. Die Wiederle» Zungen werden, wie ich hoffe, wenn fie gründlich
genug find, der Religion Vortheil schaffen, da fie von der Art ist, daß Wiedersprüche ihre Wahrheit in ein helleres Licht setzen; wenn anders wahre Religion durch diese Bemühungen des Fragmenti» sten angegriffen ist; welches ich so wenig wie meh, rere glauben kann. Den Bogen vom Durchgang der Israeliten dnrchs rothe Meer habe ich einge rückt, weil er hieher gehörte, und aus einem Gan zen ein Bruchstück gemacht hätte, wenn er «eggeblieben wäre. Damit man keinen andern, wie sonst gewiß zu befürchten stünde, durch Verdacht kränke, so habe ich mich genennt; denn — mich wird das Gewinsel der Goeze und Demarees in meiner Entfernung nicht erreichen, und statt mir zu schaden, mein aufrichtiges Mitleiden erwecken. Vernünftige Männer werden übrigens Verfasser und Herausgeber gehörig zu unterscheiden wissen.
Das erste Kapitel.
Don dem Endzweck der Personen im A. T., durch welche die Ossenbahmng geschieht.
gewisse Personen zu dem Endzweck zu senden, damit sie den Menschen eine übernatürliche Kenntniß von Gott und göttlichen Dingen, die zur Seeltgkeit führet, bey, bringen sollten; so fordern wir billig von solchen Per, sonen, die zu diesem Endzweck gesandt seyn sollen, daß ihre Handlungen, Reden und Schriften auf diesen Zweck gerichtet sind, und damit übereinsttmmen. Wir können also nicht besser von der ganzen Sache urtheilen, ale wenn wlr vor allen Dingen auf den Endzweck solcher Personen achten: denn der Endzweck, weshalb alles geschieht, hält den Schlüssel und Grund tn sich, woraus sich das, so um des Zwecks willen geschieht, ersehen und erklären läßt. Es kann nicht fehlen, daß» solche Perso, nen, die von Gott erweckt wären, "den Menschen eine seltgmachende Erkenntniß von Gott zu offenbahren", alle Ihre Verrichtungen und Worte zu einem Mittel dieser Absicht machen, und aus diesem Dewegungsgrunde Han, A
dein,
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teilt, reden und schreiben würden.
Folglich würde als,
dann dieser gesetzte Endzweck der Schlüssel seyn, wo, Lurch sich alle ihre Verrichtungen und Worte auflösen
und einstimmig erklären liessen.
Hingegen, wenn diese
Personen entweder an diesen Zweck gar nicht gedacht, oder denselben nur zum falschen Deckmantel anderer et, genen menschlichen Absichten gebraucht haben; so bleibt
« nicht au«, daß sie nicht ihre anderweitige wahre Ab, sicht hin und tvieder verrathen sollten.
Zhre Handln»,
gen und Reden werden theil« zu dem Zweck einer selig,
machenden geoffenbarten Religion nicht« beytragen, theile auch demselben widersprechen und entgegen seyn.
Und vielmehr mit ganz anderen Absichten überetnsttm,
men.
Wenn ihre Handlungen nicht Mittel zu dieser,
sondern zu einer ganz andern Absicht sind; wenn ihre Reden und Schriften nicht davon,' sondern von ganz et, wa« anders handeln; oder, wenn auch beyde« Thaten
und Worte, die Pflanzung einer Religion hindern und stShren; so hält der angegebene Zweck eine göttliche Of,
fenbahrung auszubreiten, keinen Grund ihrer Handlun, gen in sich: so haben sie eine andere Absicht gehabt, oder
auch die Offenbahrung auszubreiten, nur zum eitel» Vorwande gebraucht.
§. i. Die« ist der geradeste und offenbarste Weg, eine vo»
solchen Personen vorgegebene Offenbahrung zu prüfen: E« giebt wenige Menschen, die sich für Boten Gotte« an
andere Menschen ausgegeben, oder die dafür gehalten wer,
c werden.
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Mit diesen haben wirs unmittelbahr zu thun.
Gott spricht nicht mit einem jeden insbesondere. Wenn
nun Menschen sagen, sie sind von Gott an uns gesandt,
um uns seinen Rath und Willen zu offenbahren, so müßten sie auch den Zweck ihrer Sendung durch ihre Reden, Schriften oder Handlungen Genüge thun. Hier ist es also nöthig, unsere Vernunft oder unsere Einsicht,
in den Widerspruch und Einstimmung der Dinge zu ge brauchen.
Niemand muß sich selber ein Verbrechen
daraus machen, die Handlungen von Mose, von den Propheten, vonZesu, die Bücher des A. und N. T. ge,
gen diesen Zweck zu halten, und zu untersuchen, ob sie
damit übereinstimmen; denn die Untersuchung benimmt
ihrem Werthe nichts.
Ohne Untersuchung kann nie,
tnand zu einer Ueberführung kommen. Ohne Ueberfüh,
rirng aber weiß einer selbst nicht, warum er etwas glaubt.
Und wenn einer selbst nicht weiß, warum er etwas
glaubt, so ist sein Glaube ein blinder Glaube.
Man
nehme mir aber nicht übel, wenn ich sage, daß der Glaube solcher Menschen, die nicht vor allen Dingen die Uitter-
suchung, vom Zivcck der Personen A. und N. T. in ihren Handlungen und Schriften angeftcllt haben, blos ein
blinder Glaube sey.
Sie haben erstlich ane dem Cate,
chismo erlernet, was sie von Mose und Christo, was sie von den Schriften A. und N. T. glauben sollten, und
haben also daraus schon festgesetzt, daß die Personen von Gott zu dem Zwecke gesandt, und daß die Bücher in
brr Absicht von Gott eingegeben sind, damit sie «ns den
A »
Weg
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Weg zur Seeligkeit offenbahren sollten.
Wenn dieses
vorausgesetzt ist, und sie kommen hernach zur Lesung der Bibel, so reimen sie denn alles auf eine gezwungen«
Weise mit diesem Zwecke zusammen, und ziehen mit den Haaren Dinge dahin, so gut oder schlimm, als sie kön,
nen.
Denn es stehet einmal feste bey ihnen, daß dies«
Personen, deren Schriften und Handlung sie lesen, sol
chen Endzweck gehabt haben. Es kömmt noch dazu, daß sie die Bibel von Kindheit an, ehe sie Verstand hatten,
aber und abermal gelesen; daß ihnen die Handlungen
und Vorstellungen, woran sie sich sonst gewiß stoßen würden, ganz gewohnt werden.
Sie lesen alles,
wenn es auch an sich noch so ärgerlich und gottlos ge, handelt heißen müßte, wenn es auch an sich noch so nie,
derträchtlg, ungereimt und der Religion verkletnerlich
geredet scheinen müßte, nunmehr» in ihrer unempfind,
lichen Gewohnheit, ohne Beobachtung, Nachdenken und vernünftige Ueberlegung dahin (i), und vermeinen dabey dennoch den Endzweck der seligmachenden Offen,
bahrung, welche sie sich einmal in den Kopf gesetzet haben, aucb in den dunkelsten Oertern zu finden, wo ihn
niemand, der solchen aus dem Catechiemo nicht schon angenommen, finden würde (2).
Wenn sie ja zu eini
gem Nachdenken kommen, und sich in Betrachkung des Zwecks, welchen die Werkzeuge einer göttlichen Offen,
bahrung gehabt haben müßten, an dieser oder jenen Handlung, an dieser oder jenen Vorstellung und Mate,
rie stoßen, so erschrecken sie, aus der von Kindheit ein, geimpf,
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geimpften Furcht, vor ihren eigenen Gedanken, und suchen sich mit allen Fleiß davon zurükzuziehen, und dieselbe al«
Eingebungen de« Teufels, die zur ewigen Verdammntß führen, mit Gewalt au« dem Sinne zu schlagen, und zu
unterdrücken.
Zch darf mich frey auf so vieler Men