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German Pages 943 [949] Year 2020
JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 109
Martin Löhnig
Treuhand Interessenwahrnehmung und Interessenkonflikte
Mohr Siebeck
Martin Löhnig, geboren 1971, Studium der Rechtswissenschaften in Regensburg, Erste Juristische Staatsprüfung 1996, Zweite Juristische Staatsprüfung 1998, Promotion 2001, Habilitation 2006, Privatdozent in Regensburg.
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT
978-3-16-157954-7 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019
ISBN 3-16-149078-9 ISBN-13 978-3-16-149078-1 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ©2006 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Computersatz Staiger in Rottenburg/N. aus der Garamond-Antiqua gesetzt, von Guide-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Vorliegende Untersuchung wurde im Januar 2006 von der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg als Habilitationsschrift angenommen. Dieser Befund ist nicht nur das Ergebnis mehrjähriger Forschungsarbeit, sondern auch der Beiträge verschiedener Menschen, denen ich großen Dank schulde. Die fünf wichtigsten sind, ohne daß die anderen damit vergessen wären, Prof. Dr. Hans-Jürgen Becker, der mich im Sommer 2001 an seinem Lehrstuhl aufgenommen hat. Er hat mir stets den Freiraum gewährt und das Wohlwollen entgegengebracht, das für eine solch umfangreiche Untersuchung unerläßlich ist. Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Schwab, an dessen Lehrstuhl ich bis zu seiner Emeritierung tätig sein durfte. Er hat die Entstehung dieser Untersuchung gleichermaßen wohlwollend begleitet und sich ebenfalls unerschrocken den Mühen ihrer Begutachtung ausgesetzt. Renate und Manfred Löhnig, die mich - wie schon während meiner gesamten juristischen Ausbildung - in jeder Weise großzügig unterstützt haben. Und Dr. Cordula Scholz Löhnig, die - trotz vielfältiger eigener Aufgaben - auch in der Habilitationszeit meine Partnerin in Leben und Arbeit war. Ihr ist dieses Buch gewidmet. Regensburg, Juli 2006
Martin Löhnig
Inhaltsübersicht Vorwort
V
Inhaltsverzeichnis
§ 1.
XI
Einleitung
1
Teil 1
Die Entstehung des modernen deutschen Treuhandrechts § 2.
Fiduziarische Treuhand als Gegenbegriff zur Simulation
13
§ 3.
Die Treuhand in den Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch ..
39
§ 4.
Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders Teil 1: Die Entwicklung der Treuhanddogmatik bis zur Arbeit Schultzes
46
Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders Teil 2: Die Entwicklung der Treuhanddogmatik bis zur Arbeit Sieberts
66
§ 5.
§ 6.
Ansätze zu einer Treuhanddogmatik auf Grundlage des Verhältnisses zwischen Treugeber und Treuhänder
106
Teil 2
Das Treuhandverhältnis im geltenden deutschen Schuldrecht §7.
Treuhand als Wahrnehmung fremder Interessen
115
§8.
Gesetzliche Regelungen von Treuhandverhältnissen
135
Inhaltsübersicht
VIII § 9.
Machtmittel des Treuhänders und Resultate der Interessenwahrnehmung
159
§ 10.
Die Pflichten des Treuhänders
185
§11.
Die Pflichten des Treugebers
258 Teil 3
Interessenkonflikte als Folge einer Spaltung der Treugeberposition §12.
Quantitative Spaltung der Treugeberposition
289
§13.
Antagonistische Treugeber
306
§ 14.
Treuhandbegründer und Treuhandbegünstigter
325
Teil 4
Interessenkonflikte als Folge mehrerer nebeneinander bestehender Treuhandverhältnisse § 15.
Grundlagen
345
§16.
Vermeidung von Pflichtenkonflikten durch den Treuhänder
357
§17.
Regeln zur Auflösung von Pflichtenkonkurrenzen Teil 1: Prioritätsprinzip und Geschäftschancenlehre
371
Regeln zur Auflösung von Pflichtenkonkurrenzen Teil 2: Die Anordnung absoluten Vorrangs der Interessen eines Treugebers
401
Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen Teil 1: Inhabilitätsregelungen
424
Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen Teil 2: Beendigung oder Nichtbegründung des Treuhandverhältnisses durch den Treugeber
443
Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen Teil 3: Beendigung oder Nichtbegründung des Treuhandverhältnisses durch den Treuhänder
491
Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen Teil 4: Beschränkung der Machtmittel nach formal anknüpfenden Kriterien
506
§ 18.
§ 19. § 20.
§ 21.
§ 22.
Inhaltsübersicht § 23. § 24. § 25.
IX
Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen Teil 5: Beschränkung der Machtmittel nach materiellen Kriterien
541
Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen Teil 6: Veränderung der Pflichten des Treuhänders
550
Pflicht des Treuhänders zur Gleichbehandlung aller Treugeber aus Treu und Glauben
559
Teil 5
Interessenkonflikte bei der Willensbildung von Mittreuhändern § 26.
Stimmverbote
565
§27.
Ergänzung der Stimmverbote durch weitere Maßnahmen
591
Teil 6
Rechtsfolgen einer Verletzung der Konfliktlösungsregeln § 28. § 29. § 30.
Pflichtverletzungsfolgen unter Aufrechterhaltung des Treuhandverhältnisses
601
Die Beendigung des Treuhandverhältnisses als Pflichtverletzungsfolge
631
Probleme der Beweislast bei der Durchsetzung der Treugeberrechte
638
Teil 7
Interessenkonflikte zwischen Treugeber und Dritten § 31. § 32. § 33.
Pflichtwidriger Gebrauch von Legitimationen durch den Treuhänder
651
Pflichtwidriger Gebrauch der Rechtsinhaberschaft durch den Treuhänder
686
Der Zugriff von Treuhändergläubigern auf treuhänderische Machtmittel und Resultate Teil 1: Wege zur Lösung des „Treuhänderproblems"
720
X § 34.
§35.
Inhaltsübersicht
Der Zugriff von Treuhändergläubigern auf treuhänderische Machtmittel und Resultate Teil 2: Treuhänderisch gehaltene Rechtspositionen als Sondervermögen
750
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
830
Literaturverzeichnis
851
Stichwortverzeichnis
901
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
Inhaltsübersicht
§ 1.
Einleitung I. Thema der Untersuchung
VII
1 1
1. Interessenkonflikte im Treuhandrecht 2. A n treuhandrechtlichen Interessenkonflikten beteiligte Rechts Subjekte a) Treugeber und Treuhänder b) Treuhandfremde Treugeber c) An einem Treuhandverhältnis unbeteiligte Dritte
1 2 2 2 3
3. Interessen der beteiligten Rechtssubjekte a) Interessen des Treugebers b) Interessen des Treuhänders c) Interessen Dritter
3 3 4 4
4. Interessenkonflikte a) Interne Konflikte b) Konflikte im Innenverhältnis c) Konflikte in Außenverhältnis
5 5 5 5
II. Stand der Forschung
6
III. Forschungsbedürfnis
7
IV. Gang der Darstellung
9
XII
Inhaltsverzeichnis Teil 1
Die Entstehung des modernen deutschen Treuhandrechts § 2.
F i d u z i a r i s c h e T r e u h a n d als G e g e n b e g r i f f z u r S i m u l a t i o n I. Einleitung II. Ausgangsfälle 1. Sicherungsübereignung
13 13 13 14
a) Verbot der Mobiliarhypothek
14
aa) Partikulargesetzgebung bb) Einheitsgesetzgebung b) Auswege der Rechtspraxis
14 14 15
2. Vollindossament zu I n k a s s o z w e c k e n III. Die Simulationseinrede
16 17
1. Problemstellung
17
2. Simulation u n d Vollindossament zu I n k a s s o z w e c k e n
18
a) Argumente zugunsten des Simulationseinwands b) Argumente gegen den Simulationseinwand c) Die Auffassung des Reichsoberhandelsgerichts aa) Das Indossament als abschließender Literalkontrakt bb) Charakter der Simulation d) Begriffsschöpfungen in der Literatur aa) Verdeckte Geschäfte (Kohler) bb) Fiduziarische Geschäfte (Regelsberger) cc) Keine Verbindung zur römischen fiducia dd) Ungewollter Einfluß auf die weitere Debatte e) Wirtschaftlicher Zweck versus rechtsgeschäftlicher Wille f) Erhalt der Einreden des Wechselschuldners 3. Simulation u n d Sicherungsverkauf a) b) c) d)
Argumente zugunsten des Simulationseinwands Anknüpfung an das Vollindossament zu Inkassozwecken Abstraktheit der Ubereignung Erörterungen in der Rechtslehre aa) Kohler bb) Regelsberger cc) Hellwig d) Die Rolle des Reichsgerichts e) Kurskorrektur der Lehre
IV. Z u s a m m e n f a s s u n g
18 19 20 20 21 22 22 23 24 25 26 27 28 28 29 30 32 32 33 33 35 36 37
Inhaltsverzeichnis
§ 3.
Die Treuhand in den Beratungen z u m Bürgerlichen Gesetzbuch I. Einleitung II. Die Regelung zum Scheingeschäft III. Simulation bei der Forderungsübertragung IV. Simulation bei der Ubereignung zu Sicherungszwecken
§ 4.
XIII
39 39 39 40 41
1. Der Standpunkt Johows 2. Sicherungsübereignung und Besitzpfand
41 41
V. Zuordnung von Rechten nach wirtschaftlichen Gesichtpunkten
44
Die Treuhand im K o n k u r s des Treuhänders Teil 1: Die Entwicklung der Treuhanddogmatik bis z u r Arbeit Schultzes
46
I. Grundfragen des Treuhandrechts II. Zugriff durch Gläubiger des Treuhänders auf das Treugut 1. Allgemeines 2. Zur Entstehung des § 43 KO a) § 43 K O als Verweisungsnorm b) Die Anträge Goldschmidts c) Wertung
47 47 47 48 48 49 51
III. Die Diskussion um das Aussonderungsrecht bis 1900 1. Argumente gegen ein Aussonderungsrecht 2. Argumente zugunsten eines Aussonderungsrechts
52 52 53
IV. Die „deutschrechtliche Treuhand" als Lösungsmodell
54
1. Einführung 2. Deutschrechtliche Treuhandmodelle a) Albrechts Gewere b) Der Salmann
3. Die „deutschrechtliche Treuhand" Schultzes a) Die historischen Forschungen b) „Der Treuhänder im geltenden Recht"
V. Konsequenzen für die weitere Entwicklung
54 55 55 56
58 58 59
63
Inhaltsverzeichnis
Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders Teil 2: Die Entwicklung der Treuhanddogmatik bis zur Arbeit Sieberts I. Einleitung II. Ablehnung des Aussonderungsrechts III. „Germanische Fiducia" - vermutete Resolutivbedingung IV. Versuche zur Uberwindung der „Sollbruchstelle" der Vollrechtstreuhand 1. Billigkeit und Gewohnheitsrecht 2. Analoge Anwendung des § 392 Abs. 2 H G B 3. Begründungen aus dem Konkursrecht V. Lösungsmodelle auf der Grundlage neuartiger dinglicher Rechte 1. 2. 3. 4. 5.
Qualitative Eigentumsspaltung Kritik Quantitative Eigentumsspaltung Neue Formen dinglicher Rechte Überhöhung des treugeberischen Rückforderungsanspruches 6. „Dingliches Verwaltungsrecht" des Treuhänders
VI. Die Lösung der Rechtsprechung: Formelles und materielles Eigentum 1. 2. 3. 4. 5.
„Materielle und wirtschaftliche Vermögenszugehörigkeit" . Kritik Das Unmittelbarkeitskriterium Zustimmung in der Literatur Kritik
VII. Lösungsmodelle auf Grundlage einer nicht-dinglicher Treugeberposition 1. Ermächtigungstreuhand 2. Formallegitimation 3. Vollmachtstreuhand V I I I . Zusammenfassung: Konsolidierung des Meinungsbildes durch Siebert 1. Sieberts Ausgangshypothesen
Inhaltsverzeichnis
2. Das fiduziarische Treuhandverhältnis a) Das Schutzproblem b) Das Begründungsproblem
3. Das deutschrechtliche Treuhandverhältnis a) b) c) d) e)
Bedingte Vollrechtsübertragung Ermächtigung Dingliches Verwaltungsrecht Vollmachtstreuhand Gesamthänderische Berechtigung am Treugut
4. Stufenfolge von Treuhandformen IX. Konsequenzen für die weitere Entwicklung § 6.
Ansätze zu einer Treuhanddogmatik auf Grundlage des Verhältnisses zwischen Treugeber und Treuhänder I. Einleitung
XV 98 98 99
101 101 101 102 103 103
104 105
106 106
II. Der Ansatz Beyerles
107
1. Vertretungsweise uneigennützige Belangwahrung 2. Zeitgenössische Kritik
107 109
III. Das obligatorische Treuhandverhältnis bei Emmerich
110
IV. Zusammenfassung
112
Teil 2
Das Treuhandverhältnis im geltenden deutschen Schuldrecht § 7.
Treuhand als Wahrnehmung fremder Interessen
115
I. Treuhand als schuldrechtliche Grundform
115
II. Treuhand als Interessenwahrnehmung kraft eigener Macht... 117 III. Reichweite der Interessenwahrnehmung
119
IV. Unterscheidung von Treuhandverhältnissen und Sicherungsgeschäften
121
V. Verfolgung von gleichgerichteten Eigeninteressen durch den Treuhänder VI. Treuhand als Dauerschuldverhältnis 1. Allgemeines
123 124 124
XVI
Inhaltsverzeichnis
2. Dauertreuhandverhältnisse a) Das Modell Oetkers b) Das Modell von J.Schmidt c) Besonderheiten bei der Dauertreuhand
VII. Typengemischte Verträge 1. Verträge mit treuhandrechtlichem Schwerpunkt 2. Verträge mit untergeordneten Treuhandbestandteilen § 8.
Gesetzliche Regelungen von Treuhandverhältnissen I. § 675 Abs. 1 BGB als treuhandrechtliche Generalnorm 1. Allgemeines 2. Einordnung des Geschäftsbesorgungsvertrags
125 125 127 128
130 130 132 135 135 135 136
136 a) Zurücktreten austauschvertraglicher Elemente b) Geschäftsbesorgung, Dienstvertrag, Werkvertrag und Auftrag . 138 aa) Einheitstheorie 138 bb) Trennungstheorie 139 c) Eigene Lösung 141 aa) Anwendung der Grundformentrias Beyerles 141 bb) Auftrag und Geschäftsführung ohne Auftrag 142
3. Die gängige Definition im Lichte der neuen Ergebnisse 4. Der Treuhandvertrag als Geschäftsbesorgung mit Dienstvertragscharakter 5. Kritik der Treuhandkonstruktion Grundmanns II. Besonders geregelte Treuhandverhältnisse 1. Rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnisse 2. Treuhand kraft gesetzlicher Anordnung a) Notwendige Treuhandverhältnisse b) Gesetzliche Anordnung in anderen Fällen c) Treuhand kraft gesetzlicher Erklärungsfiktion
3. Treuhand kraft Anordnung durch staatliche Behörden § 9.
Machtmittel des Treuhänders und Resultate der Interessenwahrnehmung I. Allgemeines II. Einwirkungsmacht statt „Treugut" 1. Verschiedene Formen treuhänderischer Macht 2. Keine Kategorienbildung nach der Art der Macht III. Machtmittel und Resultate
143 146 149 152 152 154 154 155 156
158
159 159 160 160 162 162
Inhaltsverzeichnis
XVII
1. D i e Unterscheidung zwischen M a c h t m i t t e l n u n d Resultaten
162
2. D e r A n s p r u c h des Treugebers auf „ H e r a u s g a b e " der Resultate
163
a) Der Anspruch aus § 667 Alt. 2 B G B b) Treuhänder auf eigene Rechnung
163 165
IV. M a c h t b e z o g e n e Pflichten des Treuhänders
168
1. Abstraktheit der M a c h t e i n r ä u m u n g
168
a) Treuhandverträge b) Andere Treuhandverhältnisse
168 170
2. Pflichten des Treuhänders bei Bestehen des T r e u h a n d verhältnisses
171
a) Diskrepanz von Können und Dürfen b) Kein Einfluß des Machtmittels auf die treuhänderische Hauptpflicht
171 173
3. M a c h t b e z o g e n e Pflichten bei Beendigung des T r e u h a n d verhältnisses
174
a) Der Anspruch auf Herausgabe aus § 667 Alt. 1 B G B b) Vernichtung von Machtmitteln durch Zeitablauf aa) Problemstellung bb) Die nachvertragliche Geheimhaltungspflicht des Handelsvertreters cc) Nachvertragliche Wettbewerbsabreden dd) Verhinderung von Machtmißbrauch bei Rechtsanwälten .
174 176 176 177 179 181
4. E x k u r s : M a c h t b e z o g e n e Pflichten ohne T r e u h a n d verhältnis § 10. D i e Pflichten des T r e u h ä n d e r s
182 185
I. Die Interessenwahrnehmungspflicht des Treuhänders
185
1. W a h r n e h m u n g des fremden Interesses quasi mea
185
2. Die Höchstpersönlichkeit der Interessenwahrnehmung . . .
186
a) Die Regel des § 664 B G B und Sonderregelungen aa) Unmittelbarer Anwendungsbereich bb) Die Anwendung des § 664 B G B auf die entgeltliche Treuhand b) Beispiele zulässiger Delegation aa) Vertragliche Gestattung: Vermögensverwaltung bb) Gesetzliche Gestattung: Institutsfremde Uberweisung . . [1.] Rechtslage bis 1. Januar 2002 [2.] Veränderung der Rechtslage durch §§ 676ff B G B ? . . . c) Erteilung einer Generalvollmacht durch den Testamentsvollstrecker
186 186 188 191 191 191 191 192 195
XVIII
Inhaltsverzeichnis 3. Die treuhänderische Hauptpflicht als R a h m e n p f l i c h t a) Allgemeines aa) Situationsangepaßte Interessenwahrnehmung bb) Ermittlung von Einzelpflichten b) Ausfüllung des Rahmens durch den Treuhänder aa) Ermessensfehlerfreies Handeln des Treuhänders bb) Wahrnehmungsziele [1.] Abstrakt-generelle Weisung [2.] Gesetzgeberische Zielanordnung cc) Einzelne Treuhandverhältnisse dd) Grenzen der Pflichtenkonkretisierung durch den Treuhänder c) Ausfüllung des Rahmens durch den Treugeber (Konkrete Weisung) aa) Weisungsrecht des Treugebers bb) Grenzen des treugeberischen Weisungsrechts cc) Weisungswiderruf dd) Denkender Gehorsam des Treuhänders [1.] Jeder Treuhänder [2.] Kompetenztreuhänder ee) Exkurs: Hinweispflicht im vorvertraglichen Stadium . . . . II. Die Benachrichtigungspflicht als Teil der Interessenwahrnehmungspflicht 1. Benachrichtigungspflicht nach § 666 Var. 1 B G B a) Nachricht als Grundlage von Treugeberentscheidungen b) Die Benachrichtigung über Interessenkonflikte aa) Voraussetzungen der Benachrichtigungspflicht bb) Grenzen der Benachrichtigungspflicht c) Dispositivität der Benachrichtigungspflicht 2. A u s s t r a h l u n g der Benachrichtigungspflicht auf das vorvertragliche S t a d i u m a) Vorvertragliche Benachrichtigungspflicht b) Prospekthaftung als Ausgangspunkt der Benachrichtigungspflicht c) Benachrichtigung über Interessenkonflikte außerhalb von §311 Abs. 2 BGB aa) Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern bb) Informationspflicht nach § 675a BGB cc) Offenlegung von Interessenkonflikten nach WpHG 3. Exkurs: H i n w e i s - , Benachrichtigungs- u n d Beratungspflicht III. A u s k u n f t u n d R e c h n u n g s l e g u n g als Teil der Interessenwahrnehmungspflicht
195 195 196 196 198 198 199 199 202 202 204 206 206 207 209 210 210 211 212
214 214 214 215 215 219 220 220 220 222 224 224 224 226 227
230
Inhaltsverzeichnis
XIX
1. Allgemeines
230
2. Auskunft
230
a) Der allgemeine Auskunftsanspruch aus § 666 Var. 2 B G B . . . . 230 b) Sonderreglungen zum Auskunftsanspruch des Treugebers . . . 231 c) Treuhand bei der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs . 234 3. Rechenschaft
235
a) Umfang der Rechenschaft b) Zeitpunkt der Rechenschaft
235 236
4. Entlastung des Treuhänders
239
a) Entlastung im Gesellschaftsrecht b) „Entlastung" im Familienrecht c) Entlastung im allgemeinen Treuhandrecht aa) Negatives Schuldanerkenntnis bb) Treu und Glauben [1.] Tätigwerden des Treugebers [2.] Schweigen des Treugebers [3.] Feststellungsklage des Treuhänders cc) Beispiel: Die Entlastung des Testamentsvollstreckers . . . .
239 241 242 243 243 244 245 246 246
IV. Die Überwachungspflicht bei Spaltung der Treuhänderposition
247
1. Allgemeines
247
2. Reine Überwachungstreuhänder
248
a) Gesellschaftsrecht b) Familienrecht 3. Die Überwachungspflicht im Treuhänderkollegium a) Gesellschaftsrecht . b) Familienrecht 4. Folgerungen für das allgemeine Treuhandrecht a) Rechtsgeschäftliche Bestellung eines Uberwachungstreuhänders b) Überwachungstestamentsvollstrecker § 1 1 . D i e P f l i c h t e n des T r e u g e b e r s I. Die Vergütungspflicht des Treugebers 1. Vergütungspflicht als Regelfall
248 250 251 251 253 255 255 256 258 258 258
2. Erfolgsbezogen vergütete dienstvertragliche Interessenwahrnehmung
259
a) Partiarische Konstruktion b) Unterschiedliche Regelungen zur Vergütungsgefahr
259 261
3. D e r Ausgleich zwischen Beendigungsund Vergütungsinteresse
262
XX
Inhaltsverzeichnis a) Beendigungsrecht des Treugebers aa) Grund- und fristlose Kündigung nach § 627 B G B bb) Sonderregelung für Absatzmittler cc) Abberufung des Geschäftsleiters einer Kapitalgesellschaft b) Schutz des Vergütungsinteresses aa) Dienstvertragliche Treuhand bb) Werkvertragliche Treuhand cc) Sonderregelungen im Recht der Absatzmittler 4. V e r g ü t u n g o h n e I n t e r e s s e n w a h r n e h m u n g a) Mitwirkungsobliegenheiten des Treugebers aa) Dienstvertragliche Treuhand bb) Werkvertragliche Treuhand b) Mitwirkungspflichten des Treugebers aa) Ausdrückliche Vereinbarung oder Anordnung bb) Ermittlung durch Auslegung cc) Gesetzliche Treuhandverhältnisse I I . D i e P f l i c h t z u r Z a h l u n g von A u f w e n d u n g s e r s a t z 1. A u f w e n d u n g s e r s a t z
262 263 264 265 268 268 268 270 272 272 272 273 274 274 275 277 278 278
a) § 670 B G B als Konfliktlösungsregel b) Aufwendungen
278 279
2. Vorschuß
282
3. E r s a t z f ü r Zufallsschäden
283
a) Problemstellung b) Allgemeine Risikohaftung
283 284
Teil 3
Interessenkonflikte als Folge einer Spaltung der Treugeberposition § 12. Q u a n t i t a t i v e Spaltung der T r e u g e b e r p o s i t i o n I. A l l g e m e i n e s II. Gesamthandsgemeinschaft mehrerer Treugeber
289 289 289
1. E n t s t e h u n g der G e s a m t h a n d s g e m e i n s c h a f t
289
2 . G l e i c h s t u f i g e V e r b i n d u n g der M i t g l i e d e r
291
III. Interessengemeinschaft mehrerer Treugeber
292
1. D i e F i g u r der I n t e r e s s e n g e m e i n s c h a f t
292
2. Rechtsgemeinschaften
293
Inhaltsverzeichnis
XXI
3. Andere Interessengemeinschaften 4. Keine Verallgemeinerung 5. Gleichbehandlung im Versicherungsvertragsrecht?
294 295 297
a) Der Versicherungsvertrag als Treuhandverhältnis b) Keine Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
297 299
IV. Folgerungen für das allgemeine Treuhandrecht 1. Rechtsgeschäftliche Fiktion einer Gesamthandsgemeinschaft 2. Rechtsgeschäftliche Fiktion einer Interessengemeinschaft
301
V. Zusammenfassung § 13. Antagonistische Treugeber I. Einleitung II. Einzelne Schiedsrichter-Treuhänder 1. 2. 3. 4.
Zivilgerichte Schiedsrichter Schiedsgutachter Insolvenzverwalter und Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren 5. Der Treuhandvergleich a) Mechanismus b) Die Hauptpflicht des Treuhänders
6. Der Treuhänder im Versicherungsvertragsrecht III. Zusammenfassung § 14. Treuhandbegründer und Treuhandbegünstigter I. Allgemeines II. Einzelne Fälle der Spaltung in Treuhandbegründer und Treuhandbegünstigten 1. Unselbständige Stiftung a) Die Errichtung der unselbständigen Stiftung b) Die unselbständige Stiftung als Treuhandverhältnis aa) Das Beendigungsrecht des Stifters bb) Das Vollstreckungsproblem cc) Keine Errichtung der Stiftungstreuhand durch Auflagenschenkung c) Ermittlung des treuhänderischen Pflichtenkatalogs
301 302 304 306 306 307 307 309 311 312 314 314 315
319 321 323 323 323 323 323 324 325 327 329 330
XXII
Inhaltsverzeichnis
2. Testamentsvollstreckung
332
a) Der Testamentsvollstrecker als „Willensvollstrecker" des Erblassers b) Der Erblasser als Treuhandbegründer c) Die Stellung des Erben als Treuhandbegünstigtem
332 334 335
3. Versicherungsvertrag
337
a) Der Versicherer als Treuhänder des Versicherten b) Der Versicherungsnehmer als Treuhänder des Versicherten . . .
337 339
III. Schlußfolgerungen
339
1. Keine spezifischen Interessenkonflikte 339 2. Wahrnehmung der Interessen des Treuhandbegründers . . . 340 3. Wahrnehmung der Interessen des Treuhandbegünstigten . . 341
Teil 4
Interessenkonflikte als Folge mehrerer nebeneinander bestehender Treuhandverhältnisse §15. Grundlagen I. Das Bestehen mehrerer Treuhandverhältnisse als Regel II. Arten von Pflichtenkonflikten III. Konfliktlösungsnormen
345 345 346 347
1. Einzelne Sonderregelungen
347
2. Das Präventionsprinzip als ungeschriebene Regel
349
IV. Die Abkehr vom Präventionsprinzip im Treuhandrecht
349
V. Ermessenslose Bindung des Treuhänders an Konfliktlösungsregeln VI. Der Treuhänder als Treuhänder seiner selbst
351 353
§ 16. Vermeidung von Pflichtenkonflikten durch den Treuhänder .. 357 I. Konfliktvermeidungsgebot
357
II. Benachrichtigung als Instrument der Konfliktvermeidung? . . 359 1. Benachrichtigung als Entscheidungsgrundlage 2. Entscheidungsmöglichkeiten des Treugebers III. Schaffung von Vertraulichkeitsbereichen
359 360 361
Inhaltsverzeichnis
1. Funktionsweise der „Chinese Walls" 2. Chinese Walls und Wissenszusammenrechnung 3. Wissenszusammenrechnung und Konfliktvermeidungspflicht im W p H G 4. Organisationsmaßnahmen in anderen Bereichen IV. Unterlassen bestimmter Geschäftspraktiken
§17. Regeln zur Auflösung von Pflichtenkonkurrenzen Teil 1: Prioritätsprinzip und Geschäftschancenlehre I. Allgemeines
XXIII 361 362 364 367 369
371 371
II. Konfliktlösungsregel 1: Die Geschäftschancenlehre
372
1. Rezeption der Corporate Opportunity Doctrine 2. Einordnung der Geschäftschancenlehre im deutschen Recht 3. Die Zuordnung einer Geschäftschance an die Gesellschaft
372
a) Allgemeines b) „Formale Kriterien" aa) Erstkontakt oder Erstentscheidung bb) Angebot an die Gesellschaft cc) Verwendung von Gesellschaftsressourcen c) Zusammenhang mit der Treuhänderstellung d) Materielle Kriterien aa) Geschäftskreis der Gesellschaft bb) Wesentlichkeit oder Vorteilhaftigkeit für die Gesellschaft e) Vorteilhaftigkeit - und ihre Grenzen
4. Pflichtwidrigkeit der Nutzung einer Geschäftschance 5. Zusammenfassung III. Konfliktlösungsregel 2: Das Prioritätsprinzip bei der Kommission 1. Meinungsstand 2. Geltung des Prioritätsprinzips 3. Das Kriterium des Einstandswillens IV. Folgerungen für das Treuhandrecht insgesamt 1. Trennung der Interessensphären 2. Anwendung des Prioritätsprinzips im allgemeinen Treuhandrecht
372 374 374 375 375 376 377 377 379 379 380 380
381 383
383 383 385 386 388 388 390
XXIV
Inhaltsverzeichnis a) Allgemeines b) Mechanismus aa) Zeitpunkt der Entstehung einer Einzelpflicht bb) Recht oder Pflicht zur Gleichbehandlung [1.] Gleichzeitige Entstehung der Pflicht [2.] Vorteilhafte oder neutrale Abweichung c) Geltungsgrund des Prioritätsprinzips aa) Rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnisse bb) Gesetzliche Treuhandverhältnisse d) Vergleich mit dem Präventionsprinzip
3. Synthese von Geschäftschancenlehre und Prioritätsprinzip
390 391 391 393 393 394 395 396 397 398
399
§ 1 8 . Regeln zur Auflösung von Pflichtenkonkurrenzen Teil 2: Die Anordnung absoluten Vorrangs der Interessen eines Treugebers
401
I. Allgemeines
401
II. Funktion der Wettbewerbsverbote
401
III. Gesetzliche Wettbewerbsverbote
402
IV. Rechtfertigung der Wettbewerbsverbote
404
1. Position des Treugebers 2. Zumutbarkeit für den Treuhänder
404 406
V. Analoge Anwendung der Wettbewerbsverbote 1. Allgemeines 2. Persönliche Reichweite
408 408 409
a) Einflußreiche Gesellschafter b) Einflußpersonen ohne Gesellschafterstellung
409 410
3. Sachliche Reichweite des Wettbewerbsverbots
411
a) Kapitalgesellschaften b) Personenhandelsgesellschaften
4. Ausnahmen von der Geltung des Wettbewerbsverbots a) Einwilligung b) Exkurs: Doppelmandate von Vorstandsmitgliedern im Konzern c) Die Ausnahmevorschrift des §112 Abs. 2 H G B
VI. Zum Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters 1. Allgemeines 2. Wahrzunehmende Interessen
411 412
413 413 414 415
416 416 416
Inhaltsverzeichnis
XXV
3. Herkömmliche Auffassung: Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters 4. Die Gegenauffassung
417 419
V I I . Die Vereinbarung des Interessenvorrangs und ihre Grenzen . . 420 1. Allgemeines
420
2. Abwägung
421
V I I I . Zusammenfassung
422
§ 19. R e g e l n z u r B e h a n d l u n g v o n P f l i c h t e n k o l l i s i o n e n Teil 1: Inhabilitätsregelungen I. Allgemeines II. Inhabilität des Treuhänders
424 424 426
1. Gesetzliche Regelungen
426
a) Zivilgerichtsbarkeit b) Aufsichtsrat c) Abschlußprüfer
426 428 430
2. Inhabilität im allgemeinen Treuhandrecht
431
a) Aufsichtsratsmandate in Konkurrenzunternehmen 431 b) Ermittlung der Inhabilität ausschließlich anhand formaler Kriterien 434 c) Die Beseitigung einer zweifelhaften Inhabilitätsregel durch das BilReG 434 aa) Mängel der § § 3 1 8 f H G B a . F 434 bb) Neufassung durch das Bilanzrechtsreformgesetz 437 d) Weitere Streitfragen 438 aa) Wechsel aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat 438 bb) WEG-Verwalter als Mitglied des Verwaltungsbeirates . . . 439 cc) Gegenseitige Überwachung von Nebenvormündern 439 dd) Überwachung „über Kreuz" im Insolvenzrecht 440 ee) Inhabilität des Testamentsvollstreckers 441 III. Zusammenfassung
441
§ 2 0 . R e g e l n z u r B e h a n d l u n g v o n P f l i c h t e n k o l l i s i o n e n Teil 2 : B e e n d i g u n g o d e r N i c h t b e g r ü n d u n g des T r e u h a n d v e r h ä l t n i s s e s durch den Treugeber
443
I. Allgemeines
443
II. Nichtrechtsgeschäftliche Treuhandverhältnisse 1. Allgemeines
443 443
XXVI
Inhaltsverzeichnis 2. Zivilrichter a) Ausschließung eines befangenen Richters b) Auswirkungen der Befangenheit auf das Urteil 3. Schiedsrichter a) Allgemeines b) Auswirkungen der Befangenheit eines Schiedsrichters auf den Schiedsspruch aa) Allgemeines bb) Zur Auffassung Schlossers cc) Zur Auffassung der Rechtsprechung c) Eigene Lösung
444 444 446 449 449 449 449 450 452 452
4. I n s o l v e n z v e r w a l t e r
453
5. A b s c h l u ß p r ü f e r
455
6. F a m i l i e n r e c h t Vormundschaft Betreuung Pflegschaft Eltern aa) Kindeswohlgefährdung bb) Verhältnismäßigkeit e) Zusammenfassung aa) Zweistufiges Modell bb) Teilbeendigung
457
a) b) c) d)
457 458 461 462 462 464 465 465 466
III. Folgerungen
467
1. B e e n d i g u n g s v o r a u s s e t z u n g e n bei n i c h t r e c h t s geschäftlicher T r e u h a n d a) Befangenheit b) Verschiebung des Maßstabs c) Erfordernis eines formalisierenden Akts 2. A n w e n d u n g s b e i s p i e l e a) Amtsenthebung von Aufsichtsratsmitgliedern b) Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses c) Sonderfall: Entziehung der Verwaltung nach §§2129,1052 BGB 3. T e i l b e e n d i g u n g a u ß e r h a l b des § 1666 B G B
467 467 469 470 470 470 472 473 474
IV. Ü b e r t r a g u n g des M a ß s t a b s auf rechtgeschäftliche Treuhandverhältnisses
477
1. V o l l b e e n d i g u n g 2. T e i l b e e n d i g u n g 3. A b m a h n u n g
477 479 481
Inhaltsverzeichnis
XXVII
V. Zusammenfassung VI. Exkurs: Die Suspendierung des Treuhänders 1. Allgemeines 2. Vertragliche Treuhandverhältnisse a) Suspendierung im Dienstvertragsrecht b) Duplizität der Suspendierung von Treuhandvertrag und Machtmittel c) Suspendierung der Bestellung eines Vorstandsmitglieds
3. Gesetzliche Treuhandverhältnisse a) b) c) d) 3)
Allgemeines Zivilrichter Testamentsvollstrecker Vormund Insolvenzverwalter
4. Zusammenfassung
481 482 482 483 483 484 485
486 486 486 487 487 489
490
§ 21. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen Teil 3: Beendigung oder Nichtbegründung des Treuhandverhältnisses durch den Treuhänder I. Allgemeines II. Das Recht zur Beendigung eines Treuhandverhältnisses durch den Treuhänder 1. 2. 3. 4.
Rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnisse Nichtrechtsgeschäftliche Treuhandverhältnisse Wichtiger Grund Begründung des konfliktträchtigen Treuhandverhältnisses als Pflichtverletzung 5. Zusammenfassung
III. Die Beendigungspflicht des Treuhänders 1. Rechtsanwälte 2. Richter 3. Aufsichtsratsmitglieder a) Konkurrierende Unternehmen b) Übernahmefälle
4. Folgerungen
491 491 492 492 492 494 497 498 499 499 500 501 501 502
503
XXVIII
Inhaltsverzeichnis
§ 22. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen Teil 4: Beschränkung der Machtmittel nach formal anknüpfenden Kriterien I. Allgemeines II. Beschränkung der Vertretungsmacht bei Pflichtenkollision, §181 BGB
506 506 507
1. Allgemeines 507 2. Verbot des Insichgeschäfts 508 3. Ausnahmen von der Machtbeschränkung des § 181 B G B .. 509 a) Gesetzliche Gestattung b) Rechtsgeschäftliche Gestattung
4. Beschränkung und Ausweitung des § 181 BGB a) Normzweckbedingte Einschränkungen b) Erweiterungen auf andere Konfliktfälle
5. Anwendung des § 181 BGB auf andere Legitimationen 6. Familienrechtliche Erweiterung des § 181 BGB a) Allgemeines b) Regelungsgehalt des § 1795 BGB c) Versicherungsvertragsrecht
7. § 112 AktG als aktienrechtliche Parallelnorm zu § 181 BGB a) Anwendungsbereich des § 112 AktG b) Rechtsfolgen
8. Das Dreipersonenmodell bei der Kommission a) Die typische Interessenverkettung bei der Kommission b) Der Selbsteintritt des Kommissionärs
III. Weitere Legitimationsbeschränkungen 1. Allgemeines 2. Elternschaft, Vormundschaft, Betreuung, Pflegschaft a) Schenkungsverbote b) Weitere Legitimationsbeschränkungen c) Exkurs: Minderjährigenhaftungsbeschränkung
3. Eheliche Gütergemeinschaft a) Allgemeines b) Insbesondere: Das „Vermögen im Ganzen"
4. Erbrecht a) Unentgeltlichkeit b) Folgen
V. Zusammenfassung
509 510
511 511 513
517 518 518 519 521
521 521 522
524 524 524
527 527 527 527 528 529
531 531 532
535 535 538
539
Inhaltsverzeichnis
XXIX
§ 23. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen Teil 5: Beschränkung der Machtmittel nach materiellen Kriterien I. Allgemeines II. Sonderregelungen im Familienrecht
541 514 542
1. § 1796 B G B
542
2. Einzelfälle 3. Insbesondere: Der gesetzliche Vertreter als Testamentsvollstrecker
543 544
III. Übertragung auf andere Treuhandverhältnisse
546
1. Allgemeines 2. Bestellung eines Sonderverwalters im Insolvenzrecht a) Erhebliche punktuelle Interessenkonflikte b) Die Figur des „Sonderverwalters"
546 547 547 547
§ 24. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen Teil 6: Veränderung der Pflichten des Treuhänders I. Allgemeines
550 550
II. Pflicht gegenüber Drittinteressenträger vs. Pflicht gegenüber sich selbst
550
III. Kollision zweier Pflichten gegenüber Drittinteressenträgern . 551 1. Bilaterale Lösung a) Verzicht nach Entstehung der Pflichtenkollision b) Antizipierter Verzicht
2. Multilaterale Lösung
551 552 553
554
a) Maklerrecht 554 aa) Die gängige Auffassung zur Tätigkeit als Doppelmakler . 554 bb) Zutreffende Auffassung 555 b) Familienrecht 557
§ 25. Pflicht des Treuhänders zur Gleichbehandlung aller Treugeber aus Treu und Glauben I. Gleichbehandlung wegen Vorliegens einer Interessengemeinschaft II. Gleichbehandlungspflicht des Treugebers
559 559 560
XXX
Inhaltsverzeichnis
Teil 5
Interessenkonflikte bei der Willensbildung von Mittreuhändern § 26. Stimmverbote I. Allgemeines 1. Mittreuhänder - Nebentreuhänder 2. Beschlußfassung als Akt der Willensbildung im Treuhänderkollegium 3. Interessenkonflikte bei der Willensbildung II. Formal anknüpfende Stimmverbote 1. Gesetzlich geregelte Stimmverbote für Mittreuhänder 2. Weitere formal anknüpfende Stimmverbote für Mittreuhänder a) Gesellschaftsrecht b) Verallgemeinerung außerhalb des Gesellschaftsrechts aa) Allgemeines bb) Der Gläubigerausschuß als Treuhänder der Gläubiger . . . cc) Stimmverbote im Gläubigerausschuß
565 565 565 566 568 569 569 570 570 571 571 572 573
3. Feststellungsverfahren
574
III. Materielle Stimmverbote
576
1. 2. 3. 4.
Erfordernis materieller Möglichkeiten Problemstellung Rechtsgrundlage Formalisierungsmechanismus
576 578 579 580
a) Der Formalisierungsmechanismus im Rahmen des § 1796 BGB b) Der Formalisierungsmechanismus in anderen Fällen
581 582
IV. Konfliktlösung durch Veränderung der Interessenwahrnehmungspflicht
584
1. Problemstellung
584
2. Lösung
585
V. Zusammenfassung VI. Exkurs: Stimmverbote für Mittreugeber 1. Willensbildung durch Beschluß 2. Stimmverbote für Mittreugeber
586 587 587 588
Inhaltsverzeichnis
XXXI
§ 27. Ergänzung der Stimmverbote durch weitere M a ß n a h m e n I. Allgemeines
591 591
II. Weitere Maßnahmen bei formal anknüpfenden Stimmverboten
592
III. Weitere Maßnahmen bei materiellen Stimmverboten
594
IV. Verfahren und Fazit
596
Teil 6
Rechtsfolgen einer Verletzung der Konfliktlösungsregeln § 28. Pflichtverletzungsfolgen unter Aufrechterhaltung des Treuhandverhältnisses
601
I. Allgemeines
601
II. Schadenersatz
602
1. Sonderregelungen 2. Allgemeine Schadenersatzhaftung
602 603
a) Nicht nachholbare Pflicht b) Nachholbare Pflicht aa) Erfüllung der Pflicht bb) Nichterfüllung der Pflicht c) Vertretenmüssen
604 606 606 606 607
III. Teilweiser Verlust der Vergütung IV. Verwirkung der Vergütung 1. Sonderregelungen 2. Verallgemeinerung durch die Rechtsprechung 3. Kritik
608 610 610 612 613
a) Vergütungsverwirkung und Schadenersatzanspruch
613
b) Vergütung des Treuhänders im Wege von Provisionen oder Gebühren c) Umfassendere Treuhandverhältnisse
614 614
V. Gewinnabschöpfung 1. Allgemeines 2. Besondere gesetzliche Regelungen zur Gewinnabschöpfung
616 616 617
a) Gesellschaftsrecht
617
b) Dingliche Surrogation
619
XXXII
Inhaltsverzeichnis
3. Gewinnabschöpfung nach § 667 Alt. 2 B G B a) Schmiergelder, Bonifikationen etc b) Mißbrauch von Geschäftschancen etc
619 620 621
4. Gewinnabschöpfung nach § 285 B G B 622 5. Gewinnabschöpfung nach § 687 Abs. 2 B G B 624 6. Gewinnabschöpfung nach §§ 113 H G B , 88 AktG analog .. 625 a) Analogie b) Verjährung
7. Umfang der Gewinnherausgabe VI. Zusammenfassung
625 627
628 629
§ 29. Die Beendigung des Treuhandverhältnisses als Pflichtverletzungsfolge I. Allgemeines II. Kündigung III. Rücktritt 1. Voraussetzungen 2. Rechtsfolgen IV. Schadenersatz statt der ganzen Leistung
631 631 632 634 634 636 637
§ 30. Probleme der Beweislast bei der Durchsetzung der Treugeberrechte
638
I. Allgemeines
638
II. Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung des Treuhänders 1. Beweislastumkehr nach §§ 93 Abs. 2 Satz 2 AktG, 34 Abs. 2 Satz 2 GenG 2. Geltung für andere Treuhandverhältnisse a) Principal-Agent-Theory b) Grundformspezifisches Informationsungleichgewicht c) Zumutbarkeit einer Beweislastumkehr
3. Substantiierungslast
638 638 640 640 641 642
643
III. Beweislast im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität .. 644 1. Auffassung der Rechtsprechung 2. Das Modell von H . R o t h IV. Zusammenfassung
644 646 647
Inhaltsverzeichnis
XXXIII
Teil 7
Interessenkonflikte zwischen Treugeber und Dritten §31. Pflichtwidriger Gebrauch von Legitimationen durch den Treuhänder I. Allgemeines II. Ungeschriebene Einschränkungen der Vertretungsmacht
651 651 653
1. Allgemeines 2. § 138 Abs. 1 B G B - K o l l u s i o n 3. „Mißbrauch der Vertretungsmacht" a) § 242 BGB - Einrede des Rechtsmißbrauchs b) Außenwirkung des Innenverhältnisses c) Mißbrauch oder Durchgriff ? aa) Die Vertretungsmacht ist kein Recht bb) Durchgriffsvoraussetzungen
653 654 655 655 656 658 658 659
4. Pflicht z u m Unterlassen des Vertragsschlusses a) Allgemeines b) Pflichtverletzung aa) Erkundigungsrisiko des Dritten bb) Parallele 1: Vertragsschluß mit dem Interessenträger selbst cc) Parallele 2: Trennung von Willenserklärung und Motiven dd) Übertragung der Ergebnisse c) Abweichungen bei organschaftlicher Vertretungsmacht? e) Besonderheiten bei Liquidatoren aa) Vertretung „innerhalb des Geschäftskreises" bb) Ausstrahlung des § 269 AktG n.F cc) Sonderfall: Der Liquidator der Personenhandelsgesellschaft dd) Fazit f) Abweichungen bei gesetzlicher Vertretungsmacht?
662 662 662 662
III. Übertragung auf andere Legitimationen
664 664 667 668 671 671 672 673 674 675 676
1. Allgemeines 2. Ermächtigung 3. Parteien kraft Amtes a) Insolvenzverwalter b) Nachlaßverwalter c) Testamentsvollstrecker d) Fazit
676 677 678 678 679 679 680
4. Schlüsselgewalt
681
XXXIV
Inhaltsverzeichnis
IV. Zusammenfassung V. Exkurs: Machtmißbrauch durch den Kommissionär 1. Allgemeines 2. Einzelprobleme
§ 32. Pflichtwidriger Gebrauch der Rechtsinhaberschaft durch den Treuhänder I. Allgemeines II. Gesetzlich angeordnete Verfügungsbeschränkungen des Treuhänders 1. Allgemeines 2. Verfügungsbeschränkungen des Nacherben, §2112ff B G B a) Der Vorerbe als Treuhänder b) Verfügungsverbote zulasten des Vorerben c) Kritik
682 682 682 683
686 686 687 687 688 688 689 691
3. Das Verfügungsverbot nach § 9 K A G G 4. Zusammenfassung
692 693
III. Treugeberschutz im allgemeinen Treuhandrecht
694
1. „Umbau des Systems" 2. Deliktischer Schutz der schuldrechtlichen Beziehung Treugeber - Treuhänder a) Der Ansatz Marwedes b) Deliktischer Forderungsschutz
3. Vertrag mit Lastwirkung 4. Analogie zum Vollmachtsmißbrauch a) b) c) d)
Allgemeines Die Auffassung der Rechtsprechung Kritik der Rechtsprechung Der Einwand des § 137 Satz 1 BGB
694 694 694 695
697 699 699 699 701 701
IV. Eigene Lösung
704
1. Allgemeines
704
a) „Durchgriff auf das Innenverhältnis" b) „Mißbrauch der Vertretungsmacht" c) Haftung nach §§311 Abs. 2,241 Abs. 2 , 2 8 0 Abs. 1,249 Abs. 1 BGB
2. Einbeziehung des Treugebers in die Schutzwirkung des Vertrages?
704 706 706
707
Inhaltsverzeichnis
XXXV
3. § 311 A b s . 3 Satz 1 B G B a) b) c) d)
Allgemeines Rollenwechsel bei der Eigenhaftung des Vertreters Rollenwechsel im Treuhandrecht Pflichtverletzung des Geschäftspartners des Treuhänders
4. E x k u r s : A u s w i r k u n g auf das Verpflichtungsgeschäft V. Z u s a m m e n f a s s u n g , Deutschrechtliche Treuhand
§ 33. Der Zugriff von Treuhändergläubigern auf treuhänderische Machtmittel und Resultate Teil 1: Wege zur Lösung des „Treuhänderproblems" I. Allgemeines II. Machtpositionen, die dem Zugriff Dritter ausgesetzt sind 1. Zugriff durch Aufrechnung 2. Zugriff durch E i n z e l - o d e r Gesamtvollstreckung
709 709 710 712 714 716 716
720 720 721 721 722
III. D i e Weiterentwicklung der Rechtsprechung nach d e m K r i e g . 723 IV. D e r Meinungsstand z u m „Treuhänderproblem" in der Literatur seit 1960
725
1. Verdinglichung der Treugeberposition a) Das Benefiziarrecht des Treugebers aa) Die Rezeption englischen Rechts bei Assfalg bb) Kritik b) Die Dauerberechtigungsbeziehung zwischen Treugeber und Treuhänder c) Die Verdinglichung des obligatorischen Rückübertragungsanspruchs aa) Verdinglichung durch Publizität bb) Kritik
725 726 726 727
2. N e u e dingliche Rechte
734
a) Treuhandeigentum aa) Die historische Argumentation bei Wiegand bb) Kritik cc) Kausales Eigentum kraft Gesetzes b) Die rechtsvergleichende Argumentation bei Kötz aa) Der Umbau des Sachenrechts bb) Kritik c) Beschränkt dingliche Rechte eigener Art
729 731 731 732 734 734 736 737 739 739 740 742
XXXVI
Inhaltsverzeichnis 3. Treugeberschutz als zulässige Lastwirkung gegenüber Dritten a) Vollstreckungsbeschränkende Abrede b) Abwägung der Interessen V. Zusammenfassung: Die Bestimmbarkeit löst die Unmittelbarkeit ab
§ 34. Der Zugriff von Treuhändergläubigern auf treuhänderische Machtmittel und Resultate Teil 2: Treuhänderisch gehaltene Rechtspositionen als Sondervermögen I. Einleitung II. Der Schutz von Resultaten der Interessenwahrnehmung bei der Kommission
743 743 744 746
750 750 750
1. Allgemeines a) Ratio legis b) Reichweite des Schutzes aa) Surrogate bb) Aufrechnung
750 750 752 752 753
2. Keine Analogie für andere Treuhandfälle
754
III. Sonderregelungen zum Schutz der Machtmittel vor Treuhändergläubigern 1. §2115 BGB bei der Vorerbschaft a) Allgemeines b) Wirkungsweise des § 2115 BGB c) Anwendungsbereich
756 756 756 757 758
2. "Weitere Fälle aus dem Erb-und Familienrecht a) Testamentsvollstreckung b) Eheliche Gütergemeinschaft
759 759 761
3. Insolvenzrecht 4. Die Regelungen des KAGG a) Das Investmentvermögen als Sondervermögen b) Das Sondervermögen in der Vollstreckung c) Die Bedeutung der Regelungen im KAGG für das Treuhandrecht
761 762 762 763
IV. Die Lehre Coings zum „Treugut" als Sondervermögen 1. Treuhand als Halten und Verwalten von Vermögensrechten
764 765 765
Inhaltsverzeichnis
XXXVII
2. Kritik des A n s a t z e s a) Singularität der Surrogationsregelungen b) Grundsatz der Vermögenseinheit c) Neutrales Handeln V. D e r Treuhänder bei der Restschuldbefreiung 1. Die Regelungen in § 2 9 2 I n s O
766 766 769 770 771 771
2. D e r Ausgangspunkt des Gesetzgebers der Insolvenzordnung
772
a) Vollstreckungsschutz b) Ablehnung der Unmittelbarkeit c) Zweckbindung als entscheidendes Kriterium
773 774 775
V I . E n t w i c k l u n g des Treuhandbildes Von der A u s n a h m e z u r Regel
776
V I I . E x k u r s : Methodologische Probleme
778
1. D e r W i d e r s p r u c h bezüglich der Rechtsfähigkeit der G b R
779
a) Die traditionelle Auffassung b) Impulse durch das U m w G aa) Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . bb) Kritik c) Die Kehrtwende der Rechtsprechung
779 779 779 782 783
2. D e r U m g a n g mit dem W i d e r s p r u c h a) Die Hinnahme des Widerspruchs b) Auflösung des Widerspruchs c) Konfliktlösung auf der subjektiven Ebene aa) Allgemeines bb) Dynamischer Wille cc) Heutiger Gesetzgeber dd) „Korrekturebene" [1.] Vorrang des „neuen" Willens [2.] Vorrang des „alten" Willens d) Konfliktlösung auf der objektiven Ebene aa) Grenzen der Auslegung [1.] Wortlautgrenze [2.] Willensgrenze [3.] Synthese bb) Geltungszeitliches Rechtsverständnis
784 784 785 786 786 787 788 789 789 790 791 792 792 793 794 796
V I I I . Die Auflösung des W i d e r s p r u c h s im Wege des „Funktionswandels"
797
XXXVIII
Inhaltsverzeichnis 1. E x k u r s : D i e R e c h t s f ä h i g k e i t der G e s e l l s c h a f t bürgerlichen R e c h t s 2. Treuhandrecht a) Der Grundsatz der Vermögenseinheit b) Stillschweigende Voraussetzung eines treuhänderischen Sondervermögens c) Abwägung d) Zur Dogmatik des Sondervermögens aa) Das Sondervermögen als fiktives Rechtssubjekt bb) Das Sondervermögen als Zweckvermögen cc) Haftungsrechtliche Strukturgleichheit realer und fiktiver Rechtsträger [1.] Allgemeines [2.] Einseitig abgeschottete Sondervermögen [3.] Beiderseitig abgeschottete Sondervermögen [4.] Folgerungen für ein Sondervermögen des atypischen Treuhänders
I X . Das treuhänderische Sondervermögen 1. E n t s t e h u n g des S o n d e r v e r m ö g e n s a) Gesetzlich geregelte Treuhandverhältnisse b) Atypische Treuhandverhältnisse aa) Maßgeblichkeit des Treuhandvertrags bb) Der Bestimmtheitsgrundsatz
797 798 798 799 799 800 801 802 804 804 805 805 806 807 807 807 808 808 809
2. D i e U n t e r s c h e i d u n g z w i s c h e n verschiedenen Gläubigergruppen
809
3. D e r V o l l s t r e c k u n g s z u g r i f f d u r c h T r e u h ä n d e r g l ä u b i g e r . . . .
810
a) Allgemeines b) Interventionsrecht des Treugebers aa) § 7 7 1 Z P O bb) Andere Interventionsrechte c) Interventionsrecht des Treuhänders d) Die Position des Treugebers aa) Klage gegen den Treuhänder bb) Geltendmachung der Treuhänderrechte durch den Treugeber [1.] Allgemeines [2.] Gesellschafterklage gegen Dritte als Vorbild für die „Treugeberklage" [3.] Zur Dogmatik der Gesellschafterklage [4.] Herleitung der Treugeberklage aus dem Treuhandvertrag [5.] Prozessuale Fragen
810 811 811 812 812 813 814
4. V o l l s t r e c k u n g s z u g r i f f von T r e u h a n d g l ä u b i g e r n
815 815 816 818 820 822 824
Inhaltsverzeichnis 5. Vollstreckungszugriff von Treugebergläubigern a) Allgemeines b) Einzelvollstreckung c) Insolvenz X. Zusammenfassung
XXXIX 825 825 825 826 828
§35. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
830
Literaturverzeichnis
851
Stichwortverzeichnis
901
§ 1. Einleitung I. Thema der Untersuchung 1. Interessenkonflikte im Treuhandrecht Jedes Rechtssubjekt hat rechtliche, wirtschaftliche und ideelle Interessen. Das Privatrecht regelt Konflikte zwischen den Interessen mehrerer Privatrechtssubjekte. 1 Das einzelne Rechtssubjekt kann in einer liberalen Privatrechtsordnung seine Interessen grundsätzlich frei und nach eigenem Willen verfolgen, 2 denn eine liberale Rechtsordnung geht davon aus, daß jedes Rechtssubjekt seinen Interessen im Widerstreit mit anderen Rechtssubjekten, die ebenfalls ihre Interessen verfechten, zur angemessenen Geltung verhelfen könne. Die bürgerlich-rechtliche Gesetzgebung in einem liberalen Rechtsstaat setzt der eigennützigen Interessenverfolgung durch das einzelne Rechtssubjekt lediglich äußerste Grenzen. Dieses - in bestimmten Grenzen - freie Spiel des Ausgleichs widerstreitender Interessen mindestens zweier Rechtssubjekte im Rahmen einer liberalen Rechtsordnung soll nicht insgesamt Thema dieser Abhandlung sein. Es sollen vielmehr Interessenkonflikte beleuchtet werden, die im Zusammenhang mit Treuhandverhältnissen auftreten können. Diese Schuldverhältnisse zeichnen sich dadurch aus, daß ein Rechtssubjekt seine Interessen teilweise oder insgesamt nicht selbst wahrnimmt. Als Treuhänder wird infolgedessen jedes Rechtssubjekt angesehen, das vertraglich oder gesetzlich dazu verpflichtet ist, Interessen eines anderen Rechtssubjekts - des Treugebers - wahrzunehmen. Durch dieses Auseinanderfallen von Interessenträgerschaft und Interessenwahrnehmung entstehen spezifische Interessenkonflikte, die in Austauschschuldverhältnissen, bei denen sich die Vertragsparteien als Antagonisten gegenüberstehen, oder Gesellschaftsverträgen, bei denen die Vertragsparteien idealtypisch ihre gleichgerichteten Interessen gemeinsam verfolgen, nicht in dieser Weise auftreten.
1 2
StaudingerICoing Einl. Rn. 114,183. Staudinger/Schäfer § 826 BGB Rn. 3.
2
§ 1.
2. An treuhandrechtlichen beteiligte Rechtssubjekte
Einleitung
Interessenkonflikten
a) Treugeber und Treuhänder An einem Treuhandverhältnis sind mindestens ein Treugeber und ein Treuhänder beteiligt. Allerdings können auf der Treuhänder- und Treugeberseite jeweils mehrere Personen stehen. So hat beispielsweise ein minderjähriges Kind miteinander verheirateter Eltern grundsätzlich zwei Treuhänder in Form seiner beiden Elternteile, die als sogenannte Mittreuhänder gemeinschaftlich die Treuhänderstellung wahrnehmen, § 1629 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 B G B . Es ist aber auch denkbar, daß die Treuhänder, sogenannte Nebentreuhänder, unterschiedliche Kompetenzen haben, indem ein Treuhänder für die Geschäftsführung zuständig ist und der andere Treuhänder diesen Geschäftsführer kontrolliert. Dieses Modell findet sich mit den Treuhändern Vorstand und Aufsichtsrat im Recht der Kapitelgesellschaften. Beauftragen Ehegatten, die in Gütergemeinschaft leben, einen Vermögensverwalter mit der Verwaltung einiger Positionen aus dem Gesamtgut, § 1416 Abs. 1 B G B , so füllen sie gemeinsam und gleichberechtigt die Treugeberposition aus, die damit quantitativ gespalten ist. Gleiches gilt für das Verhältnis mehrerer Erben zu einem Testamentsvollstrecker. Außerdem ist es denkbar, daß sich die Position des Treugebers in der Weise auf zwei Beteiligte verteilt, daß es zu einer qualitativen Spaltung der Treugeberposition kommt: Eine Person begründet die Treuhand (Treuhandbegründer), eine andere Person soll den Nutzen aus der Treuhand ziehen (Treuhandbegünstigter). Ein gesetzlich geregelter Fall dieser Form der Spaltung der Treugeberposition ist die Testamentsvollstreckung; dort ist der Erblasser Treuhandbegründer, während der Erbe Treuhandbegünstigter ist. Ähnliche Konstellationen können auch vertraglich im Wege eines Vertrages zugunsten eines Dritten oder durch Errichtung einer Stiftung geschaffen werden. Schließlich kann die Treugeberposition auch in der Weise qualitativ gespalten sein, daß sich Treugeber als Antagonisten gegenüberstehen, wie das etwa bei den Parteien eines Schiedsverfahrens der Fall ist, in dem der Schiedsrichter als Treuhänder der Parteieninteressen fungiert, soweit der Streitgegenstand reicht.
b) Treuhandfremde
Treugeber
Treuhänder werden regelmäßig Treuhandverhältnisse mit mehreren verschiedenen Treugebern oder Treugebergruppen begründen, die - anders als bei den unter a) geschilderten Fällen - keinerlei Verbindung miteinander aufweisen. Aus Sicht des einzelnen Treugebers handelt es sich dabei um sogenannte Dritttreugeber. Eltern mögen etwa die Sorge für mehrere Kinder haben, Rechtsanwälte
I. Thema der
Untersuchung
3
oder Vermögensverwalter haben mehrere Mandanten, Kommissionäre oder Kommissionsagenten werden von mehreren Kommittenten beauftragt, Banken haben eine Vielzahl von Kunden, für die sie Konten führen, Uberweisungen vornehmen, Schecks einlösen oder Wertpapiergeschäfte ausführen. Umgekehrt haben die meisten Rechts Subjekte auch mehrere, miteinander unverbundene Treuhänder.
c) An einem Treuhandverhältnis
unbeteiligte
Dritte
Schließlich stehen die an einem Treuhandverhältnis beteiligten Personen in rechtlichen oder tatsächlichen Beziehungen zu dritten, nicht am Treuhandverhältnis beteiligten Personen. Der Treuhänder schließt im Rahmen seiner Tätigkeit Verträge mit Dritten, möglicherweise schädigt er auch geschützte Rechtsgüter Dritter. Hieraus können Ansprüche dieser Personen gegen Treuhänder und/oder Treugeber entstehen. Zu berücksichtigen sind zudem die Gläubiger von Treugeber und Treuhänder, deren Ansprüche durch das Handeln des Treugebers oder des Treuhänders „als Privatmann", also unabhängig von der Treuhand, entstanden sind (Eigengläubiger).
3. Interessen
der beteiligten
Rechtssubjekte
a) Interessen des Treugebers Der Treugeber hat zunächst ein Interesse daran, daß er ein rechtsgeschäftliches Treuhandverhältnis nach seinen Vorstellungen begründen kann und dabei keinen Restriktionen ausgesetzt ist. Desweiteren ist er daran interessiert, daß der Treuhänder seine, des Treugebers, Anweisungen befolgt, auch ansonsten die Treugeberinteressen optimal wahrnimmt und dabei insbesondere eigene Interessen genauso wie die Interessen von Drittreugebern oder Dritten hintanstellt. Der Treuhänder soll seine Befugnisse, die ihm aus seiner Treuhänderstellung erwachsen, nicht mißbrauchen, am besten soll er zu einem solchen Mißbrauch überhaupt nicht in der Lage sein. Außerdem ist dem Treugeber wichtig, daß nicht mittelbar über den Treuhänder andere Personen auf Vermögenswerte zugreifen können, an denen er (der Treugeber) interessiert ist, und diese gegebenenfalls haftbar machen oder ihre Entscheidung an die Stelle der Treuhänderentscheidung setzen können. Schließlich wäre es ideal für den Treugeber, wenn sein Vermögen nicht für das Handeln des Treuhänders haftbar wäre.
4
§ 1.
Einleitung
b) Interessen des Treuhänders Der Treuhänder möchte bei der Interessenwahrnehmung für den Treugeber vermeiden, daß er in irgendeiner Weise für sein Handeln persönlich haftbar gemacht werden kann. Er möchte, daß nur Rechtspositionen, die dem Treugeberinteresse zu dienen bestimmt sind, in die Vermögensmasse fallen, die bei Treuhandgeschäften haftet, während sein Eigenvermögen verschont bleibt. Vor allem in Fällen notwendiger Treuhand (damit sind Fälle gemeint, in denen der Treugeber zwingend auf einen Treuhänder angewiesen ist, weil er selbst seine Interessen nicht wahrnehmen kann, wie das etwa bei einem geschäftsunfähigen Treugeber oder einer juristischen Person als Treugeber der Fall ist) möchte der Treuhänder außerdem möglichst unbeeinflußt von irgendwelchen Aufsichtsorganen handeln können. Der Treuhänder möchte, besonders wenn er gewerblich handelt, nicht daran gehindert sein, möglichst viele Treuhandverhältnisse zu begründen. Zudem möchte der Treuhänder durch die Verwaltung fremder Interessen nicht an einer sachgerechten Wahrung eigener Interessen gehindert werden. Er möchte auch nicht zu übertriebener Sorgfalt oder übertriebenem Aufwand verpflichtet sein. Schließlich möchte jedenfalls der gewerblich handelnde Treuhänder einen möglichst hohen Gewinn aus der Interessenwahrnehmung für die Treugeber ziehen.
c) Interessen
Dritter
Die Eigengläubiger des Treuhänders haben ein Interesse daran, gegebenenfalls auch auf Vermögenswerte Positionen, die der Treuhänder für den Treugeber hält, zugreifen zu können; das gleiche Interesse haben die Eigengläubiger des Treugebers. Die Treuhandgläubiger haben ein Interesse daran, auf treuhänderisch gehaltene Vermögenswerte Positionen zugreifen zu können, würden jedoch gerne auch das Eigenvermögen des Treugebers und/oder Treuhänders und Vermögenswerte Positionen aus anderen Treuhandverhältnissen des Treugebers und/oder Treuhänders haftbar machen. Alle anderen Beteiligten am Rechtsverkehr, die in irgendeiner Weise mit der Treuhand in Berührung kommen, haben ein Interesse daran, durch die Begründung der Treuhand, die eine personelle Spaltung zwischen Interessenträgerschaft und Interessenwahrnehmung mit sich bringt, keine Nachteile im Vergleich zum Zustand der eigenhändigen Interessenwahrnehmung zu erleiden. Dazu gehört insbesondere, daß Dritte vermeiden wollen, durch interne Abreden oder Verpflichtungen zwischen Treugeber und Treuhänder Rechtsnachteile zu erleiden.
I. Thema der
4.
Untersuchung
5
Interessenkonflikte
a) Interne
Konflikte
Bereits innerhalb der Treugeber- oder Treuhänderposition können verschiedene Interessenkonflikte auftreten. Einmal ist es denkbar, daß mehrere Treugeber bei quantitativ gespaltener Treugeberposition uneins über die Ausübung der Treugeberbefugnisse oder ihre Haftung sind. Dann bedarf es eines Konfliktlösungsund Entscheidungsmechanismus innerhalb der Treugebergruppe. Gleiches gilt bei quantitativer Spaltung der Treuhänderposition. Außerdem kann die Treugeberposition qualitativ auf einen Treuhandbegründer und einen Treuhandbegünstigten oder mindestens zwei Streitparteien aufgespalten sein. Hier stellt sich die Frage, welche Befugnisse jeweils welchem Beteiligten zustehen und wer wofür haftet. Gleiches gilt bei qualitativer Spaltung der Treuhänderposition in mehrere Nebentreuhänder. b) Konflikte im
Innenverhältnis
Im Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder kann es zu verschiedenen Konflikten kommen. Das Interesse des Treuhänders an einem möglichst weiten Spielraum bei der Interessenwahrnehmung konfligiert mit dem Interesse des Treugebers, den Treuhänder an die eigenen Vorgaben zu binden. Zudem kann das Interesse des Treugebers an optimaler Interessenwahrnehmung in Konflikt mit den vom Treuhänder wahrgenommenen Eigeninteressen geraten. Vor allem ist denkbar, daß ein Konflikt der Treugeberinteressen mit dem Interessen anderer Treugeber, sogenannter Dritttreugeber, für die der Treuhänder ebenfalls tätig ist, entsteht. Hier stellt sich jeweils die Frage, welchem Interesse der Vorrang einzuräumen ist. Erst im Lichte der hier anwendbaren Konfliktlösungsregeln erhält die Interessenwahrnehmungspflicht des Treuhänders ihr endgültiges Gepräge; die Einhaltung dieser Regeln wird durch die Anordnung von Pflichtverletzungsfolgen sanktioniert. Schließlich haben beide Seiten ein Haftungsverschonungs- bzw. Haftungsbegrenzungsinteresse, wollen also ihre Haftung für Verbindlichkeiten, die sich aus dem Treuhandverhältnis ergeben, möglichst gering halten und geraten auf diese Weise in einem Konflikt. Es bedarf also der Ermittlung entsprechender Haftungsregeln im Treuhandrecht. c) Konflikte in
Außenverhältnis
Im Außenverhältnis zu Dritten konfligieren Zugriffsinteressen Dritter mit dem Haftungsverschonungs- bzw. Haftungsbegrenzungsinteresse von Treuhänder und Treugeber sowie dem Interesse des Treugebers am Erhalt vom Machtmitteln, die er dem Treuhänder eingeräumt hat. Es ist die Frage zu klären, ob Dritte
6
§ 1.
Einleitung
auf vollstreckungsfähige Machtmittel, die der Treugeber dem Treuhänder eingeräumt hat, zugreifen dürfen und ob der Treugeber einen derartigen Zugriff abwehren kann. Dritte wollen außerdem keine Nachteile dadurch erleiden, daß sie mit einem Treuhänder in rechtsgeschäftlichen Kontakt treten, während der Treugeber ein Interesse daran hat, an Rechtsgeschäfte des Treuhänders, die nicht seinen Interessen dienen, rechtlich und wirtschaftlich nicht gebunden sein. In diesem Zusammenhang sind deshalb die Folgen eine Machtmißbrauchs durch den Treuhänder zu erörtern.
II. Stand der Forschung Konflikte im Außenverhältnis sind der klassische Untersuchungsgegenstand im Treuhandrecht, denn die Treuhand wird herkömmlich über diese Probleme definiert. Siebert3 sieht in seiner 1933 erschienenen umfassenden Monographie über „Das rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnis" denjenigen als Treuhänder, der „zur Ausübung eines Vermögensrechts in fremdem Interesse bestellt und dazu mit eigener Rechtszuständigkeit an diesem Rechte ausgestattet ist". Auch Coing4 definiert vierzig Jahre später die Treuhand noch ähnlich, nämlich als rechtsgeschäftliche Verpflichtung, bestimmte Rechte, die einer Person zustehen oder über die sie verfügen kann, nicht im eigenen, sondern in fremdem Interesse zu halten und auszuüben. Kriterium ist also jeweils die Übertragung dinglicher Befugnisse vom Treugeber auf den Treuhänder, „die Macht des Treuhänders [beruht] auf seiner dinglichen Ausstattung" 5 . Zudem wird auf ein bestimmtes „Treugut", das nur in einem „Vermögensrecht" oder „Recht" bestehen könne, abgestellt. Diese Kriterien lassen sich nur aus der Funktion, die der Rechtsfigur „Treuhand" im Gefüge der Zivilrechtsdogmatik zugewiesen wurde, verstehen. Sie sollte zunächst ermöglichen, bestimmte Rechtsgeschäfte Dritten gegenüber als gültig und nicht simuliert anzuerkennen. Vor allem sollte diese Rechtsfigur in der Lage sein, ein bestimmtes „Treugut" im Verhältnis zu Dritten dem Treugeber zuzuordnen, auch wenn Rechtsträger der Treuhänder war. Das wurde deshalb erforderlich, weil vor allem in Fällen der Sicherungsübereignung der Sicherungsgeber gezwungen ist, dem Sicherungsnehmer ein Mehr an Rechten, nämlich das volle Eigentum, zu übertragen, als eigentlich für die Sicherung erforderlich ist, die auch durch ein im BGB allerdings nicht vorgesehenes besitzloses Pfandrecht erfolgen könnte. Es geht also nach bis heute gängiger Auffassung darum, daß „im Verhältnis des Treuhänders zu seinen Gläubigern und den Gläubigern des Treugebers eine billigenswerte Berücksichtigung einerseits der 3 4 5
Siebert, Treuhandverhältnis, S.22. Coing, Treuhand, S. 85. Lammel, Haftung, S. 17.
III. Forschungsbedürfnis
7
Rechtsstellung des Treuhänders zum Treugut, andererseits der wirtschaftlichen Zuordnung des Treugutes zum Treugeber gleichermaßen" 6 erreicht wird. Das Treuhandrecht hat sich vor allem an der Auflösung des Konflikts zwischen dem Zugriffsinteresse von Gläubiger des Treuhänders und dem Treuguterhaltungsinteresse des Treugebers, dem sogenannten Treuhänderproblem, entwickelt. Andere Interessenkonflikte im Treuhandrecht bleiben bei diesen Erörterungen außer Betracht. Lediglich Grundmann erörtert in seiner Monographie aus dem Jahre 1996 das Treuhandrecht auch in Beziehung auf das Verhältnis von Treugeber und Treuhänder. Grundmann wiederum beschäftigt sich allerdings ebenfalls ausschließlich unter dem Gesichtspunkt eines bestimmten Interessenkonflikts mit dem Treuhandrecht: Er geht davon aus, daß der Treuhänder eine „Interessenwahrungspflicht stricto sensu" habe und deshalb sämtliche andere Interessen hinter die Treugeberinteressen zurückstellen müsse.7 Er wählt auf diese Weise wiederum eine verengte Ausgangsposition, nämlich eine bestimmte Lösung eines von vielen treuhandrechtlichen Interessenkonflikten, weil er das Ziel verfolgt, bestimmte Treuhandelemente in das Gesellschaftsrecht zu importieren und mit ihrer Hilfe gesellschaftsrechtliche Treuepflichten zu begründen. Neben den klassischen Monographien Sieberts, Coings und Grundmanns existieren unzählige Arbeiten zum Treuhänderproblem und zu einzelnen Treuhandverhältnissen, die jedoch keine dogmatische Gesamtschau des Treuhandrechts anstreben. Vorliegende Untersuchung möchte hingegen nicht - wie bisher im Treuhandrecht üblich - von der Lösung eines bestimmten Interessenkonflikts in bestimmter Weise als Definitionsmerkmal „der Treuhand" ausgehen, von der dann bestimmte Regeln abgeleitet werden, sondern ein Treuhandmodell entwerfen, das sämtlich auftretende Interessenkonflikte auf befriedigende Weise zu lösen vermag. Ausgeklammert werden Fragen der Treuhand an Gesellschaftsanteilen, die zuletzt von Armbrüster und Tebben eingehend erörtert worden sind.
III. Forschungsbedürfnis „Interessenwahrung und Interessenkonflikte" ist nach Auffassung von Hopt „ein ebenso aktueller wie grundlegender Fragenkreis der modernen Dienstleistungsgesellschaft, ist es doch ein Kennzeichen unserer Zeit, daß die Komplexität allenthalben anschwillt, und sich nur noch mit Hilfe vom Intermediären, spezialisierten Dienstleistern und Interessenwahrern bewältigen läßt". 8 Die Fortentwicklung des Vertragsrechts findet zum großen Teil auf diesem Gebiet 6 7
8
Soergel/Scbultze-von Lasaulx vor § 164 BGB Rn. 64. Eingehend dazu unten § 8 I 5.
Hopt ZGK 33,1,2.
8
§ 1.
Einleitung
statt. Martinek9 spricht von einem „ungemein dynamischen Prozeß der sich potenzierenden Vermehrung von Untertypen" in diesem Bereich. Trotzdem fehlt es bislang an einer Untersuchung, in der die treuhandrechtlichen Interessenkonflikte umfassend behandelt werden und die das Treuhandrecht nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Lösung eines bestimmten Interessenkonflikts sieht. Lediglich für einzelne Treuhandverhältnisse finden sich Erörterungen zu Interessenkonflikten, die aber meist nur bei einer bestimmten Form der Interessenwahrnehmung erörtert werden und damit zu einer noch stärkeren Zerfaserung des Treuhandrechts beitragen. Nach Auffassung von Hoptw ist deshalb die Rechtswissenschaft aufgerufen, „über die Zufälligkeiten des Fallrechts unter den verschiedenen Rechtsquellen hinaus allgemeine Grundsätze rechtlicher Behandlung von Interessenkonflikten zu entwickeln". Vorliegende Untersuchung möchte einen Beitrag zur Entwicklung eines „Allgemeinen Treuhandrechts" leisten, indem sie Konfliktlösungsregeln aufgezeigt, die für sämtliche Treuhandverhältnisse gelten oder die wenigstens auf bestimmte Gruppen von Treuhandverhältnissen unterschiedslos angewendet werden können, ohne dabei freilich die unzähligen einzelnen Treuhandverhältnisse sämtlich abzuhandeln zu können. Versteht man dabei Treuhand als einen Grundtypus des Privatrechts, der sich durch eine bestimmte Interessenverkettung mindestens zweier Privatrechtssubjekte kennzeichnet,11 wird deutlich, daß es sich bei „Interessenkonflikten im Treuhandrecht" um ein Querschnittsproblem handelt, das die gesamte Privatrechtsordnung durchzieht.12 Dieses Problem soll einer rechtsdogmatischen, also vorrangig auf das geltende Recht bezogenen Untersuchung zugeführt werden. Rechtshistorische Entwicklungslinien können dabei freilich nicht außer Acht bleiben, denn allein sie machen deutlich, warum ein Allgemeines Treuhandrecht bislang in Deutschland nicht entwickelt werden konnte und warum bestimmte treuhandrechtliche Problemstellungen entstanden sind. Der Reiz der historischen Untersuchung liegt darin, daß die Treuhand eine vom Gesetzgeber weitgehend unbehinderte Schöpfung von Rechtsprechung und wissenschaftlicher Doktrin ist. Einen weiteren Anlaß für diese Untersuchung geben gesetzgeberische Impulse aus der jüngeren Vergangenheit - nicht etwa die Schuldrechtsmodernisierung, sondern Gesetzesänderungen in „Randbereichen" der Rechtsordnung, die mit der Figur des Treuhänders arbeiten. Zu nennen sind etwa der Treuhänder im Versicherungsrecht, §§ 172, 178g VVG, oder der Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren, §§ 291 ff InsO. Eine Fortentwicklung des Treuhandrechts können zudem auch die Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen in §§ 31 ff WpHG oder die Neufassung der Regelungen über den Buchprüfer in 9 10 11 12
Staudingerl Martinek § 675 B G B Rn. A3. Hop Z G R 3 3 , 1 , 5 1 . Eingehend dazu unten § 6 und § 7. Vgl. Isele, Geschäftsbesorgung, S. 1.
IV. Gang der
Darstellung
9
§§ 318 ff HGB anstoßen. Hinzuzufügen sind außergesetzliche Entwicklungen insbesondere im Bereich der Kapitalgesellschaften, enthält doch der Deutsche Corporate Governance Kodex Regelungen zu Interessenkonflikten. Es sind also nicht zuvorderst Elemente des Treuhandrechts in das Gesellschaftsrecht zu übertragen, sondern vielmehr kann das Gesellschaftsrecht umgekehrt die Entwicklung eines Allgemeinen Treuhandrechts befördern.
IV. Gang der Darstellung Die Untersuchung beginnt in Teil 1 mit einer historischen Analyse der modernen Treuhanddogmatik. Sie soll aufzeigen, auf welchen zufälligen geschichtlichen Entwicklungen die gängige Treuhanddogmatik beruht. Das ist um so wichtiger, als das Inkrafttreten des BGB, das den Treuhänder nicht erwähnt, im Treuhandrecht keinen Schnitt bedeutet hat und deshalb die gängige Dogmatik noch heute Kategorien aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verhaftet scheint. Anschließend werden in Teil 2 die Grundlagen für die Analyse der Interessenkonflikte im Treuhandrecht gelegt, indem ein von der gängigen Treuhanddogmatik abweichender Ausgangspunkt der Untersuchung begründet wird. Dieser Ansatz soll eine Verengung des Blicks auf bestimmte Interessenkonflikte oder bestimmte Konfliktlösungsergebnisse verhindern. Auf dieser Grundlage wird das Treuhandverhältnis in die Dogmatik des geltenden Schuldrechts, insbesondere der Dauerschuldverhältnisse, eingeordnet. Anschließend wird ermittelt, welche gesetzlichen Regelungen zu Treuhandverhältnissen sich finden und wie sie zu verstehen sind. Schließlich werden die Pflichten des Treuhänders und des Treugebers im Treuhandrecht umrissen. Teil 3 behandelt Interessenkonflikte, die aus einer quantitativen oder qualitativen Spaltung der Treugeberposition auf mehrere Treugeber entstehen und stellt Regeln auf, an denen sich der Treuhänder bei seiner Interessenwahrnehmung für eine Treugebergruppe aus mehreren Treugebern mit gegebenenfalls widerstreitenden Interessenträger zu orientieren hat. Anschließend werden in Teil 4 Interessenkonflikte behandelt, die entstehen, wenn ein Treuhänder Interessen mehrerer Treugeber oder Treugebergruppen wahrnimmt, die nicht miteinander verbunden sind. Die Interessen dieser Treugeber können miteinander konfligieren, was das Entstehen miteinander konfligierender Treuhänderpflichten zur Folge haben kann. Zunächst ist zu erörtern, inwieweit der Treuhänder zur Vermeidung solcher Konflikte verpflichtet ist. Anschließend werden Konfliktauflösungsregeln erarbeitet; dabei sind die Konflikttypen Pflichtenkonkurrenz und Pflichtenkollision zu unterscheiden. Teil 5 beschäftigt sich mit den Konflikten, die infolge einer Spaltung der Treuhänderposition entstehen können und ihren Auswirkungen auf die Interessenwahrnehmungspflicht der Treu-
10
§ 1. Einleitung
händergruppe. In Teil 6 werden die Sanktionen pflichtwidriger Konfliktauflösung dargestellt. Dabei ist zwischen Sanktionen die das Treuhandverhältnis als solches nicht berühren und Sanktionen, die das Treuhandverhältnis insgesamt beenden, zu unterscheiden; außerdem werden Fragen der Durchsetzung dieser Sanktionen durch den Treugeber behandelt. In Teil 7 werden schließlich die klassischen Konfliktfelder des Treuhandrechts erörtert: Die treuwidrige Verfügung des Treuhänders über die ihm vom Treugeber als Machtmittel übertragenen Rechtspositionen im Spannungsfeld der Interessen von Treugeber und Verfügungspartner des Treuhänders und das „Treuhänderproblem", also die Frage des Zugriffs von Treuhändergläubigern auf „Treugut", wo es zu einen Konflikt der Interessen von Treugeber und Gläubiger kommt. Dabei werden vielfach gängige, aber unzutreffend begründete Auffassungen auf neuer Grundlage bestätigt werden. Eine neue Dogmatik in einem Rechtsgebiet muß sich nämlich auch dadurch beweisen, daß sie in der Lage ist, den geltenden und als befriedigend empfundenen Rechtszustand im großen und ganzen zu bestätigen. „Eine (neue) Dogmatik, nach der die meisten .Fälle' anders zu entscheiden wären als bisher, wäre schon deshalb .falsch'". Vielmehr dient sie Einzelkorrekturen und soll Einfluß auf die Rechtsfortbildung nehmen. 13
13
Pawlowski, Ehe, S . 8 .
Teil 1
Die Entstehung des modernen deutschen Treuhandrechts
§2. Fiduziarische Treuhand als Gegenbegriff zur Simulation I. Einleitung Das deutsche Treuhandrecht entsteht im 19. Jahrhundert völlig neu. Es besteht keine Kontinuität zu ähnlichen im Mittelalter und der frühen Neuzeit geläufigen Rechtsfiguren, die längst aus der Übung gekommen waren. 1 Erst nach der festen Etablierung des Rechtsinstituts der Treuhand in Rechtspraxis und -lehre des 19. Jahrhunderts wird zum Teil 2 eine solche Kontinuität zu alten „deutschrechtlichen" Rechtsfiguren mit treuhänderischem Charakter behauptet. Dieser Versuch, die Treuhand als deutschrechtliche Figur zu reklamieren, dürfte allerdings allein vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen Romanisten und Germanisten zu sehen sein. 3 Die Ursprünge des modernen deutschen Treuhandrechts liegen vielmehr in der Rechtspraxis des 19. Jahrhunderts, die darauf reagiert hat, daß das geltende Recht den wirtschaftlichen Bedürfnissen in einer Zeit rasanter Industrialisierung nicht mehr entsprochen hat. 4
II. Ausgangsfälle Im 19. Jahrhundert entwickelten sich in der Rechtspraxis vor allem zwei Rechtsfiguren, die wir noch heute kennen: die Sicherungsübereignung (allerdings in Form des Sicherungsverkaufes) und das Vollindossament zu Inkassozwecken. 5
Vgl. dazu auch Hellwig AcP 64, 369; Otten, Entwicklung, S. 48. Mitteis/Liebrich, DPrR, S. 28; Planitz, DPrR, S. 26; Schnitze JherJB 43,19 f. und 102 f. 3 Asmus, Grundlagen, S. 2. 4 Vgl. Nathan, Übertragung, S. 1. Eine solche Funktion der Treuhand ist freilich nichts Neues in der Geschichte treuhänderischer Rechtsinstitute, die immer wieder als Reaktion auf Schwächen des geltenden Rechts entwickelt wurden: Als Vollmachtsersatz, solange eine Stellvertretung nicht anerkannt war, oder als Testamentsersatz, solange eine gewillkürte testamentarische Erbfolge nicht möglich war. 5 Coing, Treuhand, S. 32 und 34, nennt mit Sicherungsabtretung und Depotwechsel noch weitere Fälle, die aber nicht diese tragende entwicklungsgeschichtliche Rolle gespielt haben. 1
2
14 1.
Teil 1: Die Entstehung des modernen deutschen
Sicherungsübereignung
a) Verbot der aa)
Treuhandrechts
Mobiliarhypothek
Partikulargesetzgebung
Die deutschen Partikularrechte 6 kannten in der Mitte des 19. Jahrhunderts zumeist nur ein Besitzpfandrecht. Das war freilich nicht immer so. Die Entwicklung hin zum Besitzpfandrecht zu Lasten der gemeinrechtlichen Mobiliarhypothek begann erst in der Gesetzgebung des 18. und frühen 19. Jahrhunderts; 7 an ihrem Ende steht das BGB mit seiner bereits vor Inkrafttreten von der Rechtswirklichkeit überholten, detaillierten Regelung des Besitzpfandrechts in §§ 1204 ff. BGB. Der Grund für die Hinwendung der Gesetzgebung zum Besitzpfandrecht liegt in der Möglichkeit des Mißbrauchs besitzloser Pfandrechte zu Lasten des Rechts- und Kreditverkehrs. Ein besitzloses Pfandrecht oder die Anwendung des constitutum possesorium bei der Pfandbestellung sei „Quelle unendlicher Betrügereien", meinte Svarez bei der Schlußrevision des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten (ALR) von 1794, das deshalb nur noch ein Besitzpfandrecht zuließ, 120 § 105 A L R . Die Gesetzgeber der Partikularrechte hielten sich also aus Gründen des Verkehrsschutzes streng an den sachenrechtlichen Offenkundigkeitsgrundsatz. Ein Pfandrecht sollte für Dritte, die sich über den Kredit eines Teilnehmers am Rechtsverkehr orientieren wollen, sicher erkennbar sein. 8 bb)
Einheitsgesetzgebung
Zudem wurden die in bestimmten Gebieten noch zulässigen besitzlosen Pfandrechte durch gebietsübergreifende gesetzgeberische Maßnahmen unattraktiv gemacht. Art. 306 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches (ADHGB) bestimmte beispielsweise, daß die Ubergabe einer im Handelsbetrieb von einem Kaufmann veräußerten oder verpfändeten Sache jedes frühere Pfandrecht an ihr gegenüber dem gutgläubigen Erwerber kraftlos macht. Diese Regelung bezieht sich ersichtlich nur auf besitzlose Pfandrechte, denn nur in diesem Fall kann der Verpfänder die Pfandsache dem Erwerber oder Pfandgläubiger übergeben. In den §§ 14 ff. des Einführungsgesetzes zur Konkursordnung (EGKO) und § 40 der Konkursordnung (KO) wurde den Inhabern besitzloser Pfandrechte 6 Vgl. etwa Art. 2072 CC; Art. 245 f. Württembergisches Pfandgesetz von 1825; §§466 f., 486 Sächsisches BGB; I 20 § 105 A L R : Die Gültigkeit eines Pfandrechts erfordert, daß „die Pfandsache nicht im Naturalgewahrsam des Schuldners gelassen oder dahin zurückgegeben werde"; § 3 Bayerisches Hypothekengesetz von 1822; § 451 österreichisches ABGB. 7 Vgl. Hromadka, Faustpfandprinzip, S. 41 ff. 8 Hellwig AcP 64,369 f. und 378.
5 2. Fiduziarische
Treuhand als Gegenbegriff
zur
Simulation
15
kein Aussonderungsrecht im Konkurs des Sacheigentümers gewährt. Auch diese Norm beruht auf dem Publizitätsgrundsatz.9 „Sollen die späteren Gläubiger in der Beurtheilung der Vermögenslage ihres Schuldners nicht ungebührlich getäuscht und der Kredit überhaupt nicht empfindlich verletzt werden, so muß Jedermann in der Lage gewesen sein, diese rechtliche Absonderung des Gegenstandes thatsächlich zu erkennen.".10 Also sei nur ein Besitzpfandrecht und nicht die „laxe Auffassung" des gemeinen Rechts anzuerkennen, das ein Pfand mit Besitzkonstitut zulasse.11 Im Besitzpfandrecht gelange das deutsche Rechtsbewußtsein zum Ausdruck, man könne die „Mobiliarhypothek zu Grabe tragen".12 In der Tat waren besitzlose Pfandrechte damit keine taugliche Kreditsicherheit mehr, denn „ein Pfandrecht lebt und stirbt nämlich mit seiner Gestaltung in Zwangsvollstreckung und Konkurs".13 b) Auswege der
Rechtspraxis
Die wirtschaftliche Entwicklung zur Zeit der Industrialisierung, der Übergang vom Agrar- zum Industriestaat gegen Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, erzeugte einen immensen Bedarf an Verbraucher- und Produzentenkrediten. Die Mehrzahl der Bürger, Handwerker, kleinen Händler und sonstigen Gewerbetreibenden verfügte jedoch über kein Grundeigentum und konnte Kreditgebern deshalb keine Grundpfandrechte als Sicherheiten bestellen.14 Eine Verpfändung von wertvollen Mobilien schied aus, weil diese Gegenstände vielfach unentbehrlich waren und gerade bei Gewerbetreibenden oftmals die wirtschaftliche Grundlage des Gewerbes bildeten.15 Das Faustpfandprinzip, meint Caemmerer deshalb zu Recht, trage „gewisse aristokratisch-exklusive Züge in sich".16 Zudem hatten die Kreditgeber auch kein Interesse daran, große Mengen von Pfändern verwalten zu müssen. Es bestand deshalb das Bedürfnis nach einer besitzlosen Mobiliarsicherheit, wobei allerdings wohl nicht mehr der entscheidende Gesichtspunkt war, einen Realkredit gegen Pfandsicherung zu gewähren, sondern den Personalkredit zu verstärken, indem man sich nicht etwa gegen den Pfandschuldner, sondern gegen konkurrierende Gläubiger sichern wollte. Dieses wirtschaftliche Bedürfnis Hahn, Materialien, S. 185 ff. Hahn, Materialien, S. 186. 11 Hahn, Materialien, S. 193. 12 Hahn, Materialien, S. 191. 13 Caemmerer, Rechtsgültigkeit, S. 13. 14 Vgl. zu diesem Befund mit Kritik an der K O Leist, Sicherung, S. 7 ff.; Leonhard, 15. D J T I, S. 109, der meint, man habe durch die Abschaffung des Vertragspfands „das Kind mit dem Bade ausgeschüttet"; Linckelmann, A B R 7,209 ff. 15 Hromadka, Faustpfandprinzip, S. 135 ff. 16 Caemmerer, Rechtswirksamkeit, S.20. 9
10
16
Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutschen
Treuhandrechts
hatte der Gesetzgeber, zum Beispiel der Konkursordnung, jedoch völlig übergangen. 17 Mangels entsprechender gesetzlicher Regelung wurden deshalb Mobilien unter Vereinbarung eines Rückkaufrechts an den Kreditgeber verkauft, der sie wiederum dem Kreditnehmer vermietete. Kaufpreis und Darlehensschuld w u r den verrechnet, der Rückkaufpreis entsprach der Darlehensschuld, der Mietzins dem Darlehenszins. 18 Diese Konstruktion erfreute sich offenbar größter Beliebtheit, denn, so Hellwig, „man kann fast sagen, daß an hiesigen Gerichten kein Terminstag vergeht, an welchem nicht eine [...] Klage auf Grund derartiger Verträge [...] verhandelt wird". 19 Bahr20 weist in den Beratungen zum Anfechtungsgesetz sehr eindringlich auf den Sicherungsverkauf als massenhafte Praxis gegen das preußische Gesetz über die Ungültigkeit der Bestellung von Mobiliarhypotheken hin. Der Sicherungsverkauf war unentbehrliche Kreditgrundlage für alle Teilnehmer am Rechtsverkehr geworden, die nicht oder nicht in ausreichendem Maße über Grund und Boden verfügten. 21 Die im Vergleich zur heutigen Sicherungsübereignung aufgrund eines Sicherungsvertrages, der gleichzeitig dem übereignenden Sicherungsgeber nach Tilgung des Kredites einen Rückübereignungsanspruch gegen den Kreditgeberund Sicherungsnehmer einräumt, sehr umständliche Konstruktion des Sicherungsverkaufes erklärt sich daraus, daß man bei der Ubereignung noch nach dem Modell von titulus und modus verfuhr. Nach gemeinem Recht mußte zu dem modus aquirendi ein titulus, die iusta causa für den Eigentumserwerb, hinzukommen; 2 2 diese lag im Kaufvertrag. Auch nach I 9 § 2 A L R war für den Eigentumserwerb ein „gesetzlicher Grund" erforderlich; gleiches galt für das bayerische und das französische Recht. 23
2. Vollindossament zu Inkassozwecken Die zweite Konstellation, aus der das moderne deutsche Treuhandrecht entstanden ist, ist das Vollindossament zu Inkassozwecken. Darunter ist die volle Übertragung einer Wechselforderung durch den Inhaber (Indossant) an eine Person (Indossatar) zu verstehen, die nach Übereinkunft der Parteien lediglich zur Einziehung der Forderung auf Rechnung des Indossanten berechtigt sein sollte. 24 17
Caemmerer, Rechtswirksamkeit, S. 14 ff. KohlerJherJB 16,151. 19 Hellwig AcP 64,386. 20 Hahn, Materialien, S. 759. 21 Vgl. auch Luetgebrune, Sicherungsübereignung, S. 57. 22 Vgl. etwa noch RG J W 1896, 82. 23 §2.3.7.2 C M B C ; Art. 711,1138 C C . 24 Oppenheimer, Eigentumsübertragung, S.27, weist auf den eigenartigen U m s t a n d hin, daß das Vollindossament in der historischen Entwicklung aus der Bevollmächtigung z u m 18
§2. Fiduziarische Treuhand als Gegenbegriff zur
Simulation
17
Diese Konstruktion war in der Praxis offenbar üblich, obwohl ein sogenanntes Prokuraindossament zu genau diesem Zweck in der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung (AWO) vorgesehen war. 25 Trotzdem gehörten Prokuraindossamente „bekanntlich [...] zu den größten Seltenheiten". 26 Die Vollrechtsübertragung entsprach offenbar eher den Handelsgepflogenheiten und hatte vor allem den Wegfall von Einwendungen des Schuldners gegen den Indossanten zur Folge, Art. 82 AWO.
III. Die Simulationseinrede
1.
Problemstellung
Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die Rechtsprechung mit der Zulässigkeit und den Rechtswirkungen dieser in der Rechtspraxis gebräuchlichen Figuren auseinanderzusetzen hatte. Sie konnte dabei nicht auf umfassende theoretische Vorarbeiten zurückgreifen und arbeitete deshalb ganz punktuell an der Lösung von Einzelfällen und -problemen. Die Rechtslehre bemühte sich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts um eine umfassende wissenschaftliche Durchdringung dieser Rechtsinstitute. Lange Zeit wird die Diskussion in den Fachzeitschriften allein von Praktikern, die als Richter oder Rechtsanwälte mit entsprechenden Problemen konfrontiert waren, geführt. Die häufigen Streitigkeiten um Sicherungsverkauf und Vollindossament zu Inkassozwecken hatten nahezu ausschließlich 27 das Verhältnis zwischen Sicherungsverkäufer bzw. Indossatar und einem Dritten zum Gegenstand, der behauptete, der Verkauf oder das Indossament sei ungültig, weil simuliert. Wenn also ein Vollindossatar zu Inkassozwecken gegen einen Wechselschuldner klagte, dann verteidigte sich dieser mit dem Einwand, der Indossatar sei nur Bevollmächtigter des vorgeblichen Indossanten, der in Wahrheit Forderungsinhaber geblieben sei. Deswegen dürfe er, der Wechselschuldner, Einreden, die ihm gegen den vorgeblichen Indossanten zustehen, auch gegen den vorgeblichen Indossatar als Kläger erheben. Das Interesse von Indossant und Indossatar an der Wirksamkeit ihres Geschäfts geriet also in Konflikt mit dem Interesse des Wechselschuldners, durch die Anwendung der praeter legem entwickelten Figur des Vollindossaments zu Inkassozwecken keine Rechtsnachteile im Vergleich zur Inkasso hervorgegangen sei, weil man früher nur auf dem Wechsel notiert habe, daß man eine Zahlung an N.N. gegen sich gelten lasse. Später sei dann regelmäßig ausgemacht worden, daß N.N. das Geld endgültig behalten dürfe. Diese Konstruktion werde jetzt plötzlich wieder verwendet, um den ursprünglichen Zweck zu erreichen. Vgl. auch Lehmann, Wechselrecht, S. 63 f. 2 5 Vgl. auch Berolzheimer, Zession, S. 24 f. 26 Kohler JherJB 16,149f; vgl. auch Werthauer GrünhutZ 13,587; ROHGE 6, 55. 2 7 Vgl. Werthauer GrünhutZ 13,590 f.
18
Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutseben
Treuhandrechts
Situation beim Prokuraindossament, wo der Indossatar gleichsam als Bevollmächtigter des Indossanten handelt, zu erleiden. Gläubiger des Sicherungsverkäufers, die einen zur Sicherheit verkauften Gegenstand verwerten wollten, brachten vor, der Sicherungsverkauf sei als Scheingeschäft nichtig und der Gegenstand befinde sich deshalb noch immer im Eigentum des vorgeblichen Verkäufers. Der Verkauf des Gegenstands sei nämlich in Wahrheit nicht beabsichtigt gewesen, denn der vorgebliche Käufer solle ihn nicht endgültig behalten dürfen, sondern müsse ihn dem vorgeblichen Verkäufer irgendwann zurückgeben. Auch hier ist also das Wirksamkeitsinteresse der Parteien des Sicherungsverkaufes berührt, dem das Publizitätsinteresse des Rechtsverkehrs, der hier in Form konkurrierender Gläubiger des Sicherungsverkäufers auftritt, entgegenstand. Die Gerichte hatten zu entscheiden, ob Sicherungsverkauf und Vollindossament zu Inkassozwecken simuliert und damit unwirksam oder aber wirksam waren, ob sich also das Wirksamkeitsinteresse der Vertragsparteien oder die Interessen von Dritten, die durch diese Vereinbarungen betroffen werden, durchsetzten.
2. Simulation und Vollindossament zu Inkassozwecken In der Tat haben einige Gerichte 28 entschieden und Autoren 2 9 die Auffassung vertreten, ein Vollindossament zu Inkassozwecken sei als Scheingeschäft unwirksam. Es setzte sich jedoch nach und nach die Auffassung durch, daß Vollindossamente zu Inkassozwecken keine simulierten Rechtsgeschäfte und damit gültig seien. a) Argumente zugunsten des Simulationseinwands Das OAG Dresden 3 0 stützt sich in einem Urteil aus dem Jahre 1857 auf die Nebenabrede zwischen Indossanten und Indossatar, nach der der Indossatar lediglich zur Einziehung der Forderung auf Rechnung des Indossanten befugt war. Diese Nebenabrede sei zu beachten, auch wenn sie im Wechsel keinen Ausdruck gefunden habe, und verhindere deshalb den Eigentumsübergang am Wechsel. Ahnlich das OAG Kassel im Jahre 1864: Der Kläger, „obwohl er formell Eigenthümer des fraglichen Wechsels geworden, [klage] doch zufolge des der 28 Zum Indossament zu Inkassozwecken: OLG Lemberg ZHR 13,297; Österreichischer OGH ZHR 13,296; OAG Rostock SeuffA 24, 74; OAG Dresden SeuffA 12,190. Zur Sicherungsübereignung: OT Stuttgart SeuffA 10,243; RGZ 2,175. 29 Zum Indossament zu Inkassozwecken: Busch AWH 1, 200; Hoffmann, AWH 14,246; Kräwel, AWH 3,120; Wolff AWH 15,164. 30 OAG Dresen ZRV 16,460.
§ 2. Fiduziarische Treuhand als Gegenbegriff zur
Simulation
19
Wechselbegebung an ihn zu Grunde liegenden Verhältnisses materiell nur für Rechnung seines Indossanten den Wechsel ein". Der österreichische O G H 3 1 führt in einer Entscheidung aus dem Jahre 1868 als Argument für die Unwirksamkeit des Vollindossaments zu Inkassozwecken die Tatsache an, daß die Wechselforderung in den Büchern des Indossanten weiterhin als Aktivposten verzeichnet sei, „daher dieser Giro nur als eine Scheinhandlung zu betrachten ist". Es könne nicht sein, führt das OAG Rostock 3 2 ein Jahr später aus, daß das „durch das ertheilte Indossament formell begründete Recht dazu benutzt werden soll, dem Beklagten Einreden abzuschneiden, welche ihm bei Aufdeckung des wahren Sachverhaltes zustehen würden". Davidsohn war der Auffassung, daß das materielle Recht das formelle Recht „überwinde". 33 Ihm kam es also nicht darauf an, wer formal Inhaber der Wechselforderung ist, sondern wem sie wirtschaftlich zusteht. Auf diese eigenartige Unterscheidung zwischen „formeller" und „materieller" Rechtslage w i r d noch häufiger zurückzukommen sein. 34 b) Argumente gegen den
Simulationseinwand
Von anderen Obergerichten wurde gegen den Scheineinwand jedoch die wechselrechtliche Formstrenge angeführt. Der Wechsel sei ein in sich abschließender Literalvertrag. 35 Es dürfe - so das Preußische Obertribunal in einem Urteil aus dem Jahre 1851 - allein „die Absicht der Interessenten [maßgeblich sein], daß das Geschäft recht eigentlich in der Art und Weise, wie es sich aus dem Inhalt der Wechselschrift ergibt, geschlossen worden sey." 36 Es sei, so das OAG Rostock einige Jahre später, „irrelevant, daß der Kläger sich verpflichtet haben mag, bei der Realisierung des Wechsels den Instructionen seines Mandanten zu folgen". 37 Im Indossament „nicht beurkundete Beschränkungen oder Nebenabreden" waren auch nach Auffassung des OAG Celle „ohne Bedeutung". 38 Auch in der von Praktikern dominierten Literatur 3 9 wurde vielfach auf die besondere Form des Indossaments hingewiesen. Nur aus dem Indossament selbst sei der Wille der Parteien zu ermitteln, nicht dagegen aus etwaigen formÖsterreichischer O G H ZHR 13,296. O A G Rostock SeuffA 24,125. 33 Davidsohn Gruchot 18, 7 f. 34 Siehe dazu insbesondere unten § 5 VI. 35 PreußOT SeuffA 9,86. 36 PreußOT SeuffA 9, 87; genauso OT Stuttgart SeuffA 12,190; O A G Rostock SeuffA 18, 163; O A G Celle SeuffA 22,162. 37 O A G Rostock SeuffA 18,266. 38 O A G Celle SeuffA 22,246. 39 Hartmann, Wechselrecht, S. 267 und 523 f; Renaud, Wechselrecht, § 62; Thöl, Wechselrecht, §318; Volkmar/Loewy, Wechselrecht, S.310; Gelpke, ZfH 1, 142f;Jolly A W H 5, 72f; Koch A W H 15,270 ff. 31
32
20
Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutseben
Treuhandrechts
losen Nebenabreden wie der Inkassoabrede. Es komme also nur darauf an, daß der Wille der Parteien auf die Vollrechtsübertragung gerichtet sei, was sich allein aus dem Indossament ergebe. In anderen Entscheidungen 40 wurde der Scheineinwand nicht zugelassen, weil der Schuldner nicht „über den Willen der Contrahenten [...] verfügen" 41 könne. Überdies war die Auffassung verbreitet, der Schuldner könne Mängel der Zession nur dann geltend machen, wenn er ein besonderes Interesse daran habe. 42 Davon könne regelmäßig nicht ausgegangen werden, denn den Schuldner und „Beklagten für seine Person berührt jenes Abkommen an sich nicht". 43
c) Die Auffassung des Reichsoberhandelsgerichts aa) Das Indossament als abschließender
Literalkontrakt
Das Reichsoberhandelsgericht (ROHG) erkannte bereits im Jahre 1870 (die Entscheidung ist gleich im ersten Band der amtlichen Sammlung abgedruckt) die Wirksamkeit des Vollindossaments zu Inkassozwecken an. Im Wechselrecht seien bestimmte Formen vorgeschrieben. „Wer nun Form des reinen Indossaments wählt, der will auch dessen gesetzlich festgestellte Wirkung, ungeachtet er dem Indossatar erklärt, daß seine Absicht nur auf die Ertheilung eines Procuraindossaments gerichtet sei". 44 Der Indossatar werde voller Rechtsinhaber. Damit hatte sich die Rechtsfigur des Vollindossaments und damit das Zulässigkeitsinteresse der Parteien des Indossaments in der Rechtspraxis endgültig durchgesetzt. Gegen das Argument des Indossaments als abschließendem Literalkontrakt wurde in der Literatur zum Teil allerdings eingewandt, die wechselrechtliche Formstrenge schließe die Simulation nicht per se aus. 45 Schon in einem Urteil aus dem Jahre 1857 hatte das O A G Dresden ähnliche Kritik geübt: 46 „Die Eigenthümlichkeit des Wechsels als eines an sich rein formalen Rechtsinstituts kann den Mißbrauch dieser Form zur Erreichung rechtswidriger Zwecke nicht rechtfertigen". Außerdem mache die Form des Indossaments den erforderlichen dahinterstehenden Willen nicht überflüssig, sondern lasse nur die widerlegliche Vermutung zu, daß dieser Wille vorgelegen habe.
4 0 Preußisches O T SeuffA 12, 337; O A G Rostock SeuffA 21, 43 ; OAG Dresden SeuffA 22,34. 41 Preußisches O T SeuffA 12,337. 42 Förster, PreußPR, §53 Fn. 16 und § 9 9 Fn.226; Dernburg, PreußPR, § 8 5 Nr. 7; O A G Dresden SeuffA 22, 34. 4 3 OAG Dresden SeuffA 22, 53. 4 4 R O H G E 1, 171; genauso R O H G E 6, 54; ähnlich ältere Literatur zum Wechselrecht, etwa Hartmann, Wechselrecht, S. 524 oder Wächter, Wechselrecht, S. 238 45 Regelsherger AcP 63,182 und 186; Z H R 18, 70 ff.; Goltz, Rechtsgeschäft, S.37ff. 4 6 O A G Dresden SeuffA 12,256.
§ 2. Fiduziarische Treuhand als Gegenbegriff zur
bb) Charakter der
Simulation
21
Simulation
Das Reichsoberhandelsgericht führte in einer Entscheidung aus dem Jahre 1872 allerdings ein weiteres Argument zur Stützung seiner Auffassung an, indem es den Begriff der Simulation klar definierte. „Simulieren heißt: das erklärte Rechtsgeschäft nicht wollen, sondern ein anderes oder gar keines". 47 Die Inkongruenz der gewollten Regelung und der zu ihrer Erreichung gewollten Rechtswirkung allein lasse nicht den Schluß auf ein Scheingeschäft zu, „denn es steht rechtlich nichts im Wege, für einen beschränkten Zweck ein über denselben hinausgreifendes Mittel zu wählen". 48 Als Beispiel zählt das Gericht den Schuldbeitritt statt der Bürgschaft, die Eigentumsübertragung statt der Verpfändung und die Zession oder Ubereignung statt der Bevollmächtigung auf. ,„Für eigene Rechnung' und ,im eigenen Namen' decken sich nicht". 49 Die Erhebung der Simulationseinrede sei beim Vollindossament zu Inkassozwecken weder grundsätzlich möglich, noch prinzipiell ausgeschlossen. Es sei allerdings regelmäßig 50 davon auszugehen, daß das Geschäft gewollt sei. Zuvor hatte man unter „Simulation" oftmals das Auseinanderfallen der angestrebten materiellen und der tatsächlich durch Erklärungsakt begründeten und gewollten Rechtslage verstanden. 51 Geht man von diesem Begriff der Simulation aus, wäre die Nebenabrede, daß der Indossatar eigentlich nur Interessenvertreter des Indossanten sein solle, in der Tat als Hinweis auf die Simulation aufzufassen gewesen. 52 Das Reichsoberhandelsgericht schaltet also den Simulationseinwand durch eine bestimmte Definition der Simulation aus, die sich übrigens später in § 117 BGB wiederfinden wird. Beachtenswert ist schließlich folgendes: Wenn das Gericht in seinem Urteil weitere Fälle des über den Zweck hinausgreifenden Mittels anführt, etwa den Schuldbeitritt statt einer Bürgschaft und die Sicherungsübereignung statt eines Pfandes, unternimmt es bereits eine Abstrak4 7 ROHGE 6, 57. Dagegen behauptet Kräwel KSffW 26,187, gerade deshalb liege Simulation vor, weil die Parteien eben keinen vollen Ubergang der Forderung wollten. Er geht aber von der Prämisse aus, daß die Parteien ihr Ziel auf direktem Wege erreichen müßten, vgl. Oppenheimer, Eigentumsübertragung, S. 20 f. 48 ROGHE 6,54. 49 ROGHE 6,55. 50 Freilich ist die Simulation nicht denknotwendig ausgeschlossen, vgl. ROHGE 6, 45; Oppenheimer, Eigentumsübertragung, S. 28 f. Andere sind der Auffassung, daß die Formstrenge den Scheinweinwand nie zulasse: Werthauer GrünhutZ 13,631 ;Koch, Vorträge, S. 30 f. „Aus dem Vorhandensein eines Wechsels entsteht eine bestimmte Folge, ohne daß man für deren Begründung noch weiteres, etwa den Konsens der Parteien als den Grund dieser Folge aufzunehmen hätte.", sagt Liebe, Wechselordnung, S. 22. Wir haben hier also als Ursache einen Streit in der Dogmatik des Wechsels. Liebe vertritt die sog. „Formalaktstheorie", während andere die dingliche Einigung für den Rechtsübergang verlangen und damit Raum für Simulation bleibt. 51 Crelinger/Gräff Wechselrecht, S. 146 ff.; Oppenheimer, Eigentumsübertragung, S. 19; Werthauer, GrünhutZ 13,625; PreußOTE 7, 34 ff.; PreußOTE 9,335 ff. 52 Vgl. ROHGE 6,61.
22
Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutschen
Treuhandrechts
tion hin zu einer bestimmten Kategorie des Rechtsgeschäfts, die sich durch dieses „Hinausgreifen des Mittels über den Zweck" auszeichnet. 53 d) Begriffsschöpfungen in der Literatur Erst nach der Anerkennung der Wirksamkeit des Vollindossaments zu Inkassozwecken durch die Rechtsprechung unter Verwendung einer bestimmten Sichtweise der Simulation begann in der wissenschaftlichen Literatur die Durchdringung des Simulationsproblems. 54 aa) Verdeckte Geschäfte (Kohler) Kohler55 stellte in einem Aufsatz aus dem Jahre 1878 den simulierten, unwirksamen die verdeckten, wirksamen Geschäfte entgegen, bei denen wirtschaftlicher Zweck und rechtliche Gestaltung voneinander abweichen, was durchaus zulässig sei. 56 Wer ein Rechtsgeschäft simuliere, schließe kein Rechtsgeschäft ab und erzeuge nur den Schein eines solchen, wer ein verdecktes Geschäft abschließe, wolle hingegen dieses Geschäft mit allen seinen Rechtsfolgen, er wolle es aber „zu ökonomischen Zwecken, welche dem Geschäft selbst oder seinen Rechtsfolgen nicht homogen sind." 57 Kennzeichnend für das verdeckte Geschäft sei die „Inkongruenz zwischen der [verdeckten] wirthschaftlichen und juristischen Seite des Geschäfts". 58 Diese Geschäftstypen seien bislang nicht sauber voneinander getrennt worden, denn beide würden zur „Täuschung" im weitesten Sinne eingesetzt. Die Unterscheidung Kohlers ist wegweisend für die gesamte weitere Entwicklung, denn Kohler faßt die Simulation wie das Reichsoberhandelsgericht auf und gewinnt dadurch Raum für die schon vom Gericht angedachte, völlig neue Kategorie von Rechtsgeschäften, die sich einerseits durch das Hinausgreifen das Mittels über Zweck, andererseits durch die Abgrenzung von der Simulation definiert. Interessant ist dabei, daß Kohler beim Vollindossament zu Inkassozwecken von einer „Bevollmächtigung im Gewände des Eigenrechts" 59 , später von „Unvollkommener Stellvertretung" 60 spricht und das Verhältnis zwischen Indossanten und Indossatar mit jenem zwischen Kommittenten und Kommis53 Darauf weist Hofer, Treuhandtheorien, S. 396 gegen Coing, Treuhänder, S. 35, hin, der behauptet, daß Regelsherger die Figur geschaffen habe. In der Tat kommt jedoch nicht nur das Fallmaterial, sondern auch der Ansatz zur Systematisierung aus der Praxis. 54 Diese Kausalität wird etwa von Caemmerer, Rechtswirksamkeit, S. 26 verkannt. 55 /CoWer JherJB 16,149 f. 56 Kohler JherJB 16,140 ff. 57 Kohler JherJB 16,141. 58 Kohler JherJB 16,142. 59 Kohler JherJB 16,150. 60 Kohler, BRI, § 188.
§ 2. Fiduziarische
Treuhand als Gegenbegriff
zur
Simulation
23
sionär vergleicht, also einem Fall „mittelbarer Stellvertretung". Später wird man Treuhandgeschäfte und Fälle mittelbarer oder gar unmittelbarer Stellvertretung zu Unrecht vielfach streng trennen, was die Treuhanddogmatik in eine Sackgasse führt. 6 1 bb) Fiduziarische
Geschäfte
(Regelsberger)
Regelsberger62 definierte zwei Jahre später Scheingeschäfte als Geschäfte, die dem äußeren Anschein nach auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichtet sind, ohne daß der Wille bestehe, diese Wirkung tatsächlich herbeizuführen. Dieser Umstand solle aber vor Dritten geheim gehalten werden, damit der Eindruck entstehe, man wolle diese Rechtswirkung doch herbeiführen. 63 Die Parteien wollen in diesem Fall das Erklärte also nicht. Davon unterschied Regelsberger Geschäfte, bei denen die Herbeiführung der Rechtsfolge gewollt sei, freilich in der Voraussetzung, daß „derjenige, welchem dadurch eine gewisse rechtliche Macht geschaffen wird, seine Stellung nur zu einem bestimmten, nicht zu allen dadurch ermöglichten Zwecken ausnützen" 64 werde. Auch Regelsberger wollte also die seiner Ansicht nach zutreffende Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts dogmatisch untermauern. 65 Solche Geschäfte bezeichnet er als „fiduziarische Geschäfte" 66 - der Begriff war geboren und die neu geschaffene Kategorie von Rechtsgeschäften wurde seither immer mit Regelsbergers Namen in Verbindung gebracht; Kohler hatte sich mit seinem „verdeckten Geschäft" nicht durchsetzen können. Wie so oft haben also nicht die wirklichen „Erfinder", nämlich das Reichsoberhandelsgericht und Kohler, die Lorbeeren davongetragen. Regelsberger prägte Formulierungen, die weitreichenden Einfluß 67 auf das im Entstehen begriffene moderne Treuhandrecht hatten: „Charakteristisch ist für dasselbe das Mißverhältnis zwischen Zweck und Mittel". 68 In Abgrenzung zur Simulation stehen aber „Wille und Erklärung in Einklang". 69 Dieses aus der Abgrenzung zum Scheingeschäft eher zufällig gewonnene Charakteristikum ist Siehe dazu insbesondere unten § 5 III und § 5 VI 3. Regelsberger KcP 63,157 f. 63 Regelsberger AcP63,171. 64 Regelsberger AcP 63,172. 65 Regelsberger hcV 63, 183. 66 Regelsberger AcP 63,173. 6 7 Vgl. nur Brinz, Pandekten 4, § 524; Dernburg, Pandekten 1, § 100; Regelsberger, Pandekten 1, § 141; Wendt, Pandekten §247. Dagegen wendet sich Crome, der meint, man solle die Dinge nicht bloß durch ihren Gegensatz bezeichnen, sondern aus sich selbst herauskonstruieren. Er erörtert das ganze bei den abstrakten Geschäften, Crome, B G B 1, §76; auch Endemann korrigiert sich ab der 9. Auflage aus 1903 und erklärt in § 73, beim simulierten Geschäft, daß das fiduziarische Geschäft eben nicht hierher gehöre; genauso Berolzheimer, Zession, S.3. 68 Regelsberger KcV 63,173. 69 Regelsberger AcP 63,173. 61
62
24
Teil 1: Die Entstehung des modernen deutschen
Treuhandrechts
bis heute Kernbestandteil der klassischen Definition der Treuhand, 70 hat die Weiterentwicklung der Treuhand stark beeinflußt und vielfach blockiert. 71 Während also das Reichsoberhandelsgericht lediglich die Simulation präzise definierte und regelmäßig - aber nicht prinzipiell - das Vollindossament zu Inkassozwecken nicht unter diese Definition faßte, gab die Literatur dem Kind einen Namen und ein Wesensmerkmal und schuf so einen neuen Rechtsbegriff für diese nicht simulierten Geschäfte. Die Rechtsfigur der Treuhand ist also letztlich ein Produkt der begriffsjuristischen Methode, Treuhand ist der „Gegenbegriff" zur Simulation. Das wird deutlich, daß Kommentare zum Bürgerlichen Gesetzbuch die Treuhand (zum Teil noch bis heute) bei § 117 BGB abhandeln. cc) Keine Verbindung zur römischen fiducia Die Anregung für die Wahl der Bezeichnung und die Rechtfertigung für die Schaffung einer neuen Kategorie von Rechtsgeschäften überhaupt fand Regelsberger in der fiducia des klassischen römischen Rechts und den bereits erörterten neueren Gerichtsentscheidungen. 72 Ihnen entnahm er das Kriterium für das Vorliegen eines fiduziarischen Geschäfts, die Inkongruenz von Wille und gewählter Rechtsform. 73 Trotz der Berufung auf die fiducia entstand das Modell der fiduziarischen Treuhand, also einer Vollrechtsübertragung vom Treugeber an den Treuhänder mit lediglich schuldrechtlichen Beschränkungen der Rechtsmacht des Treuhänders im Innenverhältnis, ohne Anknüpfung an das römische Vorbild. Die fiducia war zu Regelsbergers Zeit ein - wie Oertmann formuliert - „aller practischen Bedeutung bares Gebilde der Vorzeit". 74 Auch Dernburg führte aus, daß die fiduziarischen Rechtsgeschäfte im „heutigen Recht ausgebildet" 75 worden seien. Der von Regelsberger76 geprägte Begriff der „fiduziarischen Treuhand" ist also lediglich eine Reminiszenz an die eher oberflächlich bekannte 7 7 fiducia, bei der „eine Rechtsform gewählt [wird], welche mehr gewährt, als zur Erzielung [des gewünschten] Erfolges erforderlich ist" 78 . Die Tatsache, daß es eine solche Rechtsfigur schon einmal gegeben hat, gibt Regelsberger allerdings eine Siehe dazu oben §5 VIII. Siehe dazu unten § 7. 72 Regelsberger AcP 63, 72 f. 73 Zur Methode Regelsbergers in diesem Sinne Hofer, Treuhandtheorien, S. 394 zu Recht gegen Coing RabelsL 37, 207, der Regelsbergers Vorgehen „begriffsjuristisch" nennt. 74 Oertmann, Fiducia, Vorwort. 75 Dernburg, Pandekten I, § 100. 76 Regelsberger AcP 63,173. Allerdings klingt der Begriff auch schon bei Kohler JherJB 16, 149 an. 77 Vgl. nur Dernburg, Pandekten I, § 100; Keller, Pandekten, § 381; Vangerow, Pandekten I, § 363; Windscheid, Pandekten I, § 224. 78 Regelsberger AcP 63,173. 70 71
§ 2. Fiduziarische Treuhand als Gegenbegriff zur
Simulation
25
gewisse Sicherheit und „quellenmäßige Unterlage" 79 bei der Ausbildung der fiduziarischen Treuhand, 8 0 die - wie Oertmann81 ausführt - in Rom aufgrund von Mängeln des geltenden Rechts entstanden, heute jedoch kraft freier Wahl aus wirtschaftlichen Bedürfnissen neu gebildet worden sei. Es entstand eine „eigentümliche Verknüpfung zwischen Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik". 8 2 Regelsberger sah den geschichtlichen Stoff letztlich als Materiallager an juristischer Technik. Inhalt oder Funktion der fiducia in Rom und der fiduziarischen Geschäfte in der Gegenwart beachtete er nicht. 83 dd) Ungewollter Einfluß auf die weitere
Debatte
Was bei der Vorgehensweise Regelsbergers zudem nicht übersehen werden darf: Regelsberger, der übrigens die Sicherungsübereignung gerade nicht als fiduziarisches Geschäft sah, 84 ging unkritisch von einer bestimmten Sichtweise der römischrechtlichen fiducia als Vollrechtsinhaberschaft aus. Ob der Fiduziar im römischen Recht Vollrechtsinhaber war oder irgendeine andere Form von Recht hatte, war 1880, als Regelsberger publizierte, umstritten und ist letztlich bis heute nicht geklärt. 85 Huschkeib und ScheurP7 waren etwa der Auffassung, daß das Eigentum am Treugut nur zu vorübergehenden Zwecken aufgegeben werde, der Fiduziar dabei nur ein formelles Eigentumsrecht erhalte und der Gegenstand im Vermögen des Fiduzianten bleibe. 88 Der materielle Gehalt des Eigentums entspreche letztlich dem eines Pfandrechts. 89 Es finde also eine Aufteilung des Eigentums statt. Fuchs90 sah das Treuhandeigentum als „resolutiv bedingtes Eigentum" an.
79
Regelsberger hcP 63,179. Otten, Entwicklung, S. 145. 81 Oertmann, Fiducia, S. 257 f. 82 Coing, Treuhänder, S. 37; Coing RabelsZ 37,202 f. 83 Hofer, Treuhandtheorien, S. 405 f. 84 Dazu auch unten § 7 IV. 85 Vgl. etwa Käser ZRG 61,184 f; Wubbe TR 28,35 ff. 86 Huschke ZgR 14,229 ff. 87 Scheurl, Beiträge II/l, S. 29 ff. 88 Scheurl, Beiträge II/l, S. 37. Das sind Gedanken, die später auch für das geltende Recht aufgenommen werden, vgl. etwa die Rechtsprechung des Reichsgerichts oder Brütt, Forderung, S. 8. 89 Scheurl, Beiträge II/l, S. 40. 90 Fuchs, Wesen, S.95. Asmus, Grundlagen, S. 112, weist auf den aufschlußreichen Umstand hin, daß Siebert, Treuhänder, S. 35, Fn. 3 den Romanisten Fuchs germanistischer Einsprengsel bezichtigt, weil das Bedingungsmodell nach Schultze eben als Gemeingut „die" germanistische Treuhandauffassung geworden ist. Siebert übersieht dabei freilich, daß Fuchs einige Jahre vor Schultze schreibt, und zeigt dadurch, wie holzschnittartig Siebert von dem Gegensatz zwischen romanistischer und germanistischer Treuhand beeinflußt ist, dazu unten §5 VIII. 80
26
Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutschen
Treuhandrechts
Dernburg91 hingegen erkannte keinen Unterschied zwischen fiduziarischem und „normalem" Eigentum.92 Widersprüche, etwa daß nach Gai. 3, 201 der Fiduziant nicht als Dieb gilt, wenn er dem Fiduziar das Treugut wegnimmt, überging er mit vagen Erklärungen.93 Asmus94 ist zu Recht der Auffassung, daß Dernburg die Quellen mit „einer bereits vorgefaßten, doktrinären Auffassung" behandelt hat. Regelsberger setzte sich mit den Gegenauffassungen überhaupt nicht auseinander und übernahm kritiklos die ihm genehme Auffassung Dernburgs. Er wählte also - vermutlich sehenden Auges - einen umstrittenen Ansatz, ohne dies offenzulegen, um der von ihm gebilligten Rechtspraxis und Rechtsprechung eine Grundlage zu verschaffen. Erst Oertmann zementierte, nach der Anerkennung auch der Sicherungsübereignung als fiduziarischem und wirksamem Geschäft, das von Regelsberger verwendete Bild der Fiduzia als Übertragung vollen Eigentums95 in seiner Monographie aus dem Jahre 1890. Unklar ist, ob er das bewußt mit Blick auf das gegenwärtig neu entstehende Treuhandrecht getan hat; seine weiter oben zitierten Äußerungen lassen das eher unwahrscheinlich erscheinen. Asmus96 geht jedenfalls zu weit, Oertmann vorzuwerfen, daß er „in Wirklichkeit eine in der Romanistik angedeutete Entwicklung verhindert [hat], fiduziarisches Eigentum als Sondereigentum, als kausales bzw. relatives Eigentum zu qualifizieren und damit der Zweckbeschränkung dingliche Wirkung beizumessen". Tatsache ist allerdings, daß (Hertmanns Werk zwei Folgen zeitigt: Es verhindert Zweifel an Regelsbergers dogmatischem Fundament und beeinflußt Schultze, der bei seiner Entwicklung der „deutschrechtlichen Treuhand" einige Jahre später ein bestimmtes „Feindbild" der Fiducia vor Augen hat.97 Festzuhalten bleibt, daß durch Regelsberger die dogmatischen Koordinaten festgelegt wurden, in denen die „fiduziarischen Rechtsgeschäfte" zukünftig zu diskutieren waren. e) Wirtschaftlicher
Zweck versus rechtsgeschäftlicher
Wille
Im Begriff des „verdeckten Geschäfts" oder „fiduziarischen Geschäfts" werden wirtschaftlicher Zweck und rechtsgeschäftlicher Wille der Parteien unterschieden. Die Möglichkeit dieser Unterscheidung dürfte der pandektistischen Fortentwicklung der Lehre von der Willenserklärung zu verdanken sein. Vor allem 91 Interessant ist, daß Dernburg von seiner Auffassung später in Ausführungen zugunsten eines „relativen Eigentums" abweicht. Er weist aber in der 2. Auflage seiner Pandekten I, S. 230, Fn. 9 ausdrücklich darauf hin, daß dies nur für das geltende Recht zutreffe. Das verkennt Asmus, Grundlagen, S. 151, der Dernburg einen Meinungsumschwung unterstellt. 92 Dernburg, Pfandrecht I, S. 11 und 23. 93 Dernburg, Pfandrecht I, S. 24. 94 Asmus, Grundlagen, S. 103. 95 Oertmann, Fiducia, S. 3 und 162. 96 Asmus, Grundlagen, S. 150. 97 Dazu unten § 4 IV.
§ 2. Fiduziarische
Treuband als Gegenbegriff
zur Simulation
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Savigny hat in seiner Dogmatik der Willenserklärung den rechtgeschäftlichen Willen von allen dahinterstehenden Motiven oder Zweckerwägungen zum Schutze des Rechtsverkehrs freigehalten und damit die noch heute gängige Trennung von Erklärungsinhalt und Motiven, vgl. nur § 119 BGB, geschaffen. Diese Unterscheidung macht die Inkongruenz von Zweck (Motiv) und Wille (also gewolltem Mittel) überhaupt erst zulässig, die an der Wiege des Treuhandrechts steht und das konstitutive Element des Treuhandbegriffs bildet. Diese Einflußlinie wird beispielsweise deutlich, wenn Goltz9S in seiner Dissertation über fiduziarische Rechtsgeschäfte aus dem Jahre 1901 schreibt: „Der von den Parteien [...] verfolgte Zweck ist nur ein rechtlich nicht zu beachtendes Motiv". f ) Erhalt der Einreden des Wechselschuldners Was zu berichten bleibt, ist die Ausgestaltung der Stellung des Wechselschuldners nach Anerkennung des Vollindossaments zu Inkassozwecken. Es hat sich nämlich keineswegs das Interesse der Parteien des Indossaments einseitig gegen das Interesse der Wechselschuldner durchgesetzt; vielmehr wurde beiden Interessen gleichermaßen zur Geltung verholfen. Die Wechselschuldner haben den Simulationseinwand im Prozeß vor allem erhoben, um sich ihre Einreden gegen den Indossanten so zu erhalten, wie sie bei Vorliegen eines bloßen Prokuraindossaments bestünden. Wenn das Vollindossament zu Inkassozwecken mangels Simulation regelmäßig wirksam war, so blieb die Frage, wie der Wechselschuldner gegen Vollindossamente, die lediglich dem Abschneiden seiner Einreden dienen sollten, vgl. Art. 82 AWO, geschützt werden konnte. Hier wurde der Wechselschuldner auf die exceptio doli verwiesen. Kohler99 begründete das damit, daß der Indossatar in fremdem (des Indossanten) Interesse handle. Damit ging Kohler nach Anerkennung der Vollrechtsübertragung an den Indossatar freilich wieder einen halben Schritt zurück und billigte dem Indossatar doch keine volle Gläubigerstellung zu; Kohler widersprach sich damit letztlich selbst. Uberzeugender argumentierte Regelsherger, der den Grund für die exceptio doli entweder in der Teilnahme des Indossatars an der Arglist des Indossanten sah oder darin, daß der Indossatar wenigstens wissentlich sein formelles Recht dahingehend ausnutzt, dem Indossanten auf Kosten des Schuldners einen Vermögensvorteil zu verschaffen, der ihm nicht zusteht. 100 In diesen Fällen müsse der Indossatar die Einreden des Wechselschuldners gegen sich gelten lassen, die gegen den Indossanten bestanden. Das Reichsoberhandelsgericht 101 hat es zunächst für erforderlich gehalten, daß der Indossant dem Schuldner Einreden abschneiden wollte und der Indos98
Goltz, Rechtsgeschäft, S. 13.
99
Kohler
JherJB 16,151; genauso Davidsohn
Gruchot 18,1 ff.
100
Regelsberger
AcP63,189.
101
R O H G E 7,249 f; R O H G E 11,111; ROHG 23,33 8 f.
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Teil 1: Die Entstehung des modernen
deutschen
Treuhandrechts
satar bereits bei Wechselbegebung hiervon und von den Einreden wußte und diese Einreden für stichhaltig halten mußte, ihm also klar war, „daß er als Werkzeug dazu dienen sollte, einen unbegründeten Anspruch gegen den Verklagten für Klägers Rechnung zu verfolgen und dem Verklagten seine begründeten Einreden abzuschneiden". Es war also Kollusion zum Nachteil des Schuldners erforderlich. 102 Das Reichsgericht 103 ließ später die Kenntnis des Indossatars von diesen Umständen noch im Wechselprozeß genügen. Entscheidend sei der Mißbrauch der formalen Rechtsstellung des Indossatars zur Verhinderung von Einreden. Dem folgte die Literatur, 104 so daß das Vollindossament zu Inkassozwekken letztlich dem Prokuraindossament angeglichen wurde.
3. Simulation und
Sicherungsverkauf
Ahnlich wie beim Vollindossament zu Inkassozwecken verlief auch die Argumentation beim Sicherheitsverkauf von der anfänglichen Beachtung des Simulationseinwandes hin zur Anerkennung des Sicherungsverkaufs und seines Nachfolgers, der Sicherungsübereignung. Lediglich in einigen Territorien setzte sich der Sicherungsverkauf nicht durch, weil er ausdrücklich verboten wurde, vgl. etwa § 19 des braunschweigischen Mobiliarpfandgesetzes von 1878, 105 das allerdings mit Inkrafttreten des B G B seine Geltung verloren hat. 106
a) Argumente zugunsten des Simulationseinwands Das O T Stuttgart führte in einer Entscheidung aus dem Jahre 1856 aus, Simulation liege vor, weil „von den Contrahenten die Eingehung eines Kaufes nicht ernstlich beabsichtigt", das Geschäft „nur zum Schein in die Form eines Kaufvertrages eingekleidet" 107 worden sei und ein Eigentumsübergang deshalb nicht stattgefunden habe. Zur Begründung berief sich das Gericht auf die üblichen Kautelen des Sicherungsverkaufes, die auf mangelnde Ernstlichkeit deuteten. Das Gericht schloß also von der Simulation des Kaufvertrages - der „Käufer" sollte die Sache ja nicht endgültig behalten dürfen - auf die Unwirksamkeit der Übereignung. Diese Argumentation ist vor dem Hintergrund der Lehre von titulus und modus zu verstehen.
102 103 104 105 106 107
R O H G E 23,338. R G Z 4 , 1 0 0 ; R G Z 11,9. Kohler JherJB 16,150 f; Regelsherger AcP 63,191; Dreyer Gruchot 4 0 , 4 6 5 . Bei Linckelmann A B R 7,223. Vgl. Scharpwinkel, Sicherungsübereignung, S. 29. O T Stuttgart SeuffA 10,349.
§ 2. Fiduziarische
Treuhand als Gegenbegriff
zur
Simulation
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Auch das Reichsgericht 108 erklärte in einer Entscheidung aus dem Jahre 1880, vorliegender Sicherungsverkauf trage „unverkennbar den Charakter einer verschleierten Verpfändung an sich" und versagte dem Geschäft deshalb die Anerkennung. Das Gericht schloß also nicht von der Unwirksamkeit des Kaufvertrages auf die Unwirksamkeit der Übereignung, sondern knüpfte an der Übereignung selbst an. Es handle sich um eine verdeckte Verpfändung und keine Übereignung. Interessant ist, daß es sich bei dem vom Reichsgericht entschiedenen Fall um einen der vergleichsweise seltenen Fälle von auflösend bedingter Sicherungsübereignung handelte. Vielleicht ist in der Tatsache, daß sich das Gericht gerade in diesem Fall gegen die Wirksamkeit des Sicherungsverkaufes entschieden hat, eine Ursache für die spätere Abneigung der Rechtspraxis gegen dieses einige Jahre nach dem geschilderten Urteil von Schultze propagierte Modell der auflösend bedingten Übereignung zu sehen. b) Anknüpfung
an das Vollindossament zu
Inkassozwecken
Andere Gerichte haben dem Sicherungsverkauf die Anerkennung nicht versagt. Unter Anwendung des Modells von titulus und modus hat das O A G Rostock bereits sehr früh entschieden, daß es nur darauf ankomme, „daß die gesetzlichen Erfordernisse des Kaufes selbst und des Eigenthumserwerbes wirklich beobachtet sind". 109 Für den rechtlichen Bestand des Kaufes als titulus sei „der besondere Zweck, welchen die Contrahenten dabei vor Augen haben, [...] völlig gleichgültig". 110 Auch hier werden also - wie beim Vollindossament zu Inkassozwecken - wirtschaftlicher Zweck und Parteiwille unterschieden, ohne daß man zur Stützung dieser Unterscheidung allerdings ein Äquivalent zur wechselrechtlichen Formstrenge heranziehen hätte können. 111 Das führt nochmals die Bedeutung der Scheidung von Erklärungsinhalt und Motiven vor Augen.
1 0 8 RGZ 2,174 f. (III. Senat), kritisch dazu Hellwig AcP 6 4 , 3 6 9 ; genauso das Reichsgericht in Urteilen aus dem gleichem Jahr SeuffA 3 6 , 8 und 99, während der I. Senat, RGZ 2 , 1 6 8 ff. ein solches Vorgehen billigte und sich damit letztlich durchsetzte, wie etwa ein Verweis in RGZ 13,202 auf dieses Urteil zeigt. 1 0 9 O A G Rostock SeuffA 7,328. 110 O A G Rostock SeuffA 7,327. 111 Caemmerer, Rechtsgültigkeit, S. 49 f. zeigt den interessanten Umstand auf, daß zu dieser Zeit in Mecklenburg noch die römischrechtliche Mobiliarhypothek möglich gewesen sei, nach dem dort gültigen Konkursrecht aber auch Pfandrechtsinhaber - zwar vorrangig - am Konkurs teilnahmen, so daß nur die Übereignung dem Gläubiger eine Sicherheit am Konkurs vorbei verschaffen konnte. Deshalb ist Caemmerer mit dem Ergebnis unter Simulationsgesichtspunkten einverstanden, vermißt jedoch den Gesichtspunkt des in fraudem legis agere.
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Teil 1: Die Entstehung des modernen
c) Abstraktheit der
deutschen
Treuhandrechts
Übereignung
In einer weiteren Entscheidung, die etwas mehr als zehn Jahre später (1863) erging, fand das OAG Rostock eine zusätzliche Begründung: Man könne dem „Willen zur Eigenthumsübertragung [nicht] allen Rechtseffekt absprechen, wenn derselbe auch durch das unterliegende Rechtsgeschäft nicht genügend motiviert wird und etwa über die mit dem letzten bezielten Zweck hinausgeht". 112 Es möge zwar bei „Incongruenz der causa und des bei der Tradition documentierten Willens der Eigenthumsübertragung" ein Restitutionsanspruch bestehen. Davon unabhängig werde der Eigentumsübergang aber „ausschließlich durch die Willensübereinstimmung beider Paciscenten in Bezug auf die Ubertragung und den Empfang des Eigentums herbeigeführt". 113 Deshalb sei es unzutreffend, wenn die Vorinstanz der Ubereignung mangels iusta causa die Wirkung abgesprochen habe.114 Das OAG Rostock hat in seiner zweiten Entscheidung also nicht mehr das Modell von titulus und modus angewendet, sondern sieht den Eigentumserwerb abstrakt zur causa. Die Klarheit und überzeugende Argumentation der Entscheidung zeigt, welche Rolle das von Savignym propagierte Abstraktionsprinzip als elegante Begründung für die Zulässigkeit der Sicherungsübereignung gespielt hat. Man konnte also den dem Sicherungsverkauf zugrundeliegenden Kaufvertrag ohne weiteres für simuliert halten, was jedoch auf die Eigentumsübertragung keinen Einfluß hatte und dem „Verkäufer" nur eine condictio gewährte.116 Die Unwirksamkeit der Ubereignung im Rahmen des Sicherungsverkaufs wurde zwar vereinzelt auch unter Anerkennung des Abstraktionsprinzips vertreten, indem man mit der Figur der Fehleridentität von obligatorischem und dinglichem Geschäft arbeitete.117 Trotzdem zeigt die Durchsicht der Entscheidungen deutlich, daß die Anerkennung der Sicherungsübereignung118 ganz erheblich durch die Anerkennung der Abstraktheit der Übereignung vom obligatorischen Geschäft begünstigt wurde.119 Dieser Einfluß wird auch daran deutlich daß man in Frank112 O A G Rostock SeuffA 19, 122; in der Folge genauso O L G Rostock SeuffA 30, 124; O L G Hamburg SeuffA 41, 86; R G Z 13,200 unter Billigung von O L G Rostock SeuffA 41, 85 und Berufung auf RGZ 2 , 1 6 8 ff. und Distanzierung unter Verhinderung einer Anrufung des Großen Senates von R G Z 2,173, denn der Unterschied liege an „den Umständen des einzelnen Falles"; R G Z 2 6 , 1 8 0 . 113 O A G Rostock SeuffA 19,198. 114 Genauso das O L G Hamburg SeuffA 40, 135: Die Eigentumsübertragung sei nur unwirksam, wenn der Wille, das Eigentum zu übertragen, „in Wirklichkeit nicht vorhanden, wenn er simuliert war". 115 Angesprochen ist hier Savignys Lehre vom abstrakten dinglichen Vertrag in Savigny, System III, S. 312; dazu auch Felgenträger, Einfluß, S. 31 ff. 116 Vgl. nur O L G Rostock SeuffA 41, 85; O L G Hamburg SeuffA 41, 86. 117 O A G Celle SeuffA 1 4 , 9 0 ; RG SeuffA 3 6 , 9 9 . 118 Gleiches gilt für die Sicherungszession, vgl. etwa R O H G 19,130; R G Z 24,161. 119 So auch Coing, Treuhand, S. 31.
§ 2. Fiduziarische
Treuhand als Gegenbegriff
zur
Simulation
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reich, wo das Abstraktionsprinzip sich nicht durchsetzte, zur gegenteiligen Auffassung kam: dem Sicherungsverkauf wurde die Anerkennung versagt.120 Das Abstraktionsprinzip ermöglichte also,121 daß der Wille zur Übertragung der Eigentums im Rahmen der Übereignung als eigenständigem Rechtsgeschäft nicht nur (wie bei der Anerkennung des Vollindossaments zu Inkassozwecken) von allgemeinen wirtschaftlichen Zwecken des Geschäfts insgesamt, sondern auch von Willensinhalten aus dem konkreten Verpflichtungsgeschäft geschieden wurde. Weil im Zuge der Anerkennung des Abstraktionsprinzips die Übereignung zum eigenständigen Vertrag 122 wurde, konnte selbst der Verpflichtungsvertrag zum Motiv dieses Vertrages werden.123 Es ging überhaupt nicht mehr darum, warum jemand Eigentum hatte, das Abstraktionsprinzip war also der letzte Schritt zur „Lösung von Zwecken"124, die Savigny125 zur Vollendung getrieben hat. Umgekehrt gewann sicherlich auch die Lehre Savignys durch ihre augenscheinliche Geeignetheit, ja Notwendigkeit, für die Konstruktion einer besitzlosen Mobiliarsicherheit an Durchsetzungskraft. 126 Beim Vollindossament zu Inkassozwecken war der Verweis auf die Abstraktheit des Indossaments wegen der Formstrenge des Wechselrechts hingegen nicht so notwendig und wohl auch umstrittener.127 Auch dieses Produkt „ Savigny'sche(r) formale(r) Rechtsauffassung"128 in seiner systematischen Klarheit konnte sich in einem Verkehrsschutzklima und dem Interesse einer kapitalistischen Gesellschaft an der Ablösung des Umsatzaktes von anderem129 durchsetzen.130 Ihering sprach deutlich aus, was der „Zweck dieser ganzen Manipulation"131 sei: Zirkulation, Verkehrssicherheit,132 „Sicherheit des Eigentums" 133 . Ranieri weist darauf hin, daß ein so verstandener zweckfreier Wille „der Wille der berechnenden Rechtsordnung und nicht mehr der Wille des einzelnen Rechtssubjekts" 134 sei. Der Cour de Cassation, Dalloz 79.1.401. Vgl. auch Löbl AcP 129,332 f. 1 2 2 Auch hier prägend Savigny, System III, S. 312; genauso Bahr, Anerkennung, S. lOf. 123 Ranieri, Lehre, S. 92. 124 Ranieri, Lehre, S. 102; das zeigt sich durchgehend bei Savigny, ein anderes Beispiel ist die Unbeachtlichkeit des „Motivirrtums". 125 Savigny, System III, S.356; Savigny, Obligationenrecht, S.258: auf die "umgebenden Umstände, Absichten, Zwecke" komme es nicht an. 126 Brandt, Eigentumserwerb, S. 107 f. geht sogar davon aus, daß sich das Abstraktionsprinzip letztlich nur wegen der Debatte um die Sicherungsübereignung durchgesetzt habe. 1 2 7 Vgl. Regelsherger AcP 63,165. Dafür jedenfalls ßä6rJherJB l, 396-, Koch A W H 15,284; O A G Wiesbaden SeuffA 13,18; O A G Jena Seuff A 13, 90. Dagegen wohl O A G Celle SeuffA 5 , 1 5 0 ; Kariowa, Rechtsgeschäft, S. 270 f. 128 Ranieri, Lehre, S. 102. 129 Wieacker, Pandektenwissenschaft, S. 15 f. 1 3 0 Beispielhaft auch §§ 2 5 3 , 2 5 6 SächsBGB. 131 Ihering, Geist I, S. 209. 132 Wiegand AcP 190,119. 133 Ihering, Geist I, S. 209. 134 Ranieri, Lehre, S. 104. 120 121
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Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutschen
Treuhandrechts
Gesetzgeber des BGB hat übrigens später den doppelten Verkehrsschutz durch Abstraktheit und Gutglaubensschutz offenbar nicht bemerkt. 135 Das Eigentum des Treuhänders war also dinglich völlig abstrakt von und ungebunden an irgendwelche Parteiabreden in der causa. Damit wurde die Inkongruenz des Willens zur Einräumung einer bestimmten dinglichen Rechtsmacht zum Zweck dieser Machteinräumung als wesensbestimmende Inkongruenz von dinglichem Können und schuldrechtlichem Dürfen des Treuhänders noch vertieft. d) Erörterungen in der Rechtslehre In der Literatur wird das Problem der Sicherungsübereignung erst spät aufgegriffen. Die Relevanz der Sicherungsübereignung für die Rechtspraxis wurde offenbar über Jahre hinweg völlig übersehen. 136 Anders als beim Vollindossament zu Inkassozwecken wird in der wissenschaftlichen Diskussion die Position der Obergerichte jedoch nicht vertieft und untermauert. aa) Kohler Kohler stellte die Sicherungsübereignung dem Vollindossament zu Inkassozwecken als verdecktes Geschäft gleich. Ein solches Geschäft könne „ganz ernst und mit der vollen Absicht der juristischen Wirkungen gemeint sein". 137 Nicht jedes verdeckte Geschäft müsse jedoch wirksam sein, was aber nichts mit der vielfach behaupteten Simulation zu tun habe; es gebe nämlich wirksame und unwirksame verdeckte Geschäfte. Zu letzteren gehöre die Sicherungsübereignung. Dort erfolge eine „Manipulation" zu Lasten der Publizität, die ein solches Geschäft verbiete. Kohler gab mit seinen Erörterungen also der Auffassung, daß die Sicherungsübereignung verboten sei, eine andere Richtung, weg von der Simulation. Die Realsicherung an einer Mobilie dürfe nur unter Publikmachung, also Inbesitznahme der Sache durch den Inhaber der Sicherheit, erfolgen. 138 Die Normen zum Faustpfandrecht in den Partikularrechten und §§ 40 KO, 14 EGKO enthielten gleichsam einen allgemeinen Gesetzesbefehl der Sachsicherung unter Publizität, das wirtschaftliche Zweckstreben nach Sachsicherung habe ausschließlich im Pfandrecht seinen Ausdruck gefunden. Die Vorschriften über die Publizität bezögen sich nicht nur auf das Rechtsinstitut des Pfandrechts, sondern auf das „Zweckstreben" 139 nach Sachsicherung insgesamt. Diese Vorschriften würden bei Zulassung eines besitzlosen Pfandrechts umgangen. 135 136 137 138 139
Vgl. dazu Wacke, Besitzkonstitut, S. 31 f. und 38 ff. Otten, Entwicklung, S. 178. Kohler JherJB 16,151. Kohler JherJB 16,151 f. Kohler JherJB 16,144; hiergegen Becker, Sicherung, S. 16.
§2. Fiduziarische Treuhand als Gegenbegriff zur Simulation
33
Kohler trennte also die Kategorien der Simulation und der fraus legis, die in dem Urteil des Reichsgerichts aus dem Jahre 1880 noch ineinandergeflossen waren. Das Reichsgericht hatte mit dem Argument der Gesetzesumgehung („verschleierte Verpfändung") letztlich Simulation bejaht; das Gericht verfalle auf die Simulation, weil ihm fraus vorschwebe, kritisierte Otto Bahr später. 140
bb)
Regelsberger
Regelsberger^ ordnete zwei Jahre nach Kohler den Sicherungsverkauf nicht in seine Kategorie der „fiduziarischen Rechtsgeschäfte", allerdings auch nicht in jene der Scheingeschäfte ein. Er behauptete noch eine dritte Kategorie der „rechtsgeschäftlichen Schleichwege", unter die er den Sicherungsverkauf faßte. Ihr Charakteristikum sei die Umgehung der adäquaten Rechtsform. Es werde damit nämlich, im Gegensatz zur fiducia, deren Charakteristikum die überschießende Rechtsmacht sei, ein von der Rechtsordnung nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen erwünschter Erfolg erreicht: eine Realsicherung an Mobilien sei nur unter Inbesitznahme der Mobilie durch den Sicherungsnehmer erwünscht. Mit den fiduziarischen Geschäften hätten die Schleichwege gemeinsam daß, im Gegensatz zur Simulation, Wille und Erklärung der Handelnden in Einklang stehen. Mit der Simulation allerdings - und deswegen habe es bisher an einer sauberen Trennung gefehlt - der Zweck, „dem Gesetz eine Nase zu drehen". 142 Diese Unterscheidung setzte sich nicht durch. Zu Recht, denn die beiden Fragen der erlaubten oder unerlaubten Gesetzesumgehung und der Inkongruenz von Geschäftszweck und gewähltem Mittel bewegen sich auf völlig verschiedenen Ebenen. 1 4 3
cc) Hellwig Hellwigw faßte ein Jahr nach Regelsberger den Sicherungsverkauf folgerichtig in die Kategorie des „fiduziarischen Geschäfts" und grenzte ihn damit von der Simulation ab. Das lag aufgrund Regelsbergers Rekurs auf die römischrechtliche fiducia als Übertragung vollen Eigenrums auf einen Treuhänder durchaus nahe und war nur folgerichtig. Hellwig kannte neben der Simulation jedoch fraus legis als weiteren, völlig unabhängigen Unwirksamkeitsgrund, der beim Sicherungsverkauf greife. 145 Bei der Simulation beziehe sich die Täuschung auf die juristische Form, bei dem verdeckten Geschäft auf das wirtschaftliche Ziel - das 140 141 142 143 144 145
Bahr, Urteile, S. 63. Regelsberger AcP 63, 185. Regelsberger AcP 63,173 f. Hromadka, Faustpfandprinzip, S. 159. Hellwig AcP 64,379 f. und 392. Hellwig AcP 64, 375.
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Teil 1: Die Entstehung des modernen deutschen
Treuhandrechts
wahre wirtschaftliche Streben werde hinter einer ernstlich gewollten Rechtsform verschleiert, während bei der Simulation der Schleier nicht ernstlich gewollt sei. 146 Regelsberger konnte also nur deshalb die Sicherungsgeschäfte nicht als fiduziarische Geschäfte einordnen, weil ihm die Abschichtung der fraus legis nicht gelungen war. Hellwig147 wendete also das Abstraktionsprinzip folgerichtig an und gelangte zu der Auffassung, daß selbst ein simulierter Kaufvertrag die Sicherungsübereignung - und damit auch die Zuordnung des Eigentums zum anderen Teil - unberührt lasse. Freilich sieht er wie Kohler eine fraus legis, weil dem Gläubiger ein Vorzugsrecht für Gegenstände, die im Besitz des Schuldners bleiben, gewährt wird, ein „den Credit und den gutgläubigen Verkehr gefährdendes Verhältnis". 148 Die Pfandrechtsvorschriften in den Gesetzen wollten gleichsam bestimmte wirtschaftliche Resultate, hier das besitzlose Pfandrecht, ausschließen und trügen insoweit Verbotscharakter. Also seien auch Umgehungsversuche, die das wirtschaftliche Resultat auf andere Weise erreichen wollten, vom Sinn und Zweck einer Norm erfaßt. Bähr, der Hellwig gänzlich zustimmt, sagte plastisch, die Publizitätsnormen beim Faustpfand seien „Prohibitivgesetze, gerichtet gegen das wirtschaftlich mißbilligte Verhältnis, daß ein Gläubiger ein Vorzugsrecht erwirbt an Sachen des Schuldners, welche dieser in seinem Besitz behält, und deren Besitz ihm scheinbar eine Kreditwürdigkeit verleiht, die ihm in der Tat nicht zukommt". 1 4 9 Der Umgehungsbegriff, die fraus legis, die hier entstand, hat als Ausgangspunkt also eine bestimmte Methode der Gesetzesauslegung, 1 5 0 die nicht am Wortlaut der Norm, an der juristischen Form haftet, sondern Sinn und Zweck der Norm im Rechtsgefüge sieht, weil eben Pfandrecht und Sicherungsübereignung den gleichen Zweck erfüllen sollen, ein „Vorzugsrecht" an einer Mobilie zu gewähren. „Das Gesetz hat mit der Normierung des Besitzerfordernisses beim Pfandrecht ein öffentliches Interesse geschützt, und dieser Schutz klammert sich nicht an den Namen des Pfandrechts fest, sondern muß bei Wiederkehr einer der Interessengestaltung beim Pfandrechte in anderem juristischen Gewände in entsprechender Weise eintreten. Verkennen w i r diesen für die Geset146
Hellwig AcP 64, 376. Hellwig AcP 64,388 f. 148 Hellwig AcP 64,380. Jahre später (1912) revidiert er diese Auffassung zugunsten wirtschaftlicher Erwägungen zugunsten der Sicherungsübereignung de lege ferenda, Hellwig, Gläubigernot, S. 8. 149 Bähr, Urteile, S. 61. 1 5 0 So ausdrücklich Kohler JherJB 16,144: „Das ganze ist nur eine Frage der Gesetzesauslegung [...]". Das wird auch in der Verteidigung der Sicherungsübereignung bei Linckelmann ABR 7, 225 deutlich, der sagt, die Mißbilligung der Sicherungsübereignung durch den Gesetzgeber habe im Gesetz keinen Ausdruck gefunden und die bloßen Motive des Gesetzgebers könnten einen Gesetzesanwendung niemals über den Gesetzeswortlaut hinaus rechtfertigen. Zur kontroverse vgl. Enneccerus, BGB AT, § 49. 147
§ 2. Fiduziarische
Treuhand als Gegenbegriff
zur
Simulation
35
zesauslegung fundamentalen Gesichtspunkt, so wird diese einer schrankenlosen Willkür ausgeliefert.".151 Auch hier wird nochmals klar, daß in dem ganzen Feld von Simulation, fraus legis und Treuhand, so die schließlich entwickelten Kategorien, mangels entsprechender gemeinrechtlicher Vorarbeiten oder wegen mangelnder Präzision 152 noch erhebliche Unsicherheit herrschte. Die Auffassung Hellwigs gewinnt weitere Anhänger, weil ein vom Gesetzgeber mißbilligtes Ziel in Form der Mobiliarhypothek, also unter Verletzung des Publizitätsprinzips,153 erstrebt werde. 154 Außerdem werde das Verbot der lex commissaria (Verfallklauselverbot) umgangen.155 Nach Inkrafttreten des B G B können sich die Vertreter dieser Auffassung auf § 1205 B G B (Publizität) und § 1229 B G B (Verbot der Verfallsklausel) berufen. Festzuhalten bleibt: Der Rechtswissenschaft gelang es, die Kategorien der Simulation und des in fraudem legis agere sauber zu trennen. Der Simulationseinwand hat jedenfalls bei der Sicherungsübereignung letztlich überhaupt nur deshalb eine Bedeutung erhalten, weil man beide Figuren bislang nicht sauber unterschieden hatte. Auch aufgrund dieser entwicklungsgeschichtlichen Zufälle sind also Vollindossament zu Inkassozwecken und Sicherungsübereignung in Abgrenzung zur Simulation in eine eigene Kategorie des „fiduziarischen Geschäfts" gefaßt worden. d) Die Rolle des Reichsgerichts Das Reichsgericht entschied im Jahre 1885 zweimal zugunsten des Sicherungsverkaufs, 156 ohne lange Erörterungen zur Begründung des Ergebnisses oder eine Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Literaturauffassung, die damals durchNathan, Übertragung, S. 35. 152 Ygj Savigny, System III, S. 325; Thöl, DPrR, S. 160, die nicht an den rechtsgeschäftlichen Willen, sondern (auch) auf objektive Gesichtspunkte abstellen. Vgl. dazu auch die oben erörterte Entscheidung des O T Stuttgart SeuffA 10, 349, die davon spricht, daß die Sicherungsübereignung „nur zum Schein in die Form eines Kaufvertrages eingekleidet" wurde. 1 5 3 Bei der Sicherungszession wurde insofern parallel argumentiert, als hier die Publizität ebenfalls nicht gewahrt sei, während die Verpfändung einer Forderung, wie später in § 1280 B G B geregelt, dem Schuldner angezeigt werden müsse. Deshalb sei auch die Sicherungszession unzulässig, Bahr, Urteile, S. 252; Hellwig AcP 64, 369 ff.; Kohler JherJB 16,151. 154 Bütow, Sicherungsübereignung, S. 16 ff.; Caspari, Sicherungsübereignung, S. 17 f. und 35 ff.; Endemann Z H R 4 0 , 3 0 6 f; Goltz, Rechtsgeschäft, S. 32; Katzenstein Gruchot 49,337 ff.; Kuhlenheck, Rechtsprechung I, S. 164 ff.; Leist, Sicherung, S. 69 ff.; Nathan, Übertragung, S. 19 ff., der allerdings dann schweren Herzens auf S. 50 den Status des Gewohnheitsrechts auspackt; Pfaff, Lehre, S. 152 ff.; Wilutzki DJZ 1901, 20; a.A. Engel, Sicherungsübereignung, S. 21; Linckelmann A B R 7,209 ff. 155 Bütow, Sicherungsübereignung, S. 14 ff.; Hellwig AcP 6 4 , 3 8 0 ; Kohler JherJB 16,91 ff.; Leist, Sicherung, S. 75; zum Teil wurde freilich auch eine Anwendung des Verbots auf die Sicherungsübereignung befürwortet, Brill, Sicherung (1896); Linckelmann A B R 7,221. 1 5 6 R G Z 1 3 , 2 0 0 ff. und 298 ff.; vgl. zuvor auch die oben erwähnte Entscheidung des I. Senats RGZ 2, 168 ff. mit Vorinstanz O L G Rostock SeuffA 41, 85, dessen Argumentation sich RGZ 1 3 , 2 0 0 ff. anschließt. 151
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Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutschen
Treuhandrechts
aus „herrschend" war, zu bieten. 157 Das Gericht stellte sich einfach auf den Standpunkt, der Gesetzgeber habe den Sicherungsverkauf nicht verbieten wollen. Man könne nur gebietende oder verbietende Gesetze umgehen und solche bestünde im Bereich des Sicherungsverkaufes nicht. Eine entsprechende Absicht komme nämlich im Gesetz nicht zum Ausdruck. Möglicherweise ist diese Auffassung des Gerichts also durch eine konservativere Auslegungsmethode bedingt, die nur an Wortlaut und systematischer Stellung der Normen und Begriffe anknüpft, nicht aber an dem vom Gesetzgeber intendierten Normzweck. Möglicherweise legte das Gericht bewußt konservativ aus, um das gewollte Ergebnis zu erreichen. Bereits fünf Jahre später erkannte das Reichsgericht eine „ständige Rechtsprechung" zugunsten der besitzlosen Mobiliarsicherheit. 158 Nachdem das neue BGB keine klare Stellungnahme in dieser Kontroverse zwischen Rechtsprechung und Lehre brachte, sich bei der Regelung des Pfandrechts vielfach an die Partikularrechte anlehnte und das Besitzkonstitut zur Übereignung in § 930 BGB schrankenlos zuließ, 1 5 9 sah sich das Reichsgericht auch nach dem 1. Januar 1900 zu keiner Korrektur seiner Rechtsprechung veranlaßt. 160 Mit der Durchsetzung des gutgläubigen Erwerbs dinglicher Rechte kam es wohl überdies nicht mehr so sehr darauf an, zweite „Pfandnehmer" vor Erwerb oder Pfandnahme einer bereits im Wege der Sicherungsübereignung „verpfändeten" Sache zu schützen. e) Kurskorrektur
der Lehre
Die Lehre, die zunächst mehrheitlich die Wirksamkeit des Sicherungsverkaufs abgelehnt hatte, erkannte aufgrund der gegenteiligen Entscheidungen des Reichsgerichts den Sicherungsverkauf schließlich mehrheitlich an. 161 Selbst Kohler162 änderte seine Auffassung dahingehend. Das Wirksamkeitsinteresse 157 Die gegenteilige Auffassung wurde in der Rechtsprechung im Anschluß an die Literatur - soweit ersichtlich - überhaupt nur vom OLG Kiel SeuffA 40,287 vertreten. 158 RGZ 26, 180 ff.; Schäfer ABR 38, 11 ff. zeigt, daß freilich der Simulationseinwand im Einzelfall greifen konnte, wenn der Gegner die Simulation nachwies. 159 Der Antrag auf Einführung eines § 930 II BGB in der zweiten Kommission, der § 930 BGB zur Beendigung des „unerquicklichen Zustandfs] der Rechtsprechung" in dieser Frage ausschließen sollte, wenn „durch die Veräußerung dem Erwerber Sicherheit wegen einer Forderung verschafft werden soll", wurde abgelehnt, Prot. III, S. 197 ff. Es sei keineswegs Notwendig, bloß weil das beim Pfandrecht so sei, auch für die Eigentumsübertragung zum Zwecke der Sicherung körperliche Ubergabe vorzuschreiben. 160 Vgl. die erste Entscheidung nach Inkrafttreten des BGB, RGZ 59, 146ff. und die Besprechungen von Landsberg DJZ 1905,921 und Weinstein DJZ 1905, 833. 161 Vgl. etwa Cosack, BR 2, § 244 II 3 b; Dernhurg, Pandekten I, § 100; Dernhurg, BR III, S. 783; Endemann, BR 2, S. 544 ff.; Hallbauer, Recht 1905, S. 661 ff.; Gierke, DPrR III, § 170; Lilienthal DJZ 1902, 542; Luetgebrune, Konstruktionsversuch, S. 17f.; Planck, BGB, §223 Anm. 3, § 929 Anm. 5, § 930, Anm. 5 und § 1205 Anm. lb; Oertmann DJZ 1911,1178; Staudinger, BGB, § 1205, Anm. 4; Stobbe, DPrR II/2, § 165; Wendt, Pandekten, §247; Windscheid, Pandekten II, § 224; RGZ 13, S. 203 f. 162 Kohler ABR 7, 234 f. sieht nun keine Verbotsgesetze mehr; insbesondere sei §1205
§ 2. Fiduziarische
Treuband als Gegenbegriff
zur
Simulation
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der Parteien des Sicherungsgeschäfts hatte sich also gegen die Interessen Dritter durchgesetzt. Auch wenn beim Streit über die Zulässigkeit des Sicherungsverkaufs bzw. der Sicherungsübereignung von Rechtsprechung und Lehre unterschiedliche Auslegungsmethoden herangezogen wurden, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führten, waren es doch vermutlich wirtschaftliche Aspekte, die „zu der hartnäkkigen Verschlossenheit unserer höchstrichterlichen Rechtsprechung gegen die Beweisführung der Literatur" 163 geführt haben. Das zeigen auch die Erörterungen auf dem 15. Deutschen Juristentag, wo keine dogmatischen, sondern wirtschaftliche Fragen eine Rolle spielten: Sollten Arbeiter, kleinere Händler und Handwerker durch das Besitzpfandrecht vor dem Ruin bewahrt werden, indem man ihnen verbot, ihre Lebensgrundlage als Kreditunterlage zu verwenden? 164 Oder war von der Kreditvermehrung durch Sicherheitenvermehrung ein wirtschaftlicher Aufschwung zu erwarten, der ausbleiben würde, wenn man bestimmte Bevölkerungskreise vom Kredit ausschließt und sie noch dazu bei der Verwendung ihres Eigentums bevormundet? 165 Argumente, die uns auch heute noch in der Verbraucherschutzdiskussion begegnen, allerdings wohl das gegenteilige Ergebnis brächten. Um weite Bevölkerungskreise vor dem Ruin zu bewahren, wurde schließlich nicht die Sicherungsübereignung verboten, sondern bereits 1894 das Abzahlungsgesetz erlassen.
IV. Zusammenfassung Die längst überholte Diskussion 166 zur Abgrenzung der fiduziarischen Treuhand vom Scheingeschäft (Simulation) ist deshalb wichtig, weil aus dieser Abgrenzungsarbeit die Treuhand entstanden ist und ihr dabei Konturen gegeben worden sind, die sich bis heute erhalten haben: Das Mißverhältnis von „Können" (überschießender Macht) und „Dürfen", von „eingesetztem Mittel" und „erstrebten Zweck", das abstrakte Nebeneinander von „dinglichem Vertrag" und „obligatorischer Nebenabrede", der Dualismus von Innen- und Außenverhältnis. Die Treuhand beruht geradezu auf „allen möglichen Gegensätzen". 167 Sie ist im Zuge pandektistischer System- und Begriffsklärungen entstanden und hat diese Klärungen ihrerseits befördert. Das fiduziarische Geschäft wird als Gegenbegriff zum Scheingeschäft angelegt, was entstehungsgeschichtlich beBGB keines. Dieser Meinungsumschwung geschieht als Anhang zu dem vorstehenden Aufsatz von Linckelmann. 163 Caemmerer, Rechtsgültigkeit, S. 27. 164 Brunner, 15. DJT II, S. 108; Reuling, 15. DJT II, S. 111. 165 Leonhard, 15. DJT II, S. 103 ff. und 114; genauso Linckelmann ABR 7,211. 166 Einer der letzten Vertreter des Scheingeschäfts ist beispielsweise Bernstein, Wechselordnung, S. 112 ff., im Jahre 1907. 167 Friedmann, 36. DJT I, S. 855.
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Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutseben
Treuhandrechts
dingt ist, obschon man bei Treuhandgeschäften wie bei jedem anderen Geschäft fragen muß, ob es simuliert ist oder nicht. 168 Hinzukommt die Festlegung auf die Inhaberschaft eines bestimmten Rechts (Forderungsinhaberschaft, Eigentum) des Treuhänders als „Eigenrecht", als „Treugut". „Seine [des Treuhänders] Unterordnung unter das Treugut steht gewissermaßen naturgesetzlich fest" sagt Friedmann in seinem Gutachten für den 36. Deutschen Juristentag 169 scheinbar ganz ohne Ironie. Das ist geschichtlich bedingt, ging es doch um die Simulation der Rechtsübertragung, aber auch den Pfandrechtsersatz. Auch diese Auffassung hat sich bis heute gehalten, auch wenn die Frage der Simulation längst entschieden ist und auch das Verhältnis von Sicherungsübereignung und Pfandrecht geklärt scheint. Ermöglicht wurde diese Schaffung des „fiduziarischen Geschäfts" durch zwei Bedingungen: Bereinigung des rechtsgeschäftlichen Willens von sämtlichen Motiven. Hofer170 führt aus, daß entscheidend sei, „wie ernst Regelsberger das Kriterium des Willens nimmt", und Anerkennung der Abstraktheit des eigenständigen dinglichen Geschäfts von der causa, die die Ubereignung „Angriffen aus dem Kausalverhältnis" entrückt. 171 Hier sind Ursache und Wirkung freilich nicht zu trennen. Das Anknüpfen an die Abstraktheit der Übertragung des Treuguts vom Treugeber auf den Treuhänder und vor allem die tagtäglichen Rechtsfälle mit Bezug zu Dritten haben vermutlich das Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder völlig aus dem Blick gebracht und zu einer Definition der Treuhand über die Außenseite, die Drittbeziehungen der Treuhand, geführt. Auf Grundlage dieser als konstitutiv angesehenen Merkmale konnte über die beiden erörterten Ausgangsfälle hinaus die Gattung des „fiduziarischen Geschäfts" geschaffen werden. 172 Ein Blick in Medicus' klassisches „Bürgerliches Recht" (Rn. 488) genügt, um die Strahlkraft des Ansatzes bis in die heutige Zeit zu erkennen.
Schöny, Treuhandgeschäfte, S. 42. Friedmann, 36. DJT I, S. 822. 170 Hofer, Treuhandtheorien, S. 394. 171 Caemmerer, Rechtsgültigkeit, S. 48. 172 Vgl. nur Crome, System 1, S. 334; Dreyer Gruchot 40, 233 ff. und 449 ff.; Endemann; B R I , § 62,4; Enneccerus, BGB, § 139 II; Planck/Flad, BGB, § 117 BGB, Anm. 7; Lang AcP 83, 336 ff.; Leist, Sicherung, insb. S. 78; Leonhard, SchR AT, § 344; Regelsberger, Pandekten, § 141; Staudinger/Rietzler, Bd. I, S.413; von Tuhr, BGB AT, §77; Windscheid, Pandekten I 9 , §75. Der Begriff wird so schnell populär, daß etwa Luetgebrune, Sicherungsübereignung, S.2 im Jahre 1906 schon die umgekehrte Denkrichtung, die Deduktion einschlagen kann: „Durch dieses Mißverhältnis [zwischen Mittel und Zweck] gibt sich übrigens die Sicherungsübereignung unschwer als fiduziarisches Rechtsgeschäft zu erkennen.". 168 169
§3. Die Treuhand in den Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch I. Einleitung Das BGB findet zu keiner ausdrücklichen Regelung der „fiduziarischen Rechtsgeschäfte". In seinem Gutachten auf dem 36. Deutschen Juristentag im Jahre 1931 stellt Haemmerle deshalb fest, daß „dem Privatrechte [...] ausgesprochene Treuhänderverhältnisse fremd" seien,1 wenn auch oftmals darauf verwiesen wird, daß das BGB in §223 Abs. 2 BGB 2 Treuhandgeschäfte anerkenne. 3 Bereits der 31. Deutsche Juristentag forderte 1912 Nachbesserungen im Bereich der Sicherungsübereignung. Dieses (vordergründige 4 ) Schweigen des Gesetzbuches führte zu der reizvollen Möglichkeit, die Treuhanddiskussion aus dem neunzehnten Jahrhundert unverändert in der Zeit nach Inkrafttreten des BGB weiterzuführen. Anders als in anderen Bereichen verursachte also der Erlaß der Kodifikation kein Abreißen der dogmatischen Diskussion. In den Erwägungen der Verfasser des BGB spiegelt sich allerdings sehr wohl die Diskussion um die Simulationsfrage wieder, interessant sind vor allem einige abgelehnte weiterführende Anträge, bei deren Erörterung sich die Standpunkte der Kommissionsmehrheit und damit „des Gesetzgebers" deutlich herauslesen lassen.
II. Die Regelung zum Scheingeschäft Die erste Kommission war der Auffassung, unter Simulation sei der der Mentalreservation verwandte Fall zu verstehen, bei dem erklärter und wirklicher Willen bewußt auseinanderfallen, die Täuschungsabsicht aber nicht auf den ErkläHaemmerle, 36. DJT I, S. 651. Heute: §214 Abs.2 BGB. 3 Vgl. ohne Anspruch auf Vollständigkeit Hönsch, Stellvertretung, S. 18; Cohn, Rechtsgeschäft, S. 15; Enneccerus/Nipperdey § 139 II 1; Haemmerle, 36. DJT I, S. 650; Kunisch, Stellung, S.60; Luetgebrune, Sicherungsübereignung, S. 17; Oertmann, §117 BGB, Anm. 5; Planck, §223 BGB, Anm. 3; Schless, Stellvertretung, S. 106; RGZ 57, S. 174; Seidel, Sicherungsübereignung, S. 6. 4 Vgl. jedoch unten § 8 I. 1
2
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des modernen
deutschen
Treuhandrechts
rungsempfänger, sondern auf Dritte gerichtet sei. In diesen Fällen komme es auf den wirklichen Willen an. 5 Aufgrund der großen praktischen Bedeutung der Simulation, die Kommission spielt hier wohl auf die oben geschilderten Konstellationen an, müsse dies unbedingt in einer Vorschrift geregelt werden. Deshalb lautete § 96 B G B - E I : „Ein zum Schein vorgenommenes Rechtsgeschäft ist nichtig. Wird bei Vornahme eines Scheingeschäfts von den Parteien die Errichtung eines anderen Rechtsgeschäfts beabsichtigt, so bestimmt sich die Gültigkeit dieses anderen Rechtsgeschäfts nach den für dasselbe geltenden Vorschriften.". Diese Fassung kam dem heutigen § 117 BGB schon sehr nahe. In der Vorkommission des Reichsjustizamtes stellt Börner 1891 den Antrag, § 9 6 folgendermaßen zu fassen: „Eine Willenserklärung, welche im Einverständnis mit dem Empfänger nur zum Schein abgegeben wird, ist nichtig. Einem Dritten, welcher auf die Echtheit der Erklärung vertraute, kann die Nichtigkeit nicht entgegengesetzt werden.". 6 Ahnliches beantragten auch Struckmann und Achilles.7 Die Antragsteller wollten also den gutgläubigen Rechtsverkehr vor den Auswirkungen der Simulation schützen und ihre Wirkungen auf das Innenverhältnis begrenzen. Die Kommissionsmehrheit strich jedoch lediglich § 9 6 Satz 2 BGB-E I als rein deklaratorisch und lehnte die Anträge ab. Über den Schutz hinaus, den der redliche Verkehr nach dem Entwurf bereits genieße, bestehe ein weiteres Schutzbedürfnis nicht. 8 Entsprechende Anträge wiederholten die Antragsteller in der zweiten Kommission. Einziges Ergebnis der Beratungen in dieser Kommission war jedoch, daß der gestrichene zweite Satz zum gültigen verdeckten Rechtsgeschäft wieder hinzugefügt wurde, § 92 BGB-E II. Im BGB findet sich also der in der Treuhand-Debatte entwickelte Simulationsbegriff wieder.
III. Simulation bei der Forderungsübertragung In der Debatte um §§ 302, 303 BGB-E I, in denen es um Einreden des Schuldners gegen einen neuen Gläubiger nach Abtretung bzw. um den Erhalt der Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners geht, vgl. §§ 404, 406 BGB, nahm die erste Kommission ausdrücklich Stellung zum Simulationsproblem beim Vollindossament zu Inkassozwecken. Eine Forderungsabtretung sei nicht schon allein deshalb simuliert, weil der neue Gläubiger auf Rechnung des alten Gläubigers handle. 9 Mit Simulation habe es nichts zu tun, „wenn die Parteien nicht den Rechtsakt wählen, welcher zunächst zur Erreichung ihrer wirthschaftli5 6 7 8
9
Prot. I, S. 174 Jakobs/Schubert, Beratungen AT 1, S. 618. Jakobs/Schubert, Beratungen AT 1, S. 619 ff. Jakobs/Schubert, Beratungen AT 1, S. 622. Mot. II, S. 129f.
§ 3. Die Treuhand in den Beratungen zum Bürgerlichen
Gesetzbuch
41
chen Zwecke führt, sondern aus irgend welchen Gründen Umwege einschlagen" führt Gebhard,10 der Verfasser des Vorentwurfs, im Anschluß an das Reichsoberhandelsgericht aus.
IV. Simulation bei der Ubereignung zu Sicherungszwecken
1. Der Standpunkt Joloows Johow hingegen, der den Sachenrechtsentwurf verfaßt hat, war offenbar der gegenteiligen Auffassung und sprach - wohl im Anschluß an die überzeugendere herrschende Literaturauffassung - von der „Simulation der Eigenthumsübertragung zu Sicherungszwecken".11 Die erste Kommission verstieg sich im Anschluß daran sogar dazu, sämtliche Ubereignungen mittels Besitzkonstitut für simulationsverdächtig zu halten. 12 Zwar sei diese Form der Übereignung nicht insgesamt zu verbieten, aber es „wird im einzelnen Falle zu untersuchen bleiben, ob dem Sicherungsempfänger wirklich bedingtes Eigentum zugewendet werden sollte, oder ob nur eine pfandrechtliche Sicherheit bezweckt wurde und deshalb ein simuliertes Rechtsgeschäft vorliegt.". 13 Interessant ist an dieser Stelle, daß die Kommission davon ausging, dem Sicherungsnehmer und Treuhänder werde bedingtes Eigentum zugewendet. Auch die Kommissionsmitglieder haben offenbar die geschilderte Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1880 im Hinterkopf, während doch die Rechtspraxis offenbar ganz regelmäßig mit einer unbedingten Vollrechtsübertragung arbeitete, wie sich aus den besprochenen Gerichtsentscheidungen und Literaturstimmen ergibt. Die zweite Kommission, die ab 1890 tätig war, nahm bereits Bezug auf die Ausführungen Regelsbergers und war deshalb der Auffassung, daß bei Ubereignungen zur Sicherung einer Forderung der Wille auf Ubereignung gehe.14
2. Sicherungsübereignung
und Besitzpfand
Beim Pfandrecht waren sich Johow und dann die Erste Kommission einig über die Normierung des Faustpfandprinzips; man konnte vor allem auch auf §§ 14ff E G K O , 40 KO und das gängige Argument zu den Gefahren mangelnder Publi-
10 11 12 13 14
Gebhard, Vorentwurf, S. 96. Johow, Vorentwurf, S. 757. Mot. III, S.335. Mot. III, S. 338. Prot. II/3,S. 201.
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Teil 1: Die Entstehung des modernen deutseben
Treuhandrechts
zität des Pfandes für den Kreditverkehr verweisen. 15 § 1147 Abs. 3 Satz 2 BGB-E I ordnete an, daß die Pfandbestellung unwirksam sei, „wenn vereinbart ist, daß der Verpfänder das Pfand in der Inhabung behalten soll.". Jobow war sich darüber im Klaren, daß man diese Regel nicht ohne weiteres auf eine bedingte Übereignung zu Sicherungszwecken anwenden könne. 16 Er mußte diese Frage aber nicht weiterverfolgen, weil er die Sicherungsübereignung ohnedies für simuliert und somit nichtig hielt. 17 Bei der Erörterung des Antrags zum Verbot der bedingten Sicherungsübereignung war sich die Kommission bewußt, daß bei Zulassung dieser Rechtsfigur Spannungen zu den Pfandrechtsregeln auftreten würden. Man konnte sich aber nicht zu einer Norm entschließen, die eine Umgehung der pfandrechtlichen Vorschriften über den Besitz untersagte. Der Grund dafür war, daß man eine Spezialvorschrift wohl deshalb für unpraktikabel hielt, weil man die Gesetzesumgehung als ein allgemeines Problem ansah. Man war der Auffassung, daß „jedenfalls hier [bei der Eigentumsübertragung] nicht ihre geeignete Stelle" 18 sei. Auch der Simulationseinwand kam in der Diskussion wieder auf, fraus legis und Simulation waren ja erst kürzlich von Rechtsprechung und Lehre sauber abgeschichtet worden. 19 Letztlich blieb in der ersten Kommission das Problem ungelöst, obschon man sich im klaren war: Pfandrecht und Sicherungsübereignung stehen sich wirtschaftlich im wesentlichen gleich. 20 In der zweiten Kommission wurde von Achilles11 beantragt, § 874a BGB-E II einzuführen, in dessen Absatz 2 das Besitzkonstitut bei Sicherungsgeschäften ausgeschlossen sein sollte. Er berief sich zur Begründung auf die Gefahr von Täuschungen über die Kreditwürdigkeit. 2 2 Dieser Antrag wurde von zwei Seiten her bekämpft: 23 Eine kleine Gruppe vom Kommissionsmitgliedern war noch immer der Auffassung, es liege Simulation vor; aus dieser Sicht war eine solche Norm freilich überflüssig. Die Kommissionsmehrheit argumentierte folgendermaßen: „Die vorgeschlagene Vorschrift würde sich als eine rein positive Ausnahme von dem aus gewichtigen Gründen angenommenen Grundsatz der Unabhängigkeit der Eigenthumsübertragung von ihrem Rechtsgrund darstellen. Nur ein dringendes praktisches Bedürfniß könnte eine solche Ausnahme rechtfertigen, ein solches liege aber nicht vor". 24 Außerdem sei fraglich, ob sich der Rechtsverkehr wirklich darauf verlasse, daß alles, was im Besitz eines Kre15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
Vgl. nur Mot. III, S. 800 ff. Jobow, Vorentwurf, S. 783. Jobow, Vorentwurf, S. 757. Prot. I,S. 4033. Mot. III, S. 338. Mot. I, S. 345 bei den Beratungen zum § 223 II BGB (Endfassung). Jakobs/Schubert, Beratungen SachenR 1, S. 594. Prot. II/3, S. 196 ff. Prot. II/3, S. 200 ff. Prot. II/3.S. 200.
§ 3. Die Treuhand in den Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch
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ditnehmers ist, auch in dessen Eigentum stehe. Es werden also, was wichtig ist, bereits hier Zweifel am bis heute hoch gehaltenen Offenkundigkeitsgrundsatz laut. Schließlich handle es sich bei der Sicherungsübereignung nicht „überwiegend um illegitime Geschäfte", sondern diese Rechtsform diene häufig „zur Befriedigung des Kreditbedürfnisses der kleinen Leute". Der Gesetzgeber wollte also Besitzpfandrecht und Sicherungsübereignung nebeneinander stellen, ohne in der Lage zu sein, das Verhältnis beider Rechtsinstitute genauer zu regeln oder überhaupt die Sicherungsübereignung zu erwähnen. Die Kommissionsmehrheit sah sich nämlich vor das unlösbare Problem gestellt, zwei dogmatische Grundsätze, auf denen das Bürgerliche Gesetzbuch beruhen sollte, in Einklang zu bringen: Abstraktionsprinzip und Publizitätsprinzip jedenfalls bei dinglichen Kreditsicherheiten. Aufgrund des Abstraktionsprinzips konnte man beim Besitzkonstitut nicht nach der causa der Ubereignung fragen um ihre Wirksamkeit zu bestimmen, aufgrund des Publizitätsprinzips durfte beim Pfandrecht nicht vom Faustpfandprinzip abgewichen werden. Dieser Konflikt ist kaum lösbar, es ist deshalb nicht überraschend, daß die Kommissionsmitglieder widersprüchlich argumentierten. Letztlich fanden sie de facto eine Lösung zu Lasten der Publizität, wenn sie sich darauf beriefen, daß eine Vermutung für die Identität von Besitz und Eigentum des Kreditnehmers nicht bestehe und die Ubereignung im Wege des Besitzkonstituts zuließen, § 930 B G B . Freilich nicht, ohne gleichzeitig in § 1006 B G B eben jene Vermutung niederzulegen. Fadenscheinig ist es zudem auch, die Sicherungsübereignung nicht zu regeln, sondern lediglich zuzugestehen, daß sie sich aus allgemeinen sachenrechtlichen Normen, also §§ 930, 868 B G B , konstruieren lasse. Caemmerer hält all das nicht zu Unrecht eine „unsinnige Handlungsweise", 25 denn die detaillierte Regelung zum Faustpfandrecht im B G B , die gleichsam den Höhepunkt der dogmatischen Durchdringung dieses Rechtsinstituts darstellt, wird auf diese Weise letztlich von Anfang an sehenden Auges zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Nach aller dogmatischen Argumentation obsiegte also hier - wie in vielen anderen Bereichen - der Pragmatismus und der Blick auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs. Wenn man sich schon nicht in der Lage sah, die Sicherungsübereignung umfassend zu regeln und mit dem Pfandrecht und dogmatischen Grundpfeilern des B G B abzustimmen, dann wollte man einer solchen Entwicklung wenigstens nicht im Wege stehen. Und konnte dabei gleichzeitig dem Buchstaben nach Abstraktionsprinzip und Faustpfand- oder Publizitätsprinzip aufrechterhalten. Man beruhigte sich schließlich noch mit der Behauptung, bei der Sicherungsübereignung sei die Etablierung zweier konkurrierender Sicherungsrechte anders als bei der Mobiliarhypothek nicht mög-
25
Caemmerer, Rechtsgültigkeit, S. 107
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Teil 1: Die Entstehung des modernen
deutschen
Treuhandrechts
lieh, 26 der Rechtsverkehr also nicht so stark gefährdet. Das trifft freilich nicht zu. 2 7 Wie wir später noch sehen werden, geschieht die stillschweigende Zulassung der Sicherungsübereignung jedoch nicht nur zu Lasten der Publizität, sondern auch des Abstraktionsprinzips, obschon dieses ja dogmatischer Geburtshelfer des „Sicherungsverkaufs" war. Es wird sich der Begriff des Sicherungseigentums etablieren, eines Eigentums, das zu einem bestimmten Zweck vorübergehend übertragen wurde. Und aus eben diesem Sicherungscharakter des Eigentums wird man versuchen, seine Sonderbehandlung zu rechtfertigen. 28 Dieser Sicherungscharakter ergibt sich jedoch aus der Sicherungsvereinbarung, deren Inhalt eigentlich gerade nicht beachtlich sein dürfte.
V. Zuordnung von Rechten nach wirtschaftlichen Gesichtpunkten Zuletzt kam in der zweiten Kommission aufgrund eines Antrags von Jacubezky29 nochmals die Sprache auf Probleme des fiduziarischen Geschäfts. Dieser Antrag ist - anders als die bisher geschilderten Ausführungen - nicht auf die eigentlich schon abgeschlossene Simulationsdebatte, sondern gewissermaßen in die Zukunft gerichtet, weil er Probleme lösen soll, die erst nach der Zulassung der fiduziarischen Geschäfte ins Blickfeld rücken konnten. 30 Jacubezky beantragte, einen § 592a B G B - E II aufzunehmen: „Sachen, Forderungen und andere Rechte, welche der Beauftragte in Folge der Geschäftsbesorgung in eigenem Namen erworben hat, gelten im Verhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Beauftragten oder dessen Gläubigern als von dem ersteren erworben, soweit sie nicht zur Deckung der dem Beauftragten aus den Auftragsverhältnisses zustehenden Ansprüche erforderlich sind." 31 Ähnliches hatte Struckmann bereits in der Vorkommission des Reichsjustizamtes beantragt, ohne daß sein Antrag zur Beratung gekommen wäre. 32 Jacubezky sah ganz offenbar die Zweckbindung bestimmter Rechte, die einem Beauftragten mit der Maßgabe, sie im Interesse und auf Rechnung des Auftraggebers wahrzunehmen, zustehen. Und er sah, daß diese Zweckbindung aufgrund des Abstraktionsprinzips de lege lata bisher nicht beachtet werden konnte. Das Vorbild für Jacubezkys Vorschlag findet sich in § 392 Abs. 2 H G B , wo eben 26 27 28 29 30 31 32
Prot. II/3.S. 200. Asmus, Grundlagen, S. 324. Siehe dazu auch unten § 7IV. Jakobs/Schubert, Beratungen SchR BT 2, S. 63. Eingehend dazu unten § 2. Prot. II/2, S. 360. Jakobs/Schubert, Beratungen SchR B T 2, S. 62 f.
§ 3. Die Treuhand in den Beratungen zum Bürgerlichen
Gesetzbuch
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jene Regelung für das Verhältnis von Kommissionär und Kommittenten getroffen wird. Jacubezky begründete seinen Antrag mit der Zweckabrede zwischen den Auftragsparteien, aus der sich eine Vermögenszuordnung bestimmter Rechte an den Auftraggeber ergebe, auch wenn diese Rechte vom Auftragnehmer gehalten werden .Jacubezky ahnte offenbar schon bestimmte Schwierigkeiten und argumentierte vor allem mit der „Rechtsform des fiduziarischen Eigentums", die für eine ganze Reihe von Rechtsverhältnissen passe, etwa auch für das schuldrechtliche Vermächtnis bei Ablehnung des Vindikationslegats. 3 3 Er wollte also neben dem abstrakten Eigentum letztlich eine weitere Form des Eigentums, nämlich zweckgebundenes Eigentum schaffen. Die Mehrheit der Kommission, die das Abstraktionsprinzip keinesfalls durchbrechen wollte, lehnt den Antrag ab. Man könne allenfalls in einigen Bereichen Spezialbestimmungen in diesem Sinne treffen. Eine zentrale Regelung im Auftragsrecht strahle viel zu weit. Zudem sei eine solche Regelung auch nicht besonders dringlich. 3 4 Eine korrespondierender Antrag Jacubezkys gelangte bei den Beratungen zum Allgemeinen Teil überhaupt nicht zur Beratung: „Hat Jemand eine Sache oder ein Recht im eigenem Namen aber auf Rechnung eines Anderen erworben (mittelbare Stellvertretung), so gilt der erworbene Gegenstand im Verhältnisse zwischen dem Geschäftsherrn und dem Erwerber oder dessen Gläubigern als dem ersteren gehörig, soweit der nicht zur Deckung der aus dem Verhältniß, auf welchem die mittelbare Stellvertretung beruht, entstandenen Ansprüche des Erwerbers gegen den Geschäftsherrn erforderlich ist.". 35 Was an den abgelehnten Anträgen deutlich wird: Der Antragsteller ging von einem viel umfassenderen Begriff des fiduziarischen Rechtsgeschäfts aus, während die Kommissionsmehrheit auf die beiden geschilderten Ausgangsfälle beschränkt blieb, ohne eine Abstraktion zu wagen. A n dieser Stelle w i r d eine Weiche hin zur Verengung der Rechtsfigur der Treuhand und hin auf schwer lösbare Probleme gestellt.
Prot. II/2, S. 361 ff. Prot. II/2, S.364f. 35 Jakobs/Schubert, Beratungen SchR BT 2, S. 63 f, Fn. 4; es waren weitere Vorschriften zur mittelbaren Stellvertretung vorgeschlagen. 33
34
§ 4. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders Teil 1: Die Entwicklung der Treuhanddogmatik bis zur Arbeit Schultzes I. Grundfragen des Treuhandrechts Nach Etablierung der Kategorie der fiduziarischen Rechtsgeschäfte mit „über den Zweck hinausreichender Vollrechtsinhaberschaft" des Treuhänders stellten sich vor allem zwei Fragen: [1.] Muß der Treugeber gegen abrede- und zweckwidrige Verfügungen über Bestandteile des Treuguts seitens des Treuhänders geschützt werden? Hier kommt es zu einem Konflikt zwischen dem Interesse des Treugebers an einem möglichst effektiven Schutz gegen einen Machtmißbrauch des Treuhänders und dem Interesse Dritter, die keine Nachteile durch das Bestehen einer treuhänderischen Bindung mit entsprechenden Abreden im Verhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder erleiden wollen. [2.] Muß der Treugeber gegen den Zugriff von Gläubigern des Treuhänders auf das Treugut in Zwangsvollstreckung und Konkurs geschützt werden? Ein Konflikt besteht hier zwischen dem Zugriffsinteresse von Treuhänder-Gläubigern auf das Vermögen des Treuhänders und dem Interesse des Treugebers, der nicht möchte, daß das Treugut für andere Zwecke als die Treuhandzwecke verwertet wird. Entstehungsvoraussetzungen des fiduziarischen Geschäfts war die Anerkennung der Inkongruenz von Mittel und Zweck, die Strukturmerkmal des fiduziarischen Geschäfts geworden ist, vor allem aber die Abstraktheit des dinglichen Vertrages vom zugrundliegenden obligatorischen Geschäft, das bestimmte Pflichten des Treuhänders und Geschäftszwecke regelt. 1 Genau diese Entstehungsvoraussetzungen werden nun zum Problem des fiduziarischen Geschäfts: Der Treuhänder hat „zu viele" Rechte, die er eigentlich nicht haben soll, er kann wirksam Geschäfte zu Lasten des Treuguts abschließen, die er nicht abschließen darf, das Treugut ist rechtlich einer Vermögens- bzw. Insolvenzmasse zugeordnet, zu der es „eigentlich" nicht gehört. Diese Probleme wurden vor der Jahr1
Dazu oben §2.
§ 4. Die Treuband
im Konkurs
des Treuhänders
Teil 1
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hundertwende schon vereinzelt diskutiert. Jacubezky sah sie, als er bei den Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch die am Ende des letzten Abschnitts geschilderten Anträge in Richtung auf eine Beachtung des wirtschaftlichen Zwecks der Rechtsübertragung am Treugut einbrachte, mit denen er jedoch aussichtslos scheiterte. Die Kommissionsmehrheit hat mit ihrer Weigerung, die Trennung zwischen Zweckabrede und dinglichem Geschäft aufzuweichen, eine Lösung dieser Probleme ganz erheblich erschwert und eine der intensivsten dogmatischen Diskussionen des zwanzigsten Jahrhunderts ausgelöst. Uber die Beantwortung der Frage nach dem Schutz des Treugebers gegen treuwidrige Verfügungen des Treuhänders bestand bis in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts hinein weitgehend Einigkeit in Rechtsprechung und Lehre: Treuwidrige Verfügungen des Treuhänders wurden für gültig gehalten. 2 Es entstehe lediglich ein Ersatzanspruch des Treugebers gegen den Treuhänder aus Verletzung des Innenverhältnisses. Dungs bemerkt beispielsweise lakonisch: „Der Gläubiger für fremde Rechnung ist nach außen der Gläubiger; die Folgen, welche die Rechtsordnung an die Gläubigerstellung knüpft, muß der Geschäftsherr, der ihm diese erteilt hat, erdulden." 3 Also muß er auch die treuwidrige Verfügung des Treuhänders, selbst zugunsten eines bösgläubigen, also die Beschränkungen aus dem Innenverhältnis kennenden oder kennenmüssenden, Erwerbers, erdulden. 4
II. Zugriff durch Gläubiger des Treuhänders auf das Treugut
1. Allgemeines Gegenstand einer äußerst lebhaften Debatte, mit der sich die ersten Abschnitte dieses Kapitels beschäftigen werden, ist hingegen der Schutz des Treugebers gegen Gläubiger des Treuhänders. Diese Auseinandersetzung ist hier deshalb von Interesse, weil sie die Grundlagen der fiduziarischen Rechtsgeschäfte betrifft. Nach der Auseinandersetzung mit dem Simulationseinwand 5 kommt nämlich auch der zweite Entwicklungsanreiz für das Treuhandrecht aus einem einzelnen Interessenkonflikt, einem Einzelproblem aus der Rechtspraxis, das freilich bis heute nicht zufriedenstellend gelöst ist. Es sind, wie Bingb zu Recht bemerkt, „alle Theorien, die über das Wesen des fiduziarischen Rechtsgeschäfts entstanVgl. nur Lang AcP 83, 338; Regelsberger, Pandekten I, § 141. Dungs Gruchot 32,26. 4 Dungs Gruchot 32,31. 5 Dazu oben §2. 6 Bing, Rechtsgeschäften, S. 16; ähnlich explizit Hollensteiner, Treuhandeigentum, S.42. Immer wieder wird auf die Formulierung Pflügers AcP 79, 424 verwiesen, wonach der Konkurs den Prüfstein für die Dinglichkeit bilde, verwiesen. 2
3
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deutseben
Treubandrechts
den sind, auf die [...] Aussonderung fiduziarisch übertragener Werte im Konkurs des Treuhänders" zugeschnitten. Sieht man das „fiduziarische Geschäft" im Anschluß an Regelsberger7 als Vollrechtsübertragung auf den Treuhänder mit schuldrechtlicher Bindung im Innenverhältnis und schuldrechtlichem Anspruch des Treugebers gegen den Treuhänder auf Rückübertragung des Treuguts nach Vertragsende an, dann ist die Position des Treugebers im Konkurs des Treuhänders und bei Zwangsvollstreckung gegen den Treuhänder sehr schwach. Der Treugeber hat im Konkurs des Treuhänders lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Masse, der nach Maßgabe der Konkursquote erfüllt wird; eine Aussonderung des Treuguts nach § 43 KO 8 kommt mangels dinglicher Berechtigung des Treugebers am Treugut nicht in Betracht. Auch bei der Einzelvollstreckung hat der Treugeber kein „die Veräußerung hinderndes Recht" und kann somit nicht nach §771 Z P O intervenieren.
2. Zur Entstehung a) § 43 KO als
des § 43
KO
Verweisungsnorm
Die Konkursordnung enthält keine expliziten Regelungen zur Auswirkung des Konkurses auf Treuhandgeschäfte. § 43 KO bestimmt lediglich, daß derjenige, dem ein Gegenstand, der beim Gemeinschuldner vorgefunden wird, gehört, diesen aussondern darf. Der Gegenstand fällt also nicht in die Konkursmasse. In den Materialien zu § 35 (= § 43) K O findet sich dazu folgende Aussage: „Die Ansprüche auf Aussonderung eines dem Gemeinschuldner nicht gehörigen Gegenstandes auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts bestimmen sich nach den außerhalb des Konkursverfahrens geltenden Gesetzen". Die N o r m wurde deshalb so unbestimmt gefaßt, weil der Gesetzgeber eine Aufzählung von bestimmten Fällen der Aussonderung vermeiden wollte 9 und eine Verweisung auf außerhalb des Konkursverfahrens geltenden Rechte aufgrund der Zersplitterung materiellen Zivilrechts in Deutschland zur Zeit des Inkrafttretens des Konkursordnung für sinnvoll hielt. In der Kommission zur Erarbeitung der Konkursordnung umstritten war die Frage, ob die Konkursordnung zusätzlich zu dieser Verweisung auf andere Gesetze eigene Aussonderungsrechte regeln solle. Anlaß war § 24 der preußischen Konkursordnung von 1855, der regelte: „Wechsel, Handelspapiere und andere 7
Dazu oben §2 III 2 dbb. Hier wird eine Diskussion, die bis in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts reicht, vorgestellt. Deshalb wird - wie damals - die Konkursordnung (KO) und nicht die Insolvenzordnung zugrundegelegt. 8
9
Hahn, Materialien, S. 160.
§ 4. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders
Teil 1
49
Urkunden über Forderungen, welche dem Gemeinschuldner nur behufs der Realisierung oder mit der ausdrücklichen Bestimmung Übermacht worden sind, dass sie zur Deckung gewisser, bei Ubermachung bezeichneter künftiger Zahlungen dienen sollen, können zurückgefordert werden, wenn sie zur Zeit der Konkurseröffnung noch unbezahlt bei dem Gemeinschuldner oder bei einem Dritten vorhanden sind, welcher sie für den Gemeinschuldner besitzt." Diese Vorschrift war dem Art. 583 Code de Commerce nachgebildet worden. Zur Begründung für die Übernahme dieser Norm in die preußische Konkursordnung hatte man angeführt, daß oft Wertpapiere an Geschäftsfreunde mit der Bitte um Realisierung versandt würden. Dazu pflege man Vermerke darauf anzubringen, die den Empfänger „äußerlich zum Eigentümer der Forderung machen, während in der That nur ein Mandatsverhältnis" vorliege (Vollindossament zu Inkassozwecken). Falle der Empfänger in Konkurs, müsse man diese Papiere aus der Konkursmasse herausverlangen können. 10 Die Kommission zur Erarbeitung der Konkursordnung war hingegen mehrheitlich der Auffassung, daß eine solche Bestimmung überflüssig sei. Der Empfänger solcher Papiere solle nämlich „nicht Eigentümer derselben werden, und ist es nicht geworden".11 Ganz sicher scheint man sich aber nicht gewesen sein, denn zur weiteren Abstützung dieser Auffassung wird darauf verwiesen, daß „jedenfalls" der Gemeinschuldner und also der Konkursverwalter an seiner Stelle nach bürgerlichem Recht zur Herausgabe verpflichtet sei. b) Die Anträge
Goldschmidts
Das Kommissionsmitglied Goldschmidt war gegenteiliger Auffassung, ist jedoch mit drei Anträgen, den § 24 der preußischen Konkursordnung auch in die neue Konkursordnung zu übernehmen, gescheitert. Goldschmidt vertrat die Auffassung, daß alles, „was formell erforderlich sei", um den anderen Teil zum Eigentümer der entsprechenden Papiere zu machen, geschehe, auch wenn es „nach Ansicht beider Teile so gehalten werden solle, als ob Eigenthum nicht übergehe".12 Aufgrund dieses Eigentumsübergangs zweifelt Goldschmidt daran, daß „ohne weiteres" ein Aussonderungsrecht bestehe. Für diese Auffassung kann er sich auch auf die bereits erörterte Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichts aus dem Jahre 1872 13 stützen, nach der ein „in gewöhnlicher Weise girierter Wechsel, trotzdem derselbe nur zu Inkassozwecken begeben werde, in das Eigenthum des Empfängers übergehe".14
10 11 12 13 14
Hahn, Materialien, S. 161, Fn. 5. Hahn, Materialien, S. 161. Hahn, Materialien, S. 540. R O H G E 6, S. 53 ff.; dazu oben §2 III 2 c. Hahn, Materialien, S. 541.
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Teil 1: Die Entstehung des modernen
deutschen
Treuhandrechts
Goldschmidt scheint gesehen zu haben, daß bei Anwendung des Abstraktionsprinzips und der rein obligatorischen Wirkung der Abrede im Innenverhältnis eine dogmatisch saubere Begründung für das Aussonderungsrecht nicht ohne weiteres möglich ist, weil unabhängig von der Zweckabrede das Eigentum übergeht und somit kein dingliches Recht beim Treugeber verbleibt. Deshalb hielt er eine Sondernorm für sinnvoll, die dieses Prinzip durchbricht und also bei zu bestimmten Zwecken übertragenem Eigentum den Rückgriff auf den Zweck, der im Innenverhältnis festgelegt wurde, zuläßt. 15 Ursache für diese Meinungsverschiedenheit zwischen Goldschmidt und der Kommissionsmehrheit sind wohl Unklarheiten in der damaligen wertpapierrechtlichen Dogmatik 16 und die Anwendung des Abstraktionsprinzips. Hagens, ein Regierungsvertreter in der Kommission, führt etwa aus, für den Eigentumsübergang im Innenverhältnis komme „alles auf die materielle Ursache der Übertragung an". 17 Das Reichsoberhandelsgericht habe hingegen nur für das Außenverhältnis entschieden. Bei seinem zweiten Antrag verwies Goldschmidt für die Notwenigkeit einer Regelung auf eine Entscheidung des O A G Rostock, das die Aussonderung beim Vollindossament zu Inkassozwecken abgelehnt habe. Der Fall sei im übrigen parallel zur „Eigenthumsübertragung zu Pfandzwecken" zu sehen.18 Hagens verwies hiergegen auf die mangelnde Kompetenz der Kommission für materiellrechtliche Fragen. Außerdem verstehe sich die von Goldschmidt vorgeschlagene Bestimmung ohnehin von selbst, sei also überflüssig. 19 Als Goldschmidt20 seinen Antrag zum dritten Mal stellt, führt Hagens erneut aus, im Innenverhältnis der Parteien sei der tatsächliche Parteiwille entscheidend, der nicht auf Übertragung laute.21 Also werde das Reichsoberhandelsgericht die Vindikation des Wertpapiers zulassen „wenn die Betheiligten in Wirklichkeit nicht die Absicht gehabt haben, Eigenthum zu übertragen". 22 Goldschmidt greift die Auffassung Hagens scharf an, „eine Unterscheidung zwischen einem Eigenthum im Verhältnisse zu A und einem Eigenthum im Verhältnisse zu B [sei] absolut undenkbar", es gebe vielmehr nur „ein Eigentum". 23 Interessant ist, daß Hauser, ein Appellationsgerichtsrat, meint, es sei übertrieben, wenn eine Aussonderung stattfinde, obschon „der Übergang der Wechselforderung zu eigenem Rechte nach dem übereinstimmenden Willen der Betheiligten wirklich stattfinden solle, auch nicht an eine Bedingung geknüpft sei, 15 16
17 18 19 20 21 22 23
Asmus, G r u n d l a g e n , S. 264. Vgl. die Beiträge bei Hahn, Materialien, S. 541 ff. Hahn, Materialien, S. 541. Hahn, Materialien, S. 621. Hahn, Materialien, S. 621; genauso auch das Kommissionsmitglied Schröder. Hahn, Materialien, S. 659. Hahn, Materialein, S. 660 f. Hahn, Materialien, S. 664. Hahn, Materialien, S. 661; darauf wird R G Z 45, 80 ff. z u r ü c k k o m m e n .
5 4. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders
Teil 1
51
sondern der Empfänger sich für den vorgesehenen Fall nur zur Rückübertragung verpflichte". 24 Hier werden bedingte und unbedingte Vollrechtsübertragung mit Rückübertragungsanspruch in der Aussage eines Praktikers in den siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, also lange bevor der Gegensatz von „fiducia" und „deutscher Treuhand" durch Schultze stilisiert 25 wurde, selbstverständlich nebeneinander genannt. 26 Goldschmidt gibt schließlich auf, läßt aber im Mai 1876 folgenden Passus ins Protokoll aufnehmen: „Durch § 35 (=43) KO soll nicht ausgeschlossen sein die Zurückforderung von Wechseln und anderen durch Indossament übertragbaren Urkunden aus der Konkursmasse, sofern sie dem Gemeinschuldner nur behufs Einziehung oder mit der Bestimmung übertragen worden sind, daß sie nur zur Sicherstellung des Gemeinschuldners dienen sollen", obwohl das Indossament keinen entsprechenden Zusatz enthält. 27 c) Wertung Über das Ergebnis, das Bestehen eines Aussonderungsrechts, war sich die Kommissionsmehrheit also in der Tat einig. Die Formulierung in den Protokollen bildet den Kompromiß zwischen Kontrahenten, die allein aufgrund ihrer unterschiedlichen dogmatischen Ausgangspunkte in diese Auseinandersetzung geraten waren. Die Uneinigkeit bestand in der Frage, ob Eigentum an dem jeweiligen Wertpapier übergehe, wenn man es mit entsprechendem Vermerk einem Dritten zur Realisierung übergebe, der nach dem Willen der Parteien lediglich als Beauftragter gelten soll, auch wenn sich dies nicht aus dem Vermerk dem Wertpapier ergibt. Hagens meinte, Eigentum gehe nicht über, der Dritte erhalte durch den Vermerk auf dem Wertpapier lediglich gleichsam eine Legitimation zur Realisierung des Papiers. 28 Für den Eigentumsübergang sei nämlich nicht die Form, sondern der Parteiwille entscheidend. 29 Für Goldschmidt hingegen ging das Eigentum voll und ganz auf den Dritten über. Offenbar war die Mehrheit der Kommission der Meinung, daß in den Inkassofällen regelmäßig Simulation mit Unwirksamkeitsfolge vorliege. Das wird aus der Äußerung des Kommissionsmitglieds Hauser deutlich, wenn er sagt, es seien natürlich auch Fälle denkbar, in denen „der Ubergang [...] nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien wirklich stattfinden solle." 30
Hahn, Materialien, S. 653. Siehe dazu unten § 4IV. 2 6 Das übersieht Asmus, Grundlagen, S.270, der sich auf die wechselrechtliche Kontroverse beschränkt. 27 Hahn, Materielaien, S. 666 f. 2 8 Vgl. auch die Ausführungen des Abgeordneten Schröder in Hahn, Materialien, S. 621. 29 Hahn, Materialien, S. 661 f. 30 Hahn, Materialien, S. 663. 24
25
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Teil 1: Die Entstehung des modernen
deutschen
Treuhandrechts
Die Sitzung, in der Goldschmidt seinen letzten Versuch unternahm, hat im Mai 1876 stattgefunden, also noch bevor Kohler und Regelsherger zur Begriffsklärung schreiten, aber bereits vier Jahre nach der erörterten Ausgangsentscheidung des R O H G . 3 1 Die Kommissionsmehrheit arbeitet jedoch, anders als das Gericht, weder mit der Formstrenge des Wechselrechts, noch mit einem sicheren Begriff der Simulation. Goldschmidt wiederum verkennt die Position der Kommissionsmehrheit, wenn er ihr Vorwirft, mit der Figur relativen Eigentums zu arbeiten. Die Mehrheit ging vielmehr davon aus, daß das Eigentum ungeschmälert und in jeder Beziehung beim Treugeber verbleibe. 32 Nur wenige Jahre nach Inkrafttreten der K O setzt sich in Lehre und Praxis die Auffassung Regelshergers (und damit auch Goldschmidts) von der „Vollrechtsfiducia" durch, so daß die Kommissionsmehrheit in Nachhinein zu Unrecht Goldschmidts Anträgen die Gefolgschaft verweigert hat und die Rechtspraxis nunmehr vor dem Problem stand, daß sich die einhellige Meinung der Kommission zugunsten eines Aussonderungsrechts nicht im Gesetz niedergeschlagen hat.
III. Die Diskussion um das Aussonderungsrecht bis 1900 Dieses Ergebnis wurde vielfach als unbefriedigend angesehen. In Literatur und Rechtsprechung war deshalb streitig, ob und gegebenenfalls wie man dem Treugeber entgegen dem Ergebnis, das sich bei unbefangener Anwendung des § 43 KO ergab, ein Aussonderungsrecht hinsichtlich des Treuguts im Konkurs des Treuhänders einräumen solle. § 771 Z P O rückte erst später ins Blickfeld.
1. Argumente gegen ein Aussonderungsrecht Einige Autoren und Gerichte 33 lehnten ein Aussonderungsrecht des Treugebers im Konkurs des Treuhänders mangels entsprechender gesetzlicher Regelung ab. Dieses Ergebnis wurde zum Teil auch für billig gehalten. Man könne nicht die Vorteile des fiduziarischen Geschäfts genießen, ohne die Nachteile in Kauf zu nehmen; „dies wäre des Guten etwas zu viel und nicht gerechtfertigt". 34 Andere schlössen sich der Auffassung an, die ein Aussonderungsrecht ablehnte, ohne dieses Ergebnis jedoch zu billigen; sie sehen allerdings de lege lata Dazu oben § 2 III 2 c. Das verkennt Asmus, Grundlagen, S. 269, der Simulation plus Legitimation und relatives Eigentum vermischt. 33 Lang AcP 83, 342 f; Regelsherger AcP 63, 187; Werthauer GrünhutZ 13, 658; Österreichischer O G H SeuffA 7,349. 34 Lang AcP 83,342. 31
32
§ 4. Die Treuhand
im Konkurs
des Treuhänders
Teil 1
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keinen Ausweg. Regelsberger war der Auffassung, daß „die Wechselforderung einen Bestandteil seiner [des Treuhänders] Konkursmasse" 35 bilde. Er war erstaunt darüber, „wie in der Kommission für die Schaffung einer deutschen Konkursordnung der Satz als selbstverständlich bezeichnet werden konnte, daß der fiduziarische Indossant befugt sei, den Wechsel aus der Konkursmasse zu vindizieren. Die juristische Folgerung führt auf das Gegentheil [...]". 3 6 Wertbauer sprach von einem „faux pas bei der gesetzlichen Regelung des Concursrechts", 37 der aber nur durch den Gesetzgeber zu beheben sei.
2. Argumente zugunsten eines Aussonderungsrechts Eine Gruppe anderer Autoren und das Reichsgericht war der Auffassung, die Billigkeit erfordere ein Aussonderungsrecht. Die frühen Konstruktionsversuche für dieses Aussonderungsrecht legen die Fundamente für die intensive Diskussion dieses Problems nach Inkrafttreten des B G B , vor allem in der Zwischenkriegszeit. 38 Die Diskussion kann über die Jahrhundertwende hinaus nahezu unverändert fortgesetzt werden, weil der Gesetzgeber des B G B im Bereich der fiduziarischen Rechtsgeschäfte keine klare Stellung bezogen hat und diesen Bereich für die Weiterentwicklung durch Wissenschaft und Praxis letztlich offenhalten wollte. 39 Kohler konstruierte ein Aussonderungsrecht des Treugebers im Konkurs des Treuhänders, indem er den „obligatorischen Anspruch [des Treugebers] bis zum dinglichen steigert und diesen vollkommen außer Konkurrenz stellt mit den übrigen obligatorischen Ansprüchen" 40 . Außer Erfordernissen der Billigkeit gab Kohler keine weitere Begründung für die von ihm begründete Auffassung, die wir als Strategie der „Verdinglichung obligatorischer Rechte" bezeichnen wollen und auf die noch zurückzukommen sein wird. 41 Wie sich diese Verdinglichung rechtfertigt, bleibt aber unklar. Dernburg vertrat die Auffassung 42 , der Treunehmer sei nur nach außen Eigentümer, nach innen jedoch lediglich Bevollmächtigter des Treugebers. Damit bleibe der Treugeber nach innen Eigentümer des Treuguts und könne es somit nach § 43 KO aussondern. Hiergegen wird schon früh die „juristische Unmöglichkeit" relativen Eigentums ins Feld ge-
Regelsberger AcP63,187. Regelsberger AcP 63,187; zu den Beratungen der Kommission siehe oben § 3. 37 Werthauer GrünhutZ 13, 658. 3 8 Dazu unten §5. 3 9 Dazu oben § 3. 40 Kohler JherJB 16,348. In diesem Sinne auch Regelsberger, Pandekten I, § 141, allerdings ohne weiteres Begründung, nachdem er dies in AcP 63,187 f. noch anders gesehen hatte. 41 Siehe dazu unten § 33 IV. 42 Dernburg, Pandekten, § 100 a.E.; Dungs GruchotZ 32,18. 35 36
54
Teil 1: Die Entstehung des modernen deutschen Treuhandrechts
führt. 43 Trotzdem wird uns diese Auffassung vom „relativen Eigentum des Treuhänders" nach Inkrafttreten des B G B weiterhin beschäftigen. Das Reichsgericht 44 schließlich verwies in einer Entscheidung aus dem Jahre 1890 auf § 368 Abs. 2 H G B (= § 392 Abs. 2 HGB), dessen Gedanke analoge Anwendung finden könne. Dort ist geregelt, daß Forderungen des Kommissionärs gegen Dritte aus Geschäften auf Rechnung des Kommittenten im Verhältnis der Parteien des Kommissionsgeschäfts dem Kommittenten zustehen. Dadurch werden sie dem Zugriff durch Gläubiger des Kommissionärs entzogen. Im Zusammenhang dieser Auffassung sind auch die Anträge Jacubezkys bei den Beratungen zum B G B zu verstehen, der § 392 Abs. 2 H G B letztlich verallgemeinern wollte, 45 damit aber gerade gescheitert ist, so daß eher ein Umkehrschluß als ein Analogieschluß zu § 392 Abs. 2 H G B naheliegt. Außerdem vertrat das Gericht die Auffassung, ein Inkassozedent habe auch deshalb ein Aussonderungsrecht, weil die Forderung „nicht wirklich" übertragen werden sollte. Der Zessionar sei vielmehr „wie bei der Fiducia des älteren römischen Rechts" nur „rein formell" Inhaber des Rechtes geworden. Diese Unterscheidung ist uns in anderem Zusammenhang bereits bei Davidsohn begegnet, der das formelle Recht durch das materielle Recht „überwinden" wollte. Ein Recht zur Aussonderung wurde auch in den gängigen Kommentaren zur Konkursordnung regelmäßig bejaht, zumeist ohne nähere Begründung. 46 Letztlich bestand also weitgehend Einigkeit darüber, daß das Treuguterhaltungsinteresse des Treugebers sich gegen das Zugriffsinteresse von Gläubigern des Treuhänders durchsetzen müsse, das Ergebnis ließ sich aber nicht ohne weiteres begründen.
IV. Die „deutschrechtliche Treuhand" als Lösungsmodell 1. Einführung Intensiver als die Pandektisten haben sich im neunzehnten Jahrhundert die deutschrechtlichen Autoren mit der Treuhand auseinandergesetzt. Sie wollten zeigen, daß es sich bei der Treuhand um ein deutsches Rechtsinstitut handle der Salmann als Paradestück der Germanistik. 47 Schultze wollte die Erträge dieser - zum Teil eigenen - Forschungsarbeit für die Behandlung fiduziarischer Geschäfte unter Geltung des neu in Kraft getretenen B G B fruchtbar machen und die Überlegenheit deutschrechtlicher gegenüber römischrechtlichen RechtsLang AcP 83,343 f. RG SeuffA46,91. 4 5 Prot. II, S. 360 ff.; dazu oben § 3 V. 46 Fitting, KO, S. 199; Petersen/Kleinfeller, KO, S. 175; Sarwey, KO, S. 203 ff.; Völderndorf, KO I, S. 376; Wilmowsky, KO, 4. Aufl., S. 178; Jaeger, KO, S. 311 ff. 47 Scherner, Salmannschaft, S. 3. 43
44
§ 4. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders
Teil 1
55
figuren zeigen, indem er das Problem des Treuguterhaltungsinteresses mit Hilfe der „germanischen Fiducia" löste. Diese versuchte er unter bewußter Abgrenzung zur römischen Treuhandtheorie zu konstruieren, indem er eine Kontinuität dieser Figur aus dem Mittelalter bis in die Gegenwart suggerierte.
2. Deutschrechtliche Treuhandmodelle Zunächst sollen einige im neunzehnten Jahrhundert anhand germanischer Rechtsquellen erörterte Treuhandmodelle dargestellt werden, aus denen Schultze schöpfen konnte. Dabei ist nicht entscheidend, wie bestimmte Rechtsquellen im Lichte der neueren Forschung tatsächlich zu interpretieren sind, sondern wie sie damals interpretiert wurden und Einfluß auf die Rezeption der „germanischen Fiducia" im geltenden Recht nehmen konnten. a) Albrechts
Gewere
Richtungsweisend waren zunächst die Erörterungen Albrechts4S, der die germanische Treuhand als „Sorge für die Vermögensangelegenheiten eines anderen, in welchem Umfang und in welcher Beziehung" auch immer, verstand. Das „Anvertrauen" ist für ihn demnach konstitutives Merkmal dieser Rechtsfigur.49 Die Wirkung der Gewere des Treuhänders habe ihn nach außen als Eigentümer erscheinen lassen, in der Innenbeziehung sei er bloßer Mandatar gewesen.50 Der Treuhänder ist hiernach also kein Vollrechtsträger, sondern Inhaber eines dinglichen Rechtes, das durch die Stellung des Treuhänders im Innenverhältnis zweckgebunden ausgestaltet ist.51 Dem Prinzipal bleibe sein Recht, „aber die Ausübung einzelner draus fließender Rechte und Verpflichtungen zum Vortheil und im Interesse des Eigenthümers stand dem Treuhänder zu und zwar als eine in seiner Stellung gegen die Außenwelt selbständigen Befugniß oder Verpflichte 52
tung . Ob diese Unterscheidung in Innen- und Außenverhältnis eine sinnvolle Herangehensweise an die Quellen und nicht vielmehr „Ergebnis einer Methode darAlbrecht, Gewere, S. 231. Scherner, Salmannschaft, S. 7. 50 Albrecht, Gewere, S. 247 ff. Ob dem wirklich so war, wird in der Forschung des zwanzigsten Jahrhunderts nach erneuter Quellenanalyse bezweifelt, vgl. Asmus, Grundlagen, S. 164 ff.; Scherner, Salmannschaft, insb. S.32 und 93. Für uns ist jedoch entscheidend, daß Albrecht die Quellen auf diese Weise interpretiert und damit einen bestimmten Einfluß auf die Forschung nach ihm ausgeübt hat. Bereits früh übte Stobbe Z R G 7,413 insofern Kritik, als er feststellte, daß an Andeutungen in den mittelalterlichen Quellen fehle, wie man sich die Berechtigung des Salmanns vorzustellen habe. 51 Vgl. Albrecht, Gewere, S. 72. 52 Albrecht, Gewere, S. 232 f. 48 49
56
Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutschen
Treuhandrechts
stellen, bestimmte Prämissen einer Quelle zu unterstellen, um dadurch bestimmte Rückschlüsse zu ziehen",53 kann dahinstehen; immerhin deutet die Differenzierung auf eine Interpretation der Quellen im Lichte dieser modernen Unterscheidung hin. Aufgrund einer Analyse der alten Rechtsinstitute der Lehensträgerschaft und der Salmannschaft beschränkt Albrecht die Treuhand auf Vermögensangelegenheiten und letztlich auf ein bestimmtes Objekt der Treue, denn beiden Rechtsinstituten soll eine selbständige Rechtsposition des Treuhänders an bestimmten Gegenständen zueigen sein.54 Festzustellen ist, daß offenbar schon Albrecht die Gleichwertigkeit des deutschen mit dem römischen Recht zeigen wollte - jedenfalls wird ihm dieser Erfolg später zugebilligt.55 Bei ihm 56 beginnt nämlich die gezielte Herausarbeitung von Unterschieden des deutschen und römischen Sachenrechts, die später bei Schnitze57 einen Stützpfeiler für die Errichtung des Dualismus von germanischer und römischer Treuhand ergeben wird. b) Der
Salmann
Nach Albrecht beschränkten sich die Forschungsarbeiten mehr und mehr auf den Typus des Salmanns.58 Er war am Ende des neunzehnten Jahrhunderts als Urtypus des germanischen Treuhänders geläufig.59 Beseler60 interpretierte die Stellung des Salmanns allerdings von der Vertretungsfunktion, nicht von der Rechtsinhaberschaft her. Die Rechtsfigur des Salmanns sei nämlich nur deshalb entstanden, weil im alten deutschen Recht eine Stellvertretung unzulässig gewesen sei.61 Der Form nach sei dem Salmann das volle Recht am Treugut übertragen worden, aber nur im Sinne einer dinglichen62 Veräußerungsbefugnis („die Sache nach Auftrag ebenso wirksam zu übertragen, als es der Eigenthümer würde gekonnt haben"63) oder „Vermittlungsfunktion",64 während das Eigentum beim Treugeber verblieben sei. Beseler meinte nicht, daß er aus seinen ForAsmus, Grundlagen, S. 172. Albrecht, Gewere, S. 232. 55 Hübner, FS Brunner, S. 821. 56 Albrecht, Gewere, S.VI. 57 Schultze JherJB 43,13. 5 8 Eine Ursache hierfür mag auch die günstige Quellenlage sein, vgl. Scherner, Salmannschaft, S. 6. 59 Schultze, Treuhand, S. 37. 60 Beseler, Lehre I, S. 264. 61 Auch hier finden sich, für uns irrelevant, in der neueren Forschung ganz erhebliche Zweifel, vgl. nur Asmus, Grundlagen, S. 175 ff.; Pleimes, Stiftungsrecht, S. 189; Scherner, Salmannschaft, S. 36. 62 Beseler, Lehre I, S. 265, dort auch Fn. 4; es ist also quasi ein „sachenrechtlich legitimierter Bevollmächtigter". 63 Beseler, Lehre I, S. 267; ähnlich wohl auch Tigerström, Dotalrecht I, S. 202. 64 Otten, Entwicklung, S. 60. 53 54
§ 4. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders Teil 1
57
schlingen irgendeinen Anhaltspunkt für gegenwärtige Rechtsregeln gewinnen könne, es bestehe nur ein „rechtshistorischer Z u s a m m e n h a n g " . 6 5 A u c h er schien aber von Zeitströmungen beeinflußt zu sein, wenn er die Rechtsstellung des Salmanns aus dem Inhalt des Treugut-Ubertragungsaktes heraus interpretieren möchte. A u c h die weitere deutschrechtliche Debatte konzentrierte sich auf den B e stellungsakt, 6 6 auf die Rechtsstellung oder Legitimation des Treuhänders, „die sachenrechtliche Macht des Treuhänders, die ihn zur Verfügung über das Gut gegenüber Dritten legitimiert". 6 7 Diese wurde wird ganz überwiegend als durch den Treuhandzweck beschränkt angesehen, sei es, daß der Salmann nur ein beschränkt dingliches Recht eigener A r t 6 8 innehabe, sei es, daß er Volleigentümer unter auflösender Bedingung 6 9 werde, sei es, daß er als Gesamthänder nur mit dem Treugeber zusammen als verfügungsbefugt 7 0 gesehen wird, daß er lediglich eine A r t Vertretungsmacht („Dispositionsbefugnis" 7 1 ) innehabe oder daß Treugeber und Treuhänder gesamthänderisch zur Verfügung über das Treugut berechtigt seien. 7 2 Andere Autoren nahmen auch für die germanischen Quellen wie bei der r ö mischen Fiducia eine Vollrechtsübertragung mit lediglich obligatorischer Bindung im Innenverhältnis an. 7 3 Bei Bewer findet sich 1880 die Formulierung, daß der Salmann nur „formeller Eigentümer" werde, der „wahre Eigentümer [nur] Beseler ZDR 9,211. Scherner, Salmnnschaft, S. 238; ob das quellengerecht ist, wird heute bezweifelt, vgl. Scherner, Salmannschaft, S. 93 67 K. Beyerle, Salmannenrecht, S. 19. 68 Heusler, DPrR I, S.220f. Bei Heusler ist der Salmann nicht durch Vertretungsmacht, sondern dinglich legitimiert. Der Treugeber wird durch die dingliche Zwec&beschränkung geschützt. Das beschränkt dingliche Recht gleiche jenem des Vormunds. Kritisch zu Heuslers Quellenanalyse Asmus, Grundlagen, S. 198 ff. Im Sinne eines beschränkt dinglichen Rechtes, das dem Eigentum sehr nahe komme auch Loening, Grunderwerb, S. 78 ff. 69 Schultze, Treuhand, S. 86. 70 K. Beyerle, Salmannenrecht, S. 157. 71 Lammer, Hand, S. 11. Lämmer steht damit auf dem Boden der pandektistischen Repräsentationstheorie mit ihrer Trennung zwischen Auftrag und Vertretungsmacht, die er auf S. 10 seiner Untersuchung vornimmt: „Während die Bestellung des Salmann diesem nach Innen weder Eigentumsrechte noch sonstige, vom willen des Ubertragenden unabhängige Rechte gibt [...] erscheint die Berechtigung des Salmann zur Verfügung über das Gut und dessen Vertretung Dritten gegenüber als eine selbständige". Hier wird die Zeitgebundenheit rechtshistorischer Arbeit besonders deutlich, die Quelleninterpretation wird von bestimmten Modellvorstellungen geprägt, Otten, Entwicklung, S.66; Scherner, Salmannschaft, S . l l . Auch wird deutlich, wie Asmus, Grundlagen, S. 186, zu Recht hervorhebt, der Zusammenhang von Treuhandfragen und Stellvertretungsfragen. Der Treuhänder verfügt so über das Eigentum „als ob er Eigentümer wäre", Lammer, Recht, S. 11. Ähnliches bei Stobbe ZRG 7, 427 der unter anderem auch eine Figur kennt, bei der er auch von einer vom Treugeber abhängigen „Dispositionsberechtigung" spricht. 72 Stobbe ZRG 7,436: „Verhältnis zur gesamten Hand". 73 Bewer, Sala, S. 76 ff. 65 66
58
Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutschen
Treuhandrechts
das formelle Veräußerungsrecht verliert".74 Hier werden Parallelen zur erörterten Reichsgerichtsrechtsprechung deutlich, wobei offen bleibt, wer hier von wem beeinflußt ist. Dieses formelle Eigentum erscheint bei Bewer als Ersatz für die angeblich zur Zeit der Quellen noch nicht mögliche Stellvertretung;75 das formelle Eigentum fungiert quasi als Veräußerungsbefugnis. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß erhebliche Uneinigkeit über die Interpretation der germanischen Rechtsquellen bestand, die vermutlich in der Unklarheit der Quellen begründet ist. Trotzdem ist aber eine gewisse einheitliche, wohl zeitbedingte Tendenz76 der Interpretation, nämlich die Frage nach der Legitimation des Treuhänders auszumachen: Konnte man eine andere Legitimation des Treuhänders als das Vollrecht, das dann beim Treugeber verbliebe, konstruieren, so ließe sich ein Aussonderungsrecht des Treuhänders im Konkurs des Treugebers gut begründen.
3. Die „ deutschrechtliche Treuhand" Schultzes a) Die historischen
Forschungen
Auch Schnitze stellte in seiner Arbeit über den langobardischen Testamentsvollstrecker die zeittypischen Fragen. Auch er vertat die Auffassung, es habe eine „wirkliche Rechtsübertragung"77 auf den Treuhänder durch „dinglichen Vertrag"78 stattgefunden. Das übertragene Recht sei entweder ein Vollrecht oder ein „dinglich gemindertes" Recht. 79 Letztere Variante ergibt sich nach Schnitze aus den meisten Quellen. Ohne dingliches Recht sei ein Verfügungsrecht des Treuhänders nicht zu denken gewesen.80 Das dingliche Recht des Treuhänders sei Schenkungseigentum im Rahmen einer Zweckschenkung gewesen, wobei der Zweck durch eine Resolutivbedingung gesichert gewesen sei.81 An den Gedan74
Bewer, Sala, S. 76 f. Vgl. K. Beyerle, Grundeigentumsverhältnisse, S. 13 ff.; Heusler, DPrR I, S.217f.; Schultze JherJB 43, 61 f.; Asmus, Grundlagen, S. 192 äußert zu Recht pointiert, daß allenthalben doktrinär, das heißt abhängig von der Frage, ob es Stellvertretung gab oder nicht, an die Quellenanalyse gegangen werde. Scherner äußert schon auf S. 1 seiner Unersuchung zum Salmann unverhohlenes Mißtrauen gegenüber dieser Prämisse, „die seit den Tagen Rudolf Sohms und Andreas Heuslers zum festen Bestand des Geschichtsbilds des Rechtshistorikers gehört". 76 Vgl. nur Gierke, DPrP 2, S.352 Fn. 14; Hübner, DPrR, S. 797 ff.; v Schwerin, DPrR, S. 89 ff. 77 Schultze, Treuhand, S. 62.. 78 Schultze, Treuhand, S. 55. 79 Schultze, Treuhand, S. 63 und 67. 80 Schultze, Treuhand, S. 82. 81 Schultze, Treuhand, S. 86. Asmus, Grundlagen, S. 215 ff. weist zu Recht nach, daß diese Konstruktion nicht quellenmäßig belegt, sondern durch Übernahme der Ergebnisse Brun75
§ 4. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders
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ken der Zweckschenkung wird hundert Jahre später Grundmann anknüpfen, 82 vermutlich ohne daß ihm dies bewußt ist. Schließlich kam Schnitze zu dem Ergebnis, daß „mitten im frischen Strome des Volksrechts Zweck und dingliche Rechtsmacht in glücklicher Weise aneinander angepaßt" 83 waren. Diese Auffassung zur „deutschrechtlichen Treuhand" wird Gemeingut. 84 Auch bei Schultze wird die pandektistische Prägung der Fragestellung und Ergebnisfindung deutlich. Er unterstellt eine Zweiteilung in obligatorischen und dinglichen Vertrag, die pandektistischen Ursprungs ist. 85 Außerdem setzt die Annahme eines bedingten Eigentums die Akzeptanz des pandektistischen Eigentums mit absolutem Eigentumsinhalt voraus. 86 Zudem geht Schultze von der Geltung des Abstraktionsprinzips aus, wenn er eine Bedingung zur Verbindung von Obligation und dinglichem Geschäft benötigt und also kausales Eigentum ablehnt. Schon in seiner Arbeit zum langobardischen Testamentsvollstrecker schärft Schultze aber gleichzeitig den Gegensatz vom Germanistik und Romanistik, wenn er „Die germanische fiducia im Gegensatz zur römischen fiducia" als Titel des § 13 seines Werkes wählt. Dort zeigt Schultze die römische Treuhand als Vollrechtsübertragung auf einen lediglich obligatorisch gebundenen Treuhänder, während in den germanischen Rechten eine dingliche Bindung des Treuhänders bestanden habe, die den Treugeber besser schütze. Das „Feindbild" Schultzes ist die romanistische Treuhand in der Fassung Oertmanns?1 Wohl bewußt wählt er dieses Bild und nicht die Gegenauffassung in der Romanistik, um die angeblichen Schwächen der romanischen Fiducia deutlich zu zeichnen, ja zu überzeichnen 88 und den Treugeberschutz als rein germanistische Errungenschaft zu reklamieren.
h) „Der Treuhänder im geltenden
Recht"
Die von ihm und anderen gefundenen Figuren germanischer Treuhand mit ihrer Eigenschaft, den Treugeber besser zu schützen als die „fiduziarischen Geschäfte" es vermögen, versuchte Schultze nach Inkrafttreten des B G B in das geltende Recht zu übertragen. Schultze erörterte mit treuhänderischer Stiftung, Verwaltung von Sammelvermögen oder Testamentsvollstreckung allerdings lediglich Fälle „reiner ners in dessen Forschungen, S. 732 ff. begründet ist. Brunner bezieht sich wiederum auf Hemer, der jedoch gar nicht von dieser Resolutivbedingung ausgegangen ist. 8 2 Dazu unten § 8 15. 83 Schultze, Treuhand, S. 103 f. 84 K. Beyerle, Grundeigentumsverhältnisse, S. 18 ff., der allerdings annimmt, in späterer Zeit habe sich ein gesamthandartiges Verhältnis herausgebildet und Schultzes Konstruktion abgelöst, sagt er auf S. 33 f.; Gierke, DPrR, S. 352; Hübner, DPrR, S. 797 f. 8 5 Vgl. F. Beyerle, Treuhand, S. 34. 86 Asmus, Grundlagen, S. 228. 87 Schultze, Treuhand, S. 95 ff.; Schultze JherJB 43, 9, Fn. 11. 88 Otten, Entwicklung, S. 217 f.
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deutschen
Treuhandrechts
Treuhandschaft". 89 Regelsberger hatte sich mit Sicherungsübereignung, Sicherheits- und Depotwechsel auf Fälle konzentriert, die Schultze für Fälle „gemischter Treuhänderschaft" hält und wegen ihrer Typenunreinheit beiseite ließ. Abgesehen von der Uberschneidung beim Vollindossament zu Inkassozwecken wurde die Treuhandmodelle Regelsbergers und Scbultzes also für völlig unterschiedliche Fallgestaltungen entwickelt. Bereits hier zeichnet sich also die wichtige Unterscheidung von Verwaltungs- und Sicherungstreuhand ab. 90 Das Problem der Rechtsmacht des Treuhänders91 steht bei Schultze, wie bei allen anderen Autoren, die sich in den nächsten Jahrzehnten mit der Treuhand beschäftigen werden, im Vordergrund. Entscheidend seien die „juristischen Mittel, die zur Erreichung jener Zwecke gewählt sind". 92 Das geltende Recht ermögliche auf Grundlage der Rechtsfiguren aus der mittelalterlichen deutschrechtlichen Treuhand einen befriedigenden Schutz des Treugebers, den die fiduziarische Treuhand hingegen nicht gewährleisten könne. Auch im geltenden Recht könne der Treugeber nämlich durch schon in den Quellen aufgefundene Figuren 93 geschützt werden: Es komme eine Resolutivbedingung bei der Rechtübertragung in Betracht 94 - diese Figur wurde dann unter der Bezeichnung „deutschrechtliche Treuhand" bekannt. Sie schütze den Treugeber dadurch, daß das Treugut im Falle der Vollstreckung durch Gläubiger des Treuhänders automatisch an den Treugeber zurückfalle. Ein solcher Rückfall kann bei Vereinbarung einer entsprechenden Bedingung freilich auch bei treuwidrigen Verfügungen des Treuhänders erreicht werden. Daneben sei die Bildung einer Gesamthandsgemeinschaft von Treugeber und Treuhänder möglich. Schließlich bestehe, wie beim Testamentsvollstrecker, auch ein außerhalb des dritten Buches des B G B geregeltes besonderes beschränkt dingliches Recht des Treuhänders, 95 das allerdings nicht durch Parteiwillkür geschaffen werden könne. 96 Schultze kennt also Treuhandverhältnisse, die kraft Rechtsgeschäft, Gesetz oder Hoheitsakt begründet werden, 97 und die er gleichSchultze J h e r J B 4 3 , 2 . Vgl. im Anschluß daran von Alten-Bockum, Treuhandgeschäfte, S. 5, der Verwaltungstreuhandfälle „deutschrechtlich", Sicherungstreuhandfälle „römisch" konstruiert. 91 Hofer, Treuhandtheorien, S. 489. 9 2 Sc6«/tze JherJB 43, 51. 9 3 Es ist also kein Kontinuum der deutschrechtlichen Treuhand gegeben, Schultze entnimmt den alten Rechtsfiguren lediglich Anregungen und Hinweise, vgl. etwa Schultze JherJB 43,25. 94 Schultze JherJB 43, 20 f, das sind Fälle der Inkassozession oder der fiduziarischen Stiftung. 95 Schultze JherJB 43, 20 ff. und 64 ff.; dem folgend Schöny, Treuhandgeschäfte, S.9f. (Doktorand von Schultze)', Töndury, Treuhand, S. 47. 9 6 Sc/j»/tze JherJB 43,27. 9 7 Dagegen jedoch sein Schüler Schöny, denn „die gesetzlichen Treuhandverhältnisse [...] sind als solche von der Wissenschaft noch gar nicht allgemein anerkannt", Schöny, Treuhandgeschäfte, S. 10. 89
90
§ 4. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders
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behandelt. Die deutsche Treuhand zeichne sich somit durch eine dingliche Bindung und Beschränkung98 des Treuhänders aus. Sie sei der fiduziarischen Treuhand überlegen, und werde sich durchsetzen" - so kann man sich täuschen. „Schultzes Gedanken ist insofern kein voller Erfolg beschieden gewesen, als die Praxis sich bei der Gestaltung von Treuhandverhältnissen durch Rechtsgeschäft wenig der von ihm vorgeschlagenen Konstruktion der bedingten Rechtsübertragung bedient hat; sie hat im allgemeinen die des fiduziarischen Rechtsgeschäfts vorgezogen."100 Schultze übertrug die Forschungserkenntnisse über den Salmann in einer genauso „eigentümlichen Verknüpfung zwischen Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik" 101 in die Dogmatik des geltenden Rechts, wie seinerzeit Regelsberger die fiducia aus dem Materiallager des römischen Rechts entwickelt hatte; er definierte den Treuhänder als jemanden, der „Eigenrechte mit der Bestimmung, sie nicht im eigenen Interesse zu gebrauchen"102, empfängt. Nach Auffassung Coings hat Schultze die germanische Treuhand im modernen Recht „geschaffen",103 nachdem er bei seinen Forschungen zur langobardischen Treuhand einen Gegensatz zwischen germanischer und romanischer Treuhand entdeckt zu haben meinte104 und daraufhin die in den Quellen aufgefundenen Treuhandmodelle auf ihre Vereinbarkeit mit dem neuen B G B untersuchte. Die Einpassung der „germanischen Treuhand" in das pandektistisch geprägte BGB gelingt freilich nur deshalb so gut, weil die „germanische Treuhand", wie erörtert, unter pandektistischer Vorprägung entstanden ist; daß die Entwicklung der deutschrechtlichen Treuhand ganz wesentlich durch die Entwicklung der fiduziarischen Treuhand bedingt war, wird durch die rechtsgeschichtliche Überhöhung im Konflikt von Germanisten und Romanisten verschleiert.105 Der Unterschied zwischen den Modellen der des Reichsgerichts bzw. Regelsbergers und Schultzes ist offensichtlich. Für Regelshergers fiduziarisches Rechtsgeschäft ist die Inkongruenz von gewähltem Mittel und verfolgtem Zweck wesensbestimmend. Schultze hingegen möchte diese Inkongruenz gerade vermeiden und konstruiert sein Modell so, daß sich die Rechtsmacht des Treuhänders dem Geschäftszweck „eng anzupassen vermag, nicht über diesen hinausschießen noch hinter ihm zurückbleiben muß". 106 Die deutschrechtliche Lösung ermögliche dies „in glücklicher Weise".107 Schultze, als Oberlan98 99 100 101 102 103 104 105 106 107
Schultze JherJB 43,10ff.; Staudingerl Coing, 11. Aufl., vor § 104 B G B Anm. 60a. Schultze JherJB 43,103. Coing, Treuhand, S. 50. Coing RabeisZ 37,202. Schultze JherJB 43,1. Coing, Treuhand, S. 49. Schultze, Treuhand, S. 96. Otten, Entwicklung. S. 218 und 220 f. SflWtze JherJB 43,103. Sc^«/tze JherJB 43,104.
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desgerichtsrat in Jena auch 108 Praktiker, werden die Treuhandprobleme aus seiner Arbeit geläufig gewesen sein. Dieser Dualismus zwischen überschießender Rechtsmacht, dem Vollrecht, bei der römischen Treuhand und die „zweckangepaßter" Rechtsmacht bei der germanistischen Treuhand wird Gemeingut. 109 Dabei wird der Blick auf die ganz erheblichen Gemeinsamkeiten verstellt. Es besteht nämlich bei rechtem Licht betrachtet eigentlich nur ein ganz geringfügiger Unterschied zwischen den Ansätzen Regelsbergers und Schnitzes: Nach beiden Modellen wird der Treuhänder Vollrechtsinhaber am Treugut, nur daß nach dem römischen Modell mangels Vereinbarung keine Bedingung vermutet wird und Schnitze mangels Vereinbarung eine solche gerade vermutet. Wenn auch Schultze davon ausgeht, daß der Treuhänder ein „Eigenrecht" innehaben müsse, dann besteht auch in seinem Modell der Dualismus Treuhand - Stellvertretung, 110 der sich in der Dogmatik durchsetzen sollte, obschon in den alten deutschen Rechtsquellen die Treuhand gerade als Vollmachtsersatz erschienen war. Das Modell der resolutiv bedingten Vollrechtsübertragung - gerade durch dieses leicht praktikable Modell wurde die germanische Treuhand bekannt - haben andere Autoren111 vor Schultze gleichermaßen erwogen, nur daß ihnen mangels rechtshistorischer Überhöhung die Berühmtheit versagt blieb. Auch die Rechtspraxis kannte diese Figur bereits, wie das besprochene Urteil des Reichsoberhandelsgerichts und die Debatte in den Kommissionen während der Entstehung des BGB zeigt.112 Der Erfolg Schultzes liegt, wie Rückert vermutet, darin, den Eindruck einer Kontinuität zwischen dem von ihm erforschten langobardischen Treuhänder des sechsten bis achten Jahrhunderts bis in die heutige Zeit aufzubauen, die er durch „seinen großzügigen Umgang mit [...] Basisbegriffen wie germanisch und dinglich" 113 suggeriert. „Lebenskraft und Entwicklungsgeschichtliche Mission stehen also zur Debatte."114 Das verkennt Coing, der lediglich annimmt, Schultze gewinne aus dem geschichtlichen Stoff Figuren, die für die Gegenwart brauchbar schienen,115 und damit die Stilisierung, die Schultze vornimmt, übersieht. Bereits eingangs seiner Arbeit formuliert Schultze die Frage, ob das neue BGB die „Aufrechterhaltung der [deutschrechtlichen] Treuhänderschaft"116 ermög108 £ r w a r z u d e m Professor für Rechtsgeschichte in Jena. 109 Vgl. Raul, Rechtsgeschäft, S. 16. 110 Vgl. nur die klaren Aussagen bei Haemmerle, 36 DJTI, S. 640 und 650; anders lediglich Siber JherJB 67, 81. 111 Engel, Sicherungsübereignung, S.64; auch der Romanist Fuchs, den Siebert dann bezeichnenderweise „germanistischer Tendenzen" bezichtigen wird. 112 Dazu oben §3. 113 Rückert, Kontinuität, S. 419 ff. 114 Rückert, Kontinuität, S. 419. 115 Coing, Treuhand, S. 37. 116 Schultze JherJB 43,20.
§ 4. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders
Teil 1
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liehe, als Gegenstand der Untersuchung. Rückerts Urteil über Schnitzes Leistungen fällt, im Gegensatz zu Coings Urteil, vernichtend aus: Die Kontinuität „liegt in diesen Begriffen, aber auch nur in ihnen. Mir erscheint sie als ein Trugbild. Die Konstruktion ist übertrieben, historisch wie dogmatisch.".117 Trotzdem ist Schnitze als Schöpfer der germanischen Treuhand in die Rechtsgeschichte eingegangen. Und trotzdem gilt: Auch nach Entfernung des germanistischen Blendwerks ist es das Verdienst Schnitzes, ein Modell vorgestellt und populär gemacht zu haben, das nach verbreiteter Auffassung118 den Konflikt zwischen dem Treugutschutzinteresse des Treugebers und Zugriffsinteresse der Treuhändergläubiger zugunsten des Treugeberinteresses zu lösen vermag. Was aus heutiger sieht als Schwäche Schnitzes in Wahrheit stark pandektistisch geprägter Argumentation erscheint, ist ihre Stärke gewesen: Nur aufgrund ihrer pandektistischen Vorprägung paßt sich die „germanistische Treuhand" nahtlos in das pandektistisch geprägte B G B ein.
V. Konsequenzen für die weitere Entwicklung Das Kennzeichen großer Arbeiten wie jener Regelsbergers oder Schnitzes ist: Sie pointieren, fassen zusammen, schließen eine Diskussion ab. Aber sie unterbrechen auch die Weiterverfolgung abweichender Ansätze, blockieren, verengen und kanalisieren die weitere Diskussion. Das führt später zu Problemstellungen, die es ohne diese großen Arbeiten vielleicht gar nicht gäbe, zu deren Lösung aber niemand mehr hinter diese Arbeiten zurückgreifen kann. Um 1900 ist ein allgemeiner Befund zur Treuhand in Lehre und Rechtsprechung gesichert. Kennzeichnend für die Treuhand ist für Schnitze wie Regelsherger und andere Autoren die Außenseite, das Innehaben einer bestimmten treuhänderischen Rechtsmacht als Eigenrecht, über deren Ausgestaltung und Rechtswirkungen zu streiten war: Wie kann die interne Beziehung nach außen mit Drittwirkung beschränkend wirken? 119 Oder anders formuliert: Wie läßt sich vor allem der Vorrang des Treugutschutzinteresses vor dem Zugriffsinteresse der Treuhänder-Gläubiger begründen? Das Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder, das auch der Germanist Schnitze nach pandektistischem Vorbild strikt vom Außenverhältnis trennt, interessiert nicht. 120 Es sei - auch Schnitze akzeptiert das pandektistische Abstraktionsprinzip - überhaupt keine Voraussetzung des Treuhandverhältnisses.121 Auf der Außenseite könne die Treuhand dinglich unbeschränkt oder dinglich gebunden gestaltet werden. 117 1,8 119 120 121
Rückert, Kontinuität, S.420. Dazu eingehend unten § 32 V. Reinhardt/Erlinghagen, JuS 1962,42. Schultze JherJB 43,1 ff. 5c/>a/tze JherJB 43,3.
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Von der Definition der Treuhand in Schnitzes „epochemachender Abhandlung", 122 mit der die fiduziarische Treuhand letztlich übereinstimmt, wird später nicht mehr grundlegend abgewichen werden, „in Schnitzes Definition der Treuhand ist die Ausbildung des Treuhandbegriffs, wie er dem heutigen Recht geläufig ist, vollzogen".123 Schultze hatte definiert: „Wer Rechte als Eigenrechte empfangen hat mit der Bestimmung, sie nicht im eigenen Interesse zu gebrauchen, ist nach einem aus der älteren deutschen in die moderne deutsche Rechtssprache übergegangenen Ausdruck ein Treuhänder."124 Der Treuhänder übt somit eigene Rechte im eigenen Namen aus, seine Rechtsmacht wird von der Vertretungsmacht unterschieden, die bis heute nicht umfassend mit der Figur der Treuhand in Verbindung gebracht wird, obschon die Probleme sich gleichen. Auch jeglicher Dritterwerb von Rechten, also Erwerb der Rechte von einer anderen Person als dem Treugeber, verhindert nach Schultzes Definition die Entstehung einer Treuhand, weil der Dritte die Rechte nicht mit der Bestimmung, sie im Interesse eines anderen auszuüben, übertrage. Damit fällt beispielsweise der Kommissionär, der ein Recht für den Kommittenten erwirbt, aus dem Bereich der Treuhand. Letztlich findet sich diese Abgrenzung bis heute im Unmittelbarkeitskriterium der Rechtsprechung wieder.125 Denkansätze in der germanistischen Literatur, etwa bei Albrecht, die zu einem ganz anderen Treuhandbegriff führen hätten können („Sorge für die Vermögensangelegenheiten eines anderen"), wurden nicht weiterverfolgt, weil Schultze die Germanistik letztlich ausschließlich in den Dienst der Verbesserung der fiduziarischen Treuhand gestellt hatte. Diese Denkansätze, die in späterer Zeit in der Forschung betont werden können, weil eine Lösung von den zeitbedingten Fragestellungen des neunzehnten Jahrhunderts möglich wurde, gehen von einer umfassenden Treuhand im alten deutschen Recht aus. Treuhand sei die Wahrung fremder Belange schlechthin, 126 sämtliche drittnützige Tätigkeit 127 gewesen. Die Bedeutung von Schultze ist für Hoferxn vor allem in der Kategorienbildung zu sehen, in der Verbindung von fiducia und Treuhand. Schultze selbst sagt für das geltende Recht, fiducia und Treuhand seinen „Unterarten derselben Kategorie".129 Schultze sei „Wegbereiter für die moderne umfassende Treuhandtheorie, in der unterschiedliche juristische Gestaltungen mit unterschiedlichen
122
Friedmann, 36. DJT I, S. 826. Otten, Entwicklung, S. 215. 124 Schultze JherJB43,1. 125 Siehe dazu unten § 5 VI. 126 Scherner H R G 5, 342 hält die Forschungen zur mittelalterlichen deutschen Treuhand im neunzehnten Jahrhundert insgesamt für fragwürdig. 127 Schott, Träger, S. 56. 128 Hofer, Treuhandtheorien, S. 413. 129 Sc&»/fze JherJB 43,105. 123
§ 4. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders
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Rechtsfolgen zusammengefaßt werden". 130 Diese umfassende Theorie ist freilich nicht umfassend genug. Eine derartige umfassende Treuhandtheorie ist bis heute nicht auf befriedigende Weise entwickelt worden.
130
Hofer, Treuhandtheorien, S.413.
§ 5. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders Teil 2: Die Entwicklung der Treuhanddogmatik bis zur Arbeit Sieberts I. Einleitung Mit seiner „germanischen Fiducia" hat Schultze ein Modell vorgestellt, bei dem das Eigenrecht des Treuhänders dem Zweck angepaßt ist und der Treugeber deshalb vor dem Zugriff von Gläubigern des Treuhänders auf das Treugut gesichert ist: Fällt der Treuhänder in Konkurs, so fällt das Treugut an den Treugeber zurück. Ein Rückfall wäre überdies auch bei treuwidrigen Verfügungen denkbar. In der Folge werden neben Schultzes Modell verschiedenste andere Modelle für den Zuschnitt des „Eigenrechts" des Treuhänders, seine Legitimation oder Rechtsposition 1 erwogen, alle mit dem Ziel, dem Treugutschutzinteresse zur Geltung zu verhelfen und also ein Aussonderungsrecht des Treugebers im Konkurs des Treuhänders bzw. die Drittwiderspruchsklage bei Einzelzwangsvollstreckung gegen den Treuhänder begründen zu können; nur eine kleine Gruppe von Autoren wendet sich gegen diese allgemeine Auffassung. Das Treuhandrecht der Zwischenkriegszeit reduziert sich geradezu auf die Lösung des Interessenkonflikts zwischen Treugutschutzinteresse und Zugriffsinteresse, was deshalb verständlich ist, weil jeder für diese systematische Schwäche, die „Sollbruchstelle" des fiduziarischen Treuhandrechts mit seinem M i ß verhältnis von Können und Dürfen, eine Patentlösung finden möchte. Denn so sehr Schultze selbst den Zusammenhang des römischen und deutschen Treuhand-Modells im geltenden Recht sieht, so sehr vertiefen andere Autoren bis hin zu Siebert,1 dessen 1933 erschienene Arbeit diese Phase der wissenschaftlichen Erörterung des Treuhandrechts abschließt, die Unterscheidung zwischen beiden Modellen, so daß die „deutschrechtliche Treuhand" nicht als Beitrag zu einem allgemeinen Treuhandrecht begriffen wird. Hier zeigen sich die nachteili1 Hofer, Treuhandtheorien, S 489; Asmus, Grundlagen, S. 2 f.; Ka.ul, Rechtsgeschäft, S. 17 stellt klar die Frage, auf die es ankommt: „Welcher A r t ist die Rechtsmacht des Fiduziars?". 2 Dazu unten § 5 VIII.
§ 5. Die Treuhand
im Konkurs des Treuhänders
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gen Folgen von Schnitzes germanistischer Überhöhung seiner Lösung. Eine andere Ursache für die weitere Suche liegt darin, daß Schnitzes Lösung vielfach nicht zu Unrecht auf dogmatische Bedenken stieß, 3 was auch dazu führte, daß andere Spielarten der deutschrechtlichen Treuhand aufgegriffen wurden, um eine Zweckbindung des Treuguts zu erreichen. Es erscheint eine „Unsumme" 4 von Monographien zur Lösung dieser Frage, der juristischen Kreativität waren keine Grenzen gesetzt. W i r befinden uns auf einem „heiß umstrittenen Kampfgelände". 5 Die Arbeiten können kaum rezipiert werden, nicht einmal hervorragende Untersuchungen wie jene von Siebert können eine auch nur einigermaßen vollständige Übersicht über den Stand der Literatur bieten. Wenn dieser Meinungsstand im folgenden dargestellt wird, dann geht es nicht vorrangig um die Frage der zutreffenden Begründung des Treugeberschutzes, 6 sondern darum, die verschiedenen daraus entstehenden Modelle der Treuhand und ihren Einfluß auf das Bild dieses Rechtsinstituts insgesamt in Wissenschaft und Praxis der ersten drei Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts aufzuzeigen. Die Arbeiten suchen nämlich zeitbedingt zumeist „den" Treuhänder schlechthin, das „Wesen des Treuhänders" und seiner Legitimation, die „Rechtsnatur des Inkassotreuhandgeschäfts". 7 Jeder sucht eine „eigene Konstruktion der fiduziarischen Rechtsgeschäfte" 8 „als solcher". Anfangs wird überwiegend versucht, ein bestimmtes Bild des Treuhandgeschäfts zu entwickeln, das den angenehmen „Nebeneffekt" zureichenden Treugeberschutzes zur Folge hat. Zum Teil geht man aber auch umgekehrt von dem Bestehen eines nach eigenen Vorstellungen gestalteten Aussonderungsrechts des Treugebers nach § 43 KO in bestimmten Fällen aus und konstruiert von diesem Punkt aus „die Treuhand", die eben nur dann vorliege, wenn ein solches Aussonderungsrecht gegeben sei. Die Autoren, die allein unter dem Eindruck des Konflikts zwischen Treugutschutzinteresse und Zugriffsinteresse arbeiten, verlieren die Auswirkungen ihrer Arbeiten auf andere Interessenkonflikte des Treuhandrechts zumeist aus den Augen, was nicht ohne Folgen bleibt. Die Ursache f ü r diese umfangreiche Diskussion u m das „Treuhänderproblem" 9 ist nicht das dogmatische Interesse an dieser Fragestellung, sondern die überragende Bedeutung der Treuhand im Wirtschaftsleben. Die Treuhand hat vor allem im „modernen Wirtschaftskampf" 1 0 der Zwischenkriegszeit „als Dazu auch unten § 5 III. Haemmerle, 36 DJTI, S.632. 5 Kunisch, Stellung, S. 1. 6 Auf diese Frage kann in vorliegender Untersuchung erst dann eingegangen werden, wenn eine bestimmte Sichtweise der Treuhand als Ausgangspunkt entwickelt worden sein wird, siehe dazu unten § 34. 7 So der Titel der Dissertation von Podkomorski (1915) 8 Kunisch, Stellung, S. 26. 9 So der Titel der Monographie Grünschilds aus dem Jahre 1914. 10 Scharpwinkel, Sicherungsübereignung, S. 5. 3
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Teil 1: Die Entstehung
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Ausdruck der aufs Höchste gesteigerten Kapitalwirtschaft" 1 1 ganz massiv an Bedeutung gewonnen, weil wirtschaftliche Umstrukturierungen eingetreten waren. 12 Einerseits herrschte „infolge des unglücklichen Krieges [...] Mangel an Eigenkapital", 13 andererseits wurde rationalisiert und professionalisiert, schließlich gab es auch Mengen von Firmenzusammenbrüchen, bei denen oft Treuhänder im Weg von Treuhandvergleichen die Weiterführung und Sanierung (unter Verzicht der Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen) statt Abwicklung im Wege des Konkurses übernahmen. 14 „Treuhand" wurde geradezu ein Modewort. 1 5 Die Treuhand hat sich „über ihr ursprüngliches Anwendungsgebiet [...] weit erhoben und hat gewissermaßen strahlenförmig weite Gebiete des Wirtschaftsverkehrs durchdrungen". 16 Diese pathetischen Formulierungen, deren Liste beliebig verlängert werden könnte, sprechen für sich.
II. Ablehnung des Aussonderungsrechts Daneben existierte freilich auch eine Gruppe von Autoren, 17 die einen Schutz des Treugebers gegen Zugriffe von Gläubigern des Treuhänders auf das Treugut ablehnte. Diese Meinung hatte in der Diskussion aufgrund ihres unbeliebten Ergebnisses jedoch keine Chance und wurde schon bald als „Außenseitermeinung" 18 bezeichnet. Zum Teil sprachen diese Autoren den rechtspolitischen Erwägungen, die hinter dem Treugeberschutz stehen, die Berechtigung nicht ab, lehnten einen Treugeberschutz aber aufgrund dogmatischer Vorbehalte ab.
11
Katzmann, Aussonderung, S. 11. Haemmerle, 36. D J T I, S. 633. Vgl. etwa auch den Sinneswandel Hoenigers, der sich vor dem ersten Weltkrieg noch vehement gegen die Sicherungsübereignung ausgesprochen hatte, Hoeniger, Sicherungsübereignung, S.49ff., während er später seine Meinung unter dem Eindruck der wirtschaftlichen Lage nachdem Krieg revidiert hat, Hoeniger J W 1919,418; vgl. zu den Problemen auch StaffDjZ 1921, 573. 13 Pfeffer, Miteigentum, S. 1. 14 Zelter, Treuhandvergleich, S. 17. 15 In einem Gutachten der Handelskammer Berlin, Recht 1913,20 ff., finden sich Kuriosa wie eine Registerkassen G m b H oder eine Dampfwäscherei, die den Namen „Treuhand" führten, wohl um sich seriös zu geben. 16 Siebert, Treuhandverhältnis, S. 3. 17 V. Tuhr II, S. 200 ff.; Berolzheimer, Zession, S 47; Czaya, Indossament, S. 6 ff.; Dreyer Gruchot 40,458 f.; Düringer L Z 1908,103; Eccius Gruchot 46, 691; Endemann § 62 Anm. 25; Engel, Sicherungsübereignung, S. 46 f.; Fischer, Sicherungsübereignung, S. 80; Goltz, Rechtsgeschäft, S.46ff. und 90 ff.; Gunz, Vollgiro, S. 242 f.; Hengstherger, Stellvertretung, S. 31 ff.; Kanter, Sicherungsübereignung, S. 41 ff.; Kaul, Rechtsgeschäft, S.47; Lang AcP 83, 341 ff.; Lilienthal D J Z 1902,545; Nathan, Übertragung, S. 61; Schaps Z H R 42,422; Stupperich, Sicherungszession, S. 73 ff. 18 Kunisch, Stellung, S. 25. 12
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„Nur dieses Ergebnis ist gesetzmäßig".19 Vor allem wurde auf die Geltung des Abstraktionsprinzips verwiesen. 20 Die Gewährung eines Aussonderungsrechts im Konkurs des Treuhänders bedeute im Ergebnis, daß man der treuhänderischen Eigentumsübertragung nicht die „volle dingliche Wirkung der Eigentumsübertragung" zuerkenne und von einem „modifizierten Eigentum" ausgehe, das „wohl die aktiven, nicht aber die passiven Rechtswirkungen des Eigentums aufweist". 21 Zum Teil wurde ein Treugeberschutz aber auch für nicht notwendig oder unbillig erachtet. Der Treugeber könne gegen Ansprüche, die der insolvente Treuhänder gegen ihn habe - so er solche noch habe und das Treugut nicht wertvoller sei - aufrechnen, §§ 53f. KO. 2 2 Leist verwies auf die Übernahme des Risikos durch den Treugeber, dieser habe „sich selbst in die Gefahr begeben". 23 Wer die Vorteile der Treuhand in Anspruch nehme, müsse auch die Nachteile tragen. 24 Berolzheimer meinte, der Treugeber nehme „eben das Risiko des Konkurses geradeso auf sich wie das des Vertrauensmißbrauches des Zessionars". 25 Czaya,26 der sich mit Problemen des treuhänderischen Vollindossaments beschäftigt, stellte fest, der Indossant hätte sich des Prokuraindossaments bedienen können, wenn er dem Indossatar nicht traue. Schließlich wurde von Eichhorn27 ganz allgemein angemerkt, daß eine dogmatische Inkonsequenz aus Billigkeitsgründen nicht erforderlich sei, weil das geltende Recht mit Bedingung und Vormerkung Instrumente vorsehe zum Schutz des Treugebers vorsehe, deren sich die Rechtspraxis gefälligst zu bedienen habe. Die Argumente gegen die Bejahung eines Aussonderungsrechts nach §43 KO haben einiges für sich. Es ist durchaus üblich, daß jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr das Insolvenzrisiko seines selbstgewählten Vertragspartners zu tragen hat. Im modernen Bereicherungsrecht etwa argumentieren wir genauso. Auch der Hinweis an die Rechtsprechung auf bestehende Auswege hat starkes Gewicht. Gleichwohl kämpfen die genannten Autoren auf verlorenem Posten. Die unbedingte Vollrechtstreuhand scheint in der Praxis absolut üblich zu sein - für sie wird deshalb eine Lösung gesucht.
19 Scharpwinkel, Sicherungsübereignung, S.28; in diesem Sinne auch Kaul, Rechtsgeschäft, S. 47. 20 Löhl AcP 129,333 ff.; vgl. Auch Salinger, 31. DJT I, S. 336 ff. 21 Löhl AcP 129,335. 22 Neckeis, Abwicklung, S. 43 ff. 23 Leist, Eigentumsübertragung, S. 82. 24 Goltz, Rechtsgeschäft, S. 90; von Lang AcP 83, 336. Genauso noch Eichhorn, Ubereignung, S. 45 im Jahre 1929. 25 Berolzheimer, Zession, S. 47. 26 Czaya, Indossament, S. 67. 27 Eichhorn, Ubereignung, S. 47.
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Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutschen
Treuhandrechts
III. „Germanische Fiducia" - vermutete Resolutivbedingung 28 Schultze hatte die „germanische Fiducia" mit bedingter Vollrechtsübertragung propagiert, die freilich auch schon vor seinem bekannten Aufsatz geläufig war. Nach Schultze arbeitete eine Anzahl von Autoren bei Sicherungsfällen mit einer im Zweifel immer vereinbarten bedingten Eigentumsübertragung. Der Sicherungsgeber sei in der "Weise geschützt, 29 daß das Treugut im Konkurs des Treuhänders automatisch an den Treunehmer zurückfalle, der es dann nach § 43 K O ohne weiteres aussondern könne. Diese Resolutivbedingung sei dem Treuhandvertrag im Wege der Auslegung zu entnehmen. 30 Diese Lehre schließt sich zwangsläufig an die Unmittelbarkeitsformel des Reichsgerichts an und grenzt die Treuhand zur mittelbaren Stellvertretung („für Rechnung und im Interesse eines anderen") ab, bei der deshalb kein Aussonderungsrecht entstehe, 31 denn eine bedingte Vollrechtsübertragung mit Schutzfunktion für den Treugeber ist nur bei Unmittelbarkeit denkbar. Gegen die „germanische fiducia" wurde zum Teil eingewandt, die Resolutivbedingung müsse wegen § 26 KO konkursunabhängig sein, so daß der Konkurs des Treuhänders nicht als auflösende Bedingung bei der Übereignung vereinbart werden könne. 32 In § 26 KO war nämlich angeordnet, daß der andere Teil die Rückgabe seiner in das Eigentum des Gemeinschuldners übergegangenen Leistung aus der Konkursmasse nicht verlangen konnte, wenn infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens die Nichterfüllung einer Verbindlichkeit oder die Aufhebung eines Rechtsverhältnisses des Gemeinschuldners eintritt. Hier könnte freilich durch die Annahme anderer Bedingungen geholfen werden. Gegen die dingliche Wirkung der Bedingung und für das Entstehen eines lediglich schuldrechtlichen Rückübertragungsanspruchs trat Schloßmann ein. 33 Ihm kann freilich entgegengehalten werden, daß der Gesetzgeber diese noch im Vorentwurf Johows vertretenen Auffassung ausdrücklich abgelehnt hat. 34 Gewichtiger ist der Einwand, 35 eine Resolutivbedingung sei unzulässig, weil sie gegen § 137 B G B verstoße. Der Rechtsverkehr stehe bei Vereinbarung einer solchen Bedingung schutzlos. Dieser Eingehend dazu noch unten § 32 V. von Alten-Bockum, Treuhandgeschäfte, S. 19 ff.; wohl im Anschluß an Fischbach, Treuhänder, S. 219 und 301; genauso schon Schultze-, Levin J W 1912,118; Stupperich, Sicherungszession, S. 7; Auch Cehulla, Sicherungsübereignung geht hiervon aus; Schöny, Treuhandgeschäfte, S. 20 f. 30 Luetgebrune, Sicherungsübereignung, S. 53 ff.; für die Bedingung auch Pappenheim KritV 44,368 f. 31 von Alten-Bockum, Treuhandgeschäfte, S. 24. 32 Radke, Unmittelbarkeitsproblem, S. 18. 33 Schloßmann, Stellvertretung 2, S. 383. 3 4 Siehe dazu oben § 3. 35 Crome I 379; Oertmann § 137 Anm. 2a; Dernburg I, S. 372; Hengstberger, Stellvertretung, S. 44 ff.; Pfeffer, Miteigentum, S. 25 f.; Haemmerle, 36. D J T I , S. 689•,Friedmann, 36. DJT I, S. 833; dagegen auch Jessen]^ 1930,1370. 28
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§ 5. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders Teil 2
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Kritik begegnete Rietzler*6 unter Berufung auf den Gutglaubensschutz in § 161 Abs. 3 BGB. In der Argumentation wurde zudem immer wieder auf § 925 Abs. 2 BGB verwiesen, der eine bedingte Ubereignung von Grundstücken verbietet. Hieran knüpften Befürworter wie Gegner einer Resolutivbedingung an. Erstere führten an, wenn § 925 Abs. 2 BGB die Bedingung verbiete, dann sei sie im Gegenschluß in allen anderen Fällen möglich. 37 Letztere folgerten aus §925 Abs. 2 BGB, daß die bedingte Übertragung des Treuguts auf den Treuhänder eben kein Wesensmerkmal „der" Treuhand sein könne. 38 Schließlich erhob sich die Kritik einer ganzen Anzahl von Autoren 39 speziell gegen die Vermutung der Resolutivbedingung. Die Entwicklung und Praxis zeige gerade das Gegenteil, nämlich die regelmäßig bedingungslose Übertragung des Treuguts, deshalb bedürfe die auflösende Bedingung einer besonderen Vereinbarung. 40 Eine andere Auslegung würde „den Parteiwillen vergewaltigen".41 Fraglich sei zudem, welche Bedingung oder Bedingungen überhaupt im Wege der Auslegung zu ermitteln seien. Es handle sich letztlich um eine „unberechtigte Fiktion". 42 Paul4i konstruierte deshalb die Resolutivbedingung nicht als Bedingung kraft Parteivereinbarung, sondern als „Rechtsbedingung", weil er im Jahre 1937 zeitbedingt nicht von der „Herrschaft des Parteiwillens" ausging und „an die Stelle des allein maßgeblichen Parteiwillens die Zwecke des vereinbarten Rechtsgeschäfts treten" ließ.
IV. Versuche zur Uberwindung der „Sollbruchstelle" der Vollrechtstreuhand
1. Billigkeit und
Gewohnheitsrecht
Die überwiegende Meinung und auch die Rechtspraxis ging von der Treuhand im Regelsbergerschen Sinne aus, also der unmittelbaren und überschießenden Vollrechtsübertragung. 44 Auf dieser Grundlage wurden die verschiedensten Vor36
Rietzler KritV 48, 65. Seidler, Sicherungsübereignung, S. 11. 38 Kunisch, Stellung, S. 24 f.; Podkomorski, Rechtsnatur, S. 44. 39 Schumacher, Treuhand, S. 18 und 48; Goltz, Rechtsgeschäft, S. 13; Herz, Sicherungsübereignungen, S. 48; Scharpwinkel, Sicherungsübereignung, S. 27; Caspari, Sicherungsübereignung, S.4; StaudingerlRietzler, BGB, § 137 Anra. 2a; Planck/Flad, BGB, § 137 Anm. 2b; Enneccerus/Nipperdey § 135 Fn. 13; von Tuhr II, S. 373 Fn. 57; Heymann, Trustee, S. 518 ff.; Kaul, Rechtsgeschäft, S.24f.; Lehmann, BGB AT, §29 III 5; von Gierke, DPrR III, S.204; Gerstle, Treuhandgeschäft, S. 90; Fischbach, Treuhänder, S. 214 ff.; Roth, Trust, S. 292. 40 Katzmann, Aussonderung, S. 26. 41 Radke, Unmittelbarkeitsproblera, S. 18; genauso Schless, Stellvertretung, S. 72 42 Scharpwinkel, Sicherungsübereignung, S. 27 43 Paul, Diskontierungsgeschäfte, S. 55 ff. 44 Vgl. nur ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Ackermann, Sicherungsübereignung, S. 9; 37
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Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutschen
Treuhandrechts
schlage zur Überwindung der „Sollbruchstelle" der fiduziarischen Geschäfte gemacht, die allesamt nicht überzeugen können, so daß Eichhorn zu Recht feststellte: Die „Ubereinstimmung [der hM] beschränkt sich auf das Zugeständnis, daß ihr Resultat vielleicht nicht das Ergebnis strenger Rechtskonsequenz sei."45 Weit verbreitet zur Begründung des Treugeberschutzes war der Verweis auf allgemeine Rechtsprinzipien wie die Billigkeit und das Gewohnheitsrecht. Diese Auffassung hat den Vorteil für sich, daß keine Veränderungen am Bild der Vollrechtstreuhand vorgenommen werden müßten. Die pathetischen Formulierungen der Vertreter dieser Auffassung konnten freilich schon viele Zeitgenossen nicht überzeugen. So wurde etwa ausgeführt, man müsse aufgrund der „wirtschaftlichen Verkehrsanschauung" 46 ein Aussonderungsrecht „in entsprechender Anwendung des § 43 K O " annehmen. 47 Es handle sich um die „Festeingewurzelte Rechtsüberzeugung des Volkes". 48 „Das Rechtsgefühl drängt dazu", 49 auch wenn man das Ergebnis nicht juristisch konstruktiv begründen könne. 50 „Das Recht soll einen gerechten Ausgleich der Interessen [...] herbeiführen. Dieser Zweckgedanke des Rechts wird vereitelt, wenn man der formalen Konstruktion [...] bis ins letzte folgt.". 51 Friedmann war in Anlehnung an die equity des englischen Rechts der Meinung, Billigkeitsrecht, sei „auch in unserem deutschen Recht eine Rechtsquelle eigener Art". 5 2 Je länger die Rechtsprechung, deren Argumente gleich dargestellt werden sollen, die Aussonderung unbeirrt zuließ, 53 desto leichter fiel neben Billigkeitsgesichtspunkten der Verweis auf praeter legem geschaffenes Gewohnheitsrecht. 54 Die Gegenmeinung führe „zu einem traurigen Ergebnis", schrieb Podkomorski,55 der sich auf Gewohnheitsrecht beAengenheister, Treuhandkonto, S. 10 f.; Berolzheimer, Zession, S.32; Buchka, Darstellung, S.238; Cosack, B G B 1, S.219; Crome, B G B 1, §76; Eccius, PrPrR 1, § 9 9 Fn. 176; Endemann, B G B 1, §63; Engelmann, B G B , § 3 8 ; Fischer/Henle, B G B , §117 Anm. 3; Geiger, Fiducia, S. 12 f.; Goldstaub, Rechtsgeschäfte, S. 39 ff.; Goltz, Rechtsgeschäft, S. 15; Grünschild, Treuhänderschaft, S. 8 f.; Haemmerle, 36. D J T I, S. 640; Katzmann, Aussonderung, S. 13; Landsberg, B G B , § 53; Lilienthal, D J Z 1 9 0 2 , S. 543; Löbl, AcP 129,332 f.; von Mandry, Inhalt, S. 335; Matthiaß, B G B 1, S.203; Oppenheimer, Eigentumsübertragung, S.21; Planck, B G B , §117 Anm. 3; Staub, H G B , § 368 Ziff. VII; Schumacher, Treuhand, S. 22: wer hiergegen opponiere komme aus der Treuhänderlobby und gehe von einem bestimmten Berufsbild des Treuhänders als Person aus. Eichhorn, Ubereignung, S. 45. Grünschild, Treuhänderschaft, S. 13 f.; Katzmann, Aussonderung, S. 45. 47 von Alten-Bockum, Treuhandgeschäfte, S. 27. 48 Pfeffer, Miteigentum, S. 58; Seidel, Sicherungsübereignung, S. 35. 49 Leist, Sicherung, S. 82. 50 Schumacher, Treuhand, S. 29. 51 Kunisch, Stellung, S. 25. 52 Friedmann, 36. D J T I, S. 902. 53 Dazu gleich unten § 5 VI. 54 Geiger, Fiducia, S. 38 f.; Pfeffer, Miteigentum, S. 57f.; O L G Colmar L Z 1910, 487; vgl. auch Hedemann, Sachenrecht, S. 227ff,;Jaeger, KonkR §43/40, S. 72. 55 Podkomorski, Rechtsnatur, S. 50 f. 45 46
§ 5. Die Treuband im Konkurs des Treuhänders
Teil 2
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rief; lehne man diesen Standpunkt ab, so „wären die Treuhandgeschäfte dahin". Freilich wurden dagegen Zweifel laut, ob die Voraussetzungen für das Entstehen von Gewohnheitsrecht angesichts der lebendigen dogmatischen Auseinandersetzung wirklich erfüllt seien. 56
2. Analoge Anwendung des §392 Abs. 2 HGB Schon in den ersten Jahren der Geltung des BGB vertrat eine Gruppe von Autoren die Auffassung, daß § 392 Abs. 2 BGB, nach dem Forderungen des Kommissionärs aus Kommissionsgeschäften auch vor Abtretung an den Kommittenten auch gegenüber Gläubigern des Kommissionärs als Forderungen des Kommittenten gelten, analog auf Treuhandgeschäfte anzuwenden sei. 57 Sie konnten sich darauf berufen, daß auch das Reichsgericht - freilich vor 1900 - diese Möglichkeit in Betracht gezogen hatte. Die Grundlage für eine Analogie sei gegeben, denn Kommission und Treuhand seien „Folgerungen eines höheren Prinzips". 58 Wenn der Treuhänder Werte als einem anderen zustehend innehabe, so müßten sich seine Gläubiger diese Haltung bieten lassen. 59 Auch diese Auffassung hat den Vorteil für sich, daß sie keine Modifikationen am gängigen Bild der Vollrechtstreuhand erfordert. Dagegen wurde eingewendet, § 392 Abs. 2 HGB, der auf einer alten Handelsgewohnheit beruhe, könne nicht verallgemeinert werden. 60 Wer in der Treuhand Vorteile suche, müsse ihr Risiko tragen. 61 Oppenheimerb2 findet hiergegen nur das schwache Argument, auch im Kommissionsgeschäft würden Vorteile gesucht, also müsse der Treugeber wie der Kommittent geschützt werden. Als weiteres Argument gegen die Analogie wurde die Gesetzgebungsgeschichte angeführt. In der zweiten BGB-Kommission w a r - w i e erörtert 63 - ein § 592a BGB-E II, der die Wertung des § 392 Abs. 2 HGB in das Auftragsrecht übernommen hätte, abge-
5 6 Vgl. etwa Hönsch, Stellvertretung, S.51; Katzmann, Aussonderung, S. 34 ff.; Schless, Stellvertretung, S. 76. 57 Brütt, Forderung, S. 9; Oppenheimer, Eigentumsübertragung, S.45. W o h l auch Dungs Gruchot 32, 20 f, der das noch verallgemeinert hin zu einem quasi-dinglichen Aussonderungsanspruch; Düringer L Z 1908, 106; Krückmann JherJB 56, 311; Kühl, EigentumsvorbeV, 1, S . 9 3 8 f f . ; Schultze halt, S . 4 4 f . ; Rumpf A c P 119, 1 1 6 f f . ; Ehrenherg/Schmidt-Rimpler, Z H R 4 2 , 3 6 5 gegen seine Auffassung in JherJB 43,49. 58 Oppenheimer, Eigentumsübertragung, S. 45. 59 Schless, Stellvertretung, S. 79. 60 Schumacher, Treuhand, S. 26; O L G Königsberg L Z 1909, 568; Enneccerus/Nipperdey § 167 I, Goltz, Rechtsgeschäft, S. 87; Lang, AcP 83, S. 347 ff.; Lehmann § 3 6 I 1 c; von Tuhr G r ü n h u t Z 25, 574 f. 61 Lang A c P 83,336. 62 Oppenheimer, Eigentumsübertragung, S. 45. 6 3 Dazu oben § 3 V.
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Teil 1: Die Entstehung des modernen
deutseben
Treuhandrechts
lehnt worden. 64 Der Gesetzgeber wollte eine „Vermischung" von direkter und indirekter Stellvertretung vermeiden, weil durch eine nicht offengelegte Stellvertretung „der Kredit [...] erheblich gestört" werden könne. Bei der Kommission jedoch wisse jeder, daß ein Kommissionär „vielfach fremdes Vermögen in Händen habe", es sei „deshalb eine Täuschung der Gläubiger und eine Störung der Kreditverhältnisse kaum zu befürchten". 65 § 392 Abs. 2 H G B trage deshalb Ausnahmecharakter. 66 Zudem bestünden zwischen Kommission und fiduziarischer Treuhand erhebliche Unterschiede. 67 Deshalb wurde darauf hingewiesen, daß das Gesetz hier keine planwidrige, sondern eine beredte Lücke enthalte. Auch das Reichsgericht wich von seiner früheren Auffassung 68 ab und wandte sich gegen die Möglichkeit einer Analogie zu § 392 Abs. 2 H G B . 6 9
3. Begründungen aus dem Konkursrecht Nachdem sich auf dem Boden der Vollrechtstreuhand der Treugeberschutz materiellrechtlich nicht dogmatisch sauber begründen ließ, suchten andere Autoren nach Ansätzen im Konkursrecht, um ein Aussonderungsrecht des Treugebers nach § 43 K O zu begründen. Grundsätzlich ging die Konkursordnung von zwei Anspruchskategorien aus: Verschaffungsansprüche, die kein Aussonderungsrecht geben, und Herausgabeansprüche, die ein Aussonderungsrecht gewähren. Nach allgemeiner Auffassung mußte ein solcher Herausgabeanspruch auf einem dinglichen Recht des Anspruchsgläubigers beruhen, alle anderen Ansprüche sind schuldrechtliche Verschaffungsansprüche. Katzmann definierte nun die Verschaffungsansprüche als Ansprüche, für deren Erwerb eine Gegenleistung geflossen sein muß. Bei der Treuhand hingegen sei etwas ins Treuhändervermögen gelangt, ohne daß ein ungefähr identischer Wert aus dem Vermögen abgeflossen sei. Also handle es sich bei dem schuldrechtlichen Rückforderungsanspruch des Treugebers gegen den Treuhänder nicht um einen solchen Verschaffungsanspruch. 70 Doch Katzmann mußte schließlich eingestehen: „Der Treugeber verlangt das Treugut nicht als Eigentümer, sondern kraft des Treuhandverhältnisses." 71 Er könne deshalb nicht aussondern. Für Podkomorski72 war der Anspruch 64 Radke, Unmittelbarkeitsproblem, S.30f. Hönsch, Stellvertretung, S.49 unter Verweis auf Prot. II, S. 360 ff. 6 5 Prot. II, S. 364. 66 Jaeger, KO, §43 Anm. 53; ihm folgend Groß, Recht, S. 124. 67 Katzmann, Aussonderung, S. 37. 6 8 Dazu oben § 4 III 2. 6 9 R G Z 84,216. 70 Katzmann, Aussonderung, S. 41. 71 Katzmann, Aussonderung, S. 42. 72 Podkomorski, Rechtsnatur, S. 52 f.; ähnlich Goldmann Gruchot 50, 823; Katzmann, Aussonderung, S. 45.
§ y Die Treuhand
im Konkurs
des Treuhänders
Teil 2
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des Treugebers zwar obligatorischer Natur, aber mit einer Art Verfolgungsrecht, wie es auch in § 47 K O geregelt ist, ausgestattet. Deswegen habe er „Aussonderungskraft". Unklar bleibt dabei aber schon der zeitgenössischen Kritik, wo diese „Kraft" im Vergleich zu anderen obligatorischen Ansprüchen herkommen soll. 73 Die einzige Begründung Podkomorskis war letztlich die Berufung auf angebliches Gewohnheitsrecht. Bing, der zwischen eigen- und fremdnütziger Treuhand scharf trennte, versuchte das Aussonderungsrecht „aus der Fiduciaklausel als dem obligatorischen Teil des Gesamtvertrags" herzuleiten. 74 Der echte, also uneigennützige, Treuhänder verliere mit Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen die Verwaltungsbefugnis für das Treugut nicht an den Konkursverwalter. Auch ein der Treuhand zugrundeliegender Auftrag werde durch den Konkurs nicht berührt. 7 5 Das hänge mit der Vertrauensstellung des Treuhänders zusammen, die zwar durch den Konkurs faktisch erschüttert werde, was aber nicht dazu führe, daß der Treugeber jetzt dem Konkursverwalter jenes Vertrauen entgegenbringen müsse, das er zuvor dem Treuhänder entgegengebracht habe. Die Handlungen des Konkursverwalters könnten sich nämlich nur auf ersetzbare Handlungen beziehen. 7 6 Damit sei dem Konkursverwalter entgegen § 6 K O die Verwaltung des Treuguts entzogen. Verwerte der Konkursverwalter das Treugut trotzdem, so entstehe als Folge dieser Pflichtverletzung eine Schadenersatzforderung, die Masseschuld nach § 59 Abs. 1 K O und damit vorrangig zu befriedigen sei. Im übrigen sei der Verwalter nach § 82 K O persönlich verantwortlich. Der Treugeber könne nach Konkurseröffnung den Treuhandvertrag mit dem Treuhänder nach § 627 B G B kündigen. Dadurch entstehe jedoch kein vertraglicher Rückübertragungsanspruch, sondern lediglich ein Kondiktionsanspruch, der als Masseforderung nach § 59 Abs. 3 K O geltend gemacht werden könne, was primär zur Naturalrestitution führe und damit der Aussonderung gleichkomme. 7 7 Darin sah Bing die Lösung aller Probleme. „Ist nicht vielmehr der Unterschied zwischen dem Anspruch aus der fiducia, dem kontraktlichen und dem aus der Auflösung des Fiduciaverhältnisses entstehenden, dem quasikontraktlichen ein grundlegender, fast historischer zu nennen?" 7 8 Gegen Bing läßt sich freilich einwenden, daß es auf Grundlage des Abstraktionsprinzips eben nicht interessiert, warum, also aufgrund welcher causa, Rechte in das Treuhändervermögen gelangt sind. Zudem erscheint die Behauptung, die Masseforderung nach § 59 Nr. 3 K O komme einer Aussonderung gleich, sehr gewagt. 73 74 75
76 77 78
Schless, Stellvertretung, S. 75. Bing, Rechtsgeschäfte, S. 40. Die Anwendung von § 17 KO sei ausgeschlossen. Bing, Rechtsgeschäfte, S. 42 f. Bing, Rechtsgeschäfte, S. 49 f. Bing, Rechtsgeschäfte, S. 53 f.
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Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutschen
Treuhandrechts
V. Lösungsmodelle auf der Grundlage neuartiger dinglicher Rechte des Treuhänders 1. Qualitative
Eigentumsspaltung
Bereits Dernburg79 hatte die Auffassung vertreten, der Treuhänder werde zwar allen Teilnehmern am Rechtsverkehr gegenüber Eigentümer, nicht jedoch dem Treugeber gegenüber; in diesem Verhältnis verbleibe das Eigentum beim Treugeber („relatives Eigentum"). Es gebe also keine Vollrechtstreuhand, sondern der Treuhänder erhalte ein volles Recht nur gegenüber Dritten, nach innen sei er nur Bevollmächtigter. 80 Zur Begründung führte Dernburg aus, daß das Verhältnis nach außen und innen bei der Treuhand generell zu unterscheiden sei: „Diese Konstruktion [...] hat sich im heutigen Recht ausgebildet, welches die Verhältnisse nach außen und innen scharf sondert". Auch Dungs hatte schon 1888 behauptet, daß die „Verneinung des Aussonderungsanspruchs [...] dem lebendigen Bedürfnisse des Verkehrs widerstreitet". 81 Er schloß sich der Lehre vom relativen Eigentum an, der Treuhänder sei nach außen Vollrechtsinhaber, nach innen lediglich Bevollmächtigter. 82 Daraus folge ein „Quasi-dinglicher Aussonderungsanspruch" 8 3 Vor allem Wolff84 vertrat diese Auffassung auch unter Geltung des B G B . Er sah, daß kraft Gesetzes als Folge der Anwendung des § 135 B G B solches relatives Eigentum entstehen kann, wenn eine Verfügung lediglich bestimmten Personen gegenüber unwirksam ist, und behauptete, ein „derartiges relativ unwirksames Eigentum kann auch vertraglich, im Falle der sogenannten fiduziarischen Ubereignung geschaffen werden; der Fiduziar ist Eigentümer gegenüber jedermann, außer dem Fiduzianten; im Verhältnisse der beiden zueinander ist der Fiduziant Eigentümer geblieben, so daß ihm z.B. im Konkurse des Fiduziars ein Aussonderungsrecht zusteht.". 85 Skonietzkysb ging von einer Teilbarkeit des Eigentums aus, um dem Treugutschutzinteresse des Treugebers 79 Dernburg/Biermann, Pandekten I, § 100, Ziff. 3; Dernburg B G B II, S. 330. Dieser Diktion schließt sich Cohn, Rechtsgeschäft, S. 10, an, ohne offenbar dem Inhalte nach Dernburg zu folgen, weil er sich auf S. 11 f. jeglicher Spaltung des Eigenturas widersetzt und die Bevollmächtigtenstellung des Treuhänders offenbar in seiner obligatorischen Gebundenheit sieht. 8 0 In diese Richtung wohl auch Kunisch, Stellung, S. 69 ff.; Isay, Patentgesetz, § 6 A n m . 28; Wilmowsky, K O , §43 Anm. 5. 81 Dungs Gruchot 32,11. 82 Dungs Gruchot 32,26. 83 Dungs Gruchot 32,20. 84 Wolff, SachenR, § 88 V; So auch Weinberger, Annalen des D t R , 1902, S. 426. 85 Wolff, SachenR, § 88 V; genauso Stauffacher, Aussonderung, S. 9: „Im internen Verhältnis ist eben der Gegenstand nicht auf den Fiduziar übergegangen, ist der Fiduziar nicht Eigentümer, sondern Pfandgläubiger geworden". Er begründet das mit dem Parteiwillen, vgl. S. 18 und 40, ohne zu Fragen, wo die das wollen dürfen, rein sachenrechtlich. 86 Skonietzky Gruchot 29,231 ff.
5 f. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders
Teil 2
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gerecht zu werden. Man sei nicht mehr an das Dogma der Unteilbarkeit des Eigentums aus dem römischen Recht gebunden. Deshalb bleibe der Treugeber Eigentümer ohne die dem Eigentum gewöhnlich anhaftende Dispositionsbefugnis. Der Treugeber erhalte hingegen nicht das Volleigentum, sondern lediglich diese Dispositionsbefugnis. LoeblSJ war der Auffassung, bei der Treuhand sei das Eigentum in eine Aktiv- und eine Passivseite gespalten. Die Kompetenz des Fiduzianten bestehe auf der Passivseite fort, der Fiduziar habe nur mit der Aktivseite zu tun. Zum Teil wurde diese Auffassung isoliert für Fälle des Vollindossaments zu Inkassozwecken vertreten; hier geschehe eine Spaltung in „Wechselgläubigerschaft" und „Eigentum an der Wechselurkunde". 88 Eck behauptete ohne weiteres, daß das Eigentum nur soweit übertragen werde, wie es der Treuhandzweck gerade erfordere. 89 Auch de Jonge war ohne einleuchtende Begründung der Meinung, die Treuhand sei ein „Rechtsgeschäft zwiespältiger Natur, teils Eigentumsübertragung, teils nur Besitzübertragung". 90 Hammerle91 vertrat schließlich in Anschluß an Karl Wolff92 eine „Rechtszuständigkeitslehre". Es gebe "Rechtsgenießer", „Rechtsvertreter" und „Verfügungsberechtigte". Das seien nämlich die unterschiedlichen drei Bestandteile eines jeden subjektiven Rechts. Beim Volleigentum würden alle drei Bestandteile in der Person des Eigentümers vereinigt, bei der Treuhand sei der Treugeber „Rechtsgenießer", deshalb könne er gegen die Verwertung des Treuguts durch Gläubiger des Treuhänders vorgehen, während die zwei anderen Facetten beim Treuhänder lägen.
2. Kritik Gegen die Figur des relativen Eigentums wurde eingewandt, relatives Eigentum könne unter der Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht durch Parteiwillkür geschaffen werden.93 Dies stehe im Widerspruch zum Wesen des Eigentums. 94 Dreyer95 meinte, dann könne man gleich von Simulation sprechen; dem Loebl AcP 129,257 ff. und AcP 130,1 ff. Wieland, Sachenrecht, S. 297 ff.; Gunz, Vollgiro, S. 203 ff. 89 Eck, Vorträge, S. 136. 90 De Jonge GrünhutZ 15,164. 91 Haemmerle, 36. D J T I ; S. 682 ff. 9 2 Wo///, Grundriß, S.17ff. 93 Gerstle, Treuhandgeschäft, S. 85; Hönsch, Stellvertretung, S. 11; Katzmann, Aussonderung, S. 24; Ludewig, Ermächtigung, S. 87; Proskauer, Sicherungsübereignung, S. 22 f.; Schless, Stellvertretung, S. 31 f.; Sohczyk, Rechtsgeschäfte, S.21; Radke, Unmittelbarkeitsproblem, S. 19; von Tuhr, B G B AT, § 2 V. 94 Leist, Sicherung, S. 82; Goltz, Rechtsgeschäft, S.27. 95 Dreyer, Gruchot 40, S.228; genauso Scharpwinkel, Sicherungsübereignung, S.26, der sagt, es sei nur noch eine kleiner Schritt bis zur Simulation. 87 88
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des modernen
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widerspricht Oppenheimer.96 Oertmann97 bezog in seine Kritik an dieser Auffassung auch die Unterscheidung des Reichsgerichts in formelles und materielles Eigentum ein und bemerkte schlicht, die „beliebte Herleitung [des Aussonderungsrechts] aus einem bloß ,formalen' Eigentum oder einer Teilung des Eigentums in Innen- und Außenverhältnis ist Unsinn". 98 Die Kritik, man könne nicht „die Rechtsmacht des Fiduziars selbst quer durchschneiden", 99 trifft auch 100 Wolffs Auffassung. „Eigentum ist Eigentum gegen Jedermann". 101 Auch das Reichsgericht 102 wandte sich gegen die Auffassung Wolffs, relatives Eigentum sei nicht kraft Parteiwillen begründbar. 103 „In dieser Weise läßt sich der Eigentumsbegriff nicht spalten", meinte das Gericht. 104 Das ist erstaunlich, spaltete das Gericht das Eigentum doch selbst in formelles und materielles Eigentum auf. Das Gericht war überdies selbst nicht immer konsequent. 105 In einer Entscheidung aus dem Jahre 1915 106 führt es aus, daß am streitgegenständlichen Zigarrenladen eines Ehepaars ein Treuhandverhältnis bestehe, nach außen solle die Ehefrau Eigentümerin sein, nach innen „also auch in dem Verhältnis des einen Gatten zu den Erben des anderen" hingegen der Ehemann. Luetgebrune wies darauf hin, daß jedenfalls für die Sicherungsübereignung diese Konstruktion nicht geeignet sei, denn „bei der Sicherungsübereignung soll [...] das Eigentum vor allem und in erster Linie seine Wirkung auch nach der Innenseite hin kehren". 107 Er konstatierte zu Recht „einen bemerkenswerten Unterschied" zwischen anderen fiduziarischen Geschäften und der Sicherungsübereignung. 108 Hellmann109 fragte sich, wie auf dem Boden der Theorie vom relativen Eigentum das Aussonderungsrecht überhaupt begründbar sein soll, weil doch die Erwerbsbeschränkung gerade nur im Innenverhältnis bestehe und keine Wirkung im Verhältnis zu Dritten habe. Gegen alle andere Versuche der Aufteilung des Eigentums auf Treugeber und Treuhänder wurde schließlich Oppenheimer, Eigentumsübertragung, S. 23. Oertmann JherJB 66,165 ff. 98 Oertmann, BGB I, S. 385. 99 Schultze JherJB 43, 30; dem folgend Goltz, Rechtsgeschäft, S.28; Hollensteiner, Treuhandeigentum, S.40; Kaul, Rechtsgeschäft, S. 18. 1 0 0 Sie wurde auch gegen die Rechtsprechung erhoben, siehe dazu § 5 VI. 101 Goltz, Rechtsgeschäft, S.28. 1 0 2 RGZ 45, 82. 1 0 3 Genauso Kanter, Sicherungsübereignung, S.43; Podkomorski, Rechtsnatur, S.38; Schöny, Treuhandgeschäfte, S. 48 weist außerdem zu Recht drauf hin, daß das bei Dritterwerb, den er mag (S. 15 ff.) nicht gehe, weil da eben diese Beschränkung nicht erfolge; Schumacher, Treuhand, S. 26. 1 0 4 RGZ 45,82. 1 0 5 Heftige Kritik an dieser Zigarrenentscheidung auch bei Siebert, Treuhandverhältnis, S.173. 1 0 6 RG Warn. 1915, Nr. 15. 107 Luetgebrune, Sicherungsübereignung, S. 52. 108 Luetgebrune, Sicherungsübereignung, S. 52. 109 Hellmann, Konkursrecht, S. 158. 96 97
§ 5. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders
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eingewandt, eine solche Eigentumsspaltung sei dem geltenden Recht unbekannt. 110 Sie wurde deshalb mehrheitlich abgelehnt.111 Auch Berolzheimer112 merkte zu Recht gegen Eck an, dem B G B sei eine Eigentumsübertragung nach Graden oder Stadien fremd. Katzmann113 kritisierte die auf „nationalökonomischer Beweisführung" statt juristischer Argumentation beruhende Spaltung des Eigentums und forderte klare juristische Begriffe.
3. Quantitative Eigentumsspaltung Neben der geschilderten qualitativen Aufteilung des Eigentums am Treugut auf Treugeber und Treuhänder wurde auch eine quantitative Aufteilung des Eigentums vertreten, so daß Treugeber und Treuhänder letztlich auf irgendeine Art und Weise gemeinsam Eigentümer des Treuguts werden. Pfeffer114 vertrat ohne nähere Erläuterung die Meinung, bei der Treuhand entstehe zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer eine Gemeinschaft nach §§ 741ff. B G B . Miteigentum und Mitbesitz bildeten hiernach Grundlage der Aussonderung. 115 Eine solche Konstruktion ist durchaus denkbar, wenn auch nicht als „die" Treuhand; sie ist allerdings umständlich und kaum gebräuchlich. 116 Schöny117 kritisierte diesen Vorschlag, weil der Sicherungstreuhänder, von dem Pfeffer ausgeht, dann nicht die konstitutiv erforderliche selbständige Stellung erhalte. Zuvor hatte Schultze, wie bereits erörtert, 118 die Möglichkeit einer Gesamthandsgemeinschaft zwischen Treugeber und Treuhänder aufgezeigt. Dieser Ansatz wurde allerdings nicht eingehender weiterverfolgt, vermutlich deshalb, weil es regelmäßig an den Voraussetzungen des § 705 B G B fehlen wird. Einen seinen Zeitgenossen offenbar fast skurril anmutenden Vorschlag machte Schönfeld,119 der behauptete, die Treuhand zeichne sich dadurch aus, daß Treugeber und Treuhänder zusammen ein neues Rechtssubjekt bildeten, dem das Treugut zustehe. Der Treuhänder habe nach außen den Vorzug und damit das Alleinverfügungsrecht, der Treugeber nach innen, denn im Konkurs verwandle sich das Eigentum in Alleineigentum des Treugebers. „Nur so begreift sich die treue Hand wirklich und wesentlich". Das stieß freilich auf masHönsch, Stellvertretung, S. 47; Schless, Stellvertretung, S. 70. Vgl. nur Goldschmidt, Z H R 28, S.67ff.; Podkomorski, Rechtsnatur; S.38; Schless, Stellvertretung, S. 70. 112 Berolzheimer, Zession, S. 10. 113 Katzmann, Aussonderung, S. 23. 114 Pfeffer, Miteigentum, S. 58. 1 1 5 Vgl. auch Hamelbeck, Sicherungsübereignung, S. 13 Fn. 32. 116 Melchior, 32. D J T I , S. 208. 117 Schöny, Treuhändergeschäfte, S. 18 f. 118 Siehe dazu oben § 4 IV. 119 Schönfeld, Rechtsperson, S. 224 f. 110
111
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Teil 1: Die Entstehung des modernen
deutschen
Treuhandrechts
sive Kritik. 120 Trotzdem wird zu zeigen sein, daß dieser Vorschlag an anderer Stelle fruchtbar gemacht werden kann. 121
4. Neue Formen dinglicher Rechte Neben einer Teilung der Eigentums in verschiedene Eigentümerbefugnisse oder nach seiner Wirkung innen und außen wurde auch versucht, das „Eigenrecht" des Treuhänders durch neuartige dingliche Rechte zu erfassen. Zum Teil wurde vertreten, der Treugeber habe ähnlich wie bei der Berechtigte beim Vorkaufsrecht ein dingliches „Warterecht" als gesicherte Möglichkeit zukünftigen Vollrechtserwerbs inne. 122 Es handelt sich bei diesem Warterecht um eine Art Anwartschaftsrecht, das der Treugeber nach gängiger Auffassung gerade nicht hat, weil er eben nicht gesichert ist. Hier werden also Ursache und Wirkung verkehrt. Für Fälle der Sicherungstreuhand wurde behauptet, der Sicherungsnehmer erhalte kein echtes Eigentum, sondern nur „Sicherungseigentum". Durch Gewohnheitsrecht sei nämlich ein neues dingliche Recht, ius in re aliena, entstanden. Das sei durchaus möglich, auch „in den Verwaltungsrechten des B G B [...] existieren dingliche, den numerus clausus des B G B durchbrechende Rechte". 123 Ein solches Recht soll jedoch als Gewohnheitsrecht nicht entstehen können, weil dies contra legem sei.124 Geiger, der Treuhand und Sicherungsübereignung, die nicht im Interesse des Treugebers stattfinde, unterschied,125 sah das Sicherungseigentum akzessorisch zur gesicherten Forderung. Das ergebe sich aus der Erwähnung des Sicherungseigentums neben Hypothek, Pfandrecht und Bürgschaft in § 18 VerglO und einer analogen Anwendung der Pfandrechtsregeln. Auch in anderen Fällen werde das Recht des Pfandes analog auf die Sicherungsübereignung angewendet. Damit habe der Sicherungsgeber immer eine Anwartschaft, die ihn zur Intervention bei der Einzelvollstreckung und zur Aussonderung gegen Zahlung der Schuld im Konkurs berechtige; sie könne allerdings vom Dritterwerber nach § 936 B G B wegerworben werden.126 Andere Autoren, 127 die ebenfalls in diesen Zusammenhang gehören, wollten den Zweck des Ubertragungsgeschäftes maßgeblich sein lassen, also eine Ausnahme vom Abstraktionsprinzip machen und
Hönsch, Stellvertretung, S. 48; Schless, Stellvertretung, S. 32. Siehe dazu § 1 2 IV. 122 Semeka GrünhutZ 36,911; Semeka AcP 35,112 ff.; wohlwollend auch Katzmann, sonderung, S.28. 123 Meier, Rechtsmacht, S. 106. 124 Kunisch, Stellung, S. 23. 125 Geiger, Fiducia, S. 42. 126 Geiger, Fiducia, S. 54 f. und 59 f. 127 Müller, Forderungspfandrecht, S. 36; Staub, H G B , § 368 H G B , Anm. 109. 120
121
Aus-
§ 5. Die Treuhand
im Konkurs
des Treuhänders
Teil 2
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kausales Eigentum schaffen. Staub128 meinte blumig, es mache sich hier „das zwischen Gläubiger und Schuldner begründete Treueverhältnis geltend." Hollensteiner sah ein „begrenztes dingliches Recht" beim Treugeber zurückbleiben. 129 Er argumentierte vom Bestehen des Aussonderungs- und Interventionsrechts her: Ein solches Recht müsse aufgrund der Ergebnisse der Rechtsprechung bestehen, anders ließen sich diese Ergebnisse nämlich nicht begründen. Dieses begrenzt dingliche Recht habe zwar nicht schon immer existiert, „es hat sich jedoch im Laufe der Zeit als solches entwickelt". 130 In den Motiven sage der Gesetzgeber zwar ausdrücklich, daß im Sachenrecht ein numerus clausus dinglicher Rechte herrsche, „die Beteiligten können nur solche Rechte begründen, deren Begründung das Gesetz zuläßt". 131 Hollensteiner wollte jedoch durch Rechtsentwicklung davon Abweichungen zulassen. Zudem verwies er auch auf das Verfolgungsrecht des Kommissionärs nach § 44 KO, das als ein persönliches Recht mit dinglicher Wirkung angesehen werde. 132 Der Treuhänder könne nach alldem nur Eigentum am Treugut übertragen, das mit einem dinglichen Recht des Treugebers belastet sei, es sei denn, dieses Recht werde gutgläubig wegerworben. 133
5. Überhöhung des treugeberischen
Rückforderungsanspruches
Der Treugeber hat bei der Vollrechtstreuhand lediglich einen obligatorischen Rückforderungsanspruch gegen den Treuhänder, der in Konkurs und Zwangsvollstreckung deshalb keine Grundlage für den Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Treugebers bietet. Schon früh hatte deshalb Kohler aus Billigkeitsgründen vertreten, diese Anspruch sei mit „quasidingliche Wirkung" ausgestattet.134 Dieser Auffassung schloß sich Emmerich135 an, der Anspruch sei mit dinglicher Wirkung auszustatten, wenn es die „obligatorische Interessenlage" verlange. Auch Kunisch wollte „auf Grund der Sondernatur des fiduciarischen Rechtsgeschäfts dem formell nur obligatorischen Grundgeschäft eine besondere Stärke" zusprechen. Das fiduziarische Geschäft habe „nahezu verdinglichte Wirkung". 136 Dadurch werde das volle Eigentum des Treuhänders zur Eigentumsberechtigung auf Zeit aus bestimmtem Rechtsgrund. In diese verdinglichte Abrede trete der
128 129
130 131
132 133 134
135 136
Staub, H G B , §368 H G B , Anm. 109. Ahnlich Fischbach, Treuhänder, S. IV. Hollensteiner, Treuhandeigentum, S 56. Mot. III, S.2. Hollensteiner, Treuhandeigentum, S. 58. Hollensteiner, Treuhandeigentum, S. 60. Siehe dazu oben § 4 III 2. Emmerich, Sanierung, S. 144 ff. Kunisch, Stellung, S. 31; Pick, Konkurs, S. 50.
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Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutschen
Treuhandrechts
Konkursverwalter im Konkurs ein und habe sie genauso wie der Gemeinschuldner zu erfüllen, also den Gegenstand zurückzuübertragen. 137 Gegen diese „Verdinglichung" des obligatorischen Rückforderungsanspruchs wurde eingewandt, obligatorische Ansprüche führten eben nur zur Aussonderung, wenn die Sache dem Gemeinschuldner nicht „gehört".138 Letztlich wird hier also von der dinglichen Wirkung auf den Charakter des Anspruchs geschlossen und nicht etwa die dingliche Wirkung begründet. Die Strategie der „Verdinglichung" obligatorischer Rechte wird uns noch begegnen.
6. „Dingliches
Verwaltungsrecht"
des
Treuhänders
Durch die Konstruktion neuer dinglicher Rechte läßt sich die Sicherung des Treugebers gegen den Zugriff von Treuhänder-Gläubigern also nicht widerspruchslos begründen. Nord nahm deshalb ein eigenes Verwaltungsrecht 139 des Treuhänders an. 140 Auch wenn die Parteien die Übertragung des Vollrechts zur treuen Hand vereinbart hätten, könne man dies im Wege der Auslegung als Einräumung eines Verwaltungsrechts deuten. 141 Es handle sich dabei um „Verwaltung kraft eigenen Verwaltungsrechts [...] zur Verfügung kraft eigenen Rechts, während das Recht selbst beim Treugeber verbleibt".142 Das Verwaltungsrecht sei der Rechtsposition des trustee vergleichbar. 143 Diese Konstruktion ermöglichte für Nord, daß das Eigentum beim Treugeber verbleibt, eine Lösung, die freilich bei Sicherungsfällen undurchführbar ist. Nord sah diese Fälle jedoch auch nicht als Treuhandgeschäfte an, weil der Sicherungsnehmer das Eigentum in eigenem Interesse empfangen habe. 144 Daß er die Sachen nicht vorzeitig verwerten dürfe und die Interessen des Sicherungsgebers schonen müsse, sei „eine Verpflichtung wie eine andere".145 Eine „eigentliche Treuhänderschaft" liege nur vor, „wenn jemand in die Lage versetzt worden ist und befugt worden ist, über den wirtschaftlichen Wert eines Gegenstandes im eigenen Namen zu verfügen, ohne daß ihm dieser wirtschaftliche Wert gehört und gebührt". 146 Man Kunisch, Stellung, S. 68 ff. Schumacher, Treuhand, S. 27. 139 Er kann auf die umfangreiche Vorarbeit Sihers JherJB 67, 81 ff. zurückgreifen, den er jedoch nicht anführt. Die Arbeit ist allerdings generell sehr arm an Belegen. Auch Gierke, DPrR II, S. 600 spricht von einem „sachenrechtlichen Herrschaftsrecht als begrenzt dinglichem Recht". 140 Positiv auch Ebbecke Gruchot 61, S.585; Heinemann Gruchot 70, S.496; Merkel JW 1930,1342. 141 Nord, Treuhänder, S. 39. 142 Nord, Treuhänder, S. 6 f. 143 Nord, Treuhänder, S. 31. 144 Nord, Treuhänder, S. 5. 145 Nord, Treuhänder, S. 6. 146 Nord, Treuhänder, S. 6. 137 138
§ i. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders
Teil 2
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übersehe den Unterschied zwischen Sicherungserwerb in eigenem Interesse und Treuhandberechtigung bislang zu Unrecht völlig. 147 Bei letzterem könne es keinen Vollrechtserwerb, sondern nur ein Verwaltungsrecht geben. Das werde am Todesfall des Treuhänders deutlich, denn es könne nicht sein, daß die Erben Treuhänder würden, sei doch die Treuhänderschaft als Amt an die Person geknüpft. 148 Gleiches gelte für einen möglichen Treuhänderwechsel unter Lebenden. „Das Vertrauen haftet an der Person". 149 Gesetzliches Vorbild für den Treuhänder sei der Testamentsvollstrecker, Vater, Vormund, Pfleger, Liquidator, Konkursverwalter, Nachlaßverwalter - es gebe keinen numerus clausus der Verwalter. 150 Ahnlich sei bei Forderungen die „Ermächtigung zur Geltendmachung" zu verstehen, die sich aus § 1282 B G B oder § 835 Z P O ergibt. Warum sollte die Bestellung eines „Testamentsvollstreckers unter Lebenden" nicht zugelassen werden. 151 Vor Nord hatten - im Anschluß an Schnitze - bereits einige andere Autoren 152 ähnliche Parallelen zu gesetzlichen Verwaltern gezogen. „Charakteristisch für all diese [gesetzlichen] Vermögensverwalter ist die Pflicht, das ihnen anvertraute Vermögen als Sondervermögen zu verwalten und darüber Rechenschaft abzulegen. Eine derartige Verwalterfigur tritt uns auch in dem durch Privatrechtsgeschäft bestellten Treuhänder entgegen".153 Weil der Treuhänder ein Sondervermögen verwalte, könne eben dieses Sondervermögen aus der Konkursmasse ausgesondert werden. 154 Um seine Auffassung plausibler zu machen, verwies Nord auf Ungereimtheiten in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung, die unbewußt in die gleiche Richtung tendiere. Einmal hatte das Gericht zur Begründung dafür, daß nach Veräußerung des Treugutes kein Aussonderungsrecht am Surrogat bestehe, ausgeführt, daß kein „Anspruch von dinglicher Art" mehr existiere. 155 Diese Formulierung sei dem Gericht wohl „unbewußt in die Feder geschlüpft". 156 In einem anderen Fall 157 sei ein Grundstück „auf die Ehefrau geschrieben" worden, die als Strohmann fungieren sollte; der Mann sei gleichwohl Eigentümer geworden.
Nord, Treuhänder, S. 15. Nord, Treuhänder, S. 19. 149 Nord, Treuhänder, S. 20. 150 Nord, Treuhänder, S. 31 f. 151 Nord, Treuhänder, S. 36. 152 Gerstle, Treuhandgeschäft, S. 133 ff. Vorläufer auch: Gieske DJZ 1926, 503; Jander 1913,471 ff.; Schmidt Gruchot 57,243 ff.; Schumann, Forderungsabtretung, S. 106; Skonietzky Gruchot 29, 216 ff. Nord folgend auch Geiger, Fiducia, S.44ff. De lege ferenda Friedmann, 3 6 . D J T I, S. 845. 153 Geiger, Fiducia, S. 44. 154 Geiger, Fiducia, S. 58; ähnlich Haff-, Institutionen I, S. 112 ff. 1 5 5 RGZ 94,307. 156 Nord, Treuhänder, S. 12. 157 RGJW1925,2573. 147 148
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Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutschen
Treuhandrechts
Schumacher158 lehnte diese Auffassung ab, weil der Verwalter nur Quasitreuhänder sei. Einen Treuhänder zeichne hingegen das Vollrecht aus. Ein Zirkelschluß. Radke159 wendete ein, Verwaltungsrechte könne man nicht rechtsgeschäftlich nach belieben begründen. Friedmann kritisierte, daß letztlich eine Mehrheit von dinglichen Rechtszuständigkeiten vorliege, eine Art quantitative Teilung, die nur in gesetzlich angeordneten Fällen existieren könne. 160 Hollensteiner wies darauf hin, daß Nords Verwaltungsrecht nicht ins Grundbuch eingetragen werden könne und deshalb für die Treuhand an Grundstücken untauglich sei. 161
VI. Die Lösung der Rechtsprechung: Formelles und materielles Eigentum 1. „ Materielle und wirtschaftliche
Vermögenszugehörigkeit"
Die Rechtsprechung schloß sich der Lehre von den fiduziarischen Geschäften an; sie unterschied zudem seit 1890 bei einzelnen fiduziarischen Geschäften formelles und materielles Eigentum am Treugut. Diese Unterscheidung war zuvor schon in der Literatur und auch bei den Beratungen zu § 35 (= 43) Konkursordnung 162 angeklungen. So behauptete das Gericht bei einem Fall der Vollübertragung zu Inkassozwecken, die streitgegenständlichen Forderungen sollten nicht „wirklich" übertragen werden. Wie bei der „fiducia des älteren römischen Rechts" solle der Treuhänder nur formell, nicht materiell Forderungsinhaber werden. 163 Das formelle Eigentum habe lediglich den Zweck, den Treuhänder zu sämtlichen Verfügungen über das Treugut zu legitimieren, während das materielle Eigentum, basierend auf der Vermögenslage, beim Treugeber verbleibe. Dieses Eigentum solle im Konfliktfall das schwerwiegendere sein. 164 Diese, allerdings lediglich ausweislich der Materialien zu §35 (= 43) KO zulässige Aussonderung von zu Inkassozwecken abgetretenen Forderungen dehnte das Gericht nach und nach auf ähnliche Fälle aus. Zwei Jahre später hat das Reichsgericht die Pfändung solcher treuhänderisch übertragenen Forderungen für unzulässig erklärt, 165 1899 dehnte es in einer Entschei-
158 159 160 161 162 163 164 165
Schumacher, Treuhand, S. 18. Radke, Unmittelbarkeitsproblem, S. 24. Friedmann, 36. DJT I, S. 830 f. Hollensteiner, Treuhandeigentum, S. 43. Siehe dazu oben § 4 II 2. RG SeuffA 46,144. Dazu auch Katzmann, Aussonderung, S. 22. RGGruchot37,119.
§ 5. Die Treuband
im Konkurs des Treuhänders
Teil 2
85
dung 166 bezüglich zur Sicherheit übereigneter Grundstücksanteile das Aussonderungsrecht des Treugebers auf sämtliche fiduziarische Geschäfte aus und gewährte bald auch im Parallelfall der Einzelvollstreckung jeweils die Klage aus § 771 ZPO: 1 6 7 „Man pflegt für solche Fälle zu sagen, es bestehe nur nach außen eine Berechtigung, nicht auch nach innen". 168 In der Tat kann die Stellung des Treugebers gegenüber Gläubigern des Treuhänders für Einzel- und Gesamtvollstreckung nur einheitlich beantwortet werden. 169 Zur Stützung seiner Auffassung bemühte das Gericht wirtschaftliche Argumente: Der Treuhänder solle durch das Treugut keinen Vermögenszuwachs erhalten, also könnten auch dessen Gläubigern die nur vorübergehende Inhaberschaft des Treuhänders am Treugut nicht zugute kommen. Dies sei im Konkursrecht vielmehr nur dann der Fall, wenn der Gemeinschuldner nicht nur formal, sondern auch wirtschaftlich Eigentümer geworden sei. 170 Bei der Treuhand sei das Treugut wirtschaftlich dem Treugeber zuzurechnen. So die „unerschütterliche Praxis des Reichsgerichts", 171 die sich schnell im Sinne einer ständigen Rechtsprechung festsetzt, die später auch der Bundesgerichtshof übernehmen wird. 172 Diese wirtschaftlichen Erwägungen verortete das Gericht in § 35 (= 43) KO. Wem etwa nach § 43 KO „gehört", bemesse sich nicht nach der „formellen" Eigentumslage, sondern der „materiellen und wirtschaftlichen Vermögenszugehörigkeit". 173 Die Materialien zu § 35 (= 43) KO174 gäben diese Form der Auslegung vor.
2. Kritik In der Literatur wurde dieser Standpunkt unter verschiedenen Gesichtspunkten kritisiert. Dungs175 stellte schon 1888 im Hinblick auf ein Aussonderungsrecht bei fiduziarischen Geschäften zu den Materialien zu § 35 KO fest: „Gesetzesrecht läßt sich daraus nicht gewinnen" - man könne damit Zweifel an der Gesetzesfassung ausräumen, nicht aber Lücken beseitigen. Dungs wendete sich also gegen die nach seiner Auffassung methodologisch verfehlte Gleichsetzung des Gesetzestexts mit Auffassungen des Gesetzgebers, die in diesem Text keinerlei Ausdruck gefunden haben. Jedenfalls, so merkte ein anderer Kritiker an, könnten die Erwägungen der Kommission zu § 35 KO nicht die Ausweitung des Aus166 167 168 169 170 171 172 173 174 175
RGZ45,80 ff. RGZ 79,121; RGZ 84,215 RGZ 79,121. Schless, Stellvertretung, S. 67. RGZ 45, 84. P f e f f e r , Miteigentum, S. 57. Vgl. BGHZ 11,37. RGZ 91,14. RGZ 45, 85. Dungs Gruchot 32,12.
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Teil 1: Die Entstehung des modernen deutschen
Treuhandrechts
sonderungsrechts von Fällen der Inkassotreuhand auch auf Sicherungsfälle tragen. 176 Vor allem aber stieß die Unterscheidung in formelles und materielles Eigentum zum Teil auf scharfe Kritik. Es bestehe nur ein einheitliches, unspaltbares Eigentum. Sehe man das anders, dann könne man gleich andere, im BGB nicht vorgesehene Eigentumsformen wie das relative Eigentum 177 anerkennen. 178 Das Recht des Treuhänders könne nicht quer durchgeschnitten werden. 179 Biermann meinte süffisant: „In Rechtsfragen gibt es doch wohl kein anderes Eigentum als das juristische". 180 Eine volkswirtschaftliche Umdeutung eines juristischen Terminus („gehören" in § 43 KO) wird also abgelehnt. 181 Haemmerle vermutete, für die Teilung in formelles und materielles Eigentum habe der Trust mit dem legal ownership des trustee und dem ownership in equity des beneficiary Pate gestanden, dessen Übertragung in das deutsche Recht freilich scheitern müsse, weil der deutschen Rechtsordnung dieser Dualismus fremd sei. 182 Interessant ist bei Lektüre der einschlägigen Entscheidungen, daß das Reichsgericht zum Teil von einer Bevollmächtigung „im Gewände des Eigenrechts" spricht und auf diese Weise entsprechende Verbindungen zwischen Vollmacht und Treuhand nahelegt. 183 Man könnte meinen, die Vollmacht werde quasi „bis zu einem formellen Eigentum verstärkt". 184 Das wiederum lege nahe, daß das „echte" Eigentum beim Treugeber verbleibe.
3. Das
Unmittelbarkeitskriterium
In einem Urteil aus dem Jahre 1914 schränkte das Reichsgericht 185 im Vergleich zu seiner bisherigen Rechtsprechung 186 das Aussonderungsrecht ein und mit dem Aussonderungsrecht auch seine Definition der Treuhand. Entscheidend komme es auf das Kriterium des „Anvertrauens zu treuen Händen" an. Eben durch das Anvertrauen scheide das Treugut rechtlich, nicht aber wirtschaftlich aus dem Vermögen des Treugebers aus. „Der Begriff des Treuhandverhältnisses würde aber völlig ins Ungewisse zerfließen, wenn man [...] ein solches Verhält176 Eichhorn, Übereignung, S. 48 f. Das Zitat sei deshalb aus dem Zusammenhang gerissen und könne nur deshalb Anlaß zur Verallgemeinerung geben. 177 Siehe dazu § 5 V. 178 Schumacher, Treuhand, S.28. 179 Schultze JherJB 43, 30; dem folgend Goltz, Rechtsgeschäft, S.28; Hollensteiner, Treuhandeigentum, S.40; Kaul, Rechtsgeschäft, S. 18. 180 Biermann, BR, S.236, Fn. 11. 181 Radke, Unmittelbarkeitsproblem, S. 30 f. 182 Haemmerle, 36. DJTI, S. 641 und 682. 183 RGZ 54, S. 85. 184 Kunisch, Stellung, S. 21. 185 RGZ 84,214 ff. 186 Vgl. nur RGZ 45, 80 ff.; RGZ 79,121 ff.
§ i. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders Teil 2
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nis überall schon da als vorhanden ansehen wollte, wo jemand im Auftrag eines anderen für dessen Rechnung, aber mit eigenem Namen handelt.". 187 Diese Haltung, die zur ständigen Rechtsprechung 188 wird, bestätigte das Gericht in einem Urteil aus dem gleichen Jahr, es sei „ein Rechtsgeschäft erforderlich, durch das der [...] Treugeber dem [...] Treuhänder einen Gegenstand rechtlich übereignet". 189 Pate für dieses Erfordernis könnte Schultze gestanden haben. 190 Das Gericht definierte also die Treuhand letztlich vom Aussonderungsrecht her, denn nur bei unmittelbarer Übertragung des Treuguts vom Treugeber auf den Treuhänder träfen die besprochenen wirtschaftlichen Erwägungen zu - das „Unmittelbarkeitsprinzip" 191 entsteht. Ziel dieser Beschränkung war eine Abgrenzung zur indirekten oder mittelbaren Stellvertretung. Es sei „zu verneinen, daß das rein obligatorische Rechtsverhältnis zwischen Auftraggeber und Beauftragtem, bei dem der letztere in verdeckter Stellvertretung einen Vermögensgegenstand für den ersteren erwirbt und besitzt, einem Treuhänderverhältnisse gleichzustellen wäre". 192 Das schloß für die Rechtsprechung auch eine Surrogation im Treugut aus, denn „keineswegs läßt sich etwa der bei der Veräußerung [...] erzielte Erlös als ein [...] fiduziarischer Erwerb auffassen". 193 Ohne Offenkundigkeit für den Geschäftspartner, § 164 Abs. 1 BGB, solle kein Handeln mit direkter Wirkung für den Hintermann gestattet sein. Dieser Grundsatz würde aber verletzt, wenn ein mittelbarer Stellvertreter auf Rechnung seines Geschäftsherrn „verborgen" ein Recht erwerben könne, das jedenfalls im Konkurs und bei der Zwangsvollstreckung zum Vermögen des Geschäftsherrn zu rechnen wäre, ihm im Sinne des § 43 KO „gehöre". Bei Durchsicht der Rechtsprechung nach 1914 ist festzustellen, daß das Reichsgericht auch in anderen Entscheidungen, die nicht solche Unmittelbarkeitsfälle betreffen, trotzdem immer wieder die Begriffe „Treuhand" oder „Treuhänder" verwendet hat. Das sind Fälle 194 ohne Vollrechtsübertragung, in denen Treuhänder also nur durch eine Ermächtigung oder Vollmacht für den Treugeber handelt, also nicht etwa in eigenem Namen kraft eigener dinglicher Rechtsposition, und Fälle 195 , in denen der Treuhänder bestimmte RechtsposiRGZ 84,217f. Sie findet sich beispielsweise wieder in RGZ 91,16; RGZ 94,308; RGZ 99,29; RGZ 99, 158; RGZ 118, 332. 189 RG LZ 1915,1023; siehe auch RG J W 1928,1653; RG J W 1928,2446. 190 Dazu oben §4 IV und V. 191 Ausdruck wohl erstmals bei Friedmann, 36. DJTI, S. 862. 192 R G J W 1925,1762. 193 RGZ 94,307. 194 RGZ 72,116: Einräumung eines Verwaltungsrechts; RGZ 89,131: Erteilung einer Veräußerungsermächtigung; RGZ 120,334: Mittelbare Stellvertretung; R G J W 1929,1968: Erteilung einer Generalvollmacht 195 RGZ 79,121 ff.: Bestellung einer Hypothek durch den Schuldner an den treuhänderischen Forderungsgläubiger; RGZ 99,158: Veräußerung von Treugut und Erwerb von Ersatzstücken durch den Treuhänder von Dritten; RGZ 117,149; RGZ 117,374. 187 188
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Teil 1: Die Entstehung des modernen
deutseben
Treuhandrechts
tionen von Dritten erwirbt. Dem Reichsgericht gelang es also zunächst nicht, sich an die selbstgeschaffene neue Diktion zu halten, was nicht unbedingt für die Überzeugungskraft der Abgrenzung spricht. Etwas mehr Klarheit kam in die Rechtsprechung am Ende der zwanziger Jahre, als das Reichsgericht zwischen einem „eigentlichen Treuhandverhältnis im Rechtssinn" und einer „nicht typischen" Treuhand oder „Treuhand im weiteren Sinn" unterschied. Nur ersteres räume im Konkurs des Treuhänders dem Treugeber ein Aussonderungsrecht
4. Zustimmung in der Literatur Die Abgrenzung der Rechtsprechung erfreute sich auch in der Literatur 197 einer gewissen Beliebtheit und wurde zum Teil kritiklos eigenen Erörterungen zugrundegelegt.198 Man versuchte sie mit den Wesensmerkmalen der abzugrenzenden Konstellationen zu rechtfertigen. Cohnm meinte, die Treuhand bedeute ein „Haben und Sein", die mittelbare Stellvertretung ein „Handeln und Werden"; zum Teil wurde einfach festgestellt, der mittelbare Stellvertreter müsse nicht zwingend Eigentümer sein, also könne er kein Treuhänder sein. 200 Friedmann kritisierte den „Einbau der stillen (mittelbaren, indirekten) Stellvertretung auf dem Gebiete der Treuhandschaft" als „phantastischen Turmbau zu Babel". 201 Radke, der eingehendere Erörterungen lieferte, ist der Auffassung, das Treugut sei mit dem Vermögen des Treugebers „eng verknüpft", die Konkursmasse dürfe nicht auf Kosten des Treugebers ohne Gegenleistung bereichert werden, deshalb bestehe ein Aussonderungsrecht. Inzwischen sei dies Gewohnheitsrecht. 202 Von diesem gesicherten Kern des Aussonderungsrechts und damit der Treuhand aus sei zu untersuchen, in welchen Fällen noch von Treuhand gesprochen werden könne. Entscheidend für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses sei „die durch die unmittelbare Übereignung hervorgerufene Verknüpfung des Treugutes mit dem Vermögen des Treugebers".203 Die äußerste Grenze der Ausweitung des Treuhandbegriffes bilde das Interesse der GläubiR G J W 1926,2571 und vor allem RG L Z 1928, 889. Vgl. etwa Planck/Flad, B G B , vor § 1 6 4 Anm. lb; Friedmann, 3 6 . D J T I, S. 856; Haemmerle, 3 6 . D J T I, S.669f.; Lehmann, B G B AT, § 3 6 I; Enneccerus/Nipperdey, BGB, § 139 II; Oertmann, B G B , vor § 164 B G B Anm. 8; Staudingerl Rietzler, B G B , vor § 164 Anm. 5b; Siebert, Treuhandverhältnis, S. 107, Fn. 17, weist zu Recht darauf hin, daß sowohl das Reichsgericht als auch die Literatur dies ausdrücklich in der Regel nur für den üblichen Fall der fiduziarischen Treuhand postulieren. 1 9 8 Vgl z.B. Müller, Treuhandvergleich, S. 108. 199 Cohn, Handeln, S. 32. 200 Hönsch, Stellvertretung, S. 55 f. 201 Friedmann, 3 6 . D J T I , S. 856. 202 Radke, Unmittelbarkeitsproblem, S. 35. 203 Radke, Unmittelbarkeitsproblem, S. 40. 196 197
§ 5. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders Teil 2
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ger, die zwar wohl durch die Treuhand nicht zu Unrecht bereichert, aber auch nicht geschädigt werden dürften. 204 Radke spielte hier also auf das Gleichbehandlungsinteresse der Gläubiger an. Radke knüpfte zudem an das - inzwischen aufgegebene - bereicherungsrechtliche Unmittelbarkeitskriterium an, nach dem Be- und Entreicherung auf ein und demselben Umstand beruhen müßten. Eine solche Verknüpfung bestehe auch in dem vom Reichsgericht205 entschiedenen Fall von Anweisung zur Verkürzung der Zahlungswege. Dort fänden sich zutreffende Hinweise auf die identische Behandlung der Einziehungsfälle, also Abtretung einer Forderung zur Einziehung und den Erlös als Treugut. Mit einigen Kunstgriffen faßte er auch den Giroverkehr unter die unmittelbare Vermögensverschiebung.206 Soweit das im Innenverhältnis entsprechend vereinbart sei, fielen auch Früchte und Erzeugnisse in das aussonderungsfähige Treugut, freilich nicht etwa bei der Pacht.207 Ganz anders sei das bei mittelbarer Stellvertretung, auch wenn von vorneherein etwa Geld zum Erwerb des ganzen anvertraut worden war. Hier fehle es an jener Verknüpfung.208 Im übrigen werde hier nicht mehr ein neutraler Dritter, sondern ein Dritter, der Gläubiger des Treuhänders ist, berührt, der im Konkursfall nicht einmal mehr seine eigene Ware pfänden könnte, wenn dem Geschäftsherrn ein Aussonderungsrecht zustehe. Außerdem lade diese Figur zu Mißbrauch ein. Radke hegt deshalb letztlich Mißtrauen gegen die ganze Figur der mittelbaren Stellvertretung.209 Radke unterschied bei der Bestimmung des Treuguts anschließend engere und weitere Surrogation. Von engerer Surrogation spreche man, wenn „aufgrund eines bestehenden Rechtes oder einer Beschädigung ein Gegenstand in das Sondervermögen gelangt",210 wenn dieser Erwerb also nicht auf dem Willen des Rechtsinhabers beruhe. Diese Surrogation sei häufig im BGB angeordnet und über gesetzliche Regelungen hinaus ein allgemeines Prinzip, wie sich schon aus den erörterten Anweisungs- und Einziehungsfällen ergebe. Die weite Surrogation oder Surrogation kraft Rechtsgeschäfts sei selten vorgesehen und nicht verallgemeinerungsfähig. Darunter fielen aber nun Fälle mittelbarer Stellvertretung. Damit ließ Radke im Gegensatz zum Reichsgericht immerhin eine Surrogation des Treuguts auf niedrigster Surrogationsstufe zu. Jaeger/Lent waren der Auffassung, man müsse dieses regelwidrige Aussonderungsrecht streng auslegen, ansonsten komme es zu einer „Verhängnisvollen Verflüchtigung des Aussonderungsgrundsatzes" und es entstehe ein „unlösba204 205 206 207 208 209 210
Radke, Unmittelbarkeitsproblem, RG Warn 1921 Nr. 130. Radke, Unmittelbarkeitsproblem, Radke, Unmittelbarkeitsproblem, Radke, Unmittelbarkeitsproblem, Radke, Unmittelbarkeitsproblem, Radke, Unmittelbarkeitsproblem,
S. 41 ff. S. 59 f. S. 60 f. S. 47. S. 50. S. 56.
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deutschen
Treuhandrechts
rer Widerstreit mit dem § 392 II HGB". 2 1 1 Auch Friedmann212 verwies auf § 392 Abs. 2 H G B und die Erwägungen, die zu der Norm geführt haben. Beim Kommissionär wisse jeder, daß er fremde Sachen besitze, eine Kredit- und Verkehrstäuschung sei deshalb nicht zu befürchten, der Sonderzweck der Norm sei nur im Hinblick auf das beim Kommissionär gegebene Publizitätsmoment gegeben. In den anderen Fällen sei nichts publik, so daß „beispiellose Rechtsunsicherheit" entstehe, weil im Konkurs dann plötzlich „nachträglich konstruierte Treueverhältnisse" hervorgeholt würden. Haemmerle213 entdeckte die „bedeutsame Tatsache [...] daß die Richtung, aus der der Treuhänder seine Rechte empfängt, immer dieselbe ist". Sie kämen ihm immer vom Besteller zu, bei mittelbarer Stellvertretung habe das Reichsgericht die Aussonderung deshalb zu Recht abgelehnt - ein klassischer Zirkelschluß.
5. Kritik Andere Autoren 214 kritisierten die „unerschütterliche Praxis des Reichsgerichts" 215 dagegen heftig, weil sich keine einschneidende Unterscheidung zwischen unmittelbarem Erwerb vom Treugeber und Erwerb vom Dritten rechtfertige. In beiden Fällen (Direkterwerb, Dritterwerb) bestehe im Vermögen des Treugebers ein schuldrechtlicher Anspruch. 216 Selbst wenn man es für zulässig halte, in § 43 KO wirtschaftlich zu argumentieren, sei völlig unklar, was der Ubertragungsweg mit der wirtschaftlichen Güterzuordnung zu tun habe. 217 Die Trennung von Treuhand und mittelbarer Stellvertretung sei ein purer „Verzweiflungsakt". 218 In der Forschung wurden „Mittelbare Stellvertretung und Treuhand" 219 immer wieder zusammengebracht. Scbless etwa hielt jeden für einen Treuhänder, dem für fremde Rechnung Rechte zustehen, 220 also auch den mittelbare Stellvertreter. Die Unterscheidung des Reichsgerichts konnte er schon deshalb nicht akzeptieren. Außerdem verwies er auf Probleme des moder-
Jaeger/Lent, KO, §43 K O Anm. 41. Friedmann, 36. DJT, S. 892. 213 Haemmerle, 36. DJT, S. 668 f. 214 Nord J W 1 9 2 9 , 6 4 5 , und Nußbaum J W 1 9 2 8 , 6 2 7 kritisieren die Rechtsprechung in Entscheidungsanmerkungen; siehe außerdem Hollensteiner, Treuhandeigentum, S. 31 f.; Kunisch, Stellung, S.20ff.; Nord, Recht, S.27; Roth, Trust, S.294, Fn.23a; Schless, Stellvertretung, S.47ff.; Siebert, Treuhandverhältnis, S. 108 ff.; Schöny, Treuhandgeschäfte, S.71; Weber, Durchgangserwerb, S. 45 ff. 211 212
215 216 217 218 219 220
Pfeffer> Miteigentum, S. 57.
Katzmann, Aussonderung, S. 36. Eichhhorn, Ubereignung, S. 49 f. Fuchs, Treuhand, S. 19. So der Titel der Monographien von Hönsch und Schless; genauso auch bei Siebert. Schless, Stellvertretung, S. 43.
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nen Zahlungsverkehrs.221 Hollensteiner222 vermutete nicht zu Unrecht, daß neben der Abgrenzung zur mittelbaren Stellvertretung weiter auch der Umstand eine Rolle spiele, daß das Modell mit formellem und materiellem Eigentum nur bei direkten Übertragungen vom Treugeber an den Treuhänder denkbar sei, weil beim Dritterwerb des Treuhänders keine Rechtsposition beim Treugeber „zurückbleiben" könne.
VII. Lösungsmodelle auf Grundlage einer nicht-dinglicher Treugeberposition
1. Ermächtigungstreuhand Ludewig sah die Möglichkeit, die Treuhand in der Weise auszugestalten, daß der Treugeber Inhaber aller dinglichen Rechtspositionen bleibe und den Treuhänder lediglich mit einer Ermächtigung zur Verfügung über das Treugut ausstatte.223 Der Treuhänder erhalte die „Macht, im eigenen Namen auf einen fremden Rechtskreis durch Rechtsgeschäft einzuwirken",224 im Gegensatz zur indirekten Stellvertretung, wo nur für fremde Rechnung, wohl aber mit Rechtswirkung allein für und gegen den „Stellvertreter" gehandelt werde.225 Diese Macht sei „in die getreue Hand des Ermächtigten gelegt".226 Der ermächtigte Treuhänder „übt eine fremde Rechtsmacht in eigenem Namen aus. Zugleich übt er aber auch ein eigenes Recht, nämlich die ihm verschaffte Ausübungsberechtigung im eigenen Namen aus".227 Ludewig schlug auf diese Weise den Bogen zur traditionellen Sichtweise der Treuhand, bei der der Treuhänder ein „Eigenrecht" erhält. Ludewig betrat mit seiner Ermächtigungslehre kein Neuland, er erschloß die Ermächtigung jedoch erstmals systematisch. Bereits Ihering228 hatte sie der Vollmacht gegenübergestellt. Bei Ludewig geschah also keine Vervielfältigung des dinglichen Rechts, 229 „die Mehrheit ergibt sich hier aus der Vervielfältigung der Ausübungsmöglichkeit".230 Treugeber wie Treuhänder seien gleichermaßen verfügungsbefugt über das Treugut, der eine kraft Rechtsinhaberschaft, der anSchless, Stellvertretung, S. 48 f. Hollensteiner, Treuhandeigentum, S. 40. 223 Ludewig, Die Ermächtigung nach bürgerlichem Recht (1922); siehe auch Enneccerus, B G B I, § 175; Oertmann, B G B , § 185 Anm. 3; Wolff, SachenR, § 4 6 VI, Fn. 23. 224 Ludewig, Ermächtigung, S. 2. 225 Ludewig, Ermächtigung, S. 57 f. 226 Ludewig, Ermächtigung, S. 6. 227 Ludewig, Ermächtigung, S. 35 f. und 43. 2 2 8 /¿eWrcg JherJB 2,131 ff. 2 2 9 Es handelt sich also um kein dingliches Verwaltungsrecht, Ludewig, Ermächtigung, S.38f. 230 Friedmann, 36. D J T I, S. 842. 221 222
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dere kraft Ermächtigung, deren konstruktiver Angelpunkt in der Einwilligung nach § 185 BGB liege.231 Das geltende Recht lasse umfassend eine Überlassung der Ausübung eines Rechts ohne Rechtsübertragung zu, wie Ludewig anhand zahlreicher Normen nachweist. Auch Hirsch232 war der Auffassung, daß der Dritte das Recht genau wie der Berechtigte ausüben könne, nachdem es ihm „zur Rechtsausübung überlassen wurde". Der Unterschied zur Vollmacht sei nur, daß bei dieser die Ausübung des Verwaltungsrechts in fremdem Namen stattfinde. 233 Beides sei Überlassung der Rechtsausübung. „Ermächtigung wie Bevollmächtigung verleihen jemandem eine Macht, kraft deren dieser auf den Rechtskreis des Geschäftsherrn einwirken kann.". 234 Es handle sich um eine „höhere Form im Gange der Entwicklung der deutschrechtlichen Treuhand", 235 die alle Treuhandprobleme lösen soll. Das Reichsgericht 236 hielt diese Gestaltung der Treuhand für zulässig und sprach von der „Legitimation zur Ausübung fremder Rechte". 237 Kritisch äußerte sich hingegen Wolff, der die Ermächtigung nach § 185 BGB f ü r unbeschränkbar und deshalb für ungeeignet hielt. 238 Haemmerle lehnte die Figur auf sehr formale Art ebenfalls ab, weil die Treuhand auf diese Weise zur Vollmacht werde. 239 Podkomorski240 hielt die Ermächtigung für Fälle der Inkassogeschäfte ungeeignet, weil der Schuldner zwar an den Ermächtigten mit befreiender Wirkung leisten könne, aber nicht müsse. Die Ermächtigung gebe nämlich kein „Einklagerecht". 241 Wesentlich problematischer ist allerdings, worauf etwa Heinemann242 hinwies, daß der Treugeber die Ausübungsmacht mit Hilfe der Ermächtigung nur dupliziere 243 , sie nicht unter Aufgabe der eigenen Fähigkeit überträgt. 244 Deshalb ist diese Konstruktion in der Tat ungeeignet f ü r Sicherungsfälle. 245 N u r kraft Gesetzes, etwa beim Konkursverwalter oder Testa231 Ludewig, Ermächtigung, S. 30 und 75. Wenn § 185 BGB der Ausgangspunkt ist, dann heißt das auch, daß nur Verfügungen mit Wirkung gegen den Ermächtigenden laufen können, der Erwerb von Gegenständen aber nicht mit Wirkung für den Ermächtigenden funktioniert. 232 Hirsch Übertragung, S. 170 ff. 233 Hirsch, Überlassung, S. 187; Ludewig, Ermächtigung, S. 39. 234 Ludewig, Ermächtigung, S. 55. 235 Ludewig, Ermächtigung, S. 42. 236 RGZ 73,306; RGZ 78, 87; RGZ 94,137 RGZ 117,72; RGZ 118,330; 237 RGZ 117,72. 238 Wolff, SachenR, § 163, Fn. 14; auch Leonhard, SchR AT, § 345. 239 Haemmerle, 36. D J T I , S. 690. 240 Podkomorski, Rechtsnatur, S. 12 f. 241 Podkomorski, Rechtsnatur, S. 23. 242 Heinemann ]her]H 81, 376 ff. 243 Ludewig, Ermächtigung, S.36; deswegen hält Seidel, Sicherungsübereignung, S.4, diese Lösung freilich für ungeeignet. 244 Ludewig, Ermächtigung, S. 5 ist klar, daß selbst die unwiderrufliche Ermächtigung vom Rechtsinhaber durch eigene Verfügung vereitelt werden kann. 245 Ludewig, Ermächtigung, S. 10.
§ 5. Die Treuhand
im Konkurs
des Treuhänders
Teil 2
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mentsvollstrecker könne die Ermächtigung zur Verfügung über fremde Rechte unter Ausschluß des Rechtsinhabers gewährt werden. Das sah Ludewig selbst, er verwies insoweit zu Recht auf § 137 BGB, 246 doch für ihn war dieser Einwand deshalb nicht stichhaltig, weil er die Sicherungsfälle nicht als Treuhand sah, „da es dann an dem wesentlichen Erfordernis fehlt, daß der Treuhänder (mindestens teilweise) in fremden Interesse tätig sein soll". 247 Zudem sah Ludewig - anders als viele Zeitgenossen - seine Lösung nicht als Modell für „die" Treuhand, sondern lediglich als eine von mehreren Gestaltungsmöglichkeiten an. „Sehr oft wurde [...] der Fehler gemacht, daß man [...] eine allgemein gültige einheitliche Konstruktion suchte. Man erkannte nicht, daß die Parteien verschiedene Möglichkeiten zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Zweckes haben." 248 Ludewig schlug damit einen neuen Weg ein, den später auch Siebert in seiner großen Monographie gehen wird. 249
2.
Formallegitimation
Ahnlich wie Ludewig hatte zuvor bereits Heymann250 mit seiner Lehre von der „Formallegitimation" gearbeitet. Der Treugeber behalte das dingliche Recht am Treugut und „gibt dem Treuhänder lediglich die zur Vornahme der vertraglich vorgesehenen Treuhandgeschäfte nötige Formallegitimation". 251 Also die Legitimation zur Geltendmachung des Rechts im eigenen Namen und Ubergabe etwa des Wechsels. Heymann252 versuchte anders als Ludewig jedoch auch für Sicherungsfälle einen gangbaren Weg aufzuzeigen, indem er die Legitimationsübertragung unwiderruflich und in der Weise, daß der Rechtsinhaber nicht mehr verfügen dürfe, ausgestaltet. Mit diesem Modell stieß er auf Kritik, weil die Legitimationsübertragung mit Ausschlußwirkung gegen § 137 BGB verstoße; Heymann mache im Vergleich zum Verfügungsverbot mit dinglicher Wirkung nur einen terminologischen Unterschied. 253 Staub, der wahrscheinlich der Begründer der „Legitimationstheorie" ist, die er in seinem Kommentar zur Wechselordnung entwickelt hat und die sich letztlich nur im wertpapierrechtlichen Bereich entfalten kann, weil hier durch das Papier dem Treuhänder eine Legitimation verschafft werden kann, illustrierte die Lehre folgendermaßen: „Der Indossatar erscheint als Eigentümer, der In246 247 248 249 250 251 252 253
Ludewig, Ermächtigung, S. 70 f. Ludewig, Ermächtigung, S. 42. Ludewig, Ermächtigung, S. 12 f., siehe auch S. 104 f. Siehe dazu unten § 5 VIII. Heymann, FS Brunner, S.524f. Roth, Trust, S. 293. Heymann DJZ 1912,1509 Seidel, Sicherungsübereignung, S. 4; kritisch auch Marek DJZ 1913, 343.
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Teil 1: Die Entstehung des modernen
deutschen
Treuhandrechts
dossant ist es." 2 5 4 Und: „Nach außen ist [der Indossatar] ein in eigenem Namen auftretender Mandatar. Er erscheint als Eigentümer, ist es aber nicht.". 2 5 5 Schöninger bezeichnete diese Lehre als „Erteilung einer Vollmacht im Gewände des Eigenrechts". 256 Es handle sich nämlich um eine rein formelle Legitimation, ohne daß ein materieller Eigentumswechsel eintrete. Der Treuhänder erlange zwar Eigentum an der Wechselurkunde, werde aber nicht Gläubiger der Wechselforderung. 257 Bing kritisierte, mit dieser Konstruktion werde damit die dingliche Wirkung von der causa abhängig gemacht, sogar durch die causa beseitigt: Obwohl eine Rechtsübertragung stattfinde, solle „nur noch das Gerippe leerer Legitimation bestehen" bleiben. 2 5 8 Das sei mit den Grundbegriffen des Eigentums unvereinbar. Zudem hat sich spätestens in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts die Auffassung 259 durchgesetzt, daß eine Spaltung von Wechselgläubigerschaft und Eigentum am Wechsel nicht möglich sei. Die Papiere werden im B G B wie beweglich Sachen behandelt, vgl. §§1293, 1068 Abs. 2, 1081 Abs. 2, 1032,935 Abs. 2 B G B , das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier. Eine Legitimation ist also nur durch reine Besitzübergabe zum Beispiel einer Aktie denkbar - und damit freilich zum Beispiel auch durch Übergabe eines beweglichen Gegenstandes, denn dadurch wird der Schein der Rechtsinhaberschaft erzeugt.
3. Vollmachtstreuhand Rhode260 hielt schließlich eine Vollmachtstreuhand für möglich; auch Wienstein261 und Wendt262 schienen den Treuhänder materiellrechtlich für einen Vertreter, prozeßrechtlich für eine Art Prozeßstandschafter zu halten. Wendt sagte jedenfalls, daß Treuhand „keine Rechtsabtretung, sondern eine Vollmachtserteilung im Gewände der Abtretung" sei.
Staub, WO, Art. 17 § 9. Staub, WO, Art. 17 § 10. 256 Schöninger AcP 96,303; genauso Wieland, Wechsel, S. 303. 257 Wieland, Wechsel, S. 297 ff.; ihm weitgehend folgend Gunz, Vollgiro, S. 203 ff. 258 Bing, Rechtsgeschäfte, S. 22. 2 5 9 Vgl. Canstein, Wechselrecht, S.232; Gierke, DPrR II, § 108 V; Goldschmidt Z H R 28, 67 ff.; Podkomorski, Rechtsnatur, S. 30. 260 Rhode, Person, S. 91. 261 Wienstein Gruchot 46, 241 ff.; Wienstein Gruchot 48, 485 ff.; Wienstein DJZ 1905, 883. 262 Wendt AcP 100,279 ff. 254 255
§ 5. Die Treuband
im Konkurs des Treuhänders
Teil 2
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VIII. Zusammenfassung: Konsolidierung des Meinungsbildes durch Siebert Die Habilitationsschrift Sieberts aus dem Jahre 1933, die gemeinhin als Standardwerk des Treuhandrechts angesehen wird, 263 bildet einen gewissen Abschluß dieser intensiven und meinungsreichen Debatte und prägt das Treuhandrecht bis heute. Siebert sichtete das Material und war um Konsolidierung bemüht, obschon es ihm ausweislich seines Literaturverzeichnisses nicht gelungen ist, das umfangreiche Schrifttum auch nur annähernd vollständig auszuwerten. Nach Siebert nahm die Anzahl von Monographien zum Treuhandrecht sprunghaft ab und die wenigen bis zum Krieg noch erscheinenden Arbeiten legten Sieberts Ergebnisse zugrunde. Die Ergebnisse Sieberts wurden also, soweit sie nicht ohnehin die Rechtsprechung und überwiegende Literaturauffassung stützen, schnell zur „herrschenden Meinung" und sind dies vielfach bis in die Gegenwart geblieben.
1. Sieberts
Ausgangshypothesen
Siebert will zu einem „selbständigen Nebeneinander verschiedener Formen" 264 gelangen und erstrebt die „elastische Anpassung der Rechtsstellung des Treuhänders an seine verschiednen Aufgaben". 265 Er beginnt seine Untersuchung mit einer Arbeitsdefinition des Treuhänders: „Unter einem rechtsgeschäftlich bestellten Treuhänder versteht man heute im rechtswissenschaftlichen Schrifttum und der Rechtsprechung ziemlich allgemein eine natürliche oder juristische Person, die von einem anderen (oder für einen anderen) Vermögensrechte zu eigenem Recht erworben hat, diese Rechte aber nicht, oder wenigstens nicht ausschließlich in eigenem Interesse ausüben soll.". 266 Beachtlich an dieser Definition ist, daß sie nicht das „unmittelbare Anvertrautsein" im Sinne der reichsgerichtlichen Rechtsprechung fordert. An späterer Stelle sagt Siebert ganz ausdrücklich, daß die Unmittelbarkeit kein Begriffsmerkmal der Treuhand sei. 267 Er sieht das Verhältnis von Treuhand und indirekter Stellvertretung vielmehr dahinge-
263 Vgl. Asmus, Grundlagen, S. 5, Fn. 1. Förmlich begeistert ist auch Müller in seiner Rezension in ZGR 100, S. 297 ff. und hält das Buch für den notwendigen Ausgangspunkt jeder künftigen Erörterung des Treuhandproblems und Vollendung dessen, was die Rechtswissenschaft bisher zum Treuhandrecht beigetragen hat. 264 Siebert, Treuhandverhältnis, S. 14 und 21 f. 265 Siebert, Treuhandverhältnis, S. 18. Hervorhebung durch den Verfasser. 266 Siebert, Treuhandverhältnis, S. 1. 267 Siebert, Treuhandverhältnis, S. 108. dort trennt Siebert die Ausgestaltung des treuhänderischen Eigenrechts, was für ihn den Kern der Treuhand ausmacht, vgl. gleich nuten, von der Frage, wie diese Rechtsmacht begründet werden kann.
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Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutschen
Treuhandrechts
hend, „daß das Treuhandverhältnis das Ergebnis, die mittelbare Stellvertretung vielleicht ein "Weg zur Erzielung dieses Ergebnisses"268 sei. Unterhalb dieser Definition nimmt Siebert eine für seine Zielsetzung des Nebeneinander der Formen eine erstaunliche Zweiteilung vor: Er erörtert „Das fiduziarische Treuhandverhältnis" und „Das deutschrechtliche Treuhandverhältnis" in zwei völlig getrennten Abschnitten seiner Arbeit 269 und führt beide Rechtsinstitute nicht zusammen. Bei der Erörterung des Aussonderungsrechts im Rahmen der fiduziarischen Treuhand stellt er etwa fest, hier seien nur Versuche, dem obligatorischen Anspruch dingliche Wirkung verleihen, zu besprechen, „alle anderen gerade für diese Frage besonders zahlreich gemachten Versuche, die fiducia zu verdinglichen [...], gehören aus historischen und systematischen Gründen nicht hierher".270 Siebert überwindet also nicht diesen vor allem durch die Stilisierung Schnitzes entstandenen Dualismus im Treuhandrecht.271 Siebert rechtfertigt seine Ausgangsdefinition damit, daß dieser Treuhänderbegriff „uralt und Gemeingut aller Rechtskulturen"272 sei. Er beschwört damit auf ähnliche Weise Überzeitlichkeit und Kontinuität, wie das vor ihm Schultzem und etwa zur gleichen Zeit Beyerle274 getan haben. Historische und rechtsvergleichende Aspekte werden geschickt in allgemeine Erörterungen, die dadurch zweigeteilt werden, als breiter Block 275 eingeschoben. Nach einem offenerem ersten Teil werden dem Leser nämlich im historischen und vergleichenden Teil bestimmte unverrückbare Grundsätze des Treuhandrechts suggeriert, so daß das „Nachfassen" im zweiten Teil der allgemeinen Erörterungen schon wesentlich verengter ablaufen kann, ohne daß es dazu eines besonderen Begründungsaufwandes bedurft hätte: Geschickt leitet Siebert den Abschnitt über „Systematische Grundlagen"276, die offenbar von den „Allgemeinen Grundlagen"277 zu trennen waren, folgendermaßen ein: „Der oben entwickelte, auf dargestellten wirtschaftlichen, historischen, rechtsvergleichenden und dogmatischen Grundlagen beruhende Begriff des rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnisses soll nun in seinen Hauptmerkmalen näher untersucht werden. Aus der historischen Betrachtung ergab sich und aus dem allgemeinen Begriff der Interessenvertretung folgt, daß [...]".278 268 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278
Siebert, Treuhandverhältnis, S. 110. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 146 ff. bzw. 213 ff. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 163. Siehe dazu oben § 4IV. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 1. Siehe dazu oben § 4 IV. Siehe dazu gleich unten §6 II. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 3 3 - 9 8 . Siebert, Treuhandverhältnis, S. 99 ff. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 1 ff. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 99.
§ S. Die Treuhand
im Konkurs des Treuhänders
Teil 2
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Beachtenswert ist außerdem der Umstand, daß Siebert die Treuhand „klassisch" über das Außenverhältnis, das Eigenrecht des Treuhänders, definiert. Im Gegensatz dazu erscheint ihm „die Gestaltung des obligatorischen Innenverhältnisses [...] weniger problematisch".279 Es wird lediglich „anhangsweise" auf zwei Seiten behandelt.280 Diese vom Eigenrecht des Treuhänders bestimmte Außensicht gibt der Treuhand ein dingliches Gepräge, denn die Macht des Treuhänders muß sich immer auf ein bestimmtes „Treugut" beziehen. „Die treuhänderische Verwaltung verlangt eine Beherrschungsmöglichkeit. Daraus erhellt, daß der Treuhänder zur Erfüllung seiner Aufgaben mit einer Rechtsmacht über das zu verwaltende Gut ausgestattet sein muß, und gerade aus dieser Rechtsmacht ergeben sich die besonderen Eigenarten der Treuhand." Aus dieser Perspektive sieht er als die beiden wichtigsten und zu unterscheidenden rechtlichen Formen der „Interessenvertretung" die Vertretungsmacht und die treuhänderische Berechtigung, die zu trennen seien; gleich anfangs wird ohne weitere Begründung behauptet, daß der Stellvertreter kein Treuhänder sein könne, es sei allgemeine Ansicht, „daß den Treuhänder ein [...] Eigenrecht kennzeichnet".281 Ein ansonsten teilweise geradezu emphatischer Rezensent Sieberts, merkt zu Recht kritisch an, daß sich Siebert „vielleicht doch zu stark auf die .dingliche Außenseite' des Treuhandverhältnisses festlegt"282 und zudem den Gedanken der Treupflicht nicht für wesentlich hält; der Rezensent gibt damit einen Hinweis auf eine Richtung der Treuhanddogmatik, die vom Innenverhältnis aus denkt. 283 Schließlich benennt Siebert das „allgemeine Grundproblem des gesamten Treuhandrechts: Es handle sich um die Beziehung von rechtlicher Form und wirtschaftlichem Zweck zueinander, und dabei vorwiegend um die Frage, wie weit die Form dem Zweck angepaßt werden kann.".284 Damit wird klar, daß sich auch Siebert vor allem für die Konstruktion des Eigenrechts des Treuhänders interessiert. Dieses „Rechtszuständigkeitsproblem",285 wie Siebert das Problem um den Vorrang des Treugutschutzinteresses des Treugebers vor dem Zugriffsinteresse der Treuhändergläubiger nennt, sei Voraussetzung für die Lösung des „Schutzproblems"; „dieses Schutzbedürfnis bildet m.E. den wichtigsten allgemeinen Ausgangspunkt der gesamten Treuhandproblematik und Treuhanddogmatik". 286 Daneben erkennt Siebert auch ein Schutzbedürfnis Dritter, denen die 279 Siebert, Treuhandverhältnis, S. 2. Anders immerhin Hönsch, der in seiner Dissertation aus dem gleichen Jahr in zwei Abschnitten das Innenverhältnis skizziert, Hönsch Stellvertretung, S. 36-38. 280 Siehert, Treuhandverhältnis, S. 180ff. 281 Siebert, Treuhandverhältnis, S. 12. 282 Müller ZGR 100,300. 283 Dazu gleich unten §6. 284 Siebert, Treuhandverhältnis, S. 2 f. 285 Siebert, Treuhandverhältnis. S. 20. 286 Siebert, Treuhandverhältnis, S. 18.
98
Teil 1: Die Entstehung des modernen deutschen Treuhandrechts
Treuhand nicht erkennbar ist, und führt mit der Erkennbarkeit gleich in der Einleitung 2 8 7 unbegründet den Schutzmaßstab an, der ihm später geeignet erscheinen wird. Weil der Treugeberschutz das Hauptproblem der Treuhand sei, müsse „für den Begriff der Treuhand die Frage der Rechtszuständigkeit des Treuhänders am Treugut in den Vordergrund" 2 8 8 gestellt werden. Dieses letztlich einzige Argument für die Außensicht der Treuhand mutet freilich seltsam an. Nur weil irgendwo ein Problem, ein Interessenkonflikt besteht, muß dieser noch nicht gleich „wesensbildend" für ein Rechtsinstitut sein. An dieser Arbeitsweise, die Treuhand über die Lösung bestimmter Einzelprobleme zu definieren, leidet das moderne Treuhandrecht von Anfang an; so ist man beim Simulationsproblem verfahren und verfährt man jetzt beim Treugeberschutz, obwohl dieses rechtspraktisch zentrale Problem aus dogmatischer Sicht eher am Rande liegt. Diese Vorgehensweise ist um so erstaunlicher, als Siebert auf das Problem der Anpassung von Innen- und Außenverhältnis, das ja für ihn, der aus „historischen und systematischen Gründen" 2 8 9 zwischen der römischen und der deutschen Treuhand trennt, nur bei der „fiducia" besteht, keine fünfzehn Seiten verwendet und sich nach knappem Vortrag der vertretenen Meinungen zugunsten der Billigkeitsauffassung 290 und einer fragwürdigen „funktionell-teleologischen Betrachtung" der §§ 43 K O , 771 Z P O , die „wirtschaftlich aufgefaßt sein wollen" entscheidet.
2. Das
fiduziarische
Treuhandverhältnis
a) Das Schutzproblem Siebert findet also keine eigene Lösung für das Schutzproblem. E r sieht aus Billigkeitsgründen einen vagen „elastischen Begriff der Vermögenszugehörigkeit" 2 9 1 ; eben von dieser Auffassung gehe auch die Rechtsprechung mit ihrem „materiellen Eigentum" aus. Siebert bemerkt zu Recht, dem Reichsgericht liege eine „juristische Teilung des Eigentums durch Schaffung einer geteilten oder vervielfältigten Rechtszuständigkeit [...] der Rechtsprechung dabei vollkommen fern". 2 9 2 Die Entstehungsgeschichte des § 43 K O gestatte das Zurückgreifen auf „außerkonstruktive Begriffe", auf „Interessenjurisprudenz". 293 Siebert differenziert zwischen uneigennütziger Treuhandschaft, wo die Billigkeit ein 287 288 289 290 291 292 293
Siehert, Siehert, Siebert, Siebert, Siebert, Siebert, Siebert,
Treuhandverhältnis, Treuhandverhältnis, Treuhandverhältnis, Treuhandverhältnis, Treuhandverhältnis, Treuhandverhältnis, Treuhandverhältnis,
S. 19. S. 22. S. 163. S. 167. S. 170. S. 169. S, 171.
§ 5. Die Treuhand
im Konkurs des Treuhänders
Teil 2
99
Aussonderungsrecht im Konkurs des Treuhänders rechtfertige, und eigennütziger oder Sicherungstreuhand, die keine Aussonderung gestatte, aber durch Begleichung der gesicherten Schuld jederzeit in eine uneigennützige Verwaltungstreuhand mit Folge der Aussonderungsberechtigung umgewandelt werden könne. Siebert sieht freilich die Konsequenzen seines Handelns: Das alles komme „praktisch der Anerkennung eines besonderen dinglichen Rechts [...] sehr nahe".294 Die Rechtfertigung zieht Siebert aus der Feststellung, es werde hier eine der equity ähnliche Rechtsfindung betrieben. Zwar unterschieden sich deutsches und englisches Rechtssystem völlig, „es ist aber unter dem Gesichtspunkte der inneren Übereinstimmung in höchstem Maße interessant zu beobachten, daß auch bei uns dort, wo das starre System unserer Rechtsordnung eine Lücke läßt, dieselben Billigkeitsgedanken ihren Einzug halten und zu der im Grunde gleichen Lösung eines Problems führen.".295 Eingehendere, über diese Beschwörung von Gemeinsamkeiten hinausgehende rechtsvergleichende Untersuchungen unternimmt Siebert allerdings nicht. b) Das
Begründungsproblem
Mit dem Schutzproblem sieht Siebert das Begründungsproblem, also die Frage, wie „die Rechtszuständigkeit an dem Treugut [...] in den Machtbereich des Treuhänders gelangt"296 verbunden. Diesem Problem muß sich Siebert in diesem Zusammenhang deshalb stellen, weil die Rechtsprechung seit nunmehr zwanzig Jahren eine unmittelbare Übertragung des Treuguts vom Treugeber auf den Treuhänder fordert. Nach kurzer Darstellung der Variante unmittelbarer Übertragung geht Siebert auf das Problem der Surrogation ein. Er geht dabei zunächst von der „quasidinglichen" Wirkung der Treuhand aus und lehnt ein Aussonderungsrecht an Surrogaten des Treuguts weitgehend ab. Zwar möge das Treugut ein Sondervermögen bilden, Siebert legt sich hier nicht fest und gibt auch keine Begründung für diese Annahme, innerhalb solcher Sondervermögen könne es jedoch ohne besondere gesetzliche Anordnung nur Surrogation auf unterster Stufe, also bei Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung von Bestandteilen des Sondervermögens geben.297 Beim Ersterwerb des Treuguts, also den Erwerb des Treuguts durch den Treuhänder von einem Dritten, komme hingegen niemals ein Aussonderungsrecht des Treugebers im Konkurs des Treuhänders in Betracht, weil die mittelbare Stellvertretung dem Vertretenen niemals irgendeine dingliche Position einräumen dürfe.298 294 295 296 297 298
Siebert, Treuhandverhältnis, S. 172. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 172. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 26. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 185. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 192 ff.
100
Teil 1: Die Entstehung des modernen deutschen
Treuhandrechts
Anschließend führt Siebert aus, das pactum fiduciae könne, zu Zwecken der „obligatorischen Surrogation", so geschlossen werden, daß „auch erst gewisse künftig in das Vollrecht des Treuhänders gelangende Gegenstände der fiduziarischen Zweckbeschränkung unterworfen sein sollen". 299 Auch in diesen Fällen liege eine Treuhand vor; gleiches gelte für Fälle des Ersterwerbs von Treugut durch den Treuhänder. Ob eine Aussonderung zulässig sei, stelle hingegen eine ganz andere, nach den Billigkeitsgesichtspunkten zu klärende Frage dar. „Wenn man sich die selbständige Bedeutung des Innenverhältnisses vor Augen hält, muß man [...] zu dem Ergebnis kommen, daß nicht einmal die rechtliche Möglichkeit besteht, das obligatorische pactum fiduciae anders zu behandeln, wenn es sich um Ersterwerb und nicht um eine unmittelbare Übertragung handelt.". 300 An dieser Stelle wird Sieberts Arbeit widersprüchlich. Plötzlich rückt er das pactum fiduciae ins Zentrum der Erörterungen und die Frage, ob beim Zugriff von Gläubigern des Treuhänders auf das Treugut ein Aussonderungsrecht des Treugebers bestehe, tritt - völlig zu Recht - an den Rand. Diese Inkonsequenz scheint durch die oben geschilderte, unklare Rechtsprechung des Reichsgericht zur „engen" und „weiten" Treuhand 3 0 1 bedingt zu sein, die Siebert billigt. Er kritisiert ausdrücklich Friedmann, der einzelne Ureile des Reichsgerichts zur „weiten Treuhand" als „Entgleisung" 302 bezeichnet hatte. Nach diesem kurzem, wenig folgerichtigen Ausflug in das Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder definiert Siebert den „Begriff des fiduziarischen Treuhandverhältnisses" 303 im Sinne des engen, aussonderungsbezogenen Treuhandbegriffs der Rechtsprechung. Er wendet sich gegen Emmerich,304 Max Wolff305 und Scbless,i0b deren Erweiterung des Treuhandbegriffs ohne praktischen Wert sei, 307 fühlt sich aber erstaunlicherweise in Einklang mit Franz Beyerle, dessen Treuhandrecht 3 0 8 wohl am weitesten von jenem des Reichsgerichts abweichten dürfte. 3 0 9 Siebert bleibt also, was die „römische Fiducia" betrifft, ganz in den üblichen Bahnen. Schon zu Beginn seiner Arbeit hatte er angekündigt, den „berechtigten und gesunden wirtschaftlichen Bedürfnissen" gerecht zu werden. Er unterfüttert also die gängige Rechtsprechung theoretisch und teilt ihre Widersprüchlichkeiten - vielleicht ein Grund für den großen Erfolg seiner Arbeit. 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308 309
Siebert, Treuhandverhältnis, S. 188. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 191. Siehe dazu oben §5 VI 3. Friedmann, 36. DJTI, S. 868. So die Überschrift zu § 11 bei Siebert, Treuhandverhältnis, S. 204. Emmerich, Sanierung, S. 146 ff. WolffyW 1930,1470 ff. Schless, Stellvertretung, S. 50 ff. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 209. Dazu gleich unten § 6 II. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 210.
§ 5. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders
3. Das deutschrechtliche
Teil 2
101
Treuhandverhältnis
Nach der fiduziarischen Treuhand erörtert Siebert die „deutschrechtliche Treuhand" und prüft, ob deren Konstruktionsvorschläge in das geltende Recht übernommen werden können. Als „deutschrechtlich" gelten dabei alle Abweichungen von der Vollrechtstreuhand nach Regelsbergerschem Muster, also alle Versuche zur Harmonisierung von Mittel und Zweck.
a) Bedingte Vollrechtsübertragung Die bedingte Vollrechtsübertragung läßt Siebert zu; insbesondere stehe § 137 B G B dem nicht entgegen, weil diese Norm lediglich verhindern wolle, daß ein Recht in der Hand seines Inhabers unveräußerlich werde. Der Rechtsverkehr sei zudem über § 161 Abs. 3 B G B ausreichend geschützt. 310 Die Bedingung „Eröffnung des Konkursverfahrens" könne wegen § 26 KO nicht vereinbart werden, wohl aber ein davor liegendes Ereignis. Auf diese Weise könnten die Interessen des Treugebers gut geschützt werden. Nach dem „Schutzproblem" erörtert Siebert auch hier das „Begründungsproblem". 311 Eine Surrogation im Sondervermögen „Treugut" gestalte sich genauso problematisch wie bei der fiducia. Ein konkurssicherer Ersterwerb durch den Treuhänder lasse sich nur mit Hilfe einer aufschiebend bedingten dinglichen Einigung und Vereinbarung eines Besitzkonstituts erreichen; hier sei allerdings die freie Widerrufbarkeit der dinglichen Einigung zu beachten. Schließlich weist Siebert zu Recht darauf hin, daß die Bedingung, die allerdings lediglich bei unmittelbarem Erwerb des Treuguts durch den Treuhänder vom Treugeber das Schutzproblem zufriedenstellend löse, von den Parteien vereinbart sein müsse, „selbst die weitherzigste Auslegung wird oft nicht zum Ziele führen". 312
b) Ermächtigung Die Formallegitimation gibt dem Treuhänder nach Sieberts Auffassung keine ausreichend starke Rechtsposition, weil man ihm immer mangelnde Sachlegitimation entgegenhalten könne, 313 und sei deshalb als Treuhandform ungeeignet. Die Ermächtigung nach § 185 Abs. 1 B G B im Sinne Ludewigs314 könne der bloßen Form der Legitimation hingegen einen materiellrechtlichen Inhalt ge-
310 311 312 313 314
Siebert, Treuhand, S. 218 f. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 223 ff. Siebert Treuhandverhältnis, S. 229. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 234 und 293. Siehe dazu oben § 5 V I I 1 .
102
Teil 1: Die Entstehung des modernen deutschen
Treuhandrechts
ben. 315 Kombiniert mit der Möglichkeit der gewillkürten Prozeßstandschaft des Treuhänders, also dessen Befugnis, die Rechts des Treugebers im Prozeß im eigenen Namen geltendzumachen, bilde die „Ermächtigungstreuhand" eine vollwertige Treuhandform. Sie sei jedoch, weil konkurrierende Rechtzuständigkeit von Treugeber und Treuhänder bestehe, für die reine Sicherungstreuhand nicht geeignet. 316 Trotzdem erörtert Siebert die Ermächtigungstreuhand breit, sie interessiert ihn, weil sie „etwa in der Mitte zwischen der beschränkten Rechtsübertragung und der Vollmacht" stehe. 317 Es scheint ein Anliegen von Siebert zu sein, dieser damals noch sehr jungen Rechtsfigur unter „ausführlichen Erörterungen und Klarstellungen" 318 zu dogmatischer Vertiefung und zum Durchbruch zu verhelfen. Die Ermächtigung könne wie eine Vollmacht an ihren Zweck angepaßt werden, Grenze sei der Schutz des gutgläubigen Verkehrs durch das Vorliegen eines entsprechenden Rechtsscheinstatbestands nach den allgemeinen Regeln. Sie löse das Schutzproblem hervorragend. Das Begründungsproblem bestehe freilich bei Surrogation und Ersterwerb des Treuguts durch den Treuhänder von einem Dritten, weil mangels Zulässigkeit einer „Erwerbsermächtigung", die gegen den Offenkundigkeitsgrundsatz des Stellvertretungsrechts verstoße, nur direkte Stellvertretung in Betracht komme. c) Dingliches
Verwaltungsrecht
Die Möglichkeit abgeschwächter oder beschränkter dinglicher Rechtsübertragung auf den Treuhänder im Sinne eines dinglichen Verwaltungsrechts oder eines sonstigen beschränkten dinglichen Rechts läßt Siebert zu Recht nicht zu. 319 Hier müsse nämlich - im Gegensatz zur Ermächtigung - eine Stück des Eigentumsvollrechts übertragen werden, weil es gerade zu keiner Verdoppelung der Verfügungsbefugnis kommen solle. 320 „Die Zulässigkeit beliebiger beschränkter Rechtsübertragungen [durch Parteivereinbarung] auf sachenrechtlichem Gebiete" 321 verstoße jedoch gegen den sachenrechtlichen Typenzwang.
315 316 317 318 319 320 321
Siebert, Siebert, Siebert, Siebert, Siebert, Siebert, Siebert,
Treuhandverhältnis, Treuhandverhältnis, Treuhandverhältnis, Treuhandverhältnis, Treuhandverhältnis, Treuhandverhältnis, Treuhandverhältnis,
S. 236 ff. S. 233 und 246 und 311 f. S. 253. S. 294. S. 240. S. 245 f. S. 246.
§ y Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders
d)
Teil 2
103
Vollmachtstreuhand
Wie schon im allgemeinen Teil der Arbeit ausgeführt, sieht Siebert die Vollmacht nicht als Treuhandform an. Er begründet dies allzu knapp unter Berufung auf die hergebrachte Auffassung auf einer Seite , 322 „Bislang hat man gerade in der Befugnis, im eigenen [und nicht wie ein Stellvertreter in fremdem] Namen über das Treugut zu verfügen, eine wesentliche Eigenart der Treuhänderstellung und des Treuhänderbegriffs erblickt".323 Die Vollmacht sei im Gesetz ausführlich geregelt und klar umrissen. „Warum soll sie dann in die Treuhandschaft einbezogen werden?". Dieses Argument kann nicht überzeugen. Andere Machtmittel des Treuhänders, etwa die gerade geschilderte Ermächtigung und vor allem auch die Vollrechtsinhaberschaft sind ebenfalls gesetzlich geregelt. Auch zeichnet sich die Treuhand nicht zwingend dadurch aus, ein ungeregeltes Rechtsinstitut zu sein. Außerdem führt Siebert an, die Selbständigkeit des Treuhänders dokumentiere sich darin, in eigenem Namen auftreten zu können. Freilich kann auch ein Stellvertreter mit hoher Selbständigkeit ausgestattet sein, etwa der Prokurist oder der vertretungsberechtigte Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft - und muß ein Ermächtigter diese Selbständigkeit nicht haben. Daß Ermächtigung und Vollmacht auf verschiedener systematischer Grundlage beruhen - Sieberts letztes Argument - ist richtig. Freilich beruhen auch Vollrechtstreuhand und Ermächtigung auf unterschiedlicher systematischer Grundlage. Sieberts Argumente überzeugen also sämtlich nicht. Das scheint er selbst zu spüren, wenn er schließlich noch suggestiv eine drohende „Verfälschung der Treuhandidee" beschwört. e) Gesamthänderische
Berechtigung
am Treugut
Eine gesamthänderische Berechtigung von Treugeber und Treuhänder am Treugut kommt für Siebert zu Recht nur in der gesetzlich vorgesehenen Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Betracht.324 Bei diesen Erörterungen fällt auf, daß Siebert erneut die Perspektive von der Außensicht der Treuhand hin zum obligatorischen Teil wechselt. Er erörtert den Gegensatz des Treuhandvertrags als Geschäftsbesorgungsvertrag und des Gesellschaftsvertrags und referiert, allerdings ohne Belegangabe, die unterschiedliche Art der „Verkettung" bei diesen Verträgen, eine Sicht der Dinge, wie vor allem Franz Beyerle in seiner kurz zuvor erschienen Arbeit zur Treuhand darstellt.325 „Schon diese kurze Gegenüberstellung zeigt, daß im allgemeinen ein Treuhandverhältnis nicht auf
322 323 324 325
Siebert, Treuhandverhältnis, S. 311 f. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 312. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 315. Dazu gleich unten §6 II.
104
Teil 1: Die Entstehung des modernen
deutseben
Treuhandrechts
Grundlage eines Gesellschaftsverhältnisses bestehen kann". 326 Das erscheint zutreffend, aus Sieberts Perspektive jedoch freilich fragwürdig, kommt es doch für ihn nur auf die Außenseite, das Eigenrecht des Treuhänders an. Eine weitere Inkonsequenz Sieberts liegt in der Tatsache, daß er bei der „Gesamthandtreuhand" entgegen §§ 709ff B G B den Treugeber von Geschäftsführung und Vertretung ausschließt und den Treuhänder für die Gesamthand handeln läßt. Was ist der Treuhänder dann anderes als ein Vertreter der Gesamthand, ein „Vollmachtstreuhänder"? Eben diese Figur hatte Siebert ¡f.urz zuvor wegen drohender Verfälschung der Treuhandidee abgelehnt. Diese Inkonsequenz scheint Siebert zu bemerken, wenn er diesen Widerspruch mit dem Hinweis auf eine nicht näher erläuterte „.offene' Treuhandschaft" ausräumen möchte. Außerdem beruft er sich darauf, daß der vertretungsberechtigte Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts bei Verfügungen über das gesamthänderisch gebundene Treugut immerhin auch im eigenen Namen handle, „die Wirkungen seiner Erklärungen sollen auch ihn selbst als Mitgesellschafter treffen". 327 Dieses wenig überzeugende Argument mag auf dem Boden der damaligen Sichtweise der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zugetroffen haben, es kann heute jedoch nicht mehr überzeugen, wird doch inzwischen die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts zutreffend als teilrechtsfähiges Subjekt angesehen und somit als solche durch den vertretungsberechtigten Gesellschafter allein verpflichtet.
4. Stufenfolge von Treuhandformen Siebert geht in seiner Arbeit also von einem Nebeneinander verschiedener Treuhandformen im geltenden Recht aus, die er ja nach „Stärke" des treuhänderischen Eigenrechts in eine Stufenfolge bringen kann. „An erster Stelle steht die einfache Forderungsabtretung; dann kommt die fiduziarische Abtretung, die einen schwächeren Grad darstellt wegen der obligatorischen Zweckbeschränkung, während der Verfügungstatbestand noch der gleiche ist; es wäre dann die auflösend bedingte Abtretung zu nennen, die dem Zedenten ein Anwartschaftsrecht beläßt, wo also der Verfügungstatbestand selbst schon beeinflußt ist; dann käme die konstitutive Rechtsübertragung, nämlich Nießbrauch und Pfandrechts die einzig möglichen Fälle einer echten beschränkten Rechtsübertragung; den Schluß bildet die Einziehungsermächtigung, bei der die Substanz des Forderungsrechts ungeschmälert bei dem Ermächtigenden bleibt." 328 Er begründet damit die bis heute geläufige Kategorisierung der Treuhandverhältnisse nach der „Art des Eigenrechts" und legt das Treuhandrecht auf diese Sichtweise fest. 326 327 328
Siebert, Treuhandverhältnis, S. 316. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 321. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 263 f.
§ J. Die Treuhand im Konkurs des Treuhänders Teil 2
105
IX. Konsequenzen für die weitere Entwicklung Auch der zweite Entwicklungsschritt des modernen deutschen Treuhandrechts beruht also auf der Lösung eines praktisch hochbedeutsamen Interessenkonflikts und der Fixierung der Wissenschaft auf die Lösung diese Einzelkonflikts. Eine Lösung ist jedoch trotz mannigfaltiger Versucher nicht schlüssig gelungen. Die Treuhand wird bis heute fast ausschließlich unter dem Blickwinkel der Vermeidung des Zugriffs von Treuhändergläubigern auf des Treugut gesehen. Treuhänder ist infolgedessen eine natürliche oder juristische Person, die von einem anderen Vermögensrechte zu eigenem Recht erworben hat, diese Rechte aber nicht, oder wenigstens nicht ausschließlich in eigenem Interesse ausüben soll. Die Entwicklung eines vom Verhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder ausgehenden Treuhandmodells war für Jahrzehnte blockiert. Erst in den 1960er Jahren wird das Treuhandrecht wieder Gegenstand monographischer Arbeiten, die jedoch ebenfalls weitgehend von Sieberts Ergebnissen ausgehen und moderne, rechtsvergleichende Begründungen für die Lösung des geschilderten Interessenkonflikts suchen. Neben Fragen der „passiven Verfügung" durch den Treuhänder wird zudem auch näher auf das verwandte Problem der treuwidrigen „aktiven Verfügung" durch den Treuhänder eingegangen, auch der Interessenkonflikt zwischen einem Geschäftspartner des Treuhänders, der Interesse an rechtsverbindlichem Handeln des Treuhänders hat, und dem Treugeber, der Interessen daran hat, daß der Treuhänder nur rechtsverbindlich handeln kann, wenn er treu handelt, betrifft jedoch die „Außenseite" des Treuhandverhältnisses.
§ 6. Ansätze zu einer Treuhanddogmatik auf Grundlage des Verhältnisses zwischen Treugeber und Treuhänder I. Einleitung Die meisten Autoren, die sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Treuhandrecht beschäftigt haben, definierten und kategorisierten - wie erörtert - die Treuhand über das treuhänderische Eigenrecht und damit über das Außenverhältnis. Im Gegensatz dazu erschien etwa auch Siebert „die Gestaltung des obligatorischen Innenverhältnisses [...] weniger problematisch".1 Diese Sichtweise konnte er allerdings nicht über die gesamte Arbeit hinweg widerspruchsfrei aufrechterhalten und wählte mehrfach eine Betrachtung vom Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder aus.2 Einige wenige Autoren hingegen versuchten, diese „Innensicht" zum Ausgangspunkt ihrer Betrachtungen zu machen. Für Berolzheimer war „von wesentlich größerem Interesse als der dingliche Vertrage [...] der obligatorische. Er ist es ja, welcher das ganze Rechtsgeschäft erst zu einem eigenartigen macht".3 Allerdings zog Berolzheimer aus dieser Aussage keine besonderen Schlußfolgerungen und behandelte die Treuhand auf traditionelle Weise. Auch der SchultzeSchüler Schöny erörterte den „Verpflichtungsvertrag"4 ausführlicher und meinte: „Da nun die abstrakten Leistungsgeschäfte alle in ihrem Wesen übereinstimmen, so kann das Wesen des Treuhandgeschäftes nur in der Eigentümlichkeit des Zwecksatzungsvertrages gefunden werden.".5 Er widersprach damit Crome,b der das Treuhandgeschäft bei den abstrakten Geschäften einordnete, und machte den Charakter der obligatorischen Seite als causa im Sinne der §§ 812 ff BGB, obligatorischer Zweckbeschränkung der Eigenrechte und Ausgangspunkt ihrer Rückforderung deutlich; das Innenverhältnis trage also glei-
1 2 3 4 5 6
Siebert, Treuhandverhältnis, S. 2. Dazu oben §5 VIII. Berolzheimer, Zession, S. 38. Schöny, Treuhandgeschäfte, S. 30ff. Schöny, Treuhandgeschäfte, S. 39. Crome, BGB 1, S.333.
5 6. Ansätze zu einer
Treuhanddogmatik
107
chermaßen begründende wie vernichtende Elemente in sich. Auch Schöny blieb in seiner Untersuchung jedoch traditionellen Mustern verhaftet. II. Der Ansatz Beyerles 1. Vertretungsweise uneigennützige
Belangwahrung
Etwa zeitgleich mit dem Erscheinen von Sieberts Arbeit entwickelte Franz Beyerle eine Sichtweise der Treuhand, die ihren Ausgangspunkt im Innenverhältnis hat.7 Er brach unter Rückgriff auf Arbeiten der historischen Schule aus dem neunzehnten Jahrhundert vollständig mit dem gängigen, schließlich durch Siebert konsolidierten Treuhandbegriff. Wie bereits erörtert, hatte etwa Albrecht8 die germanische Treuhand als „Sorge für die Vermögensangelegenheiten eines anderen, in welchem Umfang und in welcher Beziehung" auch immer verstanden und damit das Verhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder in den Vordergrund gestellt.9 Beyerle schöpfte, wenn er von der „Treuhand im Grundriß des deutschen Privatrechts" sprach, nicht aus dem BGB, nicht aus den deutschen Partikularechten des neunzehnten Jahrhunderts, sondern ging von einem „altdeutschen Recht und seinen eigenen Baugedanken"10 aus. Rückert hat gezeigt, daß Beyerle die Befugnis zum Rückgriff auf mittelalterliche Rechtsgedanken suggerierte, indem er die Wirkungskraft der „Meisterwerke der Romanik und Gotik" mit der gerade in Frage stehenden Wirkungskraft der „lebensstarken Rechtskultur unseres Mittelalters" auf eine Ebene stellte. Das ganze Buch Beyerles sei von einer subtilen und suggestiven Sprache durchzogen, deren Sogwirkung man sich nur schwer entziehen könne - „es ist ein sprachlich-logisches Hexenkabinett, das Beyerle hier vorführt".11 Zweck des Unterfangens war, wie auch bei Schultze oder Siebert, die Beschwörung einer Kontinuität im Treuhandrecht als Argumentations- und Legitimationsersatz. Nicht die Außenseite, die dingliche Rechtsstellung des Treuhänders, ist für Beyerle Wesenskern der Treuhand, sondern das Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder, deren persönliche „Verkettung". Dieses Innenverhältnis habe sich über die Zeiten hinweg kaum gewandelt und sei „gleichsam der feste Fußpunkt im Wandel der Außenformen".12 Das „äußere Rechtskleid", die unterschiedlichen Möglichkeiten der Rechtsstellung des Treuhänders, zeige nur verschiedene Entwicklungsstufen des Treuhandrechts. Die Fixierung der Forschung 7 8 9 10 11 12
Das verkennt Scherner, Salmannschaft, S. 15. Albrecht, Gewere, S. 231. Siehe dazu oben § 4 I V 2 a. Beyerle, Treuhand, S. 48. Rückert, Kontinuität, S. 422. Beyerle, Treuhand, S. 8.
108
Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutschen
Treuhandrechts
auf die Rechtsstellung des Treuhänders verstelle den Blick und verenge den Rechtsbegriff. 13 Beyerle verwendet die alten deutschrechtlichen Treuhandformen also nicht, wie beispielsweise Schnitze, um die Stellung des Treuhänders im Außenkontakt zu analysieren und bestimmte in der Rechtsgeschichte vorgefundene Modelle für das geltende Recht fruchtbar zu machen. Er sieht sich vielmehr einer Fülle von möglichen Rechtsstellungen des Treuhänders im Außenverhältnis gegenüber, die zeitlich nacheinander entstanden seien und nebeneinander existieren könnten. Das Spektrum reiche von dinglicher Vollberechtigung bis zu bloßer Vertretungsmacht, je nachdem, welchen Zweck die Parteien des Treuhandvertrages verfolgten. „Die Treuhand lockert sich zur bloßen Geschäftsbesorgung auf, wo der Besitz entbehrlich; statt des kausalen Eigentums genügt dem Treuhänder im Regelfall Vertretungsmacht". 14 Auch wenn man dieses juristische Fortschrittsdenken, das Denken in „Entwicklungsstufen des Rechts", nicht teilt, eröffnet Beyerles Ansatz, die Treuhand vom Treuverhältnis zwischen Treugeber und Treunehmer aus zu betrachten, interessante Aspekte. Beyerle ordnet die Treuhand in eine „Dreizahl wesentlichster Typen persönlicher Verkettung" 15 ein, die es in jeder Lebenswirklichkeit gebe. Diese drei Grundformen 1 6 persönlicher Verkettung 17 sind der gegenseitige Vertrag, der auf Austausch, gegenläufig-eigennützige Belangwahrung gerichtet sei, die Gesamthand, die auf gleichläufig-eigennützige Belangwahrung gerichtet sei, und schließlich die Treuhand, die auf „vertretungsweise uneigennützige" Belangwahrung gerichtet sei. Diese Grundtypen könnten sich freilich auch mischen. 18 Die Treuhand sei also nicht dingliche Rechtsinhaberschaft in fremdem Interesse, sondern zuvorderst eine Grundform des Schuldrechts. Diesen Ansatz Beyerles übernimmt Würdinger, der mit Interessengegensatz, Interessengemeinschaft und Interessenwahrung drei „Grundtatbestände des Rechtsverkehrs" unterscheidet. 19 Beyerle löste sich auf diese Weise aus dem geschilderten, eher zufälligen Entwicklungsprozeß des modernen Treuhandrechts heraus, der durch einzelne rechtspraktische Fragen und Konfliktlösungen bestimmt war, und versuchte 13 14 15 16
Beyerle, Treuhand, S. 20. Beyerle, FS Schnitze, S. 239. Beyerle, Treuhand, S. 16 f. Gegen die Treuhand als G r u n d f o r m insbesondere die Rechtsprechung, etwa R G Z 127,
S.345. 17
Beyerle, Treuhand, S. 17 ff.; ihm folgend Paul, Diskontierungsgeschäfte, S. 50 ff. Beyerle, Treuhand, S. 24 f.; genauso bereits Rumpf A c P 119,1, 54 und später Würdinger, Gesellschaften, S. 12 f.; der U m s t a n d , daß Mischformen vorliegen können und die Ubergänge zwischen den einzelnen Grundformen letztlich fließend sind, stellt die Einteilung nach schuldrechtlichen Grundformen jedoch nicht in Frage, vielmehr ist gerade eine Erörterung der Regeln für jede G r u n d f o r m wichtige Voraussetzung dafür, bei Verträgen die grundformgemischt sind oder an der Grenze zwischen zwei G r u n d f o r m e n liegen die zutreffenden Regelungsmechanismen auffinden zu können. 19 Würdinger, Gesellschaften I, S. 9 ff. 18
§ 6. Ansätze zu einer
Treuhanddogmatik
109
statt dessen, der Treuhand unabhängig von ihrer Entstehungsgeschichte ein dogmatisches Fundament zu geben. Er verwehrte sich gegen die Prägung, die Simulationseinwand und „Treuhänderproblem" der Treuhand über Jahrzehnte hinweg verliehen haben. Statt dessen knüpfte er an die einige Jahre zuvor von Rumpf entwickelte Kategorie der „Wirtschaftlichen Vertrauensgeschäfte"20 an, die durch „Interessenvertretung", also durch die Wahrnehmung der Interessen einer Vertragspartei durch die andere gekennzeichnet21 seien, und behauptete auf diese Weise neben den geläufigen Austausch- und Gesellschaftsverträgen eine dritte Grundform, die nach bisheriger Betrachtung in die anderen beiden Grundformen zu „verfließen"22 drohte. Im Gegensatz zu Rumpf23 ordneten Beyerle und Würdinger Dienst- und Arbeitsverträge allerdings nicht bei der Interessenvertretung, sondern beim Leistungsaustausch ein.
2. Zeitgenössische
Kritik
Diese Auffassung rief massive Kritik von Seiten der traditionellen Treuhandlehre hervor, die allerdings von einem gewissen Unverständnis des neuen Ansatzes zeugt. Hönsch meinte, Beyerle mache eine scharfe Trennung von Treuhand und mittelbarer Stellvertretung unmöglich.24 Eine solche Trennung strebte Beyerle indes überhaupt nicht an; zudem ist sie auch nach traditioneller Auffassung nicht zwingend erforderlich.25 Siebert kritisierte, daß nach Beyerles Auffassung „Beauftragte, aus Dienst- oder Werkvertrag zu einer Geschäftsbesorgung verpflichtete, Makler, Kommissionäre, Spediteure, Frachtführer, Verwahrer, negotiorum gestores, Organe einer Körperschaft oder Stiftung, Vormünder, Beistände, Testamentsvollstrecker, Konkursverwalter, Zwangsverwalter, Vertreter der Anleihegläubiger, Revisoren usw.", Treuhänder seien. „Was soll dann aber aus dem Begriff des Treuhänders werden?"26 Er verkennt dabei, daß für Beyerle die Treuhand nichts anderes als ein im weitesten auftragsartiges Schuldverhältnis ist, während er, Siebert, sich immer am „Objekt seiner [des Treuhänders] Tätigkeit",27 nämlich dem „Eigenrecht" oder „Treugut" orientiert. Beyerle hätte Siebert wohl geantwortet, daß der „Begriff des Treuhänders", wie Siebert ihn verwende, ohne Verlust einfach aufzugeben sei. Das „Schutzproblem", also den Interessenkonflikt zwischen Treugeber und Treuhändergläubigern, löste Beyerle, indem er ohne weiteres einen „Durch20 21 22 23 24 25 26 27
So der Titel der Abhandlung von Rumpf AcP 119,1 ff. Rumpf Ko2 119,1,55 f. Rumpf AcP 119,1, 54. Rumpf AcP 119,1, 74 ff. Hönsch, Stellvertretung, S. 13. Vgl. etwa oben §5 VIII. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 25. Siebert, Treuhandverhältnis, S. 25.
110
Teil 1: Die Entstehung
des modernen
deutseben
Treuhandrechts
bruch der causa in den abstrakten Eigentumsbegriff"28 zuließ, ein Vorgehen, das auf Grundlage es BGB, das von der Geltung des Trennungsgrundsatzes ausgeht, freilich eingehender Begründung bedürfte, die Beyerle jedoch nicht liefert. III. Das obligatorische Treuhandverhältnis bei Emmerich Einen ähnlichen Ausgangpunkt wie Beyerle wählte etwa zeitgleich Emmerich, der jedoch nicht historisch argumentierte, sondern aus wirtschaftsrechtlicher Sicht in seinem Buch über „Die Sanierung" die Treuhand als weiten Bereich sieht, der „am besten wohl als die Wahrung fremder Interessen kraft eigener Macht festzustellen ist".29 Aus- und Absonderungsrechte hielt er als geeignete Unterscheidungsmerkmale für Treuhandverhältnisse von anderen Rechtsverhältnissen für „überhaupt nicht zutreffend", denn deren Wesen könne durch diese Folgen nicht entscheidend bestimmt werden. „Hier zeigt sich die Notwendigkeit, die Bedeutung der obligatorischen Seite zu betonen."30 Das Innenverhältnis in seiner konkreten Ausgestaltung durch die Parteien bestimme Charakter und Art des jeweiligen Treuhandverhältnisses. Es könne von der ganz starken Treupflicht, nur im Interesse des Treugebers zu handeln, bis zu einer ganz schwachen Ausgestaltung, wo die Interessenwahrungspflicht wie etwa beim Liquidationsvergleich fast belanglos werde, reichen. Die eigene Macht des Treuhänders kann sich für Emmerich aus einer Vollrechtsübertragung, der Einräumung beschränkt dinglicher Rechte, dem Bestehen von Verwaltungs- und Verfügungsrechten, einer Ermächtigung und - entgegen der gängigen Auffassung - einer Bevollmächtigung ergeben. Jegliche Machteinräumung nach allgemeinen Grundsätzen könne die Treuhand auf der Außenseite kennzeichnen.31 Die Treuhand zeichne sich im Gegensatz zu anderen Rechtsverhältnissen demnach durch eine zwingende Kombination von Obligation (Treupflicht) und dinglicher bzw. allgemeinrechtlicher Seite (Treumacht) aus. Auch müsse die Rechtseinräumung nicht zwingend über den wirtschaftlichen Zweck hinausgehen. Die Frage des Konkurses des Treuhänders war für Emmerich als Praktiker zwar sehr bedeutsam, aber dennoch Randfrage im dogmatischen Gefüge. Er rechtfertigte den Schutz des Treugebers gegen den Zugriff der Gläubiger des Treuhänders mit der besonderen Interessenlage bei der Treuhand. Dabei könne es - entgegen der Auffassung des Reichsgerichts - nicht auf den Erwerbsweg ankommen, denn die Interessenlage sei bei unmittelbarem Erwerb des Treuguts durch den Treuhänder vom Treugeber und beim 28 29 30 31
Beyerle, Treuhand, S. 38, Fn. 1. Emmerich, Sanierung, S. 144. Emmerich, Sanierung, S. 150, vgl. auch S. 153 f. Emmerich, Sanierung, S. 152.
§ 6. Ansätze zu einer
Treuhanddogmatik
111
Erwerb von Treugut durch den Treuhänder von einem Dritten dieselbe. Für Emmerich konnte also die mittelbare Stellvertretung ohne weiteres Element eines Treuhandgeschäfts sein.32 Wie sehr die Auffassung Emmerichs von der gängigen Sichtweise abwich, zeigt etwa die pathetische Formulierung Friedmanns, Emmerich habe „der Fiducia den Krieg erklärt". 33 Friedmann erkennt freilich: „Emmerichs Treuhänder ist von Dinglichkeit nicht beschwert",34 was eben daran liegt, daß Emmerich die auf der dinglichen Rechtsmacht fußenden Treuhandlehren ablehnte.35 Das heißt jedoch nicht, daß der Treuhänder nicht auch dingliche Rechtsmacht haben kann, er muß sie nur nicht haben. Auch Emmerich wurde außerdem entgegengehalten, er verwische die Unterschiede zwischen Treuhand und mittelbarer Stellvertretung, weil der Treuhand „eine Bezugnahme auf das Treugut wesentlich" sei. 36 Dabei handelt es sich freilich um einen Zirkelschluß, denn diese Abgrenzung ist nur erforderlich, wenn man von einem bestimmten Treuhandbegriff ausgeht. Weiter wird eingewandt, die Treuhand müsse sich nicht zwingend auf ein Geschäft mit einem Dritten beziehen, die Stellvertretung eben gerade schon.37 Diese traditionsgebundene Kritik verkennt jedoch, daß „Eigenrecht" und Stellvertretung für Emmerich zwei gleichstufige Formen von Treumacht in einem auf das Innenverhältnis gegründeten Treuhandrecht sind. Schließlich wurde gegen Emmerichs Auffassung die mangelnde Publizität der Treuhand bei Erwerb dinglicher Rechte von einem Dritten und Feld geführt. Dritte könnten die „Interessenlage", die zum Schutz des Treugebers führe, nicht erkennen und stünden deshalb schutzlos. Aus diesem Grund habe der Gesetzgeber nur bei der Kommission mit § 392 Abs. 2 H G B eine entsprechende Regelung zugelassen, denn bei Kommissionären sei der Rechtsverkehr darauf gefaßt, daß sie fremde Güter besitzen.38 In der Tat blieb Emmerich, der lediglich die besondere Interessenlage bei der Treuhand anführt, eine Herleitung des von ihm postulierten, über die gängige Auffassung hinausreichenden Treugeberschutzes, die auch Drittinteressen berücksichtigt, schuldig.39 Ähnlich wohl auch Max WolffJW 1930,1470 ff. Friedmann, 36.DJT I, S. 880. 34 Friedmann, 36. DJTI, S. 885, Hervorhebung des Verfassers, die verdeutlicht, daß Friedmann hier - unfreiwillig - das Problem des gängigen Treuhandbegriffes anspricht. 35 Emmerieb, Sanierung, S. 164. 36 Friedmann, l,S.SS6. 37 Rietzler JW 1928,1653, Fn.l. 38 Oertmann JherJB 66,174. 3 9 Einige Jahre nach Emmerich und Beyerle geht schließlich auch Paul bei der Treuhand vom Innenverhältnis aus. „Stellt man das Innenverhältnis in den Mittelpunkt der Betrachtung so läßt ich das Wesen der Treuhand umschreiben als schuld- und sachenrechtliche Verpflichtung, fremde Belange an Personen, Sachen, an Vermögen, Rechtsbeziehungen wahrzunehmen. Machen aber diese Merkmale das Wesen der Treuhand aus, so verliert das Außenverhältnis seine für den Treuhandbegriff bestimmende Bedeutung. Begründung und Gestaltung einer als Treugut zu treuen Händen anvertrauten Rechtsmacht sind nach dieser Betrachtungs32 33
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Teil 1: Die Entstehung des modernen deutschen
Treuhandrechts
IV. Zusammenfassung Abweichend von dem durch praktische Zufälligkeiten entstandenen und durch Siebert konsolidierten Treuhandbild wurde vor allem um 1930 der Versuch unternommen, das Treuhandrecht unabhängig von wichtigen Einzelfragen auf eine dogmatische Grundlage zu stellen, die im Verhältnis von Treugeber und Treuhänder liegt. Das Treuhandverhältnis erscheint hier als auftragsartiges Schuldverhältnis, dessen Inhalt freilich von Fall zu Fall variieren kann. Die Gedanken Beyerles sind, bedingt durch die Nichtemanzipation weiter Teile der Treuhandlehre des zwanzigsten Jahrhunderts von den Zufälligkeiten und praktischen Problemen bei der Entstehung des deutschen Treuhandrechts, nicht weiterverfolgt worden. Sie sind wohl vor allem aufgrund des nahezu zeitgleichen Erscheinens von Wolfgang Sieberts grundlegender Monographie im Jahre 193340 und der politischen Umwälzungen in den darauffolgenden Jahren in den Hintergrund getreten. Neuere Untersuchungen zur Treuhand aus den sechziger und siebziger Jahren haben dann den Schwerpunkt auf rechtsvergleichende Aspekte gelegt,41 wobei diese „Rechtsvergleichung" teilweise ohne Respekt vor den Strukturen der deutschen Privatrechtsdogmatik betrieben wurde. Erst Martinek wird wieder ausdrücklich an die Ausführungen Beyerles anknüpfen. Nach ihm findet auch Grundmann den entscheidenden Anknüpfungspunkt für das Treuhandrecht im Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder.42
weise begriffsunwesentlich; sie scheiden daher aus dem Treuhandbegriff aus.", Paul, Diskontierungsgeschäfte, S.46. Der Treuhänder kann also Vollrechtsinhaber oder Inhaber beschränkt dinglicher Rechte sein, allerdings kann er „auch jeder dinglichen Rechtszuständigkeit am Treugut entbehren, so, wenn er nur in Vollmacht des Treugebers tätig ist.", Paul, Diskontierungsgeschäfte, S. 47. Im Fortgang trennt Paul allerdings nicht scharf zwischen Dogmatik und Rechtspolitik, wie er im Vorwort seiner Arbeit, Paul, Diskontierungsgeschäfte, S.5, selbst freimütig einräumt und mit den neuen Aufgaben der Rechtswissenschaft in den späten 1930er Jahren begründet, so daß seine Erörterungen unbestimmt bleiben und deshalb wenig hilfreich sind. 40 Dazu oben §5 VIII. 41 Dazu oben §33. 42 Zu Grundmanns Ansatz und der Kritik daran eingehend unten § 8 1 5 , § 3 2 1 1 3 und § 33 IV3.
Teil 2
Das Treuhandverhältnis im geltenden deutschen Schuldrecht
§ 7. Treuhand als Wahrnehmung fremder Interessen I. Treuhand als schuldrechtliche Grundform Auch diese Untersuchung sieht die Treuhand zuvorderst als Schuldverhältnis an und erschließt das Treuhandrecht aus dem Verhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder heraus. Treuhand bezeichnet ein vertragliches oder gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder. Beziehungen „der Treuhand" oder genauer der an dem Treuhandverhältnis beteiligten Personen zu nicht beteiligten Dritten spielen, wie Emmerich1 zu Recht bemerkt hat, bei der dogmatischen Durchdringung des Treuhandrechts erst in zweiter Linie eine Rolle, auch wenn sie in den vergangenen hundertfünfzig Jahren Hauptgegenstand der Erörterungen zum Treuhandrecht waren.2 Die Aussonderungsfrage „betrifft nur einen kleinen Bereich des gesamten Treuhandverhältnisses. Es ist deshalb nicht sehr glücklich, sie zum zentralen Unterscheidungskriterium zu machen".3 Der traditionelle enge Treuhandbegriff dient allein dazu, die Güterzuordnung im Kontakt zu Dritten (Gläubigern) zu klären, weil wirtschaftliche und rechtliche Güterzuordnung in bestimmten Fällen divergieren können und begründet werden muß, daß und in welchen Fällen einem Gläubiger gegenüber ausnahmsweise die Berufung auf eine von der rechtlichen Zuordnung abweichende wirtschaftliche Zuordnung möglich sein soll. Seit Erscheinen der Arbeit Beyerles4 kann die Treuhand zutreffend als einer von drei Strukturtypen des Schuldrechts,5 als eine der drei Grundformen der Interessenverkettung zwischen Vertragsparteien,6 als einer der „Grundtatbestände des Rechtsverkehrs"7 eingeordnet werden. Tua res a me quasi mea agiDazu oben § 6 III. Dazu oben § 4 und § 5 . 3 Blaurock, Unterbeteiligung, S. 243. 4 Franz Beyerle, Die Treuhand im Grundriß des deutschen Privatrechts (1932); dazu oben §611. 5 Staudinger/Martinek § 675 B G B Rn. A 37 ff. nimmt in Anschluß an Beyerle eine Unterscheidung in Koordinations-, Koalitions- und Subordinationsverträge vor, klammert jedoch gesetzliche Schuldverhältnisse aus und sieht die Treuhand nicht als Substitutionsverhältnis, sondern als Subordinationsverhältnis, dazu unten § 8 15. 6 Beyerle, Treuhand, S. 16. 7 Würdinger, Gesellschaften 1, S. 9 ff. 1
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
tur 8 - Charakteristikum der Treuhand ist nicht der Leistungsaustausch, bei dem jede Partei ausschließlich ihre eigenen Interessen verfolgt, nicht die Kooperation, also die gemeinsame Verfolgung eines gleichgerichteten Interesses etwa im Rahmen einer Gesellschaft, sondern die Wahrnehmung bestimmter Interessen einer Partei des Schuldverhältnisses durch die andere Partei in der Weise, als ob es ihre eigenen Interessen wären („quasi mea"), also so, wie es der Interessenträger bei der Wahrnehmung seiner eigenen Interessen idealerweise tun würde. Treuhand ist fremdnützige Interessenwahrnehmung. Beyerle klammert bei seinem Ansatz jedoch Formen der „Interessenverkettung" kraft Gesetzes, also etwa das Eltern-Kind-Verhältnis, aus.9 Eine Beschränkung auf rechtsgeschäftlich begründete Treuhandverhältnisse erschiene jedoch willkürlich, zumal der Gesetzgeber für einige nichtrechtsgeschäftliche Treuhandverhältnisse Regelungen vorgesehen hat, die sich - wie zu zeigen sein wird - auch für die oftmals spärlich geregelten rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnisse fruchtbar machen lassen. Das Bestehen eines Treuhandverhältnisses zeichnet sich also dadurch aus, daß die gewöhnlich in einer Person, dem „selbstverwalteten Rechtssubjekt", vereinigten Positionen des Interessenträgers und dessen, der diese Interessen wahrnimmt, auseinanderfallen. Der Interessenträger wird zum Treugeber und derjenige, der diese Interessen für ihn wahrnimmt, zum Treuhänder. Der Treuhänder tritt bei der Wahrnehmung der von ihm wahrgenommenen fremden Interessen als alter ego10 an die Stelle des Treugebers, bildet die „Interessenwahrnehmungsorganisation" des Treugebers, während ohne Bestehen eines Treuhandverhältnisses der Treugeber gewissermaßen der Treuhänder und Interessenwahrnehmer seiner selbst ist. Das Treuhandverhältnis ist also ein Substitutionsverhältnis. „Der Treuhänder ist in der Richtung tätig, in der es der Treugeber sein müßte.".11 Die Motive eines Interessenträgers für die Übertragung der Interessenwahrnehmung auf einen Treuhänder, also für die Errichtung einer Treuhand, können vielfältig sein: Der Treuhänder mag in einem bestimmten Bereich höhere Kompetenz als der Treugeber aufweisen, Zugang zu bestimmten Märk8
Beyerle, Treuhand, S. 19. Genauso Staudinger/Martinek §675 Rn. A 41; Grundmann, Treuhandvertrag, S.87ff.; anders Schultze-von Lasaulx, der in seiner Kommentierung des Treuhandrechts in Soergel/ Schultze-von Lasaulx, 11. Aufl., vor § 164 BGB Rn. 64 ff., ein Treuhandmodell erwähnt, das so umfassend ist, „daß alle Fälle darunter begriffen werden, in denen der Treuhänder gehalten ist (gesetzlich oder kraft Vereinbarung), die Interessen des Treugebers im Hinblick auf ein Treugut oder für irgendeine sonstige Interessenlage zu wahren. Alle Fälle der Fremdinteressenwahrung, die auch eine Verfolgung eigener Interessen des Treuhänders nicht grundsätzlich ausschließen" lassen sich hier einordnen. Allerdings verfolgt er diesen Ansatz nicht weiter, sondern zieht sich auf die herkömmliche Sichtweise der Treuhand zurück. 10 Vgl. Koller, FS Piper S. 907. 11 Beyerle, Treuhand, S. 18. 9
§7. Treuhand als Wahrnehmung fremder
Interessen
117
ten, etwa Börsen, haben, oder als neutraler Vermittler (Schiedsrichter) die Interessen mehrerer Treugeber zum Ausgleich bringen können. Der Treugeber mag eine Entlastung im Wege der Arbeitsteilung anstreben, oder seine Interessenträgerschaft soll aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen verschleiert werden. Ordnen Gesetzgeber oder Gerichte Treuhandverhältnisse an, so liegt die Ursache zumeist in der konstitutionellen Unfähigkeit des Interessenträgers zur Interessenwahrnehmung (notwendige Treuhand), jedoch können gerade bei mehrseitigen Treuhandverhältnissen auch andere Gründe bestehen, etwa die Herstellung eines Ausgleichs zwischen konfligierenden Interessen, wie er im sanierenden Insolvenzverfahren durch den Insolvenzverwalter zwischen Gemeinschuldner und Gläubigern erzielt wird.
II. Treuhand als Interessenwahrnehmung kraft eigener Macht Dieser Ausgangspunkt bedingt, daß der hier zugrundegelegte „Treuhandbegriff" im Vergleich zu vielen im Verlauf der letzten hundertfünfzig Jahre vertretenen Modellen 12 sehr weit und ganz umfassend ist. Treuhand ist die durch ein vertragliches oder gesetzliches Schuldverhältnis vermittelte selbständige Wahrnehmung bestimmter Interessen durch eine andere Person (Treuhänder) als den Interessenträger (Treugeber). Charakteristikum ist also die Fremdinteressenwahrnehmung. Gerechtfertigt wird die Wahl dieses Ausgangspunkts auch durch die jüngste Gesetzgebung: So wurde etwa im Jahre 1994 in §§ 172 Abs. 1 Satz 1,178g Abs. 2 V V G ein explizit als Treuhänder bezeichneter „Interessenvertreter der Versicherungsnehmer" 13 eingeführt, der keineswegs in das in Teil 2 gezeichnete „klassische" Bild des Treuhänders paßt. Der Gesetzgeber selbst scheint also nicht von einem derartig engen Zuschnitt dieser Rechtsfigur auszugehen. Das Schuldverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder regelt über die Interessenwahrnehmung hinaus weitere Rechte und Pflichten der Parteien des Treuhandverhältnisses. 14 Dazu gehören insbesondere Kontrollrechte des Treugebers gegenüber dem Treuhänder, die der Treugeber entweder selbst ausübt oder zu deren Ausübung ein eigenständiges Kontrollorgan, etwa ein Aufsichtsrat oder das Familien-, Nachlaß- oder Vormundschaftsgericht, berufen ist, das dann die Kontrollaufgaben des Treugebers wiederum treuhänderisch wahrnimmt. Außerdem regelt das Schuldverhältnis, ob der Treuhänder „ehrenamtlich" tätig wird und deshalb nur Aufwendungsersatz verlangen kann, vgl. § 670 B G B , oder ob er eine Vergütung als Gegenleistung für die Interessenwahrnehmung erhält. 15 12 13 14 15
Dazu oben Teil 1 So Honseil/Hohlfeld § 178g VVG Rn. 10. Eingehend dazu unten § 10 und § 11. Dazu unten § 11.
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutseben
Schuldrecht
Diese Wahrung fremder Interessen wird dem Treuhänder durch die Einräumung von Machtpositionen oder Machtbefugnissen ermöglicht, die den Zugriff auf den Interessenkreis des Treugebers genauso wie das rechtlich wirksame Auftreten des Treuhänders als Interessenwahrnehmer des Treugebers gegenüber Dritten gestattet. Der Treuhänder hat also nicht „Vermögensrechte zu eigenem Recht" (ein sogenanntes „Treugut") erworben, die er „aber nicht, oder wenigstens nicht ausschließlich in eigenem Interesse ausüben soll", 16 sondern er betreibt „Wahrung fremder Interessen kraft eigener Macht". 17 Die Treuhand hat also keineswegs zwingend eine dingliche Komponente, sondern erfordert lediglich, daß der Treuhänder ein wie auch immer beschaffenes Instrument (Machtmittel) innehat, das ihm die Erfüllung seiner Aufgaben ermöglicht. Das bedeutet, daß in einem Treuhandverhältnis immer zwei Elemente zu unterscheiden sind: (1.) Das Schuldverhältnis, das den Treuhänder verpflichtet und berechtigt, interessenwahrend in den Interessenkreis des Treugebers einzugreifen, und (2.) die ihm eingeräumte, von ihm gehaltene Machtposition, die ihn dazu befähigt. Damit lassen sich viele geläufige gesetzliche und vertragliche Schuldverhältnisse als Treuhandverhältnisse einordnen: Elternschaft,18 Vormundschaft, Betreuung, Pflegschaft, Insolvenzverwaltung, Testamentsvollstreckung, Kommission, Handelsvertretung, Vertragshändlerschaft, Franchising, Bauprojektsteuerung,19 Organschaft, Geschäftsführerschaft, das Verhältnis zwischen Vorund Nacherben, zwischen Kontoinhaber und kontoführendem Bankinstitut, zwischen Kreditkarteninhaber und Kreditkarteninstitut, zwischen Anleger und Kapitalanlagegesellschaft oder zwischen Aktiengesellschaft und Emissionskonsortium. In all diesen und vielen weiteren Rechtsverhältnissen lassen sich (1.) die Interessenwahrnehmung durch einen Dritten und (2.) die diesem Dritten dazu eingeräumte Macht erkennen - die Befürchtungen Sieberts20 bewahrheiten sich also. So wahren beispielsweise Eltern, Vormund, Betreuer oder Pfleger die Interessen ihres Kindes, Mündels, Betreuten oder Pfleglings und sind hierzu mit gesetzlicher Vertretungsmacht ausgestattet. Ein Insolvenzverwalter nimmt Interessen des Schuldners und der Gläubiger wahr und ist genauso wie der Testamentsvollstrecker, der Interessen von Erblasser und Erben wahrnimmt, mit einem verdrängenden Verwaltungsrecht eigener Art ausgestattet. Das Kreditinstitut oder So die gängige Definition vgl. nur Siebert, Treuhandverhältnis, S. 1. Emmerich, Sanierung, S. 144. 18 Die Eltern besitzen und verwalten das Vermögen des Kindes als Treuhänder für das Kind, sie betreiben - wenn man von dem von der eigennützigen väterlichen Gewalt übriggebliebenen Rest des § 1649 Abs. 2 B G B absieht, der jedoch mit § 1618a B G B als familiäre Solidaritätsnorm begriffen werden kann - also fremdnützige Vermögensverwaltung, vgl. Staudinger/Coester §1698 B G B Rn. 1; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 6 3 I 1; Rauscher, Familienrecht, Rn. 1027; Schwab, Familienrecht, Rn. 606; kritisch zu Annahme einer Treuhandschaft K. Schmidt N J W 1989,1712 ff. 19 Dazu zuletzt Zöpfl, Rechtsnatur, S. 209 ff. 2 0 Dazu oben § 5 VIII. 16 17
§7. Treuhand
als Wahrnehmung
fremder
Interessen
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die Kapitalanlagegesellschaft nehmen bestimmte wirtschaftliche Interessen des Anlegers wahr, der ihr dazu bestimmte Geldmittel übertragen hat. Durch diesen weit gefaßten Ansatz wird verhindert, daß der Blick auf Gemeinsamkeiten verschiedener Rechtsinstitute verstellt wird, aus denen sich möglicherweise Lösungen auch für die im ersten Teil der Arbeit geschilderten Probleme und Interessenkonflikte des Treuhandrechts gewinnen lassen, die bei einer Verengung der Sichtweise etwa auf die „fiducia" oder „Vollrechtstreuhand" nicht zugänglich wären. Außerdem können Strukturen eines allgemeinen Treuhandrechts gewonnen werden, indem die Beziehungen sämtlicher an solchen „Interessenwahrungsverhältnissen" beteiligter oder von ihnen betroffener Personen analysiert werden. Eine Fokussierung auf bestimmte Interessenkonflikte, deren Lösung in eine bestimmte Richtung das „Wesen" der Treuhand ausmachen soll, 21 wird ebenso vermieden wie das Anknüpfen an historische Zufälligkeiten oder Einzelfallentscheidungen. 22 „Treuhand" ist damit weder nur der Gegenbegriff zur Simulation, 23 noch allein eine unmittelbare Vollrechtsübertragung von Treugut vom Treugeber auf den Treuhänder, das im Konkurs des Treuhänders ausgesondert werden kann, 2 4 noch allein ein Verhältnis, in dem der Treuhänder zur Wahrung der Interessen des Treugebers „stricto sensu" 25 oder zur „Subordination" 26 verpflichtet ist. Treuhand ist vielmehr ein Substitutionsverhältnis im weitesten Sinne. 27 Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß an dem in Deutschland „pfadabhängig fest etablierten Treuhandbegriff" 28 festgehalten werden müsse, weil genau dadurch der umfassende Blick auf gemeinsame Strukturen aller Substitutionsverhältnisse verstellt wird.
III. Reichweite der Interessenwahrnehmung Welche Interessen des Treugebers vom Treuhänder wahrzunehmen sind, schreiben die einzelnen Typen von Treuhandverhältnissen zumeist entweder ausdrücklich vor, oder der Interessenbereich läßt sich aus der vertraglichen Vereinbarung, gesetzlichen Anordnung oder dem Zweck des Treuhandverhältnisses Dazu oben Teil 1 und unten § 8 I 5. Vor dieser Gefahr warnt auch Coing, Treuhand, S. V. 23 Dazu oben §2. 24 Dazu oben §4 und §5. 25 So Grundmann, vgl. dazu unten § 8 I 5. 26 So der Begriff bei Staudinger/Martinek § 675 BGB Rn. A 41 f., der insofern etwas abgewandelt das System von Grundformen übernimmt. Freilich zeichnet sich weder jedes Treuhandverhältnis, noch jedes Geschäftsbesorgungsverhältnis durch eine derartige Unterordnung aus, vgl. auch unten § 18. 27 Die Frage, nach welchen Maßstäben der Treuhänder den Treugeber bei der Wahrnehmung bestimmter Interessen insbesondere in Fällen des Interessenkonflikts zu ersetzen hat, ist Gegenstand der Untersuchung. 28 Hopt ZGR 33,1,20. 21
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Teil 2: Das Treubandverhältnis
im geltenden
Deutschen
Schuldrecht
ermitteln. Wie bei Austauschverträgen die auszutauschenden Leistungen, so ist bei Treuhandverträgen das wahrzunehmende Interesse, sei es vermögensrechtlicher oder höchstpersönlicher Natur, von den Parteien grundsätzlich frei bestimmbar. Bei nicht rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen sind diese Interessen gesetzlich oder in der gerichtlichen Anordnung der Treuhand festgelegt. So sind die durch Eltern für ihre Kinder oder Insolvenzverwalter für Gemeinschuldner und Gläubiger wahrzunehmenden Interessen ihrem Umfang nach in § 1626 BGB und § 80 InsO umrissen, der Umfang der Ergänzungspflegschaft wird vom Vormundschaftsgericht, jener der Testamentsvollstreckung vom Erblasser festgelegt. Zu fragen ist immer auch, ob der Treuhänder neben dem Treugeber (kumulativ) oder anstelle des Treugebers (privativ) zur Interessenwahrnehmung berufen sein soll. Das Spektrum beginnt bei Treuhändern, die sämtliche Interessen des Treugebers wahrnehmen. Beispiele sind alle notwendigen Treuhänder, also Eltern, Vormünder oder Organe von Juristischen Personen 29 und teilrechtsfähigen Einheiten, aber auch rechtsgeschäftlich bestellte „Generalbevollmächtigte". Andere Treuhänder verwalten einen bestimmten abgegrenzten Teil von Interessen des Treugebers, zum Beispiel nimmt der Testamentsvollstrecker in der Regel sämtliche den Nachlaß betreffende Interessen des Erben als Treugeber 3 0 wahr. Eine ärztliche Abrechnungsstelle verwaltet sämtliche Honorarforderungen eines Arztes gegen seine Patienten. Ein Ergänzungspfleger wahrt die Interessen eines Kindes in dem Bereich, in dem dessen gesetzliche Vertreter von der Interessenwahrnehmung ausgeschlossen sind. Zuletzt kann auch ein einzelnes Interessensegment des Treugebers, beispielsweise der Erwerb einer Immobilie, die Veräußerung eines Kraftfahrzeugs oder die Verwahrung eines Wertgegenstandes, dem Treuhänder, etwa einem Makler, Kommissionär oder Sequester, zur Wahrnehmung anvertraut sein. Das Gesetz kennt lediglich einige Grenzen der Substitution bei der Interessenwahrnehmung. So ist in einigen Fällen ein gesetzliches Verbot der Übertragung der Interessenwahrnehmung auf einen Treuhänder angeordnet. In anderen Fällen stößt die Übertragung an allgemeine, durch § 138 Abs. 1 BGB geschützte Grenzen unserer Zivilrechtsordnung.
2 9 Vgl. etwa die Verpflichtung der Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften auf das „Unternehmensinteresse" und 4.3.3. (1) des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung von 21. Mai 2003. 3 0 Zur Aufspaltung der Treugeberposition bei der Testamentsvollstreckung unten § 14
112.
§7. Treuhand
als Wahrnehmung
fremder
Interessen
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IV. Unterscheidung von Treuhandverhältnissen und Sicherungsgeschäften Bis heute besteht Uneinigkeit darüber, ob Sicherungsgeschäfte als TreuhandVerhältnisse anzusehen sind. Nach v e r b r e i t e t e r A u f f a s s u n g 3 1 werden Siche-
rungsgeschäfte für „eigennützige" Treuhandverhältnisse gehalten, auch wenn Vertreter dieser Auffassung gewisse Bedenken gegen eine solche Einordnung hegen. Bereits für Siebert entfernen sich diese Fälle „stark aus dem Bereich der echten Treuhandidee",32 es handle sich um „ein grundverschiedenes Gebilde".33 Friedmann bezeichnet den „mitinteressierten Treuhänder" in seiner bildhaften Sprache als „bête noire des Treuhandrechts".34 Für eine Treuhänderschaft wird angeführt, daß der Sicherungsnehmer zu jedem Zeitpunkt Interessen des Sicherungsgebers wahrzunehmen habe: Vor der Verwertung müsse er sich an die Grenzen aus der Sicherungsabrede halten, die im Interesse des Sicherungsgebers bestünden, bei der Verwertung unterliege er ebenfalls bestimmten Geboten, etwa dem der Wirtschaftlichkeit. 35 Eine andere Auffassung unterscheidet zutreffend zwischen Treuhand- und Sicherungsgeschäften, denn die Sichtweise der Treuhand als Interessenwahrnehmung oder Belangwahrung anstelle einer anderen Person bedingt es, daß Sicherungsgeschäfte nicht als Treuhandgeschäfte angesehen werden können. Bereits die Ansätze von Regelsberger und Schultze nehmen deshalb zurecht eine solche Trennung vor, denn letztlich sind beide Figuren nur zufällig in Abgrenzung von der Simulation zu einer Kategorie zusammengefaßt worden.36 Auch Reich will für die Sicherungsübereignung die „Behelfskonstruktion der eigennützigen Treuhand nicht mehr bemühen"37 und eine eigene Sicherungsdogmatik unterscheiden. Nicht der Sicherungsnehmer, sondern allenfalls der Sicherungsgeber, in dessen Besitz das Sicherungsgut sei, habe eine Treuhänderstellung. Für Wolff/Raiser ist mit einer Einordnung des Sicherungsrechts als treuhänderisch „nicht viel gewonnen".38 Grundmann unterscheidet Treuhandverhältnisse und Sicherungsgeschäfte, weil bei letzteren nicht die Interessenwahrungspflicht stricto sensu, die für ihn wesensbestimmend ist, bestehe.39 Auch aus rechtsver31 Baur/Stürner, SachenR, § 412; Dalle, FS Schulz, S. 281; Enneccerus/Nipperdey 12 § 148; Reinhardt/Erlinghagen, JuS 1962, S.41; Siebert, Treuhandverhältnis, S. 31; Walter, Unmittelbarkeitsprinzip, S. 44 ff.; Weber, Sicherungsgeschäfte, S. 86. 32 Siebert, Treuhandverhältnis, S. 403. 33 Siebert, Treuhandverhältnis, S. 170. 34 Friedmann, 36. DJT, S. 1062. 35 Walter, Unmittelbarkeitsprinzip, S. 46 f. 36 Dazu oben §2. 37 Reich AcP 169,254 f. 38 Wolff/Raiser, SachenR, § 179 III 1. 39 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 19 ff. und 307; Staudinger/Wiegand Anh. zu §§ 929 ff. BGB Rn. 9.
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
gleichender Sicht liegt eine Trennung von Treuhand- und Sicherungsgeschäften nahe, ist dem angloamerikanischen Trustrecht doch kein „Sicherungstrust" bekannt. 40 Hinzukommt, daß auch für die Vertreter der Gegenauffassung in der Treugeberinsolvenz dem Treuhänder je nach Charakter der Treuhand ganz unterschiedliche Rechte zustehen, weil der Treuhänder bei der eigennützigen Sicherungstreuhand eigene Interessen am Treugut habe und sich deshalb gegebenenfalls durch Verwertung des Treuguts befriedigen dürfe, während er bei der fremdnützigen Verwaltungstreuhand das Treugut, das wirtschaftlich zur Insolvenzmasse des Treugebers gehöre, zurückübertragen müsse. 41 Im Gegensatz zum Treuhänder entzieht sich der Sicherungsnehmer soweit als irgendwie möglich der "Wahrnehmung von Interessen des Sicherungsgebers oder der Verwaltung des Sicherungsgutes. Er ist nur daran interessiert, sich gegebenenfalls aus dem Sicherungsgut mit Vorrang vor anderen Gläubigern des Sicherungsgebers befriedigen zu können, verfolgt beim Sicherungsgeschäft also lediglich eigene Interessen und ist bei der Verwertung des Sicherungsgutes nur einigen im Interesse des Sicherungsgebers bestehenden Regeln unterworfen; von einem Substitutionsverhältnis kann nicht die Rede sein. Der Sicherungsgeber wiederum nimmt beim Umgang mit dem zumeist bei ihm verbleibenden Sicherungsgut, freilich begrenzt durch das potentielle Verwertungsinteresse des Sicherungsnehmers, weiterhin vor allem eigene Interessen wahr, denn er geht davon aus, daß bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge die Gegenstände aus dem Sicherungsgut „seine Sachen bleiben". Man mag vor der Verwertungsreife treuhänderische Pflichten sowohl des Sicherungsnehmers, der mehr Rechte hat, als er benötigt, als auch des Sicherungsgebers, der das Sicherungseigentum auch für den Sicherungsnehmer verwaltet, erkennen. 42 Nach Verwertungsreife mag eine gewisse treuhänderartige Stellung des Sicherungsnehmers bestehen, der bei der Verwertung bestimmte Regeln zu beachten hat. Trotzdem handelt es sich bei den Sicherungsgeschäften allenfalls um Geschäfte mit treuhänderischem Einschlag, nicht um reine Treuhandfälle. Obschon die Fortentwicklung der Treuhanddogmatik wohl nicht so rasant verlaufen wäre, 43 wenn sie nicht mit den ungemein wichtigen Sicherungsgeschäften verknüpft gewesen wäre, 44 sind beide Bereiche also strikt zu trennen. 45 Zu Recht hat sich längst eine eigene Dogmatik der Sicherungsgeschäfte entwickelt, die regelmäßig mit Kreditgeschäften verbunden sind, bei denen 40
Assfalg, Behandlung, S. 164. Vgl. dazu nur Stein/Jonas/Münzberg § 771 Z P O Rn. 19 ff.; MünchKomm/Ä". Schmidt §771 Z P O Rn. 24 ff. 4 2 So zuletzt zutreffend Bülow Z I P 2004,2420 ff. gegen Berger Z I P 2004,1073 ff. 43 Dazu oben §2. 44 Nathan, Übertragung, S. 61 beklagt zurecht „die historische Zusammenfassung der Sicherungsübereignung mit anderen fiduziarischen Geschäften unter einer Rechtsgeschäftskategorie", obschon doch die Interessenlage ganz unterschiedlich sei. 45 Staudinger/Wiegand Anh. zu §§ 929ff. B G B Rn. 9. 41
§7. Treuhand als Wahrnehmung
fremder Interessen
123
sich die Vertragsparteien als Antagonisten und damit in einer anderen Interessenverkettung als bei der Treuhand gegenüberstehen. Der Gesetzgeber hat diese Trennung inzwischen nunmehr nachvollzogen. In § 51 Nr. 1 InsO werden Gläubigern, die ein Recht zu abgesonderter Befriedigung haben, jene Gläubiger gleichgestellt, „denen der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs eine bewegliche Sache übereignet oder ein Recht übertragen hat". Der Schutz des Sicherungsgebers wird also durch die Gewährung eines Absonderungsrechts erreicht, weil die Sicherungsübertragung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Verpfändung näherstehe als der Übereignung. 4 6 Diese für die Sicherungsgeschäfte, die „Sicherungstreuhand", geschaffene N o r m ist jedoch schon nach ihrem Wortlaut, aber auch nach der zugrundeliegenden Interessenlage der Beteiligten, nicht auf Fälle der „Verwaltungstreuhand" anwendbar. 47 Für diese „Verwaltungstreuhand", nach hier vertretener Auffassung also für die Treuhand überhaupt, hat der Gesetzgeber im Insolvenzfall einen anderen Schutzmechanismus vorgesehen, der später zu erörtern sein wird. 4 8
V. Verfolgung von gleichgerichteten Eigeninteressen durch den Treuhänder Die Ausscheidung der Sicherungsfälle aus dem Treuhandrecht bedeutet jedoch nicht, daß auch Fälle, in denen ein Treuhänder einen Treugeber substituiert und dabei berechtigt zugleich eigene, über den Erhalt einer Gegenleistung hinausgehende Eigeninteressen verfolgt, bereits aus dem Kreis der Treuhandverhältnisse auszuscheiden wären. 49 So verfolgen persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft, die als Organe notwendige Treuhänder dieser Gesellschaft sind, bei der Wahrnehmung von Gesellschaftsinteressen gleichzeitig berechtigterweise auch ihre eigenen, aus der Gesellschafterstellung erwachsenden Interessen. In der Gesellschaft sind die Gesellschafterinteressen miteinander verknüpft und gleichgerichtet, so daß auch Gesellschafts- und Gesellschafterinteressen miteinander verknüpft und gleichgerichtet sind. Gleiches gilt beispielsweise auch für Eltern, die Interessen eines Kindes wahrnehmen, indem sie dessen Vermögen verwal4 6 So der Gesetzgeber in der Begründung zu § 58 des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 125; genauso MünchKomm/Ganter § 51 InsO Rn. 9; Gerhardt, GS Arens, S. 129; Gottwald/Adolphsen, Kölner Schrift, S. 1052 Rn.31; Uhlenhruck §51 InsO Rn.2; Kühler/ Priitting § 51 InsO Rn. 10; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 18.28; F K / J o n e l e i t / I m b e r g e r § 51 InsO Rn. 5; Nerlich / Römermann/Andres § 51 InsO Rn. 4. 47 Unzutreffend deshalb Grundmann, Treuhandvertrag, S. 322, der § 51 Nr. 1 InsO als Leitbild für das Treuhandrecht insgesamt zu verstehen scheint. 48 Dazu unten § 34. 49 Isele, Geschäftsbesorgung, S. 38 spricht anschaulich von „Fremdinteressenwahrung als gleitende[m] Begriff".
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
ten, und dabei gleichzeitig unter gewissen Voraussetzungen dazu berechtigt sind, die Einkünfte dieses Vermögens für den eigenen Unterhalt zu verwenden, § 1649 Abs. 2 Satz 1 B G B . Auch hier ist das Interesse der Eltern mit dem des Kindes gleichgerichtet. Trotzdem substituieren Gesellschafter oder Eltern zuvorderst Gesellschaft oder Kind bei der Wahrnehmung bestimmter Interessen und sind also Treuhänder. Durch die Auswahl eines Treuhänders mit gleichgerichteten Eigeninteressen wird nicht der Bereich genuinen Treuhandrechts verlassen sondern vielmehr sogar eine erhöhte Gewähr dafür geschaffen, daß der Treuhänder seine Rolle als alter ego des Treugebers besonders gewissenhaft ausfüllt. Eine ähnliche Strategie der Interessengleichrichtung verfolgt die Rechtsordnung übrigens bei Treuhändern, die zur Vermittlung von Geschäften für den Treugeber eingesetzt und erfolgsbezogen vergütet werden (Handelsvertreter, Kommissionär, Kommissionsagent). 50
VI. Treuhand als Dauerschuldverhältnis 1. Allgemeines In der gängigen Schuldrechtsdogmatik ist eine Zweiteilung in Schuldverhältnisse, die zu einer einmaligen, zeitlich punktuellen Leistungserbringung verpflichten, und Schuldverhältnisse, die zu einer zeitlich linearen Leistungserbringung verpflichten (Dauerschuldverhältnisse 51 ), anzutreffen. Sie war dem B G B fremd und geht auf eine grundlegende Arbeit Otto v. Gierkes aus dem Jahre 1914 zurück. 5 2 Auch das modernisierte Schuldrecht, das in § 314 B G B immerhin eine Regelung für die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen vorsieht, läßt diese Zweiteilung nicht durchgängig erkennen. Treuhandverhältnisse sind regelmäßig Dauerschuldverhältnisse im weitesten Sinne. Die Wahrnehmung fremder Interessen mag sich zwar im Einzelfall auf eine einmalige, punktuelle Interessenwahrnehmung beschränken, etwa den Erwerb eines bestimmten Gegenstandes unter Benutzung einer Einzelvollmacht. In der Regel erstreckt sich jedoch das Treuhandverhältnis über einen längeren Zeitraum, weil der Treuhänder die Wahrnehmung bestimmter Interessen des Treugebers schuldet, die aufgrund ihrer Komplexität notwendig nicht ganz punktuell erfolgen kann. Selbst bei einem einfach strukturierten Treuhandverhältnis wie dem Auftrag an einen Makler, der für den Treugeber ein geeignetes Objekt suchen soll, erstreckt sich die Interessenwahrnehmung bereits über eine längere Zeitspanne. Die Pflicht zur Wahrnehmung fremder Interessen weist 50 51 52
Dazu unten § 1 1 1 2 . Begriff wohl zuerst bei Otto v. Gierke JherJB 6 4 , 3 5 5 ff. Otto v. Gierke JherJB 64, 355 ff.
§7.
Treuhand
als Wahrnehmung
fremder
Interessen
125
also in der Regel zwangsläufig keine zeitliche Punktualität, sondern eine gewisse zeitliche Linearität auf.
2.
Dauertreuhandverhältnisse
Die Einordnung der Treuhandverhältnisse als Dauerschuldverhältnisse hat zur Folge, daß sich das Pflichtengefüge komplexer darstellt als in einer punktuellen Vertragsbeziehung53 und deshalb insbesondere bei Pflichtverletzungen besondere Regeln zu beachten sein werden.54 Innerhalb der Gruppe der Dauerschuldverhältnisse sind dabei weitere Unterscheidungen vorzunehmen. Regelmäßig werden Verträge über periodische Leistungen, also etwa Sukzessivlieferungsverträge,55 eigenen Regeln unterstellt. a) Das Modell
Oetkers
Oetker unterscheidet dann wiederum die Dauerschuldverträge,56 die nicht zu einer sukzessiven Leistungserbringung verpflichten, in zwei Gruppen und stützt diese Unterscheidung auf die jeweils geschuldete Hauptleistung, die dem Vertrag ihr Gepräge verleiht:57 Dauerschuldverträge, bei denen der Leistungsumfang allein mit Hilfe des Zeitfaktors festgelegt werden kann (Dauerschuldverträge im engeren Sinne), und Verträge, bei denen der Leistungsumfang zeitunabhängig festgesetzt wird. Damit sind nach Auffassung Oetkers insbesondere Werkverträge keine Dauerschuldverträge im engeren Sinne, weil bei ihnen mit dem Erfolg ein zeitunabhängiges Kriterium greift,58 wohl aber sind Dienstverträge Dauerschuldverhältnisse.59 Nach dieser Einteilung wären Treuhandverträge also in der Regel, aber nicht immer, Dauerschuldverträge im engeren Sinne, weil das Treuhandrecht die Interessenwahrnehmung grundsätzlich als lediglich erfolgsgerichtete Dienstleistung versteht, der Treuhänder aber keinen bestimmten Erfolg bei der Interessenwahrnehmung schuldet.60 Aber auch eine erfolgsgerichtete Dienstleistung ist nicht immer zeitbestimmt, sondern kann (wie eine zeitlich lineare Werkleistung) bei Eintritt eines - freilich vom Treuhänder nicht geschuldeten - Erfolges Dazu unten § 10 I. Dazu unten Teil 6. 5 5 So bereits Planck/Siber % 271 BGB Anm. la; ähnlich etwa B G H N J W 1981, 679, 680; Nicklisch JZ 1984, 757, 760. 56 Oetker spricht von Dauerschuldverträgen, weil er gesetzliche Schuldverhältnisse ausklammert. 57 Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 99 ff. und S. 142 f. 58 Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 155 ff. 59 Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 152 ff. 6 0 Dazu unten § 8 14. 53
54
126
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
enden. Die Unterscheidung Oetkers trifft für das Treuhandrecht also nicht zu. Treuhandverhältnisse sind nämlich in der Regel keine Langzeitverträge, bei denen die Herbeiführung eines gewissen Erfolges geschuldet wird, jedoch auch keine Verträge, deren Hauptleistung sich allein durch ein Zeitmoment bestimmen ließe, wie das etwa bei Arbeits- oder Mietverträgen 61 der Fall ist. Eine Unterscheidung nach der geschuldeten Leistung, die dem Vertrag ihr Gepräge gibt, wäre hiernach also nicht, ob sich die Leistung über einen geschuldeten Erfolg oder das bloße Zeitmoment bestimmt, sondern vielmehr, ob ein Erfolg geschuldet ist, mit dessen Eintritt der Vertrag endet und bei dessen Nichterreichen Sekundäransprüche entstehen, oder ob ein Tätigwerden geschuldet ist, das lediglich erfolgsbezogen ist und das Ende des Vertrages durch Zeitablauf, aber auch durch (Nicht-)Eintritt des vom Treugeber beabsichtigten Interessenwahrnehmungserfolges eintritt. Oetker, der in seiner Untersuchung vor allem auf Arbeits- und Gesellschaftsverträge abstellt und keine Treuhandverhältnisse untersucht, scheint dies zu spüren und versucht, seine Kategorisierung mit der Hilfserwägung aufrechtzuerhalten, daß bei den erfolgsgerichteten Dienstverträgen „der Vertragszweck den Zeitfaktor nur überlagert und nicht vollständig beseitigt", 62 weil immerhin nach Zeitabschnitten bezahlt werde. Auch das trifft jedoch nicht immer zu. Ein Rechtsanwalt etwa wird grundsätzlich nicht nach Zeitaufwand, sondern nach Gebührentatbeständen aus dem RVG honoriert. Außerdem wird Oetker durch seine Einteilung dazu verleitet, den Maklervertrag aufgrund der erfolgsabhängigen Honorierung „gemeinsam mit den Werkverträgen den Werkleistungsverträgen zuzuordnen". 63 Das erscheint jedoch unzutreffend. Vielmehr reicht der Leistungsumfang des Maklers nur bis zur Vermittlung einer Abschlußgelegenheit; lediglich bei der Vergütung wird gleichsam „asymmetrisch" an den Abschluß des Hauptvertrages als Erfolg angeknüpft. 64 Ahnliche Vereinbarungen zu einer erfolgsabhängigen Vergütungshöhe finden sich in Verträgen über Vermögensverwaltung, ohne daß der Vermögensverwalter deshalb die Mehrung des Vermögens in bestimmten Maße schulden würde. 65 Damit handelt es sich beim Maklervertrag um einen „Dauerschuldvertrag" im Sinne Oetkers, der fehlgeht, wenn er sich auf den Umstand stützt, daß der Makler „nicht zeitproportional, sondern erfolgsbezogen" vergütet wird. 66 Schließlich wird die Einteilung Oetkers auch dadurch fragwürdig, daß er gesetzliche Schuldverhältnisse ausklammern möchte, etwa Vormundschaft, Pflegschaft oder Betreuung, weil 61 Auf derlei Verträge, die allesamt keine Treuhandverhältnisse sind, stellt Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 152 ff. ab. 62 Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 153. 63 Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 158. 6 4 Vgl. zum Maklerrecht auch unten § 24 III 2 a. 65 Balzer, Vermögensverwaltung, S. 43. 66 Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 158.
§7. Treuband als Wahrnehmung fremder
Interessen
127
bei diesen eine „spezifische zeitorientierte Ordnung" fehle.67 Genau dieser Umstand stellt jedoch Oetkers Modell insgesamt in Frage. b) Das Modell von J.
Schmidt
Die Unterscheidung nach dem Zeitmoment mag in Austauschverhältnissen mit Dauerschuldcharakter, also etwa Arbeits- oder Mietverhältnissen, tragen, kann aber nicht für alle Dauerschuldverhältnisse als konstitutiv angesehen werden. Dauertreuhandverhältnisse lassen sich nicht allein durch ein rein „zeitorientiertes System"68 der Schuldverträge begreifen. Ohne auf das dieser Untersuchung zugrundeliegende schuldrechtliche Grundformenmodell einzugehen, kommt/. Schmidt69 deshalb zu einer Unterscheidung zwischen drei Kategorien von Dauerschuldverhältnissen. Erstens nennt er die (fast) reinen Transaktionsprozesse, mit denen gemeinschaftsbildende Prozesse nicht oder kaum verbunden sind und bei denen es in der Sache um bloßen Leistungsaustausch geht. Diese Dauerschuldverhältnisse beruhen auf einem Zeitmoment, das sich lediglich aus der Zeitdimensionalität des übertragenen Rechts ergibt, etwa des Rechts zum Gebrauch einer gemieteten Wohnung oder zur Inanspruchnahme der Arbeitskraft eines Arbeitnehmers. Nach der hier zugrundegelegten Unterscheidung handelt es sich bei diesen Schuldverhältnissen um Dauerschuldverhältnisse, die der Grundform „Austauschvertrag" angehören. Sie zeichnen sich durch einen gleichförmigen Fluß von Leistung und nach Zeit bemessener Gegenleistung, etwa Miete oder Lohn, aus. „Die Dauer der Verbindlichkeit richtet sich nicht nach der Leistung, vielmehr richtet sich die Leistung nach der Dauer der Verbindlichkeit".70 Diese von Gauch vorgeschlagene Definition für Dauerschuldverhältnisse insgesamt gilt also in Wahrheit nur für Dauerschuldverhältnisse der Grundform „Austauschvertrag". Als zweite Kategorie nennt Schmidt (fast) reine beziehungs- oder gemeinschaftsstiftende Prozesse wie Gesellschaften und auch die Ehe. Hier handelt es sich bei näherem Hinsehen um die Grundform des Gesellschaftsvertrags, bei der sich das Zeitmoment daraus ergibt, daß die Parteien vereinbaren, bei einer gemeinschaftlichen Zweckverfolgung zusammenzuwirken, die sich notwendig über einen längeren Zeitraum erstreckt. Die Zeitdimension ergibt sich hier also nicht aus dem übertragenen Recht, sondern aus der gemeinsam zu bewältigenden Aufgabe. Diese beiden Gruppen von Dauerschuldverhältnissen unterscheiden auch andere Autoren, etwa Kramer,71 der eine Zweiteilung zwischen Inter67 68 69 70 71
Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 180. Vgl. etwa Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 706. Staudinger/]. Schmidt Einl. zu §§ 241 ff. BGB Rn. 370 ff. Gauch, System, S. 6. MünchKomm/Zframer Einl. Schuldrecht Rn. 106.
128
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
essengegenläufigkeitundlnteressengleichrichtungbeiDauerschuldverhältnissen vornimmt. Schmidt erwähnt hingegen noch eine Zwischenkategorie von Dauerschuldverhältnissen, bei denen eine mehr oder weniger gleichmäßige Mischung der Elemente von Transaktionsprozessen und beziehungs- oder gemeinschaftsstiftenden Prozessen anzutreffen sei. Auch hier ergebe sich die Zeitdimensionalität nicht aus dem übertragenen Recht, sondern aus der Aufgabe, deren Bewältigung organisiert werden solle. Beispiele seien etwa komplexe Langzeitverträge. Ansonsten vermag Schmidt dieser Kategorie als bloßer Mischform jedoch kein eigenes Gepräge zu geben und kann sie deshalb nicht präzise von den anderen beiden Kategorien abgrenzen. Zutreffend läßt sich diese Kategorie von Dauerschuldverhältnissen nicht als Zwischenkategorie verstehen, sondern kennzeichnet Treuhandverhältnisse. Diese Verhältnisse enthalten, soweit entgeltliche Interessenwahrnehmung geschuldet ist, auch eine austauschvertragliche Komponente, beziehen ihr Gepräge und ihre zeitliche Linearität jedoch nicht aus dieser Komponente, sondern aus der Bewältigung der zu organisierenden Aufgabe, der Interessenwahrnehmung. Diese geschieht freilich - anders als bei Gesellschaftsverträgen - nicht gemeinschaftlich; vielmehr werden die Interessen eines Teils durch den anderen Teil wahrgenommen. 72 Wenn Schmidt von einer mehr oder weniger gleichmäßigen Mischung von Transaktionsprozessen und beziehungs- oder gemeinschaftsstiftenden Prozessen spricht, und etwa auch Zulieferverträge in diese Kategorie faßt, geht diese Einordnung jedoch fehl. Auch in Austauschverhältnissen können untergeordnete treuhänderische Elemente enthalten sein, ohne daß diese Verträge dadurch zu Treuhandverträgen würden. 73 Vielmehr handelt es sich dabei um Dauerschuldverhältnisse der Grundform „Austausch" in der bereits erörterten Unterform der Sukzessivlieferung.
c) Besonderheiten
bei der
Dauertreuhand
Aus diesen Erörterungen ergibt sich, daß viele Autoren, 74 die sich mit Dauerschuldverhältnissen beschäftigen, ganz vorrangig Dauerschuldverhältnisse der Grundform „Austausch" erörtern und auch Oetkers Untergliederungen nur bei Dauerschuldverhältnissen dieser Grundform fruchtbar gemacht werden können. Bei der Dauertreuhand spielt nicht das notwendig vorhandene Zeitmoment, sondern vielmehr das im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen insgesamt als Abgrenzungskriterium vor allem in älteren Abhandlungen er-
Dazu oben §71. Dazu gleich unten § 7 V I I 2 . 74 Vgl. etwa bei Beispiele für Dauerschuldverhältnisse bei Soergel/Wiedemann vor § 323 B G B a.F. Rn. 58 oder MünchKomm/ATramer Einl. Schuldrecht Rn. 96 und 98 oder die Ausführungen bei U. Huber, Leistungsstörungen I, § 6 III 1 und § 46 11. 72 73
§7. Treuhand
als "Wahrnehmung
fremder
Interessen
129
wähnte Moment der „beständigen Pflichtenanspannung", 75 eine vorrangige Rolle. Dauertreuhandverhältnisse lassen sich deshalb nicht nach dem Zeitmoment, sondern nach Art der Pflichtenanspannung untergliedern, deren Bedeutung „mit steigendem .gemeinschaftsstiftendem Anteil' zunimmt". 7 6 Bei Dauerschuldverhältnissen der Grundform „Treuhand" kommt es deshalb, wie bereits angedeutet, für die weitere Differenzierung vor allem darauf an, wer das Risiko des Nichteintritts des vom Treugeber angestrebten Erfolges der Interessenwahrnehmung trägt. Es wird sich im folgenden zeigen, daß einige Regelungen, die für Dauerschuldverhältnisse insgesamt als gültig postuliert werden, bei der Dauertreuhand nicht gelten und daß je nach Risikotragung unterschiedliche Pflichtverletzungsfolgen eintreten. Stellen wir uns das hypothetische Beispiel eines Treugebers vor, der einen Treuhänder beauftragt, ein Paket Aktien eines bestimmten Unternehmens zu gewissen Konditionen und innerhalb eines gewissen Zeitraums auf dem Markt unterzubringen. Verpflichtet sich der Treuhänder zur Erzielung dieses Erfolgs, wovon etwa in Fällen der Aktienemission oftmals ausgegangen wird, 7 7 so liegt eine Pflichtverletzung in Form der Nichterfüllung vor, wenn der Treuhänder den Erfolg zum angestrebten Zeitpunkt nicht erreicht. Er verdient keine Vergütung, § 641 Abs. 1 BGB, und der Treugeber kann außerdem vom Vertrag zurücktreten, §323 Abs. 1 BGB, und Sekundäransprüche (Schadenersatz statt der Leistung) geltendmachen, §§280 Abs. 1 und3,281 BGB. Warum der Treuhänder den Erfolg nicht erreicht hat, ist grundsätzlich 78 unerheblich. Bleibt das Risiko des Erfolgs der Interessenwahrnehmung hingegen - wie üblich - beim Treugeber und schuldet der Treuhänder in unserem Beispiel nur ein auf optimale Unterbringung der Papiere gerichtetes Tätigwerden, dann ist nicht nach dem bloßen Ergebnis, sondern danach zu fragen, ob sich der Treuhänder pflichtgemäß erfolgsgerichtet verhält. Es ist also zu überprüfen, ob der Treuhänder alle konkreten Pflichten, die sich aus seiner Interessenwahrnehmungspflicht ergeben, einwandfrei erfüllt. Tut er das nicht, weil er etwa gelegentlich Interessen anderer Treugeber oder eigene Interessen bevorzugt, so ist nach den Folgen dieser Pflichtverletzung zu fragen, die sich wesentlich komplizierter darstellen als bei Risikotragung durch den Treuhänder. Dieser Regelfall wird, differenzierend nach Pflichtverletzungsfolgen, die das Treuhandverhältnis beibehalten, und solchen, die es insgesamt beseitigen, im Rahmen dieser Untersuchung 79 zu vertiefen sein.
75 76 77 78 79
Vgl. nur Palandt!Heinrichs § 314 BGB Rn.2. Staudinger!J. Schmidt Einl. zu §§241 ff. BGB Rn. 374. Dazu unten § 8 14. Etwas anderes gilt etwa bei Störungen der Geschäftsgrundlage, §313 BGB. Dazu unten Teil 6.
130
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden
Deutschen
Schuldrecht
VII. Typengemischte Verträge 1. Verträge mit treuhandrechtlichem Schwerpunkt In den letzten Jahrzehnten haben sich verschiedene Vertragsformen entwickelt, die ein treuhandrechtliches Gepräge haben, aber in ihrer Funktionsweise nur als Typengemisch aus mehreren Vertragstypen zu erfassen sind. Soweit in dem Typengemisch die treuhandrechtliche Seite angesprochen ist, lassen sich treuhandrechtliche Regeln auch auf diese Verträge anwenden. Beispiele für typengemischte Verträge mit treuhandrechtlichem Schwerpunkt sind Factoring und Franchising.80 Factoring definiert BlaurockSi eingängig als ein Mittel der sofortigen Realisierung erst später fälliger Forderungen durch Verkauf an und sofortige Bezahlung durch den Factor. Zu unterscheiden ist zwischen dem „echten Factoring", das heute der Regelfall ist, 82 bei dem der Factor als Forderungskäufer das Bonitätsrisiko trägt, und dem „unechten Factoring", bei dem das Bonitätsrisiko beim Forderungsverkäufer verbleibt, so daß der Factor den Kaufpreis rückbelasten kann, wenn er die Forderung innerhalb einer bestimmten Frist nicht beitreiben konnte. Der Erwerb der Forderungen durch den Factor erfolgt auf Grundlage eines Rahmenvertrages. In diesem Rahmenvertrag wird in der Regel eine Pflicht des Kunden, sämtliche Forderungen aus einem bestimmten Bereich83 dem Factor zum Kauf anzubieten, und eine Pflicht des Factors, die Forderungen nach positivem Verlauf einer Bonitätsprüfung des Drittschuldners aufzukaufen, festgelegt.84 Zudem wird im Rahmenvertrag die Globalzession der Forderungen erklärt, unter der Bedingung, daß der Factor annimmt und also ein „Einzelvertrag" über die betreffende Forderung geschlossen wird, der dann auch die causa der Abtretung bildet.85 Der Rahmenvertrag regelt außerdem die Tragung des Bonitätsrisikos, wobei durchaus Mischvereinbarungen aus echtem und unechtem Factoring denkbar sind, und regelt weitere Leistungen des Factors wie die Übernahme der Debitorenbuchhaltung, des Mahnwesens und der gerichtlichen Verfolgung (Leistungspaket86) für den Kunden.87 Zum Franchising vgl. unten § 9 III 2 b. Blaurock ZHR 142, 325,326. 82 Ebenroth/Boujong/Joost/Wagner, Bankrecht, Rn. V 7. 83 Damit soll erreicht werden, daß der Kunde dem Factor nicht nur zweifelhafte Forderungen anbietet und gute Forderungen selbst eintreibt, um sich bei diesen Forderungen den Abschlag vom Nominalwert, den der Factor verdient, zu ersparen. 84 Es handelt sich also ganz regelmäßig um eine „zweistufige Gestaltung", Serick, Eigentumsvorbehalt IV, § 52,2 a. 85 Ebenroth/Boujong/Joost/Wagner, Bankrecht, Rn. V 6. 86 Ehrenberger DB 1982 Beil. 19 S. 6; Hill, Interessenkollisionen, S. 38. 87 Fakten nach Martinek, Vertragstypen I, S. 242 f.; Hellner/Steuer, Bankrecht, Rn. 13/ 9 ff. 80 81
§7.
Treuband als Wahrnehmung
fremder
Interessen
131
Die rechtliche Einordnung dieses Rahmenvertrages ist umstritten. Er wird vielfach als Typenkombinationsvertrag gesehen, in dem darlehens-, kauf-, versicherungs- und geschäftsbesorgungsvertragliche Elemente zusammenfließen. 8 8 Der Vertrag hat also zwar ein starkes treuhandrechtliches Gepräge, 8 9 läßt er sich doch mit einer Inkassovereinbarung vergleichen, bei der das Inkassobüro bei der Forderungseintreibung den Gläubiger substituiert und als Machtmittel die Forderungsinhaberschaft erhält. Trotzdem aber würde eine Einordnung des Factoringrahmenvertrages als reiner Treuhandvertrag 9 0 unter Beachtung der Finanzierungs- und (beim echten Factoring) Delkrederefunktion 9 1 die anderen Elemente in den Hintergrund treten lassen, 92 wird doch beim Inkasso anders als beim Factoring der Forderungsbetrag erst nach Beibringung ausgekehrt und trägt dort anders als beim echten Factoring der Treugeber das Bonitätsrisiko. Auch die Einordnung als Typenkombinationsvertrag sorgt jedoch dafür, daß der Factor als Treuhänder und der Kunde als Treugeber anzusehen ist und entsprechenden Pflichten unterliegt. Die Verträge über den Erwerb der einzelnen Forderungen bilden beim echten Factoring Kaufverträge, 9 3 ist das echte Factoring doch der entgeltliche Erwerb kurzfristiger Geldforderungen zur Verwertung im eigenen Interesse und für eigene Rechnung des Factors. 94 Die Einordnung des Forderungserwerbs beim unechten Factoring wird unterschiedlich vorgenommen. So mag man das unechte Factoring als Treuhandvertrag ansehen, weil dem Factor die Forderungen ohne Eigenrisiko zur treuhänderischen Verwaltung übertragen werden und er für die Einziehung, die mit Bevorschussung verbunden ist, eine Provision erhält. 95 Nach einer anderen Auffassung 96 ist diese Einordnung aber deshalb abzulehnen, weil sie das Interesse des Klienten an Barmitteln ebenso wie das Interesse des Factors am Forderungserwerb unterschätze. Anders als beim Inkassoauftrag handle der Factor nicht in fremdem, sondern in eigenem Interesse. Deshalb liege ein Darlehensvertrag vor. 97 Der Kredit, auf den es dem Kunden des Factors vor allem an88 Larenz, Schuldrecht I I / l , § 6 3 III; Klaas N J W 1968, 1502, 1506; Blaurock Z H R 142, 325,327. 8 9 Vgl. Serick, Kreditsicherung IV, § 52 II 2 g. 9 0 So Ehling, Probleme, S. 202 f. 91 So Blaurock Z H R 142 ,325, 326. 92 Martinek, Vertragstypen I, S. 254. 9 3 Forderungskauf, vgl. nur B G H Z 69, 254, 257f.; B G H Z 100, 353, 358; Staudingerl Busche vor §§ 398 ff. B G B Rn. 146; Schimansky/Bunte/Lwowski/Martinek, Bankrechtshandbuch, § 102 Rn. 31 ff.; Blaurock Z H R 142, 325, 341; Teufel N J W 1981, 952, 953; a.A. Canaris N J W 1981,249,250 und Staub/Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 1655: Darlehensvertrag. 94 Ebenroth/Boujong/Joost/Wagner, Bankrecht, Rn. V 1. 95 Glomb, Finanzierung, S. 83. 96 Martinek, Vertragstypen I, S. 250. 9 7 B G H Z 58, 364, 367; B G H Z 69, 254, 257f.; B G H Z 82, 50, 61; B G H Z 100, 353, 358; Staudingerl Busche vor §§398 ff. B G B Rn. 153 f.; Palandt/Heinrichs % 398 B G B Rn.37; Schimansky/Bunte/Lwowski/Martinek, Bankrechtshandbuch, §102 Rn. 43 ff.; Ebenroth/Bou-
132
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
komme, 98 werde durch eine erfüllungshalber abgetretene Forderung gesichert. Hinzukommt, daß die treuhandrechtlichen Elemente bereits in der Rahmenvereinbarung zur Geltung kommen. Gegen eine Einordnung als Darlehensvertrag spricht freilich, daß die Bonitätshaftung des Zedenten, die von dieser Auffassung als Darlehensrückzahlungspflicht gesehen wird, nur ausnahmsweise eintritt und deshalb nicht die Rechtsnatur des Einzelvertrages bestimmen k a n n . " Deswegen ist auch hier zutreffend vom Vorliegen eines Kaufvertrages auszugehen. 100 Der Einzelvertrag bildet lediglich die causa für den Austausch von Forderung und Kaufpreis, die Tragung des Bonitätsrisikos durch den Kunden bildet eine gewährleistungsrechtliche Sonderabrede.
2. Verträge mit untergeordneten
Treuhandbestandteilen
Ein Beispiel für einen von der Rechtspraxis entwickelten typengemischten Vertrag mit nur untergeordnetem treuhandrechtlichem Anteil ist der Zuliefervertrag, wie er vor allem in der Automobilindustrie vorkommt. 101 Er wird durch den Leistungsaustausch zwischen Zulieferer und Abnehmer (Werklieferungsvertrag) geprägt. 102 Gleichwohl hat der Zuliefervertrag auch eine treuhandrechtliche Komponente. Diese liegt jedoch nicht schon darin, daß der Zulieferer für den Abnehmer und nach Vorgaben des Abnehmers produziert und deshalb dessen Interessen wahrnimmt. 1 0 3 Auch ein Schuhmacher stellt Schuhe nach Maßgabe des Kunden her und wird deswegen nicht vom Werkunternehmer (Leistungsaustausch) zum Geschäftsbesorger oder Treuhänder, 104 weil er im Austauschverhältnis seine eigenen Interessen verfolgt. Auch hat der Zulieferer nicht über den Leistungsaustausch hinausgehende Interessen des „Gesamtzusammenhangs" aus mehreren Zulieferern und einem Abnehmer zu wahren, die „gleichgerichtet zusammenwirken". 105 jong/Joost/Wagner, Bankrecht, R n . V 8; Staub/Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 1655 und 1686; Gerhardt J Z 1986, 736, 740; Roth Jura 1979, 297, 298; Serick N J W 1981, 794; Canaris N J W 1981,249,251. 98 Ebenroth/Boujong/Joost/Wagner, Bankrecht, R n . V 2; Hellner/Steuer, Bankrecht, Rn. 13/4. 99 Blaurock Z H R 142, 325,340. 100 Hellner/Steuer, Bankrecht, Rn. 13/29; Blaurock Z H R 142, 325, 340. 101 Mendius/Wendeling-Schröder, Zulieferer, S. 12. 102 EnstbalerNJW 1994, 817, 819; Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge, S. 150. 1 0 3 So jedoch Saxinger, Zulieferverträge, S. 155 f. 1 0 4 Etwas anderes würde nur gelten, wenn man mit der sogenannten „Einheitstheorie" jeden Dienst- oder Werkvertrag zugleich als Geschäftsbesorgungsvertrag auffassen würde. Zur Kritik daran unten § 8 12 b. 1 0 5 So aber wohl Rohe, Netzverträge, S. 385 f., dem lediglich zuzugeben ist, daß sich dieser Zusammenhang in der Weise auswirken kann, daß sich der einzelne Zulieferer im Austauschverhältnis erhöhten Schadenersatzrisiken aussetzen mag.
§7.
Treuhand als Wahrnehmung
fremder
Interessen
133
Am Beispiel des Zuliefervertrages wird auch deutlich, daß die Einordnung Martineks,106 der den Geschäftsbesorgungsvertrag als „Subordinations vertrag" sehen will, fehlgeht, weil zum einen nicht jede Substitution bei der Interessenwahrnehmung auch zur Subordination des Treuhänders führt und zum anderen nicht jedes Rechtsverhältnis, in dem ein Teil sich völlig den Weisungen des anderen Teils unterwerfen muß, dadurch zum Treuhandvertrag wird, wie schon das Beispiel des Arbeitsvertrags zeigt, der zuvorderst ein Dauerschuldverhältnis mit Austauschcharakter darstellt. Entscheidend kommt es nicht auf die Subordination einer Vertragspartei unter die andere an, 107 sondern auf die "Wahrnehmung der Interessen einer Vertragspartei durch die andere (Substitution). Der Zulieferer produziert jedoch im eigenen Interesse, weil er die Produkte verkaufen will. Daß ein Produzent sich dabei an den Vorgaben seines oder seiner Abnehmer orientiert, dürfte sich von selbst verstehen. Es ist allerdings durchaus denkbar und regelmäßig üblich, daß der Zulieferer bestimmte Interessen des Abnehmers insofern wahrnimmt, als er selbst die Qualitätskontrolle und deren Dokumentation vornimmt und damit den Abnehmer von der Eingangskontrolle freistellt,108 die dieser nicht nur freiwillig vorzunehmen hätte, sondern zu der er aufgrund seiner Untersuchungs- und Rügepflicht aus § 377 H G B ansonsten verpflichtet wäre. § 377 H G B bürdet dem Handelskäufer also besondere Obliegenheiten auf, die im Zuliefergeschäft in der Regel dem Zulieferer zur Wahrnehmung übertragen werden. Hierzu bedarf es freilich keiner teleologischen Reduktion der §§377ff. HGB, mit dem Argument, daß diese Normen der Kostensenkung und Temposteigerung dienen, die bei der in der Zulieferung üblichen Vorgehensweise Konstruktion besser erreicht werden könne. 109 Vielmehr überträgt110 der Handelskäufer seine Obliegenheiten zur Wahrnehmung auf einen Treuhänder, der gleichzeitig auch der
106 StaudingerlMartinek §675 B G B R n . D 88; Martinek, Vertragstypen III, S.304; genauso Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 72 f., der genauso wie Saxinger, Zulieferverträge, S. 148 ff. eine Parallele zum Franchising ziehen möchte, aber den Unterschied zwischen einer Verpflichtung zur Absatzförderung, § 6 7 5 Abs. 1 B G B , und zur Lieferung von Waren, die freilich zuvor produziert werden müssen, § 433 Abs. 1 B G B , verkennt. 107 Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge, S. 151: „Der Zulieferer hat sich [...] weitgehend unterzuordnen. Dies hat jedoch nicht zur Folge, daß die betreffenden Organisationsaufgaben eine Tätigkeit im fremden Interesse darstellen; es handelt sich vielmehr um Vorbereitungsmaßnahmen, die zur Durchführung des Leistungsaustauschs in der gewünschten Form erforderlich sind.". 108 Ygj ^ f e r 2 ) Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 253; Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge, S. 34; Martinek, Vertragstypen III, S. 303; Saxinger, Zulieferverträge, S. 40 f.; Steinmann BB 1993, 873; Steckler BB 1993, 1225; das Machtmittel des Zulieferers ist hierbei der bloße Besitz der zu kontrollierenden Stücke. 109 So jedoch Rohe, Netzverträge, S. 400 ff.; Zirkel VersR 1990, 1092, 1093; Lehmann BB 1990,1849,1852 f. 110 Die Rügepflicht wird deshalb nicht nur abbedungen, so jedoch offenbar Martinek, FS Jahr, 325 ff.
134
Teil 2: Das Treuhandverhältnis im geltenden Deutschen Schuldrecht
Verkäufer ist, und der diese Kontrollen besonders sachkundig vornehmen und effektiv in seinen Produktionsverlauf eingliedern kann. Diese Interessenwahrnehmung korrespondiert dann mit treuhandüblichen Pflichten des Treuhänders zu Information und Dokumentation 111 beziehungsweise dem Recht des Treugebers zu Kontrolle, der dann die Dokumentation und einige Stücke kontrolliert, nicht jedoch um seiner Obliegenheit zu genügen, sondern um seinen Treuhänder zu kontrollieren, ob dieser die übertragenen Interessen auch sachgerecht wahrnimmt. Diese Pflichtenstruktur ist keineswegs eine „netzspezifische Pflichtengestaltung", sondern läßt sich ohne die kritikwürdige 112 Einordnung der Zuliefer- oder just in time Produktion als „Hierarchischer Netzvertrag" erreichen. 113
111 112 113
Kreifels Z I P 1990,489,494; Quittnat BB 1989 571, 572. Dazu unten §101 abb. So jedoch Rohe, Netzverträge, S. 384 ff.
§8. Gesetzliche Regelungen von Treuhandverhältnissen I. § 675 Abs. 1 BGB als treuhandrechtliche Generalnorm 1.
Allgemeines
Das deutsche Zivilrecht kennt mit § 675 Abs. 1 BGB eine Art „treuhandrechtliche Generalnorm".1 Sie ist der Kern eines allgemeinen Treuhandrechts,2 eines Allgemeinen Teils, der inzwischen durch §§ 676a ff BGB zaghaft und ganz unvollständig um einen besonderen Teil ergänzt worden ist. Ein Treuhandvertrag ist in der Diktion des Bürgerlichen Gesetzbuches, soweit es an einer speziellen Regelung fehlt und die Interessenwahrnehmung entgeltlich erfolgt, demnach ein Geschäftsbesorgungsvertrag. Bei Unentgeltlichkeit liegt ein Auftrag vor. Die vielfach3 aufgestellte Behauptung, die Treuhand habe im Bürgerlichen Gesetzbuch keine Regelung erfahren, ist demnach unzutreffend. Sie mag von einer Sichtweise des Treuhandrechts unter dem Blickwinkel des „Treuhänderproblems" oder einer unzutreffenden Sichtweise des Treuhandverhältnisses herrühren. Außerdem ist sie begünstigt durch dogmatische Unsicherheiten des Gesetzgebers selbst, der den Geschäftsbesorgungsvertrag nicht in das Schuldrechtssystem einzuordnen wußte und von der Treuhand zeitbedingt nur eine allzu vage Vorstellung hatte.4 Treuhandvertrag und Geschäftsbesorgungsvertrag verhalten sich so zueinander, daß Treuhandvertrag der weitere Begriff ist, der sämtliche vertragliche Treuhandverhältnisse umfaßt, Geschäftsbesorgungsverträge nach § 675 Abs. 1 BGB und speziell geregelte Treuhandverträge. Als Treuhandverhältnisse wiederum sollen vertragliche Treuhandbeziehungen und Treuhandbeziehungen 1
Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt übrigens nicht für alle schuldrechtlichen Grundformen eine „Generalnorm". Bei der Grundform des Leistungsaustauschs existiert beispielsweise eine solche „Generalnorm", ein Allgemeiner Teil der Grundform neben dem Allgemeinen Teil des Schuldrechts mit Regelungen für den Austausch beliebiger Leistungen, nicht. Hier ist dann ohne weiteres § 305 BGB zu bemühen. 2 Verfehlt insofern StaudingerlMartinek § 675 BGB Rn. A 41 f., der sämtliche Geschäftsbesorgungsverträge als „Subordinationsverträge" einordnen will; kritisch Wellenhofer-Klein, Zulieferverträge, S. 150 f. insbesondere Fn.29. 3 Vgl. nur Asmus, Grundlagen, S.281; Coing, Treuhand, S. 13 und 16; Grundmann, Treuhandvertrag, S.28. 4 Dazu oben §3.
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
kraft gerichtlicher Entscheidung (z.B. Vormundschaft, Betreuung, Insolvenzverwaltung) oder kraft Gesetzes (z.B. elterliche Sorge, Organschaft bei Personengesellschaften, Schlüsselgewalt) bezeichnet werden. Zudem kennt unser Recht auch Treuhandverhältnisse aufgrund einseitiger Bestellung, etwa die Einsetzung eines Vorerben im Verhältnis zum Nacherben oder die Bestellung des Testamentsvollstreckers, auch wenn dieser das Amt annehmen muß, § 2202 BGB.
2. Einordnung
des
Geschäftsbesorgungsvertrags
Die Sichtweise des Geschäftsbesorgungsvertrags als Treuhandvertrag ergibt sich aus einer Einordnung der Geschäftsbesorgung in das Schuldrechtssystem im Lichte von Beyerles Grundformentrias. a) Zurücktreten austauschvertraglicher
Elemente
Das Gegenüberstehen von Interessenwahrnehmung und Entgelt darf zunächst nicht dazu verleiten, den Geschäftsbesorgungsvertrag als Austauschvertrag etwa dem Kaufvertrag gleichzusetzen.5 In der Tat enthält der Geschäftsbesorgungsvertrag Elemente des Leistungsaustauschs. Gleichwohl unterscheidet sich, wie geschildert, die Interessenverkettung der Vertragsparteien erheblich,6 stehen sich doch beim Austauschvertrag die Interessen der Parteien isoliert gegenüber, während bei der Treuhand das Interesse eines Vertragspartners Vertragsgegenstand wird und lediglich beim Aushandeln der Vergütung jede Partei isoliert ihre eigenen Interessen wahrnimmt und wahrnehmen darf.7 Auch ein Gesellschaftsvertrag enthält austauschvertragliche Elemente, ohne dadurch zum Austauschvertrag zu werden,8 weil bei ihm sogar Interessen aller Vertrags5
1246.
Vgl. auch Ulmer, Vertragshändlervertrag, S.266; anders offenbar Koller Z I P 1985,1243,
6 Beim Aushandeln des Vertrages, übrigens auch eines Interessenbündelungsvertrages = Gesellschaftsvertrages, besteht immer ein Interessenantagonismus, die Bedingungen und Klauseln wird etwa jeder Gesellschafter so günstig wie möglich gestalten wollen, auch wenn allen Vertragspartnern klar ist, daß sie - auf der dann gefundenen Basis - gemeinsam in die gleiche Richtung gehen wollen. Das ist auch bei der Treuhand so. In der Tat werden die Vertragsparteien über die Vergütung und über Grad und Reichweite der Interessenwahrungspflicht verhandeln und in diesem Stadium jeder selbst die antagonistischen Interessen wahrnehmen. Aber wenn der Vertrag dann geschlossen worden ist, so entsteht eine andere Interessenverkettung als bei Kauf oder Miete. Der Geschäftsbesorger ist also, wenn auch gegen Entgelt, zuerst zur Wahrung oder Förderung fremder Interessen verpflichtet, vgl. Staudingerl Martinek § 675 B G B Rn. A 42. 7 Vgl. für Organe von Kapitalgesellschaften GK-AktG/Ho/>£ §93 A k t G Rn. 160; K K AktG/Mertens § 93 A k t G Rn. 70. 8 Soergel/Wiedemann § 320 B G B Rn. 5 und 23.
§ 8. Gesetzliche Regelungen von
Treuhandverhältnissen
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partner Vertragsgegenstand werden. Dahinter tritt das austauschvertragliche Element - anders als bei den Austauschverhältnissen, die sich im Leistungsaustausch erschöpfen - jeweils zurück und darf nicht dazu verleiten, Treuhand als den Verkauf von Serviceleistungen anzusehen. 9 Aus dieser austauschvertraglichen Seite der Treuhand ergibt sich jedoch, daß der Treuhänder nicht befugt ist, unmittelbar oder mittelbar seine Stellung zur Erhöhung seiner Vergütung zu gebrauchen, weil ihm dieser Teil der Treugeber-Interessen nicht zur Wahrnehmung übertragen wurde, sondern vertraglich oder gesetzlich festgeschriebener Bestandteil des Treuhandverhältnisses ist. Der Gesetzgeber wird auch deshalb den Auftrag als Vertrag über gegenleistungsfreie Interessenwahrnehmung ausführlich geregelt und in § 675 Abs. 1 B G B für die entgeltliche Geschäftsbesorgung nur in das Auftragsrecht verwiesen haben, weil er diesen Unterschied in der Interessenverkettung erkannt haben mag - beim Auftrag findet kein Leistungsaustausch statt. Vor allem konnte sich der Gesetzgeber, genauer gesagt die zweite Kommission, jedoch wegen eines „sklavischen Festhaltens am römisch-gemeinen Recht" 1 0 nicht von der Unentgeltlichkeit des mandatum 11 nach gemeinrechtlicher Doktrin lösen. Hier war allenfalls bei „höheren Diensten" ein Honorar 1 2 geschuldet, das jedoch nicht als Gegenleistung in Form einer Bezahlung, sondern als Anerkennung für die Bemühungen gedacht war. Der erste Entwurf hatte hingegen noch einen Auftrag vorgesehen, der das Unentgeltlichkeitsmerkmal nicht voraussetzte, § 585 B G B - E I . In §675 Abs. 1 B G B , den die zweite Kommission nach der Ergänzung des Auftrags um die Unentgeltlichkeit als § 603a B G B - E II einfügte, wird jedoch eine Gegenleistung zugelassen, so daß die N o r m als eine Art Offnungsklausel für sich ändernde oder längst veränderte soziale Bedingungen fungieren konnte, ohne daß dem Gesetzgeber die Abgrenzung des entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages von Auftrag, Dienst- oder Werkvertrag hinreichend klar gewesen sein mußte. Der Gesetzgeber hat deshalb bewußt keine Entscheidung getroffen und es der Rechtswissenschaft überlassen, die Stellung des Geschäftsbesorgungsvertrages im Schuldrechtssystem zu ermitteln. 13 Diese Einordnung ist bis heute nicht schlüssig gelungen.
9 10 11 12 13
Zutreffend Heße N J W 2002,1835,1838 für den Makler. Honseil, Römisches Recht, 2. Aufl., S. 140. Ausgangspunkt war D. 17,1,1,4: mandatum nisi gratuitum nullum est. Vgl. nur Erman/Ebmann vor § 662 BGB Rn. 6. Vgl. Prot. II S.377; genauso schon Mot. II, S. 526 f. zum entgeltlichen Auftrag aus BGB-
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden
b) Geschäftsbesorgung, Dienstvertrag,
Deutschen
Schuldrecht
Werkvertrag und Auftrag
Unbestritten ist, daß der Dienstvertrag, §§ 611 ff. BGB, eine erfolgsbezogene Tätigkeit gegen Entgelt regelt, während der Werkvertrag, §§ 631 ff. BGB, das Erreichen eines Erfolges (Werkes) gegen Entgelt zum Gegenstand hat. § 675 Abs. 1 BGB stellt Regelungen für Dienst- oder Werkverträge auf, „die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben", und verweist für diese Verträge in das Auftragsrecht. Unklar ist, ob und gegebenenfalls wie sich diese Verträge von gewöhnlichen Dienst- und Werkverträgen unterscheiden, was also eine „Geschäftsbesorgung" im Sinne des § 675 Abs. 1 BGB darstellt. Den Auftrag hat die zweite Kommission 14 als unentgeltliches Pendant zu diesen Verträgen bezeichnet, wie auch der Kauf in der Schenkung und die Miete in der Leihe ihre unentgeltliche Entsprechung habe. 15 Geschäftsbesorgung im Sinne des § 662 BGB kann nach allgemeiner Auffassung 16 jede erlaubte Tätigkeit sein. aa) Einheitstheorie Aufgrund der in § 675 Abs. 1 BGB angeordneten weitreichenden Anwendbarkeit des Auftragsrechts wird vertreten, daß der sehr weit zu fassende Begriff der Geschäftsbesorgung in § 662 BGB (und übrigens auch in § 677 BGB) auch für § 675 Abs. 1 BGB gelte (sog. Einheitstheorie). 17 Für diese Auffassung spricht die Einheitlichkeit der Terminologie des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Das hätte freilich zur Folge, daß jeder Dienst- und Werkvertrag auch eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hätte, also ein Geschäftsbesorgungsvertrag wäre. Davon wird man jedoch nicht ausgehen können, denn die Einschränkung „der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat" in § 675 Abs. 1 BGB wäre in diesem Fall völlig überflüssig. Man darf einem Gesetzgeber jedoch nicht ohne weiteres unterstellen, überflüssige Tatbestandsmerkmale eingeführt zu haben 18 und wird deshalb nicht bereits jede erlaubte entgeltliche Tätigkeit als Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 Abs. 1 BGB ansehen können. Eine andere Möglichkeit, die Einheitlichkeit des Begriffs der Geschäftsbesorgung zu wahren, wäre es, umgekehrt den Begriff der Geschäftsbesorgung nicht nur in § 675 Abs. 1 BGB, sondern auch in § 662 BGB enger zu verste-
Prot.IIS.352. Staudinger/Wittmann vor §§ 662 ff. BGB Rn. 4. 16 Vgl. nur BGHZ 56, 204, 207; Soergel/Beuthien § 662 BGB Rn. 8; Erman/Ehmann vor §662 BGB Rn. 16; MünchKomm/Sez7er § 662 BGB Rn. 12; Staudinger/Wittmann vor §662 BGB Rn. 9; Enneccerus/Lehmann § 160 13. 17 Isele, Geschäftsbesorgung, S. 95 ff.; Lenel AcP 129, 1, 8 ff.; Staudinger/Nipperdey, 11. Aufl., §675 BGB Rn.2ff.; MünchKomm/Sez'/er, §675 BGB Rn.2ff. 18 In diesem Sinne auch Staudinger/Martinek § 675 BGB Rn. A 17. 14
15
§ 8. Gesetzliche Regelungen von
Treuhandverhältnissen
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hen. 19 Problematisch an dieser Auffassung ist jedoch bereits, daß man damit dem Dienst- und Werkvertrag sein vom Gesetzgeber vorgesehenes unentgeltliches Pendant nähme. Spätestens bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, die in § 677 BGB ebenfalls von Geschäftsbesorgung spricht, muß eine solche Konzeption jedoch scheitern, denn hier ist ein ganz umfassender Begriff der Geschäftsbesorgung erforderlich, u m einen billigen Ausgleich zwischen Helfer und Begünstigtem zu erreichen. bb)
Trennungstheorie
Eine andere, als ganz herrschend zu bezeichnende Auffassung 2 0 geht davon aus, daß es keinen einheitlichen Begriff der Geschäftsbesorgung im Bürgerlichen Gesetzbuch gebe. Die Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 Abs. 1 BGB sei kein entgeltlicher Auftrag, sondern ein Dienst oder Werkvertrag, dem eine bestimmte Besonderheit innewohne, die ihn von gewöhnlichen Dienst- und Werkverträgen unterscheide und insbesondere die weitreichende Anwendung von Auftragsrecht rechtfertige (sog. Trennungstheorie). Die Trennungstheorie definiert den Begriff der Geschäftsbesorgung in § 675 Abs. 1 BGB anders, nämlich enger als in §§ 662, 677 BGB. Seiler21 sieht in dem Begriff „Geschäftsbesorgung" die abgekürzte Ausdrucksweise für ein Rechtsverhältnis, das die Anwendung der §§ 663, 665-670, 672-674 BGB notwendig mache, weil sie zu einem sachgerechten Ergebnis führe. Er kennt also keine feste Definition des Begriffes der Geschäftsbesorgung in § 675 Abs. 1 BGB. Es komme allein auf die „Angemessenheit" an, die besonders wichtig für die Bildung des Typus der Geschäftsbesorgung sei. Diese Auffassung führt oftmals zu brauchbaren Ergebnissen, kann jedoch den Typus des Geschäftsbesorgungsvertrages im Sinne des § 675 Abs. 1 BGB nicht in das vertragliche Typenspektrum einordnen, weil sie ihm, anders als anderen Vertragstypen, keine charakteristischen Eigenheiten zuschreibt, sondern lediglich als Billigkeitsfigur ansieht. Die ganz überwiegende Auffassung kennt im Gegensatz zu Seiler einen festen Begriff der Geschäftsbesorgung in § 675 Abs. 1 BGB. Der Bundesgerichtshof 2 2 etwa arbeitet mit der gängigen Definition der „selbständigen Tätigkeit wirtschaftlichen Charakters im Interesse eines anderen innerhalb einer fremden wirtschaftlichen Interessensphäre". Fraglich ist freilich, woher die in dieser Definition enthaltenen Kriterien „Tätigkeit", „Selbständigkeit", „wirtschaftlicher 19 So eine heute wohl nicht mehr vertretene Auffassung, vgl. Dnistrjanskyj ]her]JS 77,49 f. und 60 ff.; Lent, Geschäftsbesorgung, S. 1 ff.; Lotmar, Arbeitsvertrag I, S.275 und 281. 20 Vgl. Staudinger/Martinek §675 BGB Rn. A 15 ff.; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 1641; Larenz Schuldrecht II/l § 56 V; Medicus Schuldrecht II Rn. 195. 21 MünchKomm/Sez/er § 662 BGB Rn. 13 f. 22 Zitat nach BGH DB 1959,168.
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im geltenden Deutschen
Schuldrecht
Charakter" und „fremdes wirtschaftliches Interesse" schlüssig abgeleitet werden können, gibt doch der Wortlaut des § 675 B G B genauso wenig wie die systematische Stellung oder die Entstehungsgeschichte der Norm sichere Hinweise darauf, nach welchen Kriterien Dienst- und Werkverträge, die „eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand" haben, von anderen Dienst- und Werkverträgen abzuschichten sind. Außerdem ist zu bedenken: Bestimmte Pflichten des Auftragnehmers, etwa die Auskunfts- oder Rechnungslegungspflicht, §§666, 667 B G B , werden beispielsweise auch nahezu jeden Werkunternehmer treffen, ist doch der Auftrag nach dem Willen des Gesetzgebers nur das unentgeltliche Pendant zu diesen Vertragstypen. Dann aber erscheint die Anwendbarkeit dieser Normen nur auf bestimmte (entgeltliche) Dienst- oder Werkverträge kraft der Verweisung in § 675 Abs. 1 B G B nicht sachgerecht. Die andere Möglichkeit wäre es, diese Regeln aus dem Auftragsrecht immer nur dann anzuwenden, wenn der Vertrag eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (was auch immer damit gemeint sein mag). Dann wäre der Auftrag jedoch nicht mehr das unentgeltliche Pendant zu sämtlichen „Tätigkeitsverträgen", oder man müßte mit einer bereits oben erörterten und abgelehnten Auffassung dem Merkmal der Geschäftsbesorgung in § 675 Abs. 1 B G B seine kritische Funktion absprechen. Denkt man weiter, so erscheint die Einordnung des Auftrags als unentgeltliches Pendant zu sämtlichen Tätigkeitsverträgen allerdings in der Tat fragwürdig. Der Gesetzgeber mag dem Auftrag zwar diese Funktion zugewiesen haben, angesichts der Regelungen der §§662 ff. B G B drängt sich diese Stellung des Auftrags im Typengefüge allerdings nicht ohne weiteres auf. Es ist nämlich nicht einzusehen, daß die Unentgeltlichkeit einer Leistung zur Anwendung eines inhaltlich völlig anderen Normenkomplexes als jenes Normenkomplexes, der für die entgeltliche Leistung gilt, führen muß. Der entgeltlich handelnde Werkunternehmer wird - wie erörtert - im Zweifel genauso auskunfts- und rechenschaftspflichtig (vgl. §§ 666,667 B G B ) sein wie der Auftragnehmer, der sich zur unentgeltlichen Erstellung eines Werkes verpflichtet hat. Umgekehrt scheint sich vor allem auch bei der unentgeltlichen Erstellung eines Werkes die Anwendung bestimmter Gewährleistungsregeln aus dem Werkvertragsrecht, vor allem des Rechtes der zweiten Andienung aus §§ 634 Nr. 1,635 B G B zur Vermeidung einer sofortigen Haftung aus § 280 Abs. 1 B G B bei Erstellung eines mangelhaften Werkes, und die Anwendung der kurzen Verjährungsfristen aus § 634a B G B für die Haftung des Werkunternehmers, aufzudrängen. 23 Vergleicht man die Regelungen zu entgeltlicher und unentgeltlicher Veräußerung, also zu Kauf und Schenkung, so entdeckt man dort in der Tat eine wesentliche stärkere Strukturgleichheit als zwischen entgeltlicher und unentgeltlicher Tätigkeit, also zwischen Dienst- und vor allem Werkvertrag und Auftrag. So 23
Gleiches mag für §§ 647,648 BGB erwogen werden.
§ 8. Gesetzliche Regelungen
von
Treubandverhältnissen
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bestehen in §§ 523, 524 B G B beispielsweise Regelungen zu Rechts- und Sachmängeln, die nach Regelung einiger Abweichungen in das Kaufrecht verweisen, § 523 Abs. 2 Satz 2,524 Abs. 2 Satz 3 B G B . Andere Regelungen des Schenkungsrechts wie etwa die Anordnung notarieller Form, § 518 Abs. 1 B G B , die Gewährung der Notbedarfseinrede des Schenkers, §519 B G B , das Haftungsprivileg, §521 B G B , die Gewährung eines Rückforderungsrechts bei Verarmung des Schenkers, §§ 528 f. B G B , oder die Gewährung eines Widerrufsrechts bei grobem Undank des Beschenkten, §§530 ff. B G B , ziehen ihre Rechtfertigung gerade aus der Unentgeltlichkeit der Veräußerung. Eben diese Aussage kann man über die Regelungen der §§662 ff. B G B im Vergleich etwa zu §§631 ff. B G B nicht treffen.
c) Eigene Lösung aa) Anwendung der Grundformentrias
Beyerles
Es läßt sich nach Gesagtem auf Grundlage der vom Gesetzgeber selbst als entwicklungsbedürftig empfundenen Regelung des § 675 Abs. 1 B G B keine völlig schlüssige, mit dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes in widerspruchsfreien Zusammenhang zu bringende Lösung entwerfen. Das mag daran liegen, daß der Gesetzgeber historischen Zwängen verhaftet war (mandatum) und ihm vor allem lediglich ein unpräzises und unvollständiges schuldrechtliches Grundformensystem zur Verfügung stand. Iherings Grundformenkatalog, der den Verfassern des B G B bekannt gewesen sein dürfte, nämlich kannte außer der societas und dem egoistischen „Tauschcontract" als dritte Grundform noch nicht die Treuhand, sondern lediglich die verwandte Form der „Selbstverleugnung" vor allem in Form der Schenkung, bei der das fremde Interesse auf Kosten des eigenen Interesses gewollt werde. 24 Als Grundvoraussetzung für die Selbstverleugnung erscheint die unentgeltliche Verpflichtung einer Vertragspartei. Möglicherweise hat eine bewußte oder unbewußte Rezeption dieses Rasters auch Grundmann zu seinem schenkungsnahen Treuhandmodell 25 geführt, weil er sich offenbar genausowenig wie der Gesetzgeber eine bezahlte oder entgeltliche Selbstverleugnung vorstellen kann. Die Offenheit des Gesetzes, der Auftrag des Gesetzgebers an die Rechtswissenschaft und die Fruchtlosigkeit anderer Erkenntnismethoden gestatten es, auf Grundlage des neueren Grundformensystems Beyerles eine eigene Lösung zu entwickeln. Hiernach erscheinen Dienst- und Werkvertrag als Typen der Grundform des Leistungsaustauschs, während der Geschäftsbesorgungsvertrag als Typus der Grundform „Treuhand" erscheinen muß, der zeitbedingt nicht eingehend, sondern nur durch eine Verweisung auf Regelungen des Auf24 25
Ibering, Zweck 1, S. 124 Dazu eingehend unten § 8 15.
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis im geltenden Deutschen Schuldrecht
trags und des Dienst- und Werkvertrages geregelt worden ist. „Der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat" ist also nicht das Unterscheidungskriterium zwischen verschiedenen Typen des Leistungsaustauschs, sondern markiert vielmehr das Vorliegen einer ganz anderen schuldrechtlichen Grundform, deren Regelungen sich nach dem Willen des Gesetzgebers aus der Zusammenschau verschiedener Normkomplexe (§§611 ff., 631 ff., 662 ff. B G B ) ergeben sollen. Keine Rolle spielt es, daß in die genannten Austauschverhältnisse im Einzelfall Elemente aus dem Treuhandrecht, etwa die Rechnungslegungspflicht, und in die Geschäftsbesorgung austauschvertragliche Elemente, etwa die Tätigkeit gegen Entgelt, hineinspielen, so daß die jeweilige Grundform in Geschäftsbesorgung, Dienst- und Werkvertrag lediglich jeweils überwiegt, aber kaum jemals „formenrein" vorhanden sein wird. Auch ein Gesellschaftsvertrag nach §§705 ff. B G B trägt synallagmatische Züge, ohne deshalb gleich unter die Grundform des Leistungsaustauschs zu fallen. 26 Gerade diese Vermischungen machen es jedoch erforderlich, die Strukturen der einzelnen Grundformen sicher zu beherrschen. bb) Auftrag und Geschäftsführung
ohne
Auftrag
Problematisch gestaltet sich hiernach allerdings die Einordnung von Auftrag und Geschäftsführung ohne Auftrag. Diese Schuldverhältnisse, die wohl der Iheringschen Grundform der „Selbstverleugnung" angehören dürften, werden nicht allein durch ihre Unentgeltlichkeit zu Treuhandverhältnissen. Ihering (und mit ihm das B G B ) mag ganz einfach die unentgeltlichen Pendants der „Tauschcontracte" als „Selbstverleugnungscontracte" eingeordnet haben. In Wahrheit sind sie nichts anderes als unvollständige oder kupierte Austauschverhältnisse, in denen ein Teil auf die übliche Gegenleistung verzichtet und also insoweit seinen Egoismus zurückstellt. Treuhand verlangt jedoch mehr, nämlich die Wahrung fremder Interessen kraft einer dazu verliehenen Macht, die Substitution des Treugebers durch den Treuhänder. Der Schenkende ist nicht zur Wahrung fremder Interessen verpflichtet, er verzichtet nur auf die Wahrung seines eigenen Gegenleistungsinteresses. Überdies hat er keine Macht zum Zugriff auf den Interessenkreis des Beschenkten. Gleiches gilt für die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung in Form der Leihe, §§ 598 ff. B G B . Der Auftrag erscheint nach dem Willen des Gesetzgebers gleichermaßen als unentgeltliche Form des Geschäftsbesorgungsvertrags (als Treuhandvertrag) und des Dienst- und Werkvertrags (als Leistungsaustauschvertrag). Entsprechendes gilt für die Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Gesetzgeber, dem die bis heute unverändert zutreffende Grundformenlehre Beyerles noch unbekannt 26
Soergel/Wiedemann § 320 BGB Rn. 5 und 23.
§ 8. Gesetzliche Regelungen von
Treuhandverhältnissen
143
war, hat diesen Vertragstyp also nicht grundformenrein gestaltet. Das ist auch die Ursache dafür, daß sich die erstrebenswerte Einheit der Begrifflichkeit bei dem Begriff der Geschäftsbesorgung nicht erreichen läßt. Es sind also zwei verschiedene Formen des Auftrags zu unterscheiden: Der „Dienst- oder Werk-Auftrag" als kupierter Leistungsaustausch und der „Geschäftsbesorgungs- oder Treuhand-Auftrag" als gegenleistungsfreie Interessenwahrnehmung. Es ist Aufgabe der vom Gesetzgeber erbetenen Rechtsfortbildung, diese beiden Formen zu unterscheiden und die jeweils geltenden Normen zu ermitteln. Insbesondere wird man beim kupierten Leistungsaustausch-Auftrag nach dem Vorbild des Schenkungsrechts zusätzlich verstärkt Normen aus dem entgeltlichen Pendant, also aus §§611 ff. und 631 ff. B G B , heranziehen müssen. 27 Analog wird bei der Geschäftsführung ohne Auftrag vorzugehen sein, nur daß hier eine „Treuhand-Geschäftsführung ohne Auftrag" nur selten denkbar sein wird, weil der auftragslose Geschäftsführer in den seltensten Fällen mit Machtbefugnissen ausgestattet sein wird. Hat er treuhänderische Macht, so liegt in einem Uberschreiten der Befugnisse „aus guten Gründen" keine Geschäftsführung ohne Auftrag, sondern ein gerechtfertigter, ja erwünschter Machtmißbrauch des Treuhänders. Eine Geschäftsführung ohne Auftrag ist also nur denkbar, soweit treuhänderische Machtmittel anzuerkennen sind, die sich der Geschäftsführer ohne Auftrag ohne Mitwirkung des Interessenträgers verschaffen kann. 2 8 Das ist nur bei rein tatsächlichen Machtpositionen möglich, etwa bloßem Besitz an einem Gegenstand oder „Wissenspositionen", die sich der Geschäftsführer eigenmächtig verschaffen kann.
3. Die gängige Definition im Lichte der neuen Ergebnisse Im Lichte dieser Erörterungen ist nunmehr zu prüfen, ob und inwiefern die gängige Definition der Geschäftsbesorgung als einer „selbständigen Tätigkeit wirtschaftlichen Charakters im Interesse eines anderen innerhalb einer fremden wirtschaftlichen Interessensphäre" aufrechterhalten werden kann. Zutreffend an der „Geschäftsbesorgungsformel" ist vor diesem Hintergrund das Merkmal „im Interesse eines anderen", das auch Martinek zu Recht als das „wichtigste typologische Qualifikationsmerkmal" der Geschäftsbesorgung ansieht. 29 Hier wird das charakteristische Auseinanderfallen von Interessenträgerschaft und Interessenwahrnehmung angesprochen. In diesen Zusammenhang paßt es auch, wenn der Gesetzgeber trotz seiner Unsicherheit die Auffassung 2 7 In diesem Sinne etwa - mit anderen Gründen - Staudinger/Peters Rn. 38. 2 8 Dazu unten § 9 II. 29 Staudinger/Martinek § 675 B G B Rn. A 36.
vor §§ 631 ff. B G B
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Deutschen
Schuldrecht
äußert, daß es sich „bei der Geschäftsbesorgung um die Entfaltung einer solchen Thätigkeit [handle], die innerhalb des Rechtsbereichs des Geschäftsherrn vorzunehmen sei". 30 Damit ist, anders als in der „Geschäftsbesorgungsformel", der Umstand angesprochen, daß der Treuhänder und also auch der Geschäftsbesorger aufgrund einer ihm verliehenen Macht im Rechts- und Interessenbereich des Treugebers tätig wird. Diese Macht ist ein Wesensmerkmal der Geschäftsbesorgung. In den besonders geregelten Tatbeständen der Treuhand 31 ist gerade die Verknüpfung eines bestimmten Interessenfelds, das verwaltet werden soll, mit einer bestimmten Macht charakteristisch oder typenbildend. Das muß auch für die Geschäftsbesorgung als Generalklausel der Treuhand gelten. Hiergegen spricht nicht der Umstand, daß § 675 Abs. 1 BGB die Macht des Treuhänders nicht ausdrücklich erwähnt. Jedenfalls der Gesetzgeber hat diese Macht jedoch offenbar selbstredend vorausgesetzt, als er von der Geschäftsbesorgung als „Thätigkeit [...] innerhalb des Rechtsbereichs des Geschäftsherrn" gesprochen hat. Ohne entsprechende Macht ist ein Zugriff auf einen fremden Rechtsbereich nämlich überhaupt nicht möglich. Treuhandvertrag und Innehaben einer treuhänderischen Machtposition sind im übrigen zwei Bereiche, die in rechtsdogmatischer Hinsicht völlig unabhängig voneinander zu betrachten sind. Hinweise auf diese Unabhängigkeit, aber auch auf die Treuhandstruktur, finden sich jedoch beispielsweise bei der Regelung der Vertretungsmacht, wenn § 168 Satz 1 BGB von einem der Vollmachtserteilung „zugrundeliegenden Rechtsverhältnis" spricht und damit vor allem auch das Treuhandverhältnis meint. Mit diesem Dualismus korrespondiert das Merkmal der „Selbständigkeit", also des eigenen Ermessens- und Gestaltungsspielraums des Geschäftsbesorgers bei der Wahrnehmung der fremden Interessen in eigener Verantwortung. 32 An dieser Selbständigkeit ändert die Bindung an Weisungen, §§675 Abs. 1, 665 BGB, oder ausnahmsweise vorhandene zwingende Regelungen nichts, denn der Geschäftsbesorger wird regelmäßig eben deshalb beauftragt, weil er dazu in der Lage ist, innerhalb eines bestimmten Rahmens selbständig und oftmals kompetenter als der Geschäftsherr selbst zu handeln. Es geht bei der Geschäftsbesorgung also um eine lediglich rahmenmäßige Fixierung des geschäftsbesorgerischen Pflichtenprogramms, das dann im Einzelfall konkretisiert werden muß - und zwar mangels Anweisung durch den Geschäftsbesorger selbst. Aufsicht über den Geschäftsbesorger und Weisungsrecht könProt.IIS.377. Dazu unten § 8 II. 32 Vgl. etwa die Formulierung in 4.1.1 (1) des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 21. Mai 2003, wonach der Vorstand der Aktiengesellschaft das „Unternehmen in eigener Verantwortung" leitet; zur Geschäftsführung auch BGHZ 135, 244 (ARAGUrteil); Hachenburg!Mertens § 43 GmbHG Rn. 19; Lutter/Hommelhoff § 43 GmbHG Rn. 6; GK-AktG/Hopt § 93 AktG Rn. 81; Hüffer § 93 AktG Rn. 13a; KK-AktG/Mertens § 93 AktG Rn. 29; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 168 f.; Wiedemann, Organverantwortung, S. 13; Heermann ZIP 1998, 761; Horn ZIP 1997,1129,1133 ff.; Henze NJW 1998,3309,3310. 30 31
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nen in bestimmten Fällen, wenn der Treugeber diese Funktion nicht ausüben kann, besonderen Aufsichtsorganen wie dem Vormundschaftsgericht, dem Familiengericht, dem Insolvenzgericht, einem Aufsichtsrat oder Mittreuhändern übertragen sein. Problematisch ist das Merkmal „Tätigkeit", wenn es mit einer Auffassung ohne weitere Begründung so naturalistisch gesehen wird, daß ein „aktives Tun" 33 gefordert wird und ein bloßes Unterlassen oder Untätigsein nicht ausreichen soll. Zum einen ist es oft nur eine Sache der Sprachfertigkeit, Unterlassungspflichten in Tätigkeitspflichten umzuformulieren, zum anderen kann gerade auch ein Unterlassen im Einzelfall Interessenwahrnehmung sein. Der Begriff „Geschäftsbesorgung" impliziert nicht zwingend ein Tun. Es wird zum Beispiel behauptet, der Zustellungsbevollmächtigte nach der Zivilprozeßordnung sei kein Geschäftsbesorger. 34 Das erscheint fragwürdig, substituiert doch der Zustellungsbevollmächtigte im Bereich der Zustellungen den Zustellungsadressaten. Zutreffend ist an der h.M. hingegen, daß der Geschäftsbesorger sowohl auf rechtsgeschäftlicher, als auch auf tatsächlicher Ebene tätig werden kann. Daß die Tätigkeit des Geschäftsbesorgers im Bereich des Wirtschaftslebens spielen, also „wirtschaftlichen Charakters" sein und eine „fremde wirtschaftliche Interessensphäre" berühren müsse, und so „abgehobene" Bereiche wie Kunst, Musik, Religion, Pädagogik, Wissenschaft oder Heilkunst 3 5 deshalb nicht als Geschäftsbesorgung anzusehen sein sollen, erscheint ebenfalls problematisch. Künstler, Musiker, Lehrer, Wissenschaftler oder Ärzte sind zwar regelmäßig keine Geschäftsbesorger oder Treuhänder. Das liegt aber daran, daß sie mangels entsprechender Macht gewöhnlich nicht in den Rechts- und Interessenkreis ihres Vertragspartners einwirken können. Zuzugeben ist zwar, daß regelmäßig bei der selbständigen Ausübung von Macht eine „Einwirkung auf das Geschäftsherrenvermögen" gegeben sein wird. Es ist dieser Umstand jedoch kein zwingendes Kriterium, so daß die Wahrung höchstpersönlicher Interessen, etwa die Entscheidung über die Vornahme einer Heilbehandlung durch den Betreuer oder Inhaber einer Vorsorgevollmacht, nicht ausgeschieden werden muß. Nicht stichhaltig ist insbesondere das häufig vorgebrachte Argument, daß sich diese Ausscheidung schon aus §§ 666,667 BGB ergebe, die einen wirtschaftlichen Charakter voraussetzten. Auch bei anderen Vertragstypen gibt es Normen, die nicht in allen Fällen greifen. Anders als Martinek meint, ist der wirtschaftliche Bezug also nicht das Abgrenzungsmerkmal der Geschäftsbesorgung in Richtung auf §§ 611 ff., 631 ff. BGB, es ist vielmehr die bestimmte Form der Interessenverkettung und die Interessenwahrnehmung kraft eigener Macht, zu 33
Staudinger/Martinek § 675 BGB Rn. A 24. Isele, Geschäftsbesorgung, S. 121. 35 Kritisch Erman/Ehmann § 667 BGB Rn. 24: Ursache für die Nichtanwendung des § 675 Abs. 1 BGB sei „überholtes standesrechtliches Denken". 34
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
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Schuldrecht
der ein Dienstleister oder Werkunternehmer nicht verpflichtet und in der Lage ist. Die gängige Geschäftsbesorgungsformel ist im Lichte obiger Erörterungen also in Richtung auf ein „Selbständiges Handeln im Interesse eines anderen in dessen Interessensphäre" abzuwandeln; sie kann gleichermaßen auch auf § 362 Abs. 1 H G B übertragen werden. 36 Mit dieser „reduzierten Geschäftsbesorgungsformel" wird das Treuhandcharakteristikum der Fremdinteressenwahrung durch ein alter ego des Treugebers exakt getroffen.
4. Der Treuhandvertrag als Geschäftsbesorgung mit Dienstvertragscharakter Der Regelfall des „allgemeinen" Treuhandvertrags ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter oder, wie sich das Gesetz in § 675 Abs. 1 B G B ausdrückt, ein „Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat". In atypischen Fällen kann freilich auch - wie schon § 675 Abs. 1 B G B zeigt - werkvertraglicher Charakter vereinbart sein. Damit findet sich das einschlägige Normmaterial in §§ 675 Abs. 1, 663, 665 - 670, 671 Abs. 2, 672, 674 und schließlich 611 ff. B G B . Synallagmatische Hauptpflichten des Geschäftsbesorgungsvertrags, hier zeigt die entgeltliche Treuhand ihre austauschvertragliche Seite, sind die selbständige Wahrung bestimmter Interessen oder Belange des Treugebers nach bestimmten Maßstäben im Wege der Machtausübung durch den Treuhänder und die Vergütung dieser Interessenwahrnehmung durch den Treugeber. Dienst- und Werkvertrag unterscheiden sich in der Frage, wer das Risiko des (Nicht-) Eintritts eines bestimmten Erfolges trägt. Beim Dienstvertrag ist es der Dienstherr, beim Werkvertrag der Werkunternehmer. Der Regelfall des Treuhandvertrags ist deshalb der Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter, weil der Geschäftsbesorger oder Treuhänder mit der Interessenwahrnehmung regelmäßig keinen Erfolg schuldet, sondern lediglich eine Interessenwahrnehmung lege artis. Die vertragliche Hauptpflicht etwa des Vermögensverwalters ist nämlich nicht etwa die Vermögensmehrung, 37 genausowenig wie die vertraglich Hauptpflicht des Inkassozessionars die Forderungseinbringung ist. Beide schulden vielmehr lediglich die an bestimmten Maßstäben 3 6 Gemeinhin wird Geschäftsbesorgung im Sinne des § 362 Abs. 1 H G B als selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art für einen anderen und in dessen Interesse definiert, vgl. nur MünchKomm/Welter § 362 H G B Rn. 19. Diese Definition kommt der hier gefundenen „Treuhandformel" sehr nahe und unterscheidet sich nur durch das Kriterium „wirtschaftlich", das jedoch redundant sein dürfte, da im Bereich der Handelsgeschäfte nicht wirtschaftliche Treuhandverhältnisse ohnedies nicht vorkommen werden. 37 Hopt, FS Fischer, S.239; Schäfer, Vermögensverwaltung, Rn. ll/18a; freilich kann der Vermögensverwalter (Treuhänder) einen festen Ertrag garantieren.
§ 8. Gesetzliche Regelungen von
Treuhandverhältnissen
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ausgerichtete Interessenwahrung: Der Vermögensverwalter schuldet beispielsweise die Verwaltung und Anlage des Vermögens nach bestimmten Regeln, der Inkassozessionar schuldet ein Umgehen mit den Forderungen in bestimmter Weise. Diese Regeln stehen, anders als etwa Grundmann und Martinek meinen, nicht bei allen Treuhandverhältnissen von vornherein unverrückbar im Sinne einer Interessenwahrung stricto sensu oder Subordination der Treuhänderinteressen unter die Treugeberinteressen fest. Sie sind Gegenstand der Parteivereinbarung und mangels einer solchen Vereinbarung nach bestimmten Kriterien 38 zu ermitteln. Dabei ist insbesondere die Frage von Bedeutung, in welchem Verhältnis die Interessen von Treugeber und Treuhänder zueinander stehen und wie ein Interessenkonflikt zwischen den Interessen mehrerer Interessenträger auszugleichen ist. Die Interessenwahrnehmung als solche ist nicht das geschuldete Werk, der vom Treugeber bezweckte Erfolg, sie ist nur Mittel zur Erzielung eines darüber hinausgehenden, vom Treugeber erwünschten, vom Treuhänder aber nicht geschuldeten Erfolges. Der Interessenträger kann sich, wenn er seine Interessen selbst verwaltet, nicht sicher sein, ob er angestrebte Erfolge erreichen wird oder nicht. Durch die Einschaltung eines fremden Interessenverwalters kann er zwar die Chance der Erzielung des Erfolges erhöhen, indem er sich dessen Kompetenz zunutze macht. Er kann auf diese Weise jedoch nicht auch ohne weiteres das Risiko, einen bestimmten Erfolg (nicht) zu erreichen, auf diesen Verwalter überbürden. Diese Risikoverteilung können die Parteien eines Treuhandvertrags freilich verändern, wie dies auch §675 Abs. 1 BGB mit der Erwähnung einer werkvertraglichen Geschäftsbesorgung vorsieht. Das ist aber nicht die Regel und bedarf der besonderen Vereinbarung, daß der Geschäftsbesorger für das Erreichen eines bestimmten Erfolges einstehen muß. So läßt sich etwa der Versicherungsvertrag als Treuhandvertrag mit werkvertraglichem Charakter einordnen. 39 Auch eine Vielzahl von Kommissionsverträgen, bei denen das Kommissionsgut aufgrund der Marktgegebenheiten sicher zu erwerben oder zu veräußern ist, dürfte werkvertraglichen Charakters sein, weil in diesen „sicheren" Fällen der Absatz oder Ankauf des Kommissionsgutes als Erfolg geschuldet sein wird. 4 0 So wird bei der Emission von Anleihen oder Aktien ohne feste Übernahme durch die Bank eine Pflicht der Bank als Treuhänderin gegenüber dem Emittenten zur Unterbringung der Emission angenommen, weil es sich hierbei um ein Kommissionsgeschäft handelt 41 und erst mit Emission dem Emittenten das erwartete Geld zufließt.
Dazu unten § 10 I. Eingehend dazu unten § 12 III 5. 40 Vgl. Knütel ZHR 137, 285, 286. Hier kommt nur ausnahmsweise dienstvertraglicher Charakter in Betracht. 41 Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2243 a.E., 2255; Schimansky/ Bunte/Lwowski/Grund38 39
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
J e d o c h soll auch i m Regelfall 4 2 einer festen Ü b e r n a h m e eine U n t e r b r i n gungspflicht b e s t e h e n , 4 3 weil a n s o n s t e n die K r e d i t w ü r d i g k e i t des E m i t t e n t e n beeinträchtigt w e r d e n k ö n n e , der überdies in die A b h ä n g i g k e i t der e m i t t i e r e n den B a n k ( e n ) gerate. O b s c h o n hier also die jeweilige B a n k die A n l e i h e n o d e r A k t i e n f ü r einen festen B e t r a g ü b e r n i m m t u n d deshalb letztlich das P l a z i e r u n g s r i s i k o t r ä g t , habe sie t r o t z d e m auch Interessen des E m i t t e n t e n w a h r z u n e h m e n . 4 4 E s handelt sich in solchen Fällen in der Tat u m keinen bloßen K a u f v e r t r a g z w i s c h e n B a n k u n d E m i t t e n t e n , 4 5 auch nicht u m einen bloßen D a r l e h e n s v e r t r a g , 4 6 s o n d e r n t r o t z der F e s t p r e i s ü b e r n a h m e einen T r e u h a n d v e r t r a g o d e r z u m i n d e s t einen t y p e n g e m i s c h t e n V e r t r a g m i t s t a r k e m t r e u h a n d rechtlichem G e p r ä g e , 4 7 der d e m F i n a n z i e r u n g s i n t e r e s s e des E m i t t e n t e n dient u n d die B a n k z u d e m e t w a auch z u K u r s p f l e g e m a ß n a h m e n i m Interesse des E m i t t e n t e n 4 8 verpflichtet, 4 9 auch w e n n der U m s t a n d , d a ß die B a n k hier d e n E m i t t e n t e n z u d e m kreditiert, nicht geleugnet w e r d e n k a n n . F r a g l i c h ist t r o t z dem, o b das E i n s t a n d s r i s i k o des T r e u h ä n d e r s o h n e ausdrückliche Vereinbar u n g d e r m a ß e n weit reicht, verpflichtet er sich d o c h z u einem E r f o l g , auf dessen E i n t r i t t er wenig E i n f l u ß hat, u n d t r ä g t dabei alle Risiken, w ä h r e n d der
mann, Bankrechtshandbuch, §112 Rn. 70; vgl. auch Hopt, Verantwortlichkeit, S. 14; zum Charakter der Kommission als Treuhandverhältnis auch unten § 17 III. 42 Schimansky/Bunte/'Lwowski/Grundmann, Bankrechtshandbuch, § 112 Rn. 69, 73; bei Kapitalerhöhungen schon wegen §§ 182 ff. AktG. 43 Horn, Recht, S. 119; kritisch Schimansky/Bunte/Lwowski/Grundmann, Bankrechtshandbuch, § 112 Rn. 71; Baumbach/Hopt, H G B , Bankgeschäfte, Rn. Y/3. 44 Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2243 a.E., 2255; Westermann AG 1967,285,288. 4 5 So jedoch RGZ 28, 29, 30; RGZ 104, 119, 120; Horn, Recht, S. 137ff.; Claussen, Bankund Börsenrecht, S.444; Rümpel, Bankrecht, Rn. 11.45; Rohr, Emissionsrecht, S. 104 ff. 46 Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2243 für die Emission von Anleihen. 47 Für Geschäftsbesorgung: MünchKomm/Wmer vor § 705 B G B Rn. 42; MünchKomm/ Hüffer § 793 B G B Rn. 36; Schimansky/Bunte/Lwowski/Grundmann, Bankrechtshandbuch, §112 Rn.69; für die Aktienemission in diese Richtung auch Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2244: Elemente eines Geschäftsbesorgungsvertrags. 4 8 Der Emittent hat Interesse an derlei Maßnahmen, weil nach der Emission die Glättung von Kursschwankungen erforderlich wird, die durch Käufer verursacht werden, die lediglich Zeichnungsgewinne machen wollen und die Papiere nach Zuteilung sogleich wieder veräußern (flipping, Hockmann/Thießen, Investmentbanking, S. 388); freilich bestehen bei länger andauernden Maßnahmen Manipulationsgefahren zulasten nicht informierter Anleger, vgl. Fleischer Z I P 2003, 2045 ff., so daß das Verbot des §20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG greift. Die Zulässigkeit von Maßnahmen zur „Stabilisierung eines Finanzinstruments" regelt nunmehr die Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, Abi. Nr. L 336 vom 23.12.2003 S. 0033 - 0038. Dort werden derartige Maßnahmen zeitlich eng begrenzt, bei Erstplatzierungen auf 30 Kalendertage nach Beginn des Börsenhandels, Art. 8 Abs. 2 VO, und nur nach Ankündigung vor Beginn der Zeichnungsfrist für zulässig erklärt, Art. 9 VO. 49 Schimansky/Bunte/Lwowski/Grundmann, Bankrechtshandbuch, §112 Rn.69; Hellner/Steuer, Bankrecht, Rn. 10/339.
§ 8. Gesetzliche Regelungen
von
Treuhandverhältnissen
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Emittent auch ohne vollständige Unterbringung durch die Kaufpreiszahlung seitens der Bank sofort liquide wird. 50 Zu betonen ist deshalb abschließend, daß sich die Pflichtenstruktur einer werkvertraglichen Treuhand von jener der dienstvertraglichen Treuhand aufgrund der unterschiedlichen Risikoverteilung ganz erheblich unterscheidet, weil der werkvertragliche Treuhänder nicht eine komplexe und unbestimmte Hauptpflicht „Interessenwahrnehmungspflicht" schuldet, deren Konturen in dieser Arbeit untersucht werden sollen, sondern einen fest definierten Erfolg erzielen muß. Diese Erfolgspflicht macht den Weg, der zum Erfolg führt, grundsätzlich uninteressant, weil sich die Verantwortung des Treuhänders gegenüber dem Treugeber ausschließlich am Erfolgseintritt und nicht an der Erfüllung eines komplexen erfolgsgerichteten Pflichtenprogramms im Rahmen der Interessenwahrnehmung bemißt. Werkvertragliche Ausnahmefälle können deshalb viel einfacher gehandhabt werden, weil keine genauen treuhänderischen Pflichten ermittelt werden müssen und weil sich das Pflichtverletzungsrecht die geschuldete Hauptleistung betreffend einfacher darstellt.51
5. Kritik der Treuhandkonstruktion
Grundmanns
Der hier vorgestellt Ansatz unterscheidet sich erheblich von dem Ansatz Grundmanns, der ebenfalls von einer schuldrechtlichen Sichtweise der Treuhand ausgeht.52 Grundmann weist nicht auf die Tradition hin, in die er sich damit stellt,53 sondern fragt lediglich suggestiv: „Stand nicht am Anfang der Satz, daß der Treugeber sein Vertrauen bei dem suchen solle, in den er es gesetzt hatte, d.h., beim Treuhänder, nicht bei einem Dritten, der von diesem Rechte ableitete?".54 Das mag möglicherweise zutreffend sein, im deutschen Treuhandrecht ist die Entwicklung jedoch anders verlaufen. Auch Grundmann55 wählt also überzeitliche und zudem supranationale Beschwörungsformeln als Ersatz für Armut an Argumenten, denn er führt in der Fußnote zu dem zitierten Satz nur Belegstellen aus der angloamerikanischen Literatur an. Grundmann entwickelt den Typus des Treuhandvertrages im Wege der Benennung einer wesensbestimmenden vertraglichen Hauptpflicht. Allein bei der Treupflicht könne erwogen werden, daß sie charakteristische Pflicht des Treuhandvertrages sei - über dieses Wortspiel hinaus erfolgt keine Argumentation. 5 0 Sehr kritisch auch Schimansky/ Bunte/Lwowski/Grundmann, Bankrechtshandbuch, § 112 Rn. 71 ff. 51 Zum Pflichtverletzungsrecht eingehend unten Teil 6. 52 Kritisch hierzu Henssler, AcP 196,43 ff. 53 Vgl. etwa Grundmann, Treuhandvertrag, S. 87ff., insb. S. 98. 54 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 88. 55 Genauso etwa Schultze (§ 4 IV), Siebert (§ 5 VIII) und Beyerle (§ 6 II).
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden
Deutschen
Schuldrecht
Diese Pflicht nennt er in Abgrenzung zu anderen Treupflichten „Interessenwahrungspflicht stricto sensu". 56 Auch für Grundmann erbringt der Treuhänder zwar eine Dienst- oder Werkleistung, die ebenfalls vertragliche Hauptpflicht sei. Sie trete aber neben die Interessenwahrnehmungspflicht. „Die Interessenwahrungspflicht verleiht dieser überhaupt erst Konturen". 57 Das Verhältnis zwischen Leistungs- und Verhaltenspflichten kehre sich auf diese "Weise im Vergleich zu anderen Vertragstypen geradezu um. „Nicht daß der Treuhänder handelt, sondern wie, ist für den Treugeber entscheidend". 58 Das dürfte freilich bei jedem Dienst-, Werk- oder Geschäftsbesorgungsvertrag der Fall sein, ohne daß es einer zusätzlichen Vereinbarung einer Interessenwahrnehmungspflicht bedürfte. 59 Der Werkunternehmer schuldet ohnedies einen Erfolg, § 631 Abs. 1 BGB, aber auch der Dienstleister ist zu erfolgsgerichteter und nicht zu beliebiger Tätigkeit verpflichtet. 60 Bei Grundmann hingegen treten Dienst- oder Werkvertrag und Treuhandvertrag im Treuhandverhältnis nebeneinander. Grundmann will „im Rahmen des Auftrags ein treuhänderisches Rechtsverhältnis isoliert" 61 sehen, weil das Auftragsrecht nur das Tätigwerden regle, nicht aber die andere Hauptpflicht der Interessenwahrung. Eine solche integrierte Regelung finde sich zwar in §§ 84 Abs. 1, 384 Abs. 1 HGB, nicht aber in der unvollständigen Regelung der §§665, 667 BGB. Außerdem rechtfertige sich die Aufspaltung dadurch, daß es Interessenwahrung auch ohne Tätigwerden geben könne. Das ist freilich eine sehr naturalistische Sicht des Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsrechts. Auch legen die genannten handelsrechtlichen Regelungen keineswegs zwingend das Bestehen eines weiteren Schuldverhältnisses nahe, wenn sie jeweils bestimmen, daß der Handelsvertreter oder Kommissionär „hierbei", also bei Ausführung seines „Auftrags", das Interesse seines Auftraggebers wahrzunehmen habe. Hauptargument für Grundmann ist jedoch die vorgebliche konzeptionelle Notwendigkeit der Trennung zweier Rechtsverhältnisse, damit jenes der Interessenwahrung besser herausgearbeitet 62 und beliebig
56 Grundmann, Treuhandvertrag, S.92 arbeitet StaudingerlMartinek §675 BGB Rn.A 41 f., der den Geschäftsbesorgungsvertrag als „Subordinationsvertrag" ansieht; auch Hopt ZGR 33,1, 52 sieht einen „Grundsatz des Vorrangs des zu wahrenden Interesses vor Eigeninteressen". 57 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 93. 58 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 93. 59 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 94, versucht seine Trennung dadurch zu rechtfertigen, daß er einen Gesellschafter, der von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, heranzieht. Er habe eine Interessenwahrungspflicht stricto sensu ohne gleichzeitiges „Tätigkeitselement", weil er Treugut in Form von Informationen nicht gesellschaftsfremd verwerten dürfe. Eingehender hierzu noch unten § 18. 60 Vgl. nur Erman/Edenfeld § 611 BGB Rn. 1 61 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 94. 62 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 94.
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Treuhandverhältnissen
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in andere Bereiche, 63 vor allem das Arbeits- oder Gesellschaftsrecht, verpflanzt werden kann. 6 4 Eben weil Grundmann mit Hilfe der Treuhand die strengen gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten erklären will, ist sein treuhandrechtlicher Ansatz von Anfang an auf die Lösung dieses Problems ausgelegt und baut deshalb auch auf der angeblich charakteristischen Pflicht „stricto sensu" auf. Grundmann grenzt den Treuhandvertrag zur Geschäftsbesorgung nach § 675 BGB ab, bei der zwar eine Pflicht zur Interessenwahrnehmung, nicht aber die Interessenwahrungspflicht stricto sensu bestehe. Der Treuhänder müsse nämlich deshalb unbedingt die Interessen der Treugebers wahren, weil er das Treugut als „eine geldwerte Position [...] übertragen erhält, ohne daß er eine Gegenleistung erbracht hätte" 65 und ohne daß er sie endgültig und zur freien Verfügung behalten dürfe. Durch diese gebundene Überlassung auf Zeit unterscheide sich das Treuhandverhältnis von der Schenkung. Ein Treuhandvertrag, so faßt Tebben, der Grundmann folgt, zusammen, liegt hiernach vor, „wenn zwischen Treuhänder und Treugeber ein Vertrag besteht, aufgrund dessen der Treuhänder die Verwaltung des ihm ohne Gegenleistung übertragenen oder ohne Einsatz eigenen Vermögens erworbenen Gesellschaftsanteils allein an den Interessen des Treugebers auszurichten hat." 66 Die Trennung des Treuhandverhältnisses in zwei Verträge, einen Tätigkeitsvertrag und einen Interessenwahrungsvertrag, den eigentlichen Treuhandvertrag, erscheint freilich künstlich. Es kommt allein auf die Sachwalter- oder Substituententätigkeit des Treuhänders an, die als solche bereits zielgerichtet sein muß, denn jeder Sachwalter ist per definitionem zur Wahrnehmung der Interesse seines Auftraggebers verpflichtet. Überdies erscheint die charakteristische Hauptpflicht des von Grundmann frei erfundenen zusätzlichen „Treuhandvertrags" willkürlich gewählt. Grundmann trennt damit Treupflichten, die auch die Berücksichtigung von Treuhänderinteressen zulassen, und andere, die eine strenge Berücksichtigung der Treugeberinteressen fordern. Er definiert auf diese Weise die Treuhand über eine bestimmte Lösung eines Interessenkonflikts zwischen Treugeber und Treuhänder. Damit begeht er den gleichen Fehler wie zahlreiche andere Autoren vor ihm, deren Definitionen der Treuhand ebenfalls allein auf der Lösung eines bestimmten Interessenkonflikts aufbauten. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 96. Grundmann trennt den Treuhandvertrag vom Geschäftsbesorgungsvertrag oder Gesellschaftsvertrag. Es gebe also immer zwei Verträge. Letztlich tut er das, um den Treuhandvertrag auch im Gesellschaftsrecht fruchtbar zu machen und die dort oftmals geltende strenge Interessenwahrnehmungspflicht anders als üblich zu begründen, nämlich nicht als Nebenpflicht aus dem Gesellschaftsvertrag oder Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers, sondern als Hauptpflicht eines zusätzlichen Vertrages. Es gibt also f ü r Grundmann den Treuhandvertrag in der Regel nur als Anhängsel eines Austausch- oder Gesellschaftsvertrages, Grundmann, Treuhandvertrag, S. 97. 65 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 93. 66 Tebben, Unterbeteiligung, S. 51. 63 64
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
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Wie der Interessenausgleich zwischen Treugeber und Treuhänder herzustellen ist, bleibt vielmehr gerade zu untersuchen, während Grundmann schon vorneweg eine Antwort gibt und seine Vorstellung von Treuhand dadurch unzulässig verengt. Er behandelt also nicht „den Treuhandvertrag", sondern lediglich bestimmte Treuhandverträge, bei denen der Treuhänder eigene Interessen und Interessen anderer Treugeber vollständig hintanstellen muß. 67 Die Fremdinteressenwahrung kann jedoch - wie bereits IselebS zu Recht feststellt - dadurch abgeschwächt sein, daß mit ihr im Tatbestand der Entstehung des Treuhandverhältnisses das Moment des in bestimmten Grenzen zulässigen Eigeninteressenwahrens (oder Wahrens anderer Fremdinteressen) verbunden ist. Hinzukommt, daß man dem Treuhandvertrag als schuldrechtlicher Grundform nicht einfach eine einheitliche Hauptpflicht zuordnen kann, „wie etwa dem Kaufvertrag die Ubergabe- und Verschaffungspflicht oder dem Bierlieferungsvertrag die Pflicht zur Lieferung von Bier".69 Vielmehr kennt jede Grundform verschiedene Untertypen, die sich ihrerseits charakteristische Pflichten auszeichnen, wie ein Blick auf die Grundform des Leistungsaustauschs zeigt. 70 Daraus ergibt sich auch, daß über die Grundform der Treuhand genauso wie über die Grundform des Austauschverhältnisses bestimmte allgemeine Aussagen zu treffen sind, die sich jedoch immer erst anhand des jeweiligen Typus des Treuhandverhältnisses konkretisieren lassen.
II. Besonders geregelte Treuhandverhältnisse 1. Rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnisse Die Geschäftsbesorgung, §675 Abs. 1 BGB, ist die „treuhänderische Generalnorm". Daneben bestehen eine ganze Reihe besonders geregelter Treuhandverträge. So wie sich die schuldrechtliche Grundform des Leistungsaustauschvertrages beispielsweise in den Vertragstypen des Kauf-, Miet- oder Werkvertrags wiederfindet, lassen sich als Beispiele für Treuhandverhältnisse die Typen der Kommission, §§ 383 ff. HGB, des Handelsvertretervertrags, §§ 84 ff. HGB, des Girovertrages, §676, oder des Kapitalanlagevertrages nennen. Sie können je 6 7 Lediglich in seiner Einleitung erwägt Grundmann, Treuhandvertrag, S. 11 ff., eine Einteilung der Treuhandverhältnisse nach werbender, haltender und liquidierender Treuhand und knüpft damit f ü r eine mögliche Einteilung an den Treuhandzweck an. Dies w i r d jedoch nicht weiter ausgeführt, weil sich Grundmann nur f ü r die „Werbende Treuhand" interessiert. 68 Isele, Geschäftsbesorgung, S. 38 f. 6 9 So Tehben, Unterbeteiligung, S. 47, der ohne weiteres Grundmanns Konzept übernimmt. 7 0 Auch Henssler, AcP 196, 43 f. und Soergel/Leptien vor § 1 6 4 B G B Rn. 66 leugnen zu Recht, daß man so einfach eine derartige Pflicht feststellen könne.
§ 8. Gesetzliche Regelungen von Treuhandverhältnissen
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nach Typus eine unterschiedliche Art und „Strenge" der Interessenwahrnehmung zur Hauptpflicht haben, so wie bei den unterschiedlichen Typen von Austauschverträgen die Gewährung unterschiedlicher Leistungen gegen Geld geschuldet ist. Daneben haben sich in der Rechtspraxis eigenständige Vertragstypen mit klarem Gepräge entwickelt, etwa der Baubetreuungsvertrag oder der Kreditkartenvertrag, für die jeweils ein Kanon anerkannter Regelungen vereinbart beziehungsweise von der Rechtsprechung angewendet zu werden pflegt. Die Typenvielfalt ist kaum zu überblicken. Gerade im Treuhandrecht haben sich besonders viele moderne außergesetzliche Vertragstypen herausgebildet. Unser Recht läßt es in einigen wenigen Fällen zu, daß ein Dritter eine Trennung von Interessenträgerschaft und Interessenwahrnehmung vornimmt. So kann der Erblasser Testamentsvollstreckung anordnen und bewirken, daß der Erbe als Interessenträger seine sämtlichen den Nachlaß betreffenden Interessen von einem Testamentsvollstrecker als Treuhänder wahrnehmen lassen muß. Die Einsetzung eines Vorerben führt zu einem Auseinanderfallen von Interessenträgerschaft und Interessenwahrnehmung, was die Interessen des Nacherben an der Substanz der Erbmasse betrifft; der Vorerbe ist treuhänderisch gebundener Eigentümer und Vermögensherr des Nachlasses. 71 Auch im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter kann einseitig ein Treuhandverhältnis errichtet werden, indem etwa ein Vermögensgegenstand nicht einem Begünstigten schenkweise zugewandt, sondern einem Dritten (Treuhänder) mit der Bestimmung übertragen wird, diesen Gegenstand zugunsten des Begünstigten zu verwalten. Dem Begünstigten wird in diesem Fall dann nur die Begünstigtenstellung schenkweise zugewandt. Diese einseitige Errichtung eines Treuhandverhältnisses von dritter Seite ist deshalb zulässig, weil die Position des Treugebers in denjenigen, der die Treuhand errichtet, und den Treuhandbegünstigten gespalten wird und der Erblasser als Errichter der Treuhand deshalb befugt ist, seine freigiebige, lediglich begünstigende Zuwendung in der Weise auszugestalten, daß der Zuwendungsadressat lediglich Treuhandbegünstigter wird, seine diese Begünstigung betreffenden Interessen aber fremdverwalten lassen muß. Der Begünstigte kann die Erbschaft ausschlagen, §§ 1944 ff. B G B , und sich so der Fremdverwaltung durch den Testamentsvollstrecker oder Vorerben entziehen, oder die Zuwendung ablehnen, § 333 B G B , - freilich um dem Preis des Verlustes der Begünstigung.
71
Staudinger!Avenarius §2130 B G B Rn. 21.
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
2. Treuhand, kraft gesetzlicher
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Anordnung
a) Notwendige Treuhandverhältnisse Das Gesetz ordnet ein Auseinanderfallen von Interessenträgerschaft und Interessenwahrnehmung immer dann an, wenn der Interessenträger nicht in der Lage ist, seine Interessen wahrzunehmen. Solchen Interessenträgern wird eine externe Handlungsorganisation beigegeben. Das ist zum einen der Fall bei Rechtsträgern, die keine natürlichen Personen sind. So wird - in den Grenzen der Selbstorganschaft dispositiv - angeordnet, daß die persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft als Organe deren Interessen wahrnehmen. Bei juristischen Personen gibt das Gesetz mehr Freiheit und ordnet die Organschaft nur dem Grunde nach an: Eine GmbH muß demnach einen Geschäftsführer, ein Verein oder Aktiengesellschaft einen Vorstand haben, 72 wobei das Gesetz aber keine dispositive Regelung zur Person des Geschäftsführers oder der Vorstandsmitglieder vorsieht. 73 Auch bei natürlichen Personen, denen es das Gesetz grundsätzlich nicht zutraut, ihre Interessen selbst zu wahren, ist zwingend ein Treuhandverhältnis vorgesehen. Ein Beispiel ist der Mensch, der das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Er ist geschäftsunfähig, kann seine rechtlichen Interessen deshalb nicht selbst wahrnehmen, vgl. §§ 104 Nr. 1, 105 Abs. 1 B G B , und ist für die Wahrnehmung dieser Interessen notwendig auf eine außerhalb seiner Person liegende Handlungsorganisation 74 angewiesen. Diese wird ihm kraft Gesetzes in Form seiner Eltern, § 1626 Abs. 1 B G B , beziehungsweise seiner Mutter, § 1626a Abs. 2 B G B , oder kraft familiengerichtlicher Entscheidung in Form eines Vormunds, §§ 1773 ff. B G B , zugeordnet. In Fällen notwendiger Treuhand besteht also gewissermaßen zwingend ein „Amt", 7 5 das jeweils mit einem Amtsinhaber zu besetzen ist. Der Amtsträger kann dabei durchaus wechseln; fallen etwa die Eltern weg, so ist für den Minderjährigen ein Vormund zu bestellen, §§ 1773 ff. B G B . Der Geschäftsführer einer G m b H kann durch einen anderen Geschäftsführer ersetzt werden.
72 Die Organe sind nach zutreffender Auffassung Treuhänder nicht der Gesellschafter, sondern der Gesellschaft, vgl. nur B G H Z 83, 122, 134; B G H Z 110, 323, 334; Baumbach/ Hueck/Zöllner §37 GmbHG Rn.27; GK-AktG/M ühlbert vor §§ 118-147 AktG Rn. 194 und 225, was sich auch daraus ergibt, daß nur in verstreuten Einzelvorschriften, etwa § 31 Abs. 6 GmbHG oder § 117 AktG, eine Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung unmittelbar gegenüber den Gesellschaftern vorsehen, Fleischer W M 2 0 0 3 , 1 0 4 5 , 1 0 4 6 . 73 Zur Treuhändereigenschaft der Organe vgl. nur B G H Z 129, 30, 34; GK-KktG/Hopt §93 A k t G Rn. 12 und 72; KK-AktG/Aferienj §93 AktG Rn. 57; M ü n c h K o m m / / / e / e r m e W / Spindler § 93 A k t G Rn. 18; Kühler, Gesellschaftsrecht, § 15 III 5 a; a.A. offenbar GK-AktG/ Mühlbert vor §§ 118-147 A k t G Rn. 191 ff. 74 Zur Betreuung als Handlungsorganisation Lipp, Freiheit, S. 40 ff. 75 Der Begriff wird an dieser Stelle ganz untechnisch verwendet.
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b) Gesetzliche Anordnung in anderen Fällen Aber auch in anderen Fällen kann kraft Gesetzes ein Treuhandverhältnis Zustandekommen. So ist bei der Versicherung auf fremde Rechnung, § 74 VVG, 7 6 der Versicherungsnehmer Treuhänder des Versicherten, der die Interessen des Versicherten gegenüber dem Versicherer vertritt und dabei mit dem Machtmittel der Verfügungsbefugnis über den Anspruch des Versicherten ausgestattet ist, §76 VVG. In § 1978 Abs. 1 Satz 1 B G B ist angeordnet, daß der Erbe nach Annahme der Erbschaft für die Verwaltung des Nachlasses vor Eröffnung des Nachlaßinsolvenzverfahrens oder Anordnung der Nachlaßverwaltung den Nachlaßgläubigern so verantwortlich ist, wie wenn er den Nachlaß als Treuhänder für die Nachlaßgläubiger als Treugeber zu verwalten gehabt hätte; es gelten - vorbehaltlich erbrechtlicher Sonderregelungen - die §§662 ff. B G B . 7 7 Der Erbe ist den Nachlaßgläubigern „wie der Verwalter eines fremden Vermögens verantwortlich". 78 Mit dem Fund einer Sache, also sobald der Finder die verlorene - also besitz-, aber nicht herrenlose 79 - Sache in Besitz nimmt, 8 0 kommt ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Verlierer und Finder zustande, 81 das Ähnlichkeiten zur Geschäftsführung ohne Auftrag aufweist, aber in §§ 965 ff. B G B - und damit am systematisch falschen Ort 8 2 - eigene Regelungen kennt. In diesem Verhältnis hat der Finder „erhebliche Pflichten und wenig Rechte". 83 Der Finder hat den Fund anzuzeigen, § 965 Abs. 1 B G B , die Sache zu verwahren, § 966 Abs. 1 B G B , oder - soweit tunlich - öffentlich versteigern zu lassen, § 966 Abs. 2 B G B , und sie schließlich an die zuständige Behörde, § 967 B G B , oder den Verlierer, § 969 B G B , abzuliefern. Er hat also letztlich einen Kanon von Pflichten, deren Erfüllung dazu dienen soll, daß der Verlierer wieder in den Besitz des Sache kommt, sein Vermögen erhalten bleibt. 84 Im Gegenzug kann er (wie ein Geschäftsführer) vom Verlierer Aufwendungsersatz, § 970 B G B , und (anders als ein Geschäftsführer) einen Finderlohn, § 971 B G B , verlangen. Das ist der Lohn für seine „Findertreue" 85 . In dieser Formulierung Westermanns kommt zum Dazu eingehend unten § 12 III 5. KK-Erbrecht/Iö/mjg § 1978 B G B Rn. 1. 78 So der Gesetzgeber, Denkschrift, S. 723. 79 Baur/Stürner, Sachenrecht, §53 g II 1; Staudinger/Gursky §965 B G B Rn. 1; MünchKomm/Quack § 965 B G B Rn. 3. 8 0 Vgl. Mittenzwei MDR1987,883. 81 Baur/Stürner, Sachenrecht, §53 g III 1; Staudinger/Gursky §971 B G B Rn.4; Lins, Fundrecht, S. 67 ff.; Soergel/Mühl §965 B G B Rn.2; MünchKomm/Q»ac/fe §965 B G B Rn. 17; Westermann, Sachenrecht I, § 5 9 1 1 und 4. 82 Westermann, Sachenrecht I, § 5911. 8 3 H K - B G B / £ c £ e r t § 9 6 5 B G B Rn.3. 84 MünchKomm/Quack § 965 B G B Rn. 1. 85 Westermann, Sachenrecht I, § 59 11. 76
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Schuldrecht
Ausdruck, daß es sich bei dem Verhältnis zwischen Verlierer und Finder im weitesten Sinne um ein Treuhandverhältnis handelt. Meldet sich innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Anzeige des Fundes kein Verlierer, erwirbt der Finder Eigentum, §973 Abs. 1 B G B . Ahnlich wie bei anderen auftragsartigen Schuldverhältnissen, etwa dem Maklervertrag, muß derjenige, der eine verlorene Sache findet, nicht tätig werden; wird er aber tätig, indem er die Sache ansichnimmt, hat er die Interessen des Verlierers wahrzunehmen. Das Interesse des Verlierers liegt zuvorderst in der Rückerlangung der verlorenen Sache, daneben hat er auch ein Interesse daran, daß sich die Sache nicht verschlechtert. c) Treuhand, kraft gesetzlicher
Erklärungsfiktion
Nicht zu einer Treuhand kraft Gesetzes führt hingegen grundsätzlich das Unterlassen der unverzüglichen Anzeige der Ablehnung eines Antrags auf Abschluß eines Treuhandvertrags seitens eines Treuhänders, der öffentlich bestellt ist oder sich öffentlich oder einem potentiellen Vertragspartner gegenüber 86 erboten hat, unter Verletzung des § 663 B G B oder des § 44 Satz 2 B R AO. Folge des Unterlassens ist vielmehr lediglich die Pflicht zum Ersatz des negativen Interesses. 87 Der potentielle Treugeber soll nämlich die Möglichkeit erhalten, sich zügig um anderweitige Wahrnehmung seiner Interessen zu bemühen. Etwas anderes gilt jedoch gemäß der Spezialregelung88 des § 362 Abs. 1 H G B für im Zeitpunkt des Antragszugangs kaufmännische, §§ 1 ff. H G B , Treuhänder, 89 deren Gewerbebetrieb die Besorgung von Geschäften für andere mitsichbringt. Hier wird also gesetzlich angeordnet, daß das Schweigen den Erklärungswert einer Annahme des Antrags habe. Also kommt kraft gesetzlicher Anordnung ein Vertrag mit dem Inhalt des Antrags zustande. 90 Unklar bleibt die Rechtfertigung dieser Regelung. 91 Ein Rückgriff auf eine Berufshaftung 92 Im Sinne einer invitatio ad offerendum, vgl. nur Soergel/Beuthien § 663 B G B Rn. 10. RGZ 104, 265, 267; Bamberger/Roth/Czub § 6 6 3 B G B R n . 4 ; Soergel/Beuthien §663 B G B Rn. 15; MünchKomm/Sez7er § 6 6 3 B G B R n . 2 0 ; Staudinger/Wittmann §663 BGB Rn. 10; Palandt/Sprau § 6 6 3 B G B Rn. 1. Es handelt sich um einen gesetzliche geregelten Fall der erst mit der Schuldrechtsmodernisierung in §311 B G B positivierten culpa in contrahendo. 8 8 B G H N J W 1984, 866; MünchKomm/Welter § 362 H G B Rn. 26; K. Schmidt, Handelsrecht, § 19 II 2 b. 8 9 Gleiches gilt kraft Verweisung in § 383 Abs. 2 H G B auch für den nichtkaufmännischen Kleinkommissionär. 9 0 MünchKomm/Welter §362 H G B R n . 3 9 ; Ebenroth/Boujong/Joost/Eckert §362 H G B Rn. 28; SchlegelbergerlHefermehl § 362 H G B Rn. 19. 91 Anders offenbar MünchKomm/We/ter § 362 H G B Rn. 15; Flume B G B AT II 10,2, die eine Rechtfertigung angesichts der gesetzlichen Anordnung offenbar für überflüssig halten, was jedoch insoweit problematisch ist, als nur bei dogmatischer Durchdringung etwa die Frage beantwortet werden kann, ob derjenige, dessen Willenserklärung durch gesetzliche Anordnung erzeugt wird, etwa die Möglichkeit einer Anfechtung hat. 92 Hopt AcP 183, 608, 634 f. 86 87
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erscheint allzu unspezifisch. In der älteren Literatur wird als Grundlage des § 362 Abs. 1 H G B zum Teil eine vorvertragliche Pflicht- oder Obliegenheitsverletzung angeführt. 93 Dem wurde entgegengehalten, daß eine vorvertragliche Pflichtverletzung grundsätzlich nur zum Ersatz des negativen Interesses verpflichte und eine Obliegenheitsverletzung gar nur zu eigenen Rechtsnachteilen führen könne. Beide könnten jedoch nicht zu vertraglicher Erfüllungshaftung führen. 94 Zudem ließen sich die Unterschiede in den Rechtsfolgen zu § 663 B G B auf dieser Grundlage nicht erklären. 95 Daran ändert sich auch durch das Inkrafttreten des § 311a Abs. 2 B G B nichts, denn die Norm ist nicht in der Weise zu verstehen, daß derjenige, der bei Vertragsschluß weiß oder wissen muß, daß der seine Leistung nicht erbringen kann, auf das positive Interesse haftet (obschon in einem solchen Fall ein auf das negative Interesse gerichteter Anspruch angemessen erschiene), sondern der Haftungsgrund bleibt die Nichterfüllung des Leistungsversprechens. Lediglich für das Vertretenmüssen wird nicht an den Haftungsgrund selbst, sondern an einen anderen Tatbestand angeknüpft. 96 Tragfähiger könnten der Hinweis auf eine Herkunft vom kaufmännischen Handelsbrauch wegen des Bedürfnisses starken Verkehrsschutzes im handelsrechtlichen Bereich 9 7 sein, aber auch der Verweis auf eine Rechtsscheinshaftung, 98 die sich gleichermaßen auf Aussagen in den Gesetzesmaterialien stützen können. In den Materialien zu Art. 240 des Preußischen Entwurfs zu einem Handelsgesetzbuch, der als Vorbild für Art. 323 Abs. 1 A D H G B , des Vorgängers des heutigen §362 Abs. 1 H G B , anzusehen ist, heißt es nämlich, daß es beim Auftrag „überhaupt gewöhnlich" sei, „daß die Acceptation stillschweigend geschieht". 99 Das ist etwas anderes als die Behauptung, es werde im Rechtsverkehr dem Schweigen Erklärungsbedeutung beigemessen. Vielmehr erweckt der Schweigende aufgrund des gewöhnlichen Laufs der Dinge den Rechtsschein der stillschweigenden Annahme, eine Figur die Canaris als „Scheinkonkludenz" bezeichnet. 100 Und etwas später heißt es: „Es entsprich dem Handels93 Heymann/Horn §362 HGB Rn.10; Schmidt, Obliegenheiten, S. 122 f.; Hanau AcP 165,236; Fabricius JuS 1966, 51 ff. 94 Zutreffend Hopt AcP 183, 608,614. 95 Stauh/Canaris §362 HGB Anm. 3. 9 6 Vgl. nur BT-Drucks. 14/6040, S.165; AnwKomm/Duraer-Ii'^ §311a BGB Rn.5f.; MünchKomm/£r«it §311a BGB Rn. 15; Medicus, Schuldrecht AT, Rn.496; Huher/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, §7 Rn. 11 f.; Schwab/Witt/'Mattheus, Examenswissen, S.77f.; Canaris JZ 2001,499,507; Grunewald JZ 2001,433,435. 97 K. Schmidt, Handelsrecht, § 19 II 2 c. 98 Canaris, Vertrauenshaftung, § 191; Staub/Canaris § 362 HGB Anm. 3; Canaris, Handelsrecht, §25 Rn. 3; Schlegelberger/Hefermehl § 362 HGB Rn. 16; Ebenroth/Boujong/Joost/ Eckert §362 HGB Rn.2: Tatbestand der Rechtsscheinshaftung in Form der Erfüllungshaftung kraft verkehrsmäßig typisierter Erklärungsbedeutung. 9 9 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten nebst Motiven II, S. 125. 100 Canaris, Vertrauenshaftung, § 1912.
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brauch, in solchen Fällen eine Pflicht zur sofortigen Beantwortung im Falle der Ablehnung anzuerkennen" 101 und bei deren Ausbleiben von einer Annahme auszugehen. Hier gilt die Gleichung Schweigen = Annahmeerklärung. Die Figur der Rechtsscheinshaftung für die Erzeugung des Rechtsscheins einer nicht empfangsbedürftigen Annahme, vgl. § 151 BGB, wirft jedoch - auch wenn der Gesetzgeber eine solche Figur in Erwägung gezogen hat - Probleme auf. Zum einen stellt sich die Frage, ob es mangels Empfangsbedürftigkeit der Annahme („stillschweigende Acceptation") überhaupt denkbar ist, dem anderen Teil die Berufung auf einen Rechtsscheinstatbestand zuzubilligen. Auf seine Wahrnehmung einer „Acceptation" kommt es nämlich nicht an - warum sollte es dann auf seine Wahrnehmung eines Rechtsscheins ankommen. Zum anderen erscheint es begründungsbedürftig, warum im Falle des § 362 Abs. 1 HGB bloßes Schweigen als Rechtsscheinstatbestand anzuerkennen sein sollte. Außerhalb des Handelsrechts würde die Berufung auf den Rechtsschein einer Annahme nach § 151 BGB kaum zuzulassen sein. Außerdem, wendet K. Schmidt102 ein, bedürfe es keines Rechtsscheins der Annahme, weil das Gesetz im Wege der Fiktion 103 eine Annahme eben gerade überflüssig mache. Die Berufung auf einen der Verkehrssicherheit geschuldeten Handelsbrauch mag also die Fiktion einer Willenserklärung legitimieren, erscheint allerdings freilich etwas konturlos.
3. Treuhand kraft Anordnung durch staatliche Behörden Außerdem ermächtigt das Gesetz staatliche Behörden, eine Trennung von Interessenträgerschaft und Interessenwahrnehmung vorzunehmen, wenn zwar nicht typischerweise, aber im konkreten Fall eine Wahrung der eigenen Interessen insgesamt oder in bestimmten Bereichen durch den Interessenträger selbst nicht möglich ist, was im Einzelfall positiv festgestellt werden muß. In diesem Fall kann Betreuung angeordnet werden. Behörden können, wenn eine Treuhand gesetzlich angeordnet ist, aber kein Treuhänder vorhanden ist, einen Treuhänder bestellen, also etwa einen Vormund für das elternlose Kind oder einen Liquidator für eine Gesellschaft. Ein Treuhandverhältnis kann schließlich auch im Interesse nicht allein des Treugebers, sondern Dritter angeordnet werden, etwa in Form der Bestellung eines Insolvenzverwalters oder Zwangsverwalters im Interesse der Gläubiger des Treugebers. 101
Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten nebst Motiven II,
S. 125. 102
K. Schmidt, Handelsrecht, § 19 II 2 c. MünchKomm/Welter §362 HGB Rn.2; Koller/Roth/Morck $ 362 HGB Rn.4; Ebenroth/Boujong/Joost/Eckert §362 HGB Rn. 1 \Flume BGB AT II § 10,2; K. Schmidt, Handelsrecht, § 19 II 2 c; Hopt AcP 183,608,613 ff. 103
§ 9. Machtmittel des Treuhänders und Resultate der Interessenwahrnehmung I. Allgemeines Ein Treuhandverhältnis zeichnet sich neben der schuldrechtlichen Verpflichtung und Berechtigung des Treuhänders zur selbständigen Wahrung fremder Interessen dadurch aus, daß der Treuhänder Machtmittel 1 innehat. Er kann seiner Aufgabe zur Interessenwahrnehmung nämlich nur dann nachkommen, wenn er rechtlich und tatsächlich auch dazu befähigt ist, auf den Interessenkreis des Treugebers einzuwirken. 2 Erst mit Verleihung dieser treuhänderischen Macht wird das Treuhandverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder in Vollzug gesetzt. Der Treuhänder muß also vom Treugeber, durch eine gerichtliche Entscheidung oder kraft Gesetzes „ermächtigt" werden. Soweit die Befugnis des Treuhänders aus dem Treuhandverhältnis reicht, greift dieser mit Hilfe seiner Machtmittel berechtigt in die Interessensphäre des Treugebers ein. Überschreitet der Treuhänder seine Befugnisse, so ist er - unabhängig von der Frage, ob seine Machtausübung in diesem Fall überhaupt wirksam ist 3 - Sanktionen ausgesetzt. 4 Das Machtmittel des Treuhänders kann neben oder an die Stelle eigener Machtmittel des Treugebers in dem vom Treuhänder wahrgenommenen Interessenfeld treten. Jeder gewillkürte Stellvertreter ist - soweit man mit der ganz überwiegenden Auffassung 5 eine verdrängende Vollmacht ablehnt - lediglich in der Lage, neben dem Treugeber bestimmte Interessen wahrzunehmen. Gleiches gilt für die Eltern des beschränkt geschäftsfähigen Kindes, das bis zur Grenze des rechtlichen Nachteils, vgl. § 107 BGB, bereits selbst seine Interessen wahrnehmen kann, oder für den Betreuer, § 1896 BGB, solange kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist, § 1903 BGB. Bei der Testamentsvollstreckung werden hingegen die Erben von der Verwaltung des Nachlasses ausgeschlossen, vgl. 1 Den Begriff „Macht" verwendet auch Isele, Geschäftsbesorgung, S. 7, um die Einwirkungsmöglichkeit des Geschäftsbesorgers in den fremden Rechtskreis zu benennen. 2 Vgl. auchSoergel/Beuthien § 666 BGB Rn. 1. 3 Dazu unten §31 und §32. 4 Dazu unten Teil 6. 5 Vgl. nur StaudingerlKohler § 1 3 7 BGB Rn.34; Erman/Palm § 1 6 7 BGB Rn. 1; Flume BGB AT II § 53,6; Medicus BGB A T Rn. 936; Larenz/WolfüG'R A T § 47 Rn. 13.
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§§2211, 2214 B G B ; ihre den Nachlaß betreffenden Interesse nimmt allein der Testamentsvollstrecker als Treuhänder wahr. Auch im Bereich der Insolvenzverwaltung, § 80 Abs. 1 InsO, oder der „Vollrechtstreuhand" mit Übertragung von Rechtspositionen auf den Treuhänder hat allein der Treuhänder die Macht, bestimmte Interessen des Treugebers wahrzunehmen.
II. Einwirkungsmacht statt „Treugut" 1. Verschiedene Formen treuhänderischer Macht Machtmittel kann jede Position sein, die den Treuhänder befähigt, auf den Interessenkreis des Treugebers einzuwirken und damit möglichst ideal an die Stelle des Treugebers als genuinem Interessenwahrnehmer zu treten (Substitutionscharakter der Treuhand). Die Übertragung von Machtbefugnissen auf den Treuhänder kann deshalb, je nach Machtmittel, auf verschiedene Weise stattfinden. Als Übertragung von Rechtspositionen durch den Treugeber oder einen Dritten auf den Treuhänder, 6 wie etwa der Abtretung einer Forderung, § 398 BGB, bei der Inkassozession oder beim Factoring, als Einräumung einer Vertretungsmacht, §§ 164 ff. BGB, wie etwa bei Eltern oder Organen nicht menschlicher Rechtsträger, 7 als Einräumung eines Verwaltungsrechts, wie etwa bei Testamentsvollstreckern oder Insolvenzverwaltern, als Erteilung einer Ermächtigung, 8 wie etwa im Falle der Einziehungsermächtigung, und schließlich als rein tatsächliche Einräumung bloßen Besitzes9 oder Wissens um Geschäftsgeheimnisse10 wie Know-how, Kundenstamm oder Geschäftsverbindungen. Auch 6 Zudem kann eine Rechtsposition „brevi manu" Machtmittel werden, wenn der Treuhänder sie bereits innehat und zwischen Treugeber und Treuhänder vereinbart wird, daß diese Rechtsposition nunmehr Machtmittel sein soll, das der Treuhänder im Interesse des Treugebers einsetzen muß. 7 Nicht jede Vertretungsmacht ist „Treumacht", weil dieses Instrument auch für Vollmachten im Interesse des Vertreters eingesetzt werden kann, etwa bei der Bevollmächtigung des Erwerbers zur Grundstücksauflassung, dazu unten § 33 II. 8 Gegen die Ermächtigungstreuhand neuerdings wieder Reinhardt/Erlinghagen JuS 1962,41; Henssler AcP 196,42; wohl auch Medicus, BR, Rn. 488. 9 Derlei kommt etwa bei der jedenfalls für Aktiengesellschaften in § 129 Abs. 3 AktG anerkannten Legitimationszession in Betracht, bei der dem Treuhänder nur der Besitz an Aktien übertragen wird, so daß er gegenüber der Gesellschaft zur Ausübung der Aktionärsrechte legitimiert ist, ohne Aktionär zu sein, vgl. RGZ 111,405,407 f. 10 Im Gesellschaftsrecht ist beispielsweise der sogenannte „Informationstreuhänder" geläufig, der dann eingesetzt wird, wenn einem Gesellschafter, etwa aus Wettbewerbsgründen, bestimmte Informationen vorenthalten werden sollen, er aber trotzdem seine Kontrollrechte ausüben können soll. In einem solchen Fall werden die betreffenden Informationen einem Treuhänder zugänglich gemacht, der dann seinerseits dem Gesellschafter Bericht erstattet, ohne sich zu Einzelheiten zu äußern, vgl. B G H Z I P 1994, 1942, 1944; O L G München BB 1995,143; Grunewald Z H R 146, 211, 229; Lutter Z G R 1982, 1,11; Armbrüster, Beteiligung,
§9. Machtmittel
des Treuhänders und Resultate der Interessenwahrnehmung
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wenn die Formen treuhänderischer Macht vielfältig sind, ist vor allem zwischen zwei Hauptgruppen von Machtmitteln zu unterscheiden, nämlich zwischen Rechtspositionen, die der Treuhänder zur Wahrnehmung von Interessen des Treugebers für eine gewisse Dauer hält, und Legitimationen, die gewissermaßen Werkzeuge zur Interessenwahrnehmung in der Hand des Treuhänders sind. Es ist also nicht erforderlich, daß der Treugeber ein „Treugut" im herkömmlichen Sinne innehat, denn die treuhänderische Macht ist nicht zwingend Vollrechtsinhaberschaft, nicht einmal zwingend „Rechtsmacht", sondern lediglich „Einwirkungsmacht" im Bezug auf den Interessenkreis11 des Treugebers; freilich soll nicht geleugnet werden, daß der Treuhänder auch Rechtspositionen als Machtmittel halten kann und damit auch sachen- oder vollstreckungsrechtliche Probleme auftreten können.12 Dies verkennt Grundmann trotz seiner schuldrechtlichen Sichtweise der Treuhand. Er kritisiert zwar zu Recht die „sachenrechtlich verhaftete Sicht" der gängigen Meinung13 und propagiert eine „gewissermaßen vom sachenrechtlichen Denken entschlackte Sicht".14 Dabei bleibt er jedoch auf halbem Wege stehen, weil es für ihn lediglich darum geht, daß auch bestimmte „Güter", die einen Geldwert haben, sich aber „nicht zu einem der anerkannten Rechte des geistigen Eigentums verdichtet haben",15 als Treugut anerkannt werden können. Damit ist Grundmann auf traditionelle Weise weiterhin auf ein „Treugut" fixiert16 und denkt die Treuhand weiterhin von einem (quasi-)dinglichen Ausgangspunkt her, nur daß es bei ihm einige weitere, nicht als dingliche Rechtpositionen anerkannte „geldwerte Positionen" im Treugut geben kann, 17 deren Berechtigung er auf über zwanzig Seiten18 mit europarechtlichen, verfassungsrechtlichen, rechtsethischen und ökonomischen Argumenten eindringlich zu begründen sucht. Entscheidend kommt es jedoch bei einer konsequent schuldrechtlichen Sichtweise der Treuhand auf die Einwirkungsmacht des Treuhänders an, die dem Treuhänder „zur Ausführung des Auftrags", § 667 BGB, in welcher Weise auch immer eingeräumt wird. S. 33 f.; gleiches ist denkbar im Recht der Publikumskommanditgesellschaft, wo die Kommanditisten (Anleger) ihre Informations- und Kontrollrechte nach dem Gesellschaftsvertrag oftmals nicht selbst, sondern durch einen Beirat oder Kommanditistenvertreter ausüben, der dann insoweit Treuhänder der Anleger wird, vgl. nur Hopt, FS 50 Jahre BGH II, S. 509. 11 Es geht also nicht um die Einwirkung auf die Rechtssphäre des Treugebers, die nach Übertragung eines Vollrechts nicht möglich wäre, weil diese Rechte aus der Rechtssphäre des Treugebers ausgeschieden sind, sondern um Einwirkung auf den Interessenkreis, der auch dann berührt sein kann, wenn der Treuhänder ein Vollrecht hält, an dem der Treugeber aber aus wirtschaftlichen Gründen interessiert ist. 12 Dazu unten Teil 7. 13 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 82. 14 So Tebhen, Unterbeteiligung, S. 31 und 50 f., der Grundmann folgt. 15 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 83. 16 Vgl. etwa ausdrücklich Grundmann, Treuhandvertrag, S. 84 ganz unten. 17 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 96. 18 Grundmann, Treuhandvertrag, S. 101 ff.
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Teil 2: Das Treubandverhältnis
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Schuldrecht
2. Keine Kategorienbildung nach der Art der Macht Die Existenz verschiedener Formen der Treuhänder-Macht darf nicht dazu verleiten, Treuhandverhältnisse nach der Art des Machtmittels einzuteilen. Gemeinhin werden Treuhandverhältnisse zwar in dieser Weise kategorisiert und diskutiert:19 Romanistische Vollrechtstreuhand oder Fiducia, Schnitzes germanistische Treuhand mit aufschiebend bedingter Rechtsübertragung, die von Ludewig und Siebert etablierte Ermächtigungstreuhand oder die von der überwiegenden Auffassung nicht anerkannte Vollmachtstreuhand. Das erklärt sich jedoch aus der Betrachtung der Treuhand „von außen" durch die herrschende Lehrmeinung und Rechtsprechung, die freilich - wie im ersten Teil der Untersuchung aufgezeigt - auf bloßen Zufälligkeiten beruht. Diese herkömmliche Kategorisierung von Treuhandverhältnissen muß einer am Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder, insbesondere den Treuhänderpflichten, orientierten Kategorisierung weichen.
III. Machtmittel und Resultate
1. Die Unterscheidung zwischen Machtmitteln und Resultaten Treuhänderische Machtmittel sind von den Resultaten der Interessenwahrnehmung durch den Treuhänder zu unterscheiden. Diese Unterscheidung findet sich in § 667 BGB, der zwischen dem, was der Treuhänder „zur Ausführung des Auftrags erhält", § 667 Alt. 1 BGB (Machtmittel), und dem, „was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt", § 667 Alt. 2 BGB (Resultate), unterscheidet. Als Machtmittel können nur Legitimationen sowie diejenigen rechtlichen und tatsächlichen Positionen bezeichnet werden, die dauerhaft in der Hand des Treuhänders zur Wahrnehmung der Interessen des Treugebers zu bleiben bestimmt sind. Hierbei macht es keinen Unterschied, auf welchem Wege die jeweilige Position an den Treuhänder gelangt ist, denn § 667 Alt. 1 BGB spricht nicht davon, daß das zur Ausführung des Auftrags Erlangte „vom Auftraggeber" erlangt worden sein müßte.20 Erwirbt also ein Treuhänder in Ausübung einer Legitimation oder durch Veräußerung einer als Machtmittel gehaltenen Rechtsposition eine Forderung gegen einen Dritten, so handelt es sich bei dieser Forderung in der Regel nicht um ein Machtmittel, sondern um ein alsbald an den Treugeber „herauszugebendes", §667 Alt. 2 BGB, Resultat. Ein Beispiel wären Forderungen aus Kommissions19 Vgl. nur die Standardwerke: Siebert, dessen gesarate Arbeit auf dieser Einteilung aufbaut; Coing, Treuhand, S. 98 a.E. 2 0 Anders trotzdem Erman/Ehmann § 667 B G B Rn. 1 und 4.
§9.
Machtmittel des Treuhänders und Resultate der Interessenwahrnehmung
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geschäften. Der Umstand, daß der Treuhänder Inhaber dieser Rechtspositionen wird, empfinden die Parteien nicht als dem Vertragszweck dienlich, sondern als notwendiges, ja lästiges, möglichst bald zu beendendes Zwischenstadium. 21 Etwas anderes gilt dann, wenn die erworbene Rechtsposition wiederum dauerhaft zur Verwaltung der Treugeberinteressen in der Hand des Treuhänders bleiben soll, wie das etwa bei einem Wertpapiervermögen der Fall ist, das ein Vermögensverwalter als Treuhänder verwaltet, indem er die Papiere verwahrt, den Bestand nach bestimmten Anlagekriterien durch Verkäufe und Käufe regelmäßig anpaßt und Gewinne oder Dividenden wiederum anlegt. 22 Die Unterscheidung ergibt sich also letztlich aus dem Inhalt des Treuhandverhältnisses, 23 der Zweckbestimmung, der die einzelne Rechtsposition unterliegt. Ein Resultat fällt, je nachdem, welches Machtmittel zu seiner Erzielung verwendet wurde, entweder in das Eigenvermögen des Treugebers, z.B. bei Vertretungsmacht des Treuhänders, § 164 Abs. 1 BGB, oder in das Vermögen des Treuhänders, in dem es auch bei antizipierter dinglicher Einigung oder Vornahme eines Insichgeschäfts durch den Treuhänder zwischen sich und dem von ihm vertretenen Treugeber zumindest eine logische oder juristische Sekunde verbleibt, etwa bei „mittelbarer Stellvertretung". In letzterem Fall stellt sich die Frage des Schutzes dieser Resultate vor dem Zugriff von Treuhänder-Gläubigern. 24
2. Der Anspruch des Treugebers auf „Herausgabe" der
Resultate
a) Der Anspruch aus § 667 Alt. 2 BGB25 „Resultat" kann also eine Rechtsposition sein, die der Treuhänder infolge der Interessenwahrnehmung, zumeist durch den Gebrauch eines Machtmittels, erwirbt. Resultate können aber auch durch eigene interessenwahrende Arbeitsleistung 26 des Treuhänders, etwa dem Anlegen von Akten, 2 7 entstehen. 28 Der Treuhänder hat derlei Akten sogar zwingend anzulegen, denn er hat dem TreuVgl. Martinek, FS Musielak, S. 370. Derlei wird in Verträgen über Vermögensverwaltung regelmäßig vereinbart, vgl. Balzer, Vermögensverwaltung, S. 38 f. 2 3 Verkürzt ist es, wenn Martinek, FS Musielak, S. 371 allein auf das „Zeitmoment" als „maßgebliches Abgrenzungsmerkmal" abstellt, vielmehr kommt es auf die Zweckbestimmung an, der die Rechtsposition nach dem Treuhandverhältnis unterliegt, die dann regelmäßig, aber nicht zwingend im Zeitmoment Ausdruck findet. 2 4 Dazu unten § 33 und § 34. 2 5 Zur Herausgabe von Bonifikationen, Schmiergeldern etc. nach § 667 Alt. 2 B G B vgl. die Erörterungen zum Gewinnabschöpfungsanspruch unten § 2 8 IV. 26 £V;?W£/wM««§667BGBRn.l. 2 7 Vgl. aber die Sondeerregelung zu Handakten des Rechtsanwalts in § 50 B R A O . 2 8 In A k t e n können freilich auch Machtmittel enthalten sein, etwa in einer Kundenkartei, 21
22
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
geber gegenüber eine Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht als Teil seiner Interessenwahrnehmungspflicht. 29 Resultate muß der Treuhänder an den Treugeber „herausgeben", §667 Alt. 2 B G B . 3 0 Das gilt gerade auch für Akten und andere Unterlagen, die der Treuhänder angelegt hat, weil diese dem Treugeber die Wahrnehmung seiner Interessen (auch gegenüber dem ehemaligen Treuhänder!) auch zukünftig ermöglichen. 31 Computergespeicherte Daten sind nach Übergabe eines Exemplars zu löschen. 32 In derlei im Interesse des Treugebers angelegte Akten 3 3 kann auch während eines bestehenden Treuhandverhältnisses jederzeit Einsicht verlangt werden, § 810 B G B . Der Anspruch auf Herausgabe der Resultate entsteht spätestens mit Ende des Treuhandverhältnisses, bei länger dauernden Treuhandverhältnissen grundsätzlich schon mit ihrem Erwerb. 3 4 Die Fälligkeit des Herausgabeanspruchs richtet sich, wie bereits der Gesetzgeber bemerkt hat, 35 ganz nach den Umständen des einzelnen Treuhandverhältnisses, so daß eine gesetzliche Regelung der Fälligkeit zu Recht unterblieben ist. Auch in speziell geregelten Treuhandverhältnissen wird vielfach auf die Vertragsbestimmungen verwiesen und lediglich angeordnet, daß überhaupt eine derartige vertragliche Regelung bestehen muß, so etwa in §§ 15 Abs. 3 Buchst, i, 16 K A G G für die Ausschüttung von Erträgen und Gewinnen durch die Kapitalanlagegesellschaft als Treuhänder an die Anleger als Treugeber. §384 Abs. 2 H G B ordnet die Herausgabepflicht für den Kommissionär gesondert an, ohne daß sich hierdurch Veränderungen ergäben, weil letztlich die
die der Treuhänder für den Treugeber anlegt und die der Treuhänder zur Wahrnehmung des Absatzförderungsinteresses des Treugebers gebraucht. 2 9 Dazu auch unten § 30 II 2 c; eine ausdrückliche Regelung findet sich in § 34 W p H G . 3 0 Mit der Herausgabe ist nach ganz gängiger Auffassung auch jede Verschaffung von Rechtsinhaberschaft gemeint, vgl. nur Bamberger/Roth/Czub § 6 6 7 B G B Rn. 4; MünchKomm/Seiler § 6 6 7 B G B Rn.lOff.; Schlegelherger/Hefermehl § 3 8 4 H G B R n . 3 9 ; Wechsel sind vorbehaltlos zu indossieren, vgl. § 395 H G B , werden Effekten erworben und im Depot des Kommissionärs verwahrt, so ist ein Verzeichnis zu übersenden, § 18 Abs. 1 DepotG, mit dessen Absendung er Eigentümer der Papiere wird, § 18 Abs. 3 DepotG, vgl. dazu nur Schlegelberger/Hefermehl Anh. zu § 4 0 6 H G B Rn. 119. 31 RGZ 105, 392, 395; B G H Z 109, 260, 264; B a y O b L G B a y O b L G Z 1969, 2 0 9 , 2 1 4 ; O L G Hamm N J W - R R 1 9 8 8 , 2 6 8 , 2 6 9 ; Soergel/Beuthien § 667 B G B Rn. 7; unzutreffend deshalb die restriktive Auffassung bei MünchKomm/Sez/er § 667 B G B Rn. 16. 3 2 B G H N J W 1996,2159. 3 3 Das sind Akten, die zumindest auch dazu bestimmt sind, ihm als Beweismittel zu dienen oder seine rechtlichen Beziehungen zu sichern, zu klären oder sonst fördernd auf sie einzuwirken, RGZ 6 9 , 4 0 5 ; B G H W M 1971, 565; O L G Düsseldorf N J W - R R 1 9 9 6 , 1 4 6 4 , 1 4 6 6 ; Soergel/Mühl § 810 B G B Rn. 6; Erman/Heckelmann § 810 B G B Rn. 6; Staudingerl Marburger § 810 B G B Rn. 13; M ü n c h K o m m / / / « / / e r § 810 B G B Rn. 5. 3 4 B G H Z 107,90; B G H Z 109,264; Erman/Ehmann § 667 B G B Rn. 27; Staub/Koller § 384 H G B Anm. 42. 3 5 Mot. II, S. 539 hat die Fälligkeit offengelassen, weil die Verschiedenartigkeit der Fälle eine einheitliche Regelung unmöglich mache.
§9. Machtmittel
des Treuhänders und Resultate der Interessenwahrnehmung
165
für sämtliche Treuhandverhältnisse gültige Regelung des § 667 Alt. 2 BGB 36 nur deklaratorisch wiederholt wird. 37 Der Kommissionär ist Treuhänder, denn die Kommission ist auf „Einschaltung einer anderen Person zur Wahrnehmung eigener Vermögensinteressen" gerichtet.38 Er hat das übernommene Geschäft so aufzuführen, wie es im Interesse des Kommittenten liegt 39 , wie es also der Kommittent selbst ausführen würde, wenn er die dem Kommissionär eigenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Geschäftsverbindungen besäße.40 Gleiches gilt für die Herausgabepflicht des Vorerben, der bezüglich der Nachlaßsubstanz, vgl. §§2112 ff. BGB, Treuhänder des Nacherben ist, bei Eintritt der Nacherbfolge nach §2130 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dieser Anspruch ist jedoch anders als der Anspruch aus § 667 Alt. 2 BGB und genauso wie etwa auch der Erbschaftsanspruch nach §2018 Abs. 1 BGB, nur auf Herausgabe der Sachgesamtheit im technischen Sinne gerichtet, weil der Nacherbe mit Eintritt der Nacherbfolge ohnehin alle Rechtspositionen des Erblassers erwirbt, § 1922 Abs. 1 BGB, 41 und nur noch auf die Verschaffung des tatsächlichen Besitzes angewiesen ist.
b) Treuhänder auf eigene
Rechnung
Es ist auch denkbar, daß der Treuhänder aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Treugeber und Treuhänder auf eigene Rechnung handeln soll. Das ist etwa bei Vertragshändlern oder Franchisenehmern der Fall, die sich dem Hersteller oder Franchisegeber gegenüber zur Interessenwahrnehmung in Form der Absatzförderung verpflichten, den Absatz der Waren jedoch mit eigenem Betrieb im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchführen und deshalb auch den Gewinn behalten dürfen. Unzutreffend ist es deshalb, wenn Ulmer42 behauptet, § 667 BGB sei auf derlei Absatzmittler nicht anwendbar. Es ist lediglich so, daß der beim Absatz erzielte Gewinn als Resultat der Absatzförderungspflicht dem Treugeber unmittelbar und ohne Notwendigkeit der Herausgabe als 36 Die Wiederholung erfaßt jedoch nur den Gehalt des § 667 Alt. 2 BGB, so daß das zur Ausführung des Auftrags erhaltene nach §§ 675 Abs. 1,667 Alt. 1 BGB vom Kommissionär an den Kommittenten herauszugeben ist. Das ist etwa Kommissionsgut, das der Kommissionär nicht veräußern konnte, oder Vorschuß; unzutreffend deshalb Staub/Koller § 384 HGB Anm. 37; Ebenroth/Boujong/Joost/Krüger §384 HGB Rn.24; Ehrenberg/Schmidt-Rimpler, V, 1, S.691, die auch hier §384 Abs. 2 HGB anwenden wollen. Zutreffend hingegen K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 1 I V 1 f. 37 Staub/Koller §384 HGB Anm. 36; genauso Schlegelbergerl Hefermehl §384 HGB Rn. 35; K. Schmidt, Handelsrecht, § 3 1 I V 1 c. 38 Zutreffend Martinek, FS Musielak, S. 373. 39 SchlegelbergerlHefermehl, HGB, §384 Rn. 13. 40 StaublKoller,% 384 Anm. 3. 41 Vgl. nur Palandtl Edenhof er §2130 BGB Rn.2; MünchKomm/Gr»»s% §2130 BGB Rn. 2. 42 Ulmer, Vertragshändler, S. 269.
166
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden
Deutschen
Schuldrecht
„Provision" zugute kommt, so daß aufgrund abweichender Parteivereinbarung kein Anspruch aus § 667 Alt. 2 BGB besteht. 43 Das Handeln auf eigene Rechnung der Absatzmittler schließt das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses nicht etwa aus. Das Franchising ist (unter anderem) durch die Substitution des Franchisegebers (Treugebers) durch die einzelnen Franchisenehmer (Treuhänder) gekennzeichnet. 44 Der Franchisenehmer ist A b satzmittler, wie dies auch Handelsvertreter, Kommissionsagenten oder Vertragshändler sind. 45 Die Verpflichtung zur Absatzmittlung wird in einem Rahmenvertrag eingegangen, in dem sich der Franchisenehmer verpflichtet, seinen Betrieb mit Hilfe der Unterstützung seitens des Franchisegebers „nach A r t einer Filiale des Franchisegebers" 46 einzurichten und zu führen. Er unterliegt im Interesse des Franchisegebers einer Absatzförderungspflicht, 4 7 die durch sehr engmaschige Weisungen des Franchisegebers determiniert ist, die zur Wahrung des Markenimages dienen. Über die Absatzförderung hinaus ist der Franchisenehmer also zur umfassenden Konzeptanwendung und Konzeptförderung im Interesse des Franchisegebers verpflichtet. 48 Darüber hinaus hat er dem Franchisegeber regelmäßig zu berichten und ist zur Auskunft verpflichtet. 49 Die Verpflichtung des Franchisenehmers auf das Interesse des Franchisegebers wird durch eine Interessengleichrichtung 50 unterstützt, denn der Verdienst des Franchisenehmers richtet sich nach seinem Absatz, seine Bemühungspflicht gleicht also jener des Handelsvertreters. 51 Der Franchisegeber verpflichtet sich dem 43 Auch § 667 Alt. 1 BGB ist deshalb auf Absatzmittler, die auf eigene Rechnung handeln, anwendbar, soweit der Treugeber ihnen Machtmittel zur Verfügung stellt, die herausgegeben werden müssen, vgl. dazu gleich unten § 9IV 3. 44 Etwas anderes mag für das atypische „ Austausch-Franchising" gelten, das durch gleichförmige Austauschverträge zwischen dem Franchisegeber und gleichberechtigten Franchisenehmer, die nicht mehr nur Substituenten des Franchisegebers sind, gekennzeichnet ist, vgl. Martinek, Franchising, S.251 ff. und 378 ff.; kritisch jedoch Canaris, Handelsrecht, §20 I 5, der diese Fälle als Einzelerscheinungen bezeichnet; Liesegang NJW 1990, 1526; Haunhorst, Franchisenehmer, S. 48 ff.; auch betriebswirtschaftlich wird die hierarchische Struktur des Franchising als prägend angesehen, vgl. Mandewirth, Transaktionskosten, S. 122 ff. Hier soll keine Fremdinteressenwahrung für den Franchisegeber durch den Franchisenehmer als Absatzmittler vorliegen, der deshalb auch nicht weisungsunterworfen ist. Der Franchisenehmer wahre vielmehr seine eigenen Interessen als Betriebsinhaber, stimme in antagonistischer Weise die gegensätzlichen Interessen ab und verfolgt letztlich „eine gemeinsame Marketingstrategie arbeitsteilig [...], von der jeder Partner auf seine Weise profitiert", Martinek, Vertragstypen II, S. 78. 45 Martinek, Franchising, S. 247 ff. und 256 ff. 46 Martinek, Vertragstypen II, S. 65. 47 Gitter, Gebrauchsüberlassungsverträge, § 14 D III 2 a. bb.; Rohe, Netzverträge, S.439; Martinek ZIP 1988,1362,1371. 48 Canaris, Handelsrecht, § 201 4 a. 49 Martinek, Vertragstypen II, S. 69; daran wird die Einordnung als Treuhandverhältnis nochmals besonders deutlich, vgl. unten § 10 II. 50 Dazu schon oben § 7 V. 51 Canaris, Handelsrecht, § 201 4 a.
§ 9. Machtmittel
des Treuhänders und Resultate der Interessenwahrnehmung
167
Franchisenehmer gegenüber zu einer Betriebseingliederungs- und Förderungspflicht, die dienstvertraglichen Charakters ist, 52 und den Franchisegeber zur Übertragung von Machtmitteln wie dem Recht zur Verwendung bestimmter Markenbezeichnungen oder Know-how verpflichtet.53 Die Franchising-Rahmenvereinbarung, zu der dann Einzelverträge etwa zum Erwerb von Waren durch den Franchisenehmer hinzutreten, bildet also ein Typengemisch54 aus Treuhandvertrag die Franchisenehmerpflichten betreffend und Dienstvertrag die Franchisegeberpflichten betreffend. Daneben können kauf-, miet-, pachtund lizenzvertragliche Elemente hinzukommen. Gleiches gilt für den Vertragshändler. Er handelt im eigenen Namen und auf eigene Rechnung und ist durch ein Dauerschuldverhältnis einem Hersteller von Markenwaren verbunden und diesem zur Förderung des Absatzes dieser Waren verpflichtet. Deshalb richtet sein Handelsgeschäft auf den Vertrieb dieser Waren aus, gliedert sich durch Verwendung der Marke in das Vertriebsnetz des Herstellers ein und profitiert vom good will dieser Marke.55 Eine ältere Meinung hat den „Generalvertreter" oder „Alleinverkaufsberechtigten" als Vorläufer des Vertragshändlers nicht als Treuhänder angesehen. Er handle auf eigene Rechnung, habe eine Pflicht zur Wahrung der Herstellerinteressen nicht übernommen.56 Später wurde eine Anlehnung an des Handelsvertreterrecht vorgenommen.57 Rittner5S hat den Vertragshändlervertrag wohl erstmals als Geschäftsbesorgungsvertrag und damit als Treuhandvertrag eingeordnet. In der Tat ist der Vertragshändler Treuhänder, wie Ulmer59 überzeugend nachweist. Das Auftreten im Namen des Geschäftsherrn ist dafür genausowenig erforderlich wie das Handeln auf Rechnung des Geschäftsherrn, wenn der Treuhänder mit dem Handeln auf eigene Rechnung trotzdem in der Lage ist, Interessen des Geschäftsherrn wahrzunehmen, ist doch vor allem § 670 BGB durchaus abdingbar. Dnistrjanskyj60 hat diese Konstellation als „ökonomische Vertretung" bezeichnet, bei der ein GeschäftsbeMartinek, Franchising, S. 70. Auch der Franchisegeber kann im Einzelfall als Treuhänder der Franchisenehmer handeln, etwa wenn er finanzielle Vorteile von Lieferanten erhält, die sich ausschließlich aus dem Warenbezug der Franchisenehmer ergeben und die deshalb an diese durchzureichen sind, §§675,667 BGB, vgl. GieslerZIV 2004, 744, 745. 5 4 O L G Frankfurt/Main WiB 1996, 640, 641; O L G Hamm N Z G 2000, 1169 ff.; K. Schmidt, Handelsrecht, §28 II 3 c; Gielser, Franchisingverträge, Rn. 49; MünchKomm/®o« Hoyningen-Huene vor § 84 HGB Rn. 17 ff.; Palandt/Putzo vor §581 BGB Rn.22f.; Canaris, Handelsrecht, § 2014 a; K. Schmidt, Handelsrecht, § 28 II 3 c; Metzlaff/Grunsky § 5 Rn. 25 ff.; Graf von Westfalen N J W 1993,2859; Weber JA 1983, 347,351; Rauserl Bräutigam DStR 1996, 587; Ebenroth, Absatzmittlerverträge, S. 68 ff.; Mack, Vertragssysteme, S. 91 f; Vortmann, Franchiseverträge, S. 11. 55 Definition nach Ulmer, Vertragshändler, S. 189 f. und 249. 5 6 RGZ 46,121; RGZ 54,286. 57 RGZ 65,37; BGH N J W 1957,1026; B G H Z 29, 83, 87; B G H Z 34,282,285. 58 Rittner, Ausschließlichkeitsbindungen, S. 112 f. 59 Ulmer, Vertragshändler, S. 276 ff. 60 Dnistrjanskyj JherJB 77,48, 66 ff. 52
53
168
Teil 2: Das Treubandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
sorger bestimmte wirtschaftliche Funktionen für den Geschäftsherrn übernehme 61 (Substitution). Der Vertragshändler hat wie der Franchisenehmer eine dienstvertragliche Absatzförderungspflicht 62 und hält als Machtmittel das Recht, den good will einer bestimmten Marke in bestimmter Weise zu verwenden. Hinzu kommen technische Unterlagen und Anweisungen, Werbematerial, Vordrucke oder Transparente mit dem Herstellerzeichen. 63 Der Vertragshändlervertrag ist wie der Franchisingvertrag ein Rahmenvertrag, der durch einzelne Kaufverträge ergänzt wird. 64 Es handelt sich um einen typengemischten Vertrag mit erheblichem treuhänderischen Einschlag.
IV. Machtbezogene Pflichten des Treuhänders 1. Abstraktheit der
Machteinräumung
a) Treuhandverträge Treuhandverhältnis und Machteinräumung sind grundsätzlich getrennt voneinander zu betrachten. Die Macht des rechtsgeschäftlich bestellten Treuhänders wird regelmäßig mit einem vom Treuhandvertrag unabhängigen Rechtsgeschäft, also etwa einer Übereignung, §§ 929 ff. B G B , Abtretung, §§ 398 ff. B G B , Ermächtigung, § 185 Abs. 1 B G B , oder Bevollmächtigung, §§ 164 ff. B G B , eingeräumt. Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Machtmittels durch den Treuhänder ist im Verhältnis zum Treugeber der Treuhandvertrag, also der Geschäftsbesorgungsvertrag oder speziell geregelte Treuhandvertrag, zu dessen Ausführung die Machtmittel eingeräumt worden sind. Nicht hingegen - wie Grundmann meint 65 - ein zweiter, neben dem Geschäftsbesorgungsvertrag separat geschlossener „Treuhandvertrag", der die nicht endgültige, gegenleistungsfreie Übertragung von Rechtspositionen vorsieht und den Treuhänder deshalb an den Willen des Treugebers bindet. Die Pflicht zu einem an bestimmten Maßstäben ausgerichteten Tätigwerden des Treuhänders impliziert auch die Verpflichtung zum interessengerechten Einsatz der Machtmittel, ohne daß es dafür eines zusätzlichen Vertrages bedürfte. Daß ein Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag „zugrundeliegendes Rechtsverhältnis", § 168 Satz 1 B G B , für die Erteilung einer Vollmacht sein kann, ist unbestritten. 66 Gleiches gilt auch bei Dnistrjanskyj JherJB 77,48, 72. Ulmer, Vertragshändler, S. 287 ff. 63 Ulmer, Vertragshändler, S. 484 f. 64 Ulmer, Vertragshändler, S. 302 ff. 6 5 Dazu bereits oben § 8 I 5; insoweit widersprüchlich Staudinger/Schilken vor §§ 164 ff. BGB Rn. 48 einerseits und § 167 BGB Rn. 3 andererseits. 6 6 Vgl. auch B G H Z 110, 363, 367, wo ein ausdrücklich als Treuhandvertrag bezeichneter Vertrag Grundverhältnis war. 61 62
§9. Machtmittel des Treuhänders und Resultate der Interessenwahrnehmung
169
Einräumung anderer Machtmittel: Der Treuhandvertrag kann genauso Grundverhältnis bei einer Ermächtigung wie Rechtsgrund bei der Übertragung dinglicher Rechtsposition zur Ausführung der Interessenwahrnehmung sein.67 Es besteht nicht nur eine Trennung zwischen Treuhandverhältnis und Machteinräumung, sondern auch eine Abstraktheit der Machteinräumung vom Treuhandvertrag. Die Verfügung über eine Rechtsposition ist abstrakt von dem Rechtsgrund, der zu ihrer Innehabung berechtigt, 68 so daß etwa die Abtretung einer Forderung an den Treuhänder, § 398 BGB, auch dann wirksam ist, wenn der zugrundeliegende Treuhandvertrag niemals wirksam war oder inzwischen erloschen ist. Auch die Vollmacht ist grundsätzlich abstrakt vom Grundverhältnis, was sich aus einem Gegenschluß zu § 168 Satz 1 BGB ergibt; gleiches gilt für die Ermächtigung. Deshalb kann der Fall eintreten, daß ein Treuhandvertrag beendet wird, der Treuhänder aber gleichwohl noch über Machtmittel verfügt. Die Macht muß also, wenn nicht Ausnahmeregelungen wie § 168 Satz 1 BGB bei der Bevollmächtigung greifen oder eine auflösend bedingte Machteinräumung vorliegt, etwa eine auflösend bedingte Übereignung nach §§929, 158 BGB, durch ein weiteres Rechtsgeschäft zum Erlöschen gebracht werden. Vollmacht oder Ermächtigung können von Treugeber grundsätzlich einseitig widerrufen werden. 69 Rechtspositionen sind vom Treuhänder nach den §§ 929 ff., 873 oder 398 ff. BGB zurückzuübertragen. 70 So muß bei gekündigten, § 676a Abs. 4 Satz 1 BGB, oder nicht ausführbarem Überweisungsvertrag die Bank als Treuhänderin den Betrag wieder auf dem Girokonto des Kunden (Treugebers) gutschreiben und auf diese Weise die Auszahlungsforderung des Kunden neu begründen, §781 BGB, 71 soweit sie das Geld wiedererlangen kann. Zwar ist im Verhältnis Kunde/Bank die Anwendung des § 667 Alt. 1 BGB ausgeschlossen, § 676a Abs. 1 Satz 2 BGB, damit die Bank nicht auch dann zur Neubegründung verpflichtet ist, wenn sie den Überweisungsbetrag nicht ihrerseits wieder erlangen kann, 72 allerdings wird man für den Fall, daß der Betrag tatsächlich wieder erlangt werden kann, eine teleologische Reduktion des § 676c Abs. 1 Satz 2 BGB vornehmen müssen, 73 die nicht im 67 Nach traditioneller Auffassung wird vielfach von der „treuhänderischen Übertragung einer Rechtsposition" gesprochen, womit gemeint ist, daß der Treuhänder, wie etwa in B G H Z 110, 363 ff., Eigentum an einem Grundstück übertragen bekommt und causa für diese Übereignung der Treuhandvertrag ist; vgl. auch Palandt/Thomas §667 BGB Rn.2 zur Übereignung von Geld an den Beauftragten zur Ausführung des Auftrags. 68 Ausführlich zum Abstraktionsprinzip schon oben § 2. 69 Anderes gilt lediglich bei ausdrücklicher Vereinbarung oder vielfach bei Vollmachten, die im Interesse des Bevollmächtigten erteilt werden. 70 MünchKomm/Seiler § 667 BGB Rn. 6. 71 B G H Z 4,244; B G H WM 1961, 78ff.; B G H WM 1962, 460; MünchKomm/Sez/er § 667 BGB Rn. 8. 72 BR-Drucks. 163/99, S. 55 f; Häuser WM 1999,1037,1044 f. 73 Palandt/Sprau §676c Rn.2; Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, §49 Rn. 14 ff.; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.248; Ehmann/Hadding WM 1999,
170
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
Widerspruch zu Art. 8 der in § 676aff. BGB umgesetzten Überweisungsrichtlinie steht, 74 weil das Bankinstitut, das den Uberweisungsbetrag tatsächlich zurückerlangt, keines besonderen Schutzes bedarf. b) Andere
Treuhandverhältnisse
Bei gerichtlich oder gesetzlich angeordneten Treuhandverhältnissen wird bei Entstehung des Treuhandverhältnisses die Macht regelmäßig uno acto mit Einrücken des Treuhänders in seine Position oder sein Amt mitbegründet und erlischt regelmäßig auch mit Ende des Treuhandverhältnisses. Die gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern oder Mutter wird regelmäßig mit der Geburt des Kindes begründet, §§ 1626 Abs. 1, 1626a Abs. 2, 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB und endet - wie die elterliche Sorge - ohne weiteres mit Vollendung des achtzehnten Lebensjahres des Kindes, § 2 BGB, weil §§ 1626, 1626a BGB den Eltern lediglich die Sorge über das minderjährige Kind zuweisen. Der Testamentsvollstrekker erlangt sein die Erben verdrängendes Verwaltungsrecht mit Annahme seines Vollstreckeramtes und verliert es ohne weiteres mit Beendigung seines Amtes; es wird also ein einheitliches Amtsverhältnis begründet, das Treuhandverhältnis und Machtmitteleinräumung umfaßt. 75 Der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft erhält mit Gründung der Gesellschaft Vertretungsmacht zur umfassenden Vertretung des Gesellschaft, § 125 Abs. 1 HGB. Trotzdem sind auch hier Treuhänderstellung und Macht getrennt zu betrachten. Der Umfang der eingeräumten Machtmittel ist nicht in allen Fällen bindend festgelegt. Gerade bei gesetzlich angeordneten Treuhandverhältnissen kann es zu Abweichungen vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall kommen. So kann Eltern die gesetzliche Sorge teilweise oder ganz entzogen werden, § 1666 BGB, die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft können im Gesellschaftsvertrag bis zur Grenze der Selbstorganschaft vereinbaren, daß bestimmter Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen oder nur zusammen mit anderen Gesellschaftern zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt sein sollen, § 125 HGB. Wird ein Treuhandverhältnis durch Gerichtsentscheidung begründet, so kann das Gericht den Umfang der Machtmittel bei bestimmten Treuhandverhältnissen in seiner Entscheidung festlegen. So steht zwar die Machtbefugnis des Insolvenzverwalters unveränderlich fest, § 80 InsO, nicht aber jene eines Betreuers; sie ist nach den Bedürfnissen des Betreuten zu bemessen.
Sonderbeilage 3, S. 13; Nohhe W M 2001, Sonderbeilage 4, S. 8; a.A. Bamherger/Roth/Schmaldenbach § 676c BGB Rn. 13; Hoffmann W M 2001, 881, die den überweisenden Treugeber hier auf §§ 812 ff. BGB beschränken wollen. 74 Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, §49 Rn. 14 ff. 75 Vgl. Beuthien, FS BGH I, S. 101.
§ 9. Machtmittel des Treuhänders und Resultate der Interessenwahrnehmung
171
2. Pflichten des Treuhänders bei Bestehen des Treuhandverhältnisses a) Diskrepanz
von Können und Dürfen
Der Treuhänder soll bestimmte Interessen des Treugebers wahrnehmen, an seiner Stelle entscheiden und rechtsgeschäftlich oder tatsächlich Handeln. Er soll also selbständig und eigenverantwortlich arbeiten. Damit er diese Aufgabe sinnvoll erfüllen und in allen Situationen entsprechend reagieren kann, bedarf er eines gewissen Entscheidungsspielraums. Sein Machtmittel muß also einen ganz erheblichen Umfang haben, von dem er freilich nur im Rahmen seiner sich aus dem Innenverhältnis ergebenden Befugnisse Gebrauch machen darf. Es besteht also regelmäßig eine Diskrepanz von Können und Dürfen, die jedoch - anders als immer wieder behauptet76 - kein „Wesensmerkmal" von Treuhandverhältnissen ist. Zum Schutze des Treugebers kann man, auch bei nicht rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen, nicht - wie Weber77 für das Verwaltungsrecht des Insolvenzverwalters vorgeschlagen hat - § 134 BGB mit der Folge anwenden, daß jegliches Uberschreiten des „Dürfens" durch den Treuhänder diesen daran hindere, rechtlich wirksam zu handeln. Es ist also nicht möglich, daß jede Überschreitung der treuhänderischen Befugnisse aus dem Treuhandverhältnis als Verbot das Können des Treuhänders beschränkt und infolgedessen die entsprechenden Geschäfte des Treuhänders nach Art einer „Ultra-vires-Doktrin" ungültig sind. Das „Dürfen" des Treuhänders ist kein Verbot im Sinne des § 134 BGB. 7 8 Alles andere „verschleift die interne Pflichtenbindung des Verwalters und die Verfügungsbefugnis und damit den Unterschied zwischen Können und Dürfen".79 Seit Labandg0 ist im Vertretungsrecht vielmehr anerkannt, daß im Außenverhältnis zu Dritten grundsätzlich allein der Umfang der Vertretungsmacht maßgeblich ist. Wohl aber kann man, soweit die treuhänderische Macht, etwa die Vertretungsmacht, beschränkbar ist, mit einer restriktiven Auslegung der Vertretungsmacht helfen.81 Dabei ist aber wiederum zu beachten, daß es bei diesem Ergebnis nicht bleiben muß und sich umgekehrt Erweiterungen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten ergeben können. Für andere treuhänderische Machtpositionen gilt aufgrund der geschilderten Trennung von Innenverhältnis (Treuhandverhältnis) und Außenverhältnis (Macht) dasselbe. Unzutreffend erscheint es deshalb auch, aus dem Bankgeheimnis, also der Verpflichtung der Bank als Treuhänder gegenüber 76 77 78 79 80 81
Dazu oben §4 und §5. Jaeger/Weber §207,208 KO Rn. 50 und 58. Palandt/Heinrichs § 134 B G B Rn. 1. Spickhoff KTS 2000,14,19. Laband2.HR 10,183ff. Fischer, FS Schilling, S. 12; Schott AcP 171, 385,396-John, FS Mühl, S. 351.
172
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
dem Kunden als Treugeber, im inneren Zusammenhang mit dem Treuhandverhältnis erlangte Informationen (Machtmittel) nicht weiterzugeben, einen stillschweigend vereinbarten Abtretungsausschluß, § 399 B G B , für Forderungen der Bank gegen den Kunden zu sehen.82 Möglicherweise darf die Bank diese Forderungen nicht abtreten, jedenfalls kann sie es aber mangels einer ausdrücklichen Vereinbarung eines Abtretungsausschlusses. Aufgrund der Trennung von Treuhandverhältnis und Machtmittel „kann" der Treuhänder also ganz regelmäßig mehr als er „darf". Der Prokurist beispielsweise ist, mit Ausnahme von Grundstücksgeschäften, zum Abschluß sämtlicher Geschäfte, die zu einen Handelsgewerbe gehören, in der Lage, §§ 48 ff. H G B . Freilich hat er nur die Befugnis, ganz bestimmte, dem Kaufmann nützliche Geschäfte abzuschließen. Der Treuhänder, dem Eigentum an verschiedenen Gegenständen übertragen worden ist, kann mit diesen Gegenständen nach Belieben verfahren, § 903 B G B . Er soll sie jedoch nur im Interesse des Treugebers verwenden. Es ist ihm also insbesondere untersagt, Machtmittel im eigenen Interesse zu gebrauchen; 83 so darf sich beispielsweise das Organ einer Gesellschaft nicht aus der Gesellschaftskasse bedienen, aber auch keine Angestellten der Gesellschaft zu privaten Arbeiten heranziehen 84 oder unangemessene Spesen abrechnen. 85 Vor allem darf es keine Geschäfte mit der Gesellschaft schließen, die nicht dem Drittvergleich standhalten. 86 Das gilt freilich gleichermaßen für jeden anderen Treuhänder auch. Das treuhänderische Verschwiegenheitsgebot, wie es sich exemplarisch etwa in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG findet, ist ebenfalls Ausdruck des Verbots, Machtmittel zu mißbrauchen, denn bestimmte geheime Informationen sind Bestandteil der treuhänderischen Macht und ihr interessenwidriger Gebrauch oder auch ihr bloßes Ausplaudern ist deshalb Machtmißbrauch. Die Regelung im AktG hat damit rein deklaratorischen Charakter. Die Verpflichtung des Treuhänders, seine Macht nur im Interesse des Treugebers zu gebrauchen, resultiert also, anders als Grundmann meint, nicht daraus, daß der Treuhänder diese Macht ohne Gegenleistung auf Zeit erhalten hat, sondern daraus, daß das Treuhandverhältnis die Macht mit einer Zweckbindung im Innenverhältnis versieht und der Treuhänder die Macht deshalb also nur dieser Zweckbindung entsprechend einsetzen darf, auch wenn er anderes kann. Das Innenverhältnis regelt also die Pflichten und Rechte des Treuhänders auch bezüglich der Macht, aus diesem Verhältnis ergibt sich „ihr Zweck und die VerJobe Z I P 2 0 0 4 , 2 4 1 5 , 2 4 1 6 f; a.A. O L G Frankfurt am Main Z I P 2 0 0 4 , 1 4 4 9 . Vgl. Hopt Z G R 2 2 , 5 3 4 , 5 4 1 . 8 4 B G H W M 1976,77,78. 8 5 B G H N J W 2003,431,432; GK-AktG//7opi § 93 AktG Rn. 177; Y^-hktG/Mertens § 93 AktG Rn. 65; Scholz/Schneider § 43 G m b H G Rn. 142. 8 6 Vgl. 4.3.4 (2) des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 21. Mai 2003, der „branchenübliche Standards" verlangt; GK-AktG/Hopt § 93 A k t G Rn. 159 ff.; Fleischer W M 2003, 1045, 1051; besondere Schutzregelungen enthält § 8 9 A k t G für Kredite an Vorstandsmitglieder. 82
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§ 9. Machtmittel
des Treuhänders und Resultate der Interessenwahrnehmung
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pflichtung [...], sie in einem bestimmten Sinne zu gebrauchen". 87 Selbst wenn vertraglich oder gesetzlich nichts Ausdrückliches geregelt ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß die Macht nur zur Erfüllung der sich aus dem treuhänderischen Innenverhältnis ergebenden Interessenwahrnehmungspflicht eingeräumt wird, die Innenbindung des Treuhänders an die Interessen des Treugebers bei Ausübung der Macht. 8 8 Die im Treuhandrecht darüber hinaus entscheidende Frage, wann der Treuhänder die Macht einsetzen soll, 89 bleibt einem folgenden Abschnitt 9 0 vorbehalten, der die aus dem Treuhandverhältnis entspringende treuhänderische Interessenwahrnehmungspflicht umreißen wird, denn - wie Flume91 zutreffend zur Vertretungsmacht sagt - das Unterlassen des Machtgebrauchs ist allgemein ein Problem des der Machtposition zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses, aus dem sich gegebenenfalls Schadenersatzpflichten des Treuhänders wegen Unterlassung ergeben. Erhält also ein Treuhänder von den Treugebern A und B jeweils einen bestimmten Geldbetrag zum Ankauf von Wertpapieren nach gewissen Grundsätzen, so darf er das Geld eindeutig jeweils nur zum Wertpapierkauf und nicht zum Kauf eines Autos verwenden, obschon er das kann. Ob er allerdings angebotene Wertpapiere allein für A, allein für B, anteilig für A und B oder für keinen von beiden kaufen muß, ist eine andere Frage. b) Kein Einfluß des Machtmittels
auf die treuhänderische
Hauptpflicht
Die im folgenden Abschnitt 92 zu erörternde Hauptpflicht des Treuhänders aus dem Treuhandverhältnis, die Interessenwahrnehmungspflicht, wird nicht ohne weiteres durch die Art des dem Treuhänder gewährten Machmittels beeinflußt. Das zeigt, daß eine Kategorisierung der Treuhandverhältnisse nach Art des Machtmittels fehlgeht. Ohne bereits näher auf den Inhalt dieser Hauptpflicht einzugehen, kann dies bereits an dieser Stelle illustriert werden. Eine Stiftung kann als rechtsfähige Stiftung errichtet werden. Sie hat einen Vorstand als Organ, §§ 86, 26 BGB, der notwendiger Treuhänder der Stiftung ist. Eine Stiftung kann aber auch als unselbständige Stiftung errichtet werden. In diesem Fall wird das Stiftungsvermögen auf einen Treuhänder übertragen, 93 der damit in der gängigen Diktion also Vollrechtstreuhänder wird. Trotzdem hat der Treuhänder in beiden Fällen in gleicher Weise das Stiftungsinteresse wahrzunehmen. Der Treuhänder 87
Larenz BGB AT § 3 7 1 a. Vgl. zur Vollmacht Staudinger/Schilken § 167 BGB Rn. 3 und 91; Flume BGB A T II §50,1. 89 Vgl. zu der Unterscheidung zwischen dem Dürfen und dem Sollen (oder besser Müssen) der Vollmachtsausübung Flume BGB AT II § 50,1; Beuthien, FS BGH I, S. 84. 90 Dazu unten § 1 0 1 . 91 Flume BGB AT II §48,2. 92 Dazu unten §10. 93 Vgl. nur Seifart/von Campenhausen, Handbuch, § 36. 88
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Teil 2: Das Treubandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
darf in diesem Fall - wie jeder Treuhänder - seine Macht als Organ oder Rechtsinhaber nur einsetzen, wenn dies dem Interesse des Treugebers dient, denn er hat die Macht ausschließlich zur Interessenwahrnehmung erhalten. Gleiches gilt bei der Vermögensverwaltung unabhängig davon, ob die übliche Vollmachtsverwaltung oder das sogenannte „Treuhandmodell" gewählt wird. 94 Freilich können sich aus der Art der treuhänderischen Macht weitere machtspezifische (Neben-) Pflichten ergeben, die sich in unserem Stiftungsbeispiel auf die Verwaltung des Stiftungsvermögens beziehen, das im Falle der unselbständigen Stiftung streng vom Eigenvermögen des Treuhänders zu sondern ist. 95 Auch diese Pflicht jedoch entspringt letztlich der Pflicht, die Machtmittel nur zu Treuhandzwecken einzusetzen.
3. Machtbezogene Pflichten bei Beendigung des Treuhandverhältnisses a) Der Anspruch auf Herausgabe aus § 667 Alt. 1 BGB Der Treuhandvertrag erzeugt jedenfalls bei seiner Beendigung die Pflicht zur „Herausgabe" 9 6 der Machtmittel an den Treugeber, soweit der Treugeber diese nicht einseitig vernichten kann. Diese Pflicht ergibt sich aus § 667 Alt. 1 B G B beziehungsweise §§ 675 Abs. 1, 667 Alt. 1 B G B , der anordnet, daß der Beauftragte alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhalten hat, an den Auftraggeber herauszugeben hat, und erfaßt damit jegliche rechtliche oder tatsächliche 97 Machtmittel, die der Treuhänder nicht bei der Interessenwahrnehmung verbraucht hat, 9 8 was freilich nur bei Rechtspositionen, nicht bei Legitimationen möglich ist. So hat etwa ein Vertragshändler seine Firmenbezeichnung zu verändern, soweit er darin die Markenbezeichnung des Herstellers aufgenommen hat, oder ihm für das Auslandsgeschäft übertragene Marken zurückzuübertragen. 99 Diese Regelung, die in Form eines Kondiktionsanspruchs 100 das noch vorhandene abschöpfen will, ist im „Allgemeinen Teil" des Treuhandvertragsrechts 9 4 Zur Unterscheidung vgl. nur Schimansky/Bunte/Lwowski/Kienle, Bankrechtshandbuch, § 111 Rn. 9 f. 9 5 Dazu unten § 1 4 I I I . 9 6 Mit Herausgabe ist, wie bei § 667 Alt. 2 B G B , die Übertragung der Machtposition je nach Machtmittel, also insbesondere auch Ubereignung oder Abtretung, gemeint, vgl. oben §9111. 9 7 Also insbesondere auch den Besitz an Gegenständen oder Akten, die nicht in das Eigentum des Treuhänders übergegangen sind, Soergel/Beuthien § 667 B G B Rn. 5. 9 8 B G H Z 130,91, B G H N J W 1997,47; B G H N J W 1997,2106. 99 Ulmer, Vertragshändler, S. 484 f. 100 Erman/Ehmann § 667 B G B Rn. 4 weist zurecht darauf hin, daß allerdings kein Entreicherungseinwand nach dem Muster des § 818 Abs. 3 B G B besteht.
§9.
Machtmittel des Treuhänders und Resultate der Interessenwahrnehmung
175
enthalten und ist deswegen auf sämtliche Treuhandverträge anzuwenden. 101 Es bedarf also nicht der Konstruktion einer „Schenkung auf Zeit" oder der Annahme, ein Treuhandvertrag enthalte „Treugut vernichtende Bestandteile", 102 sondern es handelt sich um die ganz übliche, auch aus Austauschverträgen wie Miete oder Leihe bekannte Entstehung von Abwicklungsansprüchen nach dem Ende eines Vertragsverhältnisses. § 668 B G B 1 0 3 bestimmt darüber hinaus, daß der Treuhänder Gelder, die er als Machtmittel erhalten, aber für sich verwendet hat, etwa um vorübergehende finanzielle Engpässe zu überbrücken, unabhängig von der Höhe tatsächlich gezogener Vorteile zu verzinsen hat. Diesen Ansprüchen kann der Treuhänder gegebenenfalls ein Zurückbehaltungsrecht aus §273 Abs. 1 B G B entgegenhalten. Zur Herausgabe der Machtmittel kennen einige Treuhandverhältnisse Spezialregelungen. So haben Eltern dem Kind das von ihnen verwaltete Kindesvermögen herauszugeben, § 1698 Abs. 1 Alt. 1 B G B , wenn die elterliche Vermögenssorge durch Volljährigkeit des Kindes endet. Endet sie auf andere Weise, etwa durch Entziehung, §§ 1640 Abs. 4,1666,1667,1671,1672,1696 B G B , oder ruht sie, §§ 1673, 1674 Abs. 1 B G B , so ist das Vermögen an den neuen Inhaber der Vermögenssorge herauszugeben. 104 Es ist jeweils ein Bestandsverzeichnis zu erstellen, § 260 B G B . Gleiches - Herausgabe an das volljährige Mündel oder einen neuen gesetzlichen Vertreter, etwa den neuen Vormund 105 oder Adoptiveltern 1 0 6 - ist für das Ende der Vormundschaft in § 1890 Satz 1 Alt. 1 B G B angeordnet. Die Pflicht zur Rückgabe von Vollmachtsurkunden in sämtlichen Ausfertigungen 107 ist besonders in § 175 B G B geregelt. Dort ist ein Zurückbehaltungsrecht des Treuhänders, das dieser gemäß §273 Abs. 1 B G B dem Anspruch auf Herausgabe der Machtmittel entgegensetzen könnte, 1 0 8 ausdrücklich ausgeschlossen. Das Zurückbehaltungsrecht 109 wird deshalb ausgeschlossen, 110 weil 101 Der Treuhänder hat also insbesondere alle vollstreckungsfähigen, in seinem treuhänderischen Sondervermögen befindlichen Rechtspositionen an den Treugeber zu übertragen. 102 Schöny, Treuhandgeschäfte, S. 39 ff. 1 0 3 Dazu unten § 28 V 3. 104 Soergel/Strätz § 1698 B G B Rn. 3. 1 0 5 MünchKomm/Wtfgercz'tz § 1890 B G B Rn.2. 106 StaudingerlEngler § 1890 B G B Rn. 10. 1 0 7 Auch Kopien, Soergel/Leptien §175 B G B R n . 3 ; Staudinger/Schilken §175 B G B Rn. 4. 108 Soergel/Beuthien § 667 B G B Rn. 23; MünchKomm/Sej'/er § 6 6 7 B G B R n . 2 5 . 1 0 9 Wohl aber kann der Bevollmächtigte die Urkunde bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 372 B G B unter Ausschluß der Rücknahme, § 376 B G B , hinterlegen, KG N J W 1957,755; Münch Komm/Schramm §175 B G B R n . 4 ; Staudinger/Schilken §175 B G B R n . 2 ; Soergel/ Leptien § 175 B G B R n . 2 . 110 Das gilt entgegen § 50 B R A O auch für die Vollmachtsurkunde des Rechtsanwalts, sofern sie sich nicht ohnedies bei den Gerichtsakten befindet, § 80 Z P O , wo sie auch bleibt, Bork B G B AT Rn. 1515.
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
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Schuldrecht
andernfalls die Gefahr besteht, daß der ehemalige Treuhänder den Vollmachtsgeber trotz Erlöschens oder Nichtentstehens 111 der Vollmacht mißbräuchlich weiterhin verpflichten kann, § 172 Abs. 1 B G B . 1 1 2 Auch auf das Eigentum ander Urkunde kommt es nach zutreffender Auffassung deshalb nicht an. 113 Diese Vorschrift wird man auch auf andere private Urkunden anzuwenden haben, die eine Legitimation des Treuhänders verbriefen. 114 Verweigert der Treuhänder die Rückgabe einer Legitimationsurkunde, so kann diese gemäß § 176 B G B für kraftlos erklärt werden. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit der Treugeber Machtmittel auch während eines bestehenden Treuhandvertrags einfach vernichten oder zurückfordern darf. Aus der Fremdnützigkeit der Treuhand und dem Umstand, daß §667 B G B bewußt 115 keine Leistungszeit vorschreibt, die damit aus den Umständen folgt, §271 Abs. 1 B G B , ergibt sich, daß dem Treugeber diese Befugnis also grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt zusteht. Etwas anderes gilt freilich bei abweichender Vereinbarung. b) Vernichtung von Machtmitteln durch aa)
Zeitablauf
Problemstellung
Bestimmte Machtmittel, etwa Informationen oder Know-how, die der Treugeber dem Treuhänder eingeräumt oder die der Treuhänder auf andere Weise erhalten hat, bei denen also ein innerer Zusammenhang zwischen Treuhandverhältnis und Informationserlangung besteht, 116 können nicht einfach durch Widerruf oder Rückübertragung vernichtet werden. Der Treuhänder verfügt also auch nach Beendigung des Treuhandverhältnisses über diese Machtmittel und es besteht die Gefahr, daß er sie bei der Wahrnehmung eigener Interessen oder der Interessen anderer Treugeber benutzt, obschon er dazu nicht befugt ist, weil ohne Bestehen eines Treuhandverhältnisses das „Dürfen" auf null steht. 117
111 MünchKomm/Sc/jramm § 175 B G B Rn. 1; Staudinger/Schilken § 175 B G B Rn. 1; Soergel/Leptien § 175 B G B Rn.2; Enneccerus/Nipperdey § 188 I 3. 112 Vgl. nur Palandt/Heinrichs § 175 B G B Rn. 1. 113 Erman/Palm §175 B G B Rn.2; Palandt/Heinrichs §175 B G B R n . l ; RGRK/Ste//e« § 175 B G B Rn. 1; Staudinger/Schilken § 175 B G B Rn. 3. 114 O L G Köln M D R 1993, 512; Erman/Palm § 175 B G B Rn.2; Staudinger/Schilken § 175 B G B Rn. 7; Soergel/Leptien § 175 B G B Rn. 4 für Ermächtigungsurkunden. 115 Mot. II, S.539. 116 So etwa Schimansky/Bunte/Lwowski/Bruchner, Bankrechtshandbuch, §39 Rn. 8; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 2.152; Canaris ZIP 2004, 1781, 1782 zum Bankgeheimnis. 117 Anders Beuthien, FS B G H I, S. 87 f., der die Auffassung vertritt, mangels auftragsvertraglicher Handlungsanleitung könne der vermeintliche Treuhänder sein Machtmittel, bei Beuthien die Vertretungsmacht, nicht pflichtwidrig fehlgebrauchen.
§9. Machtmittel des Treuhänders und Resultate der Interessenwahrnehmung
177
Der ehemalige Treuhänder darf die Informationen weder verwerten noch durch Weitergabe anderen ihre Verwertung ermöglichen. Dieses „auf null stehen" ergibt sich nicht aus einer nachwirkenden Interessenwahrnehmungspflicht des Treuhänders nach Vertragsende, besteht die Interessenwahrnehmungspflicht als treuhänderische Hauptpflicht nach Beendigung des Treuhandverhältnisses doch gerade nicht mehr. Es entsteht jedoch mit Vertragsende die Pflicht zur Herausgabe der Machtmittel, § 667 Alt. 1 BGB, die in der Regel durch Rückübertragung des jeweiligen Machtmittels zu erfüllen ist. Soweit jedoch die Herausgabe aufgrund der Art des Machtmittels nicht möglich ist, bedeutet „Herausgabe" der Machtmittel ihren Nichtgebrauch. § 667 Alt. 1 BGB erzeugt auf diese Weise eine nachvertragliche Dauerunterlassungspflicht, die den Nichtgebrauch dieser Machtmittel, also etwa bestimmter Informationen, beinhaltet. Diese Pflicht endet, wenn die Informationen oder das Knowhow inzwischen offenkundig geworden ist.
bb) Die nachvertragliche
Geheimhaltungspflicht
des
Handelsvertreters
Im Recht des Handelsvertreters ist diese Pflicht exemplarisch, aber - wie obige Erörterungen zeigen - rein deklaratorisch geregelt, § 90 H G B . Deshalb hat lediglich der letzte Halbsatz des § 90 H G B („soweit...") eigenständige Bedeutung. Die Norm gilt nach gängiger Auffassung auch für Vertragshändler, 118 Franchisenehmer 119 und Kommissionsagenten. 120 In § 90 H G B wird dem Handelsvertreter verboten, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nach Beendigung des Treuhandverhältnisses zu verwerten oder Dritten mitzuteilen, „soweit dies nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmannes widersprechen würde". Es ist demnach unzutreffend, wenn zum Teil gesagt wird, § 90 H G B „konkretisiert die Interessenwahrungspflicht des Handelsvertreters für die Zeit nach Vertragsende". 121 Eine solche Pflicht existiert nach Beendigung des Treuhandverhältnisses gerade nicht mehr. Vielmehr besteht lediglich die nachvertragliche Pflicht zur Herausgabe der Machtmittel, 1 2 2 § 667 Alt. 1 BGB. Soweit die Herausgabe aufgrund der Art des Machtmittels nicht möglich ist, bedeutet „Herausgabe" der Machtmittel Nichtgebrauch. Geheimnisse im Sinne des § 9 0 HGB sind Informationen, die der Handelsvertreter vom Unternehmer als Machtmittel unter dem Siegel der Verschwie118
Ulmer, Vertragshändler, S. 397 Fn. 14.
119
MünchKomm/i>ott Hoyningen-Huene Staub/Koller§383 HGB Rn.38.
120
§ 90 H G B Rn. 6.
121 So jedoch Baumbach/Hopt § 90 HGB Rn. 4; Schlegelberger/Schröder Grundmann, Treuhandvertrag, S. 235. 122
§ 90 HGB Rn. 1;
Der Handelsvertreter hält die Informationen als Machtmittel treuhänderisch, so auch
Grundmann,
Treuhandvertrag, S. 369.
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
genheit erhalten hat, und die nicht offenkundig - also allgemein zugreifbar 123 sind und nach dem Willen des Unternehmers auch nicht offenkundig sein sollen. 124 Geheimnisse als Machtmittel erhält der Treuhänder nicht nur im Wege des Anvertrauens durch den Unternehmer, sondern auch im Wege einfachen Bekanntwerdens im Zuge der Interessenwahrnehmung. 125 Auch ein „Selbstschaffen" von Machtmitteln in Form von Informationen durch den Treuhänder ist denkbar, denn der Treuhänder kann bei der Interessenwahrnehmung nicht nur Resultate, sondern auch Machtmittel schaffen. 126 Die Pflicht zur Geheimhaltung endet freilich dann, wenn die Geheimnisse keine Geheimnisse mehr sind, weil die Informationen oder das Know-how inzwischen offenkundig geworden ist. 127 Die Pflicht zum Nichtgebrauch der Machtmittel steht freilich in einem Spannungsverhältnis zur wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Handelsvertreters nach Beendigung des Treuhandverhältnisses. Er kann für sich selbst oder für andere Treugeber sein Fachwissen und seine Fähigkeiten weiterverwerten. Die Pflicht zum Nichtgebrauch des Machtmittels kann also in Einzelfällen durch das Interesse des Handelsvertreter an seinem weiteren wirtschaftlichen Fortkommen überwogen werden. Diese Abwägungsmöglichkeit zwischen den Interessen des Unternehmers und Handelsvertreters 128 bringt § 90 B G B a.E. zum Ausdruck („soweit..."). Eine geringfügige Beeinträchtigung des Unternehmers in seinen Belangen im Gegensatz zu einer intensiven Beeinträchtigung des Fortkommens erlauben also eine Verwertung eines Machtmittels. Diese Abwägung ist im Gegensatz zu anderen Treuhandverhältnissen, bei denen die Pflicht aus § 667 Alt. 1 B G B eine derartige Möglichkeit nicht vorsieht, deshalb angeordnet, weil der Handelsvertreter als Treuhänder besonders eng in die Organisation des Prinzipals als Treuhänder eingegliedert ist und er sein Fortkommen allein durch den Gebrauch seines Fachwissens und seiner Kontakte bestreiten muß, und die Kenntnisse und Fähigkeiten des Handelsvertreters immer eng mit den Informationen aus dem letzten Treuhandverhältnis verwoben sein werden. Zutreffend wird § 90 H G B deshalb analog auf andere Absatzmittler angewendet; auch bei anderen Treuhandverhältnissen, die nach ihrer Beendigung eine Situation des
Vgl. RGZ 149,329,334. BGH DB Beil. 2 Nr. 12; OLG Koblenz NJW-RR 1987, 95, 97; Baumbach/Hopt §90 HGB Rn. 5; Schlegelberger/Schröder § 90 HGB Rn. 3; MünchKomm/iJon Hoyningen-Huene §90 HGB Rn. 7. 125 Vgl. nur MünchKomm/ucm Hoyningen-Huene § 90 HGB Rn. 13. 126 Dazu oben § 9 III; also sind auch neu geworbene Kunden „geheim", vgl. O L G Koblenz NJW-RR 1987, 95, 97 f., nicht aber mitgebrachte Kunden; diese kann der Handelsvertreter auch wieder mitnehmen. 127 Schlegelberger/Schröder § 90 HGB Rn. 16; MünchKomm/wo« Hoyningen-Huene § 90 HGB Rn. 15; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 90 HGB Rn. 5. 128 Hopt, Handelsvertreterrecht, § 90 Rn. 7. 123 124
§ 9. Machtmittel
des Treuhänders
und Resultate
der Interessenwahrnehmung
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Treuhänders hervorrufen, die der des Handelsvertreters vergleichbar ist, sollte eine Abwägung zugelassen werden. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Handelsvertreter eine Ausgleichszahlung nach § 89b Abs. 1 HGB erhalten hat. 129 Diese Zahlung stellt nämlich keine Entlohnung für die ohnehin geschuldete nachvertragliche Geheimhaltungspflicht dar. Vielmehr erhält der Handelsvertreter diese Zahlung dafür, daß er nach Beendigung des Handelsvertretervertrage bestimmte Provisionen, auf die er bereits hingearbeitet hat, nun nicht mehr verdienen kann, weil sie beispielsweise seinem Nachfolger zufließen, der die vom Vorgänger angelegten Erwerbschancen realisieren kann. 130 § 89b HGB steht also in einer Reihe mit andere Normen im Bereich des Treuhandrechts, 131 die dem Schutz der Gegenleistung des Treuhänders bei Treuhandverhältnissen mit werkvertraglichem Charakter dienen und dabei gleichzeitig dem Treugeber weitest möglich die freie Beendigung des Treuhandverhältnisses auch vor Fertigstellung des „Werkes" offenhalten. 132 Das bedeutet auch, daß ein solcher Anspruch bei nichtigem, aber in Vollzug gesetztem Treuhandvertrag nicht bestehen kann; 133 allerdings ist ein Kondiktionsanspruch denkbar.
cc) Nachvertragliche
Wettbewerbsabreden
Die Verletzung der Geheimhaltungspflicht wird vielfach schwer nachweisbar sein. Außerdem mag ein Treuhänder, der nunmehr für einen anderen Treugeber in einem ähnlichen Interessenbereich arbeitet, versucht sein, Geheimnisse zu verwerten, um dem neuen Treugeber besonders gut zudiensten sein zu können. Vor allem bei Treuhandverhältnissen, die während ihres Bestehens ein Wettbewerbsverbot zulassen, 134 kann sich der Treugeber durch Vereinbarung einer nachvertraglichen Wettbewerbsabrede über die Geheimhaltungspflicht hinaus absichern. Eine solche Abrede schützt also den Unternehmer davor, daß der Handelsvertreter über Geheimnisse hinaus, §90 HGB, auch seine sonstigen Kenntnisse, Fertigkeiten und Verbindungen für einen Konkurrenten benutzt. 135 129 Staub/Brüggemann § 90 HGB Anm. 5; Baumbach/Hopt § 90 HGB Rn. 7; Koller!Roth/ Morck § 90 HGB Rn. 2; a. A. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 90 HGB Rn. 4. 130 BGHZ 24, 214, 222; Schlegelbergerl Schröder §89b HGB Rn.l; MünchKomm/^on Hoyningen-Huene § 89b Rn.2f. und §90a HGB Rn. 40; Küstner/Thume, Handbuch I, Rn. 2061. 131 In dieser Weise läßt sich § 89b HGB auch in das treuhandrechtliche Regelungssystem einordnen, ohne daß es der Erwägungen bei Grundmann, Treuhand, S. 370 ff. bedarf, die trotz ihrer „Ausführlichkeit und Subtilität" nicht weiterführen, vgl. Canaris, Handelsrecht, § 17 Rn. 102 Fn. 116. 132 Dazu unten § 1113, vgl. auch Bodewig BB 1997, 641. 133 Münch Komm/forz Hoyningen-Huene § 89b Rn. 33 ff.; Canaris, Handelsrecht, § 17 Rn. 120; a.A. BGHZ 129,290,293; BGH NJW 1997,655,657. 134 Eingehend dazu unten §18. 135 MünchKomm/uoiz Hoyningen-Huene § 90a HGB Rn. 2.
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden
Deutschen
Schuldrecht
Dadurch wird auch die Gelegenheit für eine Verwertung der mit eigenen Kenntnissen etc. verbundenen Geheimnisse entzogen, so daß die Geheimnisse für den Treuhänder wertlos werden, wenn die Wettbewerbsabrede nur einen ausreichend langen Zeitraum umfaßt. Dabei ist freilich zu beachten, daß ein derartiges nachvertragliches Konkurrenz- oder Wettbewerbsverbot nicht nur eine Vernichtung von Machtmitteln durch Zeitablauf herbeiführen kann, sondern darüber hinaus die weitere Betätigung des Treuhänders in einem bestimmten Interessensegment verhindert und so das Fortkommen des Treuhänders und seine gewerbliche Tätigkeit erheblich erschwert. Deshalb wird eine derartige Abrede noch schneller als ein während eines bestehenden Treuhandverhältnisses geltendes Wettbewerbsverbot an die Knebelungsgrenze, § 138 Abs. 1 BGB, stoßen können. Im Recht des Handelsvertreters besteht mit § 90a HGB nunmehr eine Sonderregelung zu Grenzen nachvertraglicher Wettbewerbsverbote, die auch Leitlinien für die Behandlung solcher Verbote bei anderen Treuhandverhältnissen an die Hand geben kann, denn bei § 90a HGB handelt es sich letztlich nur um eine Konkretisierung der zuvor auch im Handelsvertreterrecht in § 138 Abs. 1 BGB verorteten Maßstäbe. 136 Im Handelsvertreterrecht kann eine Wettbewerbsabrede nur bis zu zwei Jahre nach Beendigung des Treuhandverhältnisses wirken, § 90a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 HGB. Sie darf sich auch lediglich auf diejenigen Gegenstände erstrecken, die der Handelsvertreter vertreten hat und sie darf nur den „alten" Bezirk oder Kundenkreis des Handelsvertreters erfassen, § 90a Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 HGB. Konnte der Handelsvertreter überall tätig sein, so kann allein sein schwerpunktmäßig bearbeitetes Gebiet gesperrt werden. 137 Außerdem muß der Unternehmer dem Handelsvertreter eine „angemessene Entschädigung" bezahlen, § 90a Abs. 1 Satz 3 HGB. Sie dient als Gegenleistung für die Unterlassung von Konkurrenz, wozu der Handelsvertreter eigentlich berechtigt wäre. 138 Diese Vorschriften sind zugunsten des Handelsvertreters halbzwingend, §90a Abs.4 HGB. Fällt das Unternehmerinteresse weg, etwa weil der seinen Betrieb schließt, so entfällt die Konkurrenz und damit auch die Wettbewerbsabrede. 139 Auch für andere Treuhandverhältnisse dürften ähnliche Kriterien gelten: Der Vorrang der Treugeber-Interessen vor anderen Interessen gilt nach Beendigung des Treuhandverhältnisses nicht mehr 140 und kann auch nicht ohne gleichzei136 §90 HGB wurde im Zuge der HGB-Reform 1953 eingeführt und 1989 im Zuge der Umsetzung von Art. 20 der EG-Richtlinie 382/17 nochmals präzisiert. Zuvor wurden Wettbewerbsabrede für Handelsvertreter an den Grenzen der §§ 138 Abs. 1, 242 BGB gemessen, vgl. Staub/Brüggemann § 90 HGB Rn. 2. 137 Küstner BB 1997,1754. 138 BGHZ 59, 390; MünchKomm/W Hoyningen-Huene §90a HGB Rn.40; Küstneri Thume, Handbuch I, Rn. 2252; Köhler, FS Rittner, S. 265 ff. 139 Staub/Brüggemann § 90 HGB Anm. 3; Schlegelbergerl Schröder § 90 HGB Rn. IIa. 140 Fleischer WM 2003,1045,1058.
§ 9. Machtmittel des Treuhänders und Resultate der Interessenwahrnehmung
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tiges Bestehen eines Treuhandverhältnisses vereinbart werden. 141 Die Wettbewerbsabrede darf nur einen beschränkten Zeitraum umfassen, der unbedingt erforderlich ist, um die Machtmittel des Treuhänders zu entwerten. Außerdem kann sich die Abrede nur auf die wahrgenommenen Interessen beziehen. Schließlich ist ein angemessenes Entgelt zu entrichten, das den Treuhänder, der nunmehr seine Lebensstellung verloren hat, jedoch auch nicht gleich eine ähnlich neue Stellung einnehmen darf, nach dem Maßstäben des bisherigen Treuhandverhältnisses entlohnt, also im Zweifel „voll bucht". 142 §138 Abs. 1 B G B dürfte nicht zwingend verlangen, daß während dieses Treuhandverhältnisses ein Wettbewerbsverbot galt, vielmehr muß dieses „alte" Treuhandverhältnis lediglich so beschaffen gewesen sein, daß ein Wettbewerbsverbot im Sinne eines absoluten Interessenvorrangs zugunsten des Treugebers vereinbart werden hätte können.
dd) Verhinderung von Machtmißbrauch bei Rechtsanwälten Ein Rechtsanwalt darf nicht in einer Rechtssache beide Seiten vertreten. Ubersieht er ein Doppelmandat, so sind beide Mandate niederzulegen, § 3 Abs. 4 B O R A und Ziff. 3.2.2. der Anl. zu § 29 Abs. 1 B O R A . 1 4 3 Der Rechtsanwalt darf sich in einem solchen Fall genauso wenig für eines der beiden Mandate entscheiden wie er ein Mandat der Gegenseite annehmen darf, wenn er das bestehende Mandat kündigt, §§43a Abs. 4 B R A O , 3 Abs. 1 B O R A („vertreten hat") und Ziff. 3.2.3. der Anl. zu §29 Abs. 1 B O R A , weil eine mißbräuchliche Verwendung von Informationen droht (Parteiverrat). 144 Das ergibt sich daraus, daß als Machtmittel gewährte Informationen nach Beendigung eines Treuhandverhältnisses nicht zurückgewährt werden können, so daß ihr Mißbrauch droht. Diese Regel sollte auf sämtliche Treuhänder angewendet werden, die wie Rechtsanwälte Interessen einer Vielzahl von Treugebern wahrnehmen und „auf die andere Seite überlaufen" können. Ein Beispiel wäre der Makler, der unerlaubt für beide Seiten tätig sein 145 oder unter Mitnahme der Informationen etwa von der Verkäuferseite auf die Käuferseite wechseln kann. Der Treuhänder wird durch dieses Verbot der Begründung eines bestimmten Treuhandverhältnisses nicht unzumutbar beeinträchtigt, weil es sich bei Treuhändern, die „überlaufen" können, in der Regel um Treuhänder handelt, die Interesse einer Vielzahl von Treugebern wahrnehmen. Dazu eingehend unten § 18. Zum „voll buchen" als Voraussetzung eines absoluten Interessenvorrangs im Sinne eines Wettbewerbsverbotes unten § 18. 143 Feurich/Braun § 43a B R A O Rn. 61. 144 Henssler/Prütting/Eylmann §43a B R A O Rn. 128; auf die Treuhänderstellung des Rechtsanwalts spielt die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 43a B R A O im Jahre 1994 an, wenn sie vom „Vertrauensverhältnis zum Mandanten" spricht, BT-Drucks. 12/4993, S. 27. 1 4 5 Zur Frage der Zulässigkeit einer Doppeltätigkeit des Maklers unten § 24 III 2 a. 141
142
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Teil 2: Das Treubandverhältnis
4. Exkurs: Machtbezogene
im geltenden
Pflichten ohne
Deutschen
Schuldrecht
Treuhandverhältnis
Die Erörterungen legen nahe, noch einen weiteren Bereich zu streifen, nämlich die Frage, ob auch machtbezogene Pflichten denkbar sind, ohne daß überhaupt ein Treuhandverhältnis besteht. Damit sind Fälle gemeint, in denen Vertragsverhandlungen scheitern oder eine Treuhandvertrag aufgrund von Sittenwidrigkeit, § 138 Abs. 1 BGB, oder aufgrund von Anfechtung, § 142 Abs. 1 BGB, nichtig ist, der verhinderte Treuhänder aber gleichwohl bereits Machtmittel erhalten hat. In einem solchen Fall kann der verhinderte Treugeber Legitimationen erforderlichenfalls widerrufen, soweit ihr Entstehen nicht ohnedies an das Entstehen des Treuhandverhältnisses geknüpft ist, 146 und dem verhinderten Treuhänder übertragene Rechtspositionen kondizieren, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Schwieriger stellt sich jedoch auch hier der Umgang mit Informationen dar, die der verhinderte Treugeber dem verhinderten Treuhänder preisgegeben hat, weil es trotz Fehlens eines Treuhandverhältnisses einer Pflicht bedarf, die den Nicht-Treuhänder dazu verpflichtet, diese Informationen nicht im eigenen Interesse oder im Interesse eines Dritten zu gebrauchen. Im Handelsvertreterrecht wird eine solche Pflicht unter Berufung auf § 90 HGB angenommen. § 90 HGB spreche von der „Tätigkeit" des Handelsvertreters und knüpfe damit für die Geheimhaltungspflicht gerade nicht an einen wirksamen Vertrag an. 147 Auch bei nichtigem Vertrag bestehe deshalb keine Befugnis des verhinderten Handelsvertreters zum Gebrauch der Machtmittel außerhalb des Interessenkreises des Prinzipals. Allerdings erscheint dieses Wortlautargument nicht überzeugend, denn § 90 HGB regelt, daß die Geheimhaltungspflicht „auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses" besteht, und setzt damit voraus, daß ein solches Vertragsverhältnis überhaupt einmal bestanden hat. In der Literatur wird außerdem gesagt, daß die Geheimhaltungspflicht des Handelsvertreters nach § 90 HGB auch bereits durch Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründet werde. Ein späteres Scheitern des Vertragsschlusses verhindere nicht, daß alles, was der Unternehmer dem Handelsvertreter in Erwartung eines zukünftigen Vertragsschlusses mitgeteilt hat, geheimzuhalten sei. 148 Eine Begründung für diese Auffassung wird jedoch über eine pauschale Berufung auf Sinn und Zweck der Norm 149 hinaus nicht gegeben. 146 So bei der Vollmacht, § 168 Satz 1 BGB analog, MünchKomm/Schramm § 164 BGB Rn. 92; Medicus, BGB AT, Rn. 949; Beuthien, FS BGH I, S. 85; Frotz, Verkehrsschutz, S. 330. 147 MünchKomm/fo« Hoyningen-Huene § 90 HGB Rn. 4; ähnlich Ehenroth/Boujong/ Joost/Löwisch § 90 HGB Rn. 3: „durch tatsächlichen Vollzug begründetes Handelsvertretervertragsverhältnis". 148 Ebenroth/Boujong/Joost/'Löwisch §90 HGB Rn.3; genauso MünchKomm/uoiz Hoyningen-Huene § 90 HGB Rn. 4. 149 MünchKomm/forc Hoyningen-Huene § 90 HGB Rn. 4.
§9.
Machtmittel des Treuhänders und Resultate der Interessenwahrnehmung
183
Eine ähnliche Auffassung wird auch im Bereich des Bankrechts für das Bankgeheimnis vertreten. Auch hier ist anerkannt, daß die Bank Informationen, die ihr ein potentieller Kunde bereits im vorvertraglichen Stadium preisgegeben hat und die also in innerem Zusammenhang mit dem anzubahnenden Treuhandverhältnis stehen, nicht weitergeben oder im eigenen Interesse verwenden darf, 1 5 0 und zwar unabhängig davon, ob letztlich ein Vertrag zustandekomme oder nicht. Gleiches gelte auch im Falle der Nichtigkeit des Vertrags zwischen Bank und Kunden. 151 Besteht ein Treuhandvertrag zwischen Bank und Kunde, so läßt sich das Bankgeheimnis auf diese vertragliche Beziehung stützen, 152 denn die Geheimhaltungspflicht eine Facette Interessenwahrnehmungspflicht. 153 Zudem regelt Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken, daß die Bank zur Verschwiegenheit über alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen verpflichtet ist, von denen sie Kenntnis erlangt. 154 Diese Möglichkeit besteht bei Scheitern der Verhandlungen oder Nichtigkeit des Treuhandvertrags nicht. Für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen wird deshalb zum Teil eine stillschweigende vereinbarte Verhaltenspflicht der Bank angenommen. 155 Eine andere Auffassung stützt das Bankgeheimnis auf die auf der Geschäftsverbindung zwischen Kunde und Bank beruhende Vertrauenshaftung der Bank, bei der es sich um ein gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungsbeziehung 156 handle. In der Regel wird die Geheimhaltungspflicht mit einem nicht näher begründeten Verweis auf culpa in contrahendo begründet. 157 Letztere Auffassung erscheint für beide Fallgruppen zutreffend, weil jeweils ein gesetzliches Schuldverhältnis aus §311 Abs. 2 B G B besteht. Das ergibt sich für den Fall des Scheiterns der Vertragsverhandlungen ohne weiteres aus § 311 Abs. 2 B G B , aber auch bei Nichtigkeit des Vertrags besteht ein solches Schuldverhältnis mit Pflichten aus §214 Abs. 2 B G B unabhängig vom Nichtigkeitsgrund, beziehungsweise lebt nach Anfechtung wieder auf. 158 Dieses SchuldverB G H D B 1953,1031; Canaris, Bankrecht, Rn. 42; WolffDB 1968, 696. Canaris, Bankrecht, Rn. 42; Wolff DB 1968, 696. 1 5 2 B G H Z 27, 241, 246; B G H W M 1973, 892; Schimansky/Bunte/Lwowski/Bruchner, Bankrechtshandbuch, § 39 Rn. 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Grundmann, Bankrecht I, Rn. 156; Müller N J W 1963, 835; Liesecke W M 1975,247; vgl. auch Reifner J Z 1 9 9 3 , 2 7 3 , 2 8 0 . 1 5 3 Unzutreffend ist die Einordnung der Geheimhaltungspflicht als Nebenpflicht zur Geschäftsbesorgung, denn der interessengerechte Umgang mit den Machtmitteln ist Bestandteil der Interessenwahrnehmungspflicht als treuhänderischer Hauptpflicht, so aber B G H B B 1993, 993; MünchKomm/Hadding/Häuser, Zahlungsverkehr, Rn. A 155; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 2.143; Hellner/Steuer/Weber, Bankrecht, Rn. 2/842; Musielak, Gutachten, S. 1302. 1 5 4 Zur Interessenwahrnehmungspflicht des Treuhänders eingehend unten § 10. 155 Schimansky/Bunte/Lwowski/Bruchner, Bankrechtshandbuch, § 39 Rn. 7. 156 Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 12 ff. und 42; SteindorffZHK 149,151,153 f. 157 Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 6 Rn. 6; Hellner/Steuer/Weber, Bankrecht, Rn. 2/842; SichtermannlFeuerbornlKirchherrITerdenge, Bankgeheimnis, S. 122 f. 1 5 8 Eingehend zum alten Schuldrecht Canaris J Z 1965,477 ff. 150 151
184
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden
Deutschen
Schuldrecht
hältnis enthält die Pflicht zur Rücksichtnahme auf Interessen des anderen Teils, vgl. §241 Abs. 2 BGB, die sich dadurch begründet, daß der andere Teil durch Preisgabe von Informationen, die Machtmittel bei der Interessenwahrnehmung seitens der Bank werden sollten, der Bank bereits eine besondere Einwirkungsmöglichkeiten auf seine Interessensphäre eröffnet hat. Daraus ergibt sich auch, daß die Annahme der konkludenten Vereinbarung einer entsprechenden Verhaltenspflicht der Bank nicht nur gekünstelt, sondern schlicht überflüssig ist. Die Einordnung der „Geschäftsverbindung" als Schuldverhältnis ohne Leistungspflichten kommt der Lösung über § 311 Abs. 2 BGB sehr nahe, hat jedoch den Nachteil für sich, daß sie auf das Bankrecht beschränkt ist und sich nicht für das Treuhandrecht insgesamt fruchtbar machen läßt; sie stammt letztlich aus der frühen Rechtsprechung des Reichsgerichts 159 zu einer Zeit, als die Grundsätze über vorvertragliche Sonderverbindungen noch nicht allgemein anerkannt waren. 160 Gegen die Lösung über § 311 Abs. 2 BGB läßt sich nicht anführen, daß sie das Bankgeheimnis nicht erklären könne, wenn kein Vertrauen gebildet oder gebildetes Vertrauen zerstört wird. 1 6 1 Das gesetzliche Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 BGB kommt allein dadurch zustande, daß sich mehrere Rechtssubjekte zum Zweck der Begründung rechtsgeschäftlicher Beziehungen miteinander in Kontakt begeben, unabhängig davon, wie diese Kontaktaufnahme dann verläuft.
159 160
Vgl. etwa die Entscheidungen RGZ 27,118,121 f. oder RGZ 45,125,129 f. Wach,Terminhandel,Rn.216;Hopt,Rechtsfragen,S. 13;Lange,Informationspflichten,
S. 74. 161 So Ehenroth/Boujong/Joost/Grundmann 151,152.
Bankrecht I Rn. 156; Steindorff
ZHR 149,
§10. Die Pflichten des Treuhänders I. Die Interessenwahrnehmungspflicht des Treuhänders 1. Wahrnehmung des fremden Interesses quasi mea Sämtliche Treuhandverhältnisse haben als grundformbedingte Gemeinsamkeit eine charakteristische Hauptpflicht des Treuhänders gemeinsam, nämlich die Pflicht zur Wahrnehmung fremder Interessen im weitesten Sinne, 1 die Pflicht, „im fremden Interesse fürsorglich tätig zu sein".2 Damit ist die Pflicht des Treuhänders gemeint, die Interessen des Treugebers so wahrzunehmen, als ob es eigene Interessen wären. 3 Mit dieser Formulierung ist nicht etwa der Umstand angesprochen, daß der Treuhänder nur Interessenwahrnehmung nach dem Maßstab der „Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten" schulde. Der Maßstab des Behandeins einer Angelegenheit quasi mea geht vielmehr von dem Befund aus, daß ein Interesse immer am besten vom Interessenträger selbst, der aus egoistischen Motiven heraus handelt, wahrgenommen wird. Der Treuhänder muß sich also, soweit er nicht bestimmte konkrete Weisungen des Treugebers befolgt hat, fragen lassen, ob er so gehandelt hat, wie ein vernünftiger Interessenträger im konkreten Fall bei der Wahrnehmung dieses eigenen Interesses gehandelt hätte, denn er ersetzt ja den Treugeber bei der Interessenwahrnehmung. Genügt er diesem Maßstab nicht, so ist er Sanktionen ausgesetzt.4 Nichts anderes meinen auch Formulierungen wie „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes", §43 Abs. 1 G m b H G , „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters", §93 Abs. 1 Satz 1 AktG, „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters", § 60 Abs. 1 Satz 2 InsO, oder „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns", §384 Abs. 1 Halbsatz 1 H G B , die sich in einigen gesetzlich geregelten Treuhandverhältnissen finden. Die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten des konkreten Treuhänders anstelle der Sorgfalt eines vernünftigen Interessenträgers ist nur dann geschuldet, wenn dies gesetzlich angeordnet ist, vgl. die Haftungsprivilegien etwa in §§ 708, 1359 mit 1435 Satz 1,1664 B G B , oder vertraglich vereinbart wurde. 1 2 3 4
Vgl. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2423. Latenz, Schuldrecht BT, § 561. Dazu oben §71. Dazu unten Teil 6.
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
186
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
Die Interessenwahrnehmungspflicht des Treuhänders endet grundsätzlich mit der Beendigung des Treuhandverhältnisses. Lediglich ausnahmsweise kann ein Treuhandverhältnis auch eine nachwirkende Interessenwahrnehmungspflicht entfalten. So ist etwa ein Bankinstitut auch nach Beendigung des Girovertrags durch Kündigung oder nach § 116 InsO verpflichtet, noch eingehende Uberweisungsbeträge für den Schuldner entgegenzunehmen. 5 Unzutreffend erscheint es jedoch, für den Regelfall eine „nachwirkende Treuepflicht" anzunehmen, wie dies vielfach im Recht der Leitungsorgane vom Kapitalgesellschaften geschieht. 6 Das Verbot der Mitnahme von Geschäftschancen oder die Ausnutzung von Interna für eigene Zwecke ergibt sich nicht aus einer solchen Pflicht, sondern aus dem Umstand, daß nach Beendigung des Treuhandverhältnisses diese Machtmittel herauszugeben, in diesem Fall also nicht zu gebrauchen sind. 7 Ansonsten hat der Treuhänder nach Beendigung des Treuhandverhältnisses Interessenkonflikte gegebenenfalls nicht mehr nach den Regeln des Treuhandrechts zu lösen.
2. Die Höchstpersönlichkeit
der
a) Die Regel des $ 664 BGB und aa) Unmittelbarer
Interessenwahrnehmung Sonderregelungen
Anwendungsbereich
Anders als bei den meisten Austauschverhältnissen kommt es in Treuhandverhältnissen aufgrund des Substitutionscharakters dieser Verhältnisse besonders auf das persönliche Vertrauen 8 des Treugebers in die Person des Treuhänders an. Nach § 664 Abs. 1 Satz 1 B GB darf der Treuhänder deshalb im Zweifel die Wahrnehmung nicht auf einen Dritten übertragen, sondern hat die Pflicht, die Interessen des Treugebers selbst wahrzunehmen. Lediglich bei entsprechender gesetzlicher oder vertraglicher Gestattung 9 darf er die Interessen des Treugebers im Wege eines „Fremdeintrittsrechts" durch einen Dritten wahrnehmen lassen und erfüllt nach Vorstellung des Gesetzgebers 10 also seine Interessenwahrneh-
BGH N J W 1995,1483; Uhlenbmck/Berscheid §§ 115,116 InsO Rn. 17. BGH W M 1977,194; BGH W M 1985,1443; GK-AktG/Z/opi § 93 A k t G Rn. 183; Scholz/ Schneider § 43 GmbHG Rn. 156; Fleischer W M 2003, 1045, 1058; Balzer, Pflichten, S. 177 ff. und 205 ff. 7 Dazu oben § 9 I V 3. 8 Mot. II, S.531. 9 Dazu gleich unten. 10 Mot. II, S. 532, wo der Gesetzgeber davon ausgeht, daß „in der pflichtmäßigen Substitution [...] in der Regel die Erfüllung der aus dem Auftragsvertrag für den Beauftragten entspringenden Verpflichtung" liege. 5
6
§ 10. Die Pflichten des Treuhänders
187
mungspflicht bereits durch die Übertragung der Interessenwahrnehmung auf einen geeigneten Dritten. 11 Von der Übertragung der Interessenwahrnehmung auf einen Dritten ist die Einschaltung von Erfüllungsgehilfen zu unterscheiden, von deren Zulässigkeit § 664 Abs. 1 Satz 3 B G B ausgeht. In Literatur und Rechtsprechung finden sich verschiedene Kriterien zur Abgrenzung von Dritten im Sinne des § 664 Abs. 1 Satz B G B und Erfüllungsgehilfen, etwa daß der Dritte im Gegensatz zum Erfüllungsgehilfen selbständig an die Stelle des Treuhänders tritt, 1 2 daß der Dritte nicht an Weisungen des Treuhänders gebunden ist, 13 daß er einen wesentlichen Ermessensspielraum hat oder daß er sich außerhalb des unmittelbaren Einfluß- und Überwachungsbereichs des Treuhänders befindet. 14 Unzutreffend erscheint es, auf die volle Übertragung zur eigenen Verantwortung abzustellen oder darauf, daß die Hilfsperson an die Stelle des Treuhänders tritt. 1 5 Der Treuhänder hat die Interessenwahrnehmung vollständig persönlich vorzunehmen und kann sie ohne Gestattung auch nicht teilweise übertragen. 16 Auch die Selbständigkeit allein kann nicht Kriterium sein, denn auch Erfüllungsgehilfen können unternehmerisch selbständig und von Weisungen des Treuhänders unabhängig sein. 17 Entscheidend ist vielmehr, daß § 6 6 4 Abs. 1 Satz 1 B G B zum einen erreichen will, daß die Interessenwahrnehmung von der vom Treugeber gewählten Vertrauensperson oder zumindest durch Hilfspersonen nach den Vorstellungen und unter dem Einfluß, der Kontrolle und mit Eingriffsmöglichkeit des Treuhänders ausgeführt wird. 1 8 Zum anderen sieht § 664 Abs. 1 Satz 2 B G B nur die gestattete Übertragung auf einen Dritten, der nicht weisungsabhängig ist, sondern sich außerhalb des Kontrollund Einwirkungsbereichs des Treuhänders befindet, 19 und in eigener Verantwortung handelt, 20 als taugliche Erfüllung der Interessenwahrnehmungspflicht an. Deshalb kann es als Abgrenzungskriterium allein darauf ankommen, ob der Treuhänder die Interessenwahrnehmung ganz oder teilweise an eine außerhalb seines Einflußbereiches stehende Person überträgt und damit gleichsam den Dritten zum Treuhänder des Treugebers macht, während er selbst keinen Einfluß mehr auf die Interessenwahrnehmung hat. Die KonkretisieVgl. Hiiffer WM 1987,641,643. RGZ 161,73. 13 Erman/Ehmann § 664 BGB Rn. 16; Lamprecht ZIP 1996,1374. 14 Vgl. Koller ZIP 1985,1247 f. 15 So aber etwa Staudinger/'Wittmann §664 BGB Rn. 1; Erman/Ehmann §664 BGB Rn. 18. 16 BGH N J W 1993, 1704, 1705; Soergel/Beuthien §664 BGB Rn.3; genauso Koller ZIP 1985,1243,1247. 17 Bamberger/Roth/Czub §664 BGB Rn.3; Metzler AcP 159,143,161. 18 Soergel/Beuthien §664 BGB Rn. 3. 19 Erman/Ehmann § 664 BGB Rn. 16. 2 0 BGH N J W 1993, 1704, 1705; Staudinger/'Wittmann §664 BGB Rn.2; MünchKomm/ Seiler § 664 BGB Rn. 2; Bamberger/Roth/Czub § 664 BGB Rn. 3. 11
12
188
Teil 2: Das Treubandverhältnis
im geltenden
Deutschen
Schuldrecht
rung der Interessenwahrnehmungspflicht durch den Dritten und das Ermessen des Dritten tritt in diesem Fall also an die Stelle der Konkretisierung durch den Treuhänder und an die Stelle des Treuhänderermessens. Eine zu §664 Abs. 1 Satz 1 BGB identische Regelung findet sich im Dienstvertragsrecht, §613 Satz 1 BGB, und bei der Hinterlegung, §691 Satz 1 BGB. Der § 675 Abs. 1 BGB als treuhandrechtliche Generalnorm nimmt bei seiner nahezu vollständigen Verweisung ins Auftragsrecht erstaunlicherweise jedoch gerade § 664 BGB aus. Nur einige spezielle Verweisungen auf § 664 BGB finden sich für Vereinsvorstände, §27 Abs. 3 BGB, für Organe einer Personengesellschaft, §713 BGB, und für Testamentsvollstrecker, §2218 Abs. 1 BGB. Regelungen zum Ausschluß der Übertragung der Interessenwahrnehmung bestehen überdies bei vielen speziell geregelten Treuhandverhältnissen, vgl. etwa §§ 407 HGB, 19 Abs. 2 BNotO, 53 Abs. 9 BRAO, 81 ZPO, 111 Abs. 5 AktG, 52 Abs. 1 GmbHG, 38 Abs. 4 GenG. 21
bb) Die Anwendung des § 664 BGB auf die entgeltliche
Treuhand
In Rechtsprechung 22 und Literatur 23 wird vielfach gesagt, aus der fehlenden Verweisung des § 675 Abs. 1 BGB auf § 664 BGB dürfe nicht der Schluß gezogen werden, daß § 664 oder zumindest „dessen Grundsätze" 24 für entgeltliche Geschäftsbesorgungen nicht gälten. Die Gegenauffassung wird der „Buchstabenjurisprudenz" bezichtigt, die nicht mehr „der heute anerkannten Methode der Rechtsfindung gegenüber einem 100 Jahre alten Gesetz" genüge. 25 Zu lösen ist das Problem der fehlenden Nichtübertragbarkeitsanordnung allerdings bei den meisten Treuhandverträgen ohne weiteres deshalb, weil der Treuhandvertrag regelmäßig als Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter anzusehen ist und so auch eine Anwendung des §§611 ff. BGB möglich ist. Deshalb kann über die Anwendung des §613 BGB die Höchstpersönlichkeitsanordnung erreicht werden. 26 Lediglich bei Treuhandverträgen, die ausnahmsweise werkvertraglichen Charakter haben, kann also überhaupt das Bedürfnis für eine Anwendung der Zweifelsregelung des § 664 Abs. 1 Satz 1 BGB bestehen. Auch in diesen Fällen werden bei Treuhandverträgen jedoch selten Zweifel an der geschuldeten Höchstpersönlichkeit bleiben, die sich in der Regel aus dem Vertragesinhalt ergeben wird. Nur wenn diesbezüglich Zweifel bleiben, könnte §664 Abs. 1 Satz 1 BGB Bedeutung haben. Im Bereich der dienstverBei den letzten drei Normen ist die Übertragung sogar zwingend ausgeschlossen. RGZ 78, 310, 313; RGZ 142,184; BGH NJW 1952,257. 23 Soergel/Mühl §664 BGB Rn.4; Münch Komm/Sez'/er §664 BGB Rn.17; Staudinger/ Martinek §675 BGB Rn. A 87f; Erman/Ehmann §664 BGB Rn.7; Koller ZIP 1985, 1243, 1246; Lamprecht ZIP 1996,1372,1374. 24 Erman/Ehmann § 664 BGB Rn. 7. 25 Erman/Ehmann §664 BGB Rn. 7. 26 RGZ 161,68, 70; Soergel/Beuthien%i>M BGB Rn. 14. 21
22
§ 10. Die Pflichten des
Treuhänders
189
traglichen Treuhandverhältnisse stellt sich allerdings das Problem, daß §613 BGB zwar die Höchstpersönlichkeit anordnet, aber keine Parallelen zu § 664 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB enthält, so daß die Regelung zur Übertragung der Interessenwahrnehmung auf einen Dritten und der hierbei angeordnete Haftungsmaßstab nur dann in entgeltlichen Treuhandverhältnissen gilt, wenn § 664 anwendbar ist. Deswegen kommt es für die Frage einer analogen Anwendung des § 664 BGB im Bereich entgeltlicher Treuhandverhältnisse vor allem auf diese Regelungen an. Die Anwendbarkeit wird sich jedoch nicht allein mit der Diffamierung der Gegenauffassung als „Buchstabenjurisprudenz" oder der Einforderung eines größeren methodologischen Spielraums gegenüber einem alten Gesetz begründen lassen. Gleiches gilt für die bloße Postulierung eines „unabhängig von § 675 Abs. 1 BGB geltenden Rechtsgedankens". 27 In der Tat besteht eine Interessenähnlichkeit 28 zwischen Geschäftsbesorgung und „Treuhand-Auftrag", 29 ist letzterer doch nur die unentgeltliche Form ersterer. Die abschließende Aufzählung in § 675 Abs. 1 BGB deutet jedoch auf den ersten Blick nicht auf eine planwidrige Lücke bei der Umsetzung des gesetzgeberischen Regelungsplans hin, sondern legt vielmehr einen Gegenschluß in Richtung auf die Unanwendbarkeit der nicht erwähnten Vorschriften nahe. Freilich scheint sich der Gesetzgeber selbst nicht ganz sicher gewesen zu sein und hat auf eine Verweisung wohl nur deshalb verzichtet, weil er sie als „unter Umständen" nicht geeignet angesehen hat. 30 Es steht zu vermuten, daß diese Zweifel die Anwendung des dem Beauftragten in §664 BGB gewährten Haftungsprivilegs betroffen haben dürften, da es möglicherweise nicht angemessen erschien, auch den entgeltlichen Geschäftsbesorger nur für ein „ihm bei der Übertragung zur Last fallendes Verschulden" haften zu lassen. Das zeigt ein Blick auf den „Austausch-Auftrag", also den Auftrag als unentgeltliches Pendant des Dienst- oder Werkvertrages: 31 Wer sich verpflichtet hat, kostenlos eine Wohnung zu tünchen, wird billigerweise nur für die Auswahl eines krankheitsbedingt beauftragten Ersatzmannes haften, § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB, bei einem entgeltlich beauftragten Werkunternehmer wäre dieses Privileg hingegen unverständlich. Hier erscheint also die Beschränkung der Haftung auf das Auswahlverschulden in der Tat als Haftungsprivileg, das auf der Unentgeltlichkeit des „Austausch-Auftrags" beruht. 32 Auf Grundlage der obigen Erörterungen zum Verhältnis von Geschäftsbesorgung, Auftrag, Dienst- und Werkvertrag anhand des Grundformenmodells 27 28 29 30 31 32
So jedoch Staudinger/Martinek § 675 BGB Rn. A 88. Soergel/Häuser/Welter § 675 BGB Rn. 23. Dazu oben § 9 1 2 . Prot. II, S. 377. Dazu oben § 8 1 2 b. Koller ZIP 1985,1243,1244.
190
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
können jedoch die Unsicherheiten, mit denen der Gesetzgeber zu kämpfen hatte, beseitigt werden, und es erscheint deshalb ein Rückgriff auf § 664 BGB auch bei der entgeltlichen Treuhand zulässig. Im Treuhandrecht ist die Haftungsregelung des § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB nämlich unabhängig von der Entgeltlichkeit auf identische Erwägungen zu stützen, 33 dient die Norm doch der Verhinderung von Interessenkonflikten und ist die allein folgerichtige Wertung, wenn man die Übertragung der Interessenwahrnehmung auf einen Dritten als Erfüllung der Interessenwahrnehmungspflicht ansieht. Käme der Treuhänder nicht in den Genuß der Haftungsregelung des §664 Abs. 1 Satz 2 BGB, so wäre er versucht, bei einer Entscheidung über eine Übertragung der Interessenwahrnehmung eigene Interessen in den Vordergrund zu stellen: Angesichts des Haftungsrisikos würde der Treuhänder vielfach auf eine Übertragung verzichten, obschon diese angezeigt wäre, weil ein vernünftiger Interessenträger in einer bestimmen Situation die Interessenwahrnehmung übertragen würde. Der Treuhänder hat nämlich keinen Einfluß auf den Dritten, was - eine volle Haftung des Treuhänders unterstellt - angesichts dessen Selbständigkeit 34 und des Ermessensspielraums, der bei der Interessenwahrnehmung oftmals besteht, besonders risikoreich erscheint. Entschlösse sich der Treuhänder trotzdem zur Übertragung, so würde er nicht den geeignetsten oder preiswertesten Dritten wählen, wozu er verpflichtet wäre, um den Interessen des Treugebers zu dienen und den Aufwendungsersatz nach § 670 BGB auf das Erforderliche zu begrenzen, sondern denjenigen, bei dem er bei Pflichtverletzungen gegebenenfalls am besten Rückgriff nehmen könnte. Kommt der Treuhänder hingegen in den Genuß des § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB, so kann er ausschließlich die Interessen des Treugebers wahrnehmen, der bei Pflichtverletzungen durch den Dritten, den der Treuhänder gleichsam zum Treuhänder gemacht hat, darauf verwiesen ist, direkt gegen diesen vorzugehen. Diese Unannehmlichkeit für den Treugeber erscheint auch nicht unbillig, muß er doch die Delegation gestatten. Die Anwendung des § 664 BGB läßt sich also im Treuhandrecht insgesamt begründen, so daß auch § 664 BGB Bestandteil des allgemeinen Treuhandrechts ist. § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB dient dabei der Auflösung des Konflikts zwischen dem Interesse des Treugebers an möglichst sachgerechter Interessenwahrnehmung und dem Haftungsverschonungsinteresse des Treuhänders, das der sachgerechten Interessenwahrnehmung durch einen Dritten entgegenstehen kann.
33 Das scheint Koller ZIP 1985,1243,1246 insoweit zu verkennen, als er den Geschäftsbesorgungsvertrag als Austauschvertrag einordnet. Trotzdem gelangt er zur zutreffenden Auffassung daß „die Wahrnehmung fremder Interessen ein Gewicht [gewinnt], das den Geschäftsbesorgungsvertrag von sonstigen Austauschverträgen abhebt". 34 Dazu oben §8 13.
§ 10. Die Pflichten des
b) Beispiele zulässiger
Treuhänders
191
Delegation
aa) Vertragliche Gestattung:
Vermögensverwaltung
Ausnahmen von der Höchstpersönlichkeit der Interessenwahrnehmung können sich durch gesetzliche Gestattung oder vertragliche Vereinbarung ergeben. Im Rahmen der Vermögensverwaltung überträgt beispielsweise der Verwalter als Treuhänder die ihm persönlich obliegende Interessenwahrnehmung ganz oder teilweise auf eine Kapitalanlagegesellschaft, soweit er Investmentanteile erwirbt. 3 5 Es erscheint nicht zutreffend, wenn die gängige Auffassung dies mit dem Argument billigt, der Verwalter treffe hier eine eigene Entscheidung, indem er die betreffenden Kapitalanlagegesellschaft auswählt, hat er doch im weiteren Verlauf keinen Einfluß auf das Verhalten dieser Gesellschaft. Wenn außerdem angeführt wird, daß der Vermögensverwalter nicht über sämtliche Papiere bescheidwissen könne und deshalb im Wege des Erwerbs von Investmentanteilen auf das Spezialwissen der Kapitalanlagegesellschaften zugreifen dürfe, 36 zumal auf diese Weise auch eine noch breitere Risikostreuung erreicht werden kann, dann ist dies zwar zutreffend; die Möglichkeit zum Erwerb von Investmentanteilen beruht jedoch auf anderen Erwägungen: Man wird nämlich davon ausgehen können, daß - auch wenn es an einer ausdrücklichen Vereinbarung im Treuhandvertrag fehlt - eine ergänzende Auslegung dieses Vertrages ergibt, daß der Treuhänder aus den soeben erwähnten Gründen Investmentanteile erwerben und insoweit die Interessenwahrnehmung übertragen darf, soweit er damit den Anlegerinteressen genauso gut oder besser als bei dem Erwerb einzelner Papiere dienen kann. Dies wird insbesondere bei der Verfolgung einer konservativen Anlagestrategie der Fall sein, bei der auch bei kleineren Anlagebeträgen eine möglichst breite Risikostreuung erreicht werden muß.
bb) Gesetzliche Gestattung: Institutsfremde
Überweisung
Ein Fall der zulässigen Delegation ist nach zutreffender Auffassung auch der mehrgliedrige Überweisungsverkehr bei einer Überweisung auf ein institutsfremdes Empfängerkonto.
[1.] Rechtslage bis 1. Januar 2002 Vor Inkrafttreten des Überweisungsgesetzes zum 1. Januar 2002 bestand weitgehend Einigkeit darüber, daß die Bank (Treuhänder) dem Kontoinhaber (Treugeber) gegenüber bei einer Überweisung auf eine institutsfremdes Konto nur 35
Roll, Vermögensverwaltung, S. 150. So die allgemeine Auffassung, vgl. nur Assmann/Schütze/Schäfer, Kapitalanlagerecht, §28 Rn. 26; Assmann/Schneider/Koller §31 W p H G Rn. 22; Schimansky/Bunte/Lwowski/ Kienle, Bankrechtshandbuch, § 111 Rn. 21; Schäfer, Bankrecht, Rn. 11/27. 36
192
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden
Deutschen
Schuldrecht
zur Weiterleitung der Überweisung an ein geeignetes Zwischeninstitut verpflichtet war. 37 Im Verhältnis zu diesem Zwischeninstitut war die Bank nun Treugeber, das Zwischeninstitut Treuhänder, die Uberweisung wurde also als sogenannte Kettenüberweisung 38 in Form einer Kette von einzelnen Treuhandverhältnissen abgewickelt. Diese Auffassung führte dazu, daß im Verhältnis des Bankkunden zu den Zwischeninstituten keine Rechtsbeziehungen und somit auch keine vertraglichen Rechte und Pflichten bestanden, die Grundlage einer Haftung bei nicht ordnungsgemäßer Weiterleitung der Überweisung sein konnten. Abzulehnen war die Auffassung Rohes,39 die Überweisungsbeziehungen schafften ein „Netz" von Vertragsbeziehungen, die auf der Annahme der „Interessenvernetzung" als vierter schuldrechtlicher Grundform beruht. Diese Konstruktion besticht zwar dadurch, daß sie durch das Netz, das bilaterale Vertragsbeziehungen miteinander verbindet und netzspezifische, also über diese bilaterale Beziehung hinausweisende, Pflichten begründet. Wenn Rohe jedoch diese Pflichten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung der einzelnen bilateralen Vertragsbeziehungen zu begründen versucht, dann entfernt er sich in Wahrheit zugunsten einer heteronom-objektiven Vertragsauslegung unzulässig weit von der Rechtsgeschäftslehre des BGB und der Vorstellung einer privatautonomen Pflichtendetermination. 40
[2.] Veränderung der Rechtslage durch §§ 676ff. BGB? Das neue Überweisungsrecht hat die Veränderung gebracht, daß die Überweisung nunmehr keine Weisung im Rahmen des Treuhandvertrags „Girovertrag", sondern einen eigenen Treuhandvertrag, den Überweisungsvertrag, § 676a BGB, erfordert. 41 Dieser Überweisungsvertrag begründet die Pflicht der Bank (Treuhänder) gegenüber dem Überweisenden (Treugeber) zur „Übermittlung" des Überweisungsbetrages und zusätzlicher Informationen an die kontoführende Bank des Überweisungsempfängers, § 676a Abs. 1 Satz 2 BGB. Das heißt nach ganz überwiegender Auffassung: Die Bank schuldet die Gutschrift auf dem Konto der Begünstigtenbank (nicht des Begünstigten). 42 Der Überweisungsvertrag ist demnach als werkvertragliche Treuhand einzuordnen. Die Pflicht der Empfängerbank zur Wertstellung auf dem Empfänger-Konto hinge-
37 Vgl. nur BGH ZIP 1991, 862; Canaris, Bankrecht, Rn. 329 und 343; Rümpel WM 1996, 1893,1894 f.; Koller/Faust ZBB 1989,63 ff.; Bydlinski, WM 1999,1046,1049; Schöne AcP 198, 401,449; Hüffer ZHR 151, 93, 95; a.A. zuletzt Einsele AcP 199,145,177 ff. 38 Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, §46 Rn. 6. 39 Rohe, Netzverträge, S. 120 ff. 40 Martinek NJW 2000,1397. 41 Vgl. nur BR-Drucks. 163/99, S. 28 f.; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 7 Rn. 113. 42 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, §7 Rn. 132f.; Wackerharth ZIP 2000,1187,1190ff.
§10.
Die Pflichten des
Treuhänders
193
gen ergibt sich aus dem Verhältnis des Begünstigten (Treugeber) zu seiner Bank, der Begünstigtenbank (Treuhänder), § 676f. Satz 1 B G B . 4 3 Im Anschluß hieran wird vielfach behauptet, wenn die überweisende Bank (Treuhänder des Uberweisenden) „unter Beteiligung zwischengeschalteter Kreditinstitute" handle, was § 676a Abs. 1 Satz 2 B G B ausdrücklich gestattet, so bediene sie sich dieser Institute zur Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit (Erfüllungsgehilfen 44 ) und hafte deshalb nach § 278 B G B und zusätzlich auch nach § 676c B G B für diese Institute, vgl. insbesondere § 676c Abs. 1 Satz 3 B G B . Die überweisende Bank, die dadurch ihrerseits zum Treugeber werde, 45 beauftrage die Zwischeninstitute im eigenen Namen, 4 6 aber anders als bisher zur Erfüllung einer eigenen Pflicht, durch Abschluß eines sogenannten Zahlungsvertrages, § 676d B G B . Diese Auffassung hatte Königen bereits zum alten Recht vertreten: Die Uberweisung sei ein „verkaufsfähiges Produkt, nämlich die Geldbewegung vom Schuldner- zum Gläubigerkonto", 47 genauer gesagt bis zur Gläubiger-Bank, das durch die Schuldner-Bank entsprechend der Kundenerwartung angeboten werde. Abzulehnen ist in der Tat die zum Teil vertretene Auffassung, daß sich nach Inkrafttreten des Überweisungsgesetzes an der unter [1.] geschilderten Rechtslage nichts verändert habe 48 und die Bank des Überweisenden weiterhin nur die Weiterleitung schulde. 49 Der Gesetzgeber hat sowohl in § 676a Abs. 1 Satz 2 B G B also auch in den Gesetzesmaterialien 50 deutlich gemacht, daß er das beauftragte Kreditinstitut zur Erzielung des Erfolgs der Gutschrift beim Empfängerinstitut verpflichten möchte. Allerdings erscheint die Annahme der überwiegenden Auffassung, die Zwischeninstitute würden als Erfüllungsgehilfen des Treuhänders tätig, unzutreffend. Dafür spricht schon der Umstand, daß das Risiko des Erfolgseintritts für die beauftragte Bank nicht steuerbar ist. 51 Die Zwischenbanken werden ihrerseits selbständig tätig und befinden sich außerhalb des unmittelbaren Einfluß- und Überwachungsbereichs der überweisenden Bank. Diese hat keine Einwirkungsmacht auf die zwischengeschalteten Institute, weil diese die Überweisung nach eigenem Ermessen geeignet weiterleiten können. Die zwischengeschalteten Kreditinstitute sind unabhängige, gleichranErman/von Westphalen § 676a B G B Rn. 13; Kumpel W M 2000, 797, 800. Palandt/Sprau § 676c B G B Rn. 3; Erman/Ehmann § 664 B G B Rn. 15; Erman/von 'Westphalen § 676a Rn. 15; Ehmann/Hadding, WM-Beil. 3/1999, S. 13. 4 5 Es bestehen Geschäftsbesorgungsverhältnisse, B G H Z 103, 143, 145; B G H Z 108, 386, 388, jetzt Zahlungsvertrag, § 676d B G B . 4 6 Vgl. Canaris, Bankrecht, Rn. 393; Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 49 Rn. 33; Steuer/Hellner, Bankrecht, Rn. 6/148 ff. 47 Köndgen, RWS-Forum 1, S. 144. 48 Kumpel W M 2000, 797, 803. 49 KümpelyffM. 2000, 797, 801. 5 0 BT-Drucks. 14/745, S. 42. 51 Schröter Z H R 151,118,122; vgl. zu dieser Erwägung auch Koller Z I P 1985,1243,1246. 43 44
194
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
gige Institute, auf deren Kooperation der Treuhänder angewiesen ist. 52 Es liegt deshalb auch nach obigen Erörterungen zur Abgrenzung von Erfüllungsgehilfen und Dritten nahe, die Einschaltung von Zwischenbanken als Übertragung der Interessenwahrnehmung auf einen Dritten einzuordnen. Diese Auffassung wird durch gesetzessystematische Erwägungen gestützt. Der Gesetzgeber hat in § 676c Abs. 1 Satz 3 B G B eine Haftung des Treuhänders für zwischengeschaltete Kreditinstitute angeordnet („hat ein Verschulden [...] wie eigenes Verschulden zu vertreten"). Einer solchen Anordnung hätte es nicht bedurft, wenn die Haftung dieser Institute sich ohnedies bereits aus § 278 B G B ergeben würde, weil die zwischengeschalteten Institute Erfüllungsgehilfen sind. § 676c B G B hätte für diesen Fall lediglich Haftungsbeschränkungen sowie die zwingende Ausgestaltung der Haftung, nicht jedoch einen eigenen Haftungstatbestand vorsehen müssen. Vor dem Hintergrund einer Einordnung der zwischengeschalteten Institute als Dritte läßt sich die ihrem "Wortlaut nach konstitutive Anordnung der Haftung hingegen als Verschärfung der in § 664 Abs. 1 Satz 2 B G B angeordneten Übertragungshaftung verstehen, die sich dadurch rechtfertigt, daß der Uberweisende erhebliche Schwierigkeiten hat, Haftungsansprüche gegen zwischengeschaltete Kreditinstitute durchzusetzen 53 und deshalb seine Schadenersatzansprüche ausnahmsweise systemfremd gegen die von ihm beauftragte Bank geltendmachen kann. Nur vor dem Hintergrund der Einordnung der zwischengeschalteten Kreditinstitute als Dritte im Sinne des § 664 Abs. 1 Satz 2 B G B läßt sich auch die Formulierung in § 676a Abs. 1 Satz 2 B G B „oder unter Beteiligung zwischengeschalteter Kreditinstitute" erklären. Wären diese Kreditinstitute Erfüllungsgehilfen, so müßte der Gesetzgeber nicht explizit zulassen, daß der Treuhänder derartige Erfüllungsgehilfen einschaltet. Dies ist ihm vielmehr immer gestattet, § 664 Abs. 1 Satz 3 B G B . Etwas anderes gilt für die Übertragung von Teilen der Interessenwahrnehmung an Dritte: Sie muß gestattet sein, § 664 Abs. 1 Satz 2 B G B . Nur als gesetzliche, weil aufgrund der Gegebenheiten des Überweisungsverkehrs unumgängliche, Gestattung der Übertragung kann die Gestattung der Zwischenschaltung vor dem Hintergrund des allgemeinen Treuhandrechts sinnvoll eingeordnet werden.
Schöne AcP 198,401,449. Eine solche Stellung als „Quasi-Erfüllungsgehilfen" können die Zwischeninstitute nach Auffassung von Wackerbarth ZIP 2000, 1187, 1194, der der gängigen Auffassung folgt, nur durch vertragliche Vereinbarung zwischen der Bank und ihren Kunden erhalten. So soll die Bank etwa für besonders risikoreiche Auslandsüberweisungen mit den Kunden vereinbaren können, daß sie die Zwischeninstitute lediglich als ausnahmsweise gestattete Substituenten, §664 B G B , und nicht als Erfüllungsgehilfen einschalte. Das erscheint jedoch deshalb unzutreffend, weil die Unterscheidung zwischen Erfüllungegehilfen und Substituenten nicht der Parteivereinbarung zugänglich ist. 52
53
§ 10. Die Pflichten des Treuhänders
c) Erteilung einer Generalvollmacht
durch den
195
Testamentsvollstrecker
Auch für den Testamentsvollstrecker gilt die vom Erben unverzichtbare 54 Höchstpersönlichkeit der Interessenwahrnehmung, §§2218 Abs. 1, 664 BGB. Der Testamentsvollstrecker soll nach gängiger Auffassung 55 allerdings bis hin zur Generalvollmacht Dritte bevollmächtigen können, solange die Generalvollmacht nicht unwiderruflich ist. Das erscheint unter Zugrundelegung der oben entwickelten Grundsätze fragwürdig: 56 Der Testamentsvollstrecker darf - wie jeder Treuhänder - ohne Gestattung des Erblassers die Interessenwahrnehmung nicht ganz oder teilweise an eine außerhalb seines Einflußbereiches stehende Person übertragen und damit gleichsam den Dritten zum Treuhänder machen, während er selbst keinen Einfluß mehr auf die Interessenwahrnehmung mehr hat. Diese Gefahr besteht bei Erteilung einer Generalvollmacht jedoch. Das Ermessen des Generalbevollmächtigten träte an die Stelle des vom Erblasser gewünschten Ermessens des Testamentsvollstreckers. 57 Allein die Widerruflichkeitist nicht hinreichend, um Kontrolle und Einfluß des Testamentsvollstreckers auf den Generalbevollmächtigten bejahen zu können.
3. Die treuhänderische
Hauptpflicht als
Rahmenpflicht
a) Allgemeines Das Wahrnehmungsinteresse des Treugebers und die damit korrespondierende Interessenwahrnehmungspflicht des Treuhänders reicht soweit, aber auch nur soweit, wie der Treugeber den Treuhänder mit der Wahrnehmung seiner Interessen betraut hat oder der Treuhänder kraft Gesetzes oder durch Gerichtsentscheidung mit der Wahrnehmung dieser Interessen betraut worden ist. Auf andere als die anvertrauten Interessen des Treugebers muß der Treuhänder grundsätzlich nicht in anderer Weise Rücksicht nehmen wie ein beliebiger Dritter. 58
Mot. V 219; RGZ 8 1 , 1 6 6 , 1 7 0 . Staudinger/Reimann §2218 BGB Rn.13; Palandt/Edenhofer §2218 BGB Rn.2; Erman/Schmidt § 2218 BGB Rn. 2; Soergel/Damrau § 2218 BGB Rn. 3; MünchKomm/Brandner §2218 BGB Rn.6. 5 6 In diese Richtung auch Bengel/Reimann/Klumpp VI R n . 2 6 f f . ; Haegele/Winkler Rn. 469 und 27; Kipp/Coing § 73 II 5 b; Schlüter § 42 X I I 1 b ee; Ebenroth Rn. 77. 57 K G O L G E 4 0 , 1 3 5 , 1 3 6 ; Schmucker, Testamentsvollstrecker, S. 194 f. 58 Vgl. bei dcrVermögcnsvcrwzhungAssmann/Schneider/Koller § 31 W p H G R n . 26a: Relevant sind nur solche Interessen, deren Realisierung der Kunde durch seinen Auftrag an das Wertpapierdienstleistungsunternehmen heranträgt; aus dem Bereich des Organrechts wird zwischen dienstlicher und nichtdienstlicher Tätigkeit unterschieden, vgl. KK-AktG/Mertens § 93 A k t G Rn. 28; GK-AktG/Hopt § 93 A k t G Rn. 74 ff. 54 55
196
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
aa) Situationsangepaßte
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
Interessenwahrnehmung
Bereits oben 5 9 wurde festgestellt, daß der Treuhänder die ihm eingeräumte Macht jedenfalls nur dann ausüben darf, wenn er sich an die im Treuhandverhältnis enthaltene Zweckbindung des Machtmittels hält, daß aber zu klären bleibt, wann er sie ausüben muß, wann er also interessenwahrnehmend in die Interessensphäre des Treugebers eingreifen muß. Das ist in den meisten Treuhandverhältnissen nicht eindeutig geregelt. Die treuhänderische Hauptpflicht zur Interessenwahrnehmung ist vielmehr als Rahmenpflicht zu verstehen. Die geschuldete Leistung des Treuhänders ist inhaltlich also - anders als etwa bei vielen Austauschverhältnissen - nicht von Anfang an konkret umrissen, 6 0 es steht bei Treuhandverhältnissen nicht von Anfang an ein bestimmter Pflichtenkatalog fest. Die Treuhand zeichnet sich vielmehr durch eine variable, situationsangepaßte Interessenwahrnehmung aus. 61 Die Funktion der Interessenwahrnehmungspflicht liegt, wie Canaris für das Investmentgeschäft ausführt, „in erster Linie in der Prägung des Inhalts anderer Pflichten". 6 2 Es entstehen, wenn man einmal von ganz punktuellen Treuhandverhältnissen absieht, innerhalb dieses Rahmens immer erst nach und nach einzelne konkrete Pflichten oder „Pflichtenspielräume" des Treuhänders, der bei der Interessenwahrnehmung grundsätzlich über einen gewissen Ermessensspielraum verfügt.
bb) Ermittlung von
Einzelpflichten
Diese konkreten Einzelpflichten können durch pflichtgemäße Konkretisierung der Interessenwahrnehmungspflicht seitens des Treuhänders oder durch Weisungen seitens des Treugebers entstehen. In der Regel besteht ein Treuhandverhältnis deshalb, weil der Interessenträger, beispielsweise mangels Ressourcen oder Kompetenz, bestimmte Interessen nicht selbst wahrnehmen möchte. Also soll der Treuhänder diese Interessen nach bestimmten Maßstäben anstelle des Treugebers selbständig wahrnehmen. Gleichwohl steht dem Treugeber das in § 665 B G B vorausgesetzte Weisungsrecht zu, soll doch der Treugeber die Wahrnehmung seiner Interessen grundsätzlich jederzeit beherrschen und steuern können. Treugeber und Treuhänder treten also bei der Konkretisierung der Interessenwahrnehmungspflicht grundsätzlich nebeneinander, wobei Weisungen des Treugebers Vorrang genießen. In bestimmten Treuhandverhältnissen steht die Befugnis zur Festlegung konkreter Einzelpflichten allein dem Treuhänder zu. Das ist dann der Fall, wenn der Treugeber auf sein Weisungsrecht verzichtet hat, was in bestimmtem U m 59
Dazu oben §9IV 2.
60
Koller, FS Piper, S. 899.
61
Esser/Weyers Schuldrecht BT § 35 11 d: „Flexibilität des Leistungsprogramms". Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2424.
62
§ 10. Die Pflichten des
Treuhänders
197
fang zulässig ist. An die Wirksamkeit eines Verzichts auf eine derartig zentrale Befugnis des Treugebers sind freilich strenge Anforderungen zu stellen. Üblich ist derlei etwa bei Treuhandverträgen zur Vermögensverwaltung. Hier wird vereinbart, daß der Vermögensverwalter als Treuhänder anhand der vereinbarten Anlagestrategie selbständig Anlageentscheidungen trifft, ohne konkreter Weisungen zu bedürfen. 63 Weisungsunabhängig kann auch der Testamentsvollstrecker agieren, soll er doch den Willen des Erblassers verwirklichen und ist deshalb an Weisungen des Erben nicht gebunden. Er untersteht anders als Eltern, Vormünder oder Insolvenzverwalter keiner Aufsicht eines weisungsbefugten Gerichts. Der Erblasser kann den Testamentsvollstrecker einer solchen Aufsicht auch nicht unterstellen. 64 Das wird zum Teil als Schwäche empfunden 65 und gibt dem Testamentsvollstrecker eine atypisch starke Stellung, die der Erblasser jedoch dadurch schwächen kann, daß er mehrere Mit-Testamentsvollstrecker ernennt, die entweder nur zusammen entscheiden dürfen oder von denen einer den anderen kontrolliert, oder die Beteiligung des Erben oder Dritter (Schiedsgericht) anordnet. 66 In anderen Treuhandverhältnissen darf der Treuhänder letztlich nur auf Weisung des Treugebers handeln. In diesen Treuhandverhältnissen obliegt die Pflichtenkonkretisierung also allein dem Treugeber, dem Treuhänder ist angesichts der vereinbarten Form der Interessenwahrnehmung kein Raum zur eigenverantwortlichen Pflichtenkonkretisierung eingeräumt. Ein Beispiel ist der Kreditkartenvertrag. In der Unterzeichnung 6 7 eines Leistungsbelegs durch den Kreditkarteninhaber als Treugeber liegt Weisung an das Kreditkartenunternehmen als Treuhänder, 6 8 einen bestimmten Betrag an das Vertragsunternehmen zu zahlen, 6 9 mit der die im Kreditkartenvertrag nur gattungsmäßig 6 3 B G H W M 1998, 21; Schäfer, Vermögensverwaltung, Rn. 11/9; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Kienle, Bankrechtshandbuch, §111 Rn. 1; Schäfer, Bankrecht, § 1 2 Rn. 27; Balzer, Vermögensverwaltung, S. 13 f. 6 4 B a y O b L G Z 21, 314; Staudingerl Reimann vor §§2197 ff. B G B Rn. 13 und 20 f. und § 2 2 0 8 B G B Rn. 4. 6 5 Vgl. die Beratungen der Akademie für Deutsches Recht, Flad in Schubert/Schmidt/ Regge III/8, S. 639. 6 6 Dazu unten § 1 0 IV. 6 7 Die Weisung kann auch ohne Unterzeichnung einen Beleges erteilt werden, wie das vor allem bei über das Internet abgewickelten Verträgen der Fall ist, vgl. Pichler N J W 1998, 3234 ff.; Oechsler W M 2 0 0 0 , 1 6 1 3 , 1 6 2 0 . 6 8 Das Kreditkartenunternehmen verpflichtet sich zu einer treuhänderischen Leistung mit werkvertraglichem Charakter, nämlich Erfüllungsübernahmen, § 329 B G B , auf Weisung des Karteninhabers (Treugebers) durchzuführen, vgl. nur MünchKomm/Hadding, Zahlungsverkehr, Rn. G 31. 6 9 B G H Z 91, 221, 224; Baumbach/Hopt, Bankgeschäfte, R n . F 11; O L G Schleswig W M 1991, 453; Staudinger/Wittmann § 6 6 5 B G B R n . 4 ; Staudinger/Martinek §675 B G B B 76; Kumpel, Bankrecht, Rn. 4/933; Hellner/Steuer, Bankrecht, Rn. 6/1936; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Martinek, Bankrechtshandbuch, §67 Rn. 20 f.; a.A. wohl Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 1624: Anweisung im Sinne des § 783 B G B ; dem folgend L G Berlin N J W 1986,1939;
198
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
festgelegte Interessenwahrnehmungspflicht des Kreditkartenunternehmens konkretisiert wird. 7 0 Ohne Weisungen darf das Kreditkartenunternehmen grundsätzlich keine Auszahlungen zulasten des Kunden vornehmen.
b) Ausfüllung des Rahmens durch den aa) Ermessensfehlerfreies
Treuhänder
Handeln des Treuhänders
Soweit der Treuhänder zur selbständigen Pflichtenkonkretisierung berufen ist, hat er die Rahmenpflicht in konkreten Entscheidungssituationen an den sich aus dem Treuhandvertrag ergebenden oder gesetzlich festgelegten Wahrnehmungszielen orientiert und damit pflichtgemäß auszufüllen und auf diese Weise jeweils sein konkretes Pflichtenprogramm gegenüber dem Treugeber zu ermitteln. Diese Wahrnehmungsziele sind in nicht rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen und gesetzlich vertypten Treuhandverträgen zumeist ausdrücklich normiert oder jedenfalls aus den einschlägigen Normen zu entnehmen (Gesetzgeberische Zielanordnung). Ansonsten sind die Wahrnehmungsziele als generell-abstrakte Weisungen in der Parteivereinbarung enthalten und gegebenenfalls im Wege der Auslegung, §§ 133, 157 B G B , zu ermitteln (Rechtsgeschäftliche Zielabrede). Eine solche Zielabrede geht im Bereich der Treuhandverträge gegebenenfalls einer gesetzlichen Zielanordnung vor, soweit diese nicht ausnahmsweise zwingend sein sollte. Anhand dieses von der Zielabrede oder -anordnung vorgegebenen Maßstabs muß der selbständige Treuhänder seine Rahmenpflicht zur Interessenwahrnehmung nach pflichtgemäßem Ermessen ständig konkretisieren. 71 Dabei wird dem Treuhänder in der Regel ein gewisses Konkretisierungsermessen zustehen. Es gibt also in einer konkreten Entscheidungssituation zumeist nicht nur eine zutreffende Handlungsweise, sondern der Treuhänder kann zwischen verschiedenen Verhaltensweise wählen; etwas anderes gilt allerdings hinsichtlich der später zu erörternden Regelungen über die Auflösung von Interessenkonflikten zwischen verschiedenen, nicht miteinander verbundenen Interessenträgern. 72 Deshalb ist der Treuhänder auch nicht an dem Kriterium zu messen, ob „das richtige getan" hat, sondern ob er ermessensgerecht gehandelt oder die Ermessensgrenzen überschritten hat. Der Treuhänder handelt ermessensfehlerhaft, wenn er die Grenzen seiner Befugnisse überschreitet (Ermessensüberschreitung), oder wenn er von seinem Ermessen fälschlicherweise keinen Gebrauch macht, weil er sich in bestimmter Weise für gebunden hält (Ermessensnichtgedabei handelt es sich jedoch um eine „überschießende Einstufung" der Weisung, die ja nur eine bereits bestehende Pflicht konkretisieren muß, MünchKomm¡Hadding, Zahlungsverkehr, Rn.G 32. 7 0 MünchKomm//izi § 131 A k t G Rn. 1. 301 Scholz/K. Schmidt § 51a G m b H G Rn. 4. 3 0 2 O L G H a m m WM 1986, 740, 741; B a y O b L G D B 1995, 36; K K - A k t G / Z ö « « e r § 131 A k t G Rn. 12; Hüffer § 131 A k t G Rn. 5; Münz\iKomm/Kubis § 131 A k t G Rn. 16; G K - A k t G / Decher § 131 A k t G Rn. 90; Rowedder/Koppensteiner § 51a G m b H G Rn. 5. 3 0 3 Derlei ist verstärkt im Recht der Personengesellschaft zu beobachten, wo der Gesellschaftsvertrag die persönlich haftenden Gesellschafter zu notwendigen Treuhändern der Personengesellschaft macht und also nicht nur die Gesellschaft errichtet, sondern auch derlei Rechtswirkungen zwischen der errichteten Gesellschaft und ihren Gesellschaftern begründet. 3 0 4 Eingehend dazu auch unten § 18 III. 3 0 5 Vgl. Erman/Westermann §713 B G B Rn.3; Staudinger/Habermeier 13 B G B Rn.6; MünchKomm/tZ/mer § 713 B G B Rn. 7; K. Schmidt, Informationsrecht, S. 18 f. und 28 f.; a.A. Soergel/Hadding § 713 B G B Rn. 7, der unzutreffend in beiden Fällen von Individualansprüchen der einzelnen Gesellschafter ausgeht. 297
234
Teil 2: Das Treubandverhältnis im geltenden Deutschen Schuldrecht
c) Treuhand bei der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs Soweit ein Treugeber die Auskunftsrechte nicht selbst geltendmachen kann, werden sie von anderen Personen wahrgenommen, die derlei Kontrollrechte betreffend wiederum ebenfalls Treuhänder dieses Treugebers sind. Solche Konstellationen finden sich vor allem in Fällen notwendiger Treuhand, in denen der Treugeber nicht in der Lage ist, das Auskunftsrecht auszuüben. So kann und muß 3 0 6 der Gegenvormund, der dann zu bestellen ist, wenn mit der Vormundschaft eine nicht unerhebliche Vermögensverwaltung verbunden ist und die Vormundschaft nur von einem Vormund geführt wird, § 1792 Abs. 2 B G B , im Interesse des Mündels vom Vormund Auskunft über die Führung der Vormundschaft und Einsicht in die Unterlagen verlangen, § 1799 Abs. 2 B G B , und diese Rechte mit Hilfe der Zwangsmittel der §§ 1837, 1886 B G B durchsetzen. 307 Eine klagweise Durchsetzung kommt nicht in Betracht - nicht, weil es sich um einen Anspruch mit öffentlich-rechtlichem Charakter handelte, 308 sondern weil nur diese Lösung sich systemgerecht in das System der vormundschaftlichen Kontrolle einfügt. 3 0 9 Gleiches gilt für Gegenpfleger, §§ 1915,1799 Abs. 2 B G B , 3 1 0 und Gegenbetreuer, §§ 19081,1799 Abs. 2 B G B . 3 1 1 Als weitere Kontrollinstanz, § 1837 B G B , ist wiederum das Vormundschaftsgericht berechtigt, von Vormund und Gegenvormund, § 1839 B G B , Pfleger und Gegenpfleger, §§ 1915, 1839 B G B , und Betreuer und Gegenbetreuer, §§ 1908i, 1839 B G B , Auskunft über die Führung der Vormundschaft und die persönlichen Verhältnisse des Mündels, Pfleglings oder Betreuten zu verlangen; auch hier bestehen die Sanktionsmittel der §§ 1837,1886 B G B . Es ist jedoch auch denkbar, daß ein Treugeber bestimmte Auskünfte nicht erlangen soll, weil die Gefahr einer sachfremden Verwendung naheliegt. Dann wird er einen neutralen Dritten als bestellen müssen, der für ihn die Auskünfte einholt, überprüft, ob die Interessenwahrnehmung ordnungsgemäß verläuft und lediglich das Ergebnis seiner Uberprüfung an den Treugeber übermittelt. Dieser neutrale Dritte ist Treuhänder beider Seiten, weil er einmal die Kontrollrechte des Treugebers in dessen Interesse ausübt, auf der anderen Seite jedoch MünchKomm/Wagem'rz § 1799 BGB Rn. 6. Soergel/Zimmermann §1799 BGB Rn.4; Enneccerus/Kipp, Familienrecht, §118 I 3; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 70 VII4; Staudinger/Engler § 1799 BGB Rn. 8; RGRK/Dickscheid § 1799 BGB Rn. 6; MünchKomm/Wagenitz § 1799 BGB Rn. 7. 3 0 8 So aber Soergel/Zimmermann § 1799 BGB Rn. 4; Staudinger/Engler § 1799 BGB Rn. 8; RGRK./Dickscheid § 1799 BGB Rn. 6. 309 Enneccerus/Kipp, Familienrecht, §118 I 3; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §70 VII 4; MünchKomm/Wagenitz §1799 BGB Rn.7; Rauseber, Familienrecht, Rn. 1214. 310 Soergel/Zimmermann §1792 BGB R n . l l ; MünchKomm/Wagenitz §1792 BGB Rn. 18. 311 Soergel/Zimmermann §1899 BGB Rn.2; MünchKomm /Wagenitz §1792 BGB Rn. 18. 306 307
§10. Die Pflichten des Treuhänders
235
Informationen der Treuhänderseite als Machtmittel erhält, das er nur im Interesse des Treuhänders gebrauchen darf. Im Gesellschaftsrecht ist beispielsweise der sogenannte „Informationstreuhänder" geläufig, der dann eingesetzt wird, wenn einem Gesellschafter, etwa aus Wettbewerbsgründen, bestimmte Informationen vorenthalten werden sollen, er aber trotzdem Kontrollrechte haben soll. In einem solchen Fall werden die betreffenden Informationen einem Treuhänder zugänglich gemacht, der dann seinerseits dem Gesellschafter Bericht erstattet, ohne sich zu Einzelheiten zu äußern. 312 Gleiches ist im Recht der Publikumskommanditgesellschaft üblich, wo die Kommanditisten (Anleger) ihre Informations- und Kontrollrechte nach dem Gesellschaftsvertrag oftmals nicht selbst, sondern durch einen Beirat oder Kommanditistenvertreter ausüben, der dann insoweit Treuhänder der Anleger wird. 313
3.
Rechenschaft
a) Umfang der
Rechenschaft
Der Treuhänder muß auf Verlangen nicht nur Auskunft erteilen, sondern auch Rechenschaft ablegen, § 666 Var. 3 BGB , 314 Rechnungslegung im Sinne des § 259 und Rechenschaft im Sinne des §666 Var. 3 BGB sind nicht identisch. 315 Rechenschaft bedeutet vielmehr, „in verkehrsüblicher Weise die wesentlichen Einzelheiten der Auftragsdurchführung darzulegen und dem Auftraggeber die notwendige Übersicht über die Art und Weise der Auftragsabwicklung zu verschaffen". 316 Der Treuhänder hat also nicht nur eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben zu erstellen und, soweit üblich und nicht leicht als erforderlich erkennbar oder geringfügig, 317 zu belegen, 318 § 259 Abs. 1 BGB, so daß der Treugeber im konkreten Fall die Richtigkeit überprüfen 312 Vgl. RGZ 103, 71 ff.; BGH N J W 1954, 71; BGH ZIP 1994,1942,1944; O L G München BB 1995, 143; Grunewald ZHR 146, 211, 229; Lutter ZGR 1982, 1, 11; Armbrüster, Beteiligung, S. 33 f. 313 Vgl. nur Hopt, FS 50 Jahre BGH II, S. 509. 314 Auch dieser Anspruch des Treugebers ist, wie der Auskunftsanspruch aus § 666 Var. 2 BGB, nur begrenzt dispositiv. Weil §666 BGB als Teil des allgemeinen Treuhandrechts grundsätzlich für alle Treuhandverhältnisse gilt, bedarf es keiner Herleitung einer Rechenschaftspflicht aus §242 BGB, anders jedoch Staudinger/Bittner §259 BGB Rn. 3. 315 MünchKomm/Sez/er §666 BGB Rn. 10; Erman/Ehmann §666 BGB Rn. 30; MünchKomm/Keller § 259 BGB Rn. 3 und 26. 3 , 6 BGH ZIP 1990, 48, 50; genauso Soergel/Beuthien §666 BGB Rn. 11; Schlegelberger/ Hefermehl § 384 HGB Anm. 30; enger im Sinne von „Rechnungslegung offenbar Staudinger/ Wittmann §666 BGB Rn. 9, wobei sich etwa aus der Differenzierung in §§1890 und 1892 BGB ergibt, daß nicht dasselbe gemeint sein kann. 317 Schmidt-Rimpler, Kommissionsgeschäft, S. 709. 318 Der Treugeber hat überdies auch einen Anspruch auf Herausgabe der Belege, § 667 Alt. 2 BGB.
236
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden
Deutschen
Schuldrecht
kann 3 1 9 (Rechnungslegung), sondern vor allem auch sämtliche von § 667 B G B erfaßte Gegenstände 320 und die „Ausführung des Auftrags" insgesamt zu dokumentieren. 321 Koller spricht anschaulich von der Rechenschaft als „Rechtfertigung des Verhaltens als Geschäftsbesorger". 322 Der Treugeber soll seine mit der Treuhand in Zusammenhang stehende Rechtsstellung, also sowohl die Rechtsbeziehung zum Treuhänder als auch gegebenenfalls zu Dritten, vollständig überblicken können. 323 Diese Informationsfunktion hat auch der von Geschäftsführer oder Vorstand (Geschäftsführungsaufgabe 324 ) zu erstellende Jahresabschluß bei Kapitalgesellschaften. Er dient nicht nur zur beweissicheren Darstellung von Sachverhalten und deren urkundlichen Festlegung zur Sicherung des Rechtsverkehrs (Dokumentationsfunktion) und der Ermittlung des Jahresüberschusses als Grundlage für Zahlungen an Anteilseigner und weitere Erfolgsbeteiligte, sondern auch der Information der Gesellschaft, die durch ihre Gesellschafterversammlung, § 46 Nr. 1 GmbHG, oder Aufsichtsrat beziehungsweise Hauptversammlung, § 172 AktG, den Jahresabschluß feststellt, 325 nachdem dieser so rechtzeitig vorgelegt worden ist, daß eine angemessene Zeit zur Prüfung verbleibt. 326 Dieser Abschluß soll ein „getreues Bild" der Gesellschaft vermitteln 327 und damit auch die Möglichkeit geben, die Interessenwahrnehmung durch Geschäftsführer oder Vorstand zu überprüfen, der im Anschluß an die Feststellung des Abschlusses gegebenenfalls zu entlasten ist. 328 Die Aufstellung des Jahresabschlusses wird in §§ 242 ff., 264 ff. H G B eingehend geregelt. Er muß die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung beachten, §264 Abs. 2 Satz 1 H G B , und klar und übersichtlich sein, §243 Abs. 2 H G B . b) Zeitpunkt der
Rechenschaft
Der Anspruch des Treugebers entsteht bei punktuellen Treuhandverhältnissen mit Beendigung der Treuhand; im Regelfall länger dauernder Treuhandverhältnisse hat die Rechenschaft, je nach Art der wahrgenommenen Interessen, nach 3 1 9 Vgl. nur RGZ 53, 254: vollständig, richtig, nachprüfbar; B G H Z 41, 318, 321; B G H N J W 1985,2699; Staudinger/Wittmann § 666 BGB Rn. 9;Soergel/Beuthien§666BGB Rn. 11; MünchKomm/Sez'/er §666 BGB Rn. 8. 3 2 0 Eingehend dazu oben § 9. 3 2 1 Mot. II, S. 537. 322 Staub/Koller § 384 H G B Anm. 48. 3 2 3 B G H Z 41,318,321; MünchKomm/S«7er § 666 BGB Rn. 8. 3 2 4 M ü n c h K o m m / L u t t e r m a n n §242 H G B Rn. 5. 3 2 5 Zu den Funktionen des Jahresabschlusses eingehend Michalski/Sigloch Anh. §§ 41-42a GmbHG Rn. 32 ff. 3 2 6 Vgl. nur MichalskURömermann § 46 GmbHG Rn. 60. 327 WinchTLomm/Luttermann §242 H G B Rn. 8. 3 2 8 Dazu gleich unten § 10 III 4.
§10. Die Pflichten des
Treuhänders
237
bestimmten Zeitabschnitten oder nach Sachgruppen zu erfolgen. 329 Nicht ausreichend für die Entstehung eines Rechnungslegungsanspruchs ist jedoch, anders als beim Auskunftsanspruch, ein bloßes Verlangen des Treugebers. 330 Die Verpflichtung zu regelmäßiger Rechenschaft ist in einigen gesetzliche geregelten Dauertreuhandverhältnissen ausdrücklich angeordnet, ansonsten wird sie häufig vereinbart werden oder zumindest einer ergänzenden Vertragsauslegung zu entnehmen sein. 331 So wird angenommen, der Handelsvertreter habe periodisch und zwar - wie auch der Unternehmer, § 87c Abs. 1 Satz 1 Hs. 1, HGB monatlich abzurechnen. 332 Auch die deklaratorisch angeordnete 333 Rechenschaftspflicht des Kommissionärs aus §384 Abs. 2 HGB 3 3 4 wird bei einer dauerhaften Geschäftsbeziehung periodisch gesehen. 335 Wurde regelmäßig, oder wie bei Banken im Wege fortlaufender Kontoauszüge Rechnung gelegt, so kann mit Ende des Treuhandverhältnisses keine komplette Rechnungslegung verlangt werden. 336 Neben den genannten handelsrechtlichen Regelungen kennt auch das BGB in einigen besonders geregelten Treuhandverhältnissen Sondernormen zur Rechenschaft, die zum Teil genauere Anordnungen zur regelmäßigen Rechenschaft enthalten. Eltern haben auf Verlangen des Familiengerichts eine Verzeichnis des Kindesvermögens vorzulegen und über die Verwaltung Rechnung zu legen, § 1667 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Eltern sind also während des Bestehens der Sorgebeziehung nur bei Besorgnis einer Vermögensgefährdung zur Rechnung verpflichtet. Außerdem haben sie bei Ende der Vermögenssorge dem Kind (oder einem neuen gesetzlichen Vertreter) auf Verlangen über die Verwaltung Rechenschaft abzulegen, § 1698 Abs. 1 BGB, über die Nutzungen jedoch nur dann, wenn ein Verstoß gegen § 1649 BGB anzunehmen ist, § 1698 Abs. 2 BGB. Der Gesetzgeber geht also vom Regelfall einer vertrauensvollen Eltern-Kind-Beziehung aus. 337 Aus diesen Regelung ergibt sich auch, daß das Kind während des Bestehens der Vermögenssorge keinen Anspruch auf Rechnungslegung hat, 338 sondern lediglich familiengerichtliche Maßnahmen anregen kann. Vgl. B G H W M 1984,1164 ff.; Soergel/Beuthien § 666 BGB Rn. 11. Mot. II S. 537; RGZ 56, 116; Erman/Ehmann §666 BGB Rn.27; anders wohl MünchKomm/Seiler § 666 BGB Rn. 11. 331 Mot. II, S. 537; Erman/Ehmann § 666 BGB Rn. 29; R G R K / S t e f f e n § 666 BGB Rn. 8. 332 MünchKomm/uoiz Hoyningen-Huene § 86 H G B Rn. 53; ungenauer Staub/Brüggemann § 86 H G B Anm. 6: „in angemessenen oder üblichen Zeitperioden". 333 Schlegelberger/Hefermehl § 384 H G B Anm. 28. 334 § 4 0 0 Abs. 2 H G B reduziert die Rechenschaftspflicht beim Selbsteintritt dem Umfang nach. 335 Staub/Koller § 384 H G B Anm. 51; Schlegelberger/Hefermehl § 384 H G B Anm. 29. 336 So B G H N J W 1985,2699,2700 für die Beendigung des Girovertrages. 337 Staudinger/Coester § 1698 BGB Rn. 7; Schwab, Familienrecht, Rn. 616. 338 Staudinger/Coester §1698 BGB Rn. 11; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §63 II 2 Fn.l; a.A. trotzdem MünchKomm//Ä»z §1698 BGB Rn.6; Soergel/Strätz §1698 BGB Rn. 5. 329
330
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden
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Anders der Vormund: Er hat dem Vormundschaftsgericht oder einem Gegenvormund, § 1842 BGB, ohne weiteres jährlich Rechenschaft abzulegen, die - entsprechend dem Dualismus aus Personen- und Vermögenssorge - aus einem Bericht über die persönlichen Verhältnisse des Mündels, § 1840 Abs. 1 BGB, und einer Rechnungslegung 339 über die Vermögensverwaltung, § 1840 Abs. 2-4 BGB, die vom Vormundschaftsgericht zu prüfen ist, § 1843 Abs. 1 BGB, besteht. Dieselben Regeln gelten über die Verweisungen in §§ 1908i Abs. 1, 1915 BGB für Betreuer und Pfleger, soweit die Betreuung oder Pflegschaft reicht. 340 Überdies ist am Ende der Vormundschaft, Betreuung oder Pflegschaft ohne weiteres dem Vormundschaftsgericht, § 1892 BGB, und gegebenenfalls auch einem Gegenvormund oder -betreuer, § 1891 BGB, über die Vermögensverwaltung Rechenschaft abzulegen, soweit dies noch nicht durch periodische Rechnung geschehen ist, § 1890 Satz 1 Alt. 1 und Satz 2 BGB. Auch das Erbrecht kennt einige Sonderregelungen. Der Vorerbe hat dem Nacherben nicht während des Bestehens der Vorerbschaft, sondern lediglich bei Eintritt der Nacherbfolge auf Verlangen Rechenschaft abzulegen, § 2130 Abs. 2 BGB, soweit dem Nacherben nicht schon über die Geltendmachung der Ansprüche aus §§2121 und 2127 BGB Informationen vorliegen. 341 §2218 Abs. 1 BGB verweist für die Rechenschaftspflicht des Testamentsvollstreckers nach § 666 BGB, ordnet aber an, daß bei länger (also über ein Jahr 3 4 2 ) dauernder Verwaltung der Erbe nicht nur bei Vollstreckungsende, sondern jährlich Rechnungslegung verlangen kann, § 2218 Abs. 2 BGB. Für Kapitalgesellschaften ist in § 324 Abs. 1 Satz 1 HGB angeordnet, daß sie einen Jahresabschluß aufzustellen haben. Trotz des Fehlens einer gesetzlichen Regelung haben sich für viele standardisierte Treuhandverhältnisse, vor allem im Bereich des Bankrechts, inzwischen Maßstäbe für Art und Häufigkeit der Auskunftserteilung herausgebildet. Bei Giro- oder Kreditkartenverträgen ist etwa die fortlaufende Dokumentation von Kontobewegungen in Kontoauszügen 343 geschuldet. Der Kreditkarteninhaber 339 Auch hier wird eine geordnete Zusammenstellung von Einnahmen und Ausgaben, die belegt sein müssen, vorgesehen, § 1841 Abs. 1 BGB, beim Betrieb eines Erwerbsgeschäfts mit kaufmännischer Buchführung ein Jahresabschluß, §1841 Abs.2 BGB. Insoweit handelt es sich um eine lex specialis zu §259 Abs. 1 BGB, vgl. KGJ 37,110,112, so daß insbesondere eine eidesstattliche Versicherung nach § 259 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommt, MünchKomm/ Krüger §259 BGB Rn. 4; Gernhuher/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 72 II 4. 340 Das gilt insbesondere auch für § 1842 BGB, obschon § 1908i Abs. 1 BGB nicht auf ihn verweist, weil die Möglichkeit der Bestellung eines Gegenbetreuers erst sehr spät im Gesetzgebungsverfahren eingearbeitet worden ist, so daß die fehlende Verweisung auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht, vgl. BT-Drucks. 11/4528 S.210 und 229; BT-Drucks. 11/6949, S. 77; Soergel/Zimmermann § 1908i BGB Rn. 14.. 341 Erman/Schmidt §2130 BGB Rn.5; MünchKomm/Gr»»s^ §2130 BGB Rn.8; Soergel/Harder/Wegmann §2130 BGB Rn. 7. 342 Soergel/Damrau § 2218 BGB Rn. 7; Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 320. 343 BGH NJW 1985,2699.
§ 10. Die Pflichten des
Treuhänders
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erhält in der Regel eine monatliche Abrechnung über die vom Karteninstitut übernommenen Erfüllungen. 344 Bei der Vermögensverwaltung können fortlaufend Depotauszüge verlangt werden.
4. Entlastung des Treuhänders a) Entlastung im Gesellschaftsrecht Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft beschließt jährlich über die Entlastung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG. Damit billigt die Hauptversammlung die Verwaltung der Aktiengesellschaft durch diese Organe, § 120 Abs. 2 Satz 1 AktG, macht also deutlich, daß sie die Verwaltung als gesetz- und satzungsgemäß ansieht und dem Organ auch für die Zukunft das Vertrauen ausspricht. 345 Bei der GmbH sind die Gesellschafter für die Entlastung des Geschäftsführers zuständig, § 46 Nr. 5 GmbHG. In der Regel wird über die Entlastung im Anschluß an die Feststellung des Jahresabschlusses abgestimmt. 346 Gleiches gilt für die Entlastung des Genossenschaftsvorstands durch die Generalversammlung, § 48 Abs. 1 Satz 1 GenG, 3 4 7 und des Vereinsvorstands durch die Mitgliederversammlung. 348 Die GmbH (und genauso die Genossenschaft, 349 der Verein 350 und die Wohnungseigentümergesellschaft351) ist infolge der Entlastung mit solchen Ansprüchen 352 und Rechten (z.B. Kündigungsrecht) gegen den Geschäftsführer ausgeschlossen, die innerhalb des Entlastungszeitraums entstanden sind, sofern den Gesellschaftern ihre Existenz bekannt oder bei sorgfältiger 353 Prüfung erkenn-
344 345 346
Rn. 27.
MünchKomm/Hadding, Zahlungsverkehr, Rn. G 34. Vgl. nur Hüffer § 120 AktG Rn. 12. MichalskURömermann § 46 GmbHG Rn. 267; Rowedder/Koppensteiner
§ 46 GmbHG
BGH WM 1985,1200; Hettrich/Pöhlmann/Gräser/Röhrich § 48 GenG Rn. 10 f. Soergel/Hadding § 27 BGB Rn. 25; MünchKomm/Äe«ier §27 BGB Rn. 43. 3 4 9 BGH WM 1985, 1200; Hettrich/Pöhlmann/Gräser/Röhrich §48 GenG Rn. 12; Lang/ Weidmüller/Metz/Schaffland § 48 GenG Rn. 17 ff.; HillebrandlKeßler § § 4 8 - 5 0 GenG Rn. 15; Beuthien § 48 GenG Rn. 8. 3 5 0 BGH N J W 1957, 832, 833; BGH N J W 1986, 2250; Reichert, Handbuch, Rn. 1536; Staudinger/Weick § 27 BGB Rn. 27; Soergel/Hadding § 27 BGB Rn. 24; MünchKomm/Äeater §27 BGB Rn. 42. 351 BayObLG NZM 2001,388; BayObLG NZM 2003, 31, 32; Weitnauer/Gottschalg $28 WEG Rn. 31 f; Niedenführ/Schulze §28 WEG Rn. 158 ff.; RUhlicke Z W E 2003, 54, 60; Gottschalg, Verwalterhaftung, Rn. 232; a. A. noch im Sinne eines Erlasses Bärmann/Pick/Merle §28 WEG Rn. 121. 3 5 2 Das sind in der Regel Schadenersatzansprüche, können aber auch andere Ansprüche sein, etwa aus §§ 812 ff. BGB, MichalskU Römermann § 46 GmbHG Rn. 287. 353 Dazu Nagele/Nestel BB 2000,1253 ff. 347 348
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden
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bar war. 354 Das wurde von der älteren Rechtsprechung aus einem Verzichtsvertrag oder negativem Schuldanerkenntnis 355 hergeleitet. Dagegen wurde eingewendet, es fehle an einem entsprechenden Vertrag zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer. Deshalb handle es sich bei der Entlastung um eine einseitige Genehmigung der Gesellschaft, die Schadenersatzansprüche tilge. 356 Gegen diese Deutung spricht wiederum, daß die Anspruchspräklusion der Entlastung zwar praktisch im Zentrum stehen mag, aber die Entlastung nicht auf diese Wirkung abzielt, nicht unmittelbares Ziel der Entlastung als „innenpolitischem Akt" 357 der Gesellschaft ist. Deshalb wird die Entlastung heute ganz überwiegend als organisationsrechtlicher Akt und damit als ein spezifisch gesellschaftsrechtliches Institut angesehen. 358 Sie sei eine einseitige, keiner Annahme bedürftige Erklärung. 359 Trotzdem ist eine rein tatsächliche Mitteilung des Entlastungsbeschlusses an den Geschäftsführer erforderlich, um einen Vertrauenstatbestand zu begründen, der erst die Anspruchspräklusion auslöst. 360 Diese ergibt sich nämlich daraus, daß sich die Gesellschafter widersprüchlich, § 242 BGB, verhalten würden, wenn sie zunächst die Geschäftsführung als ordnungsgemäß billigen, also zum Ausdruck bringen würden, daß alles in Ordnung sei und also kein Ansprüche bestünden, 361 dann aber doch Schadenersatzansprüche geltendmachen würden. 362 Etwas anderes gilt nur für im Interesse der Gesellschaftsgläubiger unverzichtbare Ansprüche, vgl. §§ 30,31,43 Abs. 3 GmbHG. Der Geschäftsführer hat jedoch keinen Anspruch auf Entlastung, 363 den er durch Leistungsklage geltendmachen könnte. Der „innenpolitische" Ermessensakt der Billigung und Vertrauensaussprache ist nicht erzwingbar. 364 Außerdem ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich, mit der ein Geschäftsführer die 354 BGH NJW 1986, 129; BGH NJW 1986, 2250; BGH NZG 2002, 195, 197; Lutter/ Hommelhoff § 46 GmbHG Rn. 14; Michalski/Römermann § 46 GmbHG Rn. 280; Rowedder/ Koppensteiner §46 GmbHG Rn. 22; Baumbach/Hueck/Zöllner §46 GmbHG Rn. 26; Roth/ Altmeppen § 46 GmbHG Rn. 25. 355 RGZ 106,258,262; RGZ 115,246,250; RG JW1935,921. 356 BoesebeckJW 1935,921. 357 Scholz/K. Schmidt § 46 GmbHG Rn. 89. 358 GK-AktG/Mühlbert § 120 AktG Rn. 20; MünchKomm/Ä^is § 120 AktG Rn. 14; Hachenburg! Hüff er §46 GmbHG Rn. 57; Scholz/K. Schmidt §46 GmbHG Rn.90; Baumbach/ Hueck/Zöllner §46 GmbHG Rn. 26; Michalski/Römermann §46 GmbHG Rn. 266; K. Schmidt ZGR 1978,425,432 f. 359 Lutter/Hommelhoff § 46 GmbHG Rn. 14. 360 Hachenburg/Hüff er §46 GmbHG Rn.61; Rowedder!Koppensteiner §46 GmbHG Rn. 24; Scholz/K. Schmidt §46 GmbHG Rn. 91; Michalski!Römermann §46 GmbHG Rn. 276. 361 Vgl. K. Schmidt ZGR 1978,425,431. 362 Scholz/K. Schmidt §46 GmbHG Rn.89; Michalski/Römermann §46 GmbHG Rn. 277. 363 BGH NJW 1986, 129; Scholz/K. Schmidt % 46 GmbHG Rn. 101; Lutter/Hommelhoff §46 GmbHG Rn. 15; K. Schmidt ZGR 1978,425,439 ff.; Meier GmbHR2004,111. 364 Scholz/K. Schmidt § 46 GmbHG Rn. 101.
§10. Die Pflichten des Treuhänders
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Gesellschaft zum pauschalen Verzicht auf Ansprüche zwingen könnte, zumal Rechtssicherheit für den Geschäftsführer vorrangig durch Verjährungsvorschriften gewährleistet wird. 3 6 5 Der Geschäftsführer kann jedoch negative Feststellungsklage erheben mit dem Antrag, daß bestimmte 3 6 6 Ansprüche, derer sich die Gesellschaft berühmt, nicht bestehen. Nach zutreffender Ansicht 3 6 7 kann bei Entlastungsverweigerung auch die Feststellung begehrt werden, daß für einen bestimmten Zeitraum der Geschäftsführung insgesamt keine Ansprüche oder Rechte der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer bestehen. Ein Feststellungsinteresse des Geschäftsführers ergibt sich hier bereits aus der Verweigerung der Entlastung, mit der die Gesellschaft deutlich macht, daß sie sich möglicherweise Ansprüche oder Rechte vorbehält. Für die Aktiengesellschaft regelt hingegen §120 Abs. 2 Satz 2 A k t G ausdrücklich, daß die Entlastung - unabhängig von der Sperrfrist des § 93 Abs. 4 Satz 3 A k t G - keinen Verzicht auf Ersatzansprüche der Gesellschaft enthält, auch nicht bei einstimmiger Entlastung. 368 Die rechtliche Bedeutung der Entlastung ist damit bei der Aktiengesellschaft gering, mag ihr auch „optisch und moralisch weitgehende Bedeutung zukommen". 3 6 9 §§ 93 Abs. 4 , 1 2 0 Abs. 2 Satz 2 A k t G verhindern auch eine Berufung der Organmitglieder auf ein widersprüchliches Verhalten der Gesellschaft, § 242 B G B .
b) „ Entlastung" im Familienrecht Außerhalb des Gesellschaftsrechts sieht das Vormundschaftsrecht in § 1892 Abs. 2 B G B , der über §§ 1908i Abs. 1 Satz 1,1915 Abs. 1 B G B auch für Betreuer und Pfleger, nicht jedoch für die Eltern, § 1698 B G B , gilt, eine Form der Entlastung des Vormunds vor. Das Vormundschaftsgericht hat die Rechnung des Vormunds rechtlich und sachlich zu prüfen und deren Abnahme zu vermitteln. Unter Abnahme ist zunächst nur die Entgegennahme als formal ordnungsgemäß durch den volljährigen Mündel, den neuen Vormund mit Genehmigung nach § 1812 B G B oder die Erben des Mündels 370 zu verstehen. 371 Wird die Rechnung darüber hinaus als inhaltlich richtig anerkannt, so hat das Vormundschaftsgericht das Anerkenntnis des Berechtigten zu beurkunden. Dabei han-
Michalski!Römermann §46 GmbHG Rn. 311. BGH N J W 1986, 129; Lutter/Hommelhoff §46 GmbHG Rn. 15; Michalski/Römermann § 46 GmbHG Rn. 312. 367 Scholz!K. Schmidt §46 GmbHG Rn.101; Rowedder!Koppensteiner §46 GmbHG Rn. 25; K. Schmidt ZGR 1978,425,439 ff. 3 6 8 O L G München AG 2003, 452, 453; MünchKomm/Äate §120 AktG Rn.28; KKAktG/Zöllner § 120 AktG Rn. 31; Schönle Z H R 126,199,223. 3 6 9 GK-AktG/Barz § 120 AktG Anm. 6. 370 Staudinger/Engler § 1892 BGB Rn. 10. 371 Erman/Holzhauer § 1892 BGB Rn. 4. 365
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis im geltenden Deutschen Schuldrecht
delt es sich um ein negatives kausales Schuldanerkenntnis, 372 § 397 Abs. 2 B G B , eine formfreie Vereinbarung also, die das Schuldverhältnis zwischen Vormund und Mündel dem Streit entziehen und es endgültig feststellen soll. 373 Das Erlöschen von Ansprüchen zwischen Mündel und Vormund ist nicht Zweck, wohl aber Folge des negativen Schuldanerkenntnisses 374 für den Fall, daß wider Erwarten doch Forderungen bestehen. Das negative Schuldanerkenntnis enthält insoweit also einen bedingten Erlaß. 3 7 5 Dieser Erlaß ist nach zutreffender Auffassung im Rahmen des § 1892 Abs. 2 B G B auf erkennbare Ansprüche zu beschränken. 376 Das ergibt sich nicht daraus, daß insoweit ein Gleichlauf mit den Voraussetzungen der Entlastung im Gesellschaftsrecht anzustreben wäre, auch nicht aus der besonderen Schutzbedürftigkeit des Mündels, 377 sondern daraus, daß sich das Anerkenntnis nur auf die vorgelegte Rechnung beziehen kann, über die zuvor verhandelt wird. Der Vormund hat keinen Anspruch auf Abgabe eines Anerkenntnisses, 378 kann aber im Wege der Feststellungsklage feststellen lassen, daß das Rechtverhältnis so beschaffen ist, wie die Schlußrechnung es ausweist. 379 c) Entlastung im allgemeinen
Treuhandrecht
Der Treuhänder ist jedenfalls bei Beendigung des Treuhandverhältnisses, oftmals auch in regelmäßigen Abständen während des Bestehen des Treuhandverhältnisses zur Rechnungslegung verpflichtet. 380 Deshalb stellt sich die Frage, ob über die erörterten Sonderregelungen hinaus auch für andere Treuhandverhältnisse eine Entlastung des Treuhänders, der eine solche Rechnung vorlegt, in Betracht kommt.
372 Mot. IV, S. 1188; RGZ 115, 368, 371; O L G Köln FamRZ 1996,249; Erman/Holzhauer § 1892 BGB Rn. 5; Soergel/Zimmermann § 1892 BGB Rn. 4; MünchKommIWagenitz § 1892 BGB Rn. 6. 373 Vgl. B G H Z 55, 250, 254; BGH N J W 2001, 2096, 2099; Staudingerl Marburger §781 BGB Rn. 8; Staudinger/Rieble%397 BGB Rn.211; Coester]h 1982,579, 580. 374 Soergel/Zimmermann § 1892 BGB Rn. 4. 375 Staudinger/Rieble § 397 BGB Rn. 212; Larenz, Schuldrecht I, § 19 I a. 376 RGRK/Scheffler § 1892 Rn. 3; StaudingerlEngler § 1892 BGB Rn. 21. 377 Staudinger/Engler § 1892 BGB Rn. 21. 3 7 8 Mot. IV, S. 1188; LG Stuttgart DAVorm 1974,670,672; MünchKomm/Wagem'iz § 1892 BGB Rn. 6; StaudingerlEngler § 1892 BGB Rn. 15; Dölle, Familienrecht, § 13712 c. 3 7 9 Mot. IV, S. 1188; PalandtlDiederichsen § 1892 BGB Rn. 7; Soergel/Zimmermann § 1892 BGB Rn. 6. 3 8 0 Dazu oben § 10 III 3.
§ 10. Die Pflichten des Treuhänders
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aa) Negatives Schuldanerkenntnis Wie im Vormundschaftsrecht, so kommt auch im allgemeinen Treuhandrecht ein entlastendes negatives Schuldanerkenntnis, § 397 Abs. 2 B G B , in Betracht. Treugeber und Treuhänder können also nach Rechnungslegung durch den Treuhänder und Prüfung durch den Treugeber formfrei feststellen, daß für den Rechnungszeitraum keine Ansprüche oder Rechte des Treugebers gegen den Treuhänder bestehen. Das ist jedoch nur dann der Fall, wenn ein bedingter Willen des Treugebers zum Verzicht auf möglicherweise doch vorhandene Forderungen vorliegt. 381 Dabei ist zurecht anerkannt, daß die Beurteilung des Gläubigerverhaltens als konkludente bedingte Verzichtserklärung strengen Anforderungen unterliegt 382 und eindeutig und unmißverständlich sein muß. 3 8 3 Ein Verzicht ist niemals zu vermuten, 384 denn grundsätzlich hat der Treugeber als Gläubiger keinen Anlaß, auf eine Forderung gegen den Treuhänder zu verzichten; im Zweifel ist also davon auszugehen, daß der Treugeber nicht verzichtet hat. 3 8 5
bb) Treu und Glauben Fraglich ist, ob auch darüber hinaus eine Möglichkeit der Entlastung besteht. Zu unterscheiden sind zwei Fälle. Zum einen mag der Treugeber tätig werden und dem Treuhänder mitteilen, daß er, soweit er sehe, keine Einwände gegen die Rechnung habe, oder er mag gegebenenfalls berechnete Aufwendungen anstandslos begleichen. Zum anderen mag der Treugeber auf die Übermittlung der Rechnung hin einfach schweigen, sei es, weil er sie geprüft und für korrekt befunden hat, sei es, weil er sich nicht weiter damit auseinandergesetzt hat. In der Regel wird eine Verallgemeinerung der Entlastungswirkung auf andere Treuhandverhältnisse deshalb ausgeschlossen, weil die Wirkung der Entlastung unklar und vielfältig sei. 3 8 6 Das bedarf näherer Prüfung, zumal die Entlastung - vom Familienrecht abgesehen - auf das allgemeine Rechtsinstitut des Verbot widersprüchlichen Verhaltens, § 242 B G B , gestützt wird.
Vgl. nur Staudinger/Rieble § 397 BGB Rn. 217. BGH N J W 1994,379; Erman/Wagner § 397 BGB Rn. 6; MünchKomm/Schlüter § 397 BGB Rn. 3; Staudinger/Rieble §397 BGB Rn. 103: „äußerste Zurückhaltung"; Gernhuber, Erfüllung, § 1619 b; Kleinschmidt N J W 2002,346. 3 8 3 Vgl. zuletzt BGH N J W 2001,2325; BGH N J W 2002,1044. 384 Soergel/Zeiss §397 BGB Rn. 3. 3 8 5 Vgl. BGH N J W - R R 1999, 519; Staudinger/Rieble §397 BGB Rn. 100. 386 Erman/Ehmann §666 BGB Rn. 53. 381
382
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden
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[l.J Tätigwerden des Treugebers Hat der Treugeber keinen bedingten Verzichtswillen, dann wird in einer Mitteilung, daß die Abrechnung in Ordnung sei, kein Angebot zum Abschluß eines Vertrages mach §397 Abs. 2 BGB zu sehen sein, sondern lediglich eine einseitige, rein tatsächliche Bestätigung des Treugebers, also eine bloße Mitteilung über seinen Kenntnisstand zum Zeitpunkt dieser Wissenserklärung. Eine ähnliche Mitteilung ergibt sich auch aus anderem Tätigwerden des Treuhänders, das auf ein Einverständnis mit der Rechnung schließen läßt. Entkleidet man die im Gesellschaftsrecht geläufige Entlastung der Geschäftsführung durch das zuständige Gesellschaftsorgan, also die Gesellschafter- oder Hauptversammlung, von den gesellschaftsrechtlichen „innenpolitischen" Besonderheiten dieses organschaftlichen Akts, dann gilt auch in anderen Treuhandverhältnissen: Kommt der Treugeber zu dem Ergebnis, daß die Rechnung in Ordnung sei, und setzt er den Treuhänder darüber in Kenntnis, so entsteht in der Person des Treuhänders ein entsprechender Vertrauenstatbestand: Der Treuhänder verläßt sich infolge der Mitteilung darauf, daß keine Ansprüche mehr geltendgemacht werden, die der Treugeber bei sorgfältiger Prüfung der Rechnung hätte ermitteln können, §242 BGB. Dabei handelt es sich um keine gesellschaftsrechtliche Besonderheit, sondern dem Treuhänder steht in jedem Fall die Einrede widersprüchlichen Verhaltens gegen einen Anspruch des Treugebers zu. Allerdings zeigt ein Blick auf das Gesellschaftsrecht, daß dort nicht jede beliebige billigende Äußerung der Gesellschaft durch das hierfür zuständige Organ, die dem Treuhänder zur Kenntnis gelangt, die Wirkungen des §242 BGB auslöst. Vielmehr ist dem zuständigen Organ der Jahresabschluß so rechtzeitig zu übermitteln, daß er, gegebenenfalls unter Zuziehung von Fachleuten, eingehend geprüft werden kann. 3 8 7 Anschließend faßt das zuständige Organ einen Beschluß, der den Jahrsabschluß feststellt, und erst danach wird auf dieser Grundlage über die Entlastung der Geschäftsführung entschieden. Es handelt sich also um eine bewußte Entscheidung, der eine qualifizierte Willensbildung vorangegangen ist, und nicht nur um eine bloße Zahlung von Aufwendungsersatz oder unbedachte Äußerung, daß alles in Ordnung sei. Deshalb können im allgemeinen Treuhandrecht die Wirkungen des §242 BGB nur ausgelöst werden, wenn die Äußerungen des Treugebers ersichtlich auf vergleichbarer Grundlage erfolgen. Der Treuhänder kann also Ansprüchen des Treugebers nur dann den Einwand widersprüchlichen Verhaltens entgegenhalten, wenn er über ein bloßes Handeln des Treugebers hinaus weiß, daß sich der insoweit kompetente oder beratene Treugeber eingehend mit der Rechnung auseinandergesetzt hat und zu einem abschließenden, positiven Urteil gelangt ist. Das dürfte nur ausnahmsweise der Fall sein. 387 ygj
nur
Michalski/Römermann
§ 46 GmbHG Rn. 60.
§ 10. Die Pflichten
des
Treuhänders
245
[2.] Schweigen des Treugebers Eine andere Frage ist, ob ein derartiger Vertrauenstatbestand auch dann entstehen kann, wenn der Treugeber auf die Übermittlung der Rechnung hin schweigt. Zum Teil wird gesagt, der Beauftragte werde entlastet, wenn der Auftraggeber eine Uberprüfung der Rechnung innerhalb angemessener Zeit unterlasse. 388 Es ist freilich nur denkbar, das Schweigen des Treuhänders als Billigung der Rechnung aufzufassen, wenn allgemein zu erwarten ist, daß der Treugeber die Rechnung innerhalb einer bestimmten, angemessenen Frist überprüft und gegebenenfalls Mängel rügt. Man kann in der Tat davon ausgehen, daß ein sorgfältiger Treugeber eine Rechnung des Treuhänders sorgfältig überprüft, ist sie doch oftmals die einzige Möglichkeit, einen Uberblick über die Interessenwahrnehmung zu erhalten. Außerdem mag dem Treuhänder nach vollständiger Rechnungslegung die Ungewißheit über eine noch mögliche Haftung nicht zumutbar sein. 389 Auf der anderer Seite erscheint es fragwürdig, an das Unterlassen dieser Prüfung besondere Nachteile zu knüpfen. Immerhin würde man auf diese Weise gleichsam im Wege von Treu und Glauben eine treugeberische Rügeobliegenheit einführen, deren Verletzung zu einem Rechtsverlust des Treugebers führt, zumal der Treuhänder nicht nur im Gesellschaftsrecht oder Familienrecht, sondern gewiß auch im allgemeinen Treuhandrecht jedenfalls keinen Anspruch auf Entlastung (also gegebenenfalls Anspruchsverzicht) hat und die Rechnungsprüfung durch den Treugeber in dessen eigenem Interesse geschieht und nicht im Rechtssicherheitsinteresse des Treuhänders, das durch die nunmehr zudem stark verkürzte Anspruchsverjährung gewahrt wird. Andernfalls würde die Rechnungslegung, die der Kontrolle des Treuhänders durch den Treugeber dient, mittelbar zu einem Instrument zugunsten des Treuhänders umfunktioniert werden, mit dessen Hilfe er die Rechte des Treugebers beschneiden kann. Etwas anderes gilt lediglich bei entsprechender Vereinbarung im Treuhandvertrag, wie das etwa in Nr. 11 Abs. 4 der AGB Banken 390 der Fall ist, nach dem der Kunde „Kontoauszüge, Wertpapierabrechnungen, Depot- und Erträgnisaufstellungen, sonstige Aufstellungen [...] auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit unverzüglich zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben" hat. Unterläßt er dies, so kann er mit Ansprüchen gegen die Bank ausgeschlossen sein, etwa bei zahllosen unbemerkten Falschbuchungen. 391 Für Einwendungen gegen die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eines Rech388 Staudingerl Wittmann §666 BGB Rn.ll; RGRK /Steffen §666 BGB Rn.26; Bengel/ Reimann/Klumpp, Handbuch, Rn. VI/333 ff. 389 So zum Testamentsvollstrecker MünchKomm/ßraWtter, 3. Auflage, §2218 BGB Rn. 14. 390 Grundregeln für die Beziehung zwischen Kunde und Bank in der Fassung vom
1.1.2000. 391
LG Lübeck WM 1993,1131.
246
Teil 2: Das Treubandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
nungsabschlusses gilt nach Nr. 7 Abs. 2 der AGB Banken eine Sechswochenfrist, deren Verstreichen eine Genehmigungsfiktion auslöst. 392
[3.] Feststellungsklage des Treuhänders Davon unabhängig kann der Treuhänder jedenfalls dann, wenn sich der Treugeber bestimmter Ansprüche aus dem Treuhandverhältnis gegen ihn berühmt, mit Hilfe der Feststellungsklage klären lassen, ob diese Ansprüche bestehen oder nicht. Bei Schweigen auf die Rechnung oder Verweigerung einer Kontrolle wird man jedoch - anders als bei der Verweigerung eines gesetzliche vorgesehenen oder wenigstens üblichen Entlastung im Gesellschaftsrecht dem Treuhänder kein Interesse, § 256 Abs. 2 Z P O , an einer pauschalen Feststellungsklage zubilligen können mit dem Antrag, es möge festgestellt werden, daß die Rechnung in Ordnung ist. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Entlastung in bestimmten Treuhandverhältnissen grundsätzlich üblich ist oder sich zwischen den Parteien eines konkreten Treuhandverhältnisses eine bestimmte Übung entstanden ist.
cc) Beispiel: Die Entlastung des
Testamentsvollstreckers
Umstritten ist, ob der Erbe den Testamentsvollstrecker entlasten kann oder muß 3 9 3 oder ob der Testamentsvollstrecker lediglich Feststellungsklage erheben kann oder muß, daß der Erbe keine weiteren Ansprüche gegen ihn erheben kann. 3 9 4 Gegen die Möglichkeit der Entlastung wird vorgebracht, für den Erben könne es, mangels Einblicks in die Interessenwahrnehmung, unzumutbar sein, den Testamentsvollstrecker entlasten zu müssen. Auf der anderen Seite ist der Testamentsvollstrecker dem Erben wie jeder andere Treuhänder zu jährlicher Rechnungslegung verpflichtet, §§2218, 666 B G B , und es ist dem Testamentsvollstrecker nach vollständiger Rechnungslegung die Ungewißheit über eine noch mögliche Haftung nicht zumutbar; 395 nach einer Entlastung würde die
392 Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch §12 Rn. 23 ff.; diese Fiktion hat zur Folge, daß der Kunde das im Rechnungsabschluß liegende Angebot aus Abschluß eines Anerkenntnisvertrages im Sinne des § 781 BGB durch Schwiegen annimmt mit der Folge einer Beweislastumkehr zugunsten der Bank, die nun nicht mehr die Einzelpositionen des Kontokorrents beweisen muß, BGH WM 1991,1294. 393 Dafür: MünchKomm/Brandner, 3. Auflage, § 2218 BGB Rn. 14; Erman/Schmidt § 2218 BGB Rn.4; Bengel/Reimann/Klumpp, Handbuch, Rn. VI/338; Offergeid, Rechtsstellung, S. 82 f. 3 9 4 RG JW 1909,75; Soergel/Damrau § 2218 BGB Rn. 6; StaudingerlReimann § 2218 BGB Rn.21; MünchKomm/Zimmermann §2218 BGB Rn. 15; Haegele/Winkler, Testamentsvollstrecker, Rn. 484; Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 322. 395 MünchlLomm/Brandner, 3. Auflage, §2218 BGB Rn. 14.
§ 10. Die Pflichten des Treuhänders
247
Haftung für diesen Zeitraum entfallen. 396 Dem wird entgegengehalten, daß es an einer besonderen gesetzlichen Bestimmung fehle. 397 Jedoch sollte man keinen Unterschied machen zwischen dem Testamentsvollstrecker und anderen Treuhändern, für die ebenfalls keine gesetzlichen Regelungen zur Entlastung bestehen, weil es dafür keinen sachlichen Grund gibt. 398 Die Uneinigkeit im Testamentsvollstreckerrecht hat ihre Ursache also lediglich darin, daß es bislang an umfassenden Erörterungen zu einem allgemeinen Treuhandrecht fehlt. Auch der Testamentsvollstrecker kann also mit dem Erben ein negatives Schuldanerkenntnis, §397 Abs. 2 B G B , vereinbaren oder sich - soweit die Rechnung reicht - auf widersprüchliches Verhalten des Erben berufen, wenn dieser seine Rechnung kompetent geprüft, abschließend als korrekt beurteilt und dies dem Testamentsvollstrecker mitgeteilt hat.
IV. Die Uberwachungspflicht bei Spaltung der Treuhänderposition 1. Allgemeines Die Pflichten des Treuhänders zu Benachrichtigung, Aufklärung oder Rechnungslegung dienen auch dazu, dem Treugeber die Überwachung des Treuhänders zu ermöglichen. Hierzu ist freilich nur eine erwachsene, gesunde, natürliche Person in der Lage. Werden die Interessen von juristischen Personen oder anderen teilrechtsfähigen Verbänden oder die Interessen von minderjährigen oder betreuungsbedürftigen natürlichen Personen durch einen dann zwingend notwendigen Treuhänder wahrgenommen, kann der Treugeber diesen Treuhänder nicht überwachen. Die Überwachung des Treuhänders ist in solchen Fällen deshalb ebenfalls treuhänderisch für den Treugeber wahrzunehmen. Diese Treuhänderfunktion ist vor allem im Gesellschafts- und Familienrecht besonders geregelt. Sie erfordert eine qualitative Spaltung der Treuhänderposition. Allerdings bestehen auch bei quantitativer Spaltung, also im Treuhänderkollegium, gewisse gegenseitige Überwachungspflichten der Mittreuhänder.
396 397 398
Bengel/Reimann/Riederer von Paar, Handbuch, Rn. XII/86. Zimmermann, Testamentsvollstreckung, Rn. 322. Bengel/Reimann/Klumpp, Handbuch, Rn. VI/336.
248
2. Reine
Teil 2: Das Treubandverhältnis
im geltenden Deutseben
Schuldrecht
Überwachungstreuhänder
a) Gesellschaftsrecht Die qualitative Spaltung der Treuhänderposition in einem bestimmten Interessensegment in einen geschäftsführenden und einen überwachenden Treuhänder führt zur Existenz zweier „Nebentreuhänder" im selben Interessensegment. Die Aktiengesellschaft 399 etwa hat mit dem Aufsichtsrat ein Organ, das ausschließlich mit der Überwachung der Geschäftsführung befaßt ist, § 111 Abs. 1 AktG. Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung regelmäßig und gleichsam parallel zur Geschäftsführungsfunktion zu überwachen. 400 Er muß jede Maßnahme, die wesentlichen Einfluß auf die Lage und die Entwicklung der Aktiengesellschaft haben kann, 4 0 1 daraufhin überprüfen, ob sich die Geschäftsführung im Rahmen ihres Ermessens 4 0 2 gehalten hat. Dafür muß sich der Aufsichtsrat umfassende Kenntnis des Unternehmens verschaffen. Ihm stehen deshalb Informationsrechte zu, die normalerweise dem Interessenträger selbst zustünden, §§ 90 Abs. 3,111 Abs. 2 AktG, 4 0 3 also Berichterstattungs-, Einsichts- und Prüfungsrechte. Jedes Aufsichtsratsmitglied muß jedoch auch von sich aus bestrebt sein, sich darüber hinaus die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen, denn eine interessengerechte Überwachung ist nur auf Grundlage möglichst zutreffender und vollständiger Tatsachenkenntnis des Aufsichtsrats möglich. 4 0 4 Jedenfalls bei Verdacht der Unrichtigkeit von Angaben des Vorstands muß der Aufsichtsrat „am Vorstand vorbei" eigene Ermittlungen anstellen. 405 Als Form „präventiver Überwachung" hat der Aufsichtsrat den Vorstand zu beraten, 406 außerdem kann die Satzung Zustimmungserfordernisse zu bestimmten Maßnahmen des Geschäftsführung bestimmten, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. Stellt der Aufsichtsrat interessenwidrige Maßnahmen fest, so hat er diese zu rügen und dem Vorstand zu raten, was statt dessen zu tun (gewesen) wäre. Soweit dies im Interesse der Aktiengesellschaft ist, kann der Aufsichtsrat darüber hinaus für die Zukunft Zustimmungsvorbehalte festlegen, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG, die Geschäftsordnung des Vorstands abändern, § 77 Abs. 2 AktG, die Zusammensetzung des Vorstands verändern, § 84 AktG, in seinem Bericht an die Hauptver3 9 9 Eine ähnliche Ausgestaltung der Organe wie bei der Aktiengesellschaft findet sich etwa auch bei der Stiftung, die regelmäßig geschäftsführenden Vorstand und überwachenden Beirat/Kuratorium hat, vgl. nur Staudinger/Rawert vor § § 8 0 ff. B G B Rn. 25. 4 0 0 Vgl. Frerk AG 1995,212. 4 0 1 MünchKomm/SeWer § 111 AktG Rn. 96. 4 0 2 Dazu oben § 1 0 1 3 . 4 0 3 Diese Informationsrechte werden vor allem für den Konzern zum Teil als ungenügend kritisiert, vgl. MünchKomm/Sewj/er § 111 A k t G Rn. 23 ff., vgl. dazu auch Elsing/Schmidt B B 2002,1705 4 0 4 MünchKomm/Scw/er § 111 AktG Rn. 149. 405 Brandi Z I P 2 0 0 0 , 1 7 3 . 4 0 6 B G H N J W 1991,1830; Hüffer §111 A k t G Rn. 5; Lutter ZHK 159,287,290 ff.
§ 10. Die Pflichten
des
Treuhänders
249
Sammlung die Pflichtverletzung des Vorstands mitteilen, §151 Abs. 2 Satz 2 AktG, oder als ultima ratio eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen, § 111 Abs. 3 AktG. Außerdem hat der Aufsichtsrat eigenverantwortlich das Bestehen von Schadenersatzansprüchen der Aktiengesellschaft gegen den Vorstand zu prüfen (und umgekehrt 407 ) und bei entsprechenden Erfolgsaussichten grundsätzlich auch außergerichtlich und gerichtlich geltendzumachen, unabhängig davon, daß auch die Hauptversammlung eine entsprechende Rechtsverfolgung beschließen kann. 408 Ist der Überwachungstreuhänder, wie der Aufsichtsrat, zur Beendigung des Treuhandverhältnisses befugt, so hat er - wie dies auch ein Treugeber selbst tun würde - sein Ermessen auszuüben. Er ist also nicht in jedem Fall zur Kündigung gezwungen, 409 weil dem Treuhänder, auch dem Überwachungstreuhänder, bei der selbständigen Wahrnehmung der Interessen des Treugebers immer Ermessen eingeräumt ist und die Kündigung nicht immer den Interessen des Treugebers am besten gerecht werden muß. Die Effektivität dieses Überwachungsorgans wird allerdings zum Teil angezweifelt. In der Regel wird für die Wahl des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung durch den bisherigen Aufsichtrat ein Wahlvorschlag ausgearbeitet, § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG, bei dem es nur so viele Kandidaten wie Plätze gibt; zumeist wird en bloc abgestimmt. Auch wenn es ausnahmsweise Gegenkandidaten geben sollte, werden die vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen Kandidaten trotzdem praktisch immer problemlos gewählt. 410 Also bedeutet Aufnahme in den Wahlvorschlag des Aufsichtsrats de facto Bestellung. 411 Auch wenn der Vorstand selbst keinen Vorschlag zur Wahl seiner Kontrolleure machen darf, 412 wird der bisherige Aufsichtsrat seinen Wahlvorschlag unter Abstimmung mit dem Vorstand ausarbeiten, zumal Aufsichtsratsmitglieder oftmals nach strategischen Gesichtspunkten ausgewählt werden. 413 Letztlich stellen deshalb oftmals wenige maßgebliche Vorstandmitglieder mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden den neuen Aufsichtsrat zusammen und die Kontrollierten wirken bei der Auswahl ihrer Kontrolleure maßgeblich mit, 414 zumal oftmals überdies ehemalige Vorstandsmitglieder in den Aufsichtsrat wechseln wollen - wer sucht sich schon freiwillig allzu unangenehme Kontrolleure aus.
Hopt, FS Doralt, S. 227. BGHZ 135,244 („ARAG"). 409 Zum Verhältnis Aufsichtsrat - Vorstand OLG Stuttgart AG 2003, 211, 212; MünchKomm/Hefermehl/Spindler §84 AktG Rn.94; MünchKomm/.Sem/er §116 AktG Rn.315; Hüffer § 84 AktG Rn. 26; KK-AktG/Mertens § 84 AktG Rn. 104. 410 Lutter ZHR 159,287,301 f. 411 Roth/Wörle ZGR 33,565,578. 412 Vgl. nur Hüffer § 124 AktG Rn. 13. 4.3 Roth/Wörle ZGR 33,565,611. 4.4 Ulmer AcP 202,143,161 ff. 407
408
250 b)
Teil 2: Das Treuhandverhältnis im geltenden Deutschen Schuldrecht
Familienrecht
Überwachungstreuhänder kennt neben dem Gesellschaftsrecht auch das Familienrecht. Der Staat nimmt durch seine Gerichte als Rechtspflegeorgane die Aufgabe wahr, notwendige familienrechtliche Treuhänder zu überwachen. Das Vormundschaftsgericht überwacht etwa den Vormund und den Betreuer, §§1837, 1908i Abs. 1 B G B . Ihm stehen Gebote, Verbote, Ordnungsstrafen, §§ 1837, 1908i Abs. 1, Verweigerung von Genehmigungen, §§ 1810 ff., 1821 ff., 1908i Abs. 1 B G B , Bestellung eines Ergänzungspflegers, §§ 1795, 1796, 1908i Abs. 1 B G B , und die Entlassung, §§ 1886, 1908b B G B , als Mittel zur Verfügung. Das Familiengericht überwacht die Eltern und kann bei Gefährdung des Kindeswohls Maßnahmen nach §§1666ff. B G B ergreifen, Genehmigungen nach §§ 1643,1821,1822 B G B verweigern oder einen Ergänzungspfleger bestellen, §§ 1629 Abs. 2,1795,1796 B G B . 4 1 5 Darüber hinaus kann das Vormundschaftsgericht durch Bestellung eines Gegenvormunds, §§ 1792,1799 B G B , oder Gegenbetreuers, § 1899 B G B , als Überwachungstreuhänder entlastet werden. 416 Dabei sind Mit- und Nebengegenvormünder oder -betreuer denkbar. 417 Ein solcher Überwachungstreuhänder ist insbesondere bei einer erheblichen Vermögensverwaltung zu bestellen, § 1792 Abs. 2 B G B . Seine Aufgabe ist ausschließlich die Überwachung der pflichtgemäßen Amtsführung des Vormunds oder Betreuers. Sie sind damit Nebentreuhänder, denen nicht die Führung der Vormundschaft oder Betreuung, sondern allein die Überwachung übertragen ist; deshalb sind sie z.B. auch nicht gesetzlicher Vertreter des Mündels, 418 so wie der Aufsichtsrat in der Regel, vgl. § 112 AktG, nicht die Aktiengesellschaft vertritt. Der Gegenvormund oder -betreuer hat bestimmte Informationsrechte, §1799 Abs. 2 B G B , und muß dem Vormundschaftsgericht Meldung machen, wenn ein Einschreiten erforderlich wird, § 1799 Abs. 1 B G B . Er kann aber nicht selbst eingreifen, lediglich bedürfen einige Geschäfte des Vormunds seiner Genehmigung, vgl. etwa §§ 1809, 1810, 1812,1824 B G B . Auch der Gegenvormund oder -betreuer unterliegt trotz seiner Entlastungsfunktion wiederum der Aufsicht des Vormundschaftsgerichts. 419 Der Gegenvormund oder -betreuer soll nach gängiger Auffassung 420 einem Ergänzungspfleger gegenüber nur zur Aufsicht verpflichtet sein, wenn ihm diese Aufgabe besonders übertragen worden ist. Das erscheint problematisch, denn das dem Überwachungstreuhänder zur Wahrnehmung übertragene InterDazu eingehend unten § 22 II 6 und § 23 II 1. BayObLG FamRZ 1997,438,439. 417 Staudingerl Engler § 1792 BGB Rn. 12. 418 MünchKommfWagenitz § 1799 BGB Rn. 5. 419 Staudinger/Engler § 1799 BGB Rn. 4. 4 2 0 Mot. IV, S. 1095,1270; MünchKomm /Wagenitz § 1799 BGB Rn. 3; Erman/Holzhauer § 1799 BGB Rn. 3; StaudingerlEngler § 1799 BGB Rn. 15; MünchKomm/Schwab § 1915 BGB Rn.21. 415
416
§10. Die Pflichten
des
Treuhänders
251
essensegment des Mündels oder Betreuten ist die vollständige oder teilweise Überwachung der notwendigen Interessenwahrnehmungsorganisation dieses Treugebers. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der Vormund ein nachteiliges Geschäft für das Mündel vornimmt, oder ob ein wegen Verhinderung des Vormunds bestellter Ergänzungspfleger eine derartige Pflichtverletzung begeht. Die Aufgaben des Überwachungstreuhänders bemessen sich nach dem jeweiligen Interessensegment (Überwachung der Interessenwahrnehmungsorganisation), nicht danach, welches Mitglied der Interessenwahrnehmungsorganisation des Mündels oder Betreuten gehandelt hat.
3. Die Überwachungspflicht
im
Treuhänderkollegium
a) Gesellschaftsrecht Findet eine quantitative Aufspaltung der Treuhänderposition auf mehrere Mittreuhänder statt, die Interessen des Treugebers gemeinschaftlich wahrnehmen, so sind diese Mittreuhänder über ihre primären Aufgaben hinaus zur gegenseitigen Überwachung verpflichtet. Ein Beispiel ist der mehrköpfige Vorstand einer Aktiengesellschaft. 421 Grundsätzlich sind alle Mitglieder gemeinschaftlich mit der Wahrnehmung der Interessen der Aktiengesellschaft befaßt. Sie sind nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt, § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG, und vertreten die Gesellschaft auch gemeinsam, § 78 Abs. 1 und 2 Satz 1 AktG. Allerdings ist in der Regel nicht jedes Vorstandmitglied mit allen Belangen der Geschäftsführung befaßt, sondern die Satzung oder Geschäftsordnung des Vorstands sieht eine Geschäfts Verteilung vor, wie dies in § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG ausdrücklich zugelassen wird. Diese Geschäftsverteilung befreit das einzelne Vorstandsmitglied jedoch nicht von seiner umfassenden Interessenwahrnehmungspflicht. Die Vorstandsmitglieder bleiben also weiterhin „Mittreuhänder" und werden nicht zu unverbundenen „Nebentreuhändern", von denen jeder selbständig als Einzeltreuhänder ein bestimmtes Segment der Gesellschaftsinteressen wahrnimmt. Allerdings wandelt sich die Interessenwahrnehmungspflicht dieser Mittreuhänder insoweit, als sich die unmittelbare Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen auf den jeweils kraft Geschäftsordnung zugewiesenen Bereich beschränkt, während sie sich ansonsten zu einer Überwachungspflicht konkretisiert. 422 Die einzelnen Vorstandsmitglieder sind also zur gegenseitigen Überwachung ver421 Auch im Aufsichtsrat, der ebenfalls ein Treuhänderkollegium ist, ist die Pflicht zur wechselseitigen Überwachung der Mitglieder anerkannt, MünchKomm/Sem/er § 116 AktG Rn. 67; Lutterl Krieger Rn. 839 ff.; Hoffmann-Becking NZG 2003, 745. 422 BGH NJW 1986, 54, 55; BGH NJW 1995, 2850, 2851; MünchKomm/Hefermehl/ Semler §93 AktG Rn. 71; KK-AktG/Mertens §83 AktG Rn.43 und 54; AnwKomm/Landwehrmann § 93 AktG Rn. 61.
252
Teil 2: Das Treuhandverhältnis im geltenden Deutschen Schuldrecht
pflichtet, wobei sich diese Überwachungspflicht als Teil des Interessenwahrnehmungspflicht von der Überwachungspflicht besonderer Überwachungstreuhänder (bei der Aktiengesellschaft des Aufsichtsrats) unterscheidet. Sie kann nämlich nicht die gleiche Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, weil der einzelne Treuhänder vorrangig mit Geschäftsführungsaufgaben beschäftigt ist, und beschränkt sich darauf, daß das einzelne Vorstandsmitglied Unregelmäßigkeiten in der Arbeit der Kollegen, die ihm bei Anstrengung der erforderlichen Sorgfalt auffallen müssen, nachzugehen hat. 423 Damit diese Überwachungsaufgaben, aber auch die Vorstandsarbeit insgesamt gedeihlich ablaufen kann, müssen sich die Vorstandsmitglieder gegenseitig über wichtige Vorgänge in ihrem Bereich unterrichten. 424 Vorstandsmitglieder sind also zu Konsensfähigkeit und harmonischer Zusammenarbeit 425 im Gesellschaftsinteresse genauso verpflichtet, wie zu Widerspruch im Kompetenzbereich eines Kollegen. 426 Das einzelne Vorstandsmitglied muß gegebenenfalls versuchen, Unregelmäßigkeiten abzustellen, indem es auf den Kollegen einwirkt, die Probleme im Gesamtvorstand thematisiert oder bei Erfolglosigkeit seiner Bemühungen schließlich den Aufsichtsrat als genuinen Überwachungstreuhänder informiert. Konflikte innerhalb des Gremiums über die zutreffende Konkretisierung der Interessenwahrnehmungspflicht müssen nach § 77 Abs. 1 Satz 1 A k t G durch Einigung beigelegt werden, koordinierend hat der Vorstandsvorsitzende in seiner Rolle als Vorsitzender des Treuhänderkollegiums zu wirken; 4 2 7 notfalls hilft der Aufsichtsrat auf Ersuchen. 4 2 8 Ganz üblich freilich ist die Geltung des Mehrheitsprinzips, § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG, als Konfliktlösungsmechanismus, denn das Erfordernis der Einstimmigkeit kann die Geschäftsführung allzu unbeweglich machen; über die Rechtmäßigkeit der Beschlußfassung 429 wacht der Vorsitzende. Die Überwachungspflicht des einzelnen Vorstandsmitglieds entfällt auch dann nicht, wenn das Kollegium durch Mehrheitsbeschluß entschieden und das einzelne Mitglied überstimmt hat. Erscheint dem einzelnen Vorstandsmitglied ein Beschluß als Pflichtverletzung, so muß er intern auf eine Revision des Beschlusses hinwirken oder den Aufsichtsrat informieren. 430
O L G Köln N Z G 2001,135,135; O L G Koblenz N Z G 1998, 953,954. KK-AktG/Afmerc* §93 AktG Rn.44; GK-AktG/Hopt §93 AktG Rn. 133; Scholz/ Schneider § 43 GmbHG Rn. 111; Lutter/Hommelhaff § 43 GmbHG Rn. 7; Hachenburg!Mertens GmbHG Rn. 31. 425 VJL-AktG/Mertens § 93 AktG Rn. 43; GK-AktG/Hopi § 93 AktG Rn. 134. 426 KK-AktG/Mertens §93 AktG Rn.43; GK-AktG/Hopt §93 AktG Rn. 135; Scholz/ Schneider § 43 GmbHG Rn. 112; Lutter/Hommelhoff § 43 GmbHG Rn. 5. 4 2 7 Vgl. nur MünchKomm/Hefermehl/Spindler § 84 AktG Rn. 82. 428 MünchKomm/Hefermehl/Semler § 77 AktG Rn. 9. 4 2 9 Dazu eingehend unten § 26 I. 4 3 0 Vgl. MünchKomm/Hefermehl!Semler § 93 AktG Rn. 77. 423 424
§ 10. Die Pflichten des Treuhänders
253
b) Familienrecht Die Figur des Treuhänderkollegiums ist nicht nur im Gesellschaftsrecht anzutreffen. Im Familienrecht sind derartige Kollegien ebenfalls geläufig. So wird ein Kind in der Regel zwei sorgeberechtigte Eltern als Treuhänder haben, ein Mündel kann mehrere Vormünder haben, § 1775, 1797 B G B , ein Betreuter mehrere Betreuer, § 1899 B G B . Die Bestellung mehrerer Vormünder ist, von der elternersetzenden Bestellung eines Ehepaars abgesehen, nur bei besonderem Grund möglich, § 1775 B G B , denn auch der einzelne Vormund soll Elternersatz mit umfassenden Kompetenzen sein. 431 Ein Beispiel wäre die schwierige Verwaltung des Mündelvermögens, 432 so daß ein Vormund mit der Personensorge, ein anderer mit der Vermögenssorge befaßt wird. Um mehrere Betreuer zu bestellen, bedarf es keines besonderen Grundes, denn § 1775 B G B wird in der Verweisungsnorm des § 1908i Abs. 1 Satz 1 B G B nicht erwähnt. Vielmehr reicht es schon aus, daß dadurch die Angelegenheiten des Betreuten besser besorgt werden können, § 1899 Abs. 1 Satz 1 B G B . Es kommt deshalb nicht nur die Aufteilung in Personen- und Vermögensbetreuung 433 in Betracht. Vielmehr ist es auch denkbar, einen Betreuer zu bestellen, den der Betreute vorschlägt, § 1897 Abs. 4 Satz 1 B G B , obschon dieser nicht für alle Bereiche geeignet ist, und für die Aufgabenbereiche, die der „Wunschbetreuer" nicht wahrnehmen kann, einen weiteren Betreuer zu bestellen. Außerdem können zeitweise mehrere Betreuer bestellt werden, um einen sanften Betreuerwechsel zu ermöglichen. 434 Dies soll bei der Vormundschaft nicht möglich sein, 435 weil es an einem besonderen Grund fehle. Diese Auffassung erscheint freilich aus der Perspektive des Kindeswohls fragwürdig. Mehrere Vormünder führen die Vormundschaft grundsätzlich gemeinschaftlich, § 1797 Abs. 1 B G B , also als Mittreuhänder. Durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts ist jedoch eine Verteilung der Aufgaben nach Wirkungskreisen möglich, § 1797 Abs. 2 B G B . Dabei handelt es sich anders als bei der Geschäftsverteilung im Vorstand einer Aktiengesellschaft nicht um eine Maßnahme der Arbeitsteilung zwischen mehreren Mittreuhändern. Vielmehr nimmt jeder Vormund in seinem eigenen Bereich die Interessen des Mündels wie ein Einzelvormund wahr; 4 3 6 mehrere „Mitvormünder" sind deshalb nicht Mit- sondern Nebentreuhänder. Auch über Mitvormünder wird vereinzelt gesagt, sie hätten sich gegenseitig zu überwachen. 437 Dies gilt nach zutreffender Auffassung allerdings MünchKomm/Wagenitz § 1775 BGB Rn.4. Soergel/Zimmermann § 1775 BGB Rn. 3; MünchKomm/Wagenitz § 1775 BGB Rn. 6. 433 BayObLG FamRZ 1997,1502. 434 Soergel/Zimmermann § 1899 BGB Rn. 8. 4 3 5 BayObLG N J W 1970, 1687; MünchKomm/Wagem'iz § 1775 BGB Rn.6; Staudingerl Engler § 1775 BGB Rn.12. 4 3 6 MünchKomm/Wfcgenjtz § 1797 BGB Rn. 16. 437 Soergel/Zimmermann § 1797 BGB Rn. 2; Staudinger/Engler § 1797 BGB Rn. 2 f. und 8. 431 432
254
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
nur für Fälle des § 1797 Abs. 1 B G B , weil nur Mittreuhänder für sämtliche Interessen des Mündels verantwortlich sind. Hier besteht eine - wie bei Vorstandsmitgliedern „gemäßigte" - Überwachungspflicht, weil mit Gegenvormund oder Vormundschaftsgericht genuine Überwachungstreuhänder existieren. In Fällen des § 1797 Abs. 2 B G B hingegen ist der einzelne Vormund ausschließlich für den ihm anvertrauten Wirkungskreis verantwortlich und deshalb nicht zur Überwachung der anderen Vormünder verpflichtet; etwas anderes gilt nur, soweit der jeweilige Vormund gleichzeitig Gegenvormund eines anderen Vormunds ist, vgl. § 1792 Abs. 3 B G B . 4 3 8 Ausnahmsweise wird man jedoch auch in Fällen des § 1797 Abs. 2 B G B eine Pflicht zur gegenseitigen Überwachung der Vormünder annehmen können, wenn es um Angelegenheiten geht, die Wirkungskreise mehrerer Vormünder berühren. Für das Betreuungsrecht gelten die gleichen Grundsätze, nur wird dort die Anordnung einer Aufteilung der Interessenwahrnehmung nach Wirkungskreisen als Regelfall angesehen, § 1899 Abs. 1 B G B , lediglich ausnahmsweise können mehrere Betreuer (etwa die Eltern des Betreuten) als Mittreuhänder gemeinschaftlich die Interessen des Betreuten wahrnehmen, § 1899 Abs. 3 B G B . Gemeinsam sorgeberechtigte Eltern üben die Sorge in allen Bereichen einvernehmlich, § 1627 Satz 1 B G B , und gleichberechtigt aus, 439 nicht jedoch gemeinschaftlich in dem Sinne, daß sie, wie dies für Organmitglieder etwa in § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG vorgesehen ist, nur gemeinsam handeln könnten; 440 lediglich die rechtsgeschäftliche Vertretung des Kindes steht den Eltern im technischen Sinne gemeinschaftlich zu, § 1629 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 B G B (Gesamtvertretung). 441 Die Eltern sind damit Mittreuhänder, bei denen das Gesetz, anders als beim Vorstand, § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG, eine interne Aufgabenteilung als Regelfall vorsieht. Sie sind niemals Nebentreuhänder, denn ihnen steht auch kraft Ausübung ihres Einvernehmens nicht die Möglichkeit zu, einzelne Aufgabenbereiche als Einzeltreuhänder wahrzunehmen, sondern sie sind immer für das gesamte Interessenspektrum des Kindes zuständig. Das Einvernehmen im Sinne des § 1627 Satz 1 B G B tritt gleichsam an die Stelle der Satzung oder Geschäftsordnung, die eine bestimmte interne Aufgabenverteilung vorschreibt. 442 Mangels Möglichkeit einer Zu Problemen bei der Gegenbetreuerbestellung „über Kreuz" unten § 19 II 2 d cc. Erman/Michalski § 1627 BGB Rn. 1. 4 4 0 BGH FamRZ 1988, 1142; Soergel/Strätz § 1627 BGB Rn. 5; Staudinger/Peschel-Gutzeit% 1627BGB R n . l l . 441 Vgl. nur Staudinger/PeschelGutzeit § 1629 BGB Rn. 29 ff. 4 4 2 Hoch umstritten ist freilich die Frage, welchen rechtlichen Charakter und welche Bindungswirkung dieses Einvernehmen im Gegensatz zur Satzung oder Geschäftsordnung im Aktienrecht hat. Zum Teil wird der rechtsgeschäftliche Charakter dieses außerdem nur in §1356 BGB genannten Einvernehmens betont, vgl. Gernhuher/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 58 II 1; Lange N J W 1961,1889,1890, andere Autoren verneinen hingegen den rechtsgeschäftlichen Charakter, vgl. Schwab, Familienrecht, Rn. 112. Letztere Auffassung erscheint deshalb zutreffend, weil das elterliche Einvernehmen keine den vertraglichen Bindungsregeln unterworfene einmalige Vereinbarung darstellt, sondern vielmehr prozeduralen Charakter 438 439
§ 10. Die Pflichten
des
Treuhänders
255
„Nebenelternschaft" müssen sich die Eltern unabhängig von der Ausübung ihres Einvernehmens gegenseitig überwachen, 443 zumal wenn, wie üblich, eine Aufgabenaufteilung stattfindet. Der jeweils überwachende Elternteil muß zunächst intern, notfalls aber auch durch Einschaltung des Jugendamtes oder Familiengerichts für die Beseitigung von Mißständen sorgen.
4. Folgerungen für das allgemeine Treuhandrecht In gesetzlich geregelten Treuhandverhältnissen finden sich zwei Möglichkeiten der Treuhänderüberwachung. Die durch Auffälligkeiten angestoßene gegenseitige Überwachung mehrerer Mittreuhänder und die Bestellung eines besonderen Nebentreuhänders für umfassende und dauerhafte Überwachungsaufgaben (Überwachungstreuhänder), dem als Grundlage einer effektiven Überwachung Informationsrechte und Eingriffsbefugnisse zustehen. Nebentreuhänder sind ansonsten nicht zur gegenseitigen Überwachung verpflichtet, es sei denn, bestimmte Maßnahmen der Interessenwahrnehmung beträfen ausnahmsweise die Aufgabenbereiche mehrerer Nebentreuhänder. a) Rechtsgeschäftliche Bestellung eines
Uberwachungstreuhänders
Beide Figuren können in anderen Treuhandverhältnissen auch durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung geschaffen werden. Auch ein „überwachungsfähiger" Treugeber kann die Überwachung seines Treuhänders nämlich auf einen Treuhänder übertragen, etwa um eine sachkundige Überwachung zu gewährleisten, zu der er selbst nicht in der Lage ist. So mag ein Treugeber, der einem Treuhänder umfangreiche Vermögenswerte zur Verwaltung übertragen hat, eine fachkundige Person mit der Überwachung dieses Treuhänders als Nebentreuhänder hat. Es ist entwicklungs- und situationsbezogen immer wieder neu herzustellen und wird sich je nach Entwicklung des Kindes und der familiären Lebensverhältnisse auch oft unbemerkt verändern. Die regelmäßig gestellte Frage nach der Bindungswirkung des Einvernehmens, vgl. etwa Staudinger/Peschel-Gutzeit § 1627 BGB Rn. 16; MünchKomm/Ha^er § 1627 BGB Rn. 10; Soergel/Strätz § 1627 BGB Rn. 5; Erman/Michalski § 1627 BGB Rn. 6, geht also insoweit fehl, als „Einvernehmen" keine punktuelle Vereinbarung mit oder ohne Bindungswirkung, sondern einen Prozeß ständigen Aushandelns zwischen den Eltern und - je nach Entwicklungsstand - auch mit dem Kind, § 1626 Abs. 2 Satz 2 BGB, beschreibt. Beide Elternteile sind als Treuhänder des Kindes jeweils dem Kindeswohl verpflichtet, § 1626 Abs. 1 und 3 BGB, und unterliegen deshalb der Pflicht zur rücksichtsvollen und gedeihlichen Herstellung des Einvernehmens, vgl. § 1627 Satz 2 BGB, ohne daß zwischen ihnen ein besonderes Rechtsverhältnis bestehen müßte. Bei unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten überträgt auf Antrag eines Elternteils das Familiengericht einem Elternteil das Alleinentscheidungsrecht, §1628 B G B . 4 4 3 B G H FamRZ 1976,212; MünchKommIHuber § 1627 BGB Rn. 4; Staudinger/PeschelGutzeit § 1627 BGB Rn. 7; Erman/Michalski § 1627 BGB Rn. 3.
256
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
beauftragen. Der Vermögens Verwalter kann dann angewiesen werden, seine Aufklärungs- und Benachrichtigungspflichten gegenüber dem Überwachungstreuhänder zu erfüllen und diesem auch Auskunft zu erteilen und Rechenschaft abzulegen. Der Überwachungstreuhänder muß dem Treugeber unverzüglich Nachricht über das Vorliegen von Problemen geben, damit dieser seine Weisungsrechte ausüben oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gegebenenfalls möglichst rasch das Treuhandverhältnis beenden kann. Im Rahmen eines Treuhandliquidations- oder Treuhandsanierungsvergleichs 444 können beispielsweise die Gläubiger einen Gläubigerausschuß einrichten 445 und sich auf diese Weise organisieren. Bei der „Wahl" in den Ausschuß handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche Bestellung zum Treuhänder durch Abschluß eines Treuhandvertrages, 446 denn Gläubigerausschuß ist Treuhänder der Gläubiger insgesamt 447 und hat als solcher die ihm übertragenen Gläubigerrechte wahrzunehmen. Dabei handelt es sich vor allem um die Kontrolle des Liquidations- oder Sanierungstreuhänders. 448 Die Gläubiger bestellen also mehrere Mittreuhänder als Überwachungstreuhänder, weil sie zwar ihre Kontrollrechte auch selbst ausüben könnten, sie auf diese Weise jedoch effektiver wahrnehmen können. Schließlich kann die Einschaltung eines Überwachungstreuhänders auch deshalb notwendig werden, weil der Treugeber selbst bestimmte Informationen nicht erhalten soll, über die er zur effektiven Überwachung des Treuhänders jedoch verfügen können müßte. Beispielsweise wird ein Kommanditist, der gleichzeitig auch an einer Konkurrenzgesellschaft der Kommanditgesellschaft beteiligt ist, durch Abschluß eines Treuhandvertrages einen solchen Überwachungstreuhänder einschalten müssen, weil die Kommanditgesellschaft ihm persönlich aus verständlichen Gründen bestimmten Tatsachen nicht offenbaren möchte. b)
Überwachungstestamentsvollstrecker
Besondere Notwendigkeit für die Einschaltung einer Überwachungsorganisation besteht bei der Testamentsvollstreckung, weil der Testamentsvollstrecker nicht vom Nachlaßgericht als Überwachungstreuhänder überwacht wird. Auch der Erblasser kann dem Nachlaßgericht diese Aufgabe nicht übertragen, weil es nicht möglich ist, einem Gericht auf diese Weise zusätzliche Aufgaben zuzuschieben. 449 Der Erblasser kann jedoch die Verwaltung seines Nachlasses durch Dazu eingehend unten § 13 II 5. Emmerich, Sanierung, S. 60. 446 Kohler-Gehrig, Vergleich, S. 75. 4 4 7 Vgl. Emmerich, Sanierung, S. 184. 448 Ygj Rosenthal, Treuhandvergleich, S. 16; Kohler-Gehrig, Vergleich, S. 75 f. 449 ygj nur Zimmermann, Testamentsvollstrecker, Rn. 205. 444 445
§ 10. Die Pflichten des
Treuhänders
257
mehrere Testamentsvollstrecker als Mittreuhänder anordnen, §§2197 Abs. 1, 2224 B G B , und für diese Mittreuhänder eine Geschäfts Verteilung vornehmen. Von dieser Stellung mehrerer Testamentsvollstrecker als Regelfall geht § 2224 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 B G B aus. Diese Mittestamentsvollstrecker sind dann zur gegenseitigen Überwachung verpflichtet. 450 Der Erblasser kann neben der Geschäftsverteilung auch weitere Elemente einer Geschäftsordnung festsetzen, etwa Mechanismen der Streitentscheidung etwa durch Mehrheitsbeschluß 451 der Testamentsvollstrecker oder durch einen Schiedsrichter anstelle des Nachlaßgerichts, wobei der Schiedsrichter jeweils nur der Meinung eines Testamentsvollstreckers beitreten, nicht aber eine eigene Lösung anordnen darf. 4 5 2 Mangels entsprechender Anordnung entscheidet das Nachlaßgericht über Meinungsverschiedenheiten mehrerer Mittestamentsvollstrecker, §§ 2224 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 B G B , 4 5 3 so daß auf diese Weise der Erblasser das Nachlaßgericht doch ein Stück weit in die Testamentsvollstreckung einbinden kann. Die Regelung des § 2224 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 B G B ist jedoch dispositiv, §2224 Abs. 1 Satz 3 B G B , so daß der Erblasser auch Testamentsvollstreckung durch mehrere Nebentestamentsvollstrecker anordnen kann, die dann unterbunden und ohne gegenseitige Kontrolle nebeneinanderstehen. 454 Ein Testamentsvollstrecker mag etwa das Wertpapiervermögen verwalten, der andere das Grundvermögen. Ein Nebentestamentsvollstrecker kann dabei auch als bloßer Überwachungstestamentsvollstrecker eingesetzt 455 und mit Eingriffsbefugnissen ausgestattet werden, die bis zur Auswechslung des Testamentsvollstreckers reichen.
Vgl. nur MünchKoramIBrandner § 2224 BGB Rn. 1. BayObLG RPfleger 2001, 548. 4 5 2 Für den Schiedsrichter bei Testamentsvollstreckung Zimmermann, Testamentsvollstrecker, Rn. 206. 453 Das Nachlaßgericht entscheidet bei Streitigkeiten über die Führung des Amts, §2224 Abs. 1 Satz 1 BGB, was B G H Z 20, 264 in dem Sinne eng versteht, daß etwa Meinungsverschiedenheiten darüber, ob eine Amtshandlung mit dem Testament in Einklang stehe, nicht hierher, sondern vor die allgemeinen Prozeßgerichte gehören; diese Einschränkung trägt der Wortlaut des §2224 BGB nicht, außerdem erscheint es nicht sinnvoll, die Streitigkeiten verschiedenen Gerichten zuzuweisen, Staudingerl Reimann §2224 BGB Rn. 22; MünchKomm/ Brandner § 2224 BGB Rn.12. 454 WincbKomm/Brandner § 2224 BGB Rn. 3. 4 5 5 BGH FamRZ 1988,279. 450 451
§11. Die Pflichten des Treugebers I. Die Vergütungspflicht des Treugebers 1. Vergütungspflicht als Regelfall Die Hauptpflicht des Treugebers besteht im Regelfall der entgeltlichen Treuhand, vgl. § 675 Abs. 1 B G B , in der Vergütung des Treuhänders; insoweit besitzen Treuhandverhältnisse Austauschcharakter, ohne dadurch jedoch zu Austauschverhältnissen zu werden.1 Auch ohne vertragliche Vereinbarung ist eine Vergütung geschuldet, vgl. §§ 612 Abs. 1,632 Abs. 1 B G B , wenn die Interessenwahrnehmung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die Vergütung bemißt sich nach freier Vereinbarung zwischen den Parteien, ansonsten nach Ü b lichkeit, für bestimmte Treuhandverhältnisse gelten Gebührenordnungen, vgl. etwa das RVG für Rechtsanwälte oder das G K G für die staatlichen Gerichte. 2 Für Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften schreibt § 87 AktG eine angemessene Vergütung vor, ohne daß diese Regelung verhindern könnte, daß zum Teil übertrieben hohe Vorstandsbezüge vereinbart werden. Das Hereinspielen der austauschvertraglichen Facette macht deutlich, daß in diesem Punkt der Treuhänder nicht die Interessen des Treugebers zu wahren hat und insbesondere befugt ist, bei der Vereinbarung der Vergütung allein seine eigenen Verdienstinteressen zu verfolgen und seinen Marktwert auszureizen, 3 umgekehrt aber nicht dazu befugt ist, seine Treuhänderstellung dazu zu gebrauchen, seine Vergütung eigenmächtig unmittelbar oder mittelbar zu erhöhen, weil ihm dieser Bereich der Treugeberinteressen nicht zur Wahrnehmung übertragen ist. Das Verbot zur mittelbaren Erhöhung der Vergütung ergibt sich zudem auch aus dem Umstand, daß der Treuhänder nicht befugt ist, die ihm übertragenen treuhänderischen Machtmittel zum eigenen Vorteil zu gebrauchen4 und den Treugeber in „unbedingter Offenheit" 5 über den Bezug nicht vereinbarter Vorteile zu benachrichtigen. 6 Dazu oben § 8 12 a. Zur Rolle der staatlichen Zivilgerichte als Treuhänder unten § 19 II 1 a. 3 Vgl. nur GK-AktG/Hopt §93 AktG Rn. 155 und 160; KK-AktG/Mertens §93 AktG Rn. 70; Hopt Z G R 22, 534, 541; Fleischer W M 2 0 0 3 , 1 0 4 5 , 1047; Koppensteiner Z H R 155, 97, 110. 4 Eingehend dazu oben § 9 IV. 5 B G H Z 20,239,246. 6 Zur Benachrichtigungspflicht hinsichtlich eigener Pflichtverletzungen oben § 10 II 1. 1
2
§ 11. Die Pflichten des
Treugebers
259
Die Vergütung ist im Regelfall der dienstvertraglichen Treuhand je nach Vereinbarung am Ende der Treuhand oder nach Zeitabschnitten zu leisten, § 614 B G B . Gerade bei dauerhafter Interessenwahrnehmung wird regelmäßig eine Vergütung nach Zeitabschnitten vereinbart sein. So ist etwa die Vergütung des Kreditkartenunternehmens regelmäßig in Form einer Jahresgebühr zu entrichten. 7 Kontoführungsgebühren werden in der Regel mit dem Rechnungsabschluß quartalsweise abgerechnet. Eine Sonderregelung besteht für Rechtsanwälte: Sie können Vorschuß nach § 9 RVG in Höhe der voraussichtlich anfallenden Gebühren (= Vergütung) verlangen. Im Sonderfall der werkvertraglichen Treuhand ist die Vergütung nach Fertigstellung und Abnahme fällig, § 640 Abs. 1 B G B . Auch im Rahmen gesetzlicher Treuhandverhältnisse kann eine Vergütung geschuldet sein. So wird zwar davon ausgegangen, daß Vormund, Betreuer oder Pfleger in der Regel ehrenamtlich tätig sind, gleichwohl können berufsmäßiger Vormund, § 1836 Abs. 1 Satz 1 B G B , berufsmäßiger Betreuer, §§ 1908i Abs. 1 Satz 1,1836 Abs. 1 Satz 1 B G B , Vereinsbetreuer, § 1908a Abs. 1 Satz 1 B G B , Behördenbetreuer, § 1908g Abs. 2 B G B , oder Berufspfleger, §§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 1 Satz 1 B G B , eine Vergütung verlangen. Soweit nichts anderes angeordnet ist, kann auch der Testamentsvollstrecker eine angemessene Vergütung für die Interessenwahrnehmung verlangen, §2221 B G B . Die Regelungen oder Vereinbarungen zur Vergütung des Treuhänders sind jedoch nicht nur Teil der Austauschkomponente des Treuhandverhältnisses, sondern können auch der Lösung von Interessenkonflikten zwischen Treuhänder und Treugeber dienen. Zum einen kann die Vergütungsstruktur zu einer Interessengleichrichtung bei Treugeber und Treuhänder sorgen und auf diese Weise dem Treuhänder den Anreiz für eine Verletzung der Interessenwahrnehmungspflicht nehmen, zum anderen schützen Vergütungsregelungen die Interessen des Treuhänders, wenn der Treugeber die Interessenwahrnehmung beenden möchte oder sich nicht kooperativ verhält.
2. Erfolgsbezogen vergütete dienstvertragliche Interessenwahrnehmung a) Partiarische
Konstruktion
Handelsvertreter, Kommissionäre oder Kommissionsagenten schulden Interessenwahrnehmung mit Dienstvertragscharakter. Trotzdem werden sie erfolgsbezogen vergütet, denn der Kommissionär kann Provision erst verlangen, „wenn das Geschäft zur Ausführung gekommen ist", § 396 Abs. 1 Satz 1 H G B , für den 7 Vgl. nur Ebenroth/Boujong/Joost/Grundmann, Hadding, Zahlungsverkehr, Rn. G 31.
Bankrecht II, Rn. 403; MünchKomm/
260
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
Handelsvertreter kennt § 87a Abs. 1 Satz 1 H G B eine gleichartige Regelung. Damit hängt die Vergütung davon ab, ob Treugeber und Dritter das Geschäft zur Ausführung bringen, worauf der Treuhänder letztlich kaum Einfluß hat. Deswegen muß der Treugeber bei diesen erfolgsbezogen vergüteten Treuhandleistungen auch dann Vergütung zahlen, wenn er sich den Nichteintritt des Erfolges zurechnen lassen muß, §§87a Abs.3, 396 Abs. 1 H G B . Darüber hinaus ordnet § 86a Abs. 2 Satz 2 H G B an, daß der Unternehmer den Handelsvertreter über das Schicksal der von ihm vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte zu informieren hat. Gleiches hat für den Kommissionsagenten zu gelten. Eine ähnliche Vergütungsstruktur weisen Maklervertrag, § 652 Abs. 1 Satz 1 B G B , Darlehensvermittlungsvertrag, 8 §655c Satz 1 B G B , und Wohnungsvermittlungsvertrag, § 2 Abs. 1 WohnungsvermittlungsG, auf, die sich jedoch von den zuvor genannten Vertragstypen dadurch unterscheiden, daß der Makler oder Vermittler nicht verpflichtet ist, für seinen „Auftraggeber" tätig zu werden. Das Auseinanderfallen der Voraussetzungen der Erbringung der geschuldeten Leistung (dienstvertragliche Interessenwahrnehmung) und der Entstehung des Vergütungsanspruchs ist einer Strategie der Gleichrichtung von Treugeberund Treuhänderinteressen geschuldet. 9 Die auch als „partiarisch" bezeichnete Konstruktion 1 0 führt dazu, daß der Treuhänder sich erstens überhaupt um Vermittlung und Abschluß von Geschäften müht und zweitens vor allem auch nur solche Geschäfte vermittelt oder abschließt, bei denen er sich ausschließlich an Interessen und Wahrnehmungszielen des Treugebers orientiert. Weil der Unternehmer kaum Geschäfte abschließen wird, die für ihn nicht günstig sind, wird z.B. der Handelsvertreter also darauf achten, daß er bei der Vermittlung die Interessen des Unternehmers besonders gewissenhaft wahrnimmt. Nur durch fehlerfreie Wahrnehmung der Unternehmerinteressen erwirbt der Handelsvertreter nämlich einen Provisionsanspruch, so daß die fehlerfreie Interessenwahrnehmung damit auch im Interesse des Handelsvertreters selbst liegt. 11 Soweit der Treuhänder also in einem Interessenkonflikt zwischen den Interessen des Treugebers und eigenen Interessen oder anderen Drittinteressen steht, soll er auf diese Weise zur Wahrnehmung der Treugeberinteressen bewegt werden. Das Handelsgesetzbuch enthält mit § 87a Abs. 3 Satz 2 H G B also eine Regelung, die zwar nicht ausdrücklich Konflikte zwischen Unternehmerinteressen und dem Eigeninteressen des Handelsvertreters verhindert, aber durch eine Gleichrichtung der Interessen beider Beteiligter Konflikten vorbeugt. 12 ÄhnDazu Habersack/Schürnbrand WM 2003,261 ff. Dazu schon oben § 7 V. ] 0 Siehe etwa Staub/Koller § 383 HGB Anm. 39. 11 Instruktiv hierzu Grundmann, Treuhandvertrag, S. 385 f; zum Entfallen der Vergütung infolge pflichtwidrigen Handelns des Treuhänders in anderen Fällen unten Teil 6. 12 Den gleichen Zweck hat der Abschluß von Haftpflichtversicherungen für Pflichtverletzungen des Treuhänders, die eine Selbstbeteiligung des Treuhänders pro Schadensfall vorsehen. 8
9
§ 11. Die Pflichten des
Treugebers
261
liehe Strukturen lassen sich auch bei wirtschaftlich selbständigen Absatzmittlern, etwa im Bereich des Franchising oder der Vertragshändler,13 finden. Die Interessenwahrnehmung in Form der Absatzförderung für den Treugeber verschafft ihnen, die - anders als Kommissionäre, Kommissionsagenten oder Handelsvertreter - auf eigene Rechnung arbeiten, zugleich Gewinn. Hier bedarf es der partiarischen Konstruktion nicht mehr. b) Unterschiedliche
Regelungen
zur
Vergütungsgefahr
§ 396 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 H G B bestimmt, daß die Provision vom Kommittenten auch dann zu entrichten ist, wenn die Ausführung des Geschäftes aus einem Grund unterblieben ist, der in der Person des Kommittenten liegt. Diese Regelung stellt für die Zuweisung der Vergütungsgefahr an den Treugeber (Kommittenten) also nicht auf das Vertretenmüssen des Treugebers ab, 14 sondern weist die Vergütungsgefahr nach Risikosphären zu und ist deshalb mit Kriterien einer objektiven Risikozurechnung 15 zu handhaben. Es kommt darauf an, daß die Ursache für die Nichtausführung aus der Sphäre des Kommittenten stammt oder sich zumindest entscheidend in ihr auswirkt und deswegen vom Kommittenten eher einkalkuliert oder abgesichert werden kann. Ahnliches bestimmt § 87a Abs. 3 Satz 2 H G B im Recht des Handelsvertreters: Führt der Unternehmer das Geschäft nicht aus, so schuldet er gleichwohl Provision, es sei denn die Nichtausführung beruht auf Umständen, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat. Diese Regelung wird oftmals mit jener des § 396 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 H G B gleichgesetzt.16 Auch § 87a Abs. 3 Satz 2 H G B regle die Vergütungsgefahr im Wege einer Risikoabgrenzung nach Sphären.17 Diese Auffassung mißachtet jedoch ohne eine Begründung, die über vage Billigkeitsgesichtspunkte hinausgeht,18 die Unterschiede im Normtext, der einmal vom „in der Person liegen" (§ 396 HGB), das andere Mal jedoch vom „Vertretenmüssen" (§ 87a H G B ) spricht, das in § 276 Abs. 1 B G B definiert ist und gerade nicht an objektive Risikogesichtspunkte anknüpft. 19
Dazu oben §9 III 2 b. Schlegelberger/Hefermehl § 396 HGB Rn. 16. 15 Staub/Koller § 396 HGB Anm. 11; Ebenroth/Boujong/Joost/Krüger § 396 HGB Rn. 11. 16 Vgl. nur Baumbach/Hopt § 396 HGB Rn. 3. 17 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1991, 674, 676; Baumbach/Hopt §87a HGB Rn.28; Staub/Brüggemann §87a HGB Rn. 31; Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch § 87a HGB Rn. 23; MünchKomra/tion Hoyningen-Huene § 87a HGB Rn. 53 f.; Schlegelbergerl Schröder § 87a HGB Rn. 37; Canaris, Handelsrecht, § 17 Rn. 69; Holling DB 1960,79; wohl auch K. Schmidt, Handelsrecht § 27 IV 2 b; unklar Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer § 87a HGB Rn. 19. 18 So etwa Holling DB 1960, 79. 19 Für eine Differenzierung auch Heymann/Kötter § 396 HGB Rn. 16; Staub/Koller § 396 HGB Anm. 11. 13 14
262
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
Zum Teil wird die für den Treuhänder ungünstigere Regelung des § 87a H G B , der den Anspruch des Treuhänders nur bei Vertretenmüssen des Treugebers gewährt, auf den im Handelsvertreterrecht im Unterschied zum Kommissionsrecht stärker ausgeprägten partiarischen Rechtsgedanken zurückgeführt. 20 Damit ist jedoch lediglich die Wirkung, nicht jedoch die Ursache des Unterschieds beschrieben. Diese dürfte in dem Unterschied zwischen der punktuellen Interessenwahrnehmung durch den Kommissionär und der dauerhaften Interessenwahrnehmung durch den Handelsvertreter liegen. Die Dauerbeziehung zwischen Unternehmer und Handelsvertreter läßt es gerechtfertigt erscheinen, dem Handelsvertreter die Provisionsgefahr für zufällige Abwicklungshindernisse aufzuerlegen, wird doch nur eine von vielen Provisionen betroffen, so daß die Tätigkeit des Handelsvertreters für den Unternehmer durch den zufallsbedingten Verlust einer einzelnen Provision nicht völlig entwertet wird. Der Dauercharakter impliziert eine dauerhafte Möglichkeit zur Erzielung von Einkünften und deshalb ermöglicht er eine Risikoverschiebung. Dieser Gedanke rechtfertigt auch die zutreffende Anwendung der Provisionsregelungen des Handelsvertreterrechts anstelle des § 396 H G B beim Kommissionsagenten. 21 Zu beachten ist jedoch, daß der Unternehmer (Treugeber) über seine Handelsvertreter (Treuhänder) regelmäßig Gattungsware vertreiben wird. In diesem Fall hat er in Abweichung von den gewöhnlichen Maßstäben des Vertretenmüssens regelmäßig das Beschaffungsrisiko zu tragen, vgl. §276 Abs. 1 B G B , so daß viele zufällige Abwicklungshindernisse auch ohne Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Unternehmers den Provisionsanspruch des Handelsvertreters erhalten. Deshalb wird der Unterschied zwischen den beiden Gefahrtragungsregelungen geringer ausfallen, als ihr Wortlaut vermuten läßt.
3. Der Ausgleich zwischen Beendigungs- und Vergütungsinteresse a) Beendigungsrecht
des
Treugebers
Der Treugeber hat in vielen Treuhandverträgen die Möglichkeit, das Treuhandverhältnis jederzeit und ohne Angabe besonderer Gründe beenden zu können. §671 Abs. 1 B G B ordnet dies für unentgeltliche Treuhandverträge an, §649 B G B für Treuhandverträge mit werkvertraglichem Charakter. Im Regelfall der entgeltlichen dienstvertraglichen Treuhand greift § 627 B G B , der unter gewissen Voraussetzungen ebenfalls eine grund- und fristlose Beendigung des Treuhandverhältnisses zuläßt; ansonsten gelten die Kündigungsfristen des §621
Staub/Koller § 396 H G B Anm. 11. Canaris, Handelsrecht, § 18 Rn. 8; Staub/Koller Handelsvertreter, Rn. 1560. 20
21
§ 383 H G B Anm. 39;
Küstner/Thume,
§ 11. Die Pflichten des
Treugebers
263
B G B , in Ausnahmefällen können diese Kündigungsfristen unter Anwendung des § 242 B G B sogar verlängert werden.
aa) Grund- und fristlose Kündigung nach § 627 BGB § 627 will dem Umstand Rechnung tragen, daß das persönliche Vertrauen zwischen den Vertragsparteien durch Umstände beeinflußt sein kann, die weder vorhersehbar noch rational begründbar sein müssen, und schützt deshalb die Freiheit der Willensentschließung der Parteien in besonders hohem Maße. 2 2 Der systemwidrige doppelte Verzicht auf Kündigungsgrund und Kündigungsfrist in der Ausnahmevorschrift des § 627 B G B muß jedoch gerechtfertigt sein. Es besteht nämlich ein Interessenkonflikt zwischen dem Erfordernis freier Entschließung des Treugebers und dem Vertrauen des Treuhänders auf Fortbestand des Vertragsverhältnisses wenigstens in einer Auslauffrist. 23 Dieser Umstand ist bei der Anwendung Voraussetzungen des § 627 B G B , insbesondere der Dauerhaftigkeit des Treuhandvertrags als wertungsoffenem Begriff, 2 4 zu berücksichtigen. Kann die freie Beendbarkeit nicht gerechtfertigt werden, so ist das Vertrauen des Treuhänders durch Anwendung des § 621 B G B zu schützen. Der Treugeber kann nur grund- und fristlos kündigen, wenn der Treuhänder höhere Dienste schuldet, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, und der Treuhänder nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen steht, § 627 Abs. 1 B G B a.E. Unter „höheren Diensten" werden Dienste verstanden, die besondere Qualifikationen, 25 Bildung, Fachkenntnisse, Phantasie oder Flexibilität 26 erfordern. Nach diesem Maßstab dürfte jeder Treuhänder höhere Dienste erbringen. Gleiches gilt auch für die zweite Voraussetzung, die Übertragung der Dienste aufgrund besonderen Vertrauens, denn es ist ausreichend, daß der Treuhänder in Ansehnung seiner Person beauftragt wird 2 7 und es dem Treugeber nicht völlig gleichgültig ist, wer seine Interessen wahrnimmt, 2 8 weshalb persönliches Mißtrauen zur Beendigung des Treuhandverhältnisses genügen soll. 29
B G H N J W 1986, 373. MünchKomm/Henss/er § 627 B G B Rn. 4; der gleiche Konflikt besteht umgekehrt auch zwischen dem Interesse des Treuhänders an der Möglichkeit der grund- und fristlosen Kündigung und dem Bestandsinteresse des Treugebers, denn § 627 B G B räumt auch dem Treuhänder ein entsprechendes Kündigungsrecht ein. 24 Staudinger/Preis § 6 2 7 B G B Rn. 15. 2 5 Prot. II, S. 302; Soergel/Kraft § 627 B G B Rn. 3. 2 6 MünchKomm/Zieizss/er § 627 B G B Rn. 14. 2 7 B G H N J W 1986, 373; Soergel/Kraft § 6 2 7 B G B Rn.4; MünchKomm/Henss/er § 6 2 7 B G B Rn. 19; van Venroy J Z 1981, 53, 55. 2 8 Vgl. Staudinger/Preis § 627 B G B Rn. 22. 2 9 Vgl. Schlosser N J W 1980,273,274. 22
23
264
Teil 2: Das Treuhandverhältnis im geltenden Deutschen Schuldrecht
Etwas anderes gilt für das Kriterium des dauernden Dienstverhältnisses mit festen Bezügen. Ein dauerndes Dienstverhältnis erfordert nämlich keine soziale oder wirtschaftliche Abhängigkeit des Treuhänders, auch nicht den Einsatz des überwiegenden Teils seiner Arbeitskraft. Auch schon ein Einjahresvertrag genügt, wenn es sich um „ständige und langfristige Aufgaben" handelt und beide Seiten von einer prinzipiellen Verlängerbarkeit der Vertragsbeziehung ausgehen. 30 Es genügt also, wenn das Treuhandverhältnis auf längere Zeit angelegt ist, ohne zwingend unbefristet sein zu müssen.31 Feste Bezüge setzen keine Vergütung des Treuhänders nach festen Zeitabschnitte voraus, sondern lediglich, daß für eine bestimmte Zeitspanne ein fester Betrag vereinbart ist, der Treuhänder also nicht auf Basis von Provisionen oder ähnlichem arbeitet. 32 Entscheidend ist, daß der Treuhänder für eine gewisse Zeit und Tätigkeit fest mit einer bestimmten Summe rechnen darf. 33 Hiernach ist bereits das Dauerberatungsmandat eines Rechtsanwalts nicht frei kündbar, 34 erst recht der Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers. bb) Sonderregelung
für
Absatzmittler
Darüber hinaus besteht in § 89a Abs. 1 Satz 1 H G B eine Sonderregelung für Handelsvertreter. Sie ist, wie weite Teile des Handelsvertreterrechts, 35 auch auf vergleichbare Absatzmittler wie Vertragshändler, Franchisenehmer oder Kommissionsagenten anwendbar. 36 § 89a Abs. 1 Satz 1 B G B fordert wie § 626 B G B für die Beendigung des Treuhandverhältnisses einen wichtigen Grund, der etwa bei Verletzung des von der überwiegenden Auffassung angenommenen Wettbewerbsverbotes gegeben ist, weil bei der Auslegung dieses Rechtsbegriffes auf die Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen Prinzipal und Handelsvertreter abgestellt wird. 37 Angesichts der §§ 626 ff. B G B , die das Kündigungsrecht im Dienstvertrag eingehend regeln, stellt sich die Frage nach der Berechtigung des § 89a H G B . Die Norm hat jedoch nicht rein deklaratorische Bedeutung. Sie verdrängt insbesondere das grundlose Kündigungsrecht aus § 627 B G B . Als Begründung wird hierfür in der Regel angeführt, der Handelsvertreter nehme besonderes Vertrauen im Sinne des § 627 B G B nicht in Anspruch. 38 Daran läßt sich angeB G H Z 90,280,282. MünchKomm/He«w/er § 627 BGB Rn. 9. 32 Soergel/Kraft % 627 BGB Rn. 6. 33 MünchKomm//fe«ss/er §627 BGB Rn. 12; Staudinger/Preis §627 BGB Rn. 16. 34 O L G Hamm N J W - R R 1995,1530. 3 5 Dazu oben §18 VI. 3 6 Vgl. nur RGZ 69, 363, 365; BGH BB 1964, 823; K. Schmidt, Handelsrecht, §28 II und III; Ulmer, Vertragshändler, S. 398; Martinek, Franchising, S. 353 ff. 37 Küstner/Thume\,Kn.5W. 3 8 Münch Korn m/wj« Hoyningen-Huene § 89a HGB Rn. 7; Staub!Brüggemann § 89a 30 31
§ 11. Die Pflichten des
Treugebers
265
sichts der Einordnung des Handelsvertreters als Treuhänder durchaus zweifeln. Zutreffender erscheint die Berufung auf den Umstand, daß der Handelsvertreter als oftmals monopolisierter und vom Treugeber aufgrund seiner Eingliederung in die Absatzstruktur sehr abhängiger, gleichwohl jedoch asymmetrisch vergüteter Treuhänder anders als andere Treuhänder davor geschützt werden soll, daß er nicht ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos gekündigt werden kann, weil er in der Regel eine Auslauffrist benötigt, um laufende Tätigkeiten zum Erfolg zu führen und sich vor allem neu zu orientieren. cc) Abberufung
des Geschäftsleiters einer
Kapitalgesellschaft
Zu prüfen bleibt, welche Rolle §§ 38 Abs. 1 GmbHG, 27 Abs. 2 Satz 1 B G B spielen, nach denen die Bestellung zum GmbH-Geschäftsführer - unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen - jederzeit widerruflich ist. Bei GmbH-Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften wird nach ganz überwiegender Auffassung ein Nebeneinander von Anstellungsvertrag und Organstellung 39 des Geschäftsleiters angenommen, weil das Gesetz in § 84 Abs. 1 AktG vom Vorliegen dieser beiden Rechtsverhältnisse zwischen Gesellschaft und Organ ausgeht. Dabei bleibt jedoch im dunklen, wie sich Anstellung und Bestellung zueinander verhalten und welche Organpflichten sich aus dem Anstellungsvertrag und welche aus der Organstellung herleiten. Zum Teil wird angenommen die Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung sei dem Anstellungsvertrag zu entnehmen, die besondere „Treuepflicht" sei hingegen auf die Organstellung zu stützen. 40 Nach einer anderen Auffassung ergibt sich nicht nur die „organspezifische Treuepflicht", sondern auch die Leitungsfunktion des GmbH-Geschäftsführers aus seiner Organstellung, während das Anstellungsverhältnis, ein reiner Dienstvertrag, „lediglich der Vertiefung oder Ergänzung" etwa hinsichtlich der Sanktionen für Pflichtverletzungen oder der Vergütung des Treuhänders diene.41 Auch die Haftung der Vorstandmitglieder einer Aktiengesellschaft aus § 93 AktG für die Verletzung von Sorgfaltspflichten beruht nach verbreiteter Sichtweise allein auf der Organstellung und nicht auf dem Anstellungsvertrag. 42 Zum Teil wird schließlich behauptet, der AnstelHGB Rn. 3; Schlegelberger/Schröder § 89a HGB Rn. 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch § 8 9 a H G B Rn.2. 3 9 Vgl. nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 2; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, §23 Rn. 7 ff.; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2.C. Rn. 48 f. 40 Hueck/Windbichler § 23 Rn. 7. 41 Michalski/Lenz § 35 GmbHG Rn. 124 und 135. 42 MünchKomm/Hefermehl/Spindler §93 AktG Rn. 10; GK-AktG/Hopt §93 AktG Rn. 20 und 72 ff.; Hüffer § 93 AktG Rn. 11; a. A. RGZ 63,203,211; B G H Z 41,282,287; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 211 ff.; daneben kann aufgrund der Trennung von Anstellung und Bestellung freilich noch eine Haftung aus Pflichtverletzung des Anstellungsvertrages treten.
266
Teil 2: Das Treubandverhältnis
im geltenden
Deutschen
Schuldrecht
lungsvertrag bilde nicht Ergänzung, sondern Rechtsgrund der Organstellung. Die Wahrnehmung der Organstellung seitens des Geschäftsführers oder Vorstandsmitglieds stelle also die Erfüllung des Anstellungsvertrages dar, 43 in dem sich der Geschäftsleiter zur Wahrnehmung dieser Stellung gegen Vergütung verpflichte. Das hat freilich zur Folge, daß es sich bei dem Anstellungsvertrag um keinen gewöhnlichen Dienstvertrag, sondern um einen „Amtswahrnehmungsvertrag" 44 handelt. Die Organstellung begründe darüber hinaus nicht nur die Organpflichten, sondern auch die Rechtsmacht des Treuhänders. 45 Nach der hier vertretenen Auffassung leiten sich sämtliche Organpflichten aus dem Anstellungsverhältnis her. Bei diesem Anstellungsverhältnis handelt es sich um einen entgeltlichen Treuhandvertrag. Der Umstand, daß ein Organ möglicherweise einer besonders „strengen" Interessenwahrnehmungspflicht unterliegt, ergibt sich nicht aus einer „organspezifischen Treuepflicht", sondern daraus, daß Geschäftsleiter bei der Auflösung von Interessenkonflikten speziellen Konfliktlösungsregeln unterliegen. 46 Die Bestellung zum Organ bezeichnet im Gegensatz dazu die „Ermächtigung" des Treuhänders, also seine Ausstattung mit umfassenden Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnissen auf Grundlage des Treuhandverhältnisses zwischen Gesellschaft und Organ. In dieser Weise ist es also durchaus zutreffend, den Anstellungsvertrag als Rechtsgrund anzusehen. Diese Struktur der Beziehungen zwischen Gesellschaft und Organ wird deutlich, wenn man die Stellung des Notgeschäftsführers oder Notvorstands in die Betrachtungen mit einbezieht. Beim Notgeschäftsführer der GmbH, der mangels Regelung im GmbHG nach § 29 BGB zu bestellen ist, wird in der Regel ohne Begründung angenommen, daß sich die Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB richte. 47 Für die Bestellung des Notvorstands einer Aktiengesellschaft hält hingegen § 85 AktG eine Regelung bereit. § 85 Abs. 3 Satz 1 AktG ordnet an, daß der Notvorstand einen Anspruch auf Vergütung und Auslagenersatz hat. Diese Regelung soll deshalb notwendig sein, weil durch die Bestellung des Notgeschäftsführers kein Anstellungsvertrag begründet wird, 4 8 sondern „ein Rechtsverhältnis eigener Art, das wesentlich Elemente eines Auftrags enthält", 49 ein Schuldverhältnis, „das den Regeln über den Geschäftsbesorgungsvertrag vom Typ Dienstvertrag folgt", 50 „ein Vertragsverhältnis sui generis". 51 Mit anderen Worten: Setzt das Gericht einen Notvorstand ein, so kommt Reuter, FS Zöllner, S. 491. Reuter, FS Zöllner, S. 499. 45 Reuter, FS Zöllner, S. 488. 46 Dazu unten §18. 47 BGH NJW 1985,637; BayObLG NJW-RR1988,1500; Michalski/Heyder Rn. 77; Rowedder/Schmidt-Leithoff § 6 GmbHG Rn. 37. 48 MünchKomm/Hefermehl/Spindler § 85 AktG Rn. 21. 49 MünchKomm/Äi/ss § 85 AktG Rn. 30. 50 KK-AktG/Mertens § 85 AktG Rn. 17. 51 GK-AktG/Meyer-Landrut § 85 AktG Anm. 7. 43 44
§ 6 GmbHG
5 11. Die Pflichten
des
Treugebers
26 7
kraft Gesetzes ein Treuhandverhältnis zwischen Gesellschaft und Notvorstand zustande. Gleiches geschieht übrigens bei der Bestellung von Betreuer, Vorstand oder Testamentsvollstrecker, wo sich „das Rechtsverhältnis zwischen Testamentsvollstrecker und Erben", §2218 Abs. 1 BGB, weitgehend nach Auftragsrecht richtet. Dieser Umstand legt es nahe, auch beim gewöhnlichen Verlauf der Dinge einen den Anstellungsvertrag, § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG, als ein Schuldverhältnis, „das den Regeln über den Geschäftsbesorgungsvertrag vom Typ Dienstvertrag folgt" 52 und also treuhänderische Pflichten erzeugt, anzusehen, während die Bestellung, § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG, die Einsetzung in die umfassende Machtvollkommenheit des Vorstands markiert. Erscheint die Bestellung als bloße „Ermächtigung", werden auch die Regeln verständlich, nach denen die Bestellung zum GmbH-Geschäftsführer - unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen - jederzeit widerruflich ist, §§38 Abs. 1 GmbHG, 27 Abs. 2 Satz 1 BGB. Diese Regelung hat ihre Ursache in der Machtvollkommenheit des Geschäftsführers, die dazu führt, daß die GmbH-Gesellschafter ihn jederzeit ohne Rechtfertigung 53 abberufen können sollen, weil er jederzeit ihr volles Vertrauen benötigt. 54 Anders beim Vorstand, der innerhalb der fünf Jahre, für die er bestellt ist, § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG, vom Aufsichtsrat unabhängig sein soll, 55 so daß die Bestellung nur bei wichtigem Grund widerrufen werden kann, § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG. Gleichwohl bleibt der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers, also das Treuhandverhältnis bestehen, wenngleich der Treuhänder mangels Machtmittel nicht mehr zur Interessenwahrnehmung in der Lage ist. Ohne Organstellung verliert also der Anstellungsvertrag seine Bedeutung. 56 Diese Regelung schützt ihn jedoch in seiner Vergütungserwartung, denn der Anstellungsvertrag ist nicht ohne weiteres, sondern nur unter Anwendung der Fristen des § 621 BGB zu beenden, wenn nicht ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB vorliegt; § 627 BGB kann nicht angewendet werden. Fehlt es an einem Beendigungsgrund im Sinne des § 626 BGB, so kann der GmbHGeschäftsführer innerhalb der Kündigungsfrist weiterhin die Zahlung seiner Vergütung verlangen, §615 BGB: Die GmbH hat dem Geschäftsführer die Interessenwahrnehmung unmöglich gemacht und kommt infolgedessen in Annahmeverzug. Dazu bedarf es keines Angebotes des Treuhänders, denn durch den Entzug der Machtmittel macht die GmbH als Treugeber deutlich, daß sie die Dienste des Geschäftsführers nicht mehr wünscht.
52 53 54 55 56
KK-AktG/Afmercs § 85 AktG Rn. 17. Rowedder/Koppensteiner § 38 GmbHG Rn. 3. Lutter!Hommelhoff § 38 GmbHG Rn. 2. MünchKommIHefermehllSpindler § 84 AktG Rn. 92. Vgl. auch MünchKomm /Hefe rm ebl/Sp in die r § 84 AktG Rn. 126.
268
Teil 2: Das Treuhandverhältnis im geltenden Deutschen Schuldrecht
b) Schutz des
Vergütungsinteresses
Der Treuhänder hat oftmals kein Recht auf den Fortbestand des im Interesse des Treugebers errichteten Treuhandverhältnisses. Jedenfalls aber ist er insoweit zu schützen, als er für bereits erbrachte Leistungen eine Vergütung verdient hat. Der Treugeber kann sich deshalb grundsätzlich nur unter Gewährung einer angemessenen Entlohnung des Treuhänders vom Treuhandvertrag lösen.
aa) Dienstvertragliche
Treuhand
Für Dienstverträge ordnet § 628 Abs. 1 Satz 1 B G B an, daß der Dienstverpflichtete bei Kündigung, die zur Auflösung des Dienstverhältnisses ex nunc führt, „einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen" kann. Diese Norm ist auch für „Dienstverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben", also Treuhandverträge mit dienstvertraglichem Charakter, anwendbar. Sie ist anders als § 649 Satz 2 B G B rein deklaratorischer Natur, 5 7 denn auch wenn die Kündigung mitten in eine Abrechnungsperiode fällt, versteht es sich, daß - insoweit rückt die austauschvertragliche Seite der entgeltlichen Treuhand ins Blickfeld - die bereits erbrachten Leistungen des Treuhänders zu vergüten sind. Etwas anderes gilt dann - und das kann gerade im Treuhandrecht häufig der Fall sein - , wenn die bisherigen Leistungen infolge der Kündigung nach § 627 B G B für den Treugeber keinen Wert mehr haben und der Treuhänder durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung veranlaßt hat, § 628 Abs. 1 Satz 2. 5 8 Eine Sonderregelung sieht § 15 Abs. 4 RVG für Rechtsanwälte vor, die auch bei Kündigung des Mandats durch den Mandanten die bislang angefallenen Gebühren voll liquidieren können.
bb) Werkvertragliche
Treuhand
§ 6 4 9 B G B , der auch auf „Werkverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben", anwendbar ist, räumt dem Treugeber das Recht ein, den Vertrag jederzeit zu kündigen, erhält dem Werkunternehmer jedoch den Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Dieser Anspruch bildet also ein Äquivalent zum freien Kündigungsrecht des Werkbestellers oder Treugebers. 59 Soweit eine Interessenwahrnehmung mit werkvertraglichem Charakter über 57 B G H Z 29, 171, 174; BGH N J W 1994, 1069, 1070; Erman/Belling §628 BGB Rn.l; MünchKomm/Schwerdtner § 628 BGB Rn. 14; Staudinger/Preis § 628 BGB Rn. 13; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 402 f. 5 8 Vgl. dazu Soergel/Kraft §628 BGB Rn.8; MünchKomm/Schwerdtner §628 BGB Rn. 25. 5 9 MünchKomm/Soerge/ §649 BGB Rn. 10.
5 11. Die Pflichten des Treugebers
269
einen gewissen Zeitraum hinweg vereinbart war, ist zwischen den vor Kündigung erreichten und zukünftigen Werken/Erfolgen des Treuhänders zu unterscheiden. 60 Die vor der Kündigung erzielten Erfolge sind mit Rechtsgrund erbracht worden, 61 weil die Kündigung nur für die Zukunft wirkt. Die für diese Erfolge geschuldete Gegenleistung aus §631 Abs. 1 BGB bleibt also unberührt, ohne daß es der Regelung des § 649 Satz 2 BGB bedürfte. Nicht „künftig" sollen nach einer Auffassung auch Leistungen sein, die noch unfertig sind. 62 Das erscheint fragwürdig, schuldet der Treuhänder doch gerade Erfolge und nicht nur erfolgsgerichtete Leistungen. Es wird Vergütung nur für „das Werk" geschuldet, nicht für Teile davon. 63 Also können derlei Leistungen allenfalls dann über einen genuinen Erfüllungsanspruch aus §631 Abs. 1 BGB vergütet werden, wenn eine Vergütung nach Leistungsphasen vereinbart ist, was im Treuhandrecht jedoch nur selten der Fall sein dürfte. Der Anspruch auf die vereinbarte Vergütung mit gewissen Abzügen nach § 649 Satz 2 BGB ist ein modifizierter Vergütungsanspruch für Tätigkeiten, die der Treuhänder im Hinblick auf die Erzielung künftiger Erfolge bereits ausgeführt hat. Dieser Anspruch ist freilich nicht mit Abnahme, § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB, oder Vollendung, § 646 BGB, sondern mit Kündigung fällig.64 § 649 Satz 2 BGB hat demnach konstitutive Bedeutung für den Anspruch des Treuhänders, denn eigentlich könnte dieser aufgrund der Kündigung keinen Werklohn mehr verlangen 65 - es steht dem Anspruch des Treugebers schließlich auch keine werthaltige Leistung des Treuhänders gegenüber, weil er bestimmte geschuldete Erfolge noch nicht erreicht hat. Die Anspruchshöhe für vor der Kündigung geschuldete künftige Leistungen richtet sich grundsätzlich nach der getroffenen Vereinbarung. 66 Abzuziehen sind allerdings die infolge 67 der vorzeitigen Beendigung des Treuhandverhältnisses ersparten Aufwendungen des Treuhänders, denn andernfalls würde dieser eine in ihrer Höhe nicht gerechtfertigte Vergütung erhalten; die Kündigung soll ihm weder Nachteile noch Vorteile bringen. 68 Abzuzie60
Staudinger/Peters §649 BGB Rn. 16; a.A. Glöckner BauR 1998, 673. B G H N J W 1992,2553; KG N J W 1998,451,452. 62 So StaudingerlPeters § 649 BGB Rn. 16 im Anschluß an B G H MDR 1994, 35. 63 Zutreffend insofern Erman/Seiler §649 BGB Rn. 6; Soergel/Teichmann §649 BGB Rn. 12. 64 Soergel/Teichmann § 649 BGB Rn. 15; StaudingerlPeters § 649 BGB Rn. 21. 65 B G H BauR 1995,946; Staudingerl Peters § 649 BGB Rn. 21; Biegel BauR 1997, 782. 66 MünchKomm/S'oerge/ § 649 BGB Rn-. 11. 67 Kausalität, vgl. nur B G H Z 131, 362, 365 ff.; B G H N J W 1997, 733,734; MünchKomm/ Soergel§ 649 BGB Rn.13. 68 Mot. II, S. 503 will den Werkunternehmer „schadlos halten" erstrebt so letztlich eine wirtschaftliche Neutralisierung der Kündigung; genauso B G H Z 140,263, 267; B G H NJWRR1999,1464,1465. 61
270
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
hen sind also nicht Fixkosten wie Miete, Löhne 6 9 oder Haftpflichtversicherung, die unabhängig von einzelnen Verträgen anfallen. Abzuziehen ist dagegen dasjenige, was der Treuhänder infolge der Kündigung anderweit erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt. Abzugsfähiger anderweitiger Erwerb kommt lediglich bei auslastenden Daueraufträgen, die nun ersetzt werden (Füllaufträge 70 ) oder ohne bösen Willen ersetzt werden könnten, nicht aber bei bloßem Vorziehen von punktuellen oder wenig umfangreichen Aufträgen, die ohnedies später durchgeführt worden wären, in Betracht. 71 Hier ist also sorgfältig die Kausalität zu prüfen, an der es fehlt, wenn der Treuhänder einfach mit dem nächsten Auftrag weitermacht. Wenn §649 Satz 2 B G B seinem Normzweck nach neutralisierend wirken soll, dann dürfen nicht nur Ersparnisse und anderweitiger Erwerb von der Vergütung abgezogen, sondern auch durch die Kündigung verursachte Mehraufwendungen, etwa für die Akquisition von Füllaufträgen, der Vergütung zugesetzt werden. 72 cc) Sonderregelungen
im Recht der
Absatzmittler
Der soeben erörterte § 396 Abs. 1 Satz 2 H G B verdrängt als Sondervorschrift §§628, 649 B G B , 7 3 die ebenfalls den Vergütungsanspruch des Treuhänders schützen, weil der Gesetzgeber ganz bewußt auf eine zunächst in § 367 H G B - E vorgesehene Parallelregelung verzichtet hat. 74 Damit kann der Kommissionär für den Fall des Widerrufs seitens des Kommittenten keine anteilige Vergütung für seine bisherigen Bemühungen um eine Geschäftschance verlangen. Weitere Sonderregelungen findet sich im Handelsvertreterrecht. Der bereits erörterten Diskrepanz zwischen erfolgsbezogener Vergütung des Handelsvertreters und seinem fehlenden Einfluß auf den Erfolgseintritt ist eine bei Beendigung des Handelsvertretervertrages greifende Regelung geschuldet: Der Handelsvertreter hat einen Provisionsanspruch für alle Geschäfte, die „auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind", 75 § 87 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 H G B . Darüber hinaus gewährt 87 Abs. 3 H G B dem Handelsvertreter konstitutiv 76 einen Provisionsanspruch unter gewissen Voraussetzungen auch für Geschäfte, die erst nach 6 9 Es kann nicht die Kündigung von Stammpersonal erwartet werden, allenfalls von Hilfskräften, die extra für diesen Auftrag eingestellt wurden, vgl. BGH N J W 2000, 653. 7 0 Vgl. B G H Z 131,362,366. 71 Soergel/Teichmann § 649 BGB Rn. 20. 72 Staudinger/Peters § 649 BGB Rn. 34; Oetker/Maultzsch, Schuldverhältnisse, S. 496. 73 Schlegelberger/Hefermehl § 396 HGB Rn. 21. 74 Entwurf nebst Denkschrift, S. 239. 75 Hier ist Mitursächlichkeit ausreichend BGH BB 1971,492; MünchKomm/i>o« Hoyningen-Huene § 87 HGB Rn. 32; Staub/Briiggemann § 87 HGB Rn. 15; Schlegelherger/Schröder § 87 HGB Rn. 16; K. Schmidt, Handelsrecht, § 27IV 2 b. 76 Schlegelberger/Schröder § 87 HGB Rn. 43.
§ 11. Die Pflichten des
Treugebers
271
Beendigung des Handelsvertretervertrages abgeschlossen worden sind und bei denen der Erfolg nicht allein, wohl aber überwiegend durch die Tätigkeit des Handelsvertreters erzeugt worden ist und in gewissem zeitlichen Zusammenhang 7 7 mit der Tätigkeit des ausgeschiedenen Handelsvertreters steht, § 8 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 H G B , jedenfalls aber immer dann, wenn ein Angebot des Dritten auf Abschluß des Geschäfts noch während bestehenden Handelsvertretervertrages dem Handelsvertreter oder dem Unternehmer zugegangen ist, § 87 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 H G B . Damit sollen Mühen des Handelsvertreters belohnt werden, die er in ein Geschäft investiert hat, das dann erst nach seinem Ausscheiden gelungen ist. 78 Nr. 2 soll insbesondere Mißbrauch des Unternehmers dahingehend verhindern, daß dieser den Abschluß bis nach Beendigung des Handelsvertretervertrages hinausschiebt. 79 Deshalb schaden auch geringfügige Abweichungen zwischen avisiertem und abgeschlossenen Geschäft nichts. 8 0 Außerdem ist in § 89b H G B bestimmt, daß der Handelsvertreter vom Unternehmer nach Beendigung des Treuhandverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen kann. Diesen Ausgleich erhält der Handelsvertreter dafür, daß er nach Beendigung des Handelsvertretervertrages bestimmte Provisionen, auf die er bereits hingearbeitet hat, nun nicht mehr verdienen kann, weil sie beispielsweise seinem Nachfolger zufließen, der die schon vom Vorgänger angelegten Erwerbschancen nun realisieren kann. 81 Es geht, anders als zum Teil 8 2 gesagt wird, nicht um Leistungen des Handelsvertreters, die durch Provision noch nicht voll abgegolten sind. Abzugelten sind nur Erfolge. Vielmehr ist Grund für das Bestehen des Anspruchs die Zerstörung der vom Handelsvertreter erarbeiteten und also bereits angelegten Erwerbsaussichten durch die Beendigung des Dauerschuldverhältnisses, 83 bei denen § 87 Abs. 3 Satz 1 H G B nicht greift, weil die Voraussetzungen nicht erfüllt sind oder er abbedungen wurde. 8 4 Die Norm ist also parallel zu § 649 Satz 2 B G B zu sehen, nur daß sie sich anders als § 649 7 7 Einzelfallabhängig, bei kompliziertem Gerät wurden bis zu zwei Jahre für angemessen gehalten, vgl. von Gamm N J W 1979,2489,2492. 78 BT-Drucks. 1/3856, S. 23 f. 79 Staub!Brüggemann § 87 HGB Rn. 41 bezeichnet die alte Regelung als „Prämie für Verschleppungstaktiken des Unternehmers"; Küstner/von Manteuffel BB 1990,291,295. 8 0 MünchKomm/wcw Hoyningen-Huene § 87 HGB Rn. 105; Baumbach/Hopt § 87 HGB Rn. 45. 81 B G H Z 24, 214, 222; Scblegelberger/Schröder § 89b HGB Rn.l; Münch Komm/wo« Hoyningen-Huene § 89b Rn. 2 f. und §90a HGB Rn. 40; Küstner/Thume, Handbuch I, Rn. 2061. 82 So jedoch K. Schmidt, Handelsrecht, § 27 V 2; Habscheid, FS Schmidt-Rimpler, S. 356, der von einer Kapitalisierung der noch ausstehenden Vergütungen spricht, obschon aufgrund des werkvertraglichen Charakters des Handelsvertretervertrags eben gerade keine Vergütungen ausstehen, sondern der Handelsvertreter nur dabei ist, auf Erfolge hinzuarbeiten. 83 Anders Canaris, Handelsrecht, § 17 Rn. 100, der eine Parallele zu § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB sieht, weil der Handelsvertreter dem Unternehmer Gelegenheit zu weiteren Vertragsschlüssen verschafft habe, wofür mit Vertragsbeendigung der Rechtsgrund weggefallen sei. 84 StaubiBrüggemann § 87 HGB Rn. 44.
272
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
Satz 2 B G B , der auch für den Treugeber sinnlose Tätigkeiten des Unternehmers vergütet, auf eine weitere Erwägung stützen kann und deshalb auch Zahlungen in ganz anderem Umfang rechtfertigt: Der Unternehmer erhält Gewinnchancen, die er ohne Tätigkeit des Handelsvertreters nicht gehabt hätte und die er nunmehr nach Aufkündigung des Treuhandverhältnisses eigentlich auch nicht mehr haben dürfte, 85 die ihm jedoch aufgrund der Natur der Dinge zwangsläufig verbleiben, weil die Interessenwahrnehmung des Handelsvertreters sich nicht taggenau abbrechen läßt, sondern zwangsläufig fortwirkt. § 89b H G B steht also in einer Reihe mit den zuvor erörterten Normen, 8 6 die dem Schutz der Gegenleistung des Treuhänders dienen und dabei gleichzeitig dem Treugeber weitest möglich die freie Beendigung des Treuhandverhältnisses auch vor Fertigstellung des „Werkes" offenhalten. 87 Das bedeutet auch, daß ein solcher Anspruch bei nichtigem, aber in Vollzug gesetztem Treuhandvertrag nicht bestehen kann. 8 8
4. Vergütung ohne
Interessenwahrnehmung
a) Mitwirkungsobliegenheiten des Treugebers aa) Dienstvertragliche Treuhand Der Treuhänder kann Interessen des Treugebers nur wahrnehmen, wenn sich der Treugeber kooperativ zeigt, also insbesondere die erforderlichen Machtmittel einräumt und gegebenenfalls erforderliche Entscheidungen trifft. Allerdings besteht grundsätzlich keine Pflicht des Treugebers zu dieser Mitwirkung. Die gewillkürte Treuhand ist grundsätzlich fremdnützig und es steht im Belieben des Treugebers ob und inwieweit er den Treuhänder „ermächtigt". Vielmehr handelt es sich bei den Mitwirkungserfordernissen um bloße Obliegenheiten des Treugebers, der jedoch Rechtsnachteile erleidet, wenn er seiner Mitwirkungsobliegenheit im Sinne der Machteinräumung nicht nachkommt. 89 Vor allem muß er den Treuhänder vergüten, obschon dieser mangels Einwirkungsmacht nicht in der Lage ist, seiner Pflicht zur Interessenwahrnehmung zu genügen. Die Vergütung für die treuhänderische Interessenwahrnehmung mit dienstvertraglichem Charakter wird - gegebenenfalls abzüglich eines VorteilsausBGH ZIP 1997,1839,1841; Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch § 89b HGB Rn.2. In dieser Weise läßt sich § 89b HGB auch in das treuhandrechtliche Regelungssystem einordnen, ohne daß es der Erwägungen bei Grundmann, Treuhand, S. 370 ff. bedarf, die trotz ihrer „Ausführlichkeit und Subtilität" nicht weiterführen, vgl. Canaris, Handelsrecht, § 17 Rn. 102 Fn. 116. 87 Vgl. auch Bodewig BB 1997, 641. 8 8 MünchKomm/^on Hoyningen-Huene § 89b Rn. 33 ff.; Canaris, Handelsrecht, §17 Rn. 120; a.A. B G H Z 129,290,293; BGH N J W 1997, 655,657. 8 9 Vgl. nur MünchKomm/Sei/er § 662 BGB Rn. 48. 85
86
5 11. Die Pflichten des Treugebers
273
gleichs - nämlich auch dann geschuldet, wenn der Treugeber mit der Annahme der Dienste in Verzug kommt, § 615 B G B . Die Norm ist nicht nur auf Arbeitsverhältnisse, sondern auch auf freie Dienstverträge, also Treuhandverträge anwendbar. 90 Sie enthält eine spezielle Gefahrtragungsregelung für die Vergütungsgefahr. 91 Scheitert die Diensterbringung an Umständen in der Sphäre des Dienstberechtigten, insbesondere der Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten, 92 dann ist die Zeit für den Verpflichteten vergeudet, die Nachholung stellt sich für ihn deshalb als eine andere Leistung dar, 93 wobei dies nur Motiv der Regelung, nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 615 B G B ist. Wurde also ein Termin mit dem Treuhänder, etwa einem Rechtsanwalt, versäumt, so kann dieser gleichwohl Vergütung verlangen. 94 Wird der Treuhänder nicht mit den erforderlichen Machtmittel ausgestattet, so daß er nicht tätig werden kann, so ist der trotzdem zu vergüten, soweit er seine Arbeitskraft nicht anders eingesetzt hat oder einzusetzen böswillig unterlassen hat.
bb) Werkvertragliche Treuhand Bei Treuhandverhältnissen mit werkvertraglichem Charakter bestimmt § 642 B G B , daß der Unternehmer/Treuhänder eine angemessene Entschädigung verlangen kann, wenn der Besteller/Treugeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachkommt. Die Entschädigung ist ein Anspruch, der neben den Vergütungsanspruch tritt 9 5 und einen Ausgleich dafür schaffen soll, daß bestimmte Dispositionen des Werkunternehmers durch die Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten durchkreuzt worden sind. In diesem Fall wird der Werkunternehmer über § 304 B G B hinaus geschützt, dessen Anwendung aufgrund des Erfolgsrisikos des Werkunternehmers unbillig wäre. 96 Unter Mitwirkung werden im Werkvertragsrecht Entscheidungen oder Weisungen und vor allem das Einräumen aller „Hilfsmittel, die bei der Herstellung des Werkes zu benutzen sind" 9 7 verstanden. Der Unterschied zwischen §615 B G B und §642 B G B erklärt sich daraus, daß der lediglich erfolgsbezogen tätige Treuhänder seine Leistung nicht nachholen muß und dennoch vergütet wird, während der Treuhänder, der Erfolge schuldet, diese noch immer erzielen muß und lediglich für Mehrleistung entschädigt wird. 90 Erman/Belling §615 BGB Rn.2; Soergel/Kraft §615 BGB Rn.9; Picker, FS Kissel, S. 829. 91 Vgl. nur Staudinger/Richardi § 615 BGB Rn. 2. 92 Soergel/Kraft § 615 BGB Rn. 4. 93 Soergel/Kraft § 615 BGB Rn. 1. 9 4 O L G München N J W - R R 1994, 507; Palandt/Putzo §615 BGB Rn.2; Wertenbruch MedR 1991,167. 9 5 RGZ 100,46; Soergel/Teichmann §642 BGB Rn. 6. 9 6 Mot. II, S.495. 97 Staudinger/Peters § 642 BGB Rn. 7.
274
Teil 2: Das Treubandverhältnis
b) Mitwirkungspflichten
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
des Treugebers
aa) Ausdrückliche Vereinbarung oder Anordnung Der Treugeber kann jedoch zur Vornahme der genannten Mitwirkungshandlungen auch verpflichtet sein. Das hat zur Folge, daß der Treuhänder die Mitwirkung des Treugebers gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen oder Sekundäransprüche wegen Verzögerung oder Unterlassen der Mitwirkungshandlung geltendmachen kann. Eine solche Pflicht kann vertraglich vereinbart sein, wie das etwa bei der unselbständigen Stiftung der Fall ist: Hier verpflichtet sich der Stifter als Treugeber im Stiftungsgeschäft, dem Stiftungsträger als Treuhänder das Stiftungsvermögen als Machtmittel zu übertragen. 98 Im Verhältnis zwischen Handelsvertreter und Unternehmer werden Mitwirkungspflichten des Unternehmers gesetzlich angeordnet. Hier darf der Treugeber die Tätigkeit des Treuhänders nicht vereiteln, sondern muß ihn unterstütz e n . " So ist etwa in § 86a Abs. 1 HGB als einklagbarer 100 und unabdingbarer, § 86 Abs. 3 HGB, Anspruch angeordnet, daß der Unternehmer rechtzeitig und in der Regel unentgeltlich 101 dem Handelsvertreter „die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen, zur Verfügung" zu stellen hat. 102 Das „wie" zeigt, daß auch andere Machtmittel denkbar sind. Außerdem muß er ihm laufend erforderliche Informationen geben, § 86a Abs. 2 Satz 1 HGB. 103 Diese Pflicht bemißt sich danach, was nach objektiven Kriterien für die Tätigkeit des Handelsvertreters bedeutsam ist. 104 Sie dient - und deshalb erscheinen die Informationen als Machtmittel - vor allem dazu, dem Handelsvertreter den Wissenstand zu geben, auf den er zur sachgerechten Erfüllung seiner Aufgaben angewiesen ist. 105 Gleiches gilt für die Treugeber von Kommissionsagenten, Vertragshändlern 106 oder Franchisenehmern. 107 Diese echten Mitwirkungspflichten des Treugebers haben ihren Grund in der partiarischen oder interessengleichgerichteten Struktur dieser Treuhandverhältnisse, bei de98 Vgl. Seifart/v. Camphausen/Hof §36 Rn. 43: „Hauptpflicht des Stifters"; zur unselbständigen Stiftung eingehend unten § 14 II 1. 99 Schröder, Handelsvertreter, § 86a Rn. 1; Staub!Brüggemann § 86a HGB Rn. 2; Würdinger JR 1953,437. 100 MünchKommAy. Hoyningen-Huene § 86a HGB Rn. 2. 101 Schröder, Handelsvertreter, § 86a HGB Rn. 2. 102 Damit ist regelmäßig keine Ubereignung verbunden, vgl. Schröder, Handelsvertreter, § 86a HGB Rn.7. 103 Unterstützungs- und Informationspflicht aus § 86a HGB, Baumbach/Hopt § 86a HGB Rn. 1; Canaris, Handelsrecht, § 17 Rn. 71 ff. 104 MünchKomm/u. Hoyningen-Huene § 86a HGB Rn. 11. 105 MünchKomm/®o« Hoyningen-Huene § 86a HGB Rn. 10. 106 BGH N J W 1958, 1138; Staub!Brüggemann vor §84 HGB Rn. 16; MünchKomm/®. Hoyningen-Huene § 86a HGB Rn. 1; Ulmer, Vertragshändler, S. 431 ff. 107 Matthießen ZIP 1988,1089,1095.
§ 11. Die Pflichten des Treugebers
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nen der Treuhänder ohne Mitwirkung des Treugebers letztlich keine Vergütung verdienen kann. bb) Ermittlung durch Auslegung Fehlt es an einer ausdrücklichen Vereinbarung oder gesetzlichen Anordnung, ist das Bestehen von echten Mitwirkungspflichten des Treugebers für den Einzelfall durch Auslegung des Treuhandvertrags zu entscheiden.108 Kohler,109 dessen Auffassungen zur Grundlage der Regelung des Werkvertrags im BGB wurden, hat die Nichterbringung von Mitwirkungshandlungen des Werkbestellers dem Gläubigerverzug gleichgestellt und also die Mitwirkung nicht als Rechtspflicht angesehen. Er hatte wohl den punktuellen Leistungsaustausch zwischen Werkunternehmer und Besteller bei Abnahme vor Augen, als er ausführte, in solchen Verhältnissen habe der Unternehmer kein Recht auf Vertragsdurchführung, wer mache sich schon „zum Sklaven seines Spenglers, seines Schneiders, seines Zimmermeisters, seines Stiefelputzers, seines Bodenwichsers?".110 ÄToWer sah die Interessen des Werkunternehmers durch den bereits erörterten Vergütungsschutz aus § 642 BGB ausreichend geschützt. Heute wird in der Literatur zurecht gesagt, von einer Pflicht zur Mitwirkung könne dann ausgegangen werden, wenn der Treugeber eine aktive, mitgestaltende Funktion bei der Interessenwahrnehmung zu erfüllen habe und eine enge Kooperation oder Koordination der Abläufe zwischen Treugeber und Treuhänder vorgesehen sei.111 Nicklisch sieht etwa in Werkverträgen über größere Projekte zurecht einen Dauerschuldverhältnissen vergleichbaren Langzeitcharakter, bei denen der Besteller eine Doppelrolle als Gläubiger und Kooperationspartner habe.112 Ein Beispiel sind Bauverträge, bei denen die in § 4 VOB/B geregelten Mitwirkungshandlungen des Auftraggebers von der ganz überwiegenden Auffassung inzwischen als echte Pflichten angesehen werden.113 108 B G H Z 50,178; Staudinger/Peters § 642 BGB Rn. 17f.; Soergel/Teichmann § 642 BGB Rn. 7; Larenz, Schuldrecht, § 53 III c; a.A. Erma.nlSeiler § 642 BGB Rn. 2, der offenbar immer von einer Pflicht auszugehen scheint, weil die Rechtsfolge auf Entschädigung lautet. Dabei wird übersehen, daß der entscheidende Unterschied in der Frage der Durchsetzbarkeit liegt, vgl. Staudinger/Peters §642 BGB Rn. 3 und 32. Auch der Gesetzgeber hat den Zusammenhang zu §§293 ff. BGB hergestellt und so eine Obliegenheit konzipiert, vgl. Mot. II, S.495; Prot. II, S. 328, und überdies kein Verschulden gefordert. 109 /ToWer JherJB 17,261,267. 110 Kohler JherJB 17,261,280. 111 Vgl. RGZ 104, 15; Soergel/Teichmann §642 BGB Rn.7; vgl. auch Nicklisch BB 1979, 533, 540. 112 Nicklisch BB 1979,533,537 ff. 113 Grundlegend Nicklisch BB 1979, 533 ff.; genauso Soergel/Wiedemann vor §293 BGB Rn. 21; MünchKomm/Soerge/ § 642 BGB Rn. 11; Erman/Seiler § 642 BGB Rn. 2; Ingenstau/ Korbion § 9 VOB/B Rn. 15; Kleine-Möller/Merl § 10 Rn. 517ff.; Ganten/Jagenburg!Motzke/ Hofmann vor § 4 VOB/B Rn. 13; Nicklisch/Weick § 4 VOB/B Rn. 11 ff.; Larenz, SchR BT, § 53
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Teil 2: Das Treubandverbältnis
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Deutschen
Schuldrecht
Diese Wertung läßt sich auch auf das Treuhandrecht übertragen: Immer dann, wenn ein Treuhandverhältnis über die Einräumung von Machtmitteln und gegebenenfalls die Erteilung von "Weisungen hinaus eine ständige Kooperation des Treugebers erfordert, wird man von echten Mitwirkungspflichten des Treugebers ausgehen können, weil anzunehmen ist, daß sich der Treugeber seinerseits als Kooperationspartner seines Substituenten verpflichtet hat. Die kooperative Interessenwahrnehmung auf Dauer ist ein komplexer und dynamischer Prozeß, dessen Blockade der Treuhänder verhindern können muß. Dem steht auch nicht die Möglichkeit einer Kündigung des Treuhandvertrags durch den Treugeber entgegen. Solange der Treugeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, muß er seine Vertragspflichten erfüllen. Soweit man Mitwirkungspflichten des Treugebers annimmt, kann der Treuhänder nicht nur seine Rechte aus §§ 293 ff. und 642 ff. BGB geltend machen, sondern zum einen den Primäranspruch auf Mitwirkung gerichtlich durchsetzen, zum anderen kann er weiterhin Vergütung infolge vom Gläubiger zu vertretender Unmöglichkeit der Erbringung der Leistung verlangen, § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB, und es stehen ihm Sekundäransprüche auf Schadenersatz neben der Leistung, §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB, zu. Allein der Umstand, daß dem Treuhänder im Wege der Vereinbarung oder gesetzlichen Anordnung von Kündigungsfristen ein - wenn auch zeitlich begrenztes - Recht auf die Durchführung der Interessenwahrnehmung eingeräumt ist,114 kann die Annahme von Mitwirkungspflichten des Treuhänders jedoch nicht rechtfertigen. Der Treuhänder stellt sich bei dauerhafter Interessenwahrnehmung zwar oftmals besonders auf die Bedürfnisse des Treugebers ein. Er investiert im Hinblick auf das Treuhandverhältnis und ist für die Amortisation der Investitionen auf eine gewisse Laufzeit angewiesen. Außerdem wird er sich bisweilen auch darauf einstellen, daß er aus dieser Interessenwahrnehmung einen erheblichen Teil seines Unterhalts bestreitet, sogar seinen Unterhalt insgesamt, wenn er ausschließliche Interessenwahrnehmung im Sinne eines Wettbewerbsverbotes 115 vereinbart hat. Deshalb kann sich der Treugeber in diesen Fällen nur mittels befristeter, § 621 BGB, Kündigung von dem Treuhandvertrag lösen, damit der Treuhänder rechtzeitig in der Lage ist, sich um neue Treuhandverhältnis zu bemühen und sein Investment entsprechend einzurichten. Darüber hinaus kann auch die ordentliche befristete Kündigung rechtsmißbräuchlich, § 242 BGB, sein,116 wenn der Treugeber den Treuhänder zu erheblichen Investitionen veranlaßt, die sich noch nicht amortisiert haben können, und III c; Hofmann, FS Craushaar, S. 219ff.; a.A. allerdings die Rechtsprechung, vgl. B G H Z 11, 80,83; B G H N J W 1995,402. 114 Zur rechtsbegründenden Funktion von Kündigungsfristen Ulmer, FS Möhring, S. 302. 115 D a z u unten §18. 116
Canaris,
Handelsrecht, § 17 Rn. 85.
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dann ohne weiteres kündigt. 1 1 7 Zum Teil wird behauptet, der Treuhänder könne in diesem Fall den Ersatz des Vertrauensschadens verlangen, den er durch das Disponieren mit dem Fortbestehen des Vertrages erlitten habe. 118 Nach zutreffender Auffassung werden jedoch durch die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben, §242 BGB, Kündigungsfristen geschaffen oder verlängert, weil der Treugeber durch die Veranlassung oder gar das ausdrückliche Verlangen von Investitionen einen Vertrauenstatbestand 119 geschaffen hat, auf den der Treuhänder irreversibel investiert hat (fremdbestimmte Investitionen 120 ), was vor allem dann wichtig ist, wenn der Treuhänder, wie etwa ein Vertragshändler oder Franchisenehmer, auf eigene Rechnung handelt. 121 Hier kann eine Kündigung aber ganz regelmäßig gegen Entschädigung in Betracht kommen, 1 2 2 die auch die Gewinnspanne in der Amortisationsphase berücksichtigt 1 2 3 und die nicht bereits in einer Ausgleichzahlung nach dem Muster des § 89b H G B liegt, mit der andere Zwecke verfolgt werden. 124 Die Treuwidrigkeit liegt nämlich nicht in der Vertragsbeendigung als solcher, sondern in der Veranlassung von amortisationsfähigen Investitionen. cc) Gesetzliche
Treuhandverhältnisse
Auch in verschiedenen gesetzlich oder gerichtlich angeordneten Treuhandverhältnissen hat der Treuhänder einen Anspruch auf das Innehaben der Treuhänderstellung und also auch auf die Einräumung der Machtmittel und ihr Innehaben bis zu einem gewissen Ereignis oder Zeitpunkt; in diesen Fällen w i r d die Macht freilich regelmäßig nicht durch den Treugeber eingeräumt, sondern uno acto mit dem Treuhandverhältnis gesetzlich oder gerichtlich begründet, so daß keine entsprechenden Pflichten bestehen. Ein Beispiel sind die Eltern, die ein legitimes Eigeninteresse und damit ein subjektives Recht auf das Innehaben der elterlichen Sorge mit der zugehörigen gesetzlichen Vertretungsmacht haben, oder die persönlich haftenden Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, denen die Vertretung der Gesellschaft nach außen als Organ zusteht, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt. Eine Entziehung dieser Posi1 1 7 Vgl. die Erörterungen bei BGH W M 1995, 1636, 1639 zum Vertragshändlervertrag; Ebenroth!Obermann, Absatzmittlungsverträge, S. 175 ff.; Martinek, Franchising, S. 334 ff.; Oetker, Dauerschuldverhältnis, S.291; Pleyer, GS Schultz, S. 281 ff.; vgl. auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 491 ff. 118 Ulmer, Vertragshändler, S. 466 f.; Ulmer, FS Möhring, S. 310 f. 119 Vgl. Staudinger/Schmidt § 242 BGB Rn. 672 ff. 120 Ebenroth, Absatzmittlungsverträge, S. 173. 121 Martinek, Franchising, S. 336. 122 Vgl. Ulmer, FS Möhring, S. 308 ff. 123 Ebenroth, Absatzmittlungsverträge, S. 186 ff. 124 Unzutreffend deshalb Ulmer, FS Möhring, S. 316, der davon ausgeht, § 89b HGB konkretisiere hier § 242 BGB, so daß sich ein Rückgriff auf die Generalklausel verbiete.
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Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
tion ist nur unter ganz erschwerten Voraussetzungen möglich, vgl. etwa §§2128 f. oder 1666 ff. B G B und § 117 H G B . Oftmals korrespondiert dieses Recht auf die Treuhänderstellung umgekehrt mit einer besonders starken Pflicht zur Wahrnehmung ihrer Treuhänderstellung: Diese Treuhänder, etwa die Eltern, können nicht einfach „kündigen", wie das für andere Treuhänder in § 671 B G B ermöglicht wird.
II. Die Pflicht zur Zahlung von Aufwendungsersatz 1. Aufwendungsersatz a) § 670 BGB als
Konfliktlösungsregel
Unabhängig von der Entgeltlichkeit der Treuhand hat der Treuhänder gegen den Treugeber regelmäßig Anspruch auf Ersatz der bei der Interessenwahrnehmung angefallenen Aufwendungen, § 670 B G B , den er mit den Ansprüchen des Treugebers aus § 667 B G B über §§ 273,274 B G B verknüpfen kann. 125 Verweisungen auf § 670 B G B finden sich vielfach, etwa in § 27 Abs. 3 B G B (Vereinsvorstand), §48 Abs. 2 B G B (Liquidator), § 693 B G B (Verwahrer), § 713 B G B (Geschäftsführender Gesellschafter), § 1978 B G B (Erbe bei Nachlaßverwaltung oder -insolvenz), § 2218 B G B (Testamentsvollstrecker), sie sind jedoch letztlich deklaratorisch, denn auch ansonsten gilt §670 B G B in allen Treuhandverhältnissen, weil die Norm zum allgemeinen Treuhandrecht gehört. 126 Auch die Regelungen zum Aufwendungsersatz dienen, wie bestimmte Regelungen zur Treuhändervergütung, der Auflösung von Interessenkonflikten zwischen Treugeber und Treuhänder. Die Gewährung eines Anspruches auf Aufwendungsersatz mag bei der entgeltlichen Treuhand überraschen, könnte man doch auch davon ausgehen, daß die Aufwendungen bereits in der Vergütung inbegriffen seien. Allerdings dient diese Regelung dem Schutz des Treugebers, der statt dessen gegebenenfalls die Vergütung niedriger halten sollte, weil andernfalls der Treuhänder der Verlokkung erliegen könnte, möglichst wenig Aufwand bei der Interessenwahrnehmung zu betreiben, um einen möglichst geringen Anteil der Vergütung für Aufwendungen zu verbrauchen und auf diese Weise seinen Gewinn zu erhöhen. 127 Die Regelung des § 670 B G B dient also der sicheren Auflösung eines Konflikts zwischen dem egoistischem Vergütungsinteresse des Treuhänders und seiner Staudinger/Wittmann § 670 B G B Rn. 28. Wird allgemein als selbstverständlich angesehen, B G H Z 16, 265ff.; B G H W M 1997, 1854; MünchKomm/Seifer §670 B G B R n . 3 ; Erman/Ehmann §670 B G B R n . 4 ; Müller J Z 1968, 769 ff. 1 2 7 Zu dieser Überlegung Koller B B 1979,1725,1727; Koller Z I P 1985,1243,1246. 125
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Pflicht zur ordnungsgemäßen Interessenwahrnehmung. In diesem Konflikt hat das Vergütungsinteresse des Treuhänder zurückzutreten, weil es der austauschvertraglichen Seite der Treuhand angehört, die nur beim Aushandeln der Vertragsbedingungen eine Rolle spielen darf. 128 Diese Konfliktlösung wird durch § 670 B G B abgesichert. §670 B G B ist dispositiv, 129 so daß es möglich ist, eine Interessenwahrnehmung des Treuhänders auf eigene Rechnung 1 3 0 zu vereinbaren, wie das etwa beim Vertragshändlervertrag oder beim Franchising der Fall ist. Hier wird ausreichendes Engagement durch eine Interessengleichrichtung erreicht. 131 Auch in anderen Fällen kann abweichend vom gesetzgeberischen Leistbild vereinbart werden, daß Aufwendungen mit der Vergütung des Treuhänders pauschal abgegolten sind. 132
b) Aufwendungen Unter Aufwendungen werden freiwillige Vermögensopfer verstanden. 133 Diese Opfer müssen, um ersatzfähig zu sein, nach objektiven Gesichtspunkten bei vernünftiger Prognose ex ante für die Interessenwahrnehmung erforderlich gewesen sein. 134 Es trägt also der Treugeber das Prognoserisiko, was durchaus billig ist, denn bei Selbstverwaltung seiner Interessen trüge er dieses Risiko ebenfalls. Beispiele für Aufwendungen sind etwa die Kosten des Kreditkartenunternehmens für die Schuldentilgung auf Weisung des Karteninhabers, 1 3 5 der Nominalwert einer Uberweisung, mit dem überweisende Bank das Kundenkonto belastet, 136 oder die Ausgaben des Betreuers für den Betreuten. Sind die Aufwendungen zur Wahrung der Interessen verschiedener Interessenträger gemacht worden, so ist der Ersatzanspruch entsprechend zu quoteln. 137 Dazu oben §8 12 a. Erman/Ebmann § 670 BGB Rn.2; Soergel/Beuthien §670 BGB Rn. 12. 130 Das muß aber deshalb noch lange keine Schenkung sein, so aber wohl BGH MDR 1962, 537. 131 Dazu oben § 1 1 1 2 . 132 Erman/Ehmann § 670 BGB Rn. 1. 133 Vgl. nurRGZ 95,53; BGH NJW1960,1568; Erman/Ehmann § 670 BGB Rn. 1; MünchKamm/Seiler § 670 BGB Rn. 6; Staudinger/Wittmann § 670 BGB Rn. 5; Gegenbegriff ist der Schaden als unfreiwilliges Vermögensopfer. 134 Mot. II, S. 541; genauso RGZ 59, 207, 210; RGZ 149, 205, 207; Erman/Ebmann §670 BGB Rn. 7; Soergel/Beuthien § 670 BGB Rn. 5; MünchKomm/.Mer §670 BGB Rn. 9. 135 B G H Z 91, 221, 223; Schimansky/Bunte/Lwowski/Martinek, Bankrechtshandbuch, §76 Rn. 8; MünchKomm/Hadding, Zahlungsverkehr, Rn. G 33; Ebenroth/Boujong/Joost/ Grundmann, Bankrecht II, Rn. 411. 136 BGH N J W 1992, 112, 113; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.343; Baumbach/Hopt, Bankgeschäft, Rn. C 8; MünchKomm////¿«ser, Zahlungsverkehr, Rn. B 87; Schön AcP 198, 401, 412; Koller, FS Schimanski, S.213; a.A. Scbimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, §49 Rn. 14 f. 137 Isele, Geschäftsbesorgung, S. 57 ff. ]28 129
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Die pflichtgemäße Prognose des Treuhänders ist dann nicht Maßstab für die Erforderlichkeit von Aufwendungen, wenn der Treugeber bezüglich der Aufwendungen Weisungen erteilt hat. Dann hat der Treugeber nur die weisungsgemäß getätigten Aufwendungen zu ersetzen, weisungswidrige Aufwendungen schuldet er nur unter den Voraussetzungen des § 665 BGB. Wenn außergewöhnliche oder besonders umfangreiche Aufwendungen erforderlich werden, hat der Treuhänder eine Weisung einzuholen, § 666 Var. 1 BGB. Keine für die konkrete Interessenwahrnehmung erforderlichen Aufwendungen sind allgemeine Geschäftsunkosten des Treuhänders, die gegebenenfalls durch die Vergütung gedeckt werden. 138 Gleiches gilt für die Tätigkeit des Treuhänders als solcher, die ebenfalls zu vergüten ist, soweit eine Vergütung vereinbart oder üblich, §§ 612,632 BGB, ist. 139 Deshalb ist es verfehlt, unter Berufung auf den „Gedanken des § 1835 Abs. 3 BGB" „unter Umständen" etwas anderes zuzulassen. 140 Insbesondere kann auch keine Parallele zur Geschäftsführung ohne Auftrag gezogen werden, weil die Parteien eines Treuhandvertrages anders als jene des gesetzlichen Schuldverhältnisses nach §§677 ff. BGB sich über die Frage der Vergütung einigen können und müssen. 141 Die Abgrenzung von Vergütung (für die Interessenwahrnehmung als solche) und Aufwendungsersatz ist vor allem deshalb wichtig, weil sich der Treuhänder nicht über den Umweg des Aufwendungsersatzes selbständig eine (erhöhte) Vergütung verschaffen können soll. So fällt etwa bei einem geschäftsführenden Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft die Tätigkeit als solche nicht unter den Aufwendungsbegriff. Der Gesellschafter erhält vielmehr regelmäßig eine Vergütung, die jedoch nicht er selbst bestimmt, sondern die im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluß festzulegen ist. 142 In einer Vielzahl von Spezialnormen 143 wird der Umfang des Aufwendungsersatzes näher umschrieben. § 1648 BGB gewährt den Eltern einen Ersatzanspruch nur insoweit, als die Aufwendungen nicht den Eltern selbst zur Last fallen, weil sie insofern zur Unterhaltspflicht nach §§ 1601 ff. BGB gehören. 144 § 1835 BGB (mit §§ 1908e, 1908h, 1908Í, 1915 Abs. 1 BGB, 67 Abs. 3 FGG) enthält nähere Bestimmungen zum Aufwendungsersatz für Vormünder, Betreuer und Pfleger. Fahrtkosten berechnen sich gemäß § 1835 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BGB nach § 9 ZSEG; auch Kosten einer Haftpflichtversicherung können verlangt Steindorff, FS Dölle, S. 284. Vgl. auch Köhler JZ 1985,359,361. 140 Erman/Ehmann §670 BGB Rn. 6; Köhler JZ 1985, 359. 141 SoergeUBeuthien §670 BGB Rn.4; Staudinger/Wittmann §670 BGB Rn.7; MünchKomm/Seiler § 670 BGB Rn. 7. 142 Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 8 Rn. 6. 143 Zu § 110 Abs. 1 HGB unten § 11 II 3. 144 Vgl. MünchKomm/H»¿er § 1648 BGB Rn. 1; für Eltern kann insbesondere auch nicht § 1835 Abs. 3 BGB angewendet werden, etwa bei der Rechtsvertretung des Kindts durch einen Elternteil, der Rechtsanwalt ist. 138
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werden, § 1835 Abs. 2 Satz 1 BGB. Schließlich gelten als Aufwendungen auch Dienste, die zum Gewerbe oder Beruf des Treuhänders gehören, § 1835 Abs. 3 BGB. Für derlei Dienste könnte der nach der gesetzgeberischen Regelvorstellung unentgeltlich tätige Vormund, Betreuer oder Pfleger ansonsten keine Vergütung verlangen, die er aber deshalb verdient, weil er auf Kosten des Mündels/ Betreuten/Pfleglings auch einen anderen Berufsträger einschalten könnte. § 2 Abs. 2 RVG, Ziff. 7000 ff. VV gewähren dem Rechtsanwalt Anspruch auf Ersatz für die für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen zu leistenden Entgelte, für Reisekosten und eine Dokumentenpauschale. Durch diese Regelung wird verdeutlicht, daß die Gebühren die Auslagen nicht mitumfassen. Die Aufzählung in Ziff. 7000 ff. VV ist nach Vorb. Zu Teil 7 VV nicht abschließend, so daß dem Rechtsanwalt vom Mandanten daneben aus §§ 675 Abs. 1, 670 BGB auch sämtliche andere Auslagen zu erstatten sind. § 87d HGB ordnet an, daß der Handelsvertreter den Ersatz seiner im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandenen Aufwendungen nur verlangen kann, wenn dies handelsüblich ist, er sie als selbständiger Unternehmer 145 also grundsätzlich nicht verlangen kann, weil sie durch die Vergütung abgegolten werden. 146 § 87d HGB meint sämtliche Aufwendungen für den regelmäßigen Geschäftsbetrieb, die der Handelsvertreter aufgrund des konkreten 147 Handelsvertretervertrages und der darin übernommenen Pflichten zu unterhalten hat.148 Diese Regelung dürfte sich daraus erklären, daß aufgrund der Interessengleichrichtung zwischen Unternehmer und Handelsvertreter die Gefahr, daß der Handelsvertreter allzu sehr an Aufwendungen spart, nicht gegeben sein wird. Andere Aufwendungen, also Aufwendungen für solche Dienste, die der Handelsvertreter nicht schon im Handelsvertretervertrag übernommen hat, 149 kann er hingegen verlangen. 150 Die Norm gilt für vergleichbare, als selbständige Unternehmer tätige Absatzmittler, etwa Kommissionsagenten, 151 ebenfalls, nicht aber für Vertragshändler oder Franchisenehmer, 152 die auf eigene Rechnung arbeiten, was von der gängigen Auffassung, 153 die § 87d HGB unterschiedslos auf alle selbständigen Absatzmittler anwenden möchte, übersehen wird. 145 Schlegelberger/Schröder § 87d HGB Rn. 1. 146 BT-Drucks. 1/3856, S. 30; MünchKomm/w« Hoyningen-Huene § 87d HGB Rn. 3. 147 Schlegelberger/Schröder § 87d HGB Rn. 3a. 148 Staub/Brüggemann § 87d HGB Rn. 3. 149 Staub/Brüggemann § 87d HGB Rn. 4. 150 Vgl. RGZ 109,254,258; MünchKomm/W Hoyningen-Huene § 87d HGB Rn. 13. 151 Vgl. Nur Schlegelberger/Schröder § 87d HGB Rn. 1; Canaris, Handelsrecht, § 18 Rn. 8 152 Canaris, Handelsrecht, 19 Rn. 22 und § 20 Rn. 25; Ulmer, Vertragshändler, S. 416; Martinek, Franchising, S. 109; Küstner/Thume/Teutsch, Handelsvertreter, Rn. 1694. 153 Schlegelberger/Schröder § 87d HGB Rn. 1; MünchKomm/fo« Hoyningen-Huene §87d HGB Rn. 4; Küstner/Thume, Handelsvertreter, Rn. 1200; Ekkenga, Inhaltskontrolle, S. 122 ff.
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Der Kommissionär hingegen kann nach § 670 B G B Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, zu denen auch die Vergütung für die Benutzung der Lagerräume und der Beförderungsmittel des Kommissionärs gehört, § 396 Abs. 2 H G B . Dabei handelt es sich eigentlich um Bestandteile der Unternehmensorganisation des Kommissionärs (mit der Provision abgegoltene Fixkosten 1 5 4 ), so daß § 396 Abs. 2 H G B erweiternde und damit konstitutive Wirkung hat. 1 5 5 Die N o r m beruht auf der Erwägung, daß es keinen Unterschied machen könne, ob der Kommissionär fremde Ressourcen zukauft (dann § 6 7 0 B G B ) oder eigene Ressourcen verwendet. 156 Unzutreffend ist es hingegen, wenn behauptet wird, daß die Aufwendungen deshalb ersetzt würden, weil sie in einem Bereich entstünden, der über die gewöhnlichen Pflichten des Kommissionärs hinausgehe. 157 Der Unterschied zum Handelsvertreter mag sich auch daraus rechtfertigen, daß die Aufwendungen bei Kommissionsgeschäften teilweise schwieriger zu prognostizieren sind, so daß eine pauschale Abgeltung mit der Vergütung problematisch erscheint, und überdies vor allem bei der Einkaufskommission auch der vom Kommissionär gezahlte Kaufpreis als Aufwendung anzusehen ist.
2. Vorschuß Der Treuhänder kann für zukünftig anfallende Aufwendungen Vorschuß verlangen, §669 B G B . Auch auf §669 B G B verweisen zahlreiche Normen, etwa § 2 7 Abs. 3 B G B (Vereinsvorstand), §48 Abs. 2 B G B (Liquidator), §713 B G B (Geschäftsführender Gesellschafter), § 1835 Abs. 1 B G B (Vormund), §§ 1908 e, h, i B G B (Betreuer) § 1915 Abs. 1 B G B (Vormund) und § 2218 Abs. 1 B G B (Testamentsvollstrecker). Die Verweisungen sind freilich deklaratorischen Charakters, weil § 669 B G B wie § 670 B G B zum allgemeinen Treuhandrecht gehört. § 9 RVG gewährt dem Rechtsanwalt Anspruch auf Vorschuß nicht nur bezüglich der Gebühren, sondern auch der „entstandenen und voraussichtlich entstehenden [...] Auslagen". §§ 669 B G B , 9 RVG ersparen dem Treuhänder die Vorlage und das Prozeß- und Insolvenzrisiko bei der Durchsetzung seines Anspruches aus § 670 B G B . 1 5 8 § 669 B G B stellt bezüglich der Höhe des Vorschusses anders als § 670 B G B nicht auf die Prognose des Treuhänders, sondern auf Erforderlichkeit nach objektiven Kriterien ab, was daran deutlich wird, daß in § 669 B G B nicht die ForEbenroth/Boujong/Joost/Krüger § 396 H G B Rn. 13. Staub/Koller § 396 H G B Anm. 24. 156 Ebenroth/Boujong/Joost/Krüger § 396 H G B Rn. 14. 157 Glanegger/Güroff/Kirnberger/Kusterer/Peuker/Ruß/Selder/Stuhlfelner Rn. 2; wohl auch O L G Stuttgart BB 1962, 689, 690. 158 Soergel/Beuthien § 669 BGB Rn. 1. 154 155
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mulierung „für erforderlich halten darf" enthalten ist. 1 5 9 Ein Beispiel für einen Vorschuß ist das Aufladen der Geldkarte durch den Inhaber (Treugeber), denn damit stellt der Karteninhaber dem Kreditinstitut (Treuhänder) bereits im Voraus Geld zur Verfügung, mit dem das Institut dann die Forderungen des Karteninhabers bei der Akzeptanzstelle begleicht und so die Interessen des Karteninhabers wahrnimmt. 1 6 0 Die Erforderlichkeit ergibt sich hier aus den Weisungen des Karteninhabers. Nicht oder nicht bestimmungsgemäß verbrauchter Vorschuß (hier ist der Treuhänder rechenschafts- und beweisbelastet) kann vom Treugeber nach § 667 Alt. 1 B G B zurückverlangt werden. 161 Der Anspruch aus § 669 B G B ist nach gängiger Auffassung bei unentgeltlicher Treuhand nicht klagbar (Naturalobligation), 162 weil der Auftrag frei widerruflich sei, § 671 B G B . Das erscheint unzutreffend. Dem Auftraggeber/Treugeber steht in der Tat das genannte Widerrufsrecht zu, aber solange er dieses Recht nicht ausübt, ist er an die vertragliche Vereinbarung gebunden und muß auch Vorschuß leisten. 163 Wie sinnvoll eine Klage wäre, ist freilich eine andere Frage, weil der Treugeber durch Ausübung seines Widerrufsrechts die Erledigung der Hauptsache herbeiführen kann. Hinzukommt, daß der Anspruch aus § 6 6 9 B G B bei entgeltlicher Gleichbehandlung für klagbar gehalten wird, weil der Geschäftsbesorger „ein Recht auf Besorgung des Geschäfts" 1 6 4 habe, was aber angesichts der weitreichenden freien Kündbarkeit von Treuhandverträgen, nur zum Teil zutrifft. 1 6 5 Der Vorschuß nach § 9 RVG wird zutreffend für klagbar gehalten, eine Klage würde jedoch als standeswidrig angesehen. 166
3. Ersatz für Zufallsschäden a) Problemstellung Erleidet der Treuhänder bei der Interessenwahrnehmung Schäden, so kann er diese vom Treugeber ersetzt verlangen, soweit dieser den Schaden durch eine schuldhafte Pflichtverletzung im Rahmen des Treuhandverhältnisses verursacht hat, § 2 8 0 Abs. 1 B G B . In Betracht kommen etwa Schäden infolge von Schutz- und Informationspflichtverletzungen des Treugebers. Wie in jeder SonSoergel!Beuthien §669 BGB Rn. 2; Staudinger/Wittmann §669 BGB Rn. 4. Kumpel WM 1997,1039; Bülow WM 2000,58. 161 Vgl. nur BGH WM 1978,367. 162 Mot. II, S.540; B G H Z 77, 66; Staudinger/Wittmann §669 BGB Rn.3; Erman/Ehmann §669 BGB Rn. 1; R G R K / S t e f f e n § 669 BGB Rn. 8. 163 MünchKomm/Sei/er § 669 BGB Rn. 2; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 162 I. 164 So etwa Staudinger/Wittmann § 669 BGB Rn. 3. 165 Kosequent, wenn auch in die falsche Richtung, KGKK/Steffen § 675 BGB Rn. 22, der den Anspruch auch bei der Geschäftsbesorgung nicht klagbar stellt. 166 Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert § 9 RVG Rn. 46 ff.; Riedel/Sußbauer% 17 BR AGO Rn. 8. 159 160
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im geltenden Deutschen
Schuldrecht
derbeziehung unterliegen auch die Parteien eines Treuhandverhältnisses Nebenpflichten, § 241 Abs. 2 B G B , die vor allem den Schutz der Integrität des Vertragspartners bezwecken. 167 Auch gilt im Treuhandrecht §618 B G B , 1 6 8 der bestimmte Schutzpflichten des Treugebers erzeugt, was sich aus dem regelmäßigen dienstvertraglichen Charakter der Treuhand ergibt. Doch auch im Werkvertragsrecht kann auf diese Norm zurückgegriffen werden. 169 Unklar ist jedoch, ob der Treugeber Zufallsschäden des Treuhänders zu ersetzen hat. Das sind Schäden, die der Treuhänder ohne Verschulden des Treugebers bei der Interessenwahrnehmung erleidet. § 110 Abs. 1 H G B ordnet für den geschäftsführenden Gesellschafter als Treuhänder der Personenhandelsgesellschaft an, daß nicht nur Aufwendungen, sondern auch Verluste, die er „unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, die untrennbar mit ihr verbunden sind", erleidet, von der Gesellschaft zu ersetzen sind. Mit Verlusten sind nach allgemeiner Auffassung Schäden gemeint. 170 Diese Schäden müssen eine Verbindung zu der Wahrnehmung von Gesellschaftsinteressen durch den Gesellschafter aufweisen. Mangels der bei Aufwendungen gegeben Zweckbeziehung wird ein objektiv enger, also mehr als nur adäquater Zusammenhang zur Tätigkeit als Geschäftsführer verlangt. 171 Auf ein Vertretenmüssen der Gesellschaft kommt es jedoch nicht an, die Zurechnung des Schadensrisikos erfolgt ausschließlich nach objektiven Kriterien, mit denen eine Abgrenzung von allgemeinem Lebensrisiko und spezifischem Tätigkeitsrisiko des Treuhänders erreicht werden soll. Ein Verschulden des Gesellschafters schließt einen Anspruch aus § 110 Abs. 1 H G B nicht aus. 172 Für andere Treuhandverhältnisse hat der Gesetzgeber diese Gleichsetzung von Aufwendungen und Verlusten/Schäden nicht vorgenommen. Selbst bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Grundtyp der Personengesellschaft verweist § 713 B G B lediglich auf § 670 B G B , der lediglich Aufwendungsersatz vorsieht. b) Allgemeine
Risikohaftung
Nach verbreiteter Auffassung werden jedoch Schäden des Treuhänders, die auf typischen Risiken der Treuhand beruhen, in Analogie zu § 670 B G B als ersatzfähig angesehen.173 Zum Teil wird die Analogie zu § 670 B G B als „Scheinlö167 Vgl. nur Soergel/Teichmann §242 BGB Rn.178; Staudinger/Schmidt §242 BGB Rn. 1024ff.; MünchKoram/Äoi/) §241a BGB Rn. 90ff. 168 So zutreffend B G H Z 16,265 ff. 169 Vgl. die Grundsatzentscheidung des Großen Senats B G H Z 5,62 ff. 170 Vgl. nur Stauh/Fischer § 110 HGB Anm. 7; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 47 II 4 c. 171 SchlegelbergerlMartens §110 HGB Rn.21; Staub/Ulmer §110 HGB Anm. 22; Heymann/Emmerich § 110 HGB Anm. 10. 172 Schlegelbergerl Martens § 110 HGB Rn.24. 173 BGHZ 33, 257; B G H Z 38, 277; Erman/Ehmann §670 BGB Rn. 16; Fikentscher,
§ 11. Die Pflichten des Treugebers
285
sung" bezeichnet, 174 obschon für eine solche Analogie das „bewußte Offenlassen" der Frage der Zufallsschäden durch den Gesetzgeber spricht. 175 Auch hier wird zutreffend zwischen treuhandtypischen Schäden und Schäden, die dem allgemeinen Lebensrisiko des Treuhänders zuzurechnen sind, unterschieden. Die Interessenwahrnehmung muß jedoch - anders als zum Teil behauptet 176 nicht „besonders gefährlich" sein. Vielmehr kommt es, wie auch bei § 110 Abs. 1 HGB, allein auf den „objektiv engen Zusammenhang" zwischen Interessenwahrnehmung und Schaden als haftungsbegründendes Kriterium an. 177 Begründen läßt sich die Haftung des Treugebers für Zufallsschäden - unabhängig von der Frage einer Analogie zu §670 BGB - aus der schuldrechtlichen Grundform Treuhand, wobei es nicht auf das Kriterium der Entgeltlichkeit ankommt. Das Treuhandverhältnis wird zu Wahrnehmung der Interessen des Treugebers errichtet. Deshalb muß der Treugeber auch die Risiken, die bei der Wahrnehmung seiner Interessen entstehen, tragen (Gleichlauf von Nutzen und Gefahr), 178 hätten ihn diese Risiken bei Selbstwahrnehmung der eigenen Interessen doch ebenfalls getroffen. 179 Das Treuhandrecht kennt deshalb eine Risikohaftung bei Tätigkeit im fremden Interesse, denn Substitution bei der Interessenwahrnehmung heißt nicht Substitution im Risiko. 180 Das wird besonders deutlich, wenn der Treuhänder einen Schaden erleidet, weil er bestimmte Weisungen des Treuhänders befolgt, 181 als mittelbarer Stellvertreter auf fremde Rechnung handelt, 182 oder von Treuhand-Gläubigern persönlich in Anspruch genommen Schuldrecht, Rn.921; Steindorff, FS Dolle, S.292; ähnlich Staudinger/Wittmann §670 BGB Rn. 14: Teleologische Extension. 174 Isele, Geschäftsbesorgung, S. 124. 175 Mot. II, S. 541; Prot. II, S. 369; das macht die Norm zur „problematischste[n] Vorschrift des Auftragsrecht", Fikentscher, Schuldrecht, § 81 II 4 b; das österreichische A B G B kennt in § 1014 beispielsweise einen Anspruch des Beauftragten auf Ersatz aller „mit der Erfüllung des Auftrages verbundenen Schäden". 176 So aber offenbar BGH N J W 1993,2234,2235; es kommt jedoch nicht auf eine spezifische Gefahr an, sondern lediglich auf die Abgrenzung zum allgemeinen Lebensrisiko; Wollschläger, Geschäftsführung, S. 320: tätigkeitsspezifische Risiken. 177 Vgl. Fitz, Risikozurechnung, S. 82 ff. 178 In diese Richtung auch Soergel/Beuthien §670 BGB Rn. 17 ff.; MünchKomm/Sez/er §670 BGB Rn. 14-Jauernig/Vollkommer §670 BGB Rn. 8 ff.; Schlegelberger/Hefermehl§396 HGB Rn. 39; Larenz, Schuldrecht II/l § 56 III; Koller, Risikozurechnung, S. 95 ff. und 402 ff.: Gedanke der arbeitsteiligen Veranlassung; Canaris RdA 1966, 41 mit Blick auf die Gefährdungshaftung; Genius AcP 173, 481; Honsell, FS von Lübtow, S.496f; Larenz JuS 1965, 375; vgl. auch Huber, Haftung, S. 22 ff.; dieser Gedanke wohl auch bei BGHZ 89,153,158. 179 Prot. II, S. 368 f., wozu sich der Gesetzgeber freilich nicht durchringen konnte im Sinne einer Pflicht zum Ersatz der Schäden, die unmittelbar durch die Geschäftsbesorgung entstanden sind, und das ganze der Wissenschaft überlassen hat; RG Warn 1929 Nr. 160. 180 Vgl. Staudingerimttrnann §670 BGB Rn. 18. 181 Fitz, Risikozurechnung, S. 162 f. 182 So etwa der Kommissionär, soweit Schäden aus dem Ausführungsgeschäft in Rede stehen, die bei Vertretungsmacht als Machtmittel anstelle der Befugnis zum Handeln auf fremde Rechnung auch den Treugeber träfen, vgl. Fitz, Risikozurechnung, S. 166.
286
Teil 2: Das Treuhandverhältnis
im geltenden Deutschen
Schuldrecht
wird,183 gilt aber auch dann, wenn der Treuhänder seine Verhaltenspflichten selbst konkretisiert und bei seiner Tätigkeit dann Zufallsschäden erleidet. Der Treuhandvertrag ist kein Austauschverhältnis,184 weshalb die Argumentation von Fitzli5 mit dem Grundformenschema /Oerings,186 der die entgeltliche Geschäftsbesorgung als Austauschvertrag, der dem beiderseitigen Egoismus diene, einordnet, verfehlt ist, wenn aus dem vermeintlichen Austauschcharakter ein Eigeninteresse des Treuhänders hergeleitet wird, das eine Risikohaftung des Treugebers ausschließe. In der Tat vermag ein Eigeninteresse bei der Interessenwahrnehmung die Risikohaftung des Treugebers zu beschränken; ein solches Eigeninteresse ist von dem das Eingehen eines Treuhandvertrags motivierenden Vergütungsinteresse des Treuhänders jedoch streng zu unterscheiden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Treuhänder die Risikotragung übernommen hat,187 was durch Auslegung des Treuhandvertrags zu ermitteln ist und wovon vor allem dann auszugehen ist, wenn der Treuhänder entsprechend vergütet wird.188 Auch ist zu beachten, ob der Treuhänder aufgrund seiner Kompetenz beauftragt worden ist, die ihn dann auch in die Lage versetzt, Schäden besser vermeiden zu können als der Treugeber189 oder ob der Treuhänder Risiken anderweit, etwa durch eine Versicherung, besser kalkulieren und steuern kann als der Treugeber.190 Auf den soeben erörterten Gedanken beruht letztlich auch der bereits erörterte § 110 H G B , den der Gesetzgeber sich zu verallgemeinern nicht entschließen konnte. Selbst im Arbeitsrecht hat sich, obwohl der einfache Arbeitsvertrag der Grundform des Austauschvertrages zuzurechnen sein dürfte,191 dieser Gedanke in der Figur der betrieblich veranlaßten (nicht mehr: gefahrengeneigten) Arbeit niedergeschlagen, die eine Haftungsfreistellung des Arbeitnehmers zurfolge hat.192
Dazu eingehend unten § 34 I X 4. Dazu eingehend oben § 8 12 a. 185 Fitz, Risikozurechnung, S. 89 ff. 186 Dazu schon oben § 8 12 c. 187 B G H N J W 1985, 269, 270; Soergel/Beuthien §670 B G B Rn.21; von der anderen Seite her denkt K. Schmidt, Handelsrecht, § 31 IV 3 b, der zwar zutreffend die Vertragsgestaltung für maßgeblich erklärt, aber wohl mangels anderweitiger Vereinbarung eine derartige Risikotragung durch den Treugeber bei entgeltlicher Treuhand gerade ablehnt; vgl. auch R G Z 94, 169, wo noch die vertragliche Risikoübernahme geprüft wird. 188 Vgl. Wilburg, Elemente, S. 122; kritisch allerdings Koller, Risikozurechnung, S. 415 f. 189 Rümelin AcP 8 8 , 2 8 5 , 314. 190 Koller, Risikozurechnung, S. 404. 191 Vgl. aber Rumpf AcP 121, 1, 74 ff., der den Arbeitsvertrag mit anderen hier als Treuhandverträgen erörterten Vertragsverhältnissen als Interessenwahrungsvertrag einordnet. 192 Vgl. nur GS BAG N J W 1993,1732 ff. 183
184
Teil 3
Interessenkonflikte als Folge einer Spaltung der Treugeberposition
§12. Quantitative Spaltung der Treugeberposition I. Allgemeines Bisher wurde die Interessenwahrnehmungspflicht als treuhänderische Hauptpflicht für Treuhandverhältnisse erörtert, in denen ein Treugeber einem Treuhänder gegenübersteht. Hat ein Treuhänder nur einen Treugeber und ist in dem wahrgenommenen Interessensegment auch nicht selbst interessiert, so hat sich der Treuhänder bei der Interessenwahrnehmung ausschließlich an den Wahrnehmungszielen und konkreten Weisungen dieses Treugebers auszurichten, was in einigen Treuhandverhältnissen durch die Gestaltung der Vergütung und des Aufwendungsersatzes des Treuhänders besonders gesichert wird. 1 Diese Interessenwahrnehmungspflicht „stricto sensu" ist jedoch nicht die Regel. Gewöhnlich wird ein Treuhänder nämlich die Interessen mehrerer Interessenträger wahrnehmen, so daß es zu Interessenkonflikten kommt, die insbesondere durch eine inhaltliche Veränderung der Interessenwahrnehmungspflicht aufgelöst werden können. Dies hat zur Folge, daß sich der Treuhänder über Wahrnehmungsziele und konkrete Weisungen hinaus bei der Ermittlung konkreter Pflichten an weiteren Maßstäben auszurichten hat. Eine solche Veränderung kann unter anderem durch die in den §§ 12 - 14 zu erörternden Interessenkonflikte infolge einer Spaltung der Treugeberposition innerhalb eines Treuhandverhältnisses entstehen. Dabei ist wiederum zwischen der quantitativen (§ 12) und qualitativen (§§ 13,14) Spaltung der Treugeberposition zu unterscheiden.
II. Gesamthandsgemeinschaft mehrerer Treugeber 1. Entstehung der
Gesamthandgemeinschaft
Die gesamthänderische Verbundenheit mehrerer Treugeber kann kraft Gesetzes oder kraft Rechtsgeschäfts hergestellt werden. Kraft Gesetzes sind mehrere Erben nach demselben Erblasser zu einer Erbengemeinschaft verbunden, der Nachlaß wird „gemeinschaftliches Vermögen der Erben", § 2032 Abs. 1 BGB. Hat der 1
Dazu oben §11.
290
Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung der
Treugeberposition
Erblasser Testamentsvollstreckung angeordnet, so ist die Position des Erben als Treugeber 2 des Testamentsvollstreckers gespalten und es stehen mehrere gesamthänderisch verbundene Miterben dem Testamentsvollstrecker als Treugeber gegenüber. Ehegatten können im Wege eines notariellen Ehevertrages, §§ 1408 Abs. 1,1410,1415 BGB, den Güterstand der Gütergemeinschaft wählen. Dadurch werden das Vermögen des Mannes und der Frau kraft Gesetzes Gesamtgut im Sinne einer Gesamthandsgemeinschaft, §§ 1416 Abs. 1 und 2, 1419 Abs. 1 BGB. Entschließen sich die Ehegatten beispielsweise, bestimmte Aufgaben der Vermögensverwaltung durch einen Treuhänder wahrnehmen zu lassen, dann stehen sie diesem als gesamthänderisch verbundene Treugeber gegenüber. Mehrere Personen, die einen bestimmten Zweck gemeinsam verfolgen wollen, der nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes besteht, können sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammenschließen, § 705 BGB. Beauftragen sie zur Wahrnehmung bestimmter, diesem Zweck dienender Interessen einen Treuhänder, so wird die Position des Treugebers auf die Mitglieder dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgespalten. Dabei ist allerdings zu beachten, daß diese Konstellation durch die Veränderungen im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts an Bedeutung verloren hat. Nach neuester Rechtsprechung, die damit eine in der Literatur über Jahrzehnte hinweg vorbereitete Kehrtwende vollzieht, 3 ist die Außengesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem Vorbild der offenen Handelsgesellschaft teilrechtsfähig. Sobald jedoch durch die gesamthänderische Bindung nicht nur ein von den Parteien gehaltenes Gesamthandsvermögen entsteht, sondern dieses Vermögen seinerseits eine gewisse Rechtsfähigkeitbesitzt, i s t - w a s die Interessen dieses Vermögens betrifft-die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als teilrechtsfähige Einheit selbst Treugeber, so daß eine Aufspaltung der Treugeberposition auf ihre Mitglieder ausbleibt. Etwas anderes gilt jedoch bei sogenannten Innengesellschaften. Das sind Gesellschaften, die im Rechtsverkehr nicht in Erscheinung treten. Ihnen soll auch nach neuer Auffassung keine Teilrechtsfähigkeit zukommen. Hier sind also die Gesellschafter Träger des Gesamthandvermögens, ohne daß gewissermaßen ein teilrechtsfähiger Uberbau entstünde. Soweit man nun annimmt, daß die Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die Beauftragung eines Treuhänders nicht schon als Gesellschaft im Rechtsverkehr in Erscheinung tritt, wird man die Gesellschafter selbst in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als Treugeber zu betrachten haben. In der Tat kommt es für die Unterscheidung von Innen- und Außengesellschaft nicht darauf an, daß die Gesellschaft nicht „nach außen hervortritt". Es kommt vielmehr darauf an, ob die Gesellschaft als solche, also als Subjekt, im Rechtsverkehr in Erscheinung treten kann oder ob sie nur ein Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander ist. Diese Frage richtet sich nach der Verfassung 2 Zur gleichzeitig vorliegenden qualitativen Spaltung der Treugeberposition zwischen Erblasser und Erben unten § 14 II 2. 3 Dazu ausführlich unten §34 V I I 1 .
5 12. Quantitative Spaltung der
Treugeberposition
291
der Gesellschaft, nach ihrem Zweck und ihrer Rechtsgestalt. Fehlt der Gesellschaft hiernach die Fähigkeit, als Rechtssubjekt in Erscheinung zu treten, so ist sie Innengesellschaft, auch wenn die Gesellschafter (nicht „die Gesellschaft") gemeinsam nach außen in Erscheinung treten und Rechtsgeschäfte abschließen, 4 zu denen auch Treuhandgeschäfte gehören können.
2. Gleichstufige Verbindung der Mitglieder Die Mitglieder einer Gesamthandsgemeinschaft sind nach dem Leitbild der Erbengemeinschaft, der Gütergemeinschaft und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts - von ihren Beteiligungsquoten einmal abgesehen - gleichrangig miteinander verbunden. Dieses gleichberechtigte Nebeneinander der Gesamthänder 5 ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet, findet aber in einer Vielzahl von Normen Ausdruck, vgl. etwa §§ 706 Abs. 1, 709, 711, 722 Abs. 1, 734, 735, 2038 B G B , und gehört zu den zentralen Grundsätzen des Rechts der Gesamthandsgemeinschaft, was dazu führt, daß die Treugeberposition lediglich quantitativ, nicht jedoch qualitativ gespalten ist. Der Umstand, daß die Treugeber in dieser Weise miteinander verbunden sind, führt in ihrem Verhältnis zum Treuhänder dazu, daß der Treuhänder dazu verpflichtet ist, diese Treugeber gleichzubehandeln. Die gesamthänderische Verbundenheit der Miterben wirkt also insofern in deren jeweiliges Treuhandverhältnis zum Testamentsvollstrecker hinein, als die Interessenwahrnehmungspflicht des Treuhänders dahingehend verändert wird, daß er nicht den Interessen des jeweiligen Treugebers optimal zu dienen hat, sondern vielmehr den Interessen der verbundenen Treugeber insgesamt optimal dienen muß, auch wenn dies den Einzelinteressen der miteinander verbundenen Treugeber zuwiderlaufen sollte. Grund hierfür ist, daß der Treuhänder lediglich an die Stelle der Treugeber tritt (Substitution) und deswegen bezüglich des Verhältnisses der einzelnen Treugeber zueinander den gleichen Maßregeln unterworfen ist, wie es die Treugeber bei Selbstwahrnehmung ihrer Interessen wären. In diesem Fall könnten sich auch nicht ohne weiteres Einzelinteressen gegen die Interessen der anderen Gesamthänder durchsetzen, denn es ist vielfach gemeinschaftliche Verwaltung angeordnet, vgl. etwa § 709 Abs. 1,1421 Abs. 1,2038 Abs. 1 Satz 1 B G B . Umgekehrt sind auch die Treugeber bei der Ausübung ihrer Treugeberrechte an die Beschränkungen aus der zwischen ihnen bestehenden Gesamthandsgemeinschaft gebunden und können nicht isoliert handeln. 6 4 B G H Z 12, 308, 314; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §43 II 3 a; Flume, B G B AT 1/1, § 1 III; MünchKomm/iy/wer vor § 705 B G B Rn. 69. 5 Vgl. nur Jauernig/Stürner § 705 B G B Rn. 4; MünchKomm/Wmer § 705 B G B Rn. 199 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 8 II 2. 6 Zur Beschlußfassung im Treugeberkollegium unten § 26 I.
292
Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung der
Treugeberposition
III. Interessengemeinschaft mehrerer Treugeber 1. Die Figur der
Interessengemeinschaft
Die Figur der Interessengemeinschaft ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Erste Anstöße für die Entwicklung dieser Figur kommen aus der reichsgerichtlichen Rechtsprechung, 7 die davon ausgeht, daß im Mangelfall mehrere Gläubiger eines Schuldners eine „Interessengemeinschaft" bilden mit der Folge, daß der Schuldner diese Gläubiger gleichberechtigt pro rata befriedigen müsse. Von diesen Gedanken ausgehend wurde zum Teil behauptet, die Interessengemeinschaft sei ein Typus zivilrechtlicher Gemeinschaften. Es gebe Zweckgemeinschaften mit enger, gesamthänderischer Bindung, §§ 705 ff. BGB, und Gemeinschaften, die nicht auf gemeinsamer Zweckverfolgung beruhen, sogenannte „schlichte Interessengemeinschaften". 8 Sie entstünden nicht durch Abschluß eines Vertrages, sondern durch tatsächliche Verbundenheit mehrerer Personen, wenn „gleichlaufende Belange oder gleichliegende Positionen in einen engeren Kontakt geraten sind und darum eine gleichmäßige Behandlung verlangen". 9 Hauptfall sei die Bruchteilsgemeinschaft, §§ 741 ff. BGB, deren wesentliches Merkmal nicht die Gemeinschaftlichkeit des Rechts (Mitberechtigung), 10 sondern der Interessen (Parallelität der Interessen) sei. Vom Kriterium der Interessenparallelität ausgehend wurde die Interessengemeinschaft als tatsächliche Not- und Gefahrengemeinschaft begriffen, auf die §§ 741 ff. BGB angewendet werden könnten, soweit diese Normen nicht gerade das Bestehen der besonderen Form der Rechtsgemeinschaft voraussetzten. Die Interessengemeinschaft zeige sich erst, „wenn sozusagen ein pathologischer Zustand eintritt, wenn die Beteiligten ihre individuellen Interessen nicht mehr voll wahrnehmen können, ohne zugleich die Interessen der übrigen Beteiligten zu beeinträchtigen", 11 etwa in der Insolvenz. Dann werde deutlich, daß es eine „schlichte Gemeinschaft obligatorisch berechtigter Gläubiger" gebe. 12 Diese Gemeinschaft teile mit der Rechtsgemeinschaft Gleichbehandlungs- und Mehrheitsprinzip. Eine solche Interessengemeinschaft als Gefahrengemeinschaft bestehe, wie etwa bei der Sammelsendung, nur dann, wenn einzelne Gläubiger nicht durch Schadenersatz oder Wegfall der Gegenleistung befriedigt würden, wie das etwa beim Doppelverkauf der Fall ist. 13 Beim Doppelverkauf erlange 7 Vgl. etwa RGZ 84, 128 (Zuckerrübenfall); RGZ 91, 332; RG J W 1922, 158; dazu auch unten §25. 8 Würdinger, Theorie, S. 15 f. 9 WüstjT. 1960, 78. 10 So aber die überwiegende Auffassung, vgl. etwa MünchKomm/Karsten Schmidt § 741 BGB Rn. 62; Staudinger/Langhein § 741 BGB Rn. 167. 11 Würdinger, Theorie, S. 18. 12 Würdinger, Theorie, S. 66. 13 Würdinger, Theorie, S. 71 ff.
§ 12. Quantitative
Spaltung der Treugeberposition
293
nicht der eine Gläubiger Befriedigung auf Kosten des anderen, der seinerseits Schadenersatz liquidieren könne. 14 2.
Rechtsgemeinschaften
Derlei „Interessengemeinschaften" kennt unsere Rechtsordnung in der Tat in Form der bereits erwähnten schlichten Rechtsgemeinschaft, §§ 741 ff. BGB, die insbesondere auch bei Sammellagerung, §469 Abs. 2 HGB, und Sammelverwahrung entsteht, §§ 6 Abs. 2 Satz 1 DepotG. Bei der Sammellagerung erlangen die Einlagerer vertretbarer Sachen unabhängig von ihrem Einverständnis mit der Sammellagerung Miteigentum an dem Gesamtbestand der Waren. 15 Bei einem Verlust im Warenbestand bleiben die Miteigentumsanteile unverändert, so daß jeder der Miteigentümer nur seinen Bruchteil vom Gesamtbestand verlangen kann; gegebenenfalls kommt ein Schadenersatzanspruch gegen den Lagerhalter hinzu, § 475 HGB. 16 Gleiches gilt bei der Sammelverwahrung von Wertpapieren, die bei vertretbaren Wertpapieren den Regelfall darstellt. 17 Auch hier entsteht Miteigentum an den Wertpapieren in Form des Bruchteilseigentums, § 6 Abs. 1 Satz 1 DepotG. Ein Verlust trifft die Miteigentümer im Verhältnis ihrer Beteiligungen, vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 DepotG. 18 Die Miteigentümer bilden so eine Gefahrengemeinschaft 19 in Form gemeinsamer Risikotragung für den Verlust. 20 Der Lagerhalter oder Verwahrer als Treuhänder hat also jedenfalls im Verlustfall sämtliche Treugeber gleichzubehandeln. Die Geltung einer Gleichbehandlungspflicht ist insoweit sachenrechtlich durch das Vorliegen von Miteigentum bedingt, an dessen Bruchteilsquoten sich der Lagerhalter oder Depotbetreiber ausrichten muß, wenn er Güter oder Wertpapiere herausgibt, also aus dem Miteigentumsbestand heraus übereignet. Das Bestehen einer schlichten Rechtsgemeinschaft in Form des Miteigentums nach §§ 741 ff., 1008 ff. BGB kann auch in anderen Fällen Grund für die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sein, etwa dann, wenn mehrere Bruchteilseigentümer eines Gegenstandes diesen einem Verwalter anvertrauen. Die innere Struktur der Rechtsgemeinschaft beruht auf einer 14 Diese Sichtweise setzt allerdings freilich eine völlige Gleichsetzung von Erfüllung und Schadenersatz statt der Leistung voraus. 15 K. Schmidt, Handelsrecht, § 34 VI 2. 16 K. Schmidt, Handelsrecht, §34 VI 2 c cc; MiincWLommlFrantzioch §419 HGB a.F. Rn. 16; RGRK/Ädtz §419 HGB a.F. Anm. 6; Schlegelbergerl Schröder § 419 HGB a.F. Rn. 12; Staub/Koller § 419 HGB a.F. Anm. 34. 17 Schimansky/Bunte/Lwowski/Gößmann §73 Rn. 73. 18 Heinsius/Horn/Than § 7 DepotG Rn. 15. 19 Opitz §§6 ff. DepotG Rn. 37; Hellner/Steuer, Bankrecht, Rn. 8/50 ff. und 139; MünchKomm/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 86 20 Schimansky/Bunte/Lwowski/Gößmann § 72 Rn. 92.
294
Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung
der
Treugeberposition
Gleichordnung ihrer Mitglieder, die lediglich bei der Quote Unterschiede kennt. Sind also die Mitglieder der Rechtsgemeinschaft bei Eigenverwaltung an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden, so unterliegt bei Fremdverwaltung der Treuhänder dieser Maßregel, die Bestandteil der einzelnen Treuhandverhältnisse der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft zu dem Treuhänder wird. Der Interessengemeinschaft, so wird zu Recht gesagt, 21 sei die Gleichbehandlung der einzelnen Mitglieder immanent. Im Innenverhältnis der Rechtsgemeinschaft gilt hinsichtlich der Ausübung der Treugeberrechte das Mehrheitsprinzip nach Anteilen, §745 Abs. 1 BGB. Ein weiteres Beispiel findet sich im Recht der Kapitalanlagegesellschaften im Sinne des KAGG. Die Anleger als Treugeber bilden, wenn die Kapitelanlagegesellschaft das Sondervermögen zu Eigentum hat, ihrerseits eine Bruchteilsgemeinschaft. 22 Weil zwischen den Anlegern ein Gemeinschaftsverhältnis besteht, muß die Kapitelanlagegesellschaft als Treuhänder alle Anleger als Treugeber insbesondere bei der Gewinnausschüttung gleichbehandeln. 23
3. Andere
Interessengemeinschaften
Außerdem werden, unabhängig vom Bestehen einer Rechtsgemeinschaft, die Insolvenzgläubiger 24 und „Schiff, Fracht und Ladung", § 700 Abs. 2 HGB, bei der großen Haverei zu einer Interessen- oder Gefahrengemeinschaft zusammengefaßt, 25 deren Schaden nach Maßgabe der §§ 716 ff. HGB zu verteilen ist. Bei der großen Haverei geht es um das Risiko für Schäden, die an Schiff oder Ladung absichtlich zur Abwehr einer gemeinsamen Gefahr verursacht werden. Das gemeinsame Interesse an der Rettung des Schiffes schafft eine Gemeinschaft hinsichtlich der hierfür gebrachten Opfer 26 - auch hier entsteht eine Art Verlustgemeinschaft. Wird also etwa ein Teil der Ladung über Bord geworfen, um das Schiff mit der gesamten Ladung vor dem Sinken zu bewahren, so ist der Schaden auf die gesamte Gefahrengemeinschaft zu verteilen. 27 21 Vgl. Würdinger, Theorie, S. 22 ff. unter Verweis auf die Regelungen der §§ 743, 748, 752, 753, 757 BGB, insbesondere. S.30, und auf das Konkursrecht, S. 63 ff. 22 Baur § 6 KAGG Anm. III 2; Brinkhaus/Zeller § 6 KAGG Rn. 7; Schicker, Entwicklung, S. 126; Reuter, Investmentfonds, S. 126; Roth, Investmentmodell, S. 116; a.A. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2397: Gesamthandsgemeinschaft, weil die Verfügung über den Anteil - ein Charakteristikum der §§741 ff. BGB - ausgeschlossen sei und anders als in §6 DepotG auch nicht ausdrücklich die Bruchteilsgemeinschaft angeordnet sei. 23 Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2430. 24 Auch die Gläubiger im Restschuldbefreiungsverfahren werden als Bruchteilsgemeinschaft im Verhältnis ihrer Anteile am „Treugut" gesehen, Hess/Weis/Wienberg §292 InsO Rn. 22. 25 Rabe § 700 HGB Rn. 35. 26 Endemann, Handels-, See- und Wechselrecht, Band 4, S. 261. 27 Julius von Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, § 88 II.
§ 12. Quantitative
Spaltung der Treugeberposition
295
Im Insolvenzrecht ergibt es sich aus der Gesamtkonzeption und dem Zweck der InsO, die eine gleichberechtigte Gläubigerbefriedigung anstrebt und den Zwangsvollstreckungswettlauf der Gläubiger beendet, 28 daß die einzelnen Gläubiger gleichgeordnet sind. Der Insolvenzverwalter als Treuhänder der Insolvenzgläubiger ist deshalb zur Gleichbehandlung dieser zu einer Interessengemeinschaft verbundenen Gläubiger 29 verpflichtet. Es besteht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ja sogar schon im Vorfeld der Insolvenz, §§ 129 ff. InsO, eine „konkursspezifische Pflicht zur Gleichbehandlung und gleichmäßigen Berücksichtigung bei der Verteilung", 30 vgl. schon § 1 InsO, der als Insolvenzzweck die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger nennt. Es entsteht eine proportionale Verlustgemeinschaft der Gläubiger, die sich gegen jegliche Privilegien wendet, wie sie das Präventionsprinzip im Bereich der Einzelvollstrekkung gewährt. 31 § 226 InsO konkretisiert diesen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Rechtsordnung zwingt also die Gläubiger eines Schuldners mit Eröffnung des Verfahrens ohne ihren Willen zu einer Interessengemeinschaft miteinander verbundener Treugeber des Insolvenzverwalters zusammen. Gleiches gilt im Restschuldbefreiungsverfahren, für das in § 294 InsO die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausdrücklich angeordnet ist. Die Verbindung mehrere Treugeber bei „parallelen Interessen der Beteiligten" 32 oder „kollektiven Interessen"33 wirkt also auch in die einzelnen Treuhandverhältnisse der Treugeber zum Treuhänder hinein und führt dazu, daß Interessenkonflikte nicht in Richtung der Bevorzugung eines Treugebers vor dem/den anderen, sondern im Wege der Gleichbehandlung aufzulösen sind.
4. Keine
Verallgemeinerung
Soweit diese Regelungen reichen, kann angenommen werden, daß Treugeber zur Interessengemeinschaft mit der Folge einer Gleichbehandlungspflicht seitens des Treuhänders verbunden sind. Das geltende Recht ordnet eine solche Gleichbehandlungspflicht jedoch nicht allgemein für Treuhänder an, die mehrere Träger gleicher, gemeinschaftlicher oder paralleler Interessen als Treugeber betreuen. Die Frage ist deshalb, ob die ausdrücklich geregelten Einzelfälle tatsächlich verallgemeinert werden können. Das wird überwiegend und zu Recht abgelehnt; die Interessengemeinschaft sei kein Strukturtyp des deutschen Zivil28 Der Gleichbehandlungsgrundsatz tritt an die Stelle des einzelvollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzips, MünchKomm/5'i«r«er Einleitung InsO Rn. 1. 29 Uhlenbruck § 1 InsO Rn. 2: Die Rechtsdurchsetzung wird kollektiviert. 30 RGZ 87, 151; Baur/Stürner, Zwangsvollstreckung II - Insolvenzrecht, § 10.19; Smid/ Smid § 1 InsO Rn. 11; Uhlenbruck § 1 InsO Rn. 2. 31 Baur/Stürner, Zwangsvollstreckung II - Insolvenzrecht, Rn. 5.37. 32 Würdinger, Theorie, S. 21 f. 33 MünchKomm/Karsten Schmidt § 741 BGB Rn. 62.
296
Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung der
Treugeberposition
rechts. Über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus könne - abgesehen von „vorsichtiger Anlehnung" an §§ 700 ff. H G B in einigen wenigen Fällen 3 4 - die Pflicht eines Schuldners zur Gleichbehandlung der Gläubiger nicht mit einer Verbindung zwischen den Gläubigern, sondern - gerade was die in der Rechtsprechung entschiedenen Mangelfälle betreffe - nur mit einer eigenen Gleichbehandlungspflicht des Schuldners begründet werden. 35 Diese leite sich aus § 242 B G B her 3 6 und habe zur Folge, daß sich etwa ein Schuldner bei nicht zu vertretender Teilunmöglichkeit oder bei teilweisem Untergang einer Sammelversendung an mehrere Gläubiger nicht durch willkürliche Befriedigung einzelner Gläubiger befreien könne. Insbesondere bestehe auch vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gerade keine Interessengemeinschaft zwischen den Gläubigern. 37 Das ist in der Tat zutreffend. Die Interessengemeinschaft als „faktische Gesellschaft" im Gegensatz zu den vertraglichen Gemeinschaften in Form der Gesellschaften orientiert sich überdies, soweit es an gesetzlichen Regelungen fehlt, ausschließlich den tatsächlichen Beziehungen der Beteiligten. 38 Sie begegnet damit der gleichen Kritik 3 9 wie etwa die Figur des faktischen Vertrages, der ebenfalls bestimmte Rechtswirkungen losgelöst vom rechtsgeschäftlichen Willen an rein tatsächliche Gegebenheiten knüpft. Eine Interessengemeinschaft besteht insbesondere nicht in den vom Reichsgericht entschiedenen „Mangelfällen" wie dem Zuckerrübenfall. 40 Nicht, solange die Warenmenge ausreicht und erst recht nicht im Mangelfall, in dem sich gerade der ein Interessengegensatz der Gläubiger besonders stark zeigt. 41 Würde man in einem solchen Fall die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus der Verbindung der Gläubiger heraus begründen, dann entstünde als Folge in der Tat eine Interessengemeinschaft zwischen den Gläubigern. Nicht hingegen läßt sich - etwa in Mangelfällen - aus dem Bestehen einer solchen Gemeinschaft die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes folgern, wenn man sich nicht dem Vorwurf eines Zirkels aussetzen möchte. Etwas anderes würde Vgl. B G H Z 38,270: Selbstaufopferung im Straßenverkehr. MünchKomm/Karsten Schmidt § 741 BGB Rn. 63; genauso StaudingerlLanghein § 741 BGB Rn. 174; Soergel/Hadding vor § 741 BGB Rn. 12. 3 6 Vgl. de Boor, Kollision, S. 140. 37 B G H Z 116, 318; UxmcbKomm/Karsten Schmidt §741 BGB Rn.64. Bereits im Ausschuß für Personen-, Vereins- und Schuldrecht der Akademie für Deutsches Recht wurde vorgeschlagen, eine Norm mit dem Inhalt aufzunehmen: „Hat der Schuldner an mehrere aus einem Vorrat zu liefern und reicht dieser ohne sein Verschulden nicht aus, so hat er die Ansprüche der Gläubiger verhältnismäßig zu kürzen.", Stoll, Lehre, S. 130 (§5 Abs. 2 Satz 3 des Entwurfs). 3 8 Das zeigt sich vor allem bei Wüst, Interessengemeinschaft, S.ll. 3 9 Zur Kritik an der Figur des faktischen Vertrags vgl. bereits etwa Lehmann N J W 1958, 1 ff.; Flume, FS DJT I, S. 187; Wieacker JZ 1959, 383; Krause BB 1959, 419; Baur]Z 1957, 764; Börner FS Nipperdey I, S. 207. 4 0 Dazu eingehend unten § 25. 41 De Boor, Kollision, S. 23. 34 35
§ 12. Quantitative
Spaltung der
Treugeberposition
297
nur gelten können, wenn man zwischen sämtlichen Gläubigern eine Schuldners immer eine Interessengemeinschaft annähme, was auch zu Pflichten der Gläubiger untereinander führen würde. Die Folge eines solchen Vorgehens wäre jedoch eine Abkehr von den Grundlagen der deutschen Schuldrechtsdogmatik, denn die Forderungen begännen „absolut" zu werden. Für die Begründung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gilt, von gesetzlichen Regelungen und rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen einmal abgesehen: „Wie immer eine Lösung lautet, sie darf nicht in einem Verhältnis zwischen den Gläubigern gesucht werden". 42 Etwas anderes gilt jedoch, wie erörtert, dann, wenn die Gleichbehandlung ausdrücklich gesetzlich angeordnet ist oder die Treugeber kraft Gesetzes zu einer Interessengemeinschaft zusammengefaßt sind.
5. Gleichbehandlung
im
a) Der Versicherungsvertrag
Versicherungsvertragsrecht? als
Treuhandverhältnis
Gemeinhin wird der Versicherungsvertrag als Austauschvertrag angesehen: Prämienzahlung gegen Geldleistung im Versicherungsfall. 43 Das mag auf der Einordnung des im 14. und 15. Jahrhundert von der Legistik neu geschaffenen Vertragstyps als contractus innominatus beruhen, der nach den Regeln des Kaufvertrages als Kauf des eventus periculi angesehen wurde. 4 4 Schünemann45 hingegen ordnet ihn als Geschäftsbesorgungsvertrag ein. Der Versicherer organisiere eine Gefahrengemeinschaft, ihm werde die Prämie zu treuen Händen überlassen. Im Versicherungsfall erfolge nichts anderes als eine Umverteilung der Prämien 46 von denen der Versicherer freilich einen Teil als Entgelt für die Organisation der Gefahrengemeinschaft einbehalte. Schünemann sieht also die eingezahlten Prämien als vom Versicherer treuhänderisch verwaltetes Sondervermögen an, mit Hilfe dessen die Risikovorsorge der Versicherungsnehmer wahrgenommen wird. Gegen dieses Modell wird eingewendet, daß man auf dieser Grundlage das einzelne Vertragsverhältnis aus dem Blick verliere und die Gefahrengemeinschaft als Vertragspartner ansehen müsse. 47 Das erscheint unzutreffend, wie ein Vergleich zu anderen Gefahrengemeinschaften zeigt. „Schiff, Fracht und Ladung", § 700 Abs. 2 HGB, werden bei der großen Haverei vom Gesetzgeber zu 42
De Boor, Kollision, S. 79 f. Prölss!Martin § 1 V V G Rn. 21; Honsell/Schwintowski § 1 V V G Rn. 28; Schimikowski, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 29; Weyers/Wandt, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 15 ff. 44 Nehlsen-von Stryk, Seeversicherung, S. 27. 45 Schünemann JZ 1995,430 ff. 46 Schünemann JZ 1995, 430, 432; ähnlich Kisch, Ethik, S. 6. 47 So Prölss/Martin § 1 V V G Rn. 23; Schwintowski, Versicherungsvertrag, S. 93; Prölss, FS Larenz, S. 487 ff. nennt den Versicherer „Treuhänder der Gefahrengemeinschaft". 43
298
Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung
der
Treugeberposition
einer Gefahrengemeinschaft zusammengefaßt. 48 Trotzdem bestehen etwa zwischen dem Verfrachter und den Befrachtern jeweils einzelne Verträge im Sinne des §556 HGB. 49 Ein anderer Einwand ist, daß der Versicherer im Versicherungsfall nicht mehr leistungspflichtig wäre, wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist, oder die Versicherungsnehmer in einem solchen Fall nachschießen müßten. 50 Dieser Einwand ist in der Tat stichhaltig, jedoch nur gegen die Auffassung Schünemanns, nicht jedoch insgesamt gegen die Einordnung des Versicherungsvertrags als Treuhandverhältnis nach der hier vertretenen Sichtweise der Treuhand. Der Versicherer nimmt vielmehr die Interessen der einzelnen Versicherungsnehmer wahr, indem er für sie die Risikovorsorge übernimmt. 51 Damit sind die Interessen von Versicherungsnehmer und Versicherer treuhänderisch miteinander verkettet. Zur Wahrnehmung der Interessen erhält er als Machtmittel die um den Entgeltanteil verminderten Prämienzahlungen, die er jedoch nicht als treuhänderisches Sondervermögen verwalten muß. Löst man sich von der Einordnung der Prämien als treuhänderisch gehaltenem Sondervermögen, so lassen sich Prämienerhöhungen „bei einer nicht nur als vorübergehend abzusehenden und nicht vorhersehbaren Veränderung des Leistungsbedarfs" durchaus als eine Form des „Nachschusses" verstehen. Für die Einordnung als Treuhandverhältnis spricht umgekehrt übrigens auch, daß man etwa die Uberschußbeteiligung bei der Kapitallebensversicherung auf Grundlage eines Austauschvertrags kaum erklären kann. 52 Uberhobene Prämien müssen nämlich nach Schwankungsrückstellung, § 341h HGB, dem Versicherungsnehmer in irgendeiner Weise gutgebracht werden. 53 Der Umstand, daß die Prämien nicht als Sondervermögen anzusehen sind, nimmt dem Versicherungsvertrag aber nicht den Treuhandcharakter. 54 Auch der entgeltliche Charakter des Versicherungsvertrags spricht nicht gegen seine Einordnung als Treuhandverhältnis. 55 Gleiches gilt für den Umstand, daß der Versicherer unabhängig von der Höhe der eingezahlten Prämien im Versicherungsfall zur Leistung verpflichtet ist: Die Interessenwahrnehmungspflicht des Versicherers besteht nicht darin, sich so zu verhalten, daß bestimmte Risiken der Dazu oben § 12 III. Rabe § 556 HGB Rn. 9 ff. 50 Pataki, Geschäftsbesorgungsgedanke, S. 216 ff. 51 Unzutreffend deshalb der Einwand von Honsell/Scbwintowski §1 VVG Rn.29, der Versicherer führe kein Geschäft des Versicherungsnehmers, weil die Bedrohung mit einem Risiko kein eigenes Geschäft des Versicherungsnehmers sei. Das ist freilich zutreffend, jedoch führt der Versicherer das Geschäft der Risikovorsorge für den Versicherungsnehmer, das dieser etwa durch Bildung von Sparrücklagen - freilich viel ineffektiver - auch selbst führen könnte. 52 Schünemann JZ 1995,430,431; Scbünemann BB 1995,417. 53 Prölss/Martin § 1 VVG Rn. 22. 54 So jedoch Prölss/Martin § 1 VVG Rn. 23. 55 Dazu eingehend oben § 8 12 a. 48 49
§ 12. Quantitative Spaltung der Treugeberposition
299
Treugeber mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit abgesichert werden, so wie ein Vermögensverwalter dazu verpflichtet ist, Geld nach bestimmten Anlagegrundsätzen so anzulegen, daß es im Rahmen dieser Grundsätze höchstmöglichen Ertrag abwirft. Vielmehr schuldet der Versicherer als Treuhänder den Erfolg der Risikoabsicherung unter allen Umständen, wie sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 V V G ergibt, wo ohne Einschränkungen angeordnet ist, daß der Versicherer im Versicherungsfall den Vermögensschaden des Versicherungsnehmers zu ersetzen habe. Es handelt sich also um ein Treuhandverhältnis mit werkvertraglichem Charakter, 5 6 bei dem die Interessenwahrnehmungspflicht nicht als bloße Rahmenpflicht feststeht, sondern der Treuhänder ausnahmsweise einen bestimmten Erfolg bei der Interessenwahrnehmung schuldet. Auch wenn der Versicherer tatsächlich die Prämien so kalkuliert, daß er einen Fonds errichten kann, aus dem in der Regel sämtliche Versicherungsfälle der Prämienzahler abgewickelt werden können, auch wenn er für atypische Geschehensabläufe Rückstellungen bildet, § 341h H G B , auch wenn er sich rückversichert und so Deckung für seine Einstandspflicht aus den Erstversicherungen erhält und das „Versicherungstechnische Risiko", also die Abweichung von Prämienkalkulation und Tatsachenverlauf, abdecken kann: 5 7 Es handelt sich dabei - anders als dies bei einer dienstvertraglichen Fassung des Versicherungsvertrags der Fall wäre - nicht um einzelne Facetten der Interessenwahrnehmungspflicht des Treuhänders, sondern um interne Maßnahmen zur Absicherung des Erfolgs, für den der Treuhänder haftet.
b) Keine Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes Nach verbreiteter Auffassung darf der einzelne Versicherungsnehmer keine „gemeinschaftswidrigen Sondervorteile" 58 für sich beanspruchen, es soll also der Gleichbehandlungsgrundsatz gelten. 59 Dieser Umstand wird zum Teil aus dem Verhältnis der Versicherungsnehmer zueinander begründet, indem behauptet wird, daß die Versicherungsnehmer eine Gefahrengemeinschaft bildeten. 6 0 Das Bestehen einer derartigen Gefahrengemeinschaft ist im Versicherungsvertragsrecht jedoch anders als in den oben geschilderten Fällen nicht zu begründen: Die Versicherungsnehmer sind nicht zur Rechtsgemeinschaft an eiDazu eingehend oben § 8 14. Weyers/Wandt, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 35. 5 8 Sonder vorteil wäre etwa eine als Schadensfall verbuchte Kulanzzahlung, R G J W 1936, 177, oder die Rückdatierung eines Versicherungsvertrags in Kenntnis eines bereits eingetretenen Schadens, B G H VersR 1982, 841, 843, oder die Gewährung günstigerer Beiträge, Brückl Möller Einl. VVG Anm. 66. 5 9 Vgl. etwa Deutsch, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 17; Hofmann, Privatversicherungsrecht, § 2 Rn. 14; Prölss VersR 1950, 137 bezeichnet den Gleichbehandlungsgrundsatz als „Leitstern" des Versicherungsvertragsrechts; eingehend Jannot, FS E . Lorenz, S. 341 ff. 6 0 Vgl. nur Bruck/Möller Einl. VVG Anm. 66; Prölss!Martin Vorbem. II VVG Rn. 2 ff. 56 57
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Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung
der
Treugeberposition
nem Sondervermögen verbunden, wie das etwa bei Kapitalanlegern im Geltungsbereich des KAGG der Fall ist, noch ist das Bestehen einer Gefahrengemeinschaft, wie etwa im Insolvenzrecht, gesetzlich angeordnet. 61 Der Versicherer ist nicht „Hüter gemeinsamer Interessen der Versicherungsnehmer". 62 Prölss beruft sich zur Begründung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf ein versicherungsvertragliches Optimierungsgebot: Der Versicherer müsse gleiche Risiken zu gleichen Bedingungen versichern, da er ansonsten einzelne Versicherungsnehmer nicht optimal bediene. 63 Der Versicherungsnehmer strebe nämlich eine möglichst günstige Relation zwischen Prämienhöhe und potentiellem Versicherungsnutzen an und die Optimierung sei Aufgabe des Versicherers, 64 der infolgedessen Versicherungsnehmer mit gleichen Risiken gleich behandeln müsse. Allerdings kann Prölss auf Grundlage der Annahme, daß der Versicherungsvertrag ein Austauschvertrag sei, 65 nicht einleuchtend begründen, warum die Optimierung Aufgabe des Versicherers sein soll. Genauso wenig wie der Verkäufer zur Optimierung der Kaufsache verpflichtet ist, muß der Versicherer beim Austausch von Prämie und auf den Eintritt des Versicherungsfalls bedingter Geldleistungspflicht das angebotene Produkt optimieren. Die von Prölss herangezogenen §§23 ff., 61, 152 VVG können das gegenteilige Ergebnis nicht stützen. 66 Etwas anderes könnte gelten, wenn man den Versicherungsvertrag als Treuhandverhältnis ansieht, allerdings nur, wenn der Versicherungsvertrag ein Treuhandverhältnis mit dienstvertraglichem Charakter darstellte. Würde der Versicherer tatsächlich ein Treuhandvermögen verwalten, das aus den Prämien der Versicherungsnehmer besteht, so hätte er die Pflicht, eine möglichst treugeberinteressengerechte Relation von Risikoabdeckung und Prämienhöhe zu erstreben. Ist der Versicherer allerdings, wie sich aus § 1 Abs. 1 VVG ergibt, unabhängig davon, ob die erhaltene Prämiensumme ausreicht oder nicht, zur Leistung verpflichtet und deshalb werkvertraglicher Treuhänder, dann läßt sich ein derartiges Optimierungsgebot nicht begründen und der Treuhänder kann seine werkvertragliche Interessenwahrnehmung zu beliebigem Entgelt anbieten - und ist deshalb auch befugt, unterschiedliche Versicherungsnehmer 61 Etwas anderes würde nur gelten, wenn Versicherer und Versicherungsnehmer durch Abrede im Versicherungsvertrag eine virtuelle Interessengemeinschaft errichtet hätten, so daß sich der Versicherer verhalten muß, als ob eine solche Gemeinschaft bestünde. Ein Hinweis hierauf findet sich bereits bei Prölss, FS Larenz, S. 490, der allerdings ablehnt, daß der Versicherer die Versicherungsnehmer von der Bildung einer Gemeinschaft entlastete, sich das Verhältnis des Versicherers zu den Versicherungsnehmern deswegen aber trotzdem so gestalten müsse, als habe diese Entlastung nicht stattgefunden und die Versicherungsnehmer eine Gemeinschaft gebildet. 62 Begriff bei Prölss, FS Larenz, S. 489. 63 Prölss, FS Larenz, S. 533 f. 64 Prölss, FS Larenz, S. 491. 65 Prölss/Martin § 1 VVG Rn. 20 ff. 66 Kritisch auch Jung VersR 2003,282,284.
§ 12. Quantitative
Spaltung der
Treugeberposition
301
zu unterschiedlichem Entgelt zu versichern, sofern er nicht durch Dumping seine Leistungsfähigkeit insgesamt unterminiert. 6 7 Solange der Gesetzgeber die Gleichbehandlung der Versicherungsnehmer nicht ausdrücklich anordnet, läßt sich die Behauptung eines versicherungsvertragsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes also nicht aufrechterhalten.
IV. Folgerungen für das allgemeine Treuhandrecht Die Figuren der Gesamthands- und Interessengemeinschaft sind auf die gesetzlich bestimmten Fälle beschränkt und können nicht auf beliebige Weise durch Parteivereinbarung hergestellt werden. Gleichwohl kann für das Innenverhältnis zwischen Treugebern und Treuhänder auch in anderen Fällen der Zustand einer derartigen Gemeinschaft durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung, nach der sich die Beteiligten so verhalten müssen „als ob", hergestellt werden.
1. Rechtsgeschäftliche Fiktion einer
Gesamthandsgemeinschaft
Der Treuhänder kann zur Gleichbehandlung der Treugeber verpflichtet sein, weil diese zwar nicht entsprechend miteinander verbunden sind, er sich aber so verhalten muß, als wären die Treugeber entsprechend miteinander verbunden. Ein Beispiel für die Anwendung des Fiktionsmodells 68 in diesem Bereich ist die Verwaltung eines vollkaufmännischen Handelsgewerbes für die Erben durch einen Treuhänder. In Betracht kommt hier nach der gesetzgeberischen Vorstellung eigentlich die Anordnung der Testamentsvollstreckung durch den Erblasser. Eine verwaltende Testamentsvollstreckung an einem einzelkaufmännischen Unternehmen oder einer persönlich haftenden Beteiligung ohne Zustimmung aller Mitgesellschafter wird jedoch verbreitet als grundsätzlich nicht möglich angesehen, weil die auf den Nachlaß beschränkte Haftung der Erben nicht passe. 69 Deshalb wird zur Vermeidung von Schwierigkeiten vielfach eine „Vollrechtstreuhand" errichtet. Der Testamentsvollstrecker führt also beispielsweise das ihm übertragene einzelkaufmännische Unternehmen im eigenen Namen und unter persönlicher Haftung als Treuhänder für die Erben. Eine Anordnung der insoweit unzulässigen Testamentsvollstreckung durch den Erblasser wird
Jung VersR 2003,282,284. Dazu schon oben § 1013 b cc. 6 9 Vgl. nur RGZ 132, 138, 144; BGH N J W 1998, 1313; Palandt/Edenhofer, §2205 BGB Rn. 8 und 15; Staudinger/Reimann § 2205 Rn. 91; Bengel/Reimann/Mayer Rn. V Iii; Richardi, Verwaltungsrecht, S. 26 f. 67
68
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Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung der
Treugeberposition
im Zweifel in dieser Weise zu verstehen sein.70 Dabei ist anerkannt, daß der Treuhänder gegenüber den Erben als Treugebern (in Form der Treuhandbegünstigten71) die Pflichten eines ordentlichen Testamentsvollstreckers hat. Der Umstand, daß die vom Erblasser gewünschte rechtliche Abbildung seiner Anordnungnicht erreicht werden kann, soll sich auf die Interessenwahrnehmungspflicht des Treuhänders, der insbesondere sämtliche Erben als Treugeber gleichzubehandeln hat, nicht auswirken. Der Treuhänder hat sich so zu verhalten, „als ob" er Testamentsvollstrecker wäre.
2. Rechtsgeschäftliche
Fiktion einer
Interessengemeinschaft
Darüber hinaus können im Wege rechtsgeschäftlicher Vereinbarung Verhältnisse simuliert werden, die denen bei Vorliegen einer Interessengemeinschaft entsprechen. Dazu bedarf es einer Vereinbarung seitens des Treuhänders mit allen Treugebern gleichermaßen, in der die Pflichten des Treuhänders entsprechend gefaßt werden. Ein Beispiel ist die außergerichtliche, also außerhalb eines Insolvenzverfahrens stattfindende, Liquidation oder Sanierung.72 Hier werden die Gläubiger zum Teil als Interessengemeinschaft angesehen, die sich durch Beitritt zu „dem Vergleich" bilde, sobald dieser durch entsprechende Beteiligung wirksam werde, so daß der einzelne Gläubiger hinter die „Gläubigerschaft" zurücktrete.73 Zum Teil wird auch das Bestehen einer Rechtsgemeinschaft behauptet, weil jeder beteiligte Gläubiger wisse, daß das Gelingen vom Mit- und Zusammenwirken aller Gläubiger abhänge.74 Schottland sieht sogar eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, weshalb der Treuhandvergleich ein „Gesamtrechtsgeschäft" sei.75 Uhlenbruck hingegen geht zurecht von Einzelverträgen jedes Gläubigers mit dem Sanierer aus.76 Es besteht in der Tat keine Interessen- oder gar Gesamthandsgemeinschaft,77 so daß es nicht zutrifft, wenn behauptet wird, der Treu7 0 B G H Z 2 4 , 1 0 6 ; Staudingerl Keimann § 2205 B G B Rn. 93; Soergel/Damrau § 2205 B G B Rn. 19. 71 Dazu gleich unten § 14 II 2. 7 2 Näher dazu gleich unten § 13 II 5. 73 Bauer, Treuhandvergleich, S. 74 ff.; unschlüssig hier Emmerich, Sanierung, S. 60. 74 Mühl N J W 1956,403. 75 Schottland, Treuhandliquidation, S. 55; so wohl auch O L G Celle N J W 1965, 399, 400; Soergel/Schultze-v. Lasaulx vor § 705 B G B Rn. 79. 76 Uhlenbruck, GmbH, S. 159. 7 7 So aber Staudingerl Marburger § 779 B G B Rn. 61, der einerseits „eine Vielzahl von Einzelvergleichen zwischen dem Schuldner und jedem einzelnen Gläubiger" sieht, andererseits aber wenig folgerichtig nur einige Zeilen später davon spricht, daß „ der Vertrag zwischen dem Schuldner auf der einen und der Gesamthand der Vergleichsgläubiger [...] auf der anderen Seite zustandekommt".
§ 12. Quantitative
Spaltung
der Treugeberposition
303
händer müsse sich hier wegen der „gemeinsamen Interessen" 78 der Gläubiger wie im Insolvenzrecht an den Gleichbehandlungsgrundsatz halten, denn hier wird die Anknüpfung nicht rechtsgeschäftlich sondern in kritikwürdiger Weise an einer faktischen Interessengemeinschaft gesucht. Im Insolvenzverfahren ergibt sich die Verbindung der Gläubiger aus der Kollektivierung der Rechtsverfolgung kraft gesetzlicher Anordnung. Entscheidend kommt es vielmehr darauf an, daß die einzelnen Gläubiger als Treugeber des Liquidators oder Sanierers mangels besonderer Umstände davon ausgehen dürfen, daß nicht nur ihr Wille, sondern auch der Einstandswille des Treuhänders darauf gerichtet ist, alle Gläubiger dieses Liquidations- oder Sanierungsfalles gleichzubehandeln, auch ohne daß sich diese Gleichbehandlung aus dem Innenverhältnis zwischen den Treugebern ergibt. 79 Der Treuhänder nimmt in diesen Fällen kraft Vereinbarung mit allen Gläubigern gewissermaßen die Rolle eines „außergerichtlichen Insolvenzverwalters" ein. Alle Gläubiger lassen sich auf ihren Vergleich mit dem Schuldner nur unter der Bedingung der Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ein, 80 der im förmlichen Insolvenzverfahren auch gelten würde. 8 1 Es wird zwischen Treuhänder und Gläubigern mangels abweichender Vereinbarung letztlich das Bestehen eines treuhänderischen Pflichtenprogramms vereinbart, wie es bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bestünde. Schwächen des Insolvenzverfahrens werden also zwar im Wege der Durchführung eines außergerichtlichen Verfahrnes vermieden, es wird jedoch kraft Rechtsgeschäfts trotzdem das Bestehen eine Interessengemeinschaft zwischen den Gläubigern und die Stellung des Treuhänders als Insolvenzverwalter fingiert, woran der Treuhänder seine Pflichten auszurichten hat. Zutreffend betont der Bundesgerichtshof deshalb „den das [außergerichtliche] Vergleichsverfahren beherrschenden Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessen der Gläubiger am Zustandekommen, am Inhalt und an der Durchführung des Vergleichs". 82 Der insolvenzrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz bildet im förmlichen Verfahren das Gegengewicht zum Majorisierungszwang. 83 Auch die Geltung des Mehrheitsprinzips bei der Ausübung von Treugeberrechten wird deshalb in Wilmersdörffer/Selo § 5 VerglO Anm. 6. Vgl. RGZ 153,395, 397 f.; KG ZIP 1980, 964. 80 Vgl. Bauer, Treuhandvergleich, S. 29 f.; Nolden, Gläubigerakkord, S. 30 ff.; Schottland, Treuhandliquidation, S. 94 ff.; Rosenthal, Treuhandvergleich, S. 17; Kohler-Gehrig, Vergleich, S.44ff. und 62ff.; BGH NJW 1964, 1317ff.; BGH KTS 1978, 83ff.; OLG München NJW 1956, 1802; Mühl NJW 1956, 403; a.A. ohne nähere Begründung Emmerich, Sanierung, S. 61 f.: „für den einzelnen Gläubiger eine mehr oder weniger nebensächliche Frage", wahrscheinlich meint er aber ähnliches. 81 Müller, ZHR 100, 89, 91: „konkursmäßige Grundsätze"; Kohler-Gehrig, Vergleich, S. 16. 82 BGH NJW 1964,1317,1320. 83 RGZ 6,227 f; vgl. auch RGZ 28, 98; RGZ 40,195 ff.; RGZ 78,186; obiter auch RGZ 30, 22; RGZ 61, 298; Habscheid, GS Bruns, S.256; Paulsen, Praxis, S. 17, so daß bei der außerge78
79
304
Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung
der
Treugeberposition
der Weise fingiert werden können, als in den jeweiligen Treuhandverträgen etwa vereinbart wird, daß der Treuhänder an Weisungen nur gebunden ist, soweit sie von der Mehrheit erteilt werden. Um ihre Stellung der Interessengemeinschaft der Insolvenzgläubiger anzunähern, können die Gläubiger einen Gläubigerausschuß als Organ generieren 84 und sich auf diese Weise organisieren. Die „Wahl" in den Ausschuß ist dann freilich ein mehrseitiger Vertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter 85 zwischen den nicht gewählten und den gewählten Gläubigern. Der Gläubigerausschuß als Treuhänderkollegium 86 ist wiederum Treuhänder der Gläubiger insgesamt. 87 Er kann sich eine Geschäftsordnung geben und hat die ihm übertragenen Gläubigerrechte wahrzunehmen, in der Regel sind das vor allem Beratung sowie Kontroll- und Aufsichtsrechte. 88
V. Zusammenfassung Eine verbundene Mehrheit von Treugebern kann dadurch entstehen, daß die Treugeberposition quantitativ gespalten ist, sie also mehreren Treugeber gemeinsam zusteht. Der Treuhänder hat diese Treugeber dann gleichzubehandeln, soweit diese in einem Verhältnis der Gleichordnung miteinander verbunden sind, das aufgrund des Substitutionscharakters des Treuhandverhältnisses in die einzelnen Treuhandverhältnisse hineinragt. Das gilt insbesondere für die Verbindung der Treugeber zur Gesamthandsgemeinschaft oder zur Interessengemeinschaft. Eine derartige Verbundenheit kann auch als Grundlage einer Gleichbehandlungspflicht für den Treuhänder durch entsprechende Vereinbarung fingiert werden. Jedoch hat ein Treuhänder über diese Fälle hinaus nicht sämtliche Treugeber mit gleichartigen oder gleichgerichteten Interessen gleichzubehandeln. Die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes spielt vor allem beim Vorliegen von Interessenkonflikten zwischen den miteinander verbundenen Treugebern eine Rolle. Die Einzelpflichten des Treuhänders bestimmen sich nämlich nicht mehr nur nach Interessen und Wahrnehmungszielen des einzelnen Treugebers. Sie werden vielmehr zusätzlich durch die aus der gleichstufigen Verbindung der Treugeber folgende Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes determiniert, so daß Einzelpflichten den einzelnen Treugebern gegenüber immer nur insoweit entstehen, als sie gleichermaßen gegenüber allen Treugebern denkrichtlichen Liquidation oder Sanierung bei der Abwicklung, nicht aber beim Abschluß der einzelnen Vergleichsverträge Gleichheit herrschen muß, vgl. Emmerich, Sanierung, S. 83 ff. 84 Emmerich, Sanierung, S. 60. 85 Kohler-Gehrig, Vergleich, S. 75. 8 6 Dazu unten §26. 8 7 Vgl. Emmerich, Sanierung, S. 184. 8 8 Vgl. Rosenthal, Treuhandvergleich, S. 16; Kohler-Gehrig, Vergleich, S. 75f.
§12. Quantitative
Spaltung der Treugeberposition
305
bar sind. So darf der Treuhänder vor allem bei der Zuteilung knapper Ressourcen keine Unterschiede zwischen den Treugebern machen und muß sämtliche Treugeber gleichmäßig pro rata bedienen, auch wenn es den Interessen eines einzelnen Treugebers besser dienen würde, eine größere Menge eines knappen Gutes zu erhalten. Auch Aufklärungs- oder Benachrichtigungspflichten bestehen gleichermaßen gegenüber allen Treugebern. Als Folge der Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes können Treugeber, die einer derartigen Treugeberverbindung angehören, ihre Treugeberrechte nicht isoliert ausüben. Das treugeberische Weisungsrecht steht beispielsweise den Treugebern nur nach Maßgabe ihrer Verbindung zu und kann etwa bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts grundsätzlich nur von allen Treugebern gemeinsam ausgeübt werden, 709 BGB. In der Interessengemeinschaft der Insolvenzgläubiger gilt hingegen das Mehrheitsprinzip, vgl. § 76 InsO, so daß bereits die Treugebermehrheit durch Beschluß der Gläubigerversammlung die treugeberischen Mitwirkungshandlungen nach §§ 160 ff. InsO vornehmen kann. Weisungen einzelner Treugeber können jedoch keine konkreten Einzelpflichten des Treuhänders erzeugen.
§13. Antagonistische Treugeber I. Einleitung Von der soeben erörterten quantitativen Spaltung der Treugeberposition ist deren qualitative Aufspaltung auf mehrere Treugeber zu unterscheiden, bei der verschiedene Personen auf der Treugeberseite jeweils verschiedene Facetten dieser Position innehaben. Das ist etwa dann der Fall, wenn mehrere Interessenträger im selben Interessensegment gegensätzliche Interessen verfolgen, so daß es zu einer Auseinandersetzung zwischen diesen Interessenträgern kommt. In diesem Fall können diese Interessenträger einen Treuhänder, etwa ein staatliches Gericht oder einen unabhängigen 1 Schiedsrichter, zur Streitentscheidung im Sinne einer ausgleichenden Wahrnehmung ihrer widerstreitenden Interessen beauftragen. Derartige Treuhandverhältnisse sind also - anders die übrigen hier untersuchten Treuhandverhältnisse - gerade auf das Bestehen von Interessenkonflikten hin angelegt. Gleiches gilt für beispielsweise das Insolvenzverfahren, in dem sich die Interessen des Gemeinschuldners und der Gläubiger gegenüberstehen können. Die Interessenwahrnehmungspflichten des Treuhänders gegenüber den antagonistischen Treugebern werden damit durch das Kriterium des richtigen Interessenausgleichs zwischen diesen Treugebern und nicht durch die Wahrnehmungsziele und konkreten Weisungen eines einzelnen Treugebers determiniert, wobei sich die Richtigkeitsmaßstäbe aus unterschiedlichen Quellen speisen können.
1
Zur Befangenheit von Schiedsrichter-Treuhändern unten § 19 II 1 a und § 20 II.
§ 13. Antagonistische
Treugeber
307
II. Einzelne Schiedsrichter-Treuhänder 1. Zivilgerichte Infolge der Klageeinreichung und -Zustellung 2 kommt - unabhängig vom Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen 3 - zwischen Kläger, Beklagtem und Staat ein dreiseitiges Prozeßrechtsverhältnis 4 zustande. Der Staat nimmt dabei als Treuhänder 5 beider Prozeßparteien deren gegensätzliche Parteiinteressen in einem bestimmten Interessenbereich (Streitgegenstand) dadurch wahr, daß er sie nach prozessualen und materiellrechtlichen Regeln zum Ausgleich bringt, indem er den Rechtsstreit richtig entscheidet. Im Prozeßrechtsverhältnis entfaltet sich also der Anspruch der Parteien auf Rechtsschutz und die staatliche Pflicht, diesen zu gewähren. 6 Der Staat handelt bei der Wahrnehmung seiner treuhänderischen Aufgaben durch die Gerichte als Organe zur Ausübung der Rechtspflege. 7 Die Gerichte haben treuhänderische Macht zum Eingriff in die Interessensphäre aller Beteiligten, weil sie, solange ein Verfahren rechtshängig ist, im Wege bindender Streitentscheidung auf den Interessenkreis der Parteien einwirken können, indem sie die Rechtslage bindend feststellen oder umgestalten oder vollstreckbare Leistungsbefehle erteilen können. Ein Treugeber (Kläger) kann einseitig durch Klageerhebung ohne Zustimmung des antagonistischen anderen Treugebers (Beklagter) das jeweils zuständige Gericht als Treuhänder zur Streitentscheidung bestellen. Auch das Interessensegment, zivilprozessual der Streitgegenstand, wird dabei zunächst einseitig vom Kläger im Rahmen der Klageerhebung festgelegt, §253 Abs. 2 Z P O . Der Beklagte kann dem Gericht jedoch, ebenfalls einseitig, im Wege der Widerklage auch andere Interessensegmente zur Wahrnehmung in Form der Streitentscheidung übertragen. Der Kläger (oder der Beklagte als Widerkläger) ist deshalb zur einseitigen Begründung eines Treuhandverhältnisses in dem mit dem Beklagten streitigen Interessensegment befugt, weil die besondere Organisation staatlicher Rechtspflege den Beklagten vor Mißbrauch in Form der Bestellung eines für die 2 Allein der Kläger kann dieses Treuhandverhältnis also begründen. Der Beklagte muß sich dieses gesetzlich angeordnete Verfahren gefallen lassen, erleidet jedoch keine Nachteile, weil sich der Kläger weder den entscheidenden Spruchkörper, noch die für die Entscheidung maßgeblichen Normen aussuchen kann. Dabei wird freilich die Möglichkeit einer Wahl zwischen mehreren Wahlgerichtsständen, § 3 5 Z P O , und in manchen Fällen auch der Wahl der Entscheidungsnormen im Wege des „forum Shopping" nicht übersehen. 3 B G H N J W 1992,2575. 4 Stein/Jonas/Brehm vor § 1 Z P O Rn. 204; MünchKomm/£«/fee Einl. Z P O Rn. 28. 5 Dabei wird nicht übersehen, daß es sich bei dem Prozeßrechtsverhältnis, soweit nicht das Verhältnis der Parteien untereinander, sondern deren Verhältnis zum Staat in Rede steht, um eine öffentlichrechtliche Rechtsbeziehung handelt, weil der Staat insoweit hoheitlich handelt, vgl. nur Stein/Jonas/Brehm vor § 1 Z P O Rn. 206. 6 Zöller/Vollkommer Einl. Rn. 52. 7 Rosenberg/Schwab/Gottwald§2 R n . 4 und § 2 0 Rn. 1.
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Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung
der
Treugeberposition
Wahrnehmung der Beklagteninteressen ungeeigneten, weil parteiischen Treuhänders schützt und durch Zuständigkeitsregeln, §§ 12 ff. Z P O , 23 ff., 71 G V G , einen von vornherein feststehenden, neutralen Treuhänder gewährleistet. 8 Der Richter ist bei seiner Streitentscheidung materiellrechtlich wie verfahrensrechtlich an Recht und Gesetz gebunden, nicht an die Wahrnehmungsziele einer Partei. Vielmehr gibt die gesamte Rechtsordnung dem Richter Wahrnehmungsziele und Leitlinien für den gerechten Interessenausgleich zwischen den Parteien vor. Der Richter konkretisiert also die von den Parteien zulässig vereinbarten vertraglichen Abreden und die vom Gesetzgeber vorgenommenen Interessenbewertungen für die Streitentscheidung im Einzelfall. Die staatliche Rechtspflege und die Bindung an Recht und Gesetz bietet eine hohe Gewähr für einen „richtigen" Interessenausgleich. Sollte ein Treugeber dennoch der Auffassung sein, daß sich das Gericht bei der Streitentscheidung nicht fehlerfrei an diese Regeln gehalten hat, so kann er, von Bagatellsachen abgesehen, ein Rechtsmittel bei einem höheren Gericht einlegen, das auf diese Weise die Funktion der Kontrolle des Treuhänders ausübt. 9 Die qualitative Spaltung der Treugeberposition in zwei antagonistische Treugeber hat Auswirkungen auf die Ausübung der Treugeberrechte. So können die Parteien beispielsweise aufgrund des zwischen ihnen bestehenden Interessenkonflikts dem Gericht nicht einseitig Weisungen erteilen, sondern lediglich Anträge stellen, die das Gericht unter Berücksichtigung der Interessen beider Seiten gesetzmäßig bescheidet. Die „Schiedsrichterstellung" des Richters wird auch daran deutlich, daß er seine Benachrichtigungspflicht 10 - in § 139 Z P O als richterliche Hinweispflicht geregelt - so ausüben muß, daß er keine Seite unsachlich bevorzugt. 11 Der Kläger kann lediglich im Wege der Klagerücknahme, § 269 Z P O , und die Parteien gemeinsam können im Wege der übereinstimmenden Erledigterklärung, § 91a Z P O , die Treuhänderstellung des Gerichts insgesamt beenden. Außerdem können sie im Wege des gerichtlichen Vergleichs ihre eigene Streitentscheidung an die Stelle der gerichtlichen Streitentscheidung setzen und die Stellung des Gerichts auf diese Weise von einer Treuhänderstellung hin zu einer notarartigen Stellung verändern: Das Gericht beurkundet diesen Vergleich und bewehrt ihn mit staatlicher Vollstreckungsgewalt, § 794 Nr. 1 ZPO.
8 Sollte diese Voraussetzung in der Person eines mit der Sache befaßten Richters ausnahmsweise einmal nicht gegeben sein, so ist dieser Richter in bestimmten Fällen zwingend von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen, § 41 Z P O , und kann darüber hinaus auch in anderen Fällen als befangen abgelehnt werden, § 42 Z P O , dazu unten § 20 II. 9 Zur Figur des Uberwachungstreuhänders oben § 10IV. 10 Dazu oben § 10 II. 11 Vgl. nur MünchKomm/Peieri §139 Z P O Rn. 15 f; Stein/Jonas/Leipold §139 Z P O Rn. 7 ff.
§ 13. Antagonistische
Treugeber
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2. Schiedsrichter Im Gegensatz zu den staatlichen Zivilgerichten ist ein Schiedsgericht nach §§1025 ff. ZPO ein privates Gericht, das ebenfalls echte streitentscheidende Funktion hat 12 und das anstelle 13 eines staatlichen Gerichts mit der Streitentscheidung betraut werden kann. Es besteht aus einem oder mehreren Schiedsrichtern, 14 die bei der Streitentscheidung als Treuhänder der Parteien fungieren. Sie sind mit treuhänderischer Macht ausgestattet, denn die Parteien unterwerfen sich zuvor in ihrer Schiedsvereinbarung dem Schiedsspruch, so daß das später bestellte Schiedsgericht auf dieser privatrechtlichen Grundlage dazu in der Lage ist, auf den Interessenkreis der Parteien einzuwirken. Die staatliche Rechtspflege verhilft Schiedssprüchen zur urteilsgleichen Durchsetzung in der Zwangsvollstreckung, § 794 Nr. 4a ZPO, denn sie haben die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils, § 1055 ZPO. Anders als bei staatlichen Gerichten wird die Treuhänderstellung des Schiedsgerichts nicht durch Klageerhebung begründet. 15 Vielmehr können die potentiellen Treugeber sich nach Belieben über das Verfahren bei der Bestellung des Schiedsgerichts einigen. Unterlassen sie das, so bestellt jede Partei einen Schiedsrichter und diese beiden Schiedsrichter einigen sich auf einen dritten Schiedsrichter als Obmann, § 1035 Abs. 3 ZPO. Freilich können sich die Parteien auch an fest bestehende Schiedsgerichte 16 mit eigenen Verfahrensordnungen wenden, deren Zuständigkeit sie lediglich in einer Schiedsvereinbarung festlegen müssen. Die Treugeber schließen also mit jedem Schiedsrichter einen Schiedsrichtervertrag. Sie sind gemeinsam Auftraggeber, genauer: Treugeber, aller Schiedsrichter. 17 Der Schiedsrichtervertrag ist von der Schiedsvereinbarung, § 1029 ZPO, zu trennen, 18 in der die potentiellen Treugeber, etwa Vertragsparteien, abstrakt einem noch zu bestellenden Schiedsgericht prozessuale Macht verleihen. 19 Der Schiedsrichtervertrag ist im 10. Buch der ZPO auch nach der Neufassung der §§ 1025 ff. ZPO nicht geregelt, was nicht überrascht, weil die ZPO auch keine
12
Schütze, Schiedsgericht, Rn. 1. Soweit eine Schiedsvereinbarung reicht, weisen staatliche Gerichte auf Rüge des Beklagten eine Klage als unzulässig ab, § 1032 Abs. 1 ZPO. 14 § 1034 Abs. 1 Satz 2 ZPO sieht als Regelfall drei Schiedsrichter vor. 15 Freilich muß nach Bildung des Schiedsgerichts derjenige Teil, der einen Anspruch geltend machen möchte, diesen in einem Klageschriftsatz begründen, zu dem der andere Teil dann wiederum Stellung zu nehmen hat, § 1046 Abs. 1 Satz 1 ZPO. 16 Vgl. etwa den Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris, der nach Anzahl der durchgeführten Verfahren der bedeutsamste Schiedsgerichtshof in Westeuropa ist, Schütze, Schiedsgericht, Rn. 18. 17 Lachmann, Handbuch, Rn. 753; Stein/Jonas/Schlosser vor § 1025 ZPO Rn. 12. 18 Schütze, Schiedsgericht, Rn. 49. 19 MüncbKomm/Münch vor § 1034 ZPO Rn. 3. 13
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Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung der
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statusrechtlichen Fragen staatlicher Richter regelt. 20 Die Rechtsprechung 21 ordnet diesen Vertrag als Vertrag sui generis ein, während in der Literatur 22 zu Recht überwiegend von einem Auftrag oder Dienstvertrag ausgegangen wird, dem freilich nach obigen Erörterungen 23 Geschäftsbesorgungs- und Treuhandcharakter zuzumessen ist. Es handelt sich jedenfalls um einen rein materiellrechtlichen Vertrag, der prozeßrechtliche Beziehungen lediglich zum Gegenstand hat. 24 Die Parteien übertragen dem Schiedsrichter im Schiedsrichtervertrag bestimmte Interessen (Streitgegenstand) zur Wahrnehmung. Interessenwahrnehmung ist auch hier unparteiische Streitentscheidung und nicht Interessenwahrnehmung nach dem Maßstab der Wahrnehmungsziele eines Treugebers. Das Interessensegment (Streitgegenstand) richtet sich einerseits nach den Grenzen der Schiedsvereinbarung, in diesen Grenzen nach den Ansprüchen, die von den Parteien der Schiedsvereinbarung dann vor das Schiedsgericht gebracht werden. Der Schiedsrichter hat, wie jeder Treuhänder, höchstpersönlich 25 die anvertrauten Interessen wahrzunehmen, also am „Schiedsverfahren nach besten Kräften mitzuwirken und den Streitfall nach Maßgabe der Schiedsvereinbarung in einem geordneten, rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Verfahren einer alsbaldigen 26 Erledigung zuzuführen" 2 7 und also insbesondere an der Fällung des Schiedsspruchs, §§1054 f. ZPO, mitzuwirken. 2 8 Die Tätigkeit des Schiedsrichters entspricht also im wesentlichen der eines staatlichen Richters. 29 Er muß den Streitfall sachgerecht, „richtig" entscheiden und auf diese Weise die Interessen der beiden Parteien unparteiisch 30 zum Ausgleich bringen.
20
Lachmann, Handbuch, Rn. 750. RGZ 59,247; RGZ 74,321; BGHZ 15,12. 22 BLÄH §1035 ZPO Anh. R n . l ; MünchKomm/Münch vor §1034 ZPO R n . 4 f ; Stein/ Jonas/Schlosser vor §1025 ZPO Rn.7; Wieczorek/Schütze §1028 ZPO Rn. 15; ausführlich Strieder, Einordnung, S. 21 ff. 23 Dazu oben § 7 und § 8. 24 Auch die Tätigkeit des Schiedsrichters ist rein privatrechtlich; daß sein Spruch einmal vollstreckbar sein wird, hat mit der Einschaltung staatlicher Gerichte in dieser Phase zu tun, Lachmann, Handbuch, Rn. 751. 25 Strieder,Einordnung,S. 94ii.;Schwab/Walter,Schiedsgerichtsbarkeit^. 104 i.;Schütze/ Tscherning/Wais, Handbuch, Rn. 225; das betrifft freilich nur einen „Kernbereich", der Schiedsrichter kann sich also Hilfspersonen bedienen. 26 Ein Argument für die Bestellung eines privaten Schiedsgerichts mag neben dem höheren Sachverstand auch die Zeitersparnis im Vergleich zum Verfahren vor staatlichen Gerichten sein, vgl. nur Lachmann, Handbuch, Rn. 878. 2 7 BGHZ 98,32,34. 28 Stein/Jonas/Schlosser vor § 1025 Z P O Rn. 12. 29 MünchKomm/Af««c/> vor §1034 ZPO Rn. 13; Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch, Rn.220. 30 Lachmann, Handbuch, Rn. 881. 21
§ 13. Antagonistische
Treugeber
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Ein Weisungsrecht kann aufgrund der Schiedsrichterfunktion des Treuhänders nur von beiden Parteien gemeinsam ausgeübt werden; 31 einseitige Weisungen können nur Anregungen sein, die der Schiedsrichter pflichtgemäß zu prüfen hat. 32 Soweit die Schiedsvereinbarung entsprechende Vereinbarungen enthält, werden sie Bestandteil des Schiedsrichtervertrags, denn der Schiedsrichter wird verpflichtet werden, nach Maßgabe der Schiedsvereinbarung, die bereits alles außer dem konkreten Schiedsgericht regeln kann, sein Amt auszuüben. 33 Die Schiedsvereinbarung enthält also die von den antagonistischen Treugebern gemeinsam festgesetzten Wahrnehmungsziele und Leitlinien, an denen sich der Schiedsrichter bei seiner Streitentscheidung auszurichten hat, etwa eine bestimmte Rechtsordnung. 34 Eine Beendigung der Treuhänderstellung ist möglich durch Vergleich, § 1053 Abs. 1 ZPO, Klagerücknahme, § 1056 Abs. 2 Nr. lb ZPO, Beendigungsvereinbarung der Parteien, §1056 Abs. 2 Nr. 2 ZPO oder Stillstand des Verfahrens, § 1056 Abs. 2 Nr. 3 ZPO, was das Gericht jeweils durch Beschluß feststellt.
3.
Schiedsgutachter
Treuhänder mit Schiedsrichterfunktion sind jedoch keine auf die Rechtspflege beschränkte Form der Treuhand. Schiedsrichter-Treuhänder ist vielmehr beispielsweise auch der Schiedsgutachter, der eine Leistungsbestimmung nach §317 BGB vornimmt, die im Gegensatz zu einem Schiedsspruch gerichtlicher Kontrolle unterliegt, §319 Abs. 1 BGB. Seine Aufgabe kann die rechtsgestaltende Vertragsergänzung, aber auch die Klarstellung des Vertragsinhalts oder die Feststellung von Tatsachen oder Tatbestandsmerkmalen sein. 35 Damit eine solche Bestimmung erfolgen kann, müssen sich die Parteien eines Vertrages zunächst in einer Schiedsgutachterabrede, die als entsprechende Vertragsklausel oder als selbständiger Vertrag denkbar ist, dahingehend geeinigt haben, daß ein Dritter durch Gestaltungserklärung die geschuldete Leistung festlegt. Mit dem Dritten ist dann grundsätzlich von sämtlichen Vertragsparteien 36 jeweils ein 31 BGHZ 98, 32,35; MünchKomm/Münch vor §1034 ZPO Rn. 12; Lachmann, Handbuch, Rn. 895 f.; Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch, Rn. 224 - jeweils mit der allgemeinen Einschränkung, daß die Weisungen sich im Rahmen des Treuhandverhältnisses halten und zumutbar sein müssen. 32 BLÄH §1035 ZPO Anh. Rn. 8. 33 Lachmann, Handbuch, Rn. 771. 34 Vgl. Strieder, Einordnung, S. 93. 35 So schon RGZ 97, 57, 59 ff.; Bamberger/Roth/Gehrlein §317 BGB Rn.5ff.; Erman! Hager § 317 BGB Rn. 6 ff.; MünchKomm/GoifzWJ § 317 BGB Rn. 6f. 36 Vgl. Staudinger/Mayer-Maly §317 BGB Rn. 8; es ist jedoch auch denkbar, daß eine Partei einen solchen Vertrag schließt, aus dem beide Parteien berechtigt sind, MünchKomm/ Gottwald § 317 BGB Rn. 50 Joussen AcP 203,437.
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Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung
der
Treugeberposition
entsprechender Schiedsgutachtervertrag zu schließen, der nach dem hier vertretenen Verständnis ein Treuhandvertrag mit in der Regel werkvertraglichem 37 Charakter ist, der allerdings - so wenig wie der Schiedsrichtervertrag in §§1025 ff. ZPO - in §§317 ff. BGB nicht geregelt ist. Der Schiedsgutachter nimmt die Interessen der Vertragsparteien im durch den fraglichen Vertrag betroffenen Segment wahr und kann kraft der ihm verliehenen Macht 38 gestaltend in den Vertrag und damit in den Interessenkreis der Vertragsparteien (Treugeber) eingreifen. Schiedsgutachter kann grundsätzlich jeder beliebige Rechtsträger sein. Seine Benennung kann durch die Parteien selbst erfolgen oder wiederum einem Dritten überlassen werden. Der Schiedsgutachter hat, so die Auslegungsregel des § 317 Abs. 1 BGB, seine Leistungsbestimmung unparteiisch 39 und nach billigem Ermessen, 40 allerdings ohne Einhaltung eines bestimmten förmlichen Verfahrens, 41 zu treffen, wenn nicht im Schiedsgutachtervertrag etwas anderes vereinbart worden ist. 42 Damit ist er losgelöst von der Bindung an die Interessen nur eines Treugebers, sondern hat die konfligierenden Interessen der Vertragspartner zum Ausgleich zu bringen. 43
4. Insolvenzverwalter befreiungsverfahren
und Treuhänder im Restschuld-
Der Insolvenzverwalter ist „zentrale Figur" des Insolvenzverfahrens und muß die Interessen aller am Insolvenzverfahren Beteiligten wahrnehmen, vgl. §§ 60 InsO, 82 KO, 44 und ist also „mehrseitig fremdbestimmt". Das gilt auch, wenn er nicht vom Insolvenzgericht bestellt, § 56 Abs. 1 InsO, sondern von den Gläubigern gewählt wurde, § 57 Satz 1 InsO. 45 Beteiligte mit unterschiedlichen Inter37 Für die Einordnung als Werkvertrag Gehrlein VersR 1994, 1009f; Wolf ZIP 1981, 241; für die Einordnung als Geschäftsbesorgungsvertrag Erman/Hager § 317 BGB Rn. 14; Staudinger/Rieble § 317 BGB Rn. 48; a.A. MünchKomm/Gottwald § 317 BGB Rn. 50: Vertrag sui generis. 38 Staudinger/Rieble § 317 BGB Rn. 69: Regelungsmacht. 39 BGH NJW-RR 1994,1314,1315; OLG Düsseldorf NJW-RR 2000,279,281. 40 Zum Ermessen des Treuhänders oben § 10 I 3. 41 Erman/Hager %3\7 BGB Rn. 11. 42 BGH NJW 1971, 653; das ist insbesondere bei der Tatsachenfeststellung der Fall, denn der Schiedsgutachter hat bei der Ermittlung einer Schadenshöhe oder eines Grundstückswerts eine kognitive Entscheidung zu treffen, die entweder zutreffend oder unzutreffend ist. 43 Nach zutreffender Auffassung, StaudingerlRieble §317 BGB Rn.76ff.; Soergel/Wolf §317 BGB Rn. 11; MüncbKomm/Gottwald §317 BGB Rn.52 haftet der Schiedsgutachter nicht nur bei offenbarer Unbilligkeit im Sinne des § 319 Abs. 1 BGB, sondern für jeden Ermessensfehler oder Verstoß gegen anerkannte Regeln, a.A. BGHZ 43,374,377. 44 Baur/Stürner, Zwangsvollstreckung II - Insolvenzrecht, § 10.1. 45 In diesem Fall prüft das Insolvenzgericht die Eignung des Gewählten und hat dem un-
§ 13. Antagonistische
Treugeber
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essen sind neben Gläubigern 46 und Schuldner auch Massegläubiger und Ausund Absonderungsberechtigte, deren Position der Insolvenzverwalter nicht vereiteln darf. 47 Eine „konstante Interessenkollision ist sonach das Merkmal seiner Tätigkeit", 48 das den Insolvenzverwalter zum Schiedsrichter-Treuhänder vor allem zwischen Schuldner und Gläubigern macht. Der Insolvenzverwalter ist Träger eines Amtes, letztlich also ein Rechtspflegeorgan, das ausgestattet mit einem die Treugeber verdrängenden Verwaltungsrecht als treuhänderischer Macht, vermöge dessen er in eigenem Namen für die Masse handeln kann. 4 9 Er wird durch den Eröffnungsbeschluß des Insolvenzgerichts eingesetzt, § 2 7 Abs. 2 Nr. 2 InsO, und er erhält in diesem Augenblick auch seine treuhänderische Macht, § 80 Abs. 1 InsO. Die InsO gibt dem Insolvenzverwalter die Leitlinien für die Lösung des Interessenkonflikts vor. Der Insolvenzverwalter ist gegenüber dem Schuldner wie den Gläubigern gegenüber zu ordnungsgemäßer, optimaler Verfahrensabwicklung verpflichtet. 50 Er muß die Ist-Masse zur Soll-Masse berichtigen. 51 Gläubiger 52 und Schuldner haben gleichermaßen ein Interesse an möglichst weitreichendem Schuldenabbau, so daß der Insolvenzverwalter etwa nicht ein Unternehmen nach § 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 InsO fortführen darf, wenn dies zu einer erheblichen Verminderung der Haftungsmasse führen würde. Umgekehrt darf er aber auch ein Unternehmen nicht übereilt zerschlagen. 53 Sorgfaltsmaßstab ist immer derjenige eines ordentlichen, gewissenhaften Geschäftsleiters. 54 Der Konflikt zwischen Schuldgeeigneten, also etwa mit Interessenkonflikten befangenen Insolvenzverwalter, dazu unten § 20 II 3, nicht zu bestellen, § 57 Satz 3 InsO. Unzutreffend erscheint es, mit MuschelerlBloch ZIP 2000,1474 ff. diesen Gläubigerbeschluß auch dem Maßstab des § 78 Abs. 1 InsO zu unterwerfen und deshalb die Bestellung eines neugewählten Verwalters zu versagen, wenn dies mit Mehrkosten verbunden wäre. Die Wahl eines den Gläubigern oder jedenfalls der Gläubigermehrheit genehmen Treuhänders, der freilich auch dem Schuldner verpflichtet ist, ist keine Frage, die zusätzlich am „gemeinsamen [finanziellen] Interesse" der Gläubiger zu messen wäre, weil andernfalls etwa ein einzelner Gläubiger die Bestellung eines geeigneten Sanierers verhindern könnte. 46 Zum Verhältnis des Insolvenzverwalters zu den Gläubigern als verbundenen Treugebern oben § 12 III. 47 Baur/Stürner, Zwangsvollstreckung II - Insolvenzrecht, § 10.1; MünchKomm/Brandes §60 InsO Rn. 33 ff. und 54 ff. 48 Baur/Stürner, Zwangsvollstreckung II - Insolvenzrecht, § 10.1. 49 Vgl. nur RGZ 29, 29, 36; RGZ 120, 189, 192; BGHZ 24, 393, 396; BGHZ 32,114, 118; BGHZ 49,11, 16; BGHZ 88, 331, 334; Stürner ZZP 94, 287. Die Amtstheorie hat freilich ansonsten keine weitere Bedeutung, ihr kann anders als den Vertretertheorien keine systembildende Funktion zukommen, sondern sie ist für alle Eigenheiten der Stellung des Insolvenzverwalter offen, Baur/Stürner, Zwangsvollstreckung II - Insolvenzrecht, § 10.9. 50 Uhlenbruck/Uhlenbruck § 60 InsO Rn. 12. 51 Uhlenbruck/Uhlenbruck § 80 InsO Rn. 100. 52 Uhlenbruck/Uhlenbruck § 60 InsO Rn. 16; K/P/Lüke § 60 InsO Rn. 23a. 53 BGH ZIP 1985, 423; Uhlenbruck/Uhlenbruck §60 InsO Rn. 14; Kölner Schrih/Smid S.466 Rn. 37; ¥K./Schmerbach § 22 InsO Rn. 17 ff. 54 BGHZ 99,151.
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Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung
der
Treugeberposition
ner- und Gläubigerseite spitzt sich demnach vor allem auf die zeitliche Dimension und die Risikobereitschaft des Insolvenzverwalters zu, 5 5 denn anders als die KO kennt die InsO in § 1 InsO nicht mehr nur den Liquidations- und Befriedigungszweck als Insolvenzzweck, sondern auch die Sanierung. Die Pflichten des Verwalters und damit das Konfliktfeld haben sich dadurch im Vergleich zu jenen des Konkursverwalters „radikal erweitert". 56 Dem wird entgegengehalten, daß „der Verwalter bzw. Treuhänder seine Unabhängigkeit gemäß § 56 Abs. 1 InsO verlieren und zum Interessenvertreter werden" würde. 5 7 Das ist allerdings unzutreffend, denn der Umstand, daß der Insolvenzverwalter konfligierende Interessen mehrerer Beteiligter wahrnimmt, führt nicht zum Verlust seiner Unabhängigkeit, die vielmehr umgekehrt gerade Voraussetzung für die Eignung zum Schiedsrichter-Treuhänder ist. Auch der mit Inkrafttreten der InsO 1999 neu eingeführte und ausdrücklich so bezeichnete Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren ist nach der hier vertretenen Auffassung Schiedsrichter-Treuhänder, denn er muß als unabhängiger Schiedsrichter die Interessen der Gläubiger an bestmöglicher Befriedigung und des Schuldners am Erhalt einer ausreichenden Lebensgrundlage während des Restschuldbefreiungsverfahrens und am Durchstehen des Verfahrens nach dem Maßstab der §§ 286 ff. InsO zum Ausgleich bringen, denn dem Schuldner soll zu einem „fresh Start" verholfen werden, 58 indem ihm Gelegenheit gegeben wird, „sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien", § 1 Satz 2 InsO.
5. Der
Treuhandvergleich
a) Mechanismus Bei einem Treuhandvergleich einigen sich Schuldner und Gläubiger im Wege des Vergleichs darauf, daß die Gläubiger dem Schuldner Forderungen stunden und teilweise erlassen 59 und auf das Recht auf Klage, Zwangsvollstreckung und Insolvenzantrag verzichten. 60 Die im Wege des Vergleichs zu beseitigende Unsicherheit ist die Frage, ob und inwieweit der Schuldner ohne diesen Ver-
Baur/Stürner, Zwangsvollstreckung II - Insolvenzrecht, § 10.1. Smid/Smid § 60 InsO Rn. 13. 57 UhlenbruchUblenbruck § 60 InsO Rn.13; ähnlich F K ¡ K i n d § 60 InsO Rn. 8. 58 Kölner Schnh/Smid S.465 Rn.33; Smid/Smid §60 InsO Rn. 13; FK/Hössl §60 InsO Rn. 32; zweifelnd K/P/Luke § 60 InsO Rn. 24. 59 Die Forderungen sollen aber vollständig als Naturalobligationen erhalten bleiben, so daß auch akzessorische Sicherheiten nicht untergehen, RGZ 42,119; RGZ 71,364; RGZ 78,77; Emmerieb, Sanierung, S. 55. 60 Emmerich, Sanierung, S. 134. 55 56
§ 13. Antagonistische
Treugeber
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gleich in der Lage sein wird, die Forderungen der Gläubiger zu befriedigen. 61 Der Schuldner verpflichtet sich im Gegenzug dazu, einem Treuhänder Macht jedenfalls über das gesamte Betriebsvermögen, möglicherweise zusätzlich auch über Privatvermögen, einzuräumen, 6 2 regelmäßig in Form der Rechtsübertragung; 6 3 lediglich bei Grundstücken wird aus Kostengründen und zur Vermeidung der Grunderwerbssteuer die Eintragung einer höchstmöglichen Grundschuld ausreichen. Er gestattet damit freiwillig die rechtsgeschäftliche Herstellung einer Treuhändermacht, die stärker als das Verwaltungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 80 Abs. 1 InsO ist. Als Alternative kommt eine bloße Ermächtigung des Treuhänders 64 oder eine Vollmacht 65 in Betracht, die allerdings deshalb gewisse Gefahren bergen, weil sie dem Schuldner und seinen Neugläubigern weiterhin den Zugriff auf die „Vergleichsmasse" gestattet; 66 ein Verwaltungsrecht gleich jenem des Insolvenzverwalters kann nicht rechtsgeschäftlich begründet werden. Das außergerichtliche Verfahren ist auch nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung mit dem komplizierten Instrument des Insolvenzplans 67 zulässig 68 und wird vielfach als flexibler, schonender, unauffälliger, und kostengünstiger als das förmliche Verfahren angesehen. 69 Auf der anderen Seite gehen auch Vorteile des förmlichen Verfahrens verloren: 70 Es wirkt kein Gericht als Kontrollinstanz mit, es besteht anders als nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens keine Vollstreckungssperre und der Schuldner kann sich, anders als in §§ 103 ff. InsO, auch nicht einseitig von gegenseitigen Verträgen lösen. Die Kontrolle des Treuhänders muß genauso geregelt werden wie die Frage nach dem Selbstbehalt des 61 RGZ 77, 404; RGZ 92, 187; Emmerich, Sanierung, S.54; Nolden, Gläubigerakkord, S. 46; Schottland, Treuhandliquidation, S. 55. 62 Mühl N J W 1956,403. 63 Fraglich ist, ob diese Übertragung der Form des § 311b Abs. 3 BGB genügen muß. Dafür spricht zunächst der Wortlaut der Norm, Fischbach, Treuhänder, S. 30. Gleiches gelte für den Formzweck, der nach Bauer, Treuhandvergleich, S. 63, auch eine Klarlegung nach außen umfasse. Andere stellen den Ubereilungsschutz durch § 311b Abs. 3 BGB in den Vordergrund, Rosenthal, Treuhandvergleich, S. 11. Gegen eine Formbedürftigkeit spricht, daß es sich um kein Umsatzgeschäft handelt, Grünschild, Treuhänderschaft, S. 30 ff.; Emmerich, Sanierung, S. 141; Schottland, Treuhandliquidation, S. 53 unter Berufung auf Mot. II, 188 und keine wirtschaftliche Entäußerung erfolge, RGZ 72,117 mit der Kategorie des „wirtschaftlichen Eigentums". In der Regel wird freilich nicht das gesamte gegenwärtige Vermögen als solches übertragen, weil bestimmte Teile als Selbstbehalt beim Schuldner verbleiben sollen, so daß § 311b Abs. 3 ohnedies nicht greift, vgl. Enneccerus 1/2 § 252 Anm. 3. 64 Bauer, Treuhandvergleich, S. 12 f; Emmerich, Sanierung, S. 141; Kohler-Gehrig, Vergleich, S. 15. 65 Mühl N J W 1956,403. 66 Schottland, Treuhandliquidation, S. 112. 67 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. Vf. 68 Staudinger/Marburger § 779 BGB Rn. 60; Uhlenbruck BB 1998,2009,2011. 69 Bauer, Treuhandvergleich, S. 10; Mühl N J W 1956, 383; vgl. auch Uhlenbruck BB 2001, 1641,1643 f. 70 Zu Nachteilen der außergerichtlichen Sanierung Uhlenbruck BB 2 0 0 1 , 1 6 4 1 , 1 6 4 4 f.
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Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung
der
Treugeberposition
Schuldners, den gerichtlichen und außergerichtlichen Befugnissen des Treuhänders, seiner Eignung/Befangenheit, seiner Vergütung und der Sanktion seiner Pflichtverletzungen. Also kommt es für den Erfolg vor allem auf eine gute Vorbereitung und Regelung des Treuhandvergleichs an. Außerdem müssen alle oder jedenfalls alle bedeutsamen Gläubiger dazu bereit sein, sich zu beteiligen, weil sie andernfalls ohne weiteres auf die weitere Durchführung ihrer Verträge und Befriedigung ihrer Forderungen - notfalls im "Wege der Zwangsvollstreckung bestehen können. Auch können sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen und so die Vergleichsbemühungen beenden oder einen ohne sie vereinbarten Vergleich zu Fall bringen. Mit Liquidation und Sanierung sind verschiedene Vergleichsziele denkbar. 71 Gerade bei Unternehmen sind die Sanierungsmöglichkeiten genau zu prüfen, weil bei der Zerschlagung des Unternehmens Werte zerstört und verschleudert werden können. Uber das Vergleichsziel kann erst nach Erstellung eines Vermögensverzeichnisses (Liquidations- oder Sanierungsbilanz 72 ), einer Analyse der Uberschuldungsursachen und einer Prognose entschieden werden. Bei der Liquidierung erfolgt die Übertragung des Schuldnervermögens auf einen Treuhänder, der das Vermögen zügig versilbert und die Gläubiger nach einer zuvor vereinbarten Quote befriedigt. Verläuft die Liquidation erfolgreich, ist der Schuldner damit entschuldet, weil die Gläubiger auf ihre über der Quote liegenden Forderungen verzichtet haben. 73 Im Falle der Sanierung führt der mit entsprechender Macht ausgestattete Treuhänder das Unternehmen an Stelle des Schuldners weiter oder stellt den Schuldner jedenfalls unter seine Aufsicht, indem vereinbart wird, daß ohne seine Zustimmung bestimmte Entscheidungen nicht getroffen werden dürfen.
b) Die Hauptpflicht
des
Treuhänders
Dieser Treuhänder wird entweder allein vom Schuldner oder von Schuldner und Gläubigern gemeinsam beauftragt. Es ist nämlich denkbar, daß der Schuldner alleine den Treuhänder beauftragt, der ihn dann bereits bei der Anbahnung des Vergleichs unterstützt. Dieser Treuhandvertrag ist dann gleichzeitig ein Treuhandvertrag zugunsten der kooperierenden Gläubiger, §328 Abs. 1 BGB. 74 Es ist jedoch auch denkbar, daß der Schuldner den Treuhandvergleich alleine organisiert und Schuldner und Gläubiger dann gemeinsam einen Treuhänder beauftragen. 75 Unabhängig davon nimmt der Treuhänder jedoch Interessen von Schottland, Treuhandliquidation, S. 17. Schottland, Treuhandliquidation, S. 26 ff. 73 Schottland, Treuhandliquidation, S. 13. 74 Künne, AVerglO, S. 329. 75 Kiesow, Gesetz, S. 131; Krebs, Entwicklung, S. 56 ff.; Staudingerl'Marburger Rn. 61. 71 72
§ 779 BGB
§ 13. Antagonistische
Treugeber
317
Schuldner und Gläubigern gleichermaßen wahr, das Entschuldungs- und Sanierungsinteresse des Schuldners genauso wie das Befriedigungsinteresse der Gläubiger, 76 und ist damit Schiedsrichter-Treuhänder, der diese Interessen nach den vereinbarten Maßstäben zum Ausgleich bringen muß. Der Schuldner überträgt dem Treuhänder als Machtmittel seine Vermögenswerte, die Gläubiger räumen ihm das exklusive Recht zur Forderungseinziehung ein. Es liegt damit eine doppelseitige oder mehrseitige Treuhand vor, 77 ein „Januskopf ", 78 Der Treuhänder kann auch bei Bestellung nur durch den Schuldner doppelseitiger Treuhänder werden, §328 BGB, „nicht die Bestellung ist maßgebend, sondern die Stellung" 79 des Treuhänders. Der Vergleichstreuhänder ist „Vertrauensmann nach beiden Seiten". 80 Er kann und wird häufig auch eine Juristische Person sein. 81 Er ist „gegenüber dem Schuldner als auch gegenüber den Gläubigern zur Interessenwahrung verpflichtet". 82 Das wird bei Zugrundelegung des traditionellen Modells der Vollrechtstreuhand verkannt, weil der Treuhänder nur „Treugut" aus dem Schuldnervermögen erhält. 83 Gerade die Sanierung ist unter dem Gesichtspunkt des Konflikts von verschiedenen Treugeberinteressen besonders interessant. Bei der Liquidierung werden im Wege des Vergleichs die Interessen von Schuldner und Gläubigern immerhin insoweit gleichgerichtet, als beide an der planmäßigen Befriedigung der Gläubiger gleichermaßen interessiert sein werden. Leitlinie des Treuhandvergleichs zur Liquidation ist §362 Abs. 1 BGB, der Treuhandvergleich ist ein Zwischenstadium auf dem Wege zur bestmöglichen Gläubigerbefriedigung. 84 Bei der Sanierung hingegen werden die Gläubiger auf eine zügige und möglichst sichere Befriedigung drängen, während aus Sicht des Schuldners eine „schonendere" und vielleicht weniger schnell gewinnträchtige Sanierung anzustreben sein wird. Darüber hinaus ist bei beiden Formen des Treuhandvergleichs das Interesse des Schuldners möglichst auf Schonung, das der Gläubiger auf möglichst umfassenden Zugriff aus sämtliche Ressourcen des Schuldners gerichtet. Der Treuhänder muß diese Interessen nun als selbständiger und unparteiischer 85 Schiedsrichter zwischen den beiden Treugeberseiten sie zu einem „objektiven 76
Schottland, Treuhandliquidation, S. 39; Mühl N J W 1956, 383. So Emmerich, Sanierung, S. 155 und 171; Schottland, Treuhandliquidation, S. 64; Mühl N J W 1956,402; BGH N J W 1974,239. 78 Krebs, Entwicklung, S. 58. 79 Emmerich, Sanierung, S. 155. 80 Bauer, Treuhandvergleich, S. 37. 81 So schon RGZ 105,101. 82 Kohler-Gehrig, Vergleich, S. 14. 83 Bauer, Treuhandvergleich, $.49{{.;Kohler-Gehrig, Vergleich, S. Mund 76f. 84 Vgl. Bauer, Treuhandvergleich, S.22. Natürlich könnte insgesamt auch ein dreiseitiger Gesamtvertrag zwischen Schuldner, Gläubiger und Treuhänder geschlossen werden, was aber inhaltlich nichts ändert. 85 Kohler-Gehrig, Vergleich, S. 14; Völker, Stellung, S. 68f. 77
318
Teil J: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung der
Treugeberposition
Interesse" ausgleichen. 8 6 Als Treuhänder wird regelmäßig „eine am Erfolg der Maßnahme wirtschaftlich nicht interessierte Person", 8 7 also eine „unparteiische Zwischenstelle" 8 8 in Betracht kommen. I m Einzelfall können auch einzelne Gläubiger als Treuhänder fungieren. 8 9 Dieses aus der gemeinrechtlichen Praxis bekannte Modell der cessio b o n o r u m 9 0 wird jedoch nur noch selten gebraucht. Die Interessen mehrerer Gläubiger müssen nämlich nicht zwingend völlig gleichgerichtet sein. Außerdem besteht die Gefahr, daß sich der „TreuhänderGläubiger" - wenigstens über die G e w ä h r u n g einer Vergütung aus der Vergleichsmasse - besser stellt als die anderen Gläubiger, so daß die erfolgreiche D u r c h f ü h r u n g des Treuhandvergleichs am zunehmenden Widerstand anderer Gläubiger scheitern kann. 9 1 Die Leitlinien der Interessenwahrnehmung, hier also der Konfliktlösung, ergeben sich wie immer aus dem Treuhandvertrag, § 675 Abs. 1 B G B , der hier jedoch zusätzlich aus dem Vergleichsvertrag - beziehungsweise den regelmäßig gleichlautenden Vergleichsverträgen 9 2 - zwischen Schuldner und Gläubigern gespeist wird. Aus dieser Abrede 9 3 zwischen den antagonistischen Treugebern, die bei jeder doppelseitigen Treuhand erforderlich ist, ergibt sich nämlich nicht nur der U m s t a n d , daß beide Seiten ihre Interessen einem Treuhänder anvertrauen wollen, sondern auch, nach welchen Maßstäben sie diese Interessen w a h r genommen und z u m Ausgleich gebracht haben wollen. Anders als m a n z u m Teil
Emmerich, Sanierung, S. 157. Bauer, Treuhandvergleich, S. 12. 88 Bauer, Treuhandvergleich, S. 23; vgl. auch Kohler-Gehrig, Vergleich, S. 18. 89 Vgl. B G H N J W 1966,1116ff. 90 Sohm/Mitteis/Wenger, Institutionen, § 119 III zeigen, daß diese Möglichkeit der cessio bonorum auf die Gläubiger zur Abwendung der Infamie bereits durch die Lex Julia zur Zeit des Augustus bekannt war. Erst § 4 EGKO hat mit derlei partikular- oder gemeinrechtlichen Gebräuchen gebrochen. 91 Schottland, Treuhandliquidation, S. 19 f. 92 Bei dem Treuhandvergleich handelt es sich um ein Bündel von Vergleichsverträgen des Schuldners mit jedem Gläubiger, die regelmäßig, aber nicht zwingend gleichen Inhalts sind und insoweit aufeinander Bezug nehmen, als sie erst dann ihre Wirkung entfalten sollen, wenn alle bedeutsamen Gläubiger einen solchen Vertrag geschlossen haben, RGZ 153, 398; B G H MDR 1961, 494; StaudingerlMarhurger §779 B G B Rn.61; Serick 1, S.404; Böttcher, Treuhand, S. 8; Hoffmann, Geschäftssanierung, S. 26; Mayer KTR 1930, 153 f.; Künne, AVglO, S. 52; Behmer, Sanierungsvergleich, S. 41 ff.; Bernicken, Präventivakkord, S. 23; Emmerich, Sanierung, S. 55; Kohlenherger, Konkursabwendungsvergleich, S. 78 ff.; Nolden, Gläubigerakkord, S. 24 ff.; Rosenthal, Treuhandvergleich, S.5; a.A. Bauer, Treuhandvergleich, S. 34 f. Es ist Aufgabe des Schuldners, mitzuteilen, ob der Treuhandvergleich insgesamt zustandegekommen sei. Das „Vergleichsangebot" des Schuldners ist also nur eine invitatio ad offerendum, der Antrag geht von den einzelnen Gläubigern aus, die Erklärung, der Treuhandvergleich sei zustandegekommen, bildet die Annahme dieser Anträge, vgl. Rosenthal, Treuhandvergleich, S. 8 f. Zur rechtlichen Verbundenheit der Gläubiger untereinander vgl. oben § 12 III. 93 Vgl. Bauer, Treuhandvergleich, S. 24. 86 87
§ 13. Antagonistische
Treugeber
319
lesen kann, 9 4 bilden nicht etwa diese Vergleichsverträge, sondern der Treuhandvertrag den Rechtsgrund für die Übertragung von Rechtspositionen des Schuldners auf den Treuhänder. Auch dieser Schiedsrichter-Treuhänder ist nicht weisungsgebunden. 95 Folgte er Weisungen des Schuldners oder der Gläubiger einseitig, so wäre der Interessenausgleich und die Unparteilichkeit des Treuhänders nicht mehr gewährleistet. Weisungen können für den Doppeltreuhänder also niemals verbindliche Verhaltensregeln, sondern nur „Anregungen" sein, die er pflichtgemäß zu prüfen hat. Letztlich hat der Treuhänder jedoch nach eigenem Ermessen zu entscheiden. 96 Er hat zu handeln „wie ein ehrlicher Makler in Wahrung der Interessen des Schuldners und aller Beteiligten". 97 Er muß beide Seiten wie ein Notar beraten. 98 Schuldner und Gläubiger - oftmals ein Gläubigerausschuß - überwachen jeweils den Treuhänder. Soweit es an einer besonderen Vereinbarung fehlt, wird man davon ausgehen können, daß der Treuhänder durch rechtsgeschäftliche Fiktion mit dem Pflichtenprogramm eines Insolvenzverwalters versehen wird. 9 9
6. Der Treuhänder im Versicherungsvertragsrecht Sollen bei einer Lebensversicherung 100 die Prämien neu festgesetzt werden, so ist dies seit 1994 unter anderem nur dann möglich, wenn ein „unabhängiger Treuhänder die Berechnungsgrundlagen und sonstigen Voraussetzungen für die Änderung überprüft und deren Angemessenheit bestätigt hat", § 172 Abs. 1 Satz 1 V V G ; gleiches gilt, wenn aufgrund der Unwirksamkeit einer Klausel eine Vertragsergänzung notwendig wird, § 172 Abs. 2 VVG. 1 0 1 Eine parallele Regelung findet sich in § 178g Abs. 2 V V G für Prämienerhöhungen bei Krankenversicherungen. Auch hier hat der Gesetzgeber also - genauso wie im RestschuldBauer, Treuhandvergleich. S. 35 f. Künne, AVerglO, S. 328. 96 Bauer, Treuhandvergleich, S. 53; ähnlich Rosenthal, Treuhandvergleich, S. 20 f.; KohlerGehrig, Vergleich, S. 77. 97 Künne, AVerglO, S. 328. 9 8 RGZ 130,338. 9 9 Zum Fiktionsmodell bereits oben § 10 I 3 b cc. 1 0 0 Zum Anwendungsbereich des § 172 VVG Kirscht VersR 2 0 0 3 , 1 0 7 2 , 1 0 7 3 . 101 Dazu die „Intransparenzurteile" des Bundesgerichtshofs, B G H N J W 2001, 2012; B G H N J W 2001,2014. Es erscheint einigermaßen erstaunlich, daß der Gesetzgeber eine Vertragspartei, den Versicherer - wenn auch unter Mitwirkung eines Treuhänders - einseitig zur Abänderung des Vertrags zu ermächtigen scheint, zumal eben der Versicherer den abzuändernden Vertrag in der Regel einseitig stellt, so jedoch O L G Stuttgart VersR 2001,1141; Prölss/ AfomVKollhosser §172 VVG R n . 2 0 ; Wandt, Änderungsklauseln, Rn.293ff. §172 Abs. 2 VVG trifft damit einen völlig anderen Fall als §§ 172 Abs. 1,178g Abs. 2 VVG, wo veränderte tatsächliche Umstände, auf die die Vertragsparteien keinen Einfluß haben, eine Prämienerhöhung erforderlich machen, vgl. die Kritik bei Schünemann J Z 2 0 0 2 , 1 3 4 ff. 94 95
320
Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung der
Treugeberposition
befreiungsverfahren, vgl. § 313 InsO - in jüngster Zeit explizit den Begriff des Treuhänders verwendet. Dieser Treuhänder hat die Aufgabe, für einen Interessenausgleich zwischen Versicherer und Versicherungsnehmern zu sorgen. 102 Er wird zwar aufgrund eines Treuhandvertrags mit Werkvertragscharakter zwischen dem Versicherer und dem Treuhänder tätig, 103 nimmt aber auch Interessen der Versicherungsnehmer wahr. 104 Es handelt sich aber um kein Treuhandverhältnis zugunsten Dritter, wie dies bei der Beauftragung eines Schiedsgutachters durch eine Vertragspartei der Fall ist, und auch um keinen „Schutzvertrag zugunsten Dritter"' 1 0 5 sondern der Treuhänder greift kraft vom Gesetzgeber verliehener Macht in den Interessenkreis der Versicherungsnehmer ein und hat kraft gesetzgeberischen Schutzauftrags dabei auch die Interessen der Versicherungsnehmer als Schiedsrichter-Treuhänder zu wahren. Um so wichtiger ist, daß der Treuhänder darüber hinaus vom Versicherer unabhängig 106 ist, vgl. §§ 172 Abs. 1 Satz 1,178g Abs. 2 V V G , § 12 Abs. 3 Satz 1 VAG, also insbesondere nicht in weiteren Rechtsbeziehungen zum Versicherer oder verbundenen Unternehmen steht. Die Bestätigung des Treuhänders ersetzt die Zustimmung der Versicherungsnehmer zu der Änderung ihrer Verträge. Das erscheint in den Fällen einer Prämienanpassung, §§ 172 Abs. 1,178g Abs. 2 V V G , unproblematisch, zumal dem Versicherungsnehmer infolge der Prämienerhöhung ein außerordentliches Kündigungsrecht zusteht, § 31 V V G . Bei der „Klauselersetzung im Treuhänderverfahren", 107 die in erheblichem Maße in den Grundsatz der Vertragstreue eingreift, ist derartiges hingegen nicht vorgesehen. Deshalb sollte dem Versicherungsnehmer ein Widerspruchsrecht nach § 5a V V G analog zugestanden werden. 108 Eine Bestätigung durch einen abhängigen Treuhänder ist unwirksam; deshalb unterliegt die Kontrolle der Unabhängigkeit den Zivilgerichten. 109 Die Figur des Treuhänders im Versicherungsrecht zeigt übrigens, daß der Gesetzgeber keineswegs mehr von dem in der Literatur noch immer vorherrschenden Bild des „Vollrechtstreuhänders" ausgeht, wird ihm doch kein „Treugut" zur Verwaltung übertragen. 102 Honseil/Hohlfeld § 178g VVG Rn. 23; Renger VersR 1994, 1259; Küntzel VersR 1996, 148; Schramm VersR 1996, 424; a. A. Prölss/Martin § 178g VVG Rn. 19: Der Treuhänder habe keine Angemessenheitsprüfung vorzunehmen und sei also kein Schiedsrichter. 103 Honsell/Schwintowski § 172 VVG Rn. 18; Renger, Treuhänder, S. 16f. 104 Honseil/'Hohlfeld § 178g VVG Rn. 10; gleichwohl scheint das Treuhänderverfahren vielfach als einseitiges oder willkürliches Verfahren des Versicherers verwendet zu werden, vgl. Kirscht VersR 2003,1072. 1 0 5 So aber Honseil/Hohlfeld § 178g VVG R n . 1 2 ; Prölss/Martin § 178g VVG R n . l 8 a ; Renger, Treuhänder, S. 19. 1 0 6 Zur Unabhängigkeit von Treuhändern eingehend unten Teil 4. 107 Weyers/Wandt, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 178; Wandt, Änderungsklauseln, S. 107 ff.; Lorenz VersR 2001,1146. 108 Schünemann JZ 2002,134,137. 109 RengerVersR 1994,1257,1259.
§ 13. Antagonistische
Treugeber
321
III. Zusammenfassung Das deutsche Treuhandrecht kennt mit der Schiedsrichter-Treuhand einen Typus des Treuhandverhältnisses, das - anders als andere Treuhandverhältnisse gerade auf das Bestehen und die Auflösung eines Interessenkonflikts angelegt ist. Nicht nur die staatliche Rechtspflege im Zivil- und Insolvenzverfahren kennt derartige Schiedsrichter-Treuhänder. Vielmehr können durch entsprechende rechtsgeschäftliche Vereinbarung Interessenträger, die in einen Interessensegment konfligierende Interessen haben, einen solchen Schiedsrichter-Treuhänder mit der Wahrnehmung ihrer Interessen im Sinne des Konfliktlösung beauftragen. Das ist über die geschilderten Beispiele des Schiedsrichters, Schiedsgutachters und Treuhandliquidators oder -sanierers hinaus in vielen Bereichen möglich und sinnvoll. Verbreitet wird inzwischen eine ausgleichende Streitentscheidung durch Mediationsverfahren bevorzugt. Freilich ist nicht jeder Mediator, der mit Kontrahenten einen Lösungsvorschlag erarbeitet, Treuhänder. Ein Treuhänder zeichnet sich vielmehr durch die Inhaberschaft eines Machtmittels aus, mit dem er regelnd in die Interessensphäre der Treugeber eingreifen kann, wie dies nicht nur Richter oder Schiedsrichter können, sondern etwa auch der Treuhänder im V V G , der ändernd in die bestehenden Versicherungsverträge eingreift. Die bloße Erarbeitung einer Konfliktlösung, deren Ingeltungsetzung im Belieben der Konfliktparteien steht, ist hingegen keine treuhänderische Interessenwahrnehmung; es bedarf immer der vorherigen Unterwerfung der Parteien unter die Geltung der Konfliktlösungsregelung des Treuhänders. Der Schiedsrichter-Treuhänder hat bei der Ermittlung einzelner Pflichten gegenüber den jeweiligen Treugebern nicht nur deren jeweilige Interessen und Wahrnehmungsziele zugrundezulegen. Vielmehr wird die Entstehung von konkreten Einzelpflichten immer zusätzlich durch die jeweils einschlägigen prozessualen und materiellrechtlichen Streitentscheidungsnormen beeinflußt, die jede treuhänderische Pflicht zum Ergebnis einer Konfliktlösung machen. Das gilt nicht nur für die Streitentscheidung als solche, sondern auch für alle Pflichten auf dem Weg zur Streitentscheidung. Treuhandverhältnisse mit Schiedsrichtercharakter zeichnen sich außerdem dadurch aus, daß dem einzelnen Treugeber allein bestimmte Befugnisse, die das allgemeine Treuhandrecht gewährt, nicht zustehen. Wichtigstes Beispiel ist das treuhänderische Weisungsrecht. Wäre ein Schiedsrichter-Treuhänder an einseitige Weisungen gebunden, so könnte er den Interessenkonflikt nicht unparteiisch und ausschließlich an den maßgeblichen Leitlinien entscheiden. Weisungen sind deshalb nur als Anträge oder Anregungen zu verstehen, die der Schiedsrichter-Treuhänder wiederum einer unabhängigen Prüfung zu unterziehen hat. Problematisch ist es deshalb beispielsweise, wenn neuerdings von einer Auffassung angenommen wird, die Gläubigerversammlung dürfe dem Insolvenzver-
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Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung
der
Treugeberposition
walter Weisungen erteilen. 110 Bei der Erfüllung seiner Aufklärungs- und Benachrichtigungspflicht wird der Schiedsrichter-Treuhänder darauf zu achten haben, daß er keine Konfliktpartei bevorzugt, weil er ansonsten nicht nur eine Pflichtverletzung begehen würde, sondern unter Umständen auch als befangen abgelehnt werden könnte. 111 Vielmehr ist der Schiedsrichter-Treuhänder „ehrlicher Makler", 112 der beide Parteien wie ein Notar zu beraten hat.
110 Vgl. etwa Uhlenbruch § 76 I n s O Rn. 10; Oelrichs, Gläubigermitwirkung, S. 66 ff.; a.A. hingegen dezidiert Kubier, FS Kreit, S. 381 ff. 111 D a z u unten § 2 0 II. 1 1 2 Zu Interessenkonflikten bei der Doppeltätigkeit von Maklern vgl. unten § 24 III 2 a.
§14. Treuhandbegründer und Treuhandbegünstigter I. Allgemeines Die Treugeberposition kann nicht nur in der Weise qualitativ gespalten sein, daß mehrere Treugeber sich als Antagonisten gegenüberstehen, sondern auch in der Weise, daß mehreren Personen insoweit verschiedene Facetten der Treugeberposition zustehen, als eine Person die Treuhand begründet (Treuhandbegründer) und eine andere Person (Treuhandbegünstigter) die Vorteile aus der Wahrnehmung der Interessen des Treuhandbegründers durch den Treuhänder ziehen soll. Es handelt sich dabei um Fälle der „Treuhand zugunsten Dritter" im weitesten Sinne, die, je nach Position des Treuhandbegünstigten, als echte oder unechte Treuhand zugunsten Dritter bestehen kann. 1 Auch für diese Treuhandverhältnisse ist zu untersuchen, welche Interessenkonflikte zwischen diesen Inhabern der Treugeberposition bestehen können und auf in welcher Weise sich gegebenenfalls die Interessenwahrnehmungspflicht des Treuhänders durch die Spaltung der Treugeberposition verändert.
II. Einzelne Fälle der Spaltung in Treuhandbegründer und Treuhandbegünstigten 1. Unselbständige
Stiftung
a) Die Errichtung der unselbständigen
Stiftung
Eine unselbständige Stiftung zeichnet sich dadurch aus, daß der Stifter einem bereits bestehenden Rechtsträger, dem zukünftigen Stiftungsträger, als Treuhänder das Stiftungsvermögen überträgt. Die unselbständige Stiftung w i r d also in die Verwaltung eines anderen Rechtsträgers eingegliedert. 2 Der Stifter Vgl .Seifart/v. Camphausen/Hof § 36 Rn. 56. RGZ 88, 335, 339; Staudinger/Rawertvor § § 8 0 f f . BGB Rn.4 und 151; MünchKomm/ Reuter vor § 80 BGB Rn. 41; Soergel/Neuhoff vor § 80 BGB Rn. 21; Westebbe, Stiftungstreuhand, S.33. 1
2
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Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung der
Treugeberposition
als Treuhandbegründer errichtet die unselbständige Stiftung also durch Abschluß eines Vertrages mit einer natürlichen oder bereits bestehenden juristischen Person, etwa einem Bankinstitut, als Treuhänder. In diesem Vertrag werden, wie in jedem Treuhandvertrag, die Wahrnehmungsziele (Stiftungszweck) festgelegt, die bei der unselbständigen Stiftung immer aus der Sicht des Stifters fremdnützig sind. Auf Grundlage dieses Vertrages räumt der Stifter (Treuhandbegründer) dem Stiftungsträger (Treuhänder) als Machtmittel die Rechtsinhaberschaft am Stiftungsvermögen ein. Außerdem begibt er sich - wie dies auch bei Errichtung einer selbständigen Stiftung der Fall wäre - allen weiteren Einflusses auf die Verwaltung des Stiftungsvermögens, indem er auf sein "Weisungsrecht aus § 665 B G B verzichtet. Die an fremdnützigen Zwekken ausgerichtete Verwaltung des Stiftungsvermögens führt dazu, daß Treuhandbegünstigte existieren, die eine den Destinatären einer selbständigen Stiftung vergleichbare Stellung haben. 3 Bei der in §§ 80 ff. B G B geregelten selbständigen Stiftung hingegen wird extra ein neuer Rechtsträger (Stiftung) als Stiftungsträger ins Leben gerufen, der bestimmte durch den Stifter (Treuhandbegründer) im einseitigen Stiftungsgeschäft festgelegte fremdnützige Zwecke (Wahrnehmungsziele) mit Hilfe des Stiftungsvermögens verfolgt, das diesen Zwecken dauerhaft gewidmet ist. 4 Die selbständige Stiftung ist also eine reine Träger- und Verwaltungsorganisation, 5 sie ist nicht verbandsmäßig strukturiert, sondern stellt „eine juristische Person in Reinkultur dar, ohne soziales Substrat, vom individuellen Willen des Stifters geprägt, durch staatliche Anerkennung verselbständigt". 6 Die begünstigten Dritten (Treuhandbegünstigte) sind lediglich Nutznießer des Vermögens. b) Die unselbständige Stiftung als
Treuhandverhältnis
Der Vertrag zwischen Stifter (Treugeber in Form des Treuhandbegründers) und Stiftungsträger (Treuhänder) ist nach der dieser Untersuchung zugrundeliegenden Definition 7 als Treuhandvertrag anzusehen. Unzutreffend ist es deshalb, wenn die unselbständige Stiftung nicht als Treuhandverhältnis,8 sondern als 3 StaudingerlRawert vor §§80ff. BGB Rn. 173; Seifart/v. Campenhausen/Hof §8 Rn. 137 ff. und § 36 Rn. 104: Der Stifter bestimmt, ob die Destinatäre einen eigenen Leistungsanspruch gegen die Stiftung haben oder nicht. Auch bei der unselbständigen Stiftung ist also zu unterscheiden, ob es sich um eine echte Treuhand zugunsten Dritter handelt, oder ob dem Stiftungsvorstand ein Ermessen zur Auswahl der Destinatäre aus einer nach bestimmten abstrakten Merkmalen bestimmten Gruppe zusteht. 4 Vgl. nur BayObLG N J W 1973, 249; MünchKomm/Äe«ier vor § 80 BGB Rn. 11; Staudinger/Rawert vor §§80 ff. BGB Rn. 4. 5 B G H Z 99,344. 6 Seifart/v. Campenbausen/Hof § 91 Rn. 1. 7 Dazu oben §71. 8 So zutreffend auch Westebbe, Stiftungstreuhand, S. 66 ff. und 188 ff.
§ 14. Treuhandbegründer
und Treuhandbegünstigter
325
Auflagenschenkung, 9 Kombination aus Treuhandvertrag und Auflagenschenkung 10 oder Zuwendungsvertrag sui generis11 charakterisiert wird. Gegen die Einordnung als Treuhandverhältnis wird regelmäßig der Einwand fehlender Dauerhaftigkeit der so errichteten unselbständigen Stiftung ins Feld geführt. 12 Zum einen könne der Treuhandbegründer/Stifter oder sein Erbe den Treuhandvertrag jederzeit beendigen, zum anderen Erlösche dieser Vertrag in der Insolvenz des Stifters, §§ 115,116 InsO. aa) Das Beendigungsrecht
des Stifters
In der Tat steht dem Treugeber in der Regel das Recht zu, den Treuhandvertrag jederzeit zu beenden.13 Dieses Recht kann jedoch zunächst, wie andere Kündigungsrechte, auf das Vorliegen wichtiger Gründe beschränkt werden. Das freie Beendigungsrecht ist vor allem dann verzichtbar, wenn dem Treuhänder im Treuhandvertrag ein besonderer Anspruch auf Durchführung der Treuhand eingeräumt wird 14 oder wenn der Treuhandvertrag, wie das bei Errichtung einer Stiftung der Fall ist, drittbegünstigend wirkt. 15 Ein wichtiger Grund liegt nur dann vor, wenn eine Beendigung des Treuhandverhältnisses dem Stiftungszweck dienlicher wäre als eine Fortsetzung; 16 im Treuhandvertrag kann außerdem eine Liste wichtiger Gründe abschließend vereinbart werden, die auch Erben des Stifters bindet. 17 Überdies ist es auch zulässig, daß sich der Treuhandbegründer seines Beendigungsrechts insgesamt begibt. 18 Der Stifter wird auch regelmäßig auf diese Weise verfahren wollen, denn Stiftungen können nur dann steuerlich begünstigt werden, wenn der Stifter kein Recht auf Rückgabe des Stiftungsvermögens hat, vgl. §§ 55 Abs. 1 Nr. 4, 61 AO. Das Steuerrecht geht also von der Zulässigkeit eines solchen Verzichts aus. Ihm liegen auf zivilrechtlicher Seite folgende Erwägungen zugrunde: Der 9 MünchKomm/7?e»ier vor §80 BGB Rn.90ff.; Reuter, Stiftungen, S. 203 ff.; ihm folgend Wochner ZEV 1999,125 ff. 10 K. Schmidt, Ersatzformen, S. 182. » Soergel/Neuhoff vor § 80 BGB Rn. 23b. 12 Staudinger/Rawert vor §§80 ff. BGB Rn. 160. 13 Dazu oben oder unten § 1 1 1 3 . Ein Beendigungsrecht steht freilich auch dem Träger der unselbständigen Stiftung zu, doch können im Stiftungsgeschäft Vorkehrungen für den Fall einer Kündigung durch den Träger oder eines Wegfalls des Trägers getroffen werden, vgl. Westebbe, Stiftungstreuhand, S. 355 ff. 14 Staudinger/Wittmann §671 BGB Rn.7; Jauernig/Mansel §671 BGB Rn.3; Wochner ZEV 1999, 125, 136; a.A. MünchKomm/Rewfer vor §80 BGB Rn.85; Reuter, Stiftungen, S. 210, der das Recht aus § 671 BGB generell für unabdingbar hält. 15 BGH W M 1971, 956, 957; MünchKomm/Sei/er §671 BGB Rn. 7; R G R K / S t e f f e n §671 BGB Rn. 9; Erman/Ehmann § 671 BGB Rn. 3; Soergel/Beuthien § 671 BGB Rn. 3. 16 Westebbe, Stiftungstreuhand, S. 155. 17 Seifart/v. Camphausen/Hof §36 Rn. 41. 18 So wohl auch Ebersbach, Handbuch, S. 179.
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Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung der
Treugeberposition
Treugeber könnte jederzeit eine selbständige Stiftung errichten. Als Stifter hätte er sich damit seiner Vermögenswerte endgültig begeben und könnte diese Stiftung auch beim Vorliegen wichtiger Gründe nicht beenden. Deshalb muß das Beendigungsrecht insgesamt in der gleichen Weise dispositiv sein, wenn der Stifter - etwa aus Vereinfachungsgründen 19 - eine unselbständige Stiftung errichtet, die in ihrer Ausgestaltung einer selbständigen Stiftung gleicht. §§ 86, 26 BGB legen als Mindestanforderung fest, daß die selbständige Stiftung einen Vorstand erhält, der für die Geschäftsführung, §§ 86,27 Abs. 3 BGB, und die Vertretung der Stiftung, §§ 86,26 Abs. 2 BGB, zuständig ist. Neben den Vorstand können Kontrollorgane nach Art eines Aufsichtsrats treten, was aber nicht zwingend gesetzlich vorgesehen ist, denn die Kontrolle der Stiftung erfolgt jedenfalls durch die staatliche Stiftungsaufsicht. Diese ist in den Landesstiftungsgesetzen geregelt, umfaßt die laufende Kontrolle der Verwaltung in Form einer Rechtsaufsicht 20 und dient zuvorderst der Beachtung und Durchsetzung des Stifterwillens, 21 darüber hinaus auch der Prüfung der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Die Stiftungskontrolle wird wegen des fehlenden Eigeninteresses natürlicher Personen erforderlich, weil durch Satzungs- oder Gesetzesverstöße niemand unmittelbar geschädigt wird und deshalb die Organe sich oder unberechtigte Dritte leicht am Stiftungsvermögen bereichern könnten. 22 Soweit die Satzung nichts anderes vorsieht, haben insbesondere die Destinatäre keinerlei Kontrollbefugnisse. Dieser Standard muß auch bei der unselbständigen Stiftung erreicht werden, damit die ein vollständiger Verzicht des Treuhandbegründers auf sein Recht zur Beendigung des Treuhandverhältnisses wirksam sein kann. Neben den Stiftungsträger, der das Stiftungsvermögen verwaltet und also die Aufgaben des Stiftungsvorstands wahrnimmt, muß deshalb auch bei der unselbständigen Stiftung ein leistungsfähiges Kontrollorgan treten, dem dieselben Befugnisse eingeräumt werden, wie sie der staatlichen Stiftungsaufsicht zustehen. Diese Kontrolle übt bei der unselbständigen Stiftung der Stifter selbst aus, indem er sich dieses Recht im Treuhandvertrag vorbehält. Er kann dieses Recht jedoch freilich 19 Mit der unselbständigen Stiftung können auch kleinere Vermögen Stiftungswirkung haben, weil der Aufwand für die Errichtung und Unterhaltung einer selbständigen Stiftung erspart wird, vgl. Soergel/Neuhoff vor § 80 BGB Rn. 32. 20 BVerwGE 40, 347; zur Figur des Uberwachungstreuhänders bereits oben § 10 IV; der Stiftungsaufsicht stehen ähnliche Befugnisse zu wie einem Aufsichtsrat: Informationsrechte, Weisungsrechte, Zustimmungs vorbehalte, Berufung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern, Vertretung der Stiftung bei der Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand, vgl. nur Andrick, Stiftungsrecht, S. 126 ff., soll aber als Form der „präventiven Überwachung" die Stiftung auch „verständnisvoll beraten, fördern und schützen", vgl. etwa Art. 19 BayStiftG. 21 Seifart/v. Campenhausen/Hof § 11 Rn. 5: „Garant des Stifterwillens". 22 Soergel/Neuhoff vor §80 BGB Rn.78; MünchKomm/Äe«fer vor §80 BGB Rn.34; Staudinger/Rawert vor §§ 80 ff. BGB Rn. 61. Die Aufsicht schützt nicht unmittelbar die Interessen der Stiftungsbegünstigten, sondern den Vollzug des Stifterwillens.
§ 14. Treuhandbegründer
und Treuhandbegünstigter
327
auch durch Abschluß eines weiteren Treuhandvertrags einem Überwachungstreuhänder 23 zur Wahrnehmung anvertrauen. Nach dem Tod des Stifters treten seine Erben in diese Rechtsposition ein. Diese Aufsichtsfunktion des Stifters steht nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz, daß sich der Stifter mit Begründung der Stiftung und Festlegung von Stiftungszweck und Satzung seines Einflusses auf die Stiftung endgültig begibt, also insbesondere im Falle der unselbständigen Stiftung auch auf sein treugeberisches Weisungsrecht 24 verzichten muß. Er überwacht nämlich lediglich als Kontrollorgan mit den Befugnissen einer Rechtsaufsicht die Geschäftsführung durch den Stiftungsträger und ist nur bei Verstößen gegen die Satzung oder einschlägige Rechtsvorschriften zu Maßnahmen berechtigt. Auch kann er - wie die staatliche Stiftungsaufsicht - die Wahrnehmungsziele grundsätzlich 25 nicht abändern. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist ein vollständiger Verzicht des Treuhandbegründers auf sein Beendigungsrecht zulässig, so daß der Einwand, der Treugeber könne die als Treuhandverhältnis verstandene unselbständige Stiftung jederzeit beenden, nicht zutrifft.
bb) Das Vollstreckungsproblem Als zweiter Einwand gegen die Einordnung der unselbständigen Stiftung als Treuhandverhältnis wird vorgetragen, daß Gläubiger des Stifters bei der unselbständigen Stiftung als Treuhandverhältnis auf das Stiftungsvermögen zugreifen könnten. In der Einzelvollstreckung sind die Gläubiger darauf angewiesen, einen Rückgewähranspruch oder ein Widerrufsrecht des Stifters/Treugebers zu pfänden und auszuüben, um das Stiftungsvermögen in das pfändbare Vermögen des Treugebers fallenzulassen. Kann auf das Beendigungsrecht vollständig verzichtet werden, so besteht für den Stifter und also auch für die Gläubiger in der Einzelzwangsvollstreckung keine Zugriffsmöglichkeit. Das erscheint auch nicht unbillig, denn auf Vermögen, das der Schuldner in eine selbständige Stiftung eingebracht hat, könnten die Gläubiger ebenfalls nicht zugreifen. In beiden Fällen ist also nach Ablauf der Anfechtungsfristen ein Gläubigerzugriff auf das gestiftete Vermögen nicht mehr möglich. Für die Insolvenz sehen §§ 115,116 InsO hingegen das Erlöschen sämtlicher Auftrags- und Geschäftsbesorgungsverträge, die der Gemeinschuldner als Auftraggeber zulasten der Insolvenzmasse abgeschlossen hat, vor. Würde davon das Stiftungsgeschäft erfaßt, so wäre in der Tat das Treuhandverhältnis beendet und der Treuhänder hätte das Stiftungsvermögen, das dann in die Insolvenzmasse Dazu oben § 10IV. Dazu oben § 10 13 c. 2 5 Zur ausnahmsweisen Zweckänderung durch die staatliche Stiftungsaufsicht bei der selbständigen Stiftung Seifart/v. Campenbausen/Hof § 11 Rn. 324; auch dem Uberwachungstreuhänder der unselbständigen Stiftung muß als ultima ratio diese Möglichkeit zustehen. 23 24
328
Teil J: Interessenkonflikte als Folge einer Spaltung der Treugeberposition
fiele, an den Treugeber zurückzugewähren. Die genannten insolvenzrechtlichen Regelungen greifen jedoch deshalb nicht, weil es sich bei dem Stiftungsgeschäft nicht u m einen Vertrag handelt, „der sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht", § 115 Abs. 1 InsO. D a s Stiftungsvermögen ist nämlich dann nicht Bestandteil des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens, wenn sich Stifter (Treugeber) und Träger (Treuhänder) in dem Treuhandvertrag darüber einig sind, daß das Stiftungsvermögen (Machtmittel) endgültig beim Treuhänder verbleiben sollen, 2 6 also das Beendigungsrecht insgesamt ausschließen und damit auch der auf dem Treuhandverhältnis beruhenden Übertragung des Stiftungsvermögens endgültigen Charakter verleihen. Mit Ablauf der Anfechtungsfristen kann das gestiftete Vermögen dann auch nicht mehr im Wege der Insolvenzanfechtung, §§ 129 ff. InsO, zur Insolvenzmasse gezogen werden. D a z u bedarf es keines zusätzlichen Schenkungsvertrages. 2 7 Vielmehr vermag der Treuhandvertrag als solcher bereits die causa für eine derartige Übertragung des Stiftungsvermögens zu liefern. 2 8 Es ist insbesondere nicht zutreffend, wenn Reuter29 die Funktion das Treuhandvertrags als causa mit der Behauptung leugnet, daß „Treuhand" zwingend Interessenwahrnehmung auf begrenzte Zeit bedeute, und deshalb eine derartige Abrede in einem Treuhandvertrag nicht vorkommen könne. Reuter10 begründet seine Auffassung damit, daß nur bei fehlender Endgültigkeit des Vermögensübergangs die Pflicht zur Verwaltung des Vermögens im Interesse des Treugebers einen Sinn mache. Dabei legt er jedoch einen verfehlten, weil treugutzentrierten Treuhandbegriff zugrunde. Eine „ewige" Wahrnehmung bestimmter Interessen eines Treugebers durch einen Treuhänder, gestützt auf bestimmte, dann ebenfalls „ewig" eingeräumte Machtmittel, macht nämlich nach dem hier vertretenen Treuhandkonzept durchaus Sinn, weil das hinreichende ideelle Interesse des Treuhandbegründers darin besteht, durch die Errichtung der Stiftung fremdnützig zu wirken und sich in dieser Stiftung zu verewigen. E s besteht also sogar über den Tod des Stifters hinaus ein Interessenkreis des Stifters, auf den der Stiftungsträger zugreifen kann. Schließlich kann es für die Situation des Stiftungsvermögens in der Insolvenz keinen Unterschied machen, ob der Treugeber zur Errichtung einer Stiftung mit der Stiftung im Sinne der §§80 ff. B G B einen neuen Rechtsträger als Treuhänder schafft, oder ob er das Stiftungsvermögen an einen bereits bestehenden Rechtsträger als Treuhänder überträgt.
2 6 So auch Soergel/Neuhoff vor § 80 B G B Rn.26; §§ 115, 116 InsO greifen freilich jedoch im Regelfall der „nicht ewigen" Treuhand, vgl. etwa B G H N J W - R R 1988,1463. 2 7 So aber K. Schmidt, Ersatzformen, S. 182. 28 Entgegen Seifart/v. Camphausen/Hof § 36 Rn. 40 bedarf es nicht der Figur des gemischten Vertrags. 2 9 MünchKomm/Äeaier vor § 80 B G B Rn. 85: Das Treuhandverhältnis weise den endgültigen Vermögensübergang auf den Treuhänder wesensmäßig ab. 3 0 MünchKomm/Äe«ier vor § 80 B G B Rn. 86.
§ 14. Treuhandbegründer
und Treuhandbegünstigter
cc) Keine Errichtung der Stiftungstreuhand
durch
329
Auflagenschenkung
Davon abgesehen, daß es sich nach der Interessenverkettung der Beteiligten31 bei dem Vertrag zur Errichtung einer unselbständigen Stiftung nicht um einen kupierten Austauschvertrag (Schenkung) mit treuhandartiger Nebenvereinbarung (Auflage), sondern um einen Treuhandvertrag mit Verzicht auf das Beendigungsrecht handelt,32 begegnet die „schenkungsrechtliche Lösung" auch anderen erheblichen Bedenken. Zunächst besteht das Problem, daß mit der Schenkung nur eine formale Rechtsträgerschaft des Stiftungsträgers erreicht werden soll,33 weil die Notwendigkeit besteht, das Vermögen einem Rechtsträger zuzuordnen. Bei einer Schenkung muß jedoch dem Beschenkten bei wirtschaftlicher (und nicht nur ideeller34) Betrachtungsweise ein eigener Vorteil verbleiben.35 Das ist bei dem mit einem Machtmittel „beschenkten" Treuhänder gerade nicht der Fall. Überdies kann der Schenker bei Verarmung Herausgabe des Stiftungsvermögens nach bereicherungsrechtlichem Maßstab verlangen, §§ 528,529 BGB, so daß bei der Schenkungslösung ein erheblich höheres Risiko mangelnder Bestandskraft für die Stiftung besteht als bei dem Abschluß eines Treuhandvertrages unter Verzicht auf das Beendigungsrecht. Hinzukommt jedoch vor allem, daß allein durch eine Auflagenschenkung das Stiftungsvermögen in der Hand des Stiftungsträgers nicht zum Sondervermögen36 wird und deshalb dem Zugriff von Eigengläubigern des Trägers ausgesetzt ist, ohne daß Interventionsrechte bestünden.37 Entgegen Reuter38 steht diese Zugriffsmöglichkeit bei einer schenkungsrechtlich konstruierten Stiftung auch nicht in Widerspruch zur „Ewigkeit" der Stiftungstreuhand, da nach zutreffender Auffassung Interventionsrechte in der Vollstreckung nicht kritikwürdig mit dem „wirtschaftlichen Eigentum" des Treugebers, sondern der Absonderung vollstreckbarer Machtmittel als Sondervermögen zu begründen ist, 39 die eine Eigenart allein des Treuhandrechts darstellt.40 Diese Kritik muß sich auch die - zudem angesichts der Zuordnung des Stiftungsgeschäfts zur GrundDazu eingehend oben § 71. Das verkennt MünchKomm/Äe«ier vor § 80 BGB Rn. 89. 33 Staudinger/Rawert vor §§80 ff. BGB Rn. 162; Westebbe, Stiftungstreuhand, S. 66 ff. 3 4 Verfehlt deshalb Staudinger!'Rawert vor §§80ff. BGB Rn. 162; zu Recht wenden Seifart/v. Camphausen/Hof § 36 Rn. 32 ein, daß man dann, wenn die Treuhänderstellung oder die Erfüllung des Stiftungszwec&es bereits als Vorteil angesehen werde, die Vereinbarung „von vornherein als Treuhandvertrag zu betrachten" habe. 3 5 RGZ 105, 305, 308; Staudinger/Reuss §525 BGB Rn. 13; MünchKomm/Kolhosser § 516 BGB Rn. 6. 36 Seifart/v. Camphausen/Hof § 36 Rn. 4: „Verschmelzung beider Vermögen". 37 Dazu eingehend unten § 34. 3 8 MünchKomm/Äe«ier §671 BGB Rn. 87. 3 9 Dazu eingehend unten § 34. 4 0 Die Interventionsrechte stehen, anders als Westebbe, Stiftungstreuhand, S. 147 ff. meint, nicht den Destinataren zu, weil diese ein „wirtschaftliches Interesse" haben. Derlei würde oftmals schon am unbestimmten Kreis der Destinatäre scheitern. Deshalb erscheint es zutref31
32
330
Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung
der
Treugeberposition
form des Treuhandverhältnisses unbegründbare - Auffassung41 gefallen lassen, die das Stiftungsgeschäft als Vertrag sui generis einordnet. c) Ermittlung
des treuhänderischen
Pflichtenkatalogs
Der Gesetzgeber42 hat bewußt keine Regelungen zur unselbständigen Stiftung vorgesehen, so daß die Treuhänder-Pflichten in Anlehnung an die Pflichten bei der selbständigen Stiftung zu ermitteln sind.43 Die Pflichten des Stiftungsträgers als Treuhänder (und gegebenenfalls seiner Organe) bei der unselbständigen Stiftung und des Stiftungsorgans bei der selbständigen Stiftung gleichen sich44 in ihrer ausschließlichen Ausrichtung der Interessenwahrnehmung an den bei Errichtung der Stiftung festgeschriebenen Wahrnehmungszielen (Stifterwillen, Stiftungszweck); den Stiftungsbegünstigten gegenüber bestehen, soweit nichts Abweichendes im Treuhandvertrag vereinbart worden ist, keinerlei Leistungs-, Benachrichtigungs-45 oder Rechenschaftspflichten. Wie bereits erörtert, 46 ändert nämlich die Ausgestaltung des treuhänderischen Machtmittels nichts am treuhänderischen Hauptpflichtenprogramm und es kann deshalb bei derlei Ersatzformen für im Gesetz geregelte Treuhandverhältnisse der Pflichtenkanon entsprechend übertragen werden, indem im Innenverhältnis vereinbart wird, daß der Treuhänder sich so zu verhalten habe, als wäre die gesetzliche vorgesehen Treuhandform (selbständige Stiftung) vereinbart worden. Diesen Vorgang illustriert Karsten Schmidt mit der Figur der „virtuellen Rechtsperson".47 Die Rechtsfigur der virtuellen juristischen Person benennt das Vertragsziel der Beteiligten und hilft beim Verständnis von Organisation und Vermögensstruktur. „Sie ist ein Denkmodell für die Benennung von Interessen und Pflichten"48 in
fend, daß der Stifter, sein Rechtsnachfolger oder ein Überwachungstreuhänder diese Rechte ausübt, Seifarth. Camphausen/Hof §36 Rn. 136; Wochner ZEV 1999,125,127. 41 Soergel/Neuhoff vor § 80 BGB Rn. 23b. 42 Mugdan II, S. 754. 43 Das bedeutet freilich nicht, daß die §§80 ff. BGB auf die unselbständige Stiftung analog anzuwenden wären, was gemeinhin zurecht abgelehnt wird, vgl. RGZ105,305,306 f.; MünchKomm/Reuter vor § 80 BGB Rn. 45; Staudinger/Rawert vor §§ 80ff. BGB Rn. 153. 44 Ein paralleler Vorgang läßt sich im Vereinsrecht beobachten: Das Vereinsvermögen nicht rechtsfähiger Vereine, vor allem von Gewerkschaften, die traditionell als nicht rechtsfähige Vereine organisiert sind, wird regelmäßig vom Vereinsvorstand gehalten. Er soll hierbei dieselben Pflichten haben wie ein Vorstand eines rechtsfähigen Vereins, der selbst Träger des Vereinsvermögens sein kann. 45 Auch wenn man davon ausgeht, daß sich die Stiftung bei potentiellen Destinatären bekannt machen müsse, damit diese auch in der Lage sind, Zuwendungen zu beantragen, so besteht diese Pflicht nicht gegenüber den Begünstigten, sondern entspringt aus dem Stifterwillen, der auf die Förderung eines bestimmten Zweckes gerichtet ist. 46 Dazu oben § 1013. 47 Zum Fiktionsmodell bereits oben § 10 13 b cc. 48 K. Schmidt, Ersatzformen, S. 180.
§ 14. Treuhandbegründer
und Treuhandbegünstigter
331
Treuhandverhältnissen, die dazu dienen, Lücken, Schwächen oder Umständlichkeiten des geltenden Rechts auszugleichen. Die selbständige Stiftung ist eine im Gesetz vorgesehene Rechtsperson, die zu einer Kongruenz zwischen der Stiftung als Stiftungsträger (Juristische Person) und der Stiftung als Stiftungsvermögen (Vermögen, das der Juristischen Person zugeordnet ist) führt. 49 Die selbständige Stiftung als juristische Person ist Treuhänder des Stiftungsvermögens, das satzungsmäßig zweckgebunden ist und von der Stiftung, die durch ihre Organe handelt, deshalb nicht frei verwendet werden kann. Die unselbständige Stiftung hingegen ist eine virtuelle juristische Person, die vom Stifter und vom Stiftungsträger, der als Vermögenszuordnungssubjekt notwendig ist, organisiert wird. Es wechselt also eigentlich nur der Träger des Stiftungsvermögens, der nicht zwingend eine Stiftung, sondern auch jeder andere Rechtsträger sein kann. 50 Die Stiftung als Rechtsträger hat der Gesetzgeber nur deshalb vorgesehen, damit ein eigener Rechtsträger für das Stiftungsvermögen geschaffen werden kann und der Stiftungsvorstand nicht auch als Rechtsträger fungieren muß, was bei der unselbständigen Stiftung seine weitere Funktion ist. Auf diese Weise läßt sich begründen, daß der Treuhänder/ Rechtsträger der unselbständigen Stiftung im Wege der Vertragsgestaltung den gleichen Pflichten unterworfen werden kann wie die Organe der selbständigen Stiftung: Der Rechtsträger der unselbständigen Stiftung wird zum „Quasi-Organ einer Quasi-Rechtsperson".51 Also gilt: „Der Stiftungsträger und seine Organe sind verpflichtet, die Stiftung zu führen, als wären sie Stiftungsorgane".52 Der Unterschied ist, „daß wir dem Zweckvermögen einmal einen als Rechtssubjekt anerkannten Rechtsträger zugesellen [das ist die rechtsfähige Stiftung], den wir ein anderes Mal dagegen nur mit Vertragsmitteln simulieren können [das ist die unselbständige Stiftung: ein virtueller Rechtsträger]".53 K. Schmidt54 ist jedoch zu widersprechen, wenn er meint, die Zuwendung des Stiftungsvermögens an die fiktive Stiftung sei Schenkung, die Organisation der fiktiven Person und die Kreation des fiktiven, auftragsartigen Verhältnisses zwischen der solchermaßen organisierten fiktiven Person als Treugeber und dem Träger als Treuhänder sei Treuhandabrede, wobei die Schenkung unter der Auflage erfolge, die Treuhand-Abrede zu beachten, also die Auflage quasi Schenkung und Treuhand „verklammert". Diese zuvor bereits von Grundmann55 postulierte Kumulation von Treuhandvertrag und Schenkung ist jedoch bei zutreffendem Verständnis der Treuhandabrede abzulehnen. Das gilt auch für 49 50 51 52 53 54 55
Flume, BGB AT 1/2, S. 131. K. Schmidt, Ersatzformen, S. 176. K. Schmidt, Ersatzformen, S. 178. K. Schmidt, Ersatzformen, S. 179. K. Schmidt, Ersatzformen, S. 180. K. Schmidt, Ersatzformen, S. 182. Zu Kritik an Grundmann oben § 8 I 5.
332
Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung
der
Treugeberposition
die hier in Rede stehende unselbständige Stiftung. K. Schmidt bleibt denn auch eine zutreffende Begründung dafür schuldig, warum in der Treuhandabrede nicht Organisationsakt und Zuwendung gleichermaßen enthalten sein können. Er denkt sich - parallel zur selbständigen Stiftung - die virtuelle unselbständige Stiftung als Schenkungsempfänger,56 auch wenn rechtlich gesehen „Träger" der Treuhänder sei, und begegnet damit der bereits oben am Schenkungsmodell geübten Kritik. Außerdem wird auf diese Weise der Fiktionsgedanke überstrapaziert, denn im Verhältnis von Treugeber und Treuhänder soll ja nur so verfahren werden, als ob eine selbständige Stiftung bestehe. Es erscheint unzutreffend, wenn Schmidt behauptet, die der Schenkung hinzugefügte Auflage verpflichte den Träger der unselbständigen Stiftung, weil das lediglich fiktive Rechtsverhältnis zwischen der fiktiven Stiftung und dem Träger den Träger nicht verpflichten könne. Die Verpflichtung des Trägers wird nämlich schon durch die ganz reale Treuhand-Abrede zwischen Stifter (Treuhandbegründer) und Stiftungsträger (Treuhänder) bewirkt. Schmidt wählt diese komplizierte Konstruktion deshalb, weil er auf diese Weise den Stifter als Treugeber mit seinen Rechten als Gefahr für die unselbständige Stiftung 57 ausschalten möchte. Diese Gefahr läßt sich indes - wie soeben erörtert - auch durch rechtsgeschäftlich vereinbarten Ausschluß des Beendigungsrechts und anderer Treugeberrechte bannen, soweit die unselbständige Stiftung nur in ihrer Organisation bestimmten Anforderungen genügt.
2.
Testamentsvollstreckung
a) Der Testamentsvollstrecker
als „Willensvollstrecker"
des Erblassers
Ein weiteres Beispiel für eine Spaltung der Treugeberposition in Treuhandbegründer (Erblasser) und Treuhandbegünstigten (Erbe) ist die Anordnung der Testamentsvollstreckung. Der Testamentsvollstrecker ist in der Ausprägung, die er im BGB gefunden hat, eine Eigenheit des deutschen Zivilrechts. Andere Kodifikationen wie etwa der Code Civil, Art. 1025 ff. CC, das ABGB, oder auch das ZGB der DDR, § 371 Abs. 3 ZGB, kennen zum einen nur die Abwicklungsvollstreckung, nicht die hier vor allem interessierende Verwaltungsvollstreckung. Das eigenartige an der Testamentsvollstreckung nach deutschem Recht ist zum anderen, daß der Gesetzgeber nicht dem aus der Geschichte geläufigen Modell gefolgt ist, den Testamentsvollstrecker zum treuhänderischen Erben zu machen, sondern ihn nur mit einem Verwaltungsrecht an fremdem - des Erben - Vermögen versehen hat. Dieses Verwaltungsrecht wurde aber wiederum
56 57
K. Schmidt, Ersatzformen, S. 182. Diese Gefahren betont auch MünchKomm/7?e»ier vor § 80 BGB Rn. 85 ff.
$ 14. Treuhandbegründer
und Treuhandbegünstigter
333
so umfassend gestaltet, daß dem Erben nur ein nudum ius bleibt.58 Auf diese Weise wollten die Verfasser des BGB „Klarheit in ein dunkles Institut [...] bringen". 59 Es wäre aber wohl überzeugender, den Testamentsvollstrecker als Treuhänder 60 parallel zur Situation bei der unselbständigen Stiftung auch zum Träger des zu verwaltenden Nachlasses zu machen und keine Trägerschaft des Erben als Treuhandbegünstigtem vorzusehen. Nach geltendem Recht ist der Testamentsvollstrecker nicht gesetzlicher Vertreter des Erben, 61 weil er nicht im Namen des Erben, sondern für den Nachlaß handelt und nicht gesetzlicher Vertreter des Nachlasses, 62 weil dieser kein Rechtssubjekt ist. 63 Er ist vielmehr „Treuhänder und Inhaber eines privaten Amtes", 64 das ihm der Erblasser verliehen hat, und Inhaber eines die Erben verdrängenden Verwaltungsrechts am Nachlaß als Machtmittel. Das hatte noch §§ 1897 ff. BGB E I anders gesehen, der den Testamentsvollstrecker als gesetzlichen Vertreter des Erben, dem als Geschäftsherrn 65 weitreichende Macht- und Kontrollbefugnisse zustanden, ansah. Erst nach harscher Kritik auf dem 21. Deutschen Juristentag wurde die Stellung des Testamentsvollstreckers unabhängig vom Willen des Erben gestaltet66 und vor allem auf Initiative von Gierkes67 überhaupt die heute in § 2209 BGB zugelassene Verwaltungsvollstreckung als letztlich eigener Typ letztMuscheler, Haftungsordnung, S. 2 f. Mot. V 2 3 6 . 60 Kämmerer J R 1970,328,331; Kipp/Coing § 66 III. 61 So beispielsweise Ballerstedt AcP 151,501,525; Flume B G B AT II § 45 12. 6 2 So beispielsweise Bötticher J Z 1963,582,585. 63 Kipp/Coing §66 III; Soergel/Damrau vor §2197 B G B Rn. 13; Palandt/Edenhofer vor § 2197 B G B Rn. 2; Dölle, FS Schulz II, S. 268 ff. (ihm folgen Staudinger/Dilcher vor § 164 B G B Rn. 58; Thomas/Putzo §51 Z P O Rn.29; von Lübtow J Z 1960, 151) vertritt die Theorie des neutralen Handelns, der Testamentsvollstrecker handle weder für sich, nicht für einen anderen, sondern objektbezogen, „sondervermögensbezogen". Dem wird entgegengehalten, daß diese Form dem B G B fremd sei, Soergel/Damrau vor §2197 B G B Rn. 12, und daß es - mangels Rechtspersönlichkeit des Sondervermögens - an einem Zuordnungssubjekt des Handelns fehle, Stein/Jonas!Bork vor § 50 Z P O Rn. 33b; Schmidt KTS 54, 356. Das „Amt" ist freilich auch keine herkömmliche Form des Zivilrechts, sondern ein eigenes Rechtsinstitut, vgl. Offergeld, Rechtsstellung, S. 59. 6 4 B G H Z 25,275,279; vgl. auch Staudinger/Reimann vor §§ 2197 ff. B G B Rn. 14; RGZ 56, 327,330; RGZ 76,125,125; B G H Z 23,203; B G H Z 30,67,68; B G H Z 41,23,25; Soergel/Damrau vor §§2197ff. B G B Rn. 14; Palandt/Edenhofer vor §2197 B G B Rn.2; MünchKomm/ Brandner vor § 2197 B G B Rn. 5. Entwickelt wurde diese Theorie vom Reichsgericht, RGZ 29, 29 ff., für den Konkursverwalter, damit dieser Prozeßpartei ist und der Gemeinschuldner im Prozeß als Zeuge befragt werden konnte. Der Begriff „Amt" sagt für weitere Folgerungen nichts. Allgemein werden als private Amtsträger Personen angesehen, die ein Sondervermögen kraft eigenen Rechts verwalten, aber nicht innehaben, wobei dem Inhaber die Verwaltungsbefugnis entzogen ist. Der Testamentsvollstrecker unterscheidet sich von anderen Amtsträgern dadurch, daß er nicht durch Hoheitsakt legitimiert und kaum kontrolliert wird. 6 5 Mot. V 236. 6 6 Vgl. Prot. V 270 ff. 67 Verhandlungen des 21. D J T III, S. 224 ff. 58
59
334
Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung
der
Treugeberposition
williger Verfügung 68 mit den wichtigen Folgen der §§ 2211,2214 BGB zugelassen. Der Testamentsvollstrecker wurde von der „Marionettenpuppe des Erben" 69 in BGB-EI zum vollumfänglichen Repräsentanten des Erblassers im BGB.
b) Der Erblasser als
Treuhandbegründer
Der Erblasser als Treuhandbegründer errichtet in seinem Testament durch die Testamentsvollstreckeranordnung 70 das Treuhandverhältnis, in seinem postmortal fortbestehenden Interessenkreis wirkt der Testamentsvollstrecker. Außerdem legt der Erblasser mit den Erben die Treuhandbegünstigten und mit dem durch letztwilliger Verfügung 71 ernannten, §2197 Abs. 1 BGB, Testamentsvollstrecker den Treuhänder fest, stellt mit dem Testamentsvollstrecker mit dem Verwaltungsrecht am Nachlaß oder Teilen des Nachlasses das treuhänderische Machtmittel zur Verfügung und bestimmt die Wahrnehmungsziele. 72 Der Erblasser kann in seiner Verfügung auch Ersatzvollstrecker vorsehen, § 2197 Abs. 2 BGB, oder die Bestimmung des Amtsträgers einem Dritten überlassen, §2198 BGB, während die Anordnung der Testamentsvollstreckung als solcher zwingend 73 durch den Erblasser erfolgen muß, vgl. § 2065 Abs. 1 BGB. Wird die Bestimmung einem Dritten überlassen, ist dieser Dritte wiederum Treuhänder des Erblassers, der die Erblasserinteressen insoweit wahrnimmt, als er einen geeigneten Testamentsvollstrecker auswählt. Mit wirksamer Benennung ist das Treuhandverhältnis beendet. Kommt der Dritte seiner Interessenwahrnehmungspflicht nicht nach, so kann ihm auf Antrag eines Beteiligten, also jedem, der ein rechtliches Interesse daran hat, 74 eine Frist gesetzt werden, § 2198 Abs. 2 BGB. Die Anordnung des Erblassers ist wie bei der Stiftung unwiderruflich, weil der Erblasser mit seinem Tode seine Einwirkungsmöglichkeiten verliert und diese nicht auf den Erben übergehen. Die Wahrnehmungsziele sind bei der Testamentsvollstreckung notwendig fremdnützig gefaßt, denn auch wenn das Interesse des Erblassers darauf gerichtet ist, eine bestimmte Verwaltung seines Vermögens zu erreichen und seinem Willen über den Tod hinaus Geltung zu verschaffen, 75 so ist Interessenwahrnehmung dennoch notwendig auf die Muscheler, Haftungsordnung, S. 53. Levy, Verhandlungen des 21. DJT III, S. 236. 70 In bestimmten Fällen wird der Erbe dadurch geschützt, daß die Anordnung der Testamentsvollstrecker sittenwidrig ist, vgl. etwa BGHZ 111,36. Vor allem wird der Pflichtteil (im wirtschaftlichen Sinne) vollstreckungsfrei gehalten, § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB. 71 Vgl. BGH WM 1982,1082. 72 Kipp/Coing § 66 III. 73 Staudinger/Reimann %2198 BGB Rn.2. 74 BGHZ 35,296: weit auszulegen, nicht im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG; a.A. Baur]Z 1962, 123, 75 Art. 517 f. des Schweizerischen ZGB spricht plastisch vom „Willensvollstrecker" und 68 69
5 14. Treuhandbegründer
und Treuhandbegünstigter
335
Rechtsnachfolger des Erblassers ausgerichtet und damit fremdnützig. „Der Testamentsvollstrecker hat die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Anwendung zu bringen", §2203 B G B . Nur das Nachlaßgericht kann auf Antrag des Testamentsvollstreckers Anordnungen des Erblassers außer Kraft setzen, §2216 Abs. 2 Satz 2 B G B . Die Machtmittel des Testamentsvollstreckers sind in §§2203 ff. B G B festgelegt, allerdings kann der Erblasser die Machtmittel beschränken, §§2208 Abs. 1 Satz 1, 2209 B G B , nicht jedoch, von Aufgaben, die man jedem Dritten übertragen kann, abgesehen, über das Maß der §§ 2203 ff. B G B hinaus erweitern. 76 Insbesondere ist die Testamentsvollstreckung auf die vermögensrechtliche Nachfolge beschränkt. 77 §§2203 ff. B G B behandeln also das „Können" des Testamentsvollstreckers, seine „dingliche Ausstattung", die nach §§ 2208 Abs. 1 Satz 1 B G B ebenfalls mit dinglicher Wirkung 7 8 beschränkt werden kann („hat die ... Rechte nicht"). Bei dinglichen Beschränkungen wird der Rechtsverkehr durch Eintragung im Testamentsvollstreckerzeugnis gesichert, §2368 Abs. 1 Satz 2 B G B . Was nicht eingetragen wurde, gilt dem Gutgläubigen gegenüber nicht, §§2368 Abs. 3, 2365, 2366 B G B . Deshalb ist der Testamentsvollstrecker auch nicht an Beschränkungen des Erben etwa aus § 1365 B G B gebunden. 79 c) Die Stellung des Erben als
Treuhandbegünstigtem
§2218 schafft ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Testamentsvollstrekker und Erbe, 8 0 das auf dem Willen des Erblassers beruht; hieran wird der Treuhandcharakter der Testamentsvollstreckung besonders deutlich 81 . Der Erbe ist also nicht nur Inhaber des Nachlasses, sondern auch mit dem Testamentsvollstrecker schuldrechtlich verbunden. Anders als der Stiftungsträger den Destinatären ist ihm der Testamentsvollstrecker auch Rechenschaft schuldig, es kontrollieren also die aufgrund der personellen Orientierung 82 der Nachlaßzuordmacht damit deutlich, daß es um eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Testamentsvollstrecker geht, um Substitution; Lange/Kuchinke § 1 V c: Die Anordnung der Testamentsvollstreckung ist die Fortsetzung der vermögensrechtlichen Herrschaft über den Tod hinaus. 76 Staudinger/Reimann vor §§2197 ff. BGB Rn. 12 und §2208 BGB Rn.22; Mot. V 241; Prot. V 307ff., 543. 77 Staudinger/Reimann vor§§2197ff.BGB Rn.4f. 78 B G H Z 56, 275; B G H N J W 1984, 2464; StaudingerlReimann §2208 BGB Rn. 17; a.A. Lehmann AcP 188, 1, 18, der eine dingliche Beschränkung als unzulässigen Verstoß gegen § 137 BGB ansieht. 79 Staudingerl Reimann vor §§2197ff. BGB Rn.40; PalandtlEdenhofer § 2 2 0 5 BGB Rn. 28; a.A. Meyer-Stolte FamRZ 1959,231. 8 0 B G H Z 69,235. 81 KippICoing § 73. 82 Im Gegensatz zur sachlichen Zweckorientierung bei der Stiftung.
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Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung
der
Treugeberposition
nung feststehenden Erben als „Destinatare" den Treuhänder, was bei der bloßen Zweckwidmung des Stiftungsvermögens und einem unbestimmten Kreis von Destinatären, deren Auswahl womöglich im Ermessen des Stiftungsträgers steht, nicht ohne weiteres möglich wäre. Allerdings stehen den Erben, anders als der Stiftungsaufsicht, nicht die Befugnisse der Rechtsaufsicht zu. Der Testamentsvollstrecker unterliegt lediglich, wie jeder Treuhänder, den Pflichten aus § 666 BGB, was durch die Verweisung in §2218 Abs. 1 BGB klargestellt wird. Der Erbe muß sich immer ein hinreichendes Bild von der Testamentsvollstreckung machen können, auf Verlangen muß der Testamentsvollstrecker umfassend und vollständig 83 Auskunft geben, bis hin zur Selbstbezichtigung. 84 Jede Auskunft muß auf Verlangen nach §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB beeidet werden, weil dies das einzige Druckmittel zur Sicherung einer korrekten Auskunft ist. 85 Außerdem schuldet der Testamentsvollstrecker lückenlose Rechenschaft nach dem Ende des Amtes oder eines Teilabschnittes 86 und ist auch hier zur eidesstattlichen Versicherung §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB verpflichtet. § 2218 Abs. 2 BGB ordnet überdies an, daß Erbe jährlich Rechnungslegung verlangen kann. Zum Teil wird vertreten, §§ 1840, 1841 BGB seien auf die Rechnungslegung analog anzuwenden. 87 Das ist nicht richtig, 88 denn es fehlt schon an einer Regelungslücke. Die freie Stellung des Testamentsvollstreckers ist außerdem nicht mit jener des Vormunds zu vergleichen, der gerichtlicher Kontrolle untersteht. 89 Auch das nach §2215 BGB vom Testamentsvollstrecker zu errichtende Nachlaßverzeichnis gehört hierher; aus § 260 Abs. 1 BGB kann sich später die Pflicht zur Erstellung eines weiteren Verzeichnisses ergeben. Auch das Nachlaßgericht ist nicht zur ständigen Rechtsaufsicht über den Testamentsvollstrecker berufen, sondern hat nur die abschließend geregelten Befugnisse, insbesondere die Möglichkeit der Entlassung des Testamentsvollstreckers aus wichtigem Grund, § 2227 BGB, beispielsweise aber kein Weisungsrecht. Der Entlassungsantrag ist das „schärfste Schwert" 90 des Erben, wobei diese Möglichkeit mangels anderer Kontrollmöglichkeiten eher großzügig angewendet wird. Das erscheint verfehlt, wird auf diese Weise doch die gesetzlich nicht vorgesehene Kontrolle durch das Nachlaßgericht durch die Hintertür eingeführt. 91 Unzutreffend ist es auf der anderen Seite jedoch auch, wenn behauptet wird, Tatsachen, die BGHZ 109,260,266. BGHZ 41,318,323. 85 MünchKomm/ATe/Zer § 260 BGB Rn. 65; Schmucker, Testamentsvollstrecker, S. 205. 86 OLG München OLGE 40,134. 87 Bengel/Reimann/Klumpp VI Rn. 300. 88 Soergel/Damrau § 2218 BGB Rn. 7; Haegele/WinklerRn. 483; MünchKomm/ßiWtter §2218 Rn. 11: Orientierungshilfe für den Inhalt. 89 Schmucker, Testamentsvollstrecker, S. 212. 90 Muscheler AcP 197,227. 91 Lange!Kuchinke%i\ VIII2 b; Lange JuS 1970,101 ff.; Reimann FamRZ 1995,588. 83
84
§ 14. Treuhandbegründer
und Treuhandbegünstigter
337
dem Erblasser bekannt waren, kämen als wichtiger Grund für die Entlassung keinesfalls in Betracht. 92 § 2227 B G B ist eine zwingende Norm zum Schutz des Erben, die nicht an den Willen des Erblassers anknüpft, sondern objektiv an das Vorliegen eines wichtigen Grundes; der Erblasser kann nicht in die Entlassungskompetenz des Nachlaßgerichts eingreifen.93 Das Nachlaßgericht kann auch vom Erblasser nicht mit der Rechtsaufsicht betraut werden, 94 was zum Teil als Schwäche empfunden wird. 95 Das Nachlaßgericht kann auch nicht selbst Testamentsvollstrecker werden, weil man damit die zuständige, wenn auch schwache, Kontrollinstanz ausschalten würde. 96 Auch das Vormundschaftsgericht kann den Testamentsvollstrecker nicht kontrollieren, wenn der Erbe minderjährig ist. 97 Allerdings kann der Erblasser einen Nebentestamentsvollstreckers als Uberwachungstreuhänder mit Rechtsaufsichtsbefugnissen einsetzen oder ein Treuhänderkollegium aus Mittestamentsvollstreckern installieren. 98 Dem Erben steht auch kein Weisungsrecht gegenüber dem Testamentsvollstrecker als Willensvollstrecker des Erblassers zu. 99 Der Testamentsvollstrecker ist vom Erben unabhängig. 100 Freilich ist zu beachten, daß Testamentsvollstrekker und Erbe kolludieren und so die Weisungen des Erblassers umgehen können.
3.
Versicherungsvertrag
a) Der Versicherer als Treuhänder des Versicherten Ein Versicherungsvertrag 101 kann auch zugunsten eines Dritten abgeschlossen werden. In der Schadensversicherung ist die Versicherung für fremde Rechnung bekannt, §§ 74 ff. VVG. 1 0 2 Zum Teil ist die Wirkung eines Versicherungsvertrags zugunsten Dritter auch gesetzlich angeordnet, so etwa in § 2 KfzPflVV, wo bestimmt ist, daß bei der Kfz-Haftpflichtversicherung auch Eigentümer, 92 B a y O b L G F a m R Z 1991,490; Staudinger/Reimann § 2 2 2 7 B G B Rn. 3; Palandt/Edenhofer% 2227 B G B R n . 2 . 93 MünchKommIBrandner § 2227 B G B Rn. 7; Muscheler AcP 197, 227,281 f; Schmucker, Testamentsvollstrecker, S.285. 9 4 B a y O b L G Z 21, 314; Staudinger/Reimann vor §§2197ff. B G B Rn. 13 und 20f. und § 2 2 0 8 B G B Rn. 4. 9 5 Vgl. die Beratungen der Akademie für Deutsches Recht, Flad in Schubert/Schmidt/ Regge I I I / 8 , S. 639. 96 MünchKomm/Brandner § 2197 B G B Rn. 9. 97 Palandt/Edenhof er vor §§2197 ff. B G B Rn.3. 98 Zum Uberwachungstreuhänder oben § 10IV. 99 B G H Z 2 5 , 2 7 5 , 2 7 9 . 100 Kipp/Coing § 66 III. 101 Zur Eigenschaft des Versicherungsvertrags als Treuhandverhältnis oben § 12 III 5. 102 Eine andere Möglichkeit, die hier außer Betracht bleiben soll, ist die Summenversicherung zugunsten Dritter, etwa die Lebensversicherung zugunsten eines Bezugsberechtigten, § 166 VVG, „am Nachlaß vorbei".
338
Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung
der
Treugeberposition
Fahrer und Beifahrer mitversichert sind, die ihre Ansprüche gegen die Versicherung selbständig geltendmachen können. Treuhandbegründer (Versicherungsnehmer als Vertragspartner, § 1 Abs. 1 VVG) und Treuhandbegünstigte (Versicherter) fallen in diesen Fällen also auseinander. Eine Schadensversicherung für fremde Rechnung, §§ 74 ff. VVG, ist ein gesetzlich geregelter Sonderfall des echten Vertrages zugunsten eines Dritten im Sinne des § 328 BGB. 103 Der Versicherungsnehmer versichert dabei „im eigenen Namen ein fremdes Interesse". 104 Ein Beispiel sind Gruppenversicherungsverträge, 105 etwa der Abschluß einer Berufshaftpflichtversicherung eines Kanzleiinhabers für seine angestellten Rechtsanwälte. Die vom Gesetzgeber gewählte Bezeichnung „für fremde Rechnung", § 74 Abs. 1 VVG, ist deshalb irreführend, weil der Versicherungsnehmer nicht wie ein Kommissionär für die Rechnung des Versicherten, sondern auf eigene Rechnung die Interessenwahrnehmung für einen Dritten, den Versicherten/Treuhandbegünstigten, einem Treuhänder überträgt. Die Ursache dafür, daß der Treuhandbegründer (Versicherungsnehmer) anstelle des Treuhandbegünstigten (Versicherter) die Wahrnehmung von dessen Interessen durch den Treuhänder (Versicherer) herbeiführt, kann im Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem oder in einer gesetzlichen Anordnung liegen. Abweichend von §§ 328 ff. BGB erwirbt der Versicherte als Treuhandbegünstigter bereits allein durch die Vereinbarung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer über die Versicherung eines fremden Risikos kraft Gesetzes einen eigenen Anspruch gegen den Versicherer, § 75 Abs. 1 VVG. 106 Diesem stehen Einwendungen aus dem Verhältnis Versicherer - Versicherter, § 79 VVG, und Versicherer-Versicherungsnehmer, § 334 BGB, gleichermaßen entgegen. Allerdings ist allein der Versicherungsnehmer Inhaber der Verfügungsmacht über den Anspruch und ist grundsätzlich 107 allein befugt, diesen Anspruch geltendzumachen, §§ 75 Abs. 2, 76 Abs. 1 VVG. Nur der Versicherungsnehmer ist also prozeßführungsbefugt. Dies geschieht zum Schutz des Versicherers, der sich nur mit seinem Vertragspartner, dem Versicherungsnehmer, auseinandersetzen müssen soll. 108 BGH VersR 1967,343,344; BGH VersR 1979,176,178. Römer/Langheid § 74 VVG Rn. 1. 105 BGH VersR 1965, 1166; BAG NZA 1998, 376, 377; Bruck/Möller/Wriede §74 VVG Anm. H 9 ff.; Honseil/Hübsch §74 VVG Rn.3; Hofmann, Privatversicherungsrecht, §5 Rn. 42; Bayer, Vertrag, S. 170. 106 BGHZ 40,297,301. 107 Etwas anderes gilt bei gesetzlicher Anordnung, vgl. etwa § 61 Abs. 2 BNotO, wenn der Versicherte im Besitz des Versicherungsscheins ist, § 75 Abs. 2 VVG, wenn der Versicherungsnehmer zustimmt, §185 BGB, bei Vereinbarung im Versicherungsvertrag, vgl. etwa §10 Abs. 4 AKB, oder wenn die Berufung des Versicherers auf die fehlende Befugnis des Versicherten ausnahmsweise rechtsmißbräuchlich ist, BGHZ 115,275,282. 108 Weyers/Wandt, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 526; darüber hinaus soll auch einem Versicherungsnehmer, der sich wegen seiner Forderungen aus seiner Geschäftsbeziehung mit 103
104
§ 14. Treuhandbegründer
und Treuhandbegünstigter
339
b) Der Versicherungsnehmer als Treuhänder des Versicherten Erhält der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung, so handelt er als Treuhänder des Versicherten, 109 denn bereits durch Abschluß des Versicherungsvertrags für fremde Rechnung wird kraft Gesetzes wiederum ein Treuhandverhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer geschaffen, 110 bei dem der Versicherungsnehmer die Interessen des Versicherten gegenüber dem Versicherer wahrnimmt und mit dem gesetzlichen Verfügungsrecht aus §76 V V G als Machtmittel ausgestattet ist. 111 Bei der dem Versicherten zustehenden Versicherungssumme handelt es sich deshalb nach der hier zugrundegelegten Terminologie um ein Resultat. 112 Der Versicherungsnehmer ist zwar Adressat aller Pflichten aus dem Vertrag und Inhaber aller Rechte, insbesondere der Kontroll-, Weisungs- und Gestaltungsrechte, und also „Herr des Vertrages". 113 Er kann frei über den Versicherungsvertrag verfügen, 114 soweit nicht das gesetzliche Treuhandverhältnis durch Parteiabreden insoweit modifiziert ist oder ein gesetzlicher Zwang besteht. Ist jedoch ein Versicherungsfall eingetreten, so muß er den Anspruch gegen den Versicherer geltendmachen und das Resultat an den Versicherten weitergeben; daneben untersteht er den Regeln des allgemeinen Treuhandrechts und schuldet dem Versicherten deshalb beispielsweise Auskunft, 1 1 5 § 666 B G B , nicht nur im Versicherungsfall, sondern auch über den Vertragsstand insgesamt.
III. Schlußfolgerungen 1. Keine spezifischen
Interessenkonflikte
Die geschilderten Beispiele zeigen, daß bei der Spaltung der Treugeberposition in Treuhandbegründer und Treuhandbegünstigten zwei unterschiedliche Figuren zu unterscheiden sind. Der Treuhänder kann - wie bei unselbständiger Stiftung und Testamentsvollstreckung - mit der Wahrnehmung von Interessen des Treuhandbegründers betraut sein, oder - wie bei der Versicherung auf fremde Rechnung - mit der Wahrnehmung von Interessen des Treuhandbegünstigten.
dem Versicherten aus den versicherten Sachen befriedigen kann, der Zugriff auf das Sachsurrogat in Form der Versicherungssumme ermöglicht werden, vgl. § 77 VVG. 109 Schimikowski, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 83. 110 Honseil/Hübsch § 77 VVG Rn. 1; Prölss/Martin § 76 VVG Rn. 1. 111 Vgl. B G H Z 113,151,154; B G H Z 1 1 5 , 2 7 5 , 2 8 0 ; B G H N J W 1998,2537,2538. 1 1 2 Zu Resultaten eingehend oben § 9 III. 113 Honseil/Hübsch § 75 VVG Rn. 3. 114 B G H Z 6 4 , 2 6 1 , 2 6 4 . 1 1 5 Zutreffend B G H N J W 1991,3031,3032; Honseil/Hübsch § 77 VVG Rn. 7.
340
Teil 3: Interessenkonflikte
als Folge einer Spaltung der
Treugeberposition
Es kann deshalb jeweils nicht zu einem Konflikt zwischen den Interessen mehrerer Treugeber kommen, wie dies in anderen Fällen der Aufspaltung der Treugeberposition der Fall ist, weil der Treuhänder entweder ausschließlich auf die Interesse des Treuhandbegründers oder des Treuhandbegünstigten verpflichtet ist. Die Ermittlung von konkreten Einzelpflichten w i r d also nicht durch zusätzliche Parameter beeinflußt, sondern richtet sich grundsätzlich allein an Interessen und Wahrnehmungszielen von Treuhandbegründer oder Treuhandbegünstigtem aus.
2. Wahrnehmung der Interessen des
Treuhandbegründers
Überträgt ein Treuhandbegründer einem Treuhänder die Wahrnehmung eigener Interessen, so geschieht dies in der Regel in der Absicht, die Wahrnehmung dieser Interessen über die Lebenszeit des Treuhandbegründers hinaus zu sichern. Die Treuhandbegünstigten haben als Destinatäre oder Erben eine schwache Stellung. Soweit, wie bei der Testamentsvollstreckung, ein feststehender Kreis von Treuhandbegünstigten vorhanden ist, kontrollieren diese den Treuhänder, ohne jedoch selbst eingreifen zu können, bei einer Zweckwidmung (Stiftung) mit nur mittelbarer Begünstigung der Treuhandbegünstigten ist sogar der Treuhandbegründer oder sein Rechtsnachfolger zur Kontrolle berufen; der Treuhänder schuldet jeweils Auskunft und Rechnungslegung. Ein weiteres Merkmal dieser Treuhandform ist, daß der Treuhandbegründer einmalig sein Weisungsrecht in Form der Festlegung der Wahrnehmungsziele ausübt und sich durch Verzicht oder Tod weiterer Weisungsmöglichkeiten begibt, die dann aber auch nicht dem Treuhandbegünstigten zustehen; der Treuhänder wird gleichsam unabänderlich auf Interessen und Wahrnehmungsziele des Treuhandbegründers programmiert. Er arbeitet deshalb allein nach den Vorstellungen des Treuhandbegründers und zugunsten der Treuhandbegünstigten nur insoweit, als diesen nach den Festlegungen in Testament oder Stiftungsgeschäft bestimmte Vorteile zustehen sollen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Treuhandbegründer dem Treuhandbegünstigten bestimmte Weisungsrechte einräumt, was jedenfalls bei der Testamentsvollstreckung möglich ist. Gleiches gilt für das Recht zur Beendigung des Treuhandverhältnisses: Der Treuhandbegründer verliert das Beendigungsrecht durch Verzicht oder Tod, der Treuhandbegünstigte kann das Treuhandverhältnis ebenfalls nicht beenden. Bei der Testamentsvollstreckung schreibt §2210 BGB allerdings eine dreißigjährige Höchstfrist vor. Die strikte Ausrichtung des Treuhänders an den Interessen des Treuhandbegründers läßt sich besonders gut anhand der Testamentsvollstreckung illustrieren: Der Erbe ist zwar Rechtsträger des zu verwaltenden Nachlasses, die Testamentsvollstreckung als Verwaltung des Nachlasses im Interesse des Erblassers
341 kann jedoch im Extremfall so weit führen, daß der Erbe über die bloße Rechtsträgerschaft hinaus tatsächlich keinerlei Vorteile aus dem Nachlaß erhält. Darüber hinaus besteht sogar die Gefahr, daß er weiteres Vermögen verliert, weil Nachlaßgläubiger, die einen Titel gegen den Testamentsvollstrecker erstreiten, nicht nur auf den Nachlaß, sondern auf das gesamte Vermögen des Erben zugreifen können. 116 Der Erbe hat lediglich die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen oder von seinen Möglichkeiten zur Haftungsbeschränkung im Wege der Absonderung des Nachlasses von seinem Eigenvermögen, §§ 1975 ff. BGB, gebrauchzumachen. Dieser Umstand wird damit gerechtfertigt, daß der Testamentsvollstrecker keinem Gericht als Überwachungstreuhänder untersteht 117 und nur eine amtliche, im Gläubigerinteresse durchgeführte Nachlaßseparation die Haftung des Erben beschränken könne. 118 Der Erbe haftet also sogar für Nachlaßschulden, die der Testamentsvollstrecker begründet, grundsätzlich unbeschränkt, 119 was bei Dauervollstreckung zu erheblichen Härten für den Erben führen kann.
3. Wahrnehmung der Interessen des
Treuhandbegünstigten
Im Gegensatz dazu stehen die Treuhandverhältnisse, bei denen der Treuhandbegründer dem Treuhänder die Wahrnehmung der Interessen des Treuhandbegünstigten überträgt, wie das bei der Versicherung auf fremde Rechnung der Fall ist. Diese Treuhandverhältnisse folgen den Regeln der Verträge zugunsten Dritter, §§ 328 ff. BGB, auch wenn etwa das Versicherungsvertragsrecht in §§ 74 ff. VVG einige Abweichungen festlegt. Bei diesen Treuhandverhältnissen ist der Treuhandbegründer Herr des Vertrags, der Treuhandbegünstigte kann, je nach Ausgestaltung des Treuhandverhältnisses, einen eigenen Anspruch gegen den Treuhänder haben oder nicht (echter/unechter Vertrag zugunsten Dritter). Derartige Fälle sind auch über das Versicherungsvertragsrecht hinaus denkbar. So mag ein Treuhandbegründer einem Vermögensverwalter als Treuhänder Geld anvertrauen, das dieser für die minderjährigen Kinder des Treuhandbegründers als Treuhandbegünstigte nach bestimmten Anlagegrundsätzen verwalten und mehren soll. Auch hier bleibt der Treuhandbegründer Herr des Vertrags, allein er bestimmt, ob und unter welchen Bedingungen seine Kinder einen Anspruch gegen den Vermögensverwalter auf Auszahlung von Kapital116 Das wurde bei den Reformberatungen nach 1933 kritisiert, vgl. Siber, Haftung für Nachlaßschulden nach geltendem und künftigem Recht (1937). 117 Muscheler, Haftungsordnung, S. 107. 118 Dem läßt sich freilich entgegenhalten, daß auch bei Bestehen einer Erbengemeinschaft eine derartige Haftungsbeschränkung besteht, solange der Nachlaß nicht geteilt ist, § 2059 Abs. 1 Satz 1 BGB, ohne daß dabei ein amtliches Verfahren stattfände, vgl. Muscheler, Haftungsordnung, S. 111 ff. 119 MünchKomm/Siegmann § 1994 BGB Rn. 13; Marotzke JZ 1986,457,464.
342
Teil 3: Interessenkonflikte als Folge einer Spaltung der Treugeberposition
erträgen oder Kapitalstock haben. Er kann jederzeit Weisungen geben oder die Anlagegrundsätze (Wahrnehmungsziele) insgesamt verändern. Auch kann er das Treuhandverhältnis grundsätzlich jederzeit beenden, selbst wenn er dazu im Verhältnis zum Treuhandbegünstigten nicht berechtigt sein sollte, etwa weil der Treuhandbegründer im Beispielsfall seinen Kindern ein Geschenk gemacht hat. Die Position des Treuhandbegründers erfährt ihre Begrenzung jedoch aus dem Umstand, daß es allein die Interessen des Treuhandbegünstigten sind, die der Treuhänder wahrnimmt, so daß der Treuhandbegründer beispielsweise nicht zu Weisungen befugt ist, die zu einer Abweichung der vom Treuhänder geschuldeten Interessenwahrnehmung zulasten des Treuhandbegünstigten führen. Der Treuhandbegründer kann dem Treuhandbegünstigten also lediglich eine, nach bestimmten Maßstäben gesetzlich oder vertraglich definierte, kunstgerechte Interessenwahrnehmung zuwenden, nicht jedoch mittelbar über den Treuhänder auf den Interessenkreis des Treuhandbegünstigten zugreifen, denn anders als bei den unter 2. erörterten Fällen hat sich der Treuhänder ausschließlich an den Interessen des Treuhandbegünstigten zu orientieren.
Teil 4
Interessenkonflikte als Folge mehrerer nebeneinander bestehender Treuhandverhältnisse
§15. Grundlagen I. Das Bestehen mehrerer Treuhandverhältnisse als Regel Ein Treuhänder darf in demselben Interessenfeld nicht nur ein Treuhandverhältnis zu einem einzelnen Treugeber oder Treuhandverhältnisse zu mehreren Treugebern bei Spaltung der Treugeberposition 1 begründen, sondern auch mehrere, voneinander völlig unabhängige Treuhandverhältnisse. Betreuer, Eltern, Vormünder, Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter, Kommissionäre, Inkassounternehmen, Vermögensverwalter, Banken, Rechtsanwälte, Aufsichtsräte, Kreditkartenunternehmen, Mehrfirmenvertreter oder Makler sind als Treuhänder regelmäßig nicht dazu gezwungen, sich auf einen Treugeber oder eine Treugebergruppe zu beschränken und ihre sämtlichen Eigeninteressen zugunsten eines Treugebers, dem sie „stricto sensu" verpflichtet sind, zurückzustellen. Eltern mögen mehrere Kinder haben und werden zudem auch ihre eigenen Interessen nicht vollständig zugunsten der Kindesinteressen aufgeben müssen. 2 § 100 Abs. 2 Nr. 1 AktG geht davon aus, daß ein Treuhänder bis zu zehn Aufsichtsratsmandate innehaben darf. Berufsbetreuer betreuen oft Dutzende von Betreuten und haben zudem eigene Interessen wahrzunehmen. Gleiches gilt für Kommissionäre, die Aufträge verschiedener Kommittenten annehmen und zudem auch Eigenhandel betreiben dürfen. Arztliche Abrechnungsstellen oder Rechtsanwälte betreuen eine Vielzahl von Mandanten. Mit nur einem Treugeber könnte ein gewerblich handelnder Treuhänder in der Regel schon überhaupt nicht überleben; er möchte seine Leistungsfähigkeit auslasten, seine Kosten mindern und sein Risiko die Einkünfte betreffend streuen.3 Wäre dem nicht so, würde das Gesetz jedem Treuhänder in dem für einen Treugeber wahrgenommenen Interessenfeld die Wahrnehmung eigener wie anderer fremder Interessen präventiv untersagen, so daß ein Treuhänder in diesem Interessenfeld dann jeweils nur die Interessen eines Treugebers wahrnehmen dürfte. Dies geschieht jedoch nur ganz ausnahmsweise etwa in Form von Wettbewerbsverboten oder Inkompatibilitätsregelungen. Solche Anordnungen wären wiederum überflüssig, wenn ohnedies ein grundsätzliches Verbot der Wahrnehmung von Interessen verschiedener Interessenträger im selben Interessenfeld 1 2 3
Dazu eingehend oben Teil 3. Vgl. Lutter Z H R 145,224,234. So für den Kommissionär Koller BB 1978,1733.
346
Teil 4: Interessenkonflikte als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
durch denselben Treuhänder bestünde. Gleiches gilt für Normen wie §§181, 1795,1796 B G B , 4 die ebenfalls zeigen, daß ein Treuhänder in der Regel Interessen verschiedener Interessengeber wahrnehmen darf, weil es andernfalls nicht zu den in diesen Normen beschriebenen Problemlagen kommen könnte. Wenn ein Treuhänder jedoch grundsätzlich die Interessen mehrerer, von einander völlig unabhängiger, miteinander unverbundener Treugeber und zudem seine eigenen Interessen wahrnehmen darf, dann kann es nicht ausbleiben, daß es zu Interessenkonflikten kommt, weil der Treuhänder im selben Interessenfeld die Interessen verschiedener Interessenträger wahrnimmt und sich deren Wahrnehmungsziele nicht miteinander vereinbaren lassen. Infolgedessen geraten dann einzelne konkrete Pflichten eines Treuhänders gegenüber verschiedenen Treugebern miteinander in Konflikt: Eltern mögen nicht über die Ressourcen verfügen, dem Wohl eines jeden ihrer Kinder optimal gerecht zu werden, einem Kommissionsagenten gelingt es nicht, in Erfüllung entsprechender Treugeberweisungen Waren gleicher Art in ausreichender Menge oder zu einem gleich günstigen Preis für sämtliche Kommittenten zu erwerben und damit deren Interesse, § 384 Abs. 1 H G B , optimal wahrzunehmen. Die Behandlung dieser Pflichtenkonflikte soll im folgenden Teil 4 erörtert werden. Dabei wird ein Interessenkonflikt als „erheblicher Interessenkonflikt" bezeichnet, wenn die Notwendigkeit zu seiner Auflösung besteht, weil er von den Treugebern aufgrund der Gefahr des Unterbleibens einer pflichtgemäßen Interessenwahrnehmung nicht hingenommen werden muß. Ein „dauerhafter Interessenkonflikt" ist ein Interessenkonflikt, der ständig Pflichtenkonflikte erzeugt, während ein „punktueller Interessenkonflikt" nur in einem Einzelfall zu Pflichtenkonflikten führt. Dauerhafte und punktuelle Interessenkonflikte verlangen nach jeweils unterschiedlicher Behandlung.
II. Arten von Pflichtenkonflikten Beim Umgang mit Pflichtenkonflikten sind zwei verschiedene Kategorien von Konflikten zu unterscheiden, für die, wie zu zeigen sein wird, unterschiedliche Regeln gelten: Die Pflichten des Treuhänders gegenüber verschiedenen Treugebern, die sich aus konkreten Weisungen des Treugebers oder einer Pflichtenkonkretisierung des Treuhänders anhand der Wahrnehmungsziele ergeben, können konkurrieren (dazu §§ 17-18) und kollidieren (dazu §§ 19-25). Pflichten konkurrieren, wenn mindestens zwei Treugebern gegenüber identische Pflichten bestehen, die aber nicht vollständig erfüllt werden können. Ein Beispiel aus dem Recht der Kommission mag das verdeutlichen: Ein Kommissionär ist den Treugebern 1 und 2 gegenüber verpflichtet, jeweils 500 Einheiten einer bestimmten 4
Eingehend dazu unten §22 und §23.
§ 15.
Grundlagen
347
Ware zu erwerben. Ihm wird aber nur eine Menge von 700 Einheiten angeboten, so daß er nicht beide Treugeber gleichermaßen bedienen kann. Es entsteht Konkurrenz um die Verteilung der Waren, denn der Treuhänder ist, gemessen an den pflichtenerzeugenden Weisungen der Treugeber 1 und 2, eigentlich verpflichtet, sowohl Treugeber 1 als auch Treugeber 2 eine Menge von 500 Einheiten zu liefern. Der Treuhänder steht hier also gleichsam für mehrere Treugeber, die dasselbe - abstrakt „A" - wollen, auf derselben Seite. Bei der Kollision hingegen steht der Treuhänder für mehrere Treugeber auf verschiedenen Seiten, es entstehen einander entgegengesetzte Pflichten. Wieder ein Beispiel aus der Kommission: Ein Kommissionär soll für Treugeber 1 bestimmte Waren teuerst verkaufen, für Treugeber 2 soll der dieselben Waren günstigst kaufen. Die aus diesen Weisungen entstehenden Pflichten sind perplex, denn die Erfüllung beider Pflichten ist undenkbar, die Pflichten widersprechen sich. Abstrakt gesprochen will hier Treugeber 1 „A +", während Treugeber 2 „A - " will. 5 Der Kommissionär wird mindestens eine der beiden Pflichten verletzen müssen, sucht er einen Kompromiß, so verletzt er beide Pflichten. An diesen Beispielen aus dem Kommissionsrecht wird auch deutlich, daß die verschiedenen Pflichtenkonflikte gleichermaßen in ein und demselben Treuhandverhältnis auftreten können und sich Treuhandverhältnisse nicht nach der Art der Konfliktlösung einteilen lassen. Lutter6 deutet diese Konflikte im Anschluß an sozialwissenschaftliche Kategorien zurecht als Folge dessen, daß jeder Beteiligte am Rechtsverkehr zwangsläufig verschiedene Rollen spielt, die mit verschiedenen, rechtlich sanktionierten und zum Teil widersprüchlichen Rollenerwartungen verbunden sind, etwa die Rolle als Bankvorstand und die Rolle als Aufsichtsratsmitglied einer weiteren Gesellschaft.
III. Konfliktlösungsnormen
1. Einzelne Sonderregelungen Die Rechtsordnung muß, soweit sie die Einhaltung der Rollenerwartungen sanktioniert, Regeln zur Auflösung von Rollenkonflikten bereitstellen, indem sie die Vereinigung besonders konfliktträchtiger Rollen in einer Person ganz oder teilweise verhindert oder die Rollenerwartungen im Konfliktfall verändert. Die Lösung der Konflikte zwischen Pflichten gegenüber verschiedenen Treugebern fällt jedoch deshalb nicht leicht, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, daß es derlei Pflichten- oder Anspruchskonflikte als Folge von Rollenkon5 Vgl. auch Würdinger, Theorie, S. 1. Weitergehend zur Unterscheidung zwischen einander entgegengesetzten Pflichten und konkurrierenden Pflichten bei Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, Ausgabe Rosenkranz/Schubert, Band I X , S. 22 ff. 6 Lutter, FS Coing, S. 565 ff.
348
Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
flikten überhaupt nicht geben könne. In den Motiven7 findet sich die zentrale Aussage, daß auch bei Ansprüchen mehrerer Gläubiger (hier: Treugeber) gegen denselben Schuldner (hier: Treuhänder) eine Rechtskollision nicht gegeben sei, weil das Forderungsrecht ein relatives Recht sei und also jeder Gläubiger seine Rechte egoistisch durchsetzen könne. Der Gesetzgeber leugnet also aus dogmatischen Gründen - wegen der Relativität des Forderungsrechts - die Existenz von Konflikten, die in der Rechtspraxis freilich durchaus vorkommen können, man denke außerhalb des Treuhandrechts nur an den Doppelverkauf oder die Doppelvermietung. In der Literatur wird dieser Befund vereinzelt in Zweifel gezogen, so vor allem von de Boor, der „Kollisionsnormen" für den Widerstreit mehrerer Forderungen gegen denselben Schuldner zu ermitteln sucht.8 Diesem Ansatz ist zu folgen, denn in der Tat kennt unsere Rechtsordnung selbst an einigen Stellen (wenngleich auch nicht im Treuhandrecht) derlei Normen, die es nach der zitierten gesetzgeberischen Grundaussage eigentlich nicht geben dürfte. Das zeigt freilich auch, daß die Relativität der Forderung solche Kollisionsnormen (die im folgenden Konfliktlösungsnormen heißen sollen, weil mit der Kollision eine bestimmte Konfliktform bezeichnet werden soll) nicht prinzipiell ausschließt und also die erwähnte Schlußfolgerung des Gesetzgebers nicht zutrifft. 9 Im Unterhaltsrecht bestehen mit §§ 1582,1609 und 16151 Abs. 3 B G B Normen, in denen die Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter für den Fall geregelt wird, daß der Unterhaltspflichtige außerstande ist, die Forderungen aller Unterhaltsschuldner zu befriedigen. § 659 Abs. 2 B G B regelt den Fall, daß mehrere Personen gleichzeitig eine Handlung vornehmen, für die eine Belohnung ausgelobt worden ist; hier ist zu teilen oder mangels Teilbarkeit der Belohnung zu losen. Auch bei der Einrede des Notbedarfs des Schenkers kennt das Bürgerliche Gesetzbuch eines Konfliktlösungsnorm: § 519 Abs. 2 B G B ordnet hier eine Rangfolge der Schenkeransprüche nach ihrer zeitlichen Entstehung an. Im Recht der Gefährdungshaftung werden regelmäßig Haftungshöchstbeträge normiert, vgl. nur § 12 StVG. Hier verringern sich, wenn der verursachte Schaden diese Höchstbeträge übersteigt, die Ansprüche der einzelnen Geschädigten ohne weiteres pro rata, vgl. etwa § 12 Abs. 2 StVG. Die einzelnen Forderungen gelangen also um der anderen Forderungen willen bereits nicht in voller Höhe zur Entstehung, der Konflikt wird so bereits bei der Anspruchsentstehung gelöst. Es kann also, und das ist der Problempunkt, der hier für konkrete Pflichten des Treuhänders als Ausfluß der treuhänderischen Hauptpflicht zur Interessenwahrnehmung zu erörtern ist, in der Tat der Inhalt eines Forderungsrechts durch das Bestehen anderer Forderungsrechte, der Inhalt einer Pflicht durch das Bestehen anderer Pflichten beeinflußt werden. 7 8 9
Mot. I, S.276.
De Boor, Kollision, S. 5. De Boor, Kollision, S. 17.
§ 15.
349
Grundlagen
2. Das Präventionsprinzip als ungeschriebene
Regel
Denkt man über diese Einzelfälle hinaus unter dem Gesichtspunkt der Konfliktlösungsnorm weiter, so fällt freilich auf, daß es für alle Fälle tatsächlichen Forderungskonflikts in Form des vollstreckungsrechtlichen Präventionsprinzips eine ungeschriebene Konfliktlösungsnorm gibt. Wenn der Gesetzgeber, wie erwähnt, auf Grundlage der Relativität der Schuldverhältnisse davon ausgeht, daß jeder Gläubiger seine Forderung ohne Rücksicht auf und ohne inhaltliche Beeinflussung durch die Forderungen anderer Gläubiger durchsetzen könne, so endet diese Freiheit mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung. Derjenige Gläubiger, der als erster Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergreift und sich auf diese Weise Schuldnervermögen sichert, genießt nun insoweit Vorrang vor anderen Gläubigern. „Das Prinzip des Zuvorkommens ist sozusagen die plumpste Lösung der Kollision", hat bereits Regelsberger10 befunden. Sie wird als „evident gerechtes Ordnungsprinzip,, angesehen, „das jedem Kind einleuchtet". 11 Dieser Vorrang ergibt sich allerdings nicht aus einer expliziten Konfliktlösungsnorm, sondern aus sachenrechtlichen Grundsätzen, nämlich dem Rang der im Wege wirksamer Pfändung entstehenden Pfändungspfandrechte, der sich nach der zeitlichen Reihenfolge ihrer Entstehung richtet. Erst mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Schuldnervermögen wird der Gläubigerwettlauf beendet. Bevor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen greifen, sind die Gläubiger in der Verfolgung ihrer Ansprüche frei, jedoch mit ihren konfligierenden Ansprüchen umgekehrt auch der Willkür des Schuldners ausgeliefert. Beim Doppelverkauf einer Sache sieht sich der Schuldner der Situation ausgesetzt, daß er - egal, welchen Anspruch er erfüllt - dem jeweils anderen Gläubiger Schadenersatz schuldet, §§ 280 Abs. 1 und 3 , 2 8 3 B G B . Er kann also völlig willkürlich darüber entscheiden, welchen Primäranspruch er erfüllt und welchen er im Wege des Unvermögens, § 2 7 5 Abs. 1 B G B , in einen Sekundäranspruch übergehen läßt. O b er sich von Sympathie, Vorteilsgewährung durch einen der Gläubiger oder der Frage, welcher Gläubiger geringere Schadenersatzforderungen geltendzumachen vermag, leiten läßt, ist völlig offen. Erst mit der Zwangsvollstreckung wird dem Schuldner diese Möglichkeit zur Willkür genommen.
IV. Die Abkehr vom Präventionsprinzip im Treuhandrecht Dieses für Austauschschuldverhältnisse grundsätzlich akzeptable vollstrekkungsrechtliche Präventionsprinzip stößt im Treuhandrecht an seine Grenzen. Der besondere Charakter dieser schuldrechtlichen Grundform erträgt einen 10 11
Regelsberger, Pandekten, § 55. Wacke]A 1981, 94,94.
350
Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treubandverhältnisse
„Wettlauf" der Treugeber um die Pflichterfüllung des Treuhänders bei der Erfüllung konkreter Pflichten aus dem Treuhandverhältnis ebenso wenig wie die blanke Willkür des Treuhänders gegenüber seinen Treugebern. Der Treugeber möchte nicht Wettlaufen, er will nicht dem Treuhänder beständig als Kontrolleur oder Antagonist entgegentreten müssen, sondern er will sich sicher sein können, daß gerade ohne sein ständiges Zutun eine bestimmten Regeln folgende Wahrnehmung seiner Interessen durch den Treuhänder als alter ego des Treugebers erfolgt, zumal es dem Treugeber oftmals nicht möglich sein wird, den Treuhänder effektiv zu kontrollieren. Eine Anwendung des Präventionsprinzips im Wege der Zwangsvollstrekkung gegen den Treuhänder würde zudem oftmals an der Vollstreckungssperre des § 888 Abs. 3 Z P O scheitern, der bei Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag die Anwendung der Regeln über die Vollstreckung bei unvertretbaren Handlungen ausschließt; Treuhandverhältnisse haben jedoch in der Regel Dienstvertragscharakter. Außerdem entstünde auch dann, wenn Zwangsgeld oder Zwangshaft, § 888 Abs. 1 Z P O , zur Anwendung kämen, dadurch kein vollstreckungsrechtlicher Rang die Rangfolge der Erfüllung der treuhänderischen Pflichten betreffend, weil dieser Rang sich aus sachenrechtlichen Grundsätzen ergibt, so daß auch deshalb die Anwendung des vollstrekkungsrechtlichen Präventionsprinzips auf Probleme stieße. Es entsteht der Eindruck, daß die gesetzgeberische Aussage zur freien Konkurrenz mehrerer Ansprüche gegen denselben Schuldner sich - wie viele Grundaussagen des Gesetzgebers zur Schuldrechtsdogmatik - vorrangig auf punktuelle Austauschschuldverhältnisse bezieht, die im B G B eingehend geregelt sind, während Treuhandverhältnisse nicht zuvorderst im Blick des Gesetzgebers gewesen zu sein scheinen und, wenn überhaupt, nur ganz rudimentäre Regelungen erfahren haben. Um einen Gläubigerwettlauf, einen Treugeberwettlauf, im Treuhandrecht zu verhindern, müssen im Treuhandrecht deshalb andere Konfliktlösungsregeln gelten. In diesem 4. Teil der Untersuchung wird deshalb zu ermitteln sein, in welchen Fällen der Konflikt zwischen mehreren Treuhänderpflichten nach welchen Konfliktlösungsregeln mit welcher Folge für die konkreten Einzelpflichten zu lösen ist. In der Regel besteht im Treuhandrecht also keine Interessenwahrnehmungspflicht stricto sensu, sondern es erfolgen Modifizierungen und Ergänzungen der Verpflichtung auf das Treugeberinteresse. 12 Das Festhalten an der „strengen Pflicht" als Merkmal der Treuhand bedeutet also schlicht eine Negierung der Möglichkeit von Konflikten zwischen den Interessen verschiedener Interessenträger und den konkreten Pflichten des Treuhänders gegenüber verschiedenen Treugebern.
12
dern.
Vgl. Krebs, Interessenkonflikte, S. 71 zu Interessenkonflikten bei Aufsichtsratsmitglie-
§ 15.
Grundlagen
351
V. Ermessenslose Bindung des Treuhänders an Konfliktlösungsregeln Anders als bei der an den Wahrnehmungszielen ausgerichteten Interessenwahrnehmung 13 hat der Treuhänder bei der Konfliktlösung anhand gesetzlicher oder vertraglicher Konfliktlösungsregeln keinen Ermessens- und Gestaltungsspielraum. Sobald der Treuhänder also Diener zweier Herren ist, endet sein treuhänderisches Ermessen, wenn es zum Konflikt zwischen den Interessen dieser beiden Herren kommt. Sobald der Treuhänder konfliktbedingt weitere Kriterien neben dem Treugeberinteresse zur Grundlage seiner Entscheidung machen darf und muß, die den Interessenträger selbst, der nur seine eigenen Interessen egoistisch wahrnimmt, niemals interessieren würden, und der Treuhänder also seine Position als Substituent des Treugebers verläßt, muß er sich zum Schutz der Träger der konfligierenden Interessen an feste Regeln halten, weil er in der Regel 14 nicht das Mandat zu einem Interessenausgleich nach pflichtgemäßem Ermessen hat. Der Treuhänder hat also nach festen Regeln zu ermitteln, welche Pflichten gegenüber welchem Treugeber er wahrzunehmen hat und welche Pflichten er zurückstellen darf und muß. Dieser Grundsatz ist beispielsweise im Bereich des Kapitelgesellschaftsrechts zurecht anerkannt. Geschäftsführer von Gesellschaften sind nach der hier vertretenen Auffassung als Treuhänder anzusehen. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft etwa nimmt deren Interessen wahr, „seine Mitglieder stehen zur Aktiengesellschaft also in einem Auftragsverhältnis", 15 sie leisten „selbständige treuhänderische Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen"16 und sind zu diesem Zweck mit umfassenden Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnissen als Machtmittel ausgestattet. Bei Geschäftsleitern von Kapitalgesellschaften wird nach allgemeiner Auffassung 17 zwischen Sorgfalts- und Treuepflichten unterschieden. Die Sorgfaltspflichten sollen nämlich den Umfang der den Vorstandsmitgliedern obliegenden Pflichten nicht abschließend beschreiben, weil ein Geschäftsleiter kein „normaler Vertragspartner", sondern ein Verwalter fremden Vermögens sei.18 Deshalb bedürfe es besonders strenger organschaftlicher „Treuepflichten", die „weit über §242 B G B hinausreichen".19 Eben deshalb postuliert auch Grundmann seine auf einem separaten Vertrag beruhende treuhänderische Pflicht „stricto sensu", damit er diese dann in das GesellschaftsDazu oben § 101. Zu Ausnahmen oben § 13. 15 Hopt ZGR 22, 534,540. 16 B G H Z 129,30,34. 17 Vgl. nur GK-AktG/Hopi §93 AktG Rn.72; MünchKomm/Hefermebl/Spindler §93 AktG Rn. 17 f.; Hüffer §93 AktG Rn.4f.; Hachenburg/Mertens §43 GmbHG Rn.35; Micbalski/Haas § 43 GmbHG Rn. 41; Hopt, FS Mestmäcker, S. 917. 18 GK-AktG/Hopt § 93 AktG Rn. 144; Hachenburg/Mertens § 43 GmbHG Rn. 35; 19 Vgl. nur GK-AktG/Hopt § 93 AktG Rn. 72. 13
14
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
recht übertragen und dort die Existenz einer strengen organschaftlichen Treuepflicht begründen kann. Es bedarf jedoch nicht der besonderen Begründung einer „strengen Treuepflicht" der Organe in dem Sinne, daß es sich dabei um zwingende Pflichten handelt, weil die Auflösung von Interessenkonflikten zwischen zwei Treugebern niemals Raum für Ermessen des Treuhänders läßt, sondern vielmehr der Begründung bestimmter Konfliktlösungsregeln, die eine einseitige Konfliktlösung zugunsten des Treugebers Kapitalgesellschaft fordern.20 Die Unterscheidung zwischen Sorgfalts- und Treuepflichten trennt nach zutreffender Auffassung lediglich Pflichten, bei deren Erfüllung dem Organ ein unternehmerisches Ermessen zusteht21 und solche, bei denen es an einem solchen Ermessen fehlt,22 weil „für ein Geschäftsleiterermessen kein Raum mehr [ist], wo mögliche Interessenkonflikte in Rede stehen".23 „Die Treuepflicht dient [also] in erster Linie der Bewältigung von Interessenkonflikten".24 Die Begrifflichkeiten erscheinen freilich mißverständlich, denn sämtliche Pflichten des Organs als Treuhänder sind Ausfluß der treuhänderischen Interessenwahrnehmungspflicht, also letztlich Treuhänder- oder „Treuepflichten". Zutreffend deshalb Wiedemann,15 der nur verschiedene Arten oder Facetten der Treupflicht unterscheidet. Diese Zweiteilung mag ihre Ursache zwar in dem Nebeneinander von Anstellungsvertrag und Organstellung26 des Geschäftsleiters haben, die in § 84 Abs. 1 AktG ihren Ausdruck findet. Nach zutreffender Auffassung27 sind freilich sämtliche Pflichten des Geschäftsleiters aus dem Anstellungsvertrag herzuleiten, während die Bestellung als Organ der Kapitalgesellschaft dem Treuhänder lediglich die für seine Interessenwahrnehmung umfassenden Machtmittel verschafft. Die „Bestellung zum Organ" ist also lediglich eine Chiffre für die Ermächtigung zu umfassender Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft.
Dazu unten § 18. Vgl. nur BGHZ 135,244,253; BGHZ 136,133,140; MünchKomm /HefermehUSpindler §93 AktG Rn. 24; GK-AktG/Hopt §93 AktG Rn.81; GK-AktG/Äori §76 AktG Rn.51; Grunewald!Müller JZ 1999,445 f.; Brandes WM 2000, 53, Westermann/Paeflgen]Z 2003,138, 139 f; Fleischer, FS Wiedemann, S. 827 ff. 22 GK-AktG/Hopt §93 AktG Rn.78ff. und 144 ff.; Hüffler §93 AktG Rn.4f.; MünchK o m m / H e f l e r m e h l / S p i n d l e r §93 AktG Rn.l7f.; KK-AktG/Mmercs §93 AktG Rn.57ff.; Hachenburg/Mertens §43 GmbHG Rn. 35; Michalski/Haas §43 GmbHG Rn. 41; Fleischer WM 2003,1045. 23 Fleischer WM 2003,1045,1052. 24 Michalski/Haas § 43 GmbHG Rn. 87. 25 Wiedemann, FS Heinsius, S. 949 ff. 26 Vgl. nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 2; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, §23 Rn. 7ff.; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2.C. Rn.48 f. 27 Dazu oben § 1 1 1 3 a cc. 20 21
§ Ii.
Grundlagen
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VI. Der Treuhänder als Treuhänder seiner selbst Die beschriebenen Konflikte können nicht nur dann auftreten, wenn ein Treuhänder die Interessen zweier unverbundener Treugeber wahrnimmt. Bereits immer dann, wenn ein Treuhänder, der Interessen eines Dritten wahrnimmt, zugleich auch eigene Interessen wahrnimmt und dabei gewissermaßen „Treuhänder seiner selbst" ist, bestehen gleichsam zwei Treuhandverhältnisse. Infolgedessen kann es selbst dann, wenn der Treuhänder nur die Interessen eines Treugebers wahrnimmt, trotzdem zu einem Konflikt zwischen den Pflichten des Treuhänders gegenüber einem Treugeber und den „Pflichten" des Treuhänders gegenüber sich selbst kommen. Mit den „Pflichten" des Treuhänders gegen sich selbst als dem Treugeber seiner selbst sind freilich keine Pflichten im rechtstechnischen Sinne gemeint, sondern lediglich konkrete Verhaltensmaßregeln, die ein vernünftiger Mensch oder diese konkrete Person bei der Wahrnehmung eigener Interessen an den Tag zu legen pflegt. Eine wirkliche pflichtenbegründende Stellung eines Treuhänders als „Treuhänder seiner selbst" findet sich lediglich im Insolvenzrecht bei der Eigenverwaltung des Schuldners, §§ 270, 271 InsO, wo der Schuldner die eigentlich dem Insolvenzverwalter zustehende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein eigenes Vermögen treuhänderisch unter Aufsicht eines Sachwalters innehat, 28 und - soweit man dies als zulässig ansieht29 - im Recht der Vor- und Nacherbschaft bei der Einsetzung des Nacherben als Verwalter des Nachlasses im Sinne der §§ 2128,2129,1052 BGB. Zu erörtern bleibt, wie derlei „Pflichten des Treuhänders gegen sich selbst" im Verhältnis zur Interessenwahrnehmungspflicht gegenüber einem Treugeber einzuordnen sind. Erörterungen hierzu finden sich vor allem im Recht der Kommission. Bei der Kommission handelt es sich nach zutreffender Auffassung um eine Treuhandverhältnis. Karsten Scbmidti0 etwa spricht zurecht vom Treu28 Ansonsten ist es nicht möglich, daß ein Treugeber Treuhänder seiner selbst im technischen Sinne ist. Ein entsprechendes Rechtsgeschäft des Interessenträgers mit sich selbst ist nicht möglich. Und auch in anderen Treuhandverhältnissen ist eine derartige Möglichkeit nicht anzuerkennen. So kann etwa ein Alleinerbe nicht alleiniger Testamentsvollstrecker sein, es sei denn er wäre auf bloße Vermächtnisvollstreckung beschränkt, RGZ 77,177; Staudinger/ Reimann § 2197 BGB Rn. 53. Niemand kann nämlich Inhaber einer ausschließlich ihn selbst beschränkenden Rechtsposition sein. Eine andere Auffassung will zulassen, daß der Alleinerbe Testamentsvollstrecker ist, weil dies immerhin den Vorteil des § 2214 BGB brächte, nämlich daß die persönlichen Gläubiger nicht auf den Nachlaß zugreifen können, Adams ZEV 1998, 321, 322. Eine solche Konstruktion müßte sich, Wirksamkeit unterstellt, jedoch den Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegengehalten lassen, Schmucker, Testamentsvollstrekker, S. 41. Der Schutz des Nachlasses vor den Eigengläubigern des Erben ist zwar in der Tat in der Testamentsvollstreckung angelegt, der Erbe kann jedoch nicht gleichzeitig auch Verfügungsberechtigter sein, weil andernfalls die Testamentsvollstreckung dazu mißbraucht werden könnte, Erhaltung und Tradierung des Familienvermögens vor das Interesse der Eigengläubiger des Erben zu stellen. 29 Dazu unten § 20 III 2 c. 30 Karsten Schmidt, Handelsrecht, § 31 V 4 a.
354
Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
handcharakter des Rechtserwerbs durch den Kommissionär, auch Canaris31 will dem Kommissionär immerhin eine „ganz ähnliche Stellung" wie einem Treuhänder zubilligen. In der Tat ist der Kommissionär mit der Wahrnehmung von Interessen des Kommittenten betraut, er begibt sich für ihn „auf den Markt", um dort Waren oder Wertpapiere zu handeln. Sein Machtmittel 32 ist die Berechtigung, im eigenen Namen für fremde Rechnung handeln zu können. 33 Indem der Kommissionär den Kommittenten zwingen kann, die Ergebnisse pflichtgemäß ausgeführter Geschäfte zu übernehmen, kann er auf den Interessenbereich des Kommittenten einwirken. Im Kommissionsrecht wird zum Teil gesagt, der Kommissionär müsse eigene Interessen grundsätzlich den Interessen des Kommittenten unterordnen. 34 Ein günstiges Angebot, das der Kommissionär durch den Auftrag ermittelt hat, dürfe er nicht für sich ausnutzen. 35 Vorteilhaftere Konditionen müßten vielmehr dem Kommittenten zufließen, vgl. § 387 Abs. 1 HGB. Uberhaupt soll der Kommissionär aufgrund seiner „Bemühungspflicht" 36 jede Deckungsmöglichkeit für die Kommittenten verwenden müssen. 37 Koller38 will den Fremdgeschäften immer den Vorrang einräumen, weil er ein Wettbewerbsverbot des Kommissionärs aus dem Treueverhältnis ableitet. Gleichlautende Eigengeschäfte seien deshalb bis zur Ausführung des Kundengeschäfts zurückzustellen. Alles andere schütze den Treugeber nicht vor dem Mißbrauchsrisiko. Ein solches Wettbewerbsverbot läßt sich jedoch beim Kommissionär nicht begründen. 39 Nach ganz überwiegender und zutreffender Auffassung darf der Kommissionär deshalb als Eigenhändler eine sich bietende Deckungsangelegenheit zur Deckung eines bereits vor Annahme der Kommission getätigten Entschlusses verwenden, auch wenn die Gelegenheit für einen Kommittenten passen würde. 4 0 Als Begründung wird angegeben, kein Kommittent könne erwarten, daß der Kommissionär ausschließlich für ihn tätig werde. Zum Teil wird gefordert, der Kommissionär müsse, wenn er bereits vorher eigene Ver-
31
Canaris, Handelsrecht, § 32 Rn. 40. Kein Machtmittel hingegen ist die Rechtsinhaberschaft an den Resultaten der Kommissionsgeschäfte, denn sie dient nicht der Interessenwahrnehmung, sondern ist lediglich zügig auf den Kommittenten weiterzuübertragen, § 667 Alt. 2 BGB, vgl. § 9 III. 33 Vgl. auch Erman/Ehmann § 667 BGB Rn. 11: „Geschäftsbesorgungsmacht" zum Handeln für den Geschäftsherrn. 34 Schlegelherger/Hefermehl, HGB, §384 Rn. 10 und 14; RG J W 01, 408; Staub/Canaris Bankvertragsrecht Rn. 1936 ff.; RGRK/Äatz §384 HGB Anm. 8; Koller BB 1978, 1733,1736; Staub/Koller §384 HGB Anm. 21. 35 Koller BB 1978,1733,1736; Assmann!Schneider/Koller §31 W p H G R n . 5 0 . 36 Dalwigk zu Lichtenfels, Effektenkommissionsgeschäft, S. 40. 37 Düringer/Hachenburg/Lehmann §384 HGB Anm. 27. 38 Koller BB 1978,1733,1736 f.; Staub/Koller, §384 Anm. 21. 39 Vgl. dazu unten §18. 40 Düringer!Hachenburg!Lehmann § 384 HGB Anm. 27. 32
§ 15.
Grundlagen
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pflichtungen eingegangen ist 41 den Kommittenten zusätzlich hierauf hinweisen. 42 Nach anderer Auffassung 43 soll allein der vor Eingehung der Kommission liegende Entschluß des Kommissionärs hierzu genügen. Andere Autoren sehen Eigengeschäfte dann als vorrangig an, wenn diese im konkreten Bereich üblich sind und der Kommittent deshalb damit rechnen muß. 44 Canaris45 hingegen hält Eigengeschäfte von Banken im Rahmen der Effektenkommission für ganz üblich, die Bank dürfe nicht in ihrer Handlungsfreiheit durch Kundenaufträge beschränkt werden, indem sie den Kundeninteressen ausnahmslos den Vorrang einräume. Kein Kunde erwarte das bei vernünftiger Berücksichtigung der Belange der Bank. Also könne es nur auf einen sinnvollen Interessenausgleich ankommen. Diese Auffassung erscheint zutreffend und läßt sich auf andere gewerbliche Kommissionäre ausweiten, denn kein Kommittent kann erwarten, daß der Kommissionär Kundeninteressen ausnahmslos den Vorrang einräumt, wenn nicht ausnahmsweise aufgrund konkreter Umstände oder Üblichkeit der Eindruck erweckt wird, der Kommissionär betreibe keinen Eigenhandel; deswegen bedarf es auch keiner Benachrichtigung des einzelnen Kommittenten über den Interessenkonflikt zwischen Eigeninteressen und Treugeberinteressen, der den Treugebern ohnehin bewußt ist. Soweit Eigengeschäfte üblich sind, kann der Kommissionär also immer insoweit Eigengeschäfte tätigen, als er sich den gleichen Regeln unterwirft, wie sie für konkurrierende Kundenaufträge gelten. Der Kommissionär als Treuhänder schuldet dem Kommittenten als Treugeber nicht mehr als das, was der Kommittent auch selbst auf dem Markt hätte erreichen können, denn der Kommissionär tritt lediglich an die Stelle des Kommittenten (Treuhand als Substitutionsverhältnis). Der Kommissionär selbst aber könnte, wenn er sich selbst und mit bester Kompetenz ausgestattet beispielsweise auf den Wertpapiermarkt begäbe, nicht verhindern, daß ein anderer Marktteilnehmer zur gleichen Zeit oder kurz zuvor ein eigenes Geschäft abwickelt, das gegebenenfalls die Preise beeinflußt oder Ressourcen abzieht. Also muß er sich dies auch gefallen lassen, wenn er diesen Marktteilnehmer als Kommissionär zu seinem alter ego gemacht hat, soweit sich dieses alter ego dabei an bestimmte Regeln hält. Diese „Pflichten" des Treuhänders gegenüber sich selbst können im Interessenkonflikt auch aus Sicht des Treugebers grundsätzlich nicht anders eingeordnet werden als die Rechtspflichten des Treuhänders gegenüber seinen Treugebern. Der Treuhänder könnte nämlich seinerseits einen anderen Treuhänder mit 41
Ebrenberg/Schmidt-Rimpler, V, 1, S. 792. Schlegelberger/Hefermehl, HGB, §384 Rn. 14; zur Offenlegung von Interessenkonflikten im Vorfeld des Treuhandvertrags oben § 10 II 2. 43 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 498. 44 Düringer/Hachenburg/Lehmann, HGB, §384 Anm. 27. 45 Staub/Canans Bankvertragsrecht Rn. 1937; ähnlich Schäfer § 31 WpHG Rn. 24. 42
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Teil 4: Interessenkonflikte
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Treuhandverhältnisse
der Wahrnehmung seiner eigenen Interessen beauftragen und auf diese Weise mit den von ihm betreuten Treugebern etwa auf engen Märkten um Geschäftschancen konkurrieren. Dann muß es dem Treugeber aber auch gestattet sein, diese seine Interessen persönlich wahrzunehmen. Freilich darf er dies, sobald er in einem Interessensegment auch fremde Interessen eines Treugebers wahrnimmt, nur so tun, als würde er fremde Interessen zweier Treugeber wahrnehmen. Der Treuhänder muß sich in diesem Fall also immer die Frage gefallen lassen, 46 ob er eine Konfliktsituation zwischen den Eigeninteressen und den daraus resultierenden „Pflichten" und den Rechtspflichten gegenüber dem Treugebern so aufgelöst hat, wie er eine Konfliktsituation zwischen mehreren Treugebern pflichtgemäß auflösen hätte müssen (Drittvergleich). 47 Ein pauschaler Verweis auf einen Vorrang der Treugeberinteressen greift daher zu kurz. 4 8
Zur Beweislast unten § 3 0 . Zur Prävention gegen pflichtwidrige Auflösung von Konflikten zwischen eigenen Interessen des Treuhänders und Interessen eines Treugebers unten § 16; der Gedanke des Drittvergleichs findet sich etwa auch in 4.3.4 (2) des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung von 21. Mai 2003, wo die Anforderung aufgestellt wird, daß Geschäfte zwischen Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaften und der Aktiengesellschaft „branchenüblichen Standards" entsprechen müssen. 4 8 So aber zuletzt wieder Hopt Z G R 33,1, 39. 46 47
§16. Vermeidung von Pflichtenkonflikten durch den Treuhänder I. Konfliktvermeidungsgebot Die Anwendung von Regeln zur Auflösung von Pflichtenkonkurrenz und Pflichtenkollision erübrigt sich, wenn bereits im Vorfeld das Entstehen derartiger Pflichtenkonflikte durch den Treuhänder vermieden wird. Eine ausdrückliche Verpflichtung des Treuhänders zur Konfliktvermeidung ist für Wertpapierdienstleistungsunternehmen geregelt. § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ordnet an, daß sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Treuhänder) um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu „bemühen" und bei unvermeidbaren Konflikten das Kundeninteresse (Treugeberinteresse) zu wahren habe. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat nach zutreffender Auffassung 1 also nicht jegliche Interessenkonflikte zu vermeiden, sondern nur solche, die sich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit mit zumutbaren Mitteln 2 vermeiden lassen („Relative Vermeidbarkeit"). Andernfalls könnte das Wertpapierdienstleistungsunternehmen keinerlei Eigengeschäfte tätigen und auch nur Interessen eines Treugebers in jedem Interessenspektrum wahrnehmen. Vielmehr ist, anders als bei den noch zu erörternden Wettbewerbsverboten, das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. 3 So müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen Manipulationsgefahren, die sich aus dem Nebeneinander von Eigen- und Fremdgeschäften ergeben, vorrangig durch organisatorische Vorkehrungen verhindern. 4 Nicht hingegen ist gefordert, daß das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zeitweise den Eigenhandel vollständig einstellt, solange gleichlaufende Kundenaufträge zu bearbeiten sind, damit nicht die Gefahr besteht, daß der Treuhänder Vorteile schindet. 5 Unklar ist, was § 31 Abs. 1 Nr. 2 W p H G unter einem „Interessenkonflikt" versteht, ob damit also bereits der Zustand der Wahrnehmung konfligierender Interessen und Wahrnehmungsziele oder lediglich ein konkreter Pflichten1 2 3 4 5
Assmann/Schneider/Koller § 31 W p H G Rn. 31 f.; Kumpel WM 1995, 689, 690. Ebenroth/Boujong/Joost/Grundmann, Bankrecht, Rn. VI 202: Zumutbarkeitsgrenze. Assmann/Schneider/Koller § 31 W p H G Rn. 34. MünchKomm/£££e«ger §41 ZPO Rn. 1; vgl. auch BVerfG NJW 1956, 545. Vgl. nur Thomas/Putzo §42 ZPO Rn. 9. 19 So jedoch etwa BGH GRUR 2000,47; Musielak/Smid § 43 ZPO Rn. 1. 20 Vgl. nur BGH ZZP 67, 302; BGH NJW 1993, 400; OLG Düsseldorf OLGR 1997, 289; Thomas!Putzo/Reichold §547 ZPO Rn.6; Stein/Jonas/Bork §44 ZPO Rn. 10ff.; Stein/Jonas/ Grunsky § 551 ZPO Rn. 12; MünchKomm/fez^er § 44 ZPO Rn. 6; H. Roth ZZP 109,271, 307. 21 Im Berufungsverfahren, das nach der ZPO-Reform 2002 keine volle zweite Tatsacheninstanz mehr bildet, wird die Mitwirkung eines nach §41 ZPO oder durch Beschluß ausgeschlossenen Richters zu einem Wegfall der Bindung des Berufungsgerichts an den erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt führen, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. 22 So jedoch Vollkommer, Richter, S. 37 ff. 23 Stein/Jonas/Bork § 44 ZPO Rn. 13; Riedel, Postulat, S. 258 ff. 24 Anders ausdrücklich Vollkommer, Richter, S. 97 ff. 17 18
5 20. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen,
Teil 2
447
Diese Auffassung erscheint auf Grundlage der bisherigen Erörterungen unzutreffend. Das dreiseitige Treuhandverhältnis zwischen Staat, Kläger und Beklagtem endet erst mit der rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits, weil erst dann der Treuhänder Staat seine erfolgsbezogene Interessenwahrnehmungspflicht, 25 die bindende Streitentscheidung, erfüllt hat. Bis dahin besteht kein schützenwertes Vertrauen auf den bisherigen Stand der Interessenwahrnehmung und herrscht also kein Rechtsfrieden. Deswegen erscheint die Beschränkung der Geltendmachung der Befangenheit eines Richters auf die jeweilige Instanz nicht gerechtfertigt, auch wenn die mitwirkenden Richter von Instanz zu Instanz wechseln, bindet doch etwa die erstinstanzlich gewonnene Tatsachengrundlage nach der ZPO-Reform 2002 in der Regel bereits das Berufungsgericht, §§ 529 ff. ZPO. Deshalb kann die Interessenwahrnehmung durch einen befangenen Richter die staatliche Interessenwahrnehmung im konkreten Rechtsstreit insgesamt beeinflussen. Unter Berufung auf die Mitwirkung eines befangenen Richters sollte deshalb nicht die Rechtskraft eines Urteils durchbrochen (eine Rechtskraftdurchbrechung ist nur dann zulässig, wenn der befangene Richter strafbar gehandelt, also insbesondere Rechtsbeugung, §339 StGB, begangen hat, §580 Nr. 5 ZPO), wohl aber ein Rechtsmittel begründet werden können, das zur erforderlichen Tilgung der Interessenwahrnehmungsbeiträge des befangenen Richters führt. Für das Berufungsverfahren kann seit der ZPO-Reform ohne weiteres auf § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zurückgegriffen werden: Die Mitwirkung eines Richters, in dessen Person die Voraussetzungen des § 42 ZPO erfüllt sind, kann einen konkreten Anhaltspunkt dafür geben, daß die entscheidungserheblichen Tatsachen nicht richtig und vollständig festgestellt worden sind. Im Revisionsverfahren kann die Mitwirkung eines solchen Richters einen relativen Revisionsgrund liefern, § 545 ZPO. Ist kein Rechtmittel vorgesehen, so sollte über eine analoge Anwendung des § 321a ZPO geholfen werden. Es besteht keine Rechtfertigung dafür, die Befangenheitsgründe in § 42 ZPO anders zu behandeln als die Ausschlußgründe in § 41 ZPO, 2 6 beruht das Nebeneinander dieser Normen doch nicht auf einer Stufenfolge der Befangenheitsgründe, sondern lediglich auf der technischen Unterscheidung zwischen formal anknüpfenden Ausschlußgründen und materiell anknüpfender Befangenheit. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß das Gesetz selbst in §§ 547,579 ZPO den Ausschluß nach § 41 ZPO nicht mit der Befangenheit als solcher, sondern lediglich mit der durch Beschluß festgestellten Befangenheit auf eine Stufe stellt. Nur wenn die Befangenheit solchermaßen formalisiert worden ist, rechtfertigt sich in der Tat die Gleichbehandlung mit den formalen Ausschlußgründen und also die Anordnung eines absoluten Revisionsgrundes und der Nichtigkeits25 26
Zu Treuhandverhältnissen mit werkvertraglichem Charakter vgl. oben § 8 14. Vollkommer, Richter, S. 297 f.
448
Teil 4: Interessenkonflikte als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
klage. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß die bisher unterbliebene Formalisierung der Befangenheit nicht in einer späteren Instanz, aber im Rahmen ein und desselben Treuhandverhältnisses, nachgeholt werden könnte, indem das Berufungsgericht, nachdem es sich vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 Z P O überzeugt hat, die erforderlichen Tatsachenfeststellungen vornimmt, oder das Revisionsgericht diesen Fehler feststellt und die Sache zur Neuverhandlung an das Berufungsgericht zurückverweist, § 563 Z P O , soweit das Urteil auf diesem Fehler beruht. Über diese treuhandrechtlichen Erwägungen hinaus wird das hier vertretene Ergebnis durch den Umstand gestützt, daß das Bundesverfassungsgericht ein Verfassungsrecht der Parteien annimmt, nicht vor einen Richter gestellt zu werden, dem es an der gebotenen Neutralität fehlt. 27 Außerdem ist als Regel allgemeinen Treuhandrechts anerkannt, daß der Treuhänder den Treugeber über das Vorliegen von Interessenkonflikten in seiner Person zu benachrichtigen hat, vgl. § 666 B G B . Das ergibt sich aus der treuhandrechtlichen Verbindung der Parteien, die zu einer grundformbedingten Informationsarmut des Treugebers führt. 2 8 Auf das Zivilverfahren bezogen, für das § 666 B G B allerdings nicht direkt anwendbar ist, bedeutet dieser treuhandrechtliche Grundsatz: Der Staat als Treuhänder muß dem Treugeber durch den jeweils zuständigen Richter mitteilen, wenn dieser sich in einem Interessenkonflikt befindet und also die Besorgnis der Befangenheit besteht. Es handelt sich dabei nicht nur um eine bloße Amtspflicht, die zur Einleitung des „Selbstablehnungsverfahrens" nach § 48 Z P O 2 9 führt, sondern eine Pflicht gegenüber den Prozeßparteien 30 als Treugebern. Prozeßrechtlich wird diese Mitteilungspflicht Vollkommer'1 vom B G H 3 1 im Zusammenhang mit Art. 103 Abs. 1 G G gesehen, stützt sie auf das in Art. 2 Abs. 1,20 Abs. 3 G G zum Ausdruck kommende Verfahrensgrundrecht auf den neutralen Richter. Hat der betroffene Richter die Parteien nicht über seine mögliche Befangenheit benachrichtigt, so kann Pflichtverletzungsfolge nicht sein, daß diese Pflichtverletzung mit Abschluß der Instanz unerheblich wird, obschon sie in die Folgeinstanzen und damit im selben Treuhandverhältnis fortwirkt. Allerdings kann die Mitteilung bei Untätigkeit der Partei zum Verlust des Ablehnungsrechts führen, wenn die Partei sich in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, ohne den Ablehnungsgrund geltendzumachen, § 43 Z P O .
27 28 29 30 31 32
BVerfG 1993,2229; in der Folge BGH N J W 1995,1677,1679. Dazu oben § 10 II. Dazu unten §21 III 2. Vgl. nur BVerfG N J W 1993,2229; Stein/Jonas/Bork § 48 Z P O Rn. 4. BGH N J W 1995,1677,1679. Vollkommer, Richter, S. 295.
5 20. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen,
3.
Teil 2
449
Schiedsrichter
a) Allgemeines Auch ein Schiedsrichter, der aufgrund einer Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien als Mitglied eines Schiedsgerichts einen Streit anstelle eines staatlichen Zivilrichters entscheidet, kann mit Wirkung für die Zukunft abgelehnt werden, wenn Umstände Vorliegen, die Zweifel an der „Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit" des Schiedsrichters aufkommen lassen, § 1036 Abs. 2 Satz 1 ZPO (Befangenheit). 33 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter gehören nämlich zu den elementaren Grundlagen jeder Rechtsprechung, 34 zumal die Parteien hier kein nach den Regeln des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gebildetes Gericht vorfinden und also um so mehr auf die Beseitigung parteilicher Richter angewiesen sind. Die zu § 42 ZPO gefundenen Maßstäbe lassen sich auf § 1036 Abs. 2 ZPO übertragen, wobei besonderes Augenmerk auf wirtschaftliche oder geschäftliche Sonderbeziehungen zwischen Schiedsrichter und Partei zu legen sein wird, die sich zum Teil aus sehr verschachtelten Geschäftsbeziehungen ergeben können 35 und nichts mit dem aktuellen Schiedsverfahren zu tun haben müssen. 36
b) Auswirkungen der Befangenheit eines auf den Schiedsspruch
Schiedsrichters
aa) Allgemeines Unklar ist jedoch, welche Folgen die Mitwirkung eines befangenen Schiedsrichters auf den Schiedsspruch hat. Der Bundesgerichtshof 37 hat angenommen, ein Schiedsverfahren sei dann unzulässig, § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO a.F., wenn ein „besonders schwerwiegender und eindeutiger Fall von Befangenheit" vorliegt. Damit wäre nach neuem Schiedsverfahrensrecht in einem solchen Fall der Schiedsspruch aufhebbar, § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst, d ZPO. Eine Literaturauffassung hingegen möchte hingegen wegen der besonderen Bedeutung des Ablehnungsverfahrens wegen Befangenheit in der Schiedsgerichtsbarkeit 38 und als Sanktionierung der in § 1036 Abs. 1 ZPO eingeführten BenachrichtigungsEingehender/, Gewährleistung, S. 112 ff. Zöller/Geimer § 1036 ZPO Rn. 1; Musielak/Voit § 1059 ZPO Rn. 26; Henn, Handbuch, Rn. 166. 35 Stein/Jonas/Schlosser § 1036 ZPO Rn. 18 f. 36 Vgl. etwa O L G Hamburg JZ 1956,126. 37 Grundlegend BGH N J W 1999,2370; zustimmend Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 14 Rn. 18; Musielak/Voit § 1036 ZPO Rn. 6; Lachmann, Handbuch, Rn. 627; Weigel MDR1999,1360,1362. 38 Stein/Jonas/Schlosser § 1036 ZPO Rn. 38; genauso wohl Rosenberg/Schwab/Gottwald §177Rn.38. 33
34
450
Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
pflicht des Schiedsrichters über Interessenkonflikte 39 den Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst, d Z P O immer greifen lassen, wenn während des Verfahrens ein Schiedsrichter erfolgreich abgelehnt werden hätte können. Gesichtspunkte der Rechtssicherheit 40 müßten gegenüber diesen Integritätserfordernissen zurücktreten. Weitere Voraussetzung wäre jeweils, daß anzunehmen ist, daß die Fehlbesetzung des Schiedsgerichts sich auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat, und daß die Dreimonatsfrist des § 1059 Abs. 3 Satz 1 Z P O gewahrt wird. Rechtsprechung und Literatur wollen also, in unterschiedlichem Umfang, Ablehnungsgründe nach Abschluß des Schiedsverfahrens zu Aufhebungsgründen machen. Bevor die unterschiedlichen Auffassungen gewürdigt werden können, ist zunächst die Funktion des Aufhebungsverfahrens vor der staatlichen Gerichtsbarkeit zu ermitteln. Ein Schiedsspruch hat die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils zwischen den Parteien, § 1055 Z P O . Das Aufhebungsverfahren ist also nicht etwa ein Rechtsmittel, wie es auch im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit, die nicht zwingend nur eine Instanz umfassen muß, durchaus vorgesehen sein kann, 41 sondern lediglich ein Rechtsbehelf im weitesten Sinne, der zur Mißbrauchskontrolle der privaten Schiedsgerichtsbarkeit dient. 42 § 1059 Z P O zählt besonders schwerwiegende Fehler auf dem Weg zum Schiedsspruch als abschließende Aufhebungsgründe auf, etwa die fehlende Schiedsfähigkeit, die fehlende Schiedsbindung oder bestimmte schwere Verfahrensfehler. Eine revisionsmäßige Behandlung des Aufhebungsantrags durch die staatlichen Gerichte ist unzulässig, 43 die staatliche Gerichtsbarkeit kann einen Schiedsspruch lediglich aufheben. Das Verfahren ist seinem Zweck nach deshalb mit der Nichtigkeitsklage, § 579 Z P O , zu vergleichen, die stattfindet, wenn ein ausgeschlossener oder durch Beschluß für befangen erklärter Richter an einem Urteil mitgewirkt hat, § 579 Nr. 2 und 3 Z P O , und die zur Vernichtung des Urteils führt.
bb) Zur Auffassung
Schlossers
Schlosser44 hält sämtliche Schiedssprüche für aufhebbar, an denen ein ablehnbarer Schiedsrichter mitgewirkt hat. Damit stellt er die Ablehnbarkeit im Schiedsverfahren dem Ausschluß oder der erfolgreichen Ablehnung im ordentlichen Zivilverfahren gleich. Ein Vergleich des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst, d Z P O mit dem funktionsgleichen § 579 Nr. 1-3 Z P O zeigt jedoch, daß die fehlerhafte „Bil39 Stein/Jonas/Schlosser § 1036 Z P O Rn. 38; dagegen ausdrücklich Karl, Gewährleistung, S. 208 f ohne weitere Begründung. 4 0 DazuKröllXZP 116,195,211 f. 41 Vgl. das Verfahren zur Aufhebung des Schiedsspruchs eines Berufungsschiedsgerichts in BayObLG BB 1999,1187. 42 MünchKomm/Münch % 1059 Z P O Rn.l. 43 Stein/Jonas/Schlosser § 1059 ZPO Rn. 12. 44 Stein/Jonas/Schlosser § 1036 Z P O Rn. 38.
§ 20. Regeln zur Behandlung
von Pflichtenkollisionen,
Teil 2
451
dung des Schiedsgerichts", § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst, d ZPO, als Grund für die Aufhebung des rechtskräftigen Schiedsspruches ebenfalls nach formalen Kriterien zu ermitteln ist. Genauso wie nur die Mitwirkung eines ausgeschlossenen, § 41 ZPO, oder durch Beschluß für befangen erklärten Richters, §§ 42,46 ZPO, die Rechtskraft eines Urteils zu beseitigen vermag, kann nur die Mitwirkung eines für befangen erklärten Schiedsrichters, §§ 1036, 1037 ZPO, die Rechtskraft eines Schiedsspruches beseitigen.45 Ansonsten würde „kalt" 46 die Möglichkeit der Geltendmachung von Befangenheitsgründen über den Abschluß des Schiedsverfahrens hinaus durch Anwendung des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst, d ZPO verlängert. Schlossers Argument, der Mißachtung der Benachrichtigungspflicht des § 1036 Abs. 1 ZPO müsse eine abschreckende Sanktion folgen, erscheint ebenfalls unzutreffend. In der Tat begeht der Schiedsrichter eine Pflichtverletzung des Schiedsrichtervertrages, §280 Abs. 1 BGB, und macht sich schadenersatzpflichtig, wenn er den Anforderungen des § 1036 Abs. 1 ZPO (Benachrichtigungspflicht) nicht genügt. Es erscheint aber unzutreffend, die Parteien für eine Pflichtverletzung des Schiedsrichters zu bestrafen.47 Für Schlossers Auffassung läßt sich ins Feld führen, daß die Parteien, anders als im ordentlichen Zivilverfahren, kein nach den strengen Regeln des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G gebildetes Gericht vorfinden, so daß der Ablehnung wegen Befangenheit im Schiedsverfahren eine größere Bedeutung zukommen mag als im Zivilverfahren. Zudem beschränkt § 1059 Abs. 3 Satz 1 Z P O den Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs auf drei Monate nach „Empfang" 48 des Schiedsspruchs; diese Frist kann zudem noch durch Vollstreckbarkeitserklärung des Schiedsspruchs verkürzt werden, § 1059 Abs. 3 Satz 4 ZPO. Damit ist die Rechtssicherheit, anders als bei Gestattung einer Nichtigkeitsklage gegen Urteile nach § 579 ZPO, nur unerheblich beeinträchtigt, weil tatsächlich die Möglichkeit der Geltendmachung eines Ablehnungsgrundes nur geringfügig zeitlich ausgedehnt wird. Die Nichtigkeitsklage gegen Urteile der staatlichen Gerichtsbarkeit ist hingegen bis zu fünf Jahre nach Rechtskraft des Urteils möglich, § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Zudem steht ein Schiedsspruch letztlich erst mit Vollstreckbarkeitserklärung, § 1060 Abs. 1 ZPO, einem Zivilurteil völlig gleich, ab diesem Zeitpunkt ist seine Aufhebung aber jedenfalls ausgeschlossen, § 1059 Abs. 3 Satz 4 ZPO. Die Argumentation Schlossers, die letztlich auf dem geringen Schaden, den eine systemwidrige Berücksichtigung von Ablehnungsgründen in § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst, d Z P O verursachen würde, beruht, läßt sich freilich auch in ihr Gegenteil verkehren: Warum sollte für einen Vgl. auch MüachKomm/Münch § 1036 Z P O Rn. 24. MünchKomm/Aförcc^ § 1036 Z P O Rn. 12. 4 7 Gegen eine Verknüpfung der Verletzung der Pflicht aus § 1036 Abs. 1 Z P O mit der Aufhebbarkeit des Schiedsspruchs ausdrücklich auch Musielak/Voit § 1036 Z P O Rn. 3. 4 8 Es ist also keine Zustellung im Sinne der §§ 166 ff. Z P O erforderlich, vgl. Zöller/Geimer §1059 Z P O Rn. 10. 45
46
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
so geringen Gewinn eine derartig systemwidrige Anwendung des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst, d Z P O befürwortet werden, werden doch gerade Mängel bei der Besetzung des Schiedsgerichts selten innerhalb der kurzen Dreimonatsfrist aufgedeckt werden können. cc) Zur Auffassung der
Rechtsprechung
Abzulehnen ist nach den obigen Ausführungen auch die Auffassung der Rechtsprechung, denn es ist nicht einzusehen, daß in „schwerwiegenden und eindeutigen" Fällen ausnahmsweise ein Angriff auf den Schiedsspruch zulässig sein soll, in anderen Fällen jedoch nicht. Die Grenzziehung ist zunächst schon ganz willkürlich, weil sie keine Stütze im Gesetz findet. Die „Anhäufung unbestimmter Rechtsbegriffe" 49 erlaubt auch keine sichere Beantwortung der Frage, ob ein Schiedsspruch aufgehoben werden kann oder nicht. Zudem verstößt auch diese Auffassung gegen das in §§579, 1059 Abs. 2 Nr. 1 Z P O enthaltene „Formalitätsgebot", indem sie über die bloße Befangenheit des Schiedsrichters hinaus noch weitere materielle Kriterien einführt. c) Eigene
Lösung
Letztlich enthält das Schiedsverfahrensrecht zwei Hauptprobleme, die de lata nicht vollständig behoben werden können. Erstes Problem ist die im Vergleich zur Frist des § 586 Z P O bei Nichtigkeitsklagen so knapp gefaßte Frist des § 1059 Abs. 3 Z P O , 5 0 die überdies nicht einmal Notfrist ist, so daß auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, §§ 233 ff. ZPO, nicht in Betracht kommt; hinzukommt, daß Mängel nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Z P O auch im Verfahren der Vollstreckbarkeitserklärung nach Fristablauf nicht mehr geltend gemacht werden können, § 1060 Abs. 2 ZPO. Der Gesetzgeber sieht durch die auch nach Ablauf der Frist des § 1059 Abs. 3 Z P O mögliche Schadenersatzklage51 aus §826 B G B , mit deren Hilfe die Rechtskraft des Schiedsspruchs durchbrochen würde, 52 ausreichenden Schutz gewährleistet. Hier widerspricht sich der Gesetzgeber freilich selbst, wenn er einerseits die Dreimonatsfrist mit dem Bedürfnis nach „Klarheit über die Bestandskraft des Schiedsspruchs"53 begründet, gleichzeitig aber selbst einen Weg zur Umgehung der Frist aufzeigt. Diesen Weg allerdings wird man - unabhängig von den Fristen der §§ 586, 1059 Z P O - im Zivilverfahren wie im Schiedsverfahren in der Tat immer dann einStein/Jonas/Schlosser § 1036 Z P O Rn. 38. Kritisch deshalb Gaul, FS Sandrock, S. 291 ff.; Borges ZZP 111, 487,497 f. 51 BT-Drucks. 13/5274 S. 60. 52 So Schlosser, FS Gaul, S. 687 ff.; allerdings hat der BGH diesen Weg gegen Schiedssprüche, soweit ersichtlich, noch nicht beschritten. 53 BT-Drucks. 13/5274 S. 60. 49
50
§ 20. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen,
Teil 2
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schlagen können, wenn der Gegner Urteil oder Schiedsspruch in vorsätzlicher und sittenwidriger Weise erschlichen hat. Dazu gehört im Schiedsverfahren - anders als in der Regel im Zivilverfahren, wo ja das Gericht von Gesetzes wegen feststeht - auch die vorsätzliche, von der Absicht, den Schiedsspruch zu beeinflussen, getragene Bestellung eines befangenen Schiedsrichters und die Hinwirkung auf die Geheimhaltung der Befangenheit über das gesamte Verfahren hinweg. Zweites Problem ist die fehlende Zweispurigkeit von Inhabilitäts- und Befangenheitsregelungen im Schiedsverfahrensrecht. Will man dem Anliegen der Rechtsprechung entgegenkommen und wenigstens in bestimmten Fällen eine Aufhebung des Schiedsspruchs bei bloßem Vorliegen von Befangenheitsgründen im Sinne des §1036 Abs. 2 ZPO erreichen, so kommt aus Gründen der Rechtssicherheit nur ein Rückgriff auf die formal anknüpfenden Gründe des § 41 ZPO in Betracht. Soweit man die in § 41 ZPO genannten Ausschließungsgründe nicht ohnehin bereits analog auf das Schiedsverfahren anwendet 54 und auch dort einen Dualismus von Inhabilität und Befangenheit schafft, sollten die formalen Wertungen des §41 ZPO wenigstens im Rahmen des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst, d ZPO angewendet werden. Sie ermöglichen, anders als das Kriterium „schwerwiegend und einleuchtend", eine systemgerechte Anwendung des § 1059 ZPO und haben die Gleichsetzung von Urteil und Schiedsspruch, § 1055 ZPO, für sich. Mit dieser Gleichsetzung im Widerspruch steht freilich die Dreimonatsfrist des § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO, deren Bemessung sich de lege lata nicht verändern läßt. Es erstaunt, daß der Gesetzgeber offenbar Schiedsgerichten mehr Vertrauen schenkt als der eigenen staatlichen Gerichtsbarkeit, zumal ja das Schiedsverfahren oftmals nur eine einzige Instanz umfaßt. 55
4.
Insolvenzverwalter
Eine ähnliche Regelung wie für den Schiedsrichter findet sich für den Insolvenzverwalter in § 56 InsO, 56 der fordert, daß der Insolvenzverwalter „unabhängig" von Insolvenzschuldner und Gläubigern sein muß. Auch der Insolvenzverwalter ist ein Schiedsrichter-Treuhänder, 57 der - ähnlich wie ein Zivilrichter oder Schiedsrichter - widerstreitende Interessen mehrerer Treugeber zum Aus54 So etwa Stein/Jonas/Schlosser § 1036 ZPO Rn. 13, der §41 Nr. 1 und 4 ZPO als Ausschlußgründe anwenden will, so daß jedenfalls gesetzliche Vertreter einer Partei oder Organmitglieder ausgeschlossen sind; so bereits RGZ 90, 309; ähnlich Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9 Rn. 5; a.A. wohl Lachmann, Handbuch, Rn. 583 f.; Schütze/ Tscherning/Wais, Handbuch, Rn.273. 55 Borges ZZP 111,487,498. 56 Die Konkursordnung kannte eine solche Regelung nicht, vgl. § 78 Abs. 1 KO, wohl aber § 5 Satz 2 GesO, gleichwohl war anerkannt, daß der Konkursverwalter neutral zu sein habe, vgl. nur Uhlenbruck KTS 1998,1,2. 57 Dazu eingehend oben § 13.
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
gleich bringen muß und deshalb weder selbst Treugeber, noch einem der Treugeber wirtschaftlich oder persönlich verbunden sein darf und auch nicht aufgrund anderer Umstände als parteiisch erscheinen darf. Deshalb ist bei der Bestellung 58 auf Interessenkonflikte zu achten, § 56 Abs. 1 InsO, und ihr späteres Auftreten ermöglicht die Entlassung des Insolvenzverwalters aus wichtigem Grund, § 59 Abs. 1 InsO. 59 Auch für den Insolvenzverwalter wird zutreffend, obschon keine Anordnung wie in § 1036 Abs. 1 ZPO besteht, eine Pflicht zur Benachrichtigung über Interessenkonflikte angenommen. 60 Der Insolvenzverwalter darf insbesondere nicht identisch mit dem Schuldner oder einem Gläubiger sein, gleiches gilt für gesetzliche Vertreter, Organmitglieder oder Gesellschafter. 61 Außerdem ist es etwa schädlich, wenn der Insolvenzverwalter aufgrund seiner Vorbefassung mit Teilen des Insolvenzverfahrens und der Tätigkeit in anderen Verfahren mit wirtschaftlich gegenläufigen Interessen einem (dauerhaften, erheblichen) Interessenkonflikt ausgesetzt sein wird, 6 2 der Pflichtenkollisionen auslöst, oder wenn der Insolvenzverwalter wirtschaftlich maßgeblich an einer Gesellschaft beteiligt ist, die er selbst mit lukrativen Abwicklungsaufträgen versorgt hat. 63 Letztlich können die für §§ 41,42 ZPO gefundenen Maßstäbe auf den Insolvenzverwalter übertragen werden, 64 auch wenn eine direkte Anwendung der Normen über § 4 InsO deshalb nicht möglich ist, weil die InsO eine eigene Regelung vorsieht; gleichwohl enthalten die Normen „grundlegende Sachverhalte der Unabhängigkeit, die verallgemeinerungsfähig sind". 65 Anders als im Zivil- oder Schiedsverfahren können jedoch Schuldner und Gläubiger den Insolvenzverwalter nicht wegen Befangenheit ablehnen, weil mit dem Insolvenzgericht bereits eine unabhängige Instanz besteht, die im Interesse aller Beteiligten die Eignung des Insolvenzverwalters von Amts wegen überprüft. 6 6 Dem Schuldner steht gegen die Bestellung des Insolvenzverwalters auch kein isoliertes Rechtmittel zu. Er kann lediglich gegen den Eröffnungsbeschluß 58 Vgl. etwa BGH ZIP 2001, 1597, 1600; Kühler/Prutting/Lüke % 56 InsO Rn. 10; Gottwald/Heilmann/Kopp § 23 Rn. 2. 59 Es muß hier - wie auch in anderen Fällen - der Grundsatz gelten, daß derjenige, der nicht hätte bestellt werden dürfen, jederzeit aus wichtigem Grund entlassen werden kann (oder muß), so wohl letztlich auch BGH ZIP 1991, 324; Kühler/Prutting/Lüke §59 InsO Rn. 4; MünchKomm/Graci-er § 59 InsO Rn. 20 f.; Uhlenhruck § 56 InsO Rn. 11. 60 Zum Konkursverwalter BGHZ 113, 262, 276; zum Insolvenzverwalter AG Potsdam NZI2002,391; Stapper NJW 1999, 3441,3443; Frind ZInsO 2002, 745, 749 f. 61 MünchKomm/Graeber § 56 InsO Rn. 24. 62 Vgl. etwa Kühler/Prutting/Lüke § 56 InsO Rn. 10; Uhlenhruck § 56 InsO Rn. 22 f.; vgl. auch OLG Celle NZI 2001,551 f. 63 Vgl. Hess/Weis/Wienberg § 60 InsO Rn. 31. 64 OLG Zweibrücken NZI 2000, 373; MünchKomm/Graeber §56 InsO Rn.33; Uhlenbruch §56 InsO Rn.21 f.; WL-lmO!Eickmann § 56 InsO Rn.3; Muscheler/Bloch ZIP 2000, 1474, 1479; Graeber NZI 2002, 345, 347; a.A. offenbar Kühler/Prutting/Lüke §56 InsO Rn. 10. 65 Prütting ZIP 2002,1965,1974. 66 Uhlenhruck § 56 InsO Rn. 96.
§ 20. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen,
Teil 2
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insgesamt Beschwerde einlegen, §34 Abs. 2 InsO. Einzelne Gläubiger können gegen die Bestellung ebenfalls kein Rechtsmittel einlegen, sondern nur darauf hinwirken, daß die Gläubigerversammlung im ersten Versammlungstermin nach der Bestellung des Insolvenzverwalters einen neuen Insolvenzverwalter wählt, § 57 Satz 1 InsO. Verweigert das Gericht dessen Bestellung wegen Ungeeignetheit, § 56 InsO, kann jeder Gläubiger die sofortige Beschwerde erheben, § 57 Satz 3 InsO. 67 Die Gläubiger, vor allem Großgläubiger, haben also die Möglichkeit, einen ihnen genehmen Insolvenzverwalter einzusetzen, wobei das Insolvenzgericht im Interesse der in der Abstimmung unterlegenen Gläubiger und des Schuldners die Eignung - also auch die Unabhängigkeit, § 56 InsO 68 - des neu gewählten Verwalters überprüft. Das Gericht sollte bei dieser Prüfung streng verfahren, denn auch wenn die Wahlmöglichkeit des § 57 InsO 69 als Ausdruck der Gläubigerautonomie 70 verstanden wird, erscheint die ausschließliche Gläubigerperspektive als gefährlich eng. Auch der Schuldner ist Treugeber und hat Interessen im Insolvenzverfahren, wie sich aus den in § 1 InsO genannten Zielen des Insolvenzverfahrens ergibt, etwa seine Entschuldung und gegebenenfalls vor allem den Erhalt des Unternehmens. Deshalb fungiert das Insolvenzgericht bei der Überprüfung des neu gewählten Insolvenzverwalters letztlich als Treuhänder des Schuldners und gegebenenfalls der unterlegenen Gläubiger und darf einen Insolvenzverwalter nur dann ernennen, wenn gewährleistet ist, daß dieser auch die Interessen des Schuldners und der unterlegenen Gläubiger im Verfahren nach Maßgabe eines ordentlichen Treuhänders verwalten wird und nicht etwa den Interessen eines Großgläubigers allzu eng verbunden ist. 71
5.
Abschlußprüfer
§§ 318 Abs. 3,319 Abs. 2 HGB gibt dem Amtsgericht, § 145 FGG, auf Antrag die Möglichkeit, einen Abschlußprüfer wegen „Besorgnis der Befangenheit" 72 auszuwechseln. 73 Befangen ist der Prüfer insbesondere dann, wenn er zum Unter67 Gleiches gilt über §§274 Abs. 1, 313 Abs. 1 InsO auch für den Sachwalter in der Eigenverwaltung und den Treuhänder im vereinfachten Verfahren, nicht hingegen für den Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode, weil in §292 Abs. 3 Satz 2 InsO zutreffend eine entsprechende Verweisung fehlt. 68 Uhlenbruck § 57 InsO Rn. 15. 69 Tatsächlich kommt diesem Wahlrecht wohl keine allzu große Bedeutung zu, weil das Gericht den Insolvenzverwalter ohnehin im Einvernehmen mit den großen Gläubigern bestellen wird, Kühler/Prutting/Lüke § 57 InsO Rn. 3. 70 Zur Gläubigerautonomie Uhlenbruck § 57 InsO Rn. 1; Kühler/Prutting/Lüke § 57 InsO Rn. 2; MünchKomm/Graefofr § 57 InsO Rn. 1; Uhlenbruck KTS 1989,229,246 (zu § 80 KO). 71 Kritisch zur Praxis Uhlenbruck § 56 InsO Rn. 20. 72 Dazu Staub/Zimmer § 318 HGB Rn. 55 ff. 73 Dazu auch oben § 19 II 1 c und 2 c.
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
nehmen oder seinen Organen enge persönliche oder geschäftliche Beziehungen unterhält. 74 Letztlich können über die unwiderleglichen BefangenheitsVermutungen in § 319 Abs. 3 und 4 H G B hinaus auch hier die zu § 42 Z P O und vergleichbaren Vorschriften gefundenen Wertungen herangezogen werden, 75 so daß es unzutreffend erscheint, wenn das B a y O b L G 7 6 den Rekurs auf § 42 Z P O mit dem Argument ablehnt, der Prüfer sei nicht Organ der Kapitalgesellschaft. Laufende Geschäftsbeziehungen zur oder regelmäßige Tätigkeit für die zu prüfende Gesellschaft sei, anders als etwa bei einem gerichtlichen Sachverständigen, 77 §§ 406 Abs. 1 Satz 1,42 Z P O , unschädlich. Unklar ist, welche Reichweite der B G H dem Ablehnungsrecht nach §318 Abs. 3 H G B zubilligt. In einer Entscheidung aus dem Jahre 2002 7 8 führt das Gericht im Rahmen einer Entscheidung zur damals noch zulässigen Anfechtung der Prüferwahl nach § 243 Abs. 1 A k t G aus, es liege auf der Hand, daß ein Abschlußprüfer, der bei seiner vorherigen Tätigkeit als Verschmelzungswertgutachter absehbare und ganz erhebliche Risiken für ein an der Verschmelzung beteiligtes Unternehmen nicht berücksichtigt hat, diese auch im Rahmen der Prüfung als nicht gravierend darstelle und also die „Aufgabe einer problemorientierten Prüfung" verfehle. Außerdem hebt das Gericht auf die „natürliche Selbstrechtfertigungstendenz" und das „verständliche Bemühen um Ansehenswahrung" seitens des Prüfers ab. Schließlich verweist das Gericht auf die Gefahr einer „Beeinträchtigung der unter den heutigen Verhältnissen mehr denn je zu wahrenden Objektivität der Prüfung durch Rücksichtnahme auf eigene Interessen der Prüfungsgesellschaft" hin. An diese Argumente hat der Gesetzgeber des Bilanzrechtsreformgesetzes angeknüpft. 79 Es wird sich zeigen müssen, ob das Gericht diese Erwägungen verallgemeinern wird oder sie auf den vorliegenden Fall beschränkt, in dem der Prüfer bereits Angriffen wegen Fehlern im Verschmelzungswertgutachten ausgesetzt war. 8 0 Eine derartige Beschränkung wird sich indes nach der Erweiterung der Ablehnungsgründe in § 319 H G B kaum rechtfertigen lassen. Allerdings steht die Antragsbefugnis nur dem gesetzlichen Vertreter, dem Aufsichtsrat und Gesellschaftern zu, deren Anteile eine Quote von 5% oder einen Betrag von 500.000 € erreichen, §318 Abs. 3 Satz 1 H G B . Es handelt sich also um kein Individualrecht des einzelnen Gesellschafters. Das erscheint problematisch, weil der Abschlußprüfer nicht nur den Aufsichtsrat bei seiner Kon74 MünchKomm/£¿¿e §318 HGB Rn.40; Ebenroth/Boujong/Joost/Wiedmann §318 HGB Rn. 17; Kiethe N Z G 2003,937,939. 7 5 Zutreffend Kiethe N Z G 2003,937,939 f. 7 6 BayObLG NJW-RR1988,163,164. 77 BGH N J W 1972, 827 hält einen Sachverständigen in diesem Fall für befangen. 78 BGH N J W 2003,970. 7 9 BT-Drucks. 15/3419, S. 39. 8 0 In diese Richtung interpretieren das Urteil Müller LMK 2003,49; Lanfermann/Lanfermann DStR2003, 900 ff.
§20. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen, Teil 2
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trolle der Geschäftsführung unterstützt, sondern seine Prüfung auch im Interesse der Gesellschafter durchführt. 81 Der Gesetzgeber 82 war jedoch der Auffassung, daß es auf mögliche Befangenheitsgründe, die aus Sicht eines einzelnen Aktionärs bestehen können, nicht ankommt und die Gesellschaft vor mißbräuchlichem und mutwilligem Betreiben des Verfahrens nach §318 Abs. 3 H G B geschützt werden müsse.
6.
Familienrecht
Auch familienrechtliche Treuhandverhältnisse wie Vormundschaft, Betreuung und Pflegschaft kennen Regelungen für Interessenkonflikte oder jedenfalls eine gesicherte Interpretation von Normen über die Bestellung und Entlassung von Treuhändern unter dem Gesichtspunkt des Interessenkonflikts.
a) Vormundschaft Das Vormundschaftsgericht muß einen Vormund auswählen, der zur Führung des Amtes nach seinen persönlichen Verhältnissen, seiner Vermögenslage und sonstigen Umständen geeignet ist, § 1779 Abs. 2 Satz 1 B G B . Nach allgemeiner Auffassung 83 ist das insbesondere dann nicht der Fall, wenn ein dauernder Konflikt zwischen den Interessen des Vormunds und des Mündels zu befürchten ist, so daß zwangsläufig des öfteren Pflichtenkollisionen auftreten und das Vormundschaftsgericht immer wieder einen Ergänzungspfleger bestellen 84 müßte, §§1795,1796,1909 B G B . Ein Vormund muß vom Vormundschaftsgericht entlassen werden, „wenn die Fortführung des Amtes, insbesondere wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Vormunds, das Interesse des Mündels gefährden würde", § 1886 Alt. 1 B G B . Eine solche Gefahr liegt vor, wenn eine Schädigung der Mündelinteressen mir einer „gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten" 85 ist, ohne daß es dabei auf ein Verschulden des Vormunds ankäme. Die Gefahr muß nicht besonders qualifiziert sein, das B G B verzichtet - anders als noch B G B - E I 8 6 - auf das Erfordernis der „erheblichen Gefahr". Bei der Entlassung des Vormunds ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, sie muß also geeignet sein, die Gefährdung der Mündelinteressen zu beenden; außerdem darf kein milderes Mittel, Dazu oben § 19 II 1 c und 2 c. BT-Drucks. 15/3419, S. 36. 83 BayObLG FamRZ 1992,1346; vgl. auch BayObLG FamRZ 1993, 241, 242; BayObLG FamRZ 199, 1289; Staudinger/Engler §1779 BGB Rn. 10; MünchKomm/Wagemiz §1779 BGB Rn. 5. 84 Dazu unten §22 und §23. 85 StaudingerlEngler § 1886 BGB Rn. 10; BayObLG FamRZ 1988, 874. 8 6 Mot. IV, S. 1198 ; Prot. IV, S. 831. 81
82
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Treuhandverhältnisse
vgl. §§ 1837 Abs. 2 und 4, 1666, 1666a B G B , oder §§ 1796, 181, 1857 B G B , zur Verfügung stehen, 87 insbesondere also etwa Gebote und Verbote. 88 Schließlich ist im Rahmen einer Abwägung zu prüfen, ob dem Mündel nicht aus der Entlassung des Vormunds größerer Schaden erwächst als aus der Beibehaltung. 89 Eine Interessengefährdung kann sich schon aus einem Konflikt zwischen den Interessen von Vormund und Mündel ergeben, der die Gefahr einer Pflichtenkollision und damit eines pflichtwidrigen Verhaltens birgt. Der Interessenkonflikt muß jedoch dauerhaft oder tiefgreifend sein, um die Entlassung zu rechtfertigen. 90 In punktuellen Fällen ist regelmäßig ein Ergänzungspfleger zu bestellen, § 1909 Abs. 1 B G B . 9 1 Die Schuldnerstellung des Vormunds gegenüber dem Mündel, die folgerichtig einen Interessengegensatz mitsichbringt, genügt beispielsweise nicht für die Entlassung. 92 Freilich kommt als milderes Mittel auch die Teilentlassung in Betracht, etwa wenn es auf der Ebene der Vermögenssorge Probleme gibt, die persönlichen Beziehungen zwischen Vormund und Mündel aber gewahrt werden sollen. Haben die Eltern des Mündels einen Vormund benannt, § 1776 Abs. 1 B G B , so muß der Benannte in Abweichung von § 1779 Abs. 2 Satz 1 B G B zum Vormund berufen werden, wenn nicht einer der in § 1778 Abs. 1 B G B abschließend aufgeführten Hinderungsgründe vorliegt. Unter dem Gesichtspunkt des Interessenkonflikts ist § 1778 Abs. 1 Nr. 4 B G B von Bedeutung, der eine Übergehung des Benannten gestattet, wenn die Bestellung das "Wohl des Mündels gefährden würde. Die Anknüpfung an das Wohl des Mündels zieht eine Parallele zu Kindes wohlgefährdung bei elterlicher Sorge, § 1666 B G B , so daß also Interessenkonflikte, soweit sie nicht diese Stufe erreichen, hinzunehmen sind, weil sie in der Regel durch andere, auf der Ebene persönlicher Beziehungen liegende Vorteile des Mündels kompensiert werden. 93 Dem ist auch bei der Entscheidung über die Entlassung des Vormunds Rechnung zu tragen. b) Betreuung Ein identisches Regelungssystem findet sich im Betreuungsrecht. Ein Betreuer darf nicht bestellt werden, § 1897 Abs. 1 B G B , und kann vom Vormundschaftsgericht entlassen werden, wenn seine Eignung nicht gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund vorliegt, § 1908b Abs. 1 Satz 1 B G B . 9 4 Zu unterschei87 Staudinger/Engler §1886 BGB Rn. 11; Soergel/Zimmermann BayObLG FamRZ 1988,543. 8 8 Vgl. nur Soergel/Zimmermann § 1837 BGB Rn. 14 ff. 8 9 BayObLG FamRZ 1988, 874, 875. 9 0 BayObLG MDR 1959,48; Rauscher, Familienrecht, Rn. 1234. 91 Vgl. Soergel/Zimmermann § 1886 BGB Rn. 4. 92 LG Lüneburg FamRZ 1955,271, 9 3 Dazu auch unten §24 III 2 b. 9 4 BayObLG FamRZ 1997,1358,1359.
§1886 BGB Rn.2;
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den ist jedoch danach, ob der Betreute den Betreuer vorgeschlagen hat oder nicht, vgl. § 1897 Abs. 4 B G B . Hat der zu Betreuende keinen Betreuer vorgeschlagen, so ist für die Ermittlung der Eignung bereits auf „die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen", § 1897 Abs. 5 B G B . Es ist unzutreffend, wenn gesagt wird, § 1897 Abs. 5 B G B umfasse weniger gravierende Fälle von Interessenkonflikten, da andernfalls bereits § 1897 Abs. 1 B G B greife und die Eignung als Betreuer entfalle. 95 Vielmehr stellen § 1897 Abs. 4 und 5 B G B zwei unterschiedliche Eignungsprofile auf, konkretisieren also den Begriff „geeignet" in § 1897 Abs. 1 B G B in unterschiedlicher Weise. Ein Betreuer, der vom Betreuten vorgeschlagen worden ist, 9 6 darf nicht bestellt werden, wenn die Bestellung dem Wohl des Betreuten zuwider ist, § 1897 Abs. 4 B G B . Er muß unter den gleichen Voraussetzungen entlassen werden. Bei Bestellung wie Entlassung sind demnach Wohl und Wille des Betreuten abzuwägen. 97 Bei der Prüfung des Wohls ist auch auf die Gefahr von Interessenkonflikten einzugehen, 98 die pflichtwidriges Handeln des Betreuers in Zukunft wahrscheinlich machen. Bei der objektiv bestehenden konkreten Besorgnis schwerwiegender Interessenkonflikte ist der Betreuer nicht zu bestellen beziehungsweise zu entlassen. 99 Je nach Vorliegen eines Betreutenvorschlags unterscheidet sich also der „Ausprägungsgrad der Interessenkonflikte", 100 denn nach dem Willen des Gesetzgebers 101 muß bei einem vorgeschlagenen Betreuer eine gewisse Gefahr von Interessenkonflikten (die Pflichtenkollisionen erzeugen können) hingenommen werden, ohne daß dies zur Ungeeignetheit im Sinne des § 1897 Abs. 1 B G B führt. 1 0 2 Letztlich werden Vormund und Betreuer bei Benennung/Vorschlag sorgeberechtigten Eltern gleichgesetzt. Es gilt, wie in § 1666 B G B , der Begriff des „Wohls" als Maßstab, der impliziert, daß zugunsten anderer Vorteile des Mündels/Betreuten insbesondere auf persönlicher Ebene Interessenkonflikte und damit die Gefahr von Pflichtverletzungen mit geringerem Gewicht hingenommen werden kann, zumal ja die Bestellung eines Ergänzungspflegers in Betracht kommt. Bei der Ermittlung der Geeignetheit geht es im Betreuungsrecht wie im Vormundschaftsrecht in der Regel um Interessenkonflikte, die Pflichtenkollisionen verursachen, die einen Betreuer ungeeignet für den Bereich der Vermögenssorge 95 96 97 98
1226.
O L G Hamm FamRZ 1993,988. Natürlicher Wille, keine Willenserklärung, O L G Hamm FamRZ 1996,1372. BayObLG FamRZ 1995,1232,1233; MünchKomm/Sc/jze^ § 1908b BGB Rn. 14. Staudinger/Bienwald §1897 BGB Rn.31; vgl. auch BayObLG FamRZ 1993, 1225,
9 9 KG Berlin FamRZ 1995, 1442; BayObLG FamRZ 1997, 246; BayObLG BayObLGR 1996, 28; OLG Zweibrücken BtPrax 1997, 164; BayObLG FamRZ 1999, 49; Dodegge N J W 1995,2389,2393. 1 0 0 KG Berlin FamRZ 1995,1442,1443. 101 BT-Drucks. 11/4528, S. 127. 102 BayObLG FamRZ 1996,1374,1375; Soergel/Zimmermann § 1897 BGB Rn. 45.
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Treuhandverhältnisse
machen. 103 Im Rahmen des § 1897 Abs. 5 B G B ist etwa ein Rechtsanwalt, der einmal den Prozeßgegner des Betreuten vertreten hat, ungeeignet. 104 Gleiches gilt, wenn Betreuer und Betreuter sich im Zivilprozeß als Gegner gegenüberstehen. 105 Ungeeignet ist der Betreuer für Vermögensangelegenheiten auch dann, wenn er gegen den Betreuten Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend macht, weil infolgedessen das Vermögen des Betreuten durchleuchtet werden müsste und so „eine exakte Trennung zwischen der allgemeinen Vermögenssorge und der Regelung der Pflichtteilsansprüche" nicht möglich ist. 1 0 6 Wenn das Vermögen des Betreuten praktisch nur aus einem Haus besteht und eine der Wohnungen an die Eltern der Ehefrau des Betreuten vermietet ist, dann kann die Ehefrau ihren Mann nicht in Vermögensangelegenheiten betreuen, trotz Vorschlags des Betreuten. 107 Ein schädlicher Interessenkonflikt liegt nicht bereits bei Bestehen einer bloßen Forderung des Betreuers gegen den Betreuten vor, wohl aber, wenn Betreuer und Betreuter sich im Zivilprozeß als Gegner gegenüberstehen; dann kann der Betreuer nicht mehr Vertreter sein. 108 Auch dann, wenn sich der Betreuer aus dem Vermögen bedient (Übertragung einer Eigentumswohnung des Betreuten an sich), ohne beim Notar darauf hinzuweisen, daß er Vermögensbetreuer ist, denn der Notar muß die Geschäftsfähigkeit des anderen Teils prüfen und der Betreuer muß zum wohl des Betreuten, § 1901 B G B , darauf hinwirken (gravierende Pflichtwidrigkeit). 109 All das rechtfertigt jedoch nur die Entlassung aus dem Bereich der Vermögenssorge. Interessenkollision in Vermögensbelangen, die zu konkreter Gefahr führen, sind Entlassungsgrund. 110 Dem Konflikt darf nicht anders als durch Entlassung begegnet werden können; zu bedenken sind insbesondere Maßnahmen nach §§ 1908i Abs. 1 Satz 1,1837 B G B . Die unterschiedliche Konkretisierung der Geeignetheit wird vor allem bei der Bestellung von Verwandten zu Betreuern sichtbar. Es stellt sich zwar etwa die Frage, ob ein potentieller Erbe mit der Vermögenssorge betreut werden sollte. 111 Verboten ist dies jedoch genausowenig 112 wie die Bestellung eines verwandten Pflichtteilsschuldners. Fehlt es an einem Vorschlag des Betreuten, so genügt in § 1897 Abs. 5 B G B bereits der Verdacht, der Betreuer werde den Betreuten als Pflichtteilsberechtigten benachteiligen, als ausschließender Interes-
103 104 105 106 107 108 109 1,0 111 112
BayObLG FamRZ 1997,1358. O L G Köln FamRZ 1999,54. BayObLG FamRZ 1995,1232. BayObLG FamRZ 1999,49. BayObLGR2001,12. BayObLG FamRZ 1995,1232. BayObLG FamRZ 1995,1232. BayObLG FamRZ 1997,1358. Staudinger/Bienwald § 1897 BGB Rn. 31; O L G Düsseldorf BtPrax 1993,103,104. BT-Drucks. 11/4528, S. 128; O L G Hamm FamRZ 1993,988.
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senkonflikt. 113 Hat der Betreute den Betreuer vorgeschlagen, muß die Bestellung in diesem Fall noch nicht seinem Wohl zuwiderlaufen. Uberhaupt stellt sich bei der Bestellung naher Angehöriger als Betreuer immer das Problem, daß zwischen den persönlichen Bindungen des Betreuten und der Gefahr von Interessenkonflikten abzuwägen ist, 114 wobei jedoch die abstrakte Gefahr eines Interessenkonflikts, wie sie unter Verwandten selten auszuschließen ist, nicht ausreicht, um den Betreuer ungeeignet zu machen, denn Verwandte werden in § 1897 Abs. 5 B G B ausdrücklich als geeignet genannt. Es muß ein konkreter Konflikt vorliegen, 115 der wesentlich und andauernd ist, wenn er zur Ungeeignetheit führen soll, denn bei kürzerer Dauer kommt auch die Bestellung eines zweiten Betreuers als milderes Mittel in Betracht, § 1900 B G B . Das ist gerade dann anzuraten, wenn der erste, konfliktträchtige Betreuer für die persönliche Betreuung gut geeignet ist. 116 Die Gefahr einer Pflichtenkollision ist schließlich auch ratio legis der speziellen Verbotsregelung in § 1897 Abs. 3 B G B : Wer „in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung" zu dem Heim steht, in dem der Betreute wohnt, darf nicht Betreuer sein. Das gilt etwa für hauptamtliche Mitarbeiter des Trägervereins der Wohneinrichtung. 117 Nur so können Interessenkonflikte vermieden werden, zu denen es kommen muß, wenn Rechte des Betreuten gegen die Wohneinrichtung durchgesetzt werden müssen. 118 Die Anordnung des § 14 HeimG, daß der Betreute das Heim nicht als Erben einsetzen könne, gilt nicht analog für das Verhältnis Betreuer - Betreuter. 119 Es ist auch nicht von vorneherein sittenwidrig, wenn der Betreuer Erbe wird; es müßte schon die Entscheidungsfreiheit des Betreuten in rechtliche anstößiger Weise beeinträchtigt worden sein. 120 c) Pflegschaft Auch bei der Auswahl von Pflegern sind Interessenkonflikte zu beachten: Ein Pfleger darf nicht bestellt und kann entlassen werden, wenn in „Angelegenheiten von besonderer Bedeutung" 121 für den Pflegebefohlenen Interessengegensätze mit dem Pfleger bestehen oder sonst ein „erheblicher dauerhafter Interes-
BayObLG FamRZ 2000,1183. BayObLG FamRZ 1993,1225,1226. 115 Soergel/Zimmermann § 1897 BGB Rn. 45; O L G Hamm FamRZ 1993,988; BayObLG FamRZ 1999, 51, 52. 116 Soergel/Zimmermann § 1897 BGB Rn. 45. 117 LG Stuttgart BtPrax 1996, 75. 118 Palandt/Diederichsen § 1897 BGB Rn. 12 ff. 119 BayObLG FamRZ 1998, 702. 1 2 0 BayObLG FamRZ 1998, 702, 704. 121 BayObLG BayObLGZ 1981,44,48. 113 114
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Teil 4: Interessenkonflikte als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
senwiderstreit" 122 besteht, 123 §§ 1915 Abs. 1, 1886 B G B . Außerdem kann der Pfleger auch dann entlassen werden, wenn er unter Verletzung der Auswahlvorschriften der §§ 1915 Abs. 1,1779 Abs. 2 B G B ausgewählt 124 oder die Auswahl später fehlerhaft wurde. 1 2 5 Problematisch kann hier insbesondere sein, „wenn die Gefahr der Interessenkollision [zwischen Eltern und Kind] sich in der Person des vorgeschlagenen Ergänzungspflegers fortsetzen kann". 1 2 6 Dann kann der auf Elternvorschlag bestellte Pfleger entlassen werden. „Der Gesetzgeber hat den Eltern die Vertretungsmacht nicht genommen, um sie mit ihnen verbundenen Personen zu geben". 127 Problematisch ist es etwa, wenn das Kind/Mündel Vorerbe, der Ergänzungspfleger Ersatznacherbe ist. 1 2 8
d) Eltern Die Beendigung des Treuhandverhältnisses zwischen Eltern und Kind als Folge einer Kindeswohlgefährdung regeln §§ 1666 ff. B G B . Hiernach kann das Familiengericht, das als Uberwachungstreuhänder von Amts wegen einschreitet, die gesamte elterliche Sorge 1 2 9 oder einzelne Bereiche der elterlichen Sorge entziehen. Bei vollständiger Entziehung ist für das Kind ein Vormund zu bestellen, auch infolge der Teilentziehung wird in der Regel ein Vormund als Nebentreuhänder bestellt.
aa) Kindeswohlgefährdung § 1666 B G B nennt nicht das Vorliegen eines Interessenkonflikts, sondern einer Kindeswohlgefährdung als Voraussetzung für das Einschreiten des Familiengerichts. Kindeswohl bezeichnet jedoch die wohlverstandenen objektiven Interessen des Kindes, das seine Interessen kraft Gesetzes nicht selbst bestimmen darf. In einer wertungspluralistischen Gesellschaft ist das Kindeswohl nicht leicht zu definieren und bei seiner Festlegung muß auf eine möglichst weitreichende Akzeptanz geachtet werden. Trotzdem lassen sich zumindest einige Kindesinteressen, denen freilich kaum je vollständig genügt werden kann, formulieren: Entwicklung innerer und äußerer Selbständigkeit, Erlernen sozialer Fähigkeiten
BGH N J W 1955,217; vgl. auch B G H Z 65,41. Staudinger/Bienwald § 1909 BGB Rn. 11. 124 BayObLG RPfleger 1979,307. 1 2 5 BayObLG FamRZ 1989,1342. 126 O L G Frankfurt/Main FamRZ 1997, 571. 127 BayObLG N J W 1964,2306; LG Frankfurt/Main FamRZ 1991, 736; Soergel/Damrau §1915 BGB Rn. 5. 128 RPfleger 1977,440. 129 Vgl. nur BayObLG FamRZ 1999,179,180; BayObLG FamRZ 1999,316,317; Staudinger/Coester § 1666 BGB Rn. 178; MünchKomm/Olzen § 1666 BGB Rn. 159. 122 123
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und Entfaltung des geistigen und seelischen Potentials. 130 Diese Kindesinteressen (Treugeberinteressen) können in Konflikt mit den Interessen der Eltern (Treuhänderinteressen) oder Geschwister (Interessen von Drittreugebern) geraten. Aus diesem Konflikt entstehen in der Person des Treuhänders Pflichtenkollisionen. Dabei ist jedoch zu beachten, daß die Definition der Kindesinteressen wiederum zuvörderst den Eltern zukommt, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 G G . Die Eltern müssen die Kindesinteressen also nicht nur wahren und fördern, sondern können sie auch festlegen (Interpretationsprimat der Eltern), soweit sie dabei bestimmte Ermessensgrenzen nicht überschreiten. 131 Allerdings ist dabei auch die kindliche Selbstbestimmung altersgemäß zu beachten, die insoweit das objektive wohlverstandene Interesse verdrängt, 132 was etwa bei der Berufswahl des Kindes ausdrücklich angeordnet ist („Neigung"), § 1631a Satz 1 B G B . Hinzukommt das in § 1618a B G B geregelte Rücksichtnahmegebot, das dazu führt, daß die ermessensgerecht definierten Interessen des Kindes auch einmal hinter die Interessen von Eltern oder Geschwistern zurücktreten müssen, soweit dieses Zurücktreten zugunsten der familiären Gemeinschaft erforderlich ist. 133 Bereits die Einbindung des Kindes in die Familie als solche ist nämlich wesentlicher Bestandteil des Kindesinteresses. Unzutreffend ist es deshalb, wenn zum Teil pauschal gesagt wird, der Begriff des Kindeswohls besage, daß die Kindesinteressen Vorrang vor anderen beteiligten Interessen, insbesondere den Elterninteressen haben. 134 Definieren die Eltern als Treuhänder die Kindesinteressen unter Überschreitung der ihnen gezogenen Grenzen oder werden Interessenkonflikte allzu seinseitig zulasten der Kindesinteressen aufgelöst, und ist deshalb die Verletzung der Kindesinteressen gegenwärtig oder steht zumindest unmittelbar bevor, 135 so liegt eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 B G B vor. Bei der Ausübung des staatlichen Wächteramts geht es allerdings nicht um die bestmögliche Förderung des Kindes. 1 3 6 „Die Eltern [...] gehören grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes". 137 Unerheblich ist hingegen, ob die Eltern ihre Treuhänderstellung bewußt im eigenen oder dritten Interesse zum Nachteil des Kindesinteresses mißbrauchen, ob sie die Interessen aufgrund der Verfolgung anderer Interessen nicht ausreichend betreuen, also vernachlässigen, oder ob sie - schuldlos - „versagen", § 1666 Abs. 1 B G B . Schwab, Familienrecht, Rn. 636. Vgl. dazu Knöpfel FamRZ 1985,1211,1213. 132 BayObLG FamRZ 1985,737,738; BayObLG FamRZ 1997,954,955. 133 Eingehend dazu unten § 24 III 2 b. 134 BVerfG N J W 1996, 2717; Staudinger/Coester § 1666 BGB Rn. 64; MünchKomm/O/zen § 1666 BGB Rn.45. 135 So seit BGH N J W 1956, 350. 136 BVerfGE 34,165,184. 137 Staudinger/Coester § 1666 BGB Rn. 81. 130
131
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treubandverhältnisse
Beispiele für Interessenkonflikte aus dem nichtvermögensrechtlichen Bereich sind die Verfolgung eigener religiöser oder weltanschaulicher Interessen zulasten der Gesundheit 138 oder der pflichtgemäßen Ausbildung (Schulbesuch)139 des Kindes, Verfolgung eigener Interessen zulasten des Kindesinteresses an der Feststellung seiner Abstammung, 140 Ausübung von Druck in Richtung auf einen Schwangerschaftsabbruch, den die Tochter nicht will,141 zumal deren Entscheidung der Grundwertung unserer Rechtsordnung entspricht, 142 Verfolgung eigener egoistischer, auch psychisch krankheitsbedingter Interessen zulasten des Kindes etwa in Form des maßlosen „Bemutterns" mit Folge seelischer Störungen beim Kind (overprotection),143 Zwang zu einer Ausbildung oder Berufswahl aus eigenem Interesse der Eltern (Betriebsübernahme), die Eignung und Neigung des Kindes widerspricht, oder umgekehrt Abhalten von einer eignungs- und neigungsgerechten Ausbildung oder Berufswahl aus diesem Grund, vgl. § 1631a BGB, 144 Verletzen der Kindesinteressen durch krankheits- oder abhängigkeitsbedingte 145 maßlose Verfolgung eigener Interessen. Eine iiwji/eswohlgefährdung soll sich aber wegen des Interpretationsprimats der Eltern nicht allein nicht durch völlig ungesunde, aber familienübliche Ernährung, massiv rauchende Eltern, 146 Herauslösung des Kindes aus seiner Umgebung durch wiederholte Umzüge oder das „Ausbleiben geistiger Anregungen bei niveauloser familiärer Freizeitgestaltung" 147 ergeben, wohl deshalb, weil der Staat bei Ausübung seines Wächteramtes heillos überfordert wäre. bb)
Verhältnismäßigkeit
Weil einerseits die Gefahr für das Kindeswohl beseitigt, andererseits aber das in Art. 6 GG geschützte Elternrecht respektiert werden muß, stehen die Maßnahmen des Familiengerichts unter dem Vorbehalt der Geeignetheit, Erforderlichkeit (es darf nur der Teil der Sorge entzogen werden, für den die Gefährdung 138 O L G Celle N J W 1995, 792; Oelbers F u R 1997, 161 ff.: Bluttransfusion; B a y O b L G F a m R Z 1984, 829; M ü n c h K o m m / O l z e n § 1666 BGB Rn. 79: Ablehnung der Behandlung einer psychischen E r k r a n k u n g des Kindes. 139 B a y O b L G F a m R Z 1985, 635; es genügt freilich auch Gleichgültigkeit gegenüber dem Schulbesuch, der infolgedessen unterbleibt, O L G Köln F a m R Z 1992,1093. 140 O L G München F a m R Z 1997,1170: Verweigerung einer entsprechenden Blutabnahme; genauso bei Verweigerung einer im Kindesinteresse liegenden Anfechtung eines Vaterschaftsanerkenntnisses, O L G Karlsruhe F a m R Z 1991,1337; Erman/Michalski § 1666 BGB Rn. 8. 141 Vgl. L G H a m b u r g F a m R Z 1981,309. 142 StaudingerlCoester § 1666 BGB Rn. 102. 143 O L G Köln F a m R Z 1996,1027; B a y O b L G F a m R Z 1997, 387. 144 M ü n c h K o m m / O l z e n § 1666 BGB Rn. 96; Erman/Michalski § 1666 Rn. 10. 145 L G F r a n k f u r t am Main F a m R Z 1983, 530: Heroin; O L G H a m m DAVorm 1996, 280: Alkohol. 146 B a y O b L G F a m R Z 1993,1350. 147 Staudinger/Coester § 1666 BGB Rn. 66.
§20.
Regeln zur Behandlung
von Pflichtenkollisionen,
Teil 2
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existiert 148 ) und - auch außerhalb von § 1666a Abs. 2 BGB - Verhältnismäßigkeit. 149 Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist jeweils die Beeinträchtigung des Elternrechts (Rechtseingriff im Verhältnis zur Kindeswohlverbesserung) und das Kindesinteresse (Folgen von Handeln/Nichthandeln) abzuwägen. 1 5 0 Die noch zu erörternden §§ 1795, 1796 BGB, die das treuhänderische Machtmittel beschränken, sind etwa vorrangig und verdrängen Maßnahmen nach § 1666 BGB, 1 5 1 denn sie bilden das mildere Mittel beim Eingriff in das Elternrecht, 152 die Eingriffsschranke liegt aber auch unter jener des § 1666 BGB. 1 5 3 Häufige Maßnahmen sind der Entzug der Entscheidungsbefugnis in einem konkreten Bereich (z.B. Entscheidung über Vornahme einer ärztlichen Behandlung, Vaterschaftsanfechtung, Schul- und Berufswahl), die Einschränkung oder Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, 1 5 4 die zu der einschneidenden räumlichen Trennung von Eltern und Kind führt, oder die Entziehung der gesetzlichen Vertretung. e) "Zusammenfassung aa) Zweistufiges
Modell
Im Familienrecht ist ein zweistufiges Modell anzutreffen: Bestimmte Treuhänder sind trotz gewisser Konflikte, die sich in Pflichtenkollisionen niederschlagen können, für die Bekleidung ihres Amtes geeignet. Das sind einmal die Eltern, die nur unter den strengen Voraussetzungen des § 1666 BGB ihres Amtes enthoben werden dürfen. Gleiche Kriterien gelten außerdem für Betreuer, die vom Betreuten selbst vorgeschlagen worden sind, und für Vormünder, die von den Eltern des Mündels vorgeschlagen worden sind. Bestimmte Interessenkonflikte, die in Pflichtenkollisionen münden, sind also in familienrechtlichen Treuhandverhältnissen hinzunehmen. Das macht deutlich, daß die Vermeidung oder Auflösung von Kollisionen durch Nichtbegründung oder Beendigung eines Kollisionsträchtigen Treuhandverhältnisses nicht die einzige Möglichkeit zum Umgang mit Pflichtenkollisionen ist. 155 Diese besondere Eignung der genannten Treuhänder kann ihre Ursache zum einen in einem eigenen Recht des Treuhänders auf die Treuhänderposition haben, wie das bei den Eltern der Fall BayObLG FamRZ 1999,316. BVerfG FamRZ 1989,145,146. 150 Staudinger/Coester § 1666 BGB Rn. 181. 151 Staudinger/Coester § 1666 BGB Rn. 36; MünchKomm/Olzen § 1666 BGB Rn. 16. 152 BayObLG FamRZ 1994,1196,1197. 153 Rauscher, Familienrecht, Rn. 1050. 1 5 4 Vgl. nur BayObLG FamRZ 1994, 1411; BayObLG FamRZ 1995, 502; BayObLG FamRZ 1997,954; BayObLG FamRZ 1999,1154; O L G Frankfurt am Main FamRZ 1983,530, 531. 1 5 5 Eingehend dazu unten § 2 2 und §23. 148
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
ist, Art. 6 Abs. 1 G G , zum anderen im besonderen Wunsch des Treugebers oder seines gesetzlichen Vertreters, eine bestimmte Person trotz des Bestehens von Interessenkonflikten, die zu Pflichtenkollisionen führen, als Treuhänder zu erhalten. Zu beachten ist hier freilich die tatsächliche familienrechtliche Besonderheit, daß Eltern, Vormund oder Betreuer nicht nur wirtschaftliche, sondern auch persönliche Belange des Treugebers wahrnehmen und Risiken, die sich aus Interessenkonflikten vor allem im Vermögensbereich ergeben, durch die persönliche Beziehung zwischen Treugeber und Treuhänder, auf die es im Verhältnis von Eltern und Kind, Vormund und Mündel sowie Betreuer und Betreutem besonders ankommt, aufgewogen werden können. Haben die Treuhänder ihre Stellung nicht aus den genannten Gründen inne, so sind die aus Interessenkonflikten resultierenden Risiken nach strengeren Maßstäben zu beurteilen. Hier führt wie in anderen Treuhandverhältnissen jeder dauernde und erhebliche Interessenkonflikt, der wiederholt zu Pflichtenkollisionen führt, oder bereits die Gefahr eines solchen Konflikts zur Ungeeignetheit des Treuhänders. Eine Ablehnung des Treuhänders wegen Befangenheit ist dem Familienrecht freilich nicht bekannt, hat doch das Familien- oder Vormundschaftsgericht von Amts wegen tätig zu werden, §§ 1666, 1886, 1908b B G B , was freilich auf eine formlose Anregung des Treugebers hin geschehen kann.
bb) Teilbeendigung Das Familienrecht kennt darüber hinaus im Gegensatz zu anderen gesetzlich geregelten Treuhandverhältnissen die Möglichkeit der Teilbeendigung des Treuhandverhältnisses aus wichtigem Grund, §§ 1666ff. B G B . Das erscheint angesichts des noch zu erörternden milderen Zugriffs lediglich auf das elterliche Machtmittel erstaunlich. § 1666 bezieht sich jedoch auch auf nicht rechtsgeschäftliche Interessenwahrnehmung, die §§ 1795, 1796,1821,1822 B G B hingegen nur auf einen Vertragsschluß im Namen des Kindes. Das ist gerade bei einem Treuhandverhältnis, das (auch) im nicht wirtschaftlichen Bereich 1 5 6 angesiedelt ist, von Bedeutung. §§ 1795, 1796 B G B beziehen sich nach zutreffender Auffassung auf ein einzelnes Geschäft oder eine einzelne rechtsgeschäftliche Entscheidung, die der Treuhänder möglicherweise nicht pflichtgemäß treffen kann, weil er einem widerstreitenden Interesse verpflichtet ist. Diese Entscheidung trifft dann ein Ergänzungspfleger anstelle der Eltern oder das Vormundschaftsgericht prüft die elterliche Entscheidung am Kindeswohl, also den Kindesinteressen. Es liegt also ein zwar erheblicher, aber rein punktueller Interessenkonflikt vor. 157 § 1666 156 157
Zur Treuhandeigenschaft § 8 I 3. Dazu unten §22 und §23.
§20. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen, Teil 2
467
B G B kann hingegen einen bestimmten Bereich dauerhaft aus der elterlichen Sorge „herausschneiden", etwa die Vermögenssorge, die Aufenthaltsbestimmung oder die Gesundheitssorge. Es geht dabei, wie immer bei der Beendigung des Treuhandverhältnisses, um einen erheblichen, nicht nur punktuellen Interessenkonflikt, der eigentlich zur Beendigung des Treuhandverhältnisses insgesamt hinreichen würde, aber aufgrund der Komplexität des insoweit teilbaren Treuhandverhältnisses, des Interesses des Kindes an der Beziehung zu seinen Eltern und des Elternrechts lediglich eine Teilbeendigung auslösen kann. Es kann nicht nur ein Ergänzungspfleger als „Ersatzentscheider" installiert werden, sondern auch ein Vormund, so daß Eltern und Vormund Nebentreuhänder werden. Zur Auflösung des Interessenkonflikts wird also die Treuhänderposition nachträglich qualitativ gespalten. Freilich ist aufgrund dieser weitreichenderen Wirkung die Eingriffsschwelle in § 1666 (Kindeswohlgefährdung) höher als etwa in § 1796 (Interessenkonflikt), weil einmal nur punktuell das elterliche Machtmittel, das andere Mal die Elternstellung insgesamt teilweise beseitigt wird.
III. Folgerungen 1. Beendigungsvoraussetzungen bei nichtrechtsgeschäftlicher Treuhand a) Befangenheit Besorgnis der Befangenheit, §§ 42 Z P O und 318 Abs. 3 H G B a.F., Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit, § 1036 Abs. 2 Z P O , Eignung und Unabhängigkeit, § 5 6 InsO, Gefahr von Interessenkonflikten, §1897 Abs. 5 B G B , Eignung nach persönlichen Verhältnissen, Vermögenslage und sonstigen Umständen, § 1779 Abs. 2 Satz 1 B G B , Eignung, §§ 1897 Abs. 1,1908b Abs. 1 Satz 1 B G B , Gefährdung der Mündelinteressen, § 1886 B G B , Wichtiger Grund, § 1908b Abs. 1 Satz 1 B G B , Kindeswohlgefährdung, § 1666 B G B . Diese unterschiedlichen Bezeichnungen wählt das Gesetz, um Fälle zu kennzeichnen, in denen ein Treuhänder nicht bestellt werden darf oder entlassen werden muß. Zum Teil ist in diesen Formulierungen das allgemeine Kriterium der (mangelnden) Eignung enthalten, in anderen Fällen ist dies überflüssig, wenn - wie beim Richter - die Eignung bereits abstrakt feststeht. Subtrahiert man diese eigentlich selbstverständliche Anforderung, dann bleibt in allen Fällen letztlich dasselbe Kriterium übrig: Der Treuhänder darf nicht befürchten lassen, daß er seine aus der Interessenwahrnehmungspflicht ermittelten oder durch Weisung entstandenen Pflichten wiederholt nicht erfüllt, weil er sich in einem dauerhaften Interessenkonflikt befindet, der zu Pflichtenkollisionen führt, und er diese Kollisio-
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Teil 4: Interessenkonflikte
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Treuhandverhältnisse
nen zum Nachteil des Treugebers auflöst; etwas anderes gilt nur in einigen familienrechtlichen Sonderfällen. A m bildlichsten beschreibt die Formulierung „Besorgnis der Befangenheit" diesen aber auch durch alle anderen Formulierungen gekennzeichneten U m stand. „Befangenheit" bedeutet: Der Treuhänder ist in der Weise anderen als den treugeberischen Interessen rechtlich, moralisch oder aus Eigennutz verpflichtet (von ihnen befangen), daß eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß er diesen anderen Interessen den Vorrang einräumen und also im Kollisionsfall die aus diesen Interessen folgenden Pflichten erfüllen wird. „Besorgnis" weist darauf hin, daß bereits bestimmte Anzeichen genügen, die einen verständigen Menschen auf die Befangenheit des Treuhänders schließen lassen, ohne daß diese im konkreten Fall tatsächlich vorliegen muß, etwa weil der Treuhänder tatsächlich den Pflichten gegenüber dem besorgten Treugeber den Vorzug einzuräumen gewillt ist. Es ist also eine normative Entscheidung anhand objektiver Kriterien darüber zu treffen, ob der Treuhänder Kollisionen zulasten des Treugebers auflösen wird. Aus den erörterten Fällen w i r d auch deutlich, daß die Befangenheit mit anderen Interessen, die zu einem Interessenkonflikt führt, so beschaffen sein muß, daß stetig Pflichtenkollisionen entstehen, die zudem nicht nur im Randbereich der Interessenwahrnehmung liegen, sondern letztlich die sachgerechte Interessenwahrnehmung insgesamt gefährden. Nicht jeder Interessenkonflikt, sondern nur ein solcher erheblicher und dauerhafter Interessenkonflikt kann also zur Beendigung eines Treuhandverhältnisses führen. Es steht zu befürchten, daß ein befangener Richter oder Schiedsrichter zur sachgerechten Interessenwahrnehmung im anvertrauten Interessensegment (Streitgegenstand) im ganzen genauso wenig in der Lage ist, wie ein befangener Abschlußprüfer zur Abfassung eines brauchbaren Berichts. Ein vom Schuldner oder Gläubigern nicht unabhängiger Insolvenzverwalter ist den Interessen eines Treugebers über die Insolvenzverwaltung hinaus besonders verpflichtet und kann deshalb das Insolvenzverfahren insgesamt nicht sachgerecht abwickeln. Eine Gefährdung von Mündelinteressen oder Gefahr von Interessenkonflikten im Familienrecht f ü h r t dann - und nur dann - zur Entlassung des Treuhänders, wenn dieser Interessenkonflikt dauernde Pflichtenkollisionen erzeugt, die insgesamt und auf Dauer eine nicht sachgerechte und wenig gedeihliche Wahrnehmung von Vermögensinteressen des Treugebers befürchten lassen. Eben deshalb muß der Treuhänder auch sofort ausgetauscht werden und darf seine Stellung nicht bis zu ihrem vorgesehenen Ende, dem Abschluß des Gerichts- oder Insolvenzverfahrens oder der Volljährigkeit des Mündels, innehaben. Besonders aus den familienrechtlichen Fällen w i r d deutlich, daß in teilbaren Treuhandverhältnissen die Beendigung des Treuhandverhältnisses immer „ultima ratio" sein muß, also nur in Betracht kommt, wenn nicht mildere Mittel erfolgversprechend eingesetzt werden können. Dazu zählt im Fa-
§20.
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milienrecht insbesondere die Betrauung eines Ergänzungspflegers 1 5 8 mit einzelnen Aufgaben. Erst wenn derartige Maßnahmen nicht fruchten oder letztlich zur Folge hätten, daß dem Vormund oder Betreuer seinerseits durch die wiederholte Einschaltung eines Ergänzungspflegers oder seine Betrauung mit wichtigen Bereichen der Interessenwahrnehmung eine gedeihliche Interessenwahrnehmung, selbst wenn er sie anstreben würde, unmöglich wird, kommt die Entlassung in Betracht. Nicht teilbar ist hingegen beispielsweise das Treuhandverhältnis zwischen Parteien und Schiedsrichter, weil einen Schiedsspruch letztlich nur entweder der eine oder der andere Schiedsrichter fällen kann. b) Verschiebung des
Maßstabs
Vor allem aus den familienrechtlichen Beispielen wird auch deutlich, daß der Wille des Treugebers zu einer Verschiebung dieses Maßstabs führen kann: Der Betreute etwa kann sich genauso wie die Eltern des Mündels dafür entscheiden, Interessenkonflikte hinzunehmen, die bereits als „erheblich" einzustufen sind, wenn sie sich beispielsweise andere Vorteile als Kompensation versprechen. Allein dadurch wird die Interessenwahrnehmungspflicht (und also auch die Einzelpflichten) des Betreuers oder Vormunds jedoch nicht modifiziert. Der Treugeber nimmt also nur ein erhöhtes Risiko von Pflichtverletzungen hin. Eine ähnliche Situation besteht im Erbrecht: Der Erblasser als Treuhandbegründer 159 kann durchaus den Vorerben oder denjenigen, dem er den Nießbrauch am Nachlaß zugewendet hat, zum Testamentsvollstrecker bestimmen und auf diese Weise einen Interessengegensatz zwischen Vor- und Nacherben beziehungsweise Nießbraucher und Erben erzeugen. Die Gegenauffassung 1 6 0 führt aus, es bestehe typischerweise ein Interessengegensatz, der die ordnungsgemäße Treuhandverwaltung gefährde. 161 Die Stellung des Nacherben werde völlig ausgehöhlt, der Testamentsvollstrecker werde „in einen so schroffen Interessenwiderstreit hineingestellt, daß von einer gedeihlichen Führung des Amts, die vor allem Unbefangenheit des Amtsträgers voraussetzt, nicht die Rede sein könne". 162 Das mag zutreffen, jedoch steht dem Erblasser die Entscheidung darüber zu, ob er die Stellung des Nacherben mit diesem Interessenkonflikt beschweren und auf diese Weise die Stellung des Vorerben verstärken möchte oder nicht. Gleiches gilt für den Fall, daß der Erblasser die Stellung des Nießbrau-
Dazu und zur Bedeutung dieses Modells im Treuhandrecht insgesamt unten § 22. Dazu oben §14 II 2. 160 R G Z 77,177; MüncbYLomm/Brandner § 2197 B G B Rn. 11; Staudinger/Reimann §2197 B G B Rn. 54; a.A. RohlffDNotT. 1971, 518, 527ff. 161 Kipp/Coing § 67 I 9 d. 162 R G Z 77,177,178. 158
159
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
chers, etwa seines Ehepartners, gegenüber den Erben, etwa den Kindern, in atypischer Weise verstärken möchte. 1 6 3 c) Erfordernis
eines formalisierenden
Akts
Wie schon im vorherigen Abschnitt angedeutet, ist den geschilderten Fällen gemeinsam, daß das Vorliegen eines solchen erheblichen Interessenkonflikts das Treuhandverhältnis nicht ohne weiteres beendet, sondern die Beendigung durch einen rechtsgestaltenden A k t erfolgen muß, einen rechtsgestaltenden Gerichtsbeschluß. Nur dann besteht bei einer aus materiellen Kriterien begründeten Besorgnis der Befangenheit des Treuhänders Rechtssicherheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Treuhandverhältnisses, vgl. den Dualismus von §41 und § 4 2 Z P O . Das diesem Beschluß zugrundeliegende Verfahren wird zum Teil von Amts wegen, zum Teil auf Antrag eingeleitet. Der Unterschied erklärt sich daraus, daß manche Treuhänder (z.B. Vormund, Insolvenzverwalter) unter der dauernden Überwachung eines Überwachungstreuhänders stehen, zumeist des Staats, der durch Gerichte als seine Organe handelt und von sich aus tätig werden muß, während andere Treuhänder (z.B. Richter, Testamentsvollstrekker) nicht durch einen Überwachungstreuhänder kontrolliert werden, so daß es eines Antrags bedarf.
2.
Anwendungsbeispiele
a) Amtsenthebung
von
Aufsichtsratsmitgliedern
Die anhand der geschilderten Beispiele gefundenen Maßstäbe lassen sich auch auf andere nichtrechtsgeschäftliche Treuhandverhältnisse übertragen. So kann jedes nicht rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnis unter den geschilderten Voraussetzungen beendet werden, selbst wenn eine derartige Regelung nicht vorgesehen ist. Die Möglichkeit des Interessenträgers oder eines anstelle des Interessenträgers mit dieser Befugnis betrauten Dritten, ein Treuhandverhältnis unverzüglich zu beenden, in dem eine gedeihliche Interessenwahrnehmung nicht zu erwarten ist und dessen Aufrechterhaltung bis zur vorgesehenen Beendigung deshalb nicht in Betracht kommt, ergibt sich zwingend aus der Grundform der Treuhand. Außerdem können diese Voraussetzungen auch auf andere Regelungen zur Beendigung von Treuhandverhältnissen etwa aus „wichtigem G r u n d " übertragen werden, bei deren Anwendung Unsicherheit über die Auslegung des Kriteriums „wichtiger G r u n d " oder einer gleichwertigen Formulierung 1 6 4 be163
164
Rohlff DNotZ 1971,518,519.
Ein Beispiel wäre die Unabhängigkeit des Treuhänders im Versicherungswesen vom Versicherer, §§ 172 Abs. 1 Satz 1,178g Abs. 2 VVG, § 12 Abs. 3 Satz 1 VAG.
§ 20. Regeln
zur Behandlung
von Pflichtenkollisionen,
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steht. Ein Beispiel ist die Amtsenthebung von Aufsichtsratsmitgliedern aus wichtigem Grund, § 103 Abs. 3 AktG. Zwischen Aufsichtsratsmitglied und Aktiengesellschaft besteht - anders als zwischen Vorstandsmitglied und Aktiengesellschaft 165 - kein Anstellungsvertrag, sondern es entsteht, wie auch bei der Bestellung eines Notvorstandsmitglieds, mit Annahme der Bestellung kraft Gesetzes ein Treuhandverhältnis, 166 das nach der hier vertretenen Auffassung 167 die Interessenwahrnehmungspflicht des Aufsichtsratsmitglieds erzeugt. Nach obigen Erörterungen ist es beispielsweise unzutreffend, wenn verbreitet pauschal behauptet wird, nur eine grobe Pflichtverletzung könne einen wichtigen Grund im Sinne des § 103 Abs. 3 AktG liefern. 168 Vielmehr können nach zutreffender Auffassung auch erhebliche Interessenkonflikte die Möglichkeit zur Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds eröffnen. 169 Mit dem Instrument der Abberufung lassen sich deshalb die oben 170 geschilderten Fälle der Tätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern bei Konkurrenten lösen, die nach zutreffender Auffassung nicht bereits durch eine Inhabilitätsregel verhindert wird. Aus den soeben entwickelten Befangenheitsvoraussetzungen ergibt sich dabei, daß nicht allein die Tätigkeit bei Konkurrenten entscheidend ist, sondern immer ein Interessenkonflikt vorliegen muß, der die begründete Besorgnis nährt, daß das Aufsichtsratsmitglied stetig in bedeutsame Pflichtenkollisionen geraten und diese zum Nachteil der Gesellschaft auflösen wird. Diese Besorgnis besteht also nur dann, wenn das Aufsichtsratsmitglied überhaupt in Pflichtenkollisionen etwa zwischen Beratungs- und Geheimhaltungspflicht geraten kann, weil es beispielsweise über sensibles Wissen verfügt. 171 Deswegen können etwa auch freundschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen des Aufsichtsratsmitglieds zu einem Organmitglied eines Konkurrenten nicht ohne weiteres die Abberufung rechtfertigen, weil allein deshalb noch nicht anzunehmen ist, daß das
Dazu oben § 11 I 3 acc. Für die Entstehung eines Schuldverhältnisses von Gesetzes wegen auch KK-AktG/ Mertens §101 AktG Rn.5ff.; MünchKomm/Sem/er §101 AktG Rn. 156, die hervorheben, daß nicht etwa ein Vertragsverhältnis, sondern ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Aufsichtsratsmitglied und Aktiengesellschaft entstehe, schon weil die Aktiengesellschaft kein Organ besitze, das einen derartigen Vertrag schließen könne; a.A. RGZ 123, 351, 354; Baumhach/Hueck § 101 AktG Rn. 7; GK-AktG/Meyer-Landrut § 101 AktG Anm. 6: Vertrag eigener Art; Hüffer §101 AktG Rn.2: Es entsteht ein Schuldverhältnis mit korporationsrechtlichem und schuldrechtlichem Inhalt. 167 Dazu oben § 111 3 a cc. 168 KK-AktG /Mertens § 103 AktG Rn. 32; MünchKomm/Sem/er § 103 AktG Rn. 63; Säkker NJW 1986,803,810. 169 Zutreffend LG Hamburg WM 1989,1934,1935 f.; OLG Hamburg WM 1990, 311, 313 ff.; Semler/Stengel NZG 2003,1, 6. 170 Dazu oben § 19 II 1 b. 171 Semler/StengelNZG 2003,1, 5. 165
166
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treubandverhältnisse
Aufsichtsratsmitglied seine Geheimhaltungspflicht verletzen wird, weil es sie „Freundespflichten" unterordnet. 172 Die Judikatur zur Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern ist spärlich, 173 entsprechende Verfahren finden nur ganz vereinzelt statt. 174 In der Literatur wird zu restriktiver Handhabung der Abberufungsmöglichkeit aufgerufen, um Gegensätze innerhalb des Aufsichtsrats nicht vor Gericht zu tragen. 175 Das erscheint fragwürdig, zumal ja die Antragsbefugnis grundsätzlich nur bei der Aufsichtsratsmehrheit liegt, § 103 Abs. 3 Satz 2 AktG, und durch diese (vielleicht allzu hohe) Hürde bereits ein Mißbrauchsschutz besteht. Auch hier stellt sich allein die Frage, ob eine gedeihliche Ausübung des Mandats möglich ist, oder ob zu befürchten steht, daß das Aufsichtsratsmitglied stetig in für den Treugeber bedrohliche Pflichtenkollisionen geraten wird, so daß eine Anwendung milderer Mittel nicht in Frage kommt. Außerdem wird bei dem Aufruf zu Zurückhaltung nicht beachtet, daß es sich bei Aufsichtsratsmitgliedern um Kollegialtreuhänder 176 handelt, die als Folge ihrer Interessenwahrnehmungspflicht auch die Pflicht zu gegenseitiger Überwachung haben. Einzelne Aufsichtsratsmitglieder stehen deshalb nicht vor der Wahl, die Abberufungsmöglichkeit mehr oder weniger restriktiv zu handhaben. Sie sind verpflichtet darauf hinzuwirken, daß ihr Kollege sich aus der Situation der Befangenheit herausbegibt, indem er den erheblichen Interessenkonflikt auflöst. Besteht diese Möglichkeit nicht oder verweigert das Aufsichtsratsmitglied die mögliche Auflösung des Interessenkonflikts, 177 so haben die Kollegen keine andere Wahl, als die Abberufung zu beantragen, wollen sie sich nicht selbst den Folgen eine Pflichtverletzung aussetzen. Das Bewußtsein, durch die Nichtbeantragung der Abberufung eines Kollegen im Ernstfall selbst schadenersatzpflichtig werden zu können, scheint allerdings unter Aufsichtsratsmitgliedern bislang nicht allzu weit verbreitet zu sein.
b) Entlassung eines Mitglieds des
Gläubigerausschusses
Die entwickelten Maßstäbe gelten auch für die Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses nach § 70 InsO. Unzutreffend ist es deshalb, wenn eine Entlassung nur bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen für zulässig angesehen wird. 178 Auf der anderen Seite darf aber nicht aus dem Umstand, daß der RGZ 165, 68, 82 f.; B G H Z 39,116; G K - A k t G / M e y e r - L a n d r u t § 103 A k t G Rn. 7. Siehe für die Abberufung etwa O L G Zweibrücken DB 1990,1401; LG Frankfurt A G 1987,160. 174 MünchKomm/Sem/er § 103 A k t G Rn. 7. 175 YJL-hktG/Mertens § 103 A k t G Rn. 32. 176 Dazu auch irgendwo §261. 177 Zur Pflicht der Mandatsniederlegung gleich unten § 21. 178 So jedoch Uhlenbrock § 70 InsO Rn. 7; Braun/Kind § 70 InsO Rn. 6; Pape ZInsO 2002, 1017,1019 f; Vallender, FS Kirchhof, S. 510. m
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§ 20. Regeln zur Behandlung
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Gläubigerausschuß keiner anderweitigen Kontrolle untersteht, gefolgert werden, daß „an die Annahme eines wichtigen Grundes nach § 70 Abs. 2 InsO keine übermäßigen Anforderungen zu stellen" 179 seien zumal bei punktuellen Interessenkonflikten auch andere Konfliktlösungsmechanismen zur Verfügung stehen. 1 8 0 Vielmehr können - wie in anderen Fällen auch - erhebliche, dauerhafte Interessenkonflikte, deren Vorliegen etwa durch eine allzu einseitige Parteinahme eine Mitglieds des Gläubigerausschusses 181 nach außen treten kann, zu einer Beendigung des Treuhandverhältnisses führen. Erstaunlich ist, daß die InsO kein Antragsrecht der Mehrheit des Gläubigerausschusses vorsieht, wie dies etwa bei dem Treuhänderkollegium Aufsichtsrat der Fall ist, sind doch die Kollegialtreuhänder zu gegenseitiger Überwachung verpflichtet. 182 Dazu gehört auch, auf die Beendigung eines Interessenkonflikts in der Person eines Kollegiumsmitglieds hinzuwirken. Also kann jedes Mitglied des Gläubigerausschusses die Einleitung eines Verfahrens von Amts wegen anregen.
c) Sonderfall: Entziehung der Verwaltung nach §§ 2129,1052
BGB
Ein erheblicher und dauerhafter Interessenkonflikt, der jedoch nicht nach den erörterten Regeln aufzulösen ist, weil vorrangige besondere Wertungen des Gesetzgebers erkennbar sind, besteht im Bereich der Vor- und Nacherbschaft. Der Vorerbe verwaltet den Nachlaß und kann ihn nutzen, der Substanz nach soll er jedoch einem Nacherben zustehen. Der den Nachlaß insoweit treuhänderisch für den Nacherben verwaltende Vorerbe kann deshalb immer wieder in Kollisionen zwischen Pflichten gegenüber dem Nacherben und gegenüber sich selbst geraten. Trotzdem kann er, auch wenn er gegen die Verbote aus §§2112 ff. B G B verstößt, aus seiner Stellung nicht vertrieben werden, wenn nicht der Erblasser entsprechendes anordnet, vgl. § 2106 Abs. 1 B G B , obschon diese Verbote die Erhaltung der Substanz der Erbschaft zugunsten des Nacherben betreffen. Allerdings gestatten es §§ 2128 Abs. 2,2129 Abs. 1,1052 B G B , dem Vorerben die Verwaltung des Nachlasses zu entziehen, wenn ein Verhalten des Vorerben eine erhebliche Verletzung der Rechte des Nacherben besorgen läßt. Dies wird man nur dann annehmen können, wenn die Besorgnis sich auf Umstände gründet, die wesentlich über die bei Nacherbschaft immer vorhandenen Probleme hinausgehen und deshalb der Anspruch des Nacherben aus §2130 B G B auf Herausgabe der Erbschaft bei Eintritt des Nacherbfalls erheblich gefährdet ist. Das wird in der Regel nur bei einem bereits erfolgten objektiven Verstoß gegen
179 180 181 182
LG Kassel ZInsO 2002, 839. Dazu unten §23 III 2. In diese Richtung auch MünchKomm/Gößmann § 70 InsO Rn. 6. Dazu unten §10 IV.
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
§§2112 ff. B G B anzunehmen sein, 183 auch wenn ein solcher nicht erforderlich ist, 184 weil das Gesetz lediglich von einem „Verhalten" des Vorerben spricht, § 2128 Abs. 1 B G B ; also muß auch das Bevorstehen einer derartigen Pflichtverletzung ausreichen. Der durch die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft gleichsam institutionalisierte Interessenkonflikt ist jedoch vom Nacherben als Treugeber in Form des Treuhandbegünstigten 185 hinzunehmen, auch wenn er dauerhaft und erheblich ist. Der Vorerbe hat grundsätzlich ein eigenes Recht auf die Treuhänderstellung, ist ihm diese Rechtsposition doch vom Erblasser in gesetzmäßiger Weise zugewendet worden. Die erörterten allgemeinen Regeln gelten also immer nur, soweit nicht, wie etwa auch im Eltern-Kind-Verhältnis, ein Interessenkonflikt hinzunehmen ist. Sind die Voraussetzungen der §§ 2128 Abs. 2,2129 Abs. 1,1052 B G B erfüllt, wird ein anderer Verwalter (Treuhänder) als der Vorerbe eingesetzt. Das soll nach gängiger Auffassung 1 8 6 auch der Nacherbe sein können. Auch wenn sich dies aus § 1052 Abs. 2 Satz 2 B G B zu ergeben scheint, der im parallelen Fall im Verhältnis von Eigentümer und Nießbraucher zuläßt, auch den Eigentümer als Verwalter zu bestellen, sollte von einer Einsetzung des Nacherben abgesehen werden, weil hierdurch eine unübersichtliche und konfliktträchtige Interessenverkettung entstünde. Der Nacherbe ist nämlich zunächst Treugeber (Treuhandbegünstigter), dessen Interessen den Nachlaß betreffend vom Vorerben als Treuhänder wahrgenommen werden. Dieser Treuhänder wird nun durch einen anderen Treuhänder - den Nacherben selbst - abgelöst, der nun die Nachlaßnutzung betreffend als Treuhänder des Vorerben fungiert, die Nachlaßsubstanz betreffend als Treuhänder seiner selbst im Rechtssinne, also pflichtgebunden, steht ihm der Nachlaß doch noch nicht zu. Die hieraus entstehenden Interessenkonflikte sollten vermieden werden.
3. Teilbeendigung außerhalb des $ 1666 BGB § 1666 B G B gilt über die Verweisungen in §§ 1837 Abs. 4,1915 Abs. 1 B G B auch für die Teilentlassung von Vormund 187 und Pfleger. Die Gleichstellung von Eltern-Kind-Verhältnis und Vormund-Mündel-Verhältnis durch den Gesetzge183 Vgl. Staudinger/Avenarius §2128 BGB Rn.3; Soergel/Harder/Wegmann §2128 BGB Rn.2; MünchKomm/G?-«nsfc;y §2128 BGB Rn. 1. 184 Staudinger/Avenarius § 2128 BGB Rn. 3; Erman/Schmidt § 2128 BGB Rn. 1. 185 Dazu oben §14. 186 MünchKomm/Gr»»iA:;y §2128 BGB Rn.4; Staudingerl Avenarius §2128 B G B Rn. 15; Soergel/Harder/Wegmann §2128 BGB Rn.5; Lange/Kuchinke, Erbrecht, §28 V 6 b; Kipp/ Coing, Erbrecht, § 49 V 5. 187 Für die Vollentlassung des Vormunds gelten die Spezialvorschriften der §§18 86 ff. BGB, BayObLG FamRZ 1999,1457,1459.
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ber 188 verkennt jedoch, daß diese Personen kein grundrechtlich geschütztes Elternrecht haben, so daß im Rahmen der in § 1666 BGB erforderlichen Abwägung 1 8 9 allein die Interessen des Mündels oder Pfleglings zu beachten sind und deswegen häufiger eine Vollentlassung möglich sein wird. Die Teilbeendigung der Vormundschaft mit nachfolgender Bestellung eines Mitvormunds kommt aber beispielsweise dann in Betracht, wenn mehrere Geschwister einen Vormund haben (was anzustreben ist, § 1775 Satz 2 BGB), und zwischen diesen Geschwistern ein dauernder Interessenkonflikt besteht, weil sie an der gleichen Personengesellschaft beteiligt sind. 190 Uber diese Möglichkeiten der Teilbeendigung hinaus finden sich keine gesetzlichen Regelungen zur Teilbeendigung anderer Treuhandverhältnisse. Gleichwohl ist die Übertragbarkeit dieses Modells zu prüfen, weil auch in anderen, ähnlich umfassenden Treuhandverhältnissen das Bedürfnis des Treugebers bestehen kann, einen Treuhänder beizubehalten und nur in einem bestimmten Teil des von ihm wahrgenommenen Interessenbereichs einen anderen Treuhänder zu bestellen. Dies wäre etwa bei Betreuern, Testamentsvollstreckern, Insolvenzverwaltern oder Organmitgliedern denkbar, die bezüglich des Betreuten, des Nachlasses, der Insolvenzmasse oder der Gesellschaft eine ähnlich umfassende Treuhänderstellung bekleiden wie die Eltern oder der Vormund eines Kindes. Zwingende Voraussetzung ist jedoch, daß das Amt teilbar ist, also die Bestellung von Nebentreuhändern 191 zulässig ist. Deshalb scheidet eine Teilentlassung von Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern aus, weil diese Treuhänderkollegien immer als Mittreuhänderkollegien 192 verfaßt sind. §§ 712 Abs. 1 Satz 1 BGB, 117 Satz 1 HGB regeln, daß auf Antrag der übrigen Gesellschafter einem Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis entzogen werden kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts genügt ein einfacher Widerrufsbeschluß der anderen Gesellschafter, im Recht der Personenhandelsgesellschaften bedarf es einer Gerichtsentscheidung. Als zulässig wird hier die Teilentziehung der Geschäftsführungsbefugnis angesehen, 193 wenn die Unzumutbarkeit der Fortsetzung bereits durch dieses mildere Mittel behoben werden kann und die anderen Gesellschafter dies beantragen. Anerkannt ist auch die Möglichkeit der Teilentlassung eines Betreuers. 194 § 1899 Abs. 1 BGB läßt die Bestellung mehrerer Nebenbetreuer zu, deshalb ist BT-Drucks. 8/2788, S. 70. Dazu oben §20 II 5 d. 190 Staudinger/Engler § 1775 BGB Rn. 10. 191 Dazu oben §10IV und §261. 192 Dazu oben §10 IV 3. 193 BGH NJW 1977, 1013; BGH WM 2002, 342, 343; Staub/Ulmer % 117 HGB Rn.15; MünchKomm/Jickeli § 117 HGB Rn. 19. 194 BayObLG FamRZ 1995,1232,1234; BayObLG FamRZ 1998,512,513; StaudingerlBienwald § 1908b BGB Rn. 4; MünchKomm /Schwab § 1908b BGB Rn. 4. 188 189
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
es auch denkbar, einen Einzelbetreuer teilweise zu entlassen und in dem freigewordenen Interessenbereich einen weiteren Betreuer zu bestellen. Dies ist im Betreuungsrecht, ähnlich wie bei Eltern oder Vormund, deshalb wichtig, weil der Betreute zu dem bisherigen Betreuer persönliche Bindungen aufgebaut haben kann, die durch einen nicht erforderlichen Betreueraustausch ansonsten ohne Notwendigkeit zerstört würden. Auch das Testamentsvollstreckeramt ist teilbar, so daß der Erblasser jedem Testamentsvollstrecker einen bestimmten Wirkungskreis zuweisen kann, innerhalb dessen er als Nebentreuhänder selbständig handelt. Gleichwohl wird die Möglichkeit einer Teilentlassung des Testamentsvollstreckers einhellig abgelehnt. 195 Das erscheint jedoch fragwürdig, weil bei Zulassung der Teilentlassung dem Erblasserwillen besser Rechnung getragen werden kann als bei ihrer Ablehnung. Hat der Erblasser etwa in seinem Testament die Ernennung einer bestimmten Person zum Testamentsvollstrecker angeordnet und tritt in dieser Person ein wichtiger Grund im Sinne des § 2227 BGB ein, der sich lediglich auf einen abgegrenzten Teil der Vollstreckung - etwa einen Gesellschaftsanteil betreffend - bezieht, so müßte der Testamentsvollstrecker dennoch insgesamt entlassen werden mit der Folge, daß die Testamentsvollstreckung damit endet. Bei einer Teilentlassung würde der auf Testamentsvollstreckung gerichtete Erblasserwille nicht weiter als erforderlich beschränkt und könnte außerhalb der Reichweite des wichtigen Grundes weiterhin zur Geltung gebracht werden. Gleiches gilt, wenn der Erblasser eine Ersatzperson benannt hat: Hier ist sein Wille darauf gerichtet, daß vorrangig eine bestimmte Person mit der Vollstrekkung betraut wird und nur bei deren Wegfall die Ersatzperson das Amt übernimmt. Die Zulassung einer Teilentlassung ermöglicht es auch hier, den Wegfall des Testamentsvollstreckers auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. Etwas anderes gilt freilich dann, wenn ersichtlich ist, daß der Erblasser die Testamentsvollstreckung in die Hand einer Einzelperson gelegt wissen wollte. Umfaßte die Konkursverwaltung verschiedene Geschäftszweige, also mehrere Unternehmen oder Niederlassungen, 196 so konnte für jeden Geschäftszweig ein selbständiger Nebenkonkursverwalter bestellt werden, § 79 KO. Im Zuge der Novellierung des Insolvenzrechts durch die InsO zum 1.1.1999 wurde § 79 KO ersatzlos gestrichen und das Amt des Insolvenzverwalters unteilbar gestaltet, weil sich die Aufteilung des Amtes in mehrere Nebenvollstrecker nicht bewährt habe. 197 Infolgedessen erscheint auch die nachträgliche Spaltung des Amtes durch Teilentlassung eines Insolvenzverwalters ausgeschlossen, zumal 195 KG DRiZ 1929, 498; MünchKomm/Zimmermann §2227 BGB Rn. 13; Soergel/Damrau §2227 BGB Rn. 20; Staudinger/Reimann §2227 BGB Rn.29; RGRK/Krcgel§ 2227 BGB Rn. 3; Haegele/Winkler, Testamentsvollstrecker, Rn. 804; Bengel/Reimann, Testamentsvollstrecker, Rn. VII 30. 196 Vgl. nur Kilger/K. Schmidt § 79 KO Anm. 1. 197 Uhlenbruck § 56 InsO Rn. 29.
§ 20. Regeln zur Behandlung
von Pflichtenkollisionen,
Teil 2
477
bei punktuellen Interessenkonflikten die Möglichkeit der Bestellung eines Sonderverwalters nach dem Vorbild eines Ergänzungspflegers besteht. 198 Das erscheint freilich insoweit fragwürdig, als auf diese Weise ein eingearbeiteter und kompetenter Insolvenzverwalter insgesamt entlassen werden müßte, wenn der Interessenkonflikt nicht nur rein punktuellen Charakters ist und deshalb durch die Ernennung eines Sonderverwalters nicht aufgelöst werden kann. Wurde die Möglichkeit der Bestellung mehrerer Insolvenzverwalter nur deshalb nicht vorgesehen, weil sie sich aufgrund der Probleme bei der Abgrenzung der einzelnen Geschäftsbereiche nicht bewährt hat, 1 9 9 so erscheint es dennoch nicht ausgeschlossen, diese Probleme bei einer nachträglichen Spaltung des Amtes in Kauf zu nehmen, wenn die Vorteile durch die teilweise Beibehaltung eines kompetenten Insolvenzverwalters diese Nachteile überwiegen. Deshalb sollte in Ausnahmefällen trotz Streichung des § 79 K O eine nachträgliche Spaltung des Insolvenzverwalteramtes in zwei Nebenvollstrecker zugelassen werden.
IV. Übertragung des Maßstabs auf rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnisse 1.
Vollbeendigung
Bei rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen steht es dem Treugeber frei, ob er angesichts drohender Pflichtenkollisionen, über die der potentielle Treuhänder bereits im vorvertraglichen Stadium benachrichtigen muß, 2 0 0 ein Treuhandverhältnis begründen möchte. Außerdem steht es ihm vielfach frei, das Treuhandverhältnis jederzeit zu beenden, weil §§671, 627, 649 B G B oftmals die Sonderform einer ordentlichen, ausnahmsweise 201 nicht fristgebundenen Kündigung zulassen, bei der es an Fristen als die Kündigungsfreiheit begrenzender Bestandsschutz 202 und als Ausdruck des Schutzes der Dispositionen des anderen Teils 2 0 3 fehlt. In diesen Fällen kann der Treugeber jederzeit auf drohende oder bereits bestehende Pflichtenkollisionen reagieren. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Treugeber außerhalb des Geltungsbereiches von § 627 B G B an die Fristen des § 621 B G B gebunden ist oder zulässig auf sein Beendigungsrecht verzichtet hat. Auch in diesem Fall kann der Treuhandvertrag jedoch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch außerorDazu unten §23 III 2. 199 ßT-Drucks. 12/2443, S. 127; MünchKomm/Grae^er §56 InsO Rn.119; Nerlich/Römermann/Delhaes § 56 InsO Rn. 21; Uhlenbruck § 56 InsO Rn. 29; Smid § 56 InsO Rn. 24. 2 0 0 Dazu oben §10 II 2. 2 0 1 Zum Ausnahmecharakter Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 262. 2 0 2 Vgl. B G H N J W 1991,102,104. 203 Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 257. 198
478
Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
dentliche und fristlose Kündigung beendet werden. Das ergibt sich für entgeltliche Treuhandverträge mit dienstvertraglichem Charakter aus § 626 Abs. 1 BGB, ansonsten aus §314 Abs. 1 BGB. Im rechtsgeschäftlichen Bereich tritt also an die Stelle eines rechtsgestaltenden Gerichtsbeschlusses die vom Treugeber unverzichtbare außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund als rechtsgestaltende Erklärung des Treugebers, die freilich einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt und gegebenenfalls ebenfalls erst durch eine Gerichtsentscheidung endgültig formalisiert wird. Dieser Umstand zeigt sich besonders deutlich beim Schiedsgutachtervertrag. §§315 ff. BGB enthalten kein besonderes Verfahren zur Ersetzung eines befangenen Schiedsgutachters. Eine analoge Anwendung der §§ 1036,1037 ZPO aus dem Schiedsverfahren ist deshalb nicht geboten, weil der befangene Schiedsgutachter durch bloße Kündigung des Schiedsgutachtervertrages 204 aus wichtigem Grund, §314 BGB, seitens der durch die Befangenheit benachteiligten Partei entfernt werden kann. 2 0 5 Ein nach den oben entwickelten Maßstäben erheblicher Interessenkonflikt ist wichtiger Grund im Sinne der §§626 Abs. 1, 314 Abs. 1 BGB, 2 0 6 der in der Regel eine Fortsetzung des Treuhandverhältnisses bis zum vorgesehenen Ende oder der nächsten ordentlichen Beendigungsmöglichkeit unzumutbar macht, was im jeweiligen Einzelfall durch eine Abwägung des Beendigungsinteresses des Treugebers mit dem Fortsetzungsinteresse des Treuhänders zu ermitteln ist. Aus einem Gegenschluß zu § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB, der eine Abmahnung fordert, wenn der wichtige Grund in einer Pflichtverletzung besteht, ergibt sich, daß auch andere Umstände als Pflichtverletzungen einen Kündigungsgrund abgeben können - vor allem Interessenkonflikte. Die Übertragung der Kriterien aus nichtrechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen erscheint deshalb zulässig, weil nach Auffassung des Gesetzgebers 207 die Umstände des jeweiligen Vertragstyps zu berücksichtigen sind, erst recht also die Besonderheiten der jeweiligen Grundform. Es geht deshalb nicht unbedingt um die für die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen immer wieder bemühte unzumutbare Störung des Vertrauensverhältnisses, 208 sondern viel präziser um Befangenheit im oben erörterten Sinne, um die Verhinderung von Pflichtverletzungen, die aufgrund dieser Befangenheit drohen, um die Frage der praktischen Durchführbarkeit des Zu den Vertragsbeziehungen beim Schiedsgutachten oben § 13 II 3. MünchKomm/Gottwald § 317 BGB Rn. 44. 2 0 6 Zu beachten ist, daß die außerordentliche Kündigung nicht nur ein bloßes Präventionsinstrument sein kann wie hier, wenn noch keine erheblichen Pflichtverletzungen passiert sind, sondern daß die außerordentliche Kündigung (erst recht) auch die Reaktion auf bereits erfolgte erhebliche Pflichtverletzungen sein kann, auch wenn sie auch dann nicht nur sanktioniert, sondern auch prospektiven Charakter hat, weil das alles immer die Unzumutbarkeit des Hinwartens bis zur ordentlichen Kündigung im Blick hat. 207 ßT-Drucks. 14/6040, S. 178. 2 0 8 Vgl. etwa BGH N J W 2000,202; BGH NJ W-RR 2001,677; MünchKomm/Gaier § 314 BGB Rn. 12. 204 205
5 20. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen, Teil 2
479
Treuhandverhältnisses, 209 die durch erhebliche Interessenkonflikte in Zweifel gezogen wird. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß der Treugeber, anders als bei nicht rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen, dem Treuhänder auch Machtmittel entziehen 210 und auf diese Weise ein pflichtwidriges Einwirken des Treuhänders auf seinen Interessenkreis verhindern kann. In diesem Fall müßte der Treugeber nämlich bis zum nächstmöglichen ordentlichen Beendigungszeitpunkt den Treugeber weiterhin vergüten, was ihm dann nicht zumutbar ist, wenn ein wichtiger Grund in der Person des Treuhänders die Interessenwahrnehmung unmöglich macht und der Treuhänder sich deshalb nicht mehr auf den durch § 621 B G B oder vereinbarte Beendigungsmodalitäten gewährten Vertrauensschutz berufen kann. 2 1 1
2. Teilbeendigung Ist die Interessenwahrnehmung durch den Treuhänder sehr umfassend und deshalb teilbar, so kann auch bei rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen die Teilbeendigung in Form der Teilkündigung in Betracht gezogen werden. So mag der Treugeber, der keine Beendigungsfreiheit genießt, nur eine außerordentliche Teilkündigung aussprechen dürfen, wenn der wichtige Grund nur einen abgrenzbaren Teil des Treuhandverhältnisses umfaßt. Die Kündigung hat ihren Grund in der Unzumutbarkeit der Fortführung bis zum ordentlichen Beendigungstermin und wenn sich diese Unzumutbarkeit nur auf einen Teil des Treuhandverhältnisses bezieht, dann wäre die Schwelle der außerordentlichen Vollkündigung als ultima ratio nicht erreicht. Für eine solche Möglichkeit sprechen also Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit. Auch bei Bestehen der Beendigungsfreiheit käme eine Teilbeendigung in Betracht, wenn der Treugeber das Treuhandverhältnis nur zum Teil fortführen möchte. Kann der Treugeber das Treuhandverhältnis, weil Beendigungsfreiheit vorliegt, ohnehin insgesamt beenden, dann muß ihm erst Recht die Möglichkeit der Teilbeendigung zustehen. Hinzukommt, daß das Gesetz eine derartige Möglichkeit für einige Dauerschuldverhältnisse mit Austauschcharakter vorsieht, etwa die Teilkündigung eines Gelddarlehens, § 4 8 9 Abs. 1 B G B , oder eines Mietvertrages, § 573b Abs. 1 B G B . Auch die Kündigung der Kontokorrentabrede, § 355 Abs. 3 H G B , innerhalb einer laufenden Geschäftsbeziehung stellt 209
Vgl. B G H Z 4 1 , 1 0 4 , 1 0 8 .
D a z u oben § 9 IV. 211 Freilich kann der Treugeber dem Treuhänder auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes Machtmittel entziehen, vgl. oben § 9, ist jedoch dann an seine Verpflichtungen aus dem Grundverhältnis weiterhin gebunden. Lediglich ausnahmsweise, vgl. § 84 Abs. 3 A k t G für den Vorstand, ist auch eine Entziehung der Machtmittel nur bei wichtigem G r u n d m ö g lich. 210
480
Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
eine Teilkündigung dar. Außerdem geht § 323 Abs. 1 und 5 BGB in bestimmten Fällen auch von einem Teilrücktritt als einseitigem Gestaltungsrecht aus und gibt also dem Gläubiger das Wahlrecht, ob er eine Teilleistung behalten oder zurückgeben will. Über diese Regelungen hinaus wird die Möglichkeit einer Teilkündigung jedoch vielfach abgelehnt, 212 weil der Kündigende zwar über die Ausübung, nicht aber über die Reichweite seines Gestaltungsrechts disponieren könne. Das ergebe sich aus Gründen der Rechtssicherheit für den anderen Teil und der fehlenden Befugnis des Kündigenden zur einseitigen Vertragsänderung. 213 In der Tat handelt es sich bei der Teilkündigung nicht um ein minus, 214 sondern ein aliud zur Vollkündigung: 215 Der Teilkündigende zwingt dem anderen Teil einen Vertrag auf, den dieser so nie abschließen wollte. Also wird man bei einer Teilkündigung unter Geltung der Beendigungsfreiheit dem Kündigungsgegner ein Wahlrecht einräumen müssen, die Teilkündigung zu akzeptieren oder das Treuhandverhältnis seinerseits vollständig zu beenden. 216 Im Bereich der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund erscheint dieses Argument jedoch deshalb fragwürdig, weil auch § 313 BGB eine einseitige Veränderung des Vertrages auf Initiative einer Partei zuläßt, wenn ein entsprechender Grund, nämlich eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage, gegeben ist. 217 Allerdings ist zu beachten, daß gemäß § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB die Anpassung des Vertrags an die schwerwiegend veränderten Umstände nur dann möglich ist, wenn dies auch dem anderen Teil zumutbar ist. Ansonsten besteht nur das Recht zur Vollbeendigung in Form des Rücktritts. Die Regelung ist - wie die Einräumung des Rücktrittsrechts zeigt - auf punktuelle Schuldverhältnisse zugeschnitten, zeigt aber trotzdem, daß eine einseitige Veränderung des Vertrags aus wichtigem Grund immer nur mit Blick auf die Interessen des anderen Teils zulässig sein kann. Das gilt auch für die außerordentliche Teilkündigung im Treuhandrecht, wo deshalb das Vorliegen eines wichtigen Grundes an die Stelle der schwerwiegenden Veränderung der Geschäftsgrundlage tritt, und nach dem Vorbild des § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB um die Zumutbarkeitsprüfung zu ergänzen ist. Diese Prüfung übrigens schreibt § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB für beide Teile vor. Dem Treugeber kann also (mangels Beendigungsfreiheit) die Teilkündigung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur bei Zumutbarkeit aufgegeben werden, genauso wie die Teilkündigung immer nur dann möglich ist, wenn sie auch dem Treuhänder zumutbar ist. BGH NJW 1993,1320,1322; Staudinger/Emmerich § 543 BGB Rn. 5. Molitor JherJB 85,283,288. 214 So jedoch OLG Bamberg NJW 1958,1830; dagegen SchnitzlerMDK 1959,170; Thiede NJW 1959,1444. 215 HerschelBB 1958,160. 216 So für den Bereich des Arbeitsrechts Joachim Rd A 1957, 326, 329. 2,7 Kießling/Becker WM 2002, 578, 581. 212 213
§20.
3.
Regeln zur Behandlung
von Pflichtenkollisionen,
Teil 2
481
Abmahnung
Auch wenn § 314 Abs. 2 Satz 1 B G B eine Abmahnung nur dann fordert, wenn der wichtige Grund in einer Pflichtverletzung 218 besteht, ist auch beim Vorliegen erheblicher Interessenkonflikte zu überlegen, ob eine Abmahnung erforderlich ist. Das Erfordernis der Abmahnung ist - wie gerade auch für § 626 B G B anerkannt ist 2 1 9 - Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Der Gesetzgeber nennt die Pflichtverletzung in § 314 Abs. 2 Satz 1 B G B deshalb, weil eine Abmahnung nur dann sinnvoll ist, wenn sie steuerbares Verhalten des Vertragspartners betrifft, exemplarisch also die Pflichterfüllung. Derartiges erscheint beim Vorliegen von Interessenkonflikten nicht ausgeschlossen. Der Treugeber mag, soweit dies im konkreten Fall zumutbar und möglich ist, den Treuhänder auffordern, innerhalb einer gewissen kurzen Frist einen Interessenkonflikt zu beseitigen. Erst wenn der Treuhänder dieser Aufforderung nicht nachkommt, kann das Treuhandverhältnis beendet werden. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn bereits innerhalb der genannten kurzen Frist erhebliche Gefahren für den Treugeber bestehen, so daß sofortiges Handeln angezeigt erscheint, §§ 314 Abs. 2 Satz 2,323 Abs. 2 Nr. 3 B G B .
V. Zusammenfassung Jegliches Treuhandverhältnis kann unabhängig vom Vorliegen treugeberischer Beendigungsfreiheit bei Besorgnis der Befangenheit des Treuhänders außerordentlich beendet werden. Unter Befangenheit ist ein Interessenkonflikt zu verstehen, der erheblich und dauerhaft ist und deshalb wiederholt Pflichtenkollisionen zu erzeugen vermag, deren pflichtwidrige Auflösung durch den Treuhänder nach objektiven Maßstäben zu befürchten ist. In rechtsgeschäft2 1 8 Eine Pflichtverletzung kann sich in diesem Zusammenhang daraus ergeben, daß der Treuhänder seine Pflicht zur Benachrichtigung über einen Interessenkonflikt verletzt und so dem Treugeber die Möglichkeit zur Entscheidung nimmt. Hier wäre grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich, allerdings wird durch eine derartige Pflichtverletzung in der Regel ein irreparabler Schaden in der Vertrauensbasis verursacht werden, so daß auch ohne Abmahnung gekündigt werden kann, §§314 Abs. 2 Satz 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 B G B , dazu allgemein MünchKomm/Gaier §314 B G B Rn. 15. Auch in § 103 Abs. 3 AktG stellt ein Verschweigen einer Tätigkeit vor allem in der Geschäftsführung oder als Aufsichtsratsmitglied bei einem konkurrierenden Unternehmen einen wichtigen Grund dar, MünchKomm/Sem/er § 103 A k t G Rn. 71; Kühler, FS Claussen, S.248 f. Eingehend zur Kündigung wegen Pflichtverletzungen unten § 29 II. 2 1 9 Vgl. nur BAG N J W 1994 3032; Palandt/Putzo § 6 2 6 B G B Rn. 17f; Staudinger/Preis § 626 B G B Rn. 104 ff.; daran ändert auch die Schuldrechtsmodernisierung nichts, die in § 314 B G B nun die Abmahnung vorgesehen, § 626 B G B jedoch unverändert gelassen hat, weil § 314 B G B gerade als Bestätigung der gängigen Auffassung zu § 626 B G B anzusehen ist, Gotthardt, Arbeitsrecht, Rn. 204 ff.
482
Teil 4: Interessenkonflikte als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
liehen Treuhandverhältnissen wird Befangenheit bei der Abwägung von Beendigungs- und Fortsetzungsinteresse bei der außerordentlichen Kündigung regelmäßig einen wichtigen Grund im Sinne der §§ 314,626 B G B darstellen. Nur ausnahmsweise kann dem Treugeber das Bestehen eines solchen Interessenkonflikts zugemutet werden, weil er als Kompensation andere Vorteile erhält oder er lediglich eine Stellung als Treuhandbegünstigter hat, die ihm unter Schaffung dieses Interessenkonflikts vom Treuhandbegründer zugewendet wurde. Die Befangenheit ist im Gegensatz zur Inhabilität nicht nach formal, sondern nach materiell anknüpfenden Kriterien zu ermitteln. Diese bedürfen aus Gründen der Rechtssicherheit einer Formalisierung durch Gestaltungsakt, also in nichtrechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen in der Regel einer Gerichtsentscheidung durch ein staatliches Gericht als Überwachungstreuhänder, in rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen einer rechtsgestaltenden Kündigungserklärung durch den Treugeber, die freilich gerichtlicher Uberprüfung unterliegt. Soweit das Treuhandverhältnis teilbar ist und sich die Befangenheit nur auf einen abtrennbaren Teil bezieht, darf das Treuhandverhältnis — Zumutbarkeit für beide Teile vorausgesetzt - nur teilweise beendet werden.
VI. Exkurs: Die Suspendierung des Treuhänders 1. Allgemeines Ein erheblicher und dauerhafter Interessenkonflikt liefert in der Regel einen wichtigen Grund zur Beendigung jedes Treuhandverhältnisses. Es kann jedoch die Situation eintreten, daß der Treugeber oder ein Überwachungstreuhänder einstweilen nur den begründeten Verdacht hat, daß ein wichtiger Grund, etwa eine bestimmte Interessenverstrickung des Treuhänders, vorliege, und er diesen Verdacht nicht ohne umfangreichere Nachforschungen erhärten oder zerstreuen kann. Soweit Beendigungsfreiheit vorliegt, mag der Treugeber den Treuhänder in einem solchen Fall suspendieren, dem Treuhänder wird also bis zur Klärung des Sachlage die Interessenwahrnehmung entzogen, er behält jedoch seinen Vergütungsanspruch. Ist der Treugeber nämlich zur Beendigung des Treuhandverhältnisses berechtigt, so kann er erst recht eine derartige Freistellung des Treuhänders veranlassen. Bedarf der Treugeber jedoch eines wichtigen Grundes zur Beendigung eines Treuhandverhältnisses, so kann er den Treuhänder auch nicht ohne weiteres freistellen. Dieses Problem stellt sich einmal in nicht rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen, in denen ein Überwachungstreuhänder nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Beendigung berechtigt ist - ein Beispiel wäre der Insolvenzverwalter, § 59 InsO. Zum anderen mag ein Treugeber in einem rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnis nicht zur grund- und fristlosen Kündigung
§ 20. Regeln zur Behandlung
von Pflichtenkollisionen,
Teil 2
483
berechtigt sein, weil das Gesetz ein solches Kündigungsrecht nicht einräumt oder er sich seines Kündigungsrechts durch vertragliche Vereinbarung begeben hat. Im folgenden ist zu erörtern, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Treugeber die Möglichkeit der Suspendierung des Treuhänders zusteht.
2. Vertragliche
Treuhandverhältnisse
a) Suspendierung im Dienstvertragsrecht Erörterungen zur Suspendierung finden sich insbesondere im Bereich des Arbeitsrechts. Voraussetzung für eine zulässige Suspendierung ist, daß der zwar begründete, aber noch ungeklärte Verdacht eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 B G B vorliegt. 220 Analog zu den Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes wird zutreffend ausgeführt, Voraussetzung für die Suspendierung sei, daß einstweilen, also bis zur Klärung des Verdachts, die Weiterbeschäftigung nicht zumutbar ist. 2 2 1 Die Suspendierung unterscheidet sich von der Kündigung dadurch, daß das Arbeitsverhältnis als solches bestehen bleibt. 2 2 2 Nach Entkräftung des Verdachts leben die suspendierten Rechte und Pflichten der Parteien wieder auf, sollte sich der Verdacht bestätigen, so kann das Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt werden. Diese Hürde der Unzumutbarkeit der vorübergehenden Weiterbeschäftigung ist angesichts der nur vorübergehenden und geringeren Wirkung der Suspendierung im Vergleich zur Kündigung und des Bestehenbleibens des Gegenleistungsanspruchs 223 niedriger als die Hürde des wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 B G B . Auch im allgemeinen Dienstvertragsrecht ist das Recht des Dienstherrn zur Suspendierung des Dienstverhältnisses bei Unzumutbarkeit der vorübergehenden Weiterbeschäftigung anerkannt. 224 Als Erleichterung kommt hinzu, daß das große Gegengewicht der arbeitsrechtlichen Beschäftigungspflicht, 225 die bei der Ermittlung der Unzumutbarkeit im Arbeitsrecht zu berücksichtigen ist, entfällt. Treuhandverträge sind in der Regel Geschäftsbesorgungsverträge mit dienstvertraglichem Charakter, so daß die Regeln über die Beendigung von Dienstverhältnissen anwendbar sind, wenngleich bei der Ermittlung des wichtiStaudinger/Preis §626 BGB Rn. 15. Erman/Hanau §611 BGB Rn.318; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht I, §46 VI; MHArbK/Blomeyer §49 Rn. 34; Schauh, Arbeitsrechtshandbuch, § 110 III. 222 Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht I, § 46 VI; Henssler/Willemsen/Kalh/Sandmann § 626 BGB Rn. 44. 2 2 3 MHArbR/Blomeyer § 49 Rn. 37; Zöllner!Loritz, Arbeitsrecht, § 12 VI 2; Preis, Individualarbeitsrecht, §31 II. 2 2 4 Vgl. nur Staudinger/Preis § 626 BGB Rn. 15. 2 2 5 LAG Köln MDR 2001,1176: Ausnahmsweise als milderes Mittel zur Kündigung nach § 626 BGB; Preis, Individualarbeitsrecht, § 31 II. 220 221
484
Teil 4: Interessenkonflikte als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
gen Grundes im Sinne des § 626 B G B grundformspezifische Besonderheiten zu beachten sind. 226 Gleiches muß also grundsätzlich auch für die durch die Lehre entwickelte Ergänzung des Kündigungsrechts, das Recht zur Suspendierung des Dienstverhältnisses, gelten. Nach zutreffender Auffassung können also Treuhandverträge suspendiert werden, indem dem Treuhänder bis zur Klärung des Verdachts einer Interessenverstrickung, deren Vorliegen einen wichtigen Grund zur Kündigung liefern würde, von der Interessenwahrnehmung unter Fortzahlung seiner Vergütung freigestellt wird. b) Duplizität der Suspendierung
von Treuhandvertrag
und
Machtmittel
Treuhandverhältnisse zeichnen sich jedoch dadurch aus, daß der Treuhänder bestimmte Machtmittel hält, die ihm das Eingreifen in die treugeberische Interessensphäre, zu dem er aufgrund des Treuhandvertrags berechtigt und verpflichtet ist, erst ermöglichen. Eine vollständige Suspendierung erfordert also neben dem zeitweiligen Außerkraftsetzen des Treuhandvertrags auch ein zeitweiliges Außerkraftsetzen der treuhänderischen Macht. Zwar darf der Treuhänder die Machtmittel nicht gebrauchen, solange das Treuhandverhältnis suspendiert ist, gleichwohl ist er dazu aber in der Lage und mag, etwa weil er sich möglicherweise eigenen Interessen oder Drittinteressen stärker verpflichtet fühlt als den Treugeberinteressen, weswegen er gerade suspendiert wurde, Machtmittel mißbrauchen. Es müssen also Dürfen und Können gleichermaßen suspendiert werden, um Gefahren für die Interessen des Treugebers vorzubeugen. Deshalb werden Legitimationen des Treuhänders für den Zeitraum der Suspendierung des Treuhandvertrags ebenfalls suspendiert sein. Das ergibt sich bereits aus dem Rechtsgedanken des § 168 Satz 1 B G B , der das Erlöschen der Vollmacht an das Erlöschen des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses anknüpft. Darüber hinaus wird in der Erklärung des Treugebers, er suspendiere den Treuhänder, auch ein konkludenter Entzug der Legitimation zu sehen sein. Gefahren für den Treugeber bestehen allerdings trotzdem, soweit sich Dritte auf den Rechtsschein des Fortbestehens der Legitimation berufen können, den der Treugeber deshalb zerstören muß. Rechtspositionen als Machtmittel hingegen können nicht einfach suspendiert werden. Solange der Treuhänder sie hält, kann seine Verfügungsbefugnis nicht mit Außenwirkung auf null gestellt werden. Der Treugeber muß also vom Treuhänder Übertragung der Rechtspositionen verlangen, was die Suspendierung in derartigen Fällen erheblich verkompliziert.
226
Dazu oben §20 IV 1.
§ 20. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen, Teil 2
c) Suspendierung
der Bestellung eines
485
Vorstandsmitglieds
Zur Entziehung von Machtmitteln ist der Treugeber, den in der Regel nur eine Obliegenheit zur Einräumung von Machtmitteln trifft, 227 jederzeit in der Lage, es sei denn, der Treuhänder hätte ausnahmsweise einen Anspruch auf das Halten der Machtmittel für die Dauer des Treuhandverhältnisses; in diesen Fällen darf ihn der Treugeber nicht unter Fortzahlung seiner Vergütung einfach kaltstellen. Einen derartigen Anspruch hat etwa das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft. Seine Bestellung, also die Einräumung umfassender Machtmittel, 228 kann innerhalb der maximal fünf Jahre, die das Vorstandsamt dauert, § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG, nicht widerrufen werden, weil der Vorstand vom Aufsichtsrat unabhängig handeln können soll. 229 Etwas anderes gilt lediglich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG. Im Rahmen des § 84 Abs. 3 AktG ist umstritten, ob eine Suspendierung zulässig ist. Gegen die Stimmen, die diese Frage bejahen, 230 wird eingewendet, das Gesetz sehe derartiges nicht vor. Eine Suspendierung sei nur in der Form der endgültigen Abberufung aus wichtigem Grund möglich, alle anderen Maßnahmen würden von § 84 Abs. 3 AktG nicht gedeckt.231 Andernfalls untergrabe man unter Umgehung der strengen Voraussetzungen des § 84 Abs. 3 AktG die Unabhängigkeit des Vorstands.232 Die Gegenauffassung hält es für möglich, die Bestellung zu suspendieren. Der Treuhänder bleibt hiernach also Vorstandsmitglied, darf seine Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse aber zeitweise nicht ausüben. Es besteht allerdings Uneinigkeit, ob es sich um einen zeitlich begrenzten Widerruf oder eine zeitweilige Abberufung handelt, die nur unter den Voraussetzungen des § 84 Abs. 3 AktG möglich ist, 233 oder ob ein schwerwiegender Verdacht, daß diese Voraussetzungen vorliegen, ausreicht. 234 Plausibel ist nur der letztere Vorschlag, denn nur er erfüllt den Zweck, zum Schutze der Aktiengesellschaft einen Treuhänder schnell suspendieren zu können, 235 wenn schwerwiegende, schwierig zu klärende, möglicherweise aber unzutreffende Vorwürfe bestehen. Meyer-Landrut2^ beruft sich zugunsten dieser Lösung darauf, daß eine Suspendierung im Dienstvertragsrecht allgemein anerkannt sei und dieses Dazu oben § 1114 a. Dazu oben § 111 3 a cc. 229 MünchKomm/Hefermehl/Spindler § 84 AktG Rn. 92. 2 3 0 KG AG 1984, 24, 25; O L G München AG 1986, 234, 235; Handbuch des Vorstandsrechts/Thüsing § 5 Rn. 46; GK-AktG/Meyer-Landrut § 84 AktG Rn. 28; KK-AktG/Afertercs § 84 AktG Rn. 152; Meyer-Landrut, FS Fischer, S. 477 ff. 231 Hüffer §84 AktG Rn. 35. 232 UünchYLomm/Hefermehl/Spindler § 84 AktG Rn. 121. 233 Vgl. etwa KG AG 1984,24,25; O L G München AG 1986,234,235. 2 3 4 Vgl. etwa KK-AktG/Mertens § 84 AktG Rn. 152; Meyer-Landrut, FS Fischer, S. 477 ff. 235 Hüffer §84 AktG Rn. 35. 236 Meyer-Landrut, FS Fischer, S. 482. 227
228
486
Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
dienstrechtliche Prinzip auch im Verhältnis Aktiengesellschaft - Vorstandsmitglied angewendet werden müsse. Nach der hier vertretenen Auffassung z u m Verhältnis von Anstellungsvertrag und Bestellung, 2 3 7 wonach die Bestellung lediglich die Einräumung von Machtmitteln kennzeichnet, während sich Recht und Pflicht zur Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen aus dem A n stellungsvertrag, einem Treuhandvertrag, ergeben, kann dieser Vergleich lediglich die erforderliche Suspendierung des Anstellungsvertrags, nicht aber der Bestellung, tragen. Trotzdem ist die Möglichkeit auch der Suspendierung der Bestellung unbedingt erforderlich, weil die bloße Suspendierung des Treuhandvertrags ein Vorstandsmitglied erzeugt, das zwar nichts mehr darf, aber noch immer alles kann, und deshalb die Suspendierung allein des Treuhandvertrags die aus dem schwerwiegenden Verdacht einer erheblichen Interessenverstrickung des Vorstandsmitglieds für die Aktiengesellschaft entstehende Gefahr nicht beseitigt. Die drohende Gefahr einer Untergrabung der Unabhängigkeit des Vorstands w i r d man bei der A b w ä g u n g aller Belange, aus der sich die Unzumutbarkeit des vorübergehenden Fortbestands der Bestellung für die Aktiengesellschaft ergeben muß, zu berücksichtigen haben.
3. Gesetzliche
Treuhandverhältnisse
a) Allgemeines In einigen nicht rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen wird ebenfalls die Möglichkeit einer Suspendierung erwogen. Hier bestehen nicht die soeben für rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnisse geschilderten Probleme, die durch die erforderliche Duplizität der Suspendierung von Treuhandvertrag und Machtmittel entstehen. Vielmehr werden Treuhandverhältnis und Machtmittel etwa eines Insolvenzverwalters oder Testamentsvollstreckers, die nur über Legitimationen verfügen, uno acto begründet und beendet, so daß eine Suspendierung immer Treuhandverhältnis und Machtmittel gleichermaßen umfaßt. Aus der Eigenart einiger im folgenden zu behandelnden Treuhandverhältnisse ergibt sich jedoch, daß eine Suspendierung nicht ohne weiteres möglich ist.
b)
Zivilrichter
Ein Zivilrichter als Amtsträger des Treuhänders Staat kann nicht ohne weiteres suspendiert und zeitweise durch einen anderen Richter ersetzt werden, der das Verfahren weiterführt, denn er ist bis zur rechtskräftigen Feststellung seiner Befangenheit gesetzlicher Richter, und darf deswegen den Parteien nicht entzogen werden, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. 237
Dazu oben § 11 13 a cc.
§20. Regeln
zur Behandlung
von Pflichtenkollisionen,
Teil 2
487
Allerdings hat der Zivilrichter während des schwebenden Ablehnungsverfahrens „nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten", § 4 7 ZPO, und unterliegt damit also grundsätzlich einem vorläufigen Tätigkeitsverbot. 238 Das Verfahren schwebt zwischen Anbringung im Sinne des § 44 Abs. 1 Z P O und Erledigung des Ablehnungsgesuchs, 2 3 9 bei Zurückweisung des Gesuchs also Rechtskraft der Entscheidung. 240 Keinen Aufschub gestattet eine Handlung dann, wenn durch ihr Unterlassen wesentliche Nachteile für den Gegner der ablehnenden Partei drohen, 241 was insbesondere für den Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes gilt. Nimmt der Richter eine Handlung vor, die dem Tätigkeitsverbot unterfällt, und wird später seine Befangenheit festgestellt, so kann sich hieraus ein Verfahrensfehler ergeben, der im Rechtsmittelzug geltendgemacht werden kann. 2 4 2 c) Testamentsvollstrecker Eine Suspendierung des Testamentsvollstreckers ist gesetzlich nicht vorgesehen. Allerdings könnte ein derartiger Eingriff in die Amtsführung des Testamentsvollstreckers durch einstweilige (vorläufige 243 ) Anordnung des Nachlaßgerichts erfolgen. Als Hauptsacheverfahren, das Grenzen und Zulässigkeit der einstweiligen Anordnung bestimmt, kommt das Entlassungsverfahren nach §2227 BGB in Betracht. Allerdings wird die Möglichkeit einer Suspendierung nach wohl unbestrittener Auffassung abgelehnt. Der Erbe könne lediglich einem konkret drohenden Amtsmißbrauch durch einstweilige Verfügung, §§ 935 ff. ZPO, vor dem Prozeßgericht begegnen. 244 Hauptsacheverfahren ist hier dann allerdings nicht das Entlassungsverfahren, sondern die Klage des Erben auf ordnungsgemäße Amtsführung des Testamentsvollstreckers, die der Testamentsvollstrecker nach § 2216 Abs. 1 BGB schuldet. Gegen die Möglichkeit einer Suspendierung des Testamentsvollstreckers w i r d vorgetragen, es fehle an einer entsprechenden Rechtsgrundlage für das Handeln des Nachlaßgerichts, wie sie etwa in § 24 Abs. 3 FGG besteht. 245 In der Tat ist eine solche Rechtsgrundlage erforderlich, denn Grundregel des MünchKomm/fei&er § 47 ZPO Rn. 1. Wieczorek/Niemann § 47 ZPO Rn. 2. 240 OLG Karlruhe NJW-RR 1997, 1350; BayObLG FamRZ 1988, 743, 744; BayVGH NJW-RR 2001,352,353; Zöller/Vollkommer § 47 ZPO Rn. 1; Wieczorek/Niemann § 47 ZPO Rn. 2; a. A. MünchKomm/ftzfeer § 47 ZPO Rn. 4: Nur bis zur erstmaligen Entscheidung über das Ablehnungsgesuch. 241 Wieczorek/Niemann § 47 ZPO Rn. 3. 242 Stein/Jonas/Bork § 47 ZPO Rn. 4 f; MünchKomm/fe'ier § 47 ZPO Rn. 5; dazu eingehend oben § 20 II 2 b. 243 Zur Terminologie Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl § 19 FGG Rn. 30 Fn. 192. 244 OLG Köln NJW-RR 1987, 71; Bamberger/Roth/Mayer §2227 BGB Rn. 18; MünchKomm/Zimmermann §2227 BGB Rn. 14. 245 Bamberger/Roth/Mayer § 2227 BGB Rn. 18. 238 239
488
Teil 4: Interessenkonflikte als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
Testamentsvollstreckerrechts ist die Kontrollfreiheit des Testamentsvollstrekkers. 246 Eingriffe in die Amtsführung des Testamentsvollstreckers bedürfen deshalb einer ausdrücklichen Anordnung. Die Suspendierung im Wege der einstweiligen Anordnung stellt jedoch keine eigenständige Form des Eingriffs in die Amtsführung des Testamentsvollstreckers seitens des Überwachungstreuhänders dar, sondern lediglich einen Annex zur Eingriffskompetenz aus § 2227 B G B . Es ist unzutreffend, wenn dem Gericht diese Kompetenz mit der Begründung abgesprochen wird, daß § 2227 B G B nur eine endgültige Entlassung vorsehe, 247 weil die Suspendierung keine zeitweise Amtsenthebung als aliud zu einer endgültigen Amtsenthebung, sondern vorbereitende Maßnahme einer mit hoher Wahrscheinlichkeit erforderlichen endgültigen Amtsenthebung darstellt. Auf verfahrensrechtlicher Ebene fehlt es zwar an einer ausdrücklichen Regelung zu einer einstweiligen Anordnung in diesem Fall, es ist jedoch anerkannt, daß über die gesetzlichen Regelungen hinaus in sämtlichen FGG-Verfahren eine einstweilige Anordnung als Teil des Hauptsacheverfahrens möglich ist, wenn nach glaubhaften Tatsachen ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten besteht und eine Endentscheidung in dieser Richtung wahrscheinlich ist. 248 Allerdings spricht gegen die Möglichkeit einer Suspendierung des Testamentsvollstreckers, daß eine Suspendierung oder Untersagung der Amtsgeschäfte 249 deshalb ausgeschlossen ist, weil ansonsten in der Schwebezeit nicht für den Nachlaß gesorgt würde. 250 In der Tat wäre zumindest bei Suspendierung eines Einzeltestamentsvollstreckers die Bestellung eines Ersatztestamentsvollstreckers nicht möglich. Sogar wenn das Gericht nach § 2200 Abs. 1 B G B einen Nachfolger ernennen dürfte, ist von dieser Befugnis nicht die Ernennung eines zeitweisen Ersatzvollstreckers gedeckt. 251 Die Verwaltungsbefugnis fiele jedoch mangels Testamentsvollstrecker auch nicht an die Erben, denn es ist bei Suspendierung eines Testamentsvollstreckers nach wie vor die Testamentsvollstreckung als solche angeordnet. Es ist also Aufgabe des Erblassers, entsprechend vorzusorgen und einen Ersatzvollstrecker zu benennen, den das Gericht auch zeitweise einsetzen darf. Muscheler AcP 197,226, 257. OLG Köln NJW-RR 1987, 71; Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl § 19 FGG Rn. 32. 248 Vgl. nur KG FamRZ 1971, 267; BayObLG RPfleger 1999, 126; Bassenge/Herbst/Roth § 24 FGG Rn. 13-Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl § 19 FGG Rn. 30; Bumiller/Winkler § 24 FGG Rn. 13; Göppinger AcP 169, 513 ff. 249 BayObLG FamRZ 1987,101,104; OLG Köln NJW-RR 1987,71; StaudingerlReimann vor §§2197 BGB Rn.30; BambergerlRothlMayer §2227 BGB Rn. 18; MünchKomm/ZiVrcmermann §2227 BGB Rn. 14; Erman/Schmidt §2227 BGB Rn. 12; Reimann FamRZ 1995, 588, 590; Muscheler AcP 197,226,256 ff. 250 OLG Köln N J W - R R 1987, 71; Staudingerl Reimann vor §§2197 ff. BGB Rn. 30; SoergellDamrau §2227 BGB Rn. 19. 251 MünchKommlZimmermann §2227 BGB Rn. 14. 246
247
§20.
Regeln zur Behandlung
von Pflichtenkollisionen,
Teil 2
489
d) Vormund Soweit sich überhaupt Ausführungen zur Suspendierung des Vormunds finden, wird vorgetragen, eine Suspendierung sei ausgeschlossen, weil derartiges dem B G B unbekannt sei. 252 Es könnten lediglich bestimmte Handlungen des Vormunds, die das Mündelinteresse gefährden, verboten werden, § 1837 B G B . Eine andere Möglichkeit vorläufigen Handelns bestehe nicht. Analog zu den Erörterungen zur Suspendierung des Testamentsvollstreckers wäre jedoch denkbar, auch im Entlassungsverfahren nach § 1886 B G B im Wege der einstweiligen Anordnung eine Beschränkung der Interessenwahrnehmung durch den Vormund auf unaufschiebbare Maßnahmen anzuordnen. Diese Lösung würde jedoch dem Umstand nicht gerecht, daß der Vormund als Elternersatz umfassend auch nichtwirtschaftliche Interessen des Mündels wahrnimmt. Allerdings ermöglicht § 1666 B G B über die Verweisung in § 1837 Abs. 4 B G B auch die Teilentlassung eines Vormunds. 2 5 3 Diese Gleichstellung von Eltern-Kind-Verhältnis und Vormund-Mündel-Verhältnis durch den Gesetzgeber 2 5 4 verkennt jedoch, daß ein Vormund nicht Träger des grundrechtlich geschützten Elternrechts ist, so daß allein die Interessen des Mündels zu beachten sind und in der Regel eine Vollentlassung nach § 1886 B G B zutreffend sein wird. Die Bestellung mehrerer Vormünder ist nur bei besonderem Grund möglich, § 1775 B G B . Vor allem bei einem umfangreichen Vermögen 2 5 5 kann ein Vormund mit der Personensorge, ein anderer mit der Vermögenssorge befaßt sein. In einem solchen Fall kann jedoch der vermögensverwaltende Vormund im Wege der einstweiligen Anordnung im Hauptsacheverfahren des § 1886 B G B suspendiert werden, weil in diesem Fall die persönlichen Bindungen und der Alltag des Mündels nicht betroffen sind. Anders als im Recht des Testamentsvollstreckers läßt sich dieser Lösung jedenfalls nicht entgegenhalten, daß es an einer geeigneten Rechtsgrundlage fehle, weil der Vormund unter gerichtlicher Aufsicht steht, § 1837 Abs. 2 Satz 2 B G B , so daß es keiner besonderen Rechtsgrundlage bedarf. Anstelle des Vormunds kann bis zur endgültigen Entscheidung über seine Entlassung ein Ergänzungspfleger, § 1909 Abs. 1 B G B , bestellt werden.
Soergel/Zimmermann § 1886 BGB Rn. 9; Staudinger/Engler § 1886 BGB Rn. 31. Für die Vollentlassung des Vormunds gelten die Spezialvorschriften der §§18 86 ff. BGB, BayObLG FamRZ 1999,1457,1459. 254 BT-Drucks. 8/2788, S. 70. 255 Soergel/limmermann § 1775 BGB Rn. 3; MünchKomm/WageHitz § 1775 BGB Rn. 6. 252
253
490
Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treubandverhältnisse
e. Insolvenzverwalter Die vorläufige Amtsenthebung des Insolvenzverwalters wird zum Teil aufgrund hochrangigen Schutzinteresses für die Masse oder die Gläubiger bei Gefahr im Verzug wird befürwortet. 2 5 6 Die Gegenauffassung führt an, eine derartige Suspendierung sei unter Geltung der K O möglich gewesen, nicht mehr jedoch unter Geltung der InsO, weil nun eine Entlassung des Insolvenzverwalters von Amts wegen jederzeit und nicht nur bis zur ersten Gläubigerversammlung möglich ist. 2 5 7 Der Umstand, daß nunmehr jederzeit eine Entlassung des Insolvenzverwalters von Amts wegen und nicht nur auf Antrag eines Beteiligten möglich ist, macht jedoch die Möglichkeit einer Suspendierung nicht entbehrlich, denn die Ermittlungen zur Feststellung der Entlassungsvoraussetzungen können auch im Amtsverfahren aufwendig sein, weshalb ein zügiges Handeln erforderlich sein kann. Anstelle des Insolvenzverwalters kann bis zur endgültigen Entscheidung ein Sonderverwalter 2 5 8 bestellt werden, der nach Möglichkeit so auszuwählen ist, daß er gegebenenfalls auch endgültig an die Stelle des Insolvenzverwalters treten kann.
4.
Zusammenfassung
In rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen kann der Treugeber den Treuhänder, soweit Beendigungsfreiheit besteht, jederzeit von der Interessenwahrnehmung suspendieren. Besteht keine Beendigungsfreiheit, so bedarf es hierfür eines wichtigen Grundes. Ein solcher Grund liegt dann vor, wenn einstweilen, also bis zur Klärung des Verdachts, die Fortsetzung der Interessenwahrnehmung dem Treugeber nicht zumutbar ist. Legitimationen teilen das Schicksal des Treuhandverhältnisses und werden mitsuspendiert, während der Treugeber Rechtspositionen, die der Treuhänder als Machtmittel hält, nur dadurch suspendieren kann, daß er ihre Rückübertragung verlangt. In nicht rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen kann unter den identischen Voraussetzungen jeder Treuhänder suspendiert werden, der unter Aufsicht eines staatlichen Uberwachungstreuhänders steht. In anderen Fällen - insbesondere beim Testamentsvollstrecker - scheidet eine derartige Möglichkeit aus. Hier sollte der Erblasser entsprechend Vorsorge treffen.
256 Zur KO AG Karlsruhe ZIP 1983, 101; zur InsO Nerlich/Römermann/Delhaes InsO Rn. 4; MünchKomm/Grae^er § 59 InsO Rn. 40; Uhlenhruck § 59 InsO Rn. 14. 257 Kübler/Prutting/Lüke § 59 InsO Rn. 7, 258 Dazu eingehend unten § 23 III 2.
§59
§21. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen Teil 3: Beendigung oder Nichtbegründung des Treuhandverhältnisses durch den Treuhänder I. Allgemeines Die Beendigung oder Nichtbegründung eines Treuhandverhältnisses als Konfliktlösungsmechanismus spielt nicht nur bei der Beantwortung der Frage eine Rolle, ob der Treugeber oder ein mit dieser Kompetenz ausgestatteter Uberwachungstreuhänder anstelle des Treugebers zur Beendigung des Treuhandverhältnisses befugt oder (im Falle des Uberwachungstreuhänders) sogar verpflichtet ist, sondern es ist auch zu klären, ob der Treuhänder seinerseits berechtigt oder über die Benachrichtigung 1 über einen Interessenkonflikt hinaus in bestimmten Fällen sogar verpflichtet ist, zur Auflösung eines nach den soeben erörterten Maßstäben 2 erheblichen Interessenkonflikts ein Treuhandverhältnis nicht zu begründen oder zu beenden. Die Frage nach der Berechtigung zur Beendigung eines Treuhandverhältnisses kann sich für den Treuhänder stellen, wenn er - falls der Treugeber trotz Benachrichtigung über einen Interessenkonflikt das Treuhandverhältnis fortbestehen läßt - selbst das Treuhandverhältnis beenden und auf diese Weise den kollisionserzeugenden Interessenkonflikt, der ihn zu Pflichtverletzungen zwingt, auflösen möchte. Die Frage nach einer Nichtbegründungs- oder Beendigungspflicht stellt sich deshalb, weil in einem solchen Fall bereits in der Begründung oder Nichtbeendigung als solcher eine Pflichtverletzung zu sehen wäre.
1 2
Dazu eingehend oben § 10 II. Dazu oben § 2 0 .
492
Teil 4: Interessenkonflikte als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
II. Das Recht zur Beendigung eines Treuhandverhältnisses durch den Treuhänder 1. Rechtsgeschäftliche
Treuhandverhältnisse
Der Treuhänder kann einen unentgeltlichen Treuhandvertrag grundsätzlich jederzeit kündigen, §671 Abs. 2 Satz 1 B G B , so daß es auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht ankommt. Allerdings darf er, wenn nicht ein wichtiger Grund vorliegt, nur so kündigen, daß der Auftraggeber anderweit Fürsorge für die Wahrnehmung seiner Interessen treffen kann. Für entgeltliche Treuhandverhältnisse verweist § 675 Abs. 1 B G B auf die Regelung des § 671 Abs. 2 B G B , soweit dem Treuhänder das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Aus §627 Abs. 2 B G B ergibt sich, daß dem Treuhänder dieses Recht in vielen Fällen der dienstvertraglichen Treuhand - also dem Regelfall der Treuhand - mangels abweichender Vereinbarung zusteht; lediglich bei Kündigung zur Unzeit muß der Treuhänder einen wichtigen Grund vortragen, § 627 Abs. 2 Satz 2 B G B . Kündigt der Treuhänder ohne wichtigen Grund zur Unzeit, so hat er dem Treugeber den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, §§ 671 Abs. 2 Satz 2, 627 Abs. 2 Satz 2 B G B . Auch wenn das Gesetz die Formulierung „darf nicht" wählt, ist eine Kündigung zur Unzeit nämlich gleichwohl wirksam. Außerhalb des Anwendungsbereiches des § 627 B G B ist der dienstvertragliche Treuhänder an die Kündigungsfristen aus § 621 B G B gebunden und kann nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes das Treuhandverhältnis sofort beenden, §626 B G B . Gleiches gilt, wenn durch entsprechende Vereinbarung der Parteien das Beendigungsrecht des Treuhänders beschränkt worden ist. Ein werkvertraglicher Treuhänder kann mangels einer Parallelregelung zu § 6 2 7 B G B im Werkvertragsrecht grundsätzlich nicht fristlos kündigen. 3 Auch hier ist jedoch eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich, § 314 Abs. 1 B G B .
2. Nichtrechtsgeschäftliche
Treuhandverhältnisse
Auch in nicht rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen steht dem Treuhänder grundsätzlich ein Beendigungsrecht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zu, er hat jedoch in der Regel ein besonderes Beendigungsverfahren einzuhalten, was an einigen Beispielen gezeigt werden soll. Ein Vormund hat bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Möglichkeit, seine Entlassung beim Vormundschaftsgericht zu beantragen, § 1889 Abs. 1 B G B . Er kann also das Amt nicht einfach niederlegen, weil ansonsten das Mündel keinen gesetzlichen Vertreter 3
Erman/Ehmann
§ 671 BGB Rn. 13.
§21. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen, Teil 3
493
mehr hat. § 1889 Abs. 1 B G B ordnet keine Pflicht zur Stellung eines derartigen Antrags an, sondern gibt lediglich zum Schutz des Mündels ein bestimmtes Verfahren vor. Überdies schließt § 1889 Abs. 1 B G B aufgrund der persönlichen Beziehung zwischen Vormund und Mündel eine ordentliche Beendigung der Vormundschaft aus und beschränkt das Beendigungsrecht des Vormunds auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Die Norm ist deshalb in erster Linie unter dem Gesichtspunkt des Beendigungsinteresses des Vormunds, 4 nicht aber unter dem Gesichtspunkt seiner treuhänderischen Interessenwahrnehmungspflicht, die sich in einer Beendigungspflicht konkretisieren könnte, zu lesen. Gleiches gilt für § 1908b Abs. 2 B G B , nach dem der Betreuer Entlassung verlangen kann, wenn ihm die Betreuung nicht mehr zugemutet werden kann, also sein Beendigungsinteresse das Kontinuitätsinteresse des Betreuten überwiegt. 5 Unzutreffend erscheint es, die „Unzumutbarkeit" im Sinne des § 1908b Abs. 2 mit dem Zumutbarkeitsmaßstab aus § 1898 Abs. 1 B G B bei der Übernahme der Betreuung gleichzusetzen und deswegen Beendigungsgründe, die über einen „wichtigen Grund" hinausgehen, anzuerkennen. 6 Nach Übernahme der Betreuung besteht nämlich - anders als bei der Entscheidung über die Übernahme der Betreuung- ein Kontinuitätsinteresse beim Betreuten. 7 Auch § 1908b Abs. 2 B G B schließt die Möglichkeit einer ordentlichen Beendigung des Treuhandverhältnisses aus und gibt ein besonderes Beendigungsverfahren vor. Das Insolvenzgericht kann den Insolvenzverwalter auf Antrag aus wichtigem Grund entlassen, § 59 Abs. 1 Satz 2 InsO. Antragsberechtigt ist unter anderem auch der Insolvenzverwalter selbst. Der Insolvenzverwalter kann sich also zur Wahrung der Verfahrenskontinuität nicht „jederzeit und ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes aus dem Verfahren ausklinken", 8 sondern kann sein Amt erstens nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes aufgeben und muß dafür zweitens das Entlassungsverfahren einhalten, kann also das Amt nicht einfach niederlegen. 9 Lediglich in Ausnahmefällen steht dem Treuhänder auch das Recht zur Beendigung eines Treuhandverhältnisses aus wichtigem Grund nicht zu. So kann ein Elternteil auch aus wichtigem Grund keine Beendigung des Sorgerechtsverhältnisses zu seinem Kind erreichen. Eine Beendigung der elterlichen Sorge kommt lediglich aus Gründen des Kindeswohls in Betracht, vgl. etwa §§ 1666, 1671, 1672 B G B . Die Eltern sind nämlich zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder nicht 4 BayObLG FamRZ 1959, 373; Staudinger/Engler §1889 BGB Rn.3; Soergel/Zimmermann §1889 BGB Rn.2; MünchKomm/Wagemtz §1889 BGB Rn. 1; Gernhuber/CoesterWaltjen, Familienrecht, § 73 II 4. 5 Vgl. auch BT-Drucks. 11/4528, S.153; MünchKomm /Schwab § 1908b BGB Rn.l5ff.; Soergel/Zimmermann § 1908b BGB Rn. 21 ff. 6 So aber Bienwald § 1908b BGB Rn. 14. 7 MünchKomm /Schwab § 1908b BGB Rn. 16. 8 Uhlenbruck § 59 InsO Rn. 16. 9 MünchKomm/Grae^er § 59 InsO Rn. 30 f.
494
Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 G G . Freilich können sie dadurch, daß sie sich ihrer Elternverantwortung 10 entziehen, staatliche Maßnahmen auslösen, die bis zur vollständigen Entziehung des Sorgerechts, also zur vollständigen Beendigung des Treuhandverhältnisses reichen, die dann jedoch nicht in ihrem Interesse, sondern im Interesse des Kindes geschieht. Gleiches gilt für die staatliche Treuhänderfunktion in der Rechtspflege. Zwar kann hier ein einzelner befangener Richter ausgetauscht werden,11 der Staat als Treuhänder darf den Bürgern als Treugebern jedoch nicht insgesamt den Rechtsschutz verweigern. Verbietet der Staat nämlich, von den Ausnahmen der §§ 229 ff. B G B abgesehen, seinen Bürgern die Selbsthilfe, so muß er ihm im Gegenzug Rechtsschutz gewähren. Das Selbsthilfeverbot korrespondiert also mit einem Rechtsschutzanspruch, 12 der in Art. 6 Abs. 1 E M R K seinen normativen Sitz hat.
3. Wichtiger Grund Der zur außerordentlichen Beendigung des Treuhandverhältnisses durch den Treuhänder berechtigende „wichtige Grund" bemißt sich grundsätzlich nach denselben Maßstäben wie der „wichtige Grund", der den Treugeber zur außerordentlichen Beendigung des Treuhandverhältnisses berechtigt: Dem Kündigenden muß unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Forstsetzung des Schuldverhältnisses bis zum ordentlichen Ende unzumutbar sein. 13 Auch hier kann ein nach den obigen Maßstäben erheblicher Interessenkonflikt 14 grundsätzlich einen wichtigen Grund liefern. So kann etwa der Insolvenzverwalter seine Entlassung beantragen, wenn er sein Amt nicht mehr unbefangen und objektiv ausüben kann. 15 Das außerordentliche Beendigungsrecht besteht nämlich im Eigeninteresse des Treuhänders und dient dazu, den Treuhänder aus einem erheblichen Interessenkonflikt, der beständige Pflichtenkollisionen und also Pflichtverletzungen des Treuhänders zur Folge hätte, zu befreien, so wie das Kündigungsrecht des Treugebers dazu dient, den Treugeber vor derartigen Pflichtverletzungen zu schützen. Während bei der Kündigung seitens des Treugebers ein erheblicher, dauerhafter Interessenkonflikt jedoch stets einen wichtigen Grund liefert, sind bei der Kündigung seitens des Treuhänders weitere Differenzierungen erforderlich, hat doch der Interessenkonflikt seinen Ursprung in der Sphäre des Treuhänders, Maunz/Dürig/Badura Art. 6 GG Anm. 107. Zum „Selbstablehnungsrecht" des einzelnen Richters unten §21 III 2. 12 Vgl. nur Stein/Jonas/Brehm vor §1 ZPO Rn. 284; Rosenberg/Schwab/Gottwald §3 Rn. 1 {{.-, Jauernig § 36; Habscheid ZZP 67,188 ff.; Wolf, FS Söllner, S. 1279 ff. 13 Vgl. nur BGH N J W 1981, 1264; BGH NJW 1989, 1482, 1483; MünchKomm/G^'er §314 BGB Rn. 10 14 Dazu oben §20. 15 Neriich/Römermann/Delhaes § 59 InsO Rn. 6. 10
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§21.
Regeln zur Behandlung
von Pflichtenkollisionen,
Teil 3
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der verschiedene Interessen wahrnimmt, und kann der Treuhänder anders als der Treugeber einen erheblichen Interessenkonflikt deshalb beispielsweise auch ganz bewußt erzeugen, indem er einfach ein entsprechendes weiteres, konfliktträchtiges Treuhandverhältnis begründet oder eigene Interessen in einem bestimmten Interessenfeld wahrnimmt. Das spricht dafür, bei der außerordentlichen Kündigung von Treuhandverhältnissen wie bei der außerordentlichen Kündigung von anderen Dauerschuldverhältnissen die Kündigung auszuschließen, wenn der Kündigungsgrund aus dem Risikobereich des Kündigenden stammt, 16 von ihm herbeigeführt worden 17 oder zu vertreten ist. 18 Auf der anderen Seite ist der Treuhänder jedoch mehr als die Vertragsparteien in anderen Dauerschuldverhältnissen, etwa Austauschschuldverhältnissen mit Dauerschuldcharakter, auf die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung angewiesen, weil bei Treuhandverhältnissen der genaue Umfang der geschuldeten Pflichten und die Umstände der Leistungserbringung bei Vertragsschluß oftmals nicht exakt, sondern nur als Rahmenpflicht 19 feststehen. Anders als bei Austauschdauerschuldverhältnissen kann deshalb ein gewisses Prognoserisiko bestehen, das zwar grundsätzlich derjenige trägt, der sich bindet, dessen Realisierung aber unter Berücksichtigung aller Umstände und Interessen dazu führen kann, daß es für den Treuhänder unzumutbar ist, das Schuldverhältnis bis zum nächsten ordentlichen Kündigungszeitpunkt oder bis zur vorgesehenen Beendigung fortzuführen, weil die Verwirklichung dieses Risikos den Treuhänder unausweichlich zu Pflichtverletzungen zwingt. Dieser Umstand ist bei der Abwägung von Beendigungs- und Bestandsinteressen, die je nach Vertragstyp (und erst recht je nach vertraglicher Grundform) variieren muß, 2 0 zu berücksichtigen. Das Kriterium der „Unzumutbarkeit" allein sagt nämlich noch nichts über den Maßstab aus, der bei einzelnen Gruppen von Kündigungsgründen (hier: Interessenkonflikt als Kündigungsgrund) anzuwenden ist; 21 außerdem müssen „[Vertrags-]typenspezifische Variationen" vorgenommen werden. 22 Es ist also beispielsweise zu unterscheiden, ob der erhebliche Interessenkonflikt bereits bei Begründung eines weiteren Treuhandverhältnisses für einen sorgfälB G H N J W 1951, 836; B G H N J W 1991,1829. Staudinger/Schmidt % 242 B G B Rn. 1418. 18 Eigenes Verhalten des Kündigenden, ja sogar eigenes pflichtwidriges Verhalten des Kündigenden schießt das Vorliegen eines wichtigen Grundes zwar nicht denknotwendig aus, ist jedoch im Rahmen der Abwägung entsprechend zu berücksichtigen und kann einen Kündigungsgrund in der Regel nur stützen, wenn beiderseitige Pflichtverletzungen die Vertrauensgrundlage erschüttert haben, B G H N J W 1966, 347, 348; B G H N J W 1981, 1264, 1265. 19 Zur Interessenwahrnehmungspflicht als Rahmenpflicht oben § 10 13. 20 Gernhuber, Schuldverhältnis, § 16 II 5c. 2 1 So zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung StaudingerlSchmidt § 242 B G B Rn. 1396 ff., der zwar das „Risiko von Vertragsbrüchen" als eigenen Risikotatbestand erkennt, aber nicht im Hinblick auf Treuhandverhältnisse erörtert. 22 Gernhuber, Schuldverhältnis, § 16 II 5. 16 17
496
Teil 4: Interessenkonflikte als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
tigen Treuhänder erkennbar war, sein Eintreten als wahrscheinlich erscheinen mußte und der Treuhänder diesen Interessenkonflikt deshalb vorwerfbar erzeugt hat, oder ob der erhebliche Interessenkonflikt für den Treuhänder nicht absehbar war oder nur entfernt möglich erscheinen mußte. Allein der Umstand, daß der Interessenkonflikt in der Treuhändersphäre zu verorten ist, kann ohne das Hinzukommen der Vorwerfbarkeit der Konflikterzeugung nicht zur Ablehnung eines Kündigungsgrunds führen. War der Interessenkonflikt hingegen erkennbar und sein Eintreten wahrscheinlich, so erschiene es als widersprüchliches und deshalb unzulässiges Verhalten, wenn ein Treuhänder zunächst ein weiteres Treuhandverhältnis begründet, um anschließend nach einer Befreiung vom Pflichtverletzungsrisiko nachzusuchen. Eine Regelung in diesem Sinne findet sich etwa im Vormundschaftsrecht. Dort ist die Führung von mehr als einer Betreuung, Vormundschaft oder Pflegschaft als Grund für die Ablehnung einer Vormundschaft, § 1786 Abs. 1 Nr. 8 B G B , anders als die anderen Ablehnungsgründe aus § 1786 Abs. 1 B G B , nicht in § 1889 B G B als Grund für die Entlassung des Vormunds auf eigenen Antrag genannt. Der Vormund soll nämlich nicht die Möglichkeit haben, durch Übernahme einer weiteren Vormundschaft „eine ältere unbequeme loszuwerden". 23 Übertragen auf andere Treuhandverhältnisse bedeutet das, daß der Treuhänder nicht einen neuen Treugeber mit dem Zweck oder dem willkommenen Nebeneffekt annehmen darf, anschließend einen alten Treugeber kündigen zu können. Es ist also zu beachten, daß ein erheblicher, dauerhafter Interessenkonflikt in einem der konfligierenden Treuhandverhältnisse einen wichtigen Grund abgeben mag, im anderen hingegen nicht. Auch aus Sicht des Treugebers erscheint es möglicherweise nicht in jedem Fall erforderlich, ein Kündigungsrecht des Treuhänders immer auszuschließen, wenn der Kündigungsgrund aus dem Risikobereich des Kündigenden stammt oder von ihm herbeigeführt worden ist. Dieses Kriterium ist immerhin nicht für Treuhandverhältnisse, sondern lediglich für Dauerschuldverhältnisse mit Austausch- oder Gesellschaftscharakter entwickelt worden. In einem Austauschschuldverhältnis mit Dauerschuldcharakter kann der Gläubiger den Schuldner ohne weiteres und auch sinnvoll zur Erbringung der geschuldeten Leistung, etwa der Überlassung eines Mietobjekts oder der Lieferung bestimmter Gegenstände, anhalten. Gleiches gilt im Gesellschaftsrecht etwa für die Erbringung von Beiträgen der einzelnen Gesellschafter. In vielen Treuhandverhältnissen ist dem Treugeber hingegen nicht damit gedient, den Treuhänder zur Interessenwahrnehmung zwingen zu können, weil dieser Zwang keine sachgerechte Interessenwahrnehmung erzeugt, wenn die Treuhänderpflichten nicht ausnahmsweise fest definiert sind. Dieses Problem wird etwa im Insolvenzrecht diskutiert, wo der Insolvenzverwalter nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die eigene 23
Soergel/Zimmermann
§ 1889 BGB Rn. 2.
§21. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen, Teil 3
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Entlassung beim Insolvenzgericht beantragen kann, §59 InsO. Das Gericht muß deshalb dem Antrag nicht bei jedem Vortrag stattgeben. Auf der anderen Seite, so wird behauptet, widerspreche eine erzwungene Fortführung der Geschäfte in der Regel den Interessen der Gläubiger, so daß vielfach bereits ein ernsthafter und begründeter Entlassungswunsch als wichtiger Grund angesehen wird. 24 Einschränkend wird freilich wiederum angeführt, dieser Gedanke dürfe nicht dazu führen, daß de facto ein Recht auf jederzeitige Amtsniederlegung entstehe. 25 Vor allem jedoch soll der Treugeber (oder sein Uberwachungstreuhänder) durch Disposition über das eigene Recht zur außerordentlichen Beendigung des Treuhandverhältnisses selbst entscheiden können, ob er es für sinnvoll ansieht, den Treuhänder zur Fortsetzung seiner Tätigkeit zu zwingen oder nicht. Es kann also für die Begründung eines Kündigungsrechts des Treuhänders gegebenenfalls nicht auf eine tatsächliche Unerzwingbarkeit der Treuhänderleistung abgestellt werden.
4. Begründung eines konfliktträchtigen Treuhandverhältnisses als Pflichtverletzung Unabhängig davon, ob der Treuhänder kündigen darf oder der Treugeber die Schaffung des erheblichen Interessenkonflikts als Anlaß zur Kündigung nimmt, kann der Treugeber gegebenenfalls Schadenersatzansprüche wegen Schaffung des Kündigungsgrunds gegen den Treuhänder geltend machen. 26 Ist für den Treuhänder nämlich erkennbar, daß durch die Begründung eines neuen Treuhandverhältnisses mit gewisser Wahrscheinlichkeit ein erheblicher Konflikt zwischen den Interessen eines bereits vorhandenen Treugebers und den Interessen des neuen Treugebers entstehen würde, so darf der Treuhänder dieses neue Treuhandverhältnis nicht begründen. Verletzt der Treuhänder diese Pflicht, so macht er sich unabhängig davon, wer infolgedessen beendigungsberechtigt wird und das Treuhandverhältnis tatsächlich beendet, schadenersatzpflichtig, freilich nur dem Treugeber gegenüber, dessen Treuhandverhältnis dann tatsächlich beendet wird. Diese Pflicht des Treuhänders ergibt sich gegenüber dem schon vorhandenen Treugeber aus der Interessenwahrnehmungspflicht, die sich dahingehend konkretisiert, daß der Treuhänder keinen Grund dafür schaffen darf, daß die Interessenwahrnehmung zur Unzeit, §§ 627,671 B G B , oder ohne Auslauffrist, §§ 314, 626 B G B , beendet werden muß. Andernfalls entstehen dem Treugeber, der auf eine Kündigung zu einem passenden Zeitpunkt oder unter Einhaltung der auch 24 25 26
MünchKomm/Graeber § 59 InsO Rn. 34. Neriich/Römermann/Delbaes § 59 InsO Rn. 6; Uhlenbruck § 59 InsO Rn. 17. Dazu unten Teil 6.
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Treuhandverbältnisse
in seinem Interesse bestehenden Ablauffristen vertrauen darf, nämlich regelmäßig Nachteile. Gegenüber dem potentiellen neuen Treugeber ergibt sich diese Pflicht aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis, § 311 Abs. 2 BGB: Der potentielle Treuhänder ist insoweit zur Rücksicht auf die Interessen des potentiellen Treugebers verpflichtet, § 241 Abs. 2 BGB, als er kein Treuhandverhältnis begründen darf, das vorhersehbar in Kürze durch außerordentliche Kündigung einer Partei beendet werden muß. Etwas anderes gilt nur dann, wenn er den potentiellen Treugeber in Erfüllung seiner vorvertraglichen Benachrichtigungspflicht auf diese Situation hinweist und der Treugeber das Treuhandverhältnis in dem Vertrauen darauf begründet, daß zur Konfliktlösung nicht dieses Treuhandverhältnis beendet werden wird.
5.
Zusammenfassung
Ein Treuhänder hat also, soweit nicht ohnedies Beendigungsfreiheit besteht, grundsätzlich das unverzichtbare Recht zur Beendigung des Treuhandverhältnisses bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, dessen Vorliegen sorgfältig zu ermitteln ist, weil ein erheblicher Interessenkonflikt allein anders als beim Beendigungsrecht des Treugebers nicht immer einen „wichtigen Grund" liefert. Gegebenenfalls muß der Treuhänder zum Schutz des Treugebers ein bestimmtes Beendigungsverfahren einhalten. Unter dem Gesichtspunkt, daß die außerordentliche Beendigung immer die ultima ratio darstellt, mag in geeigneten Fällen eine Teilbeendigung auch durch den Treuhänder als milderes Mittel zur Auflösung des Interessenkonflikts in Betracht kommen, soweit dies dem Treugeber zumutbar ist, § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB analog. Lediglich in Ausnahmefällen ist eine Beendigung auch aus wichtigem Grund nicht vorgesehen. Die Geltung dieser Grundsätze war in verschiedenen Bereichen, etwa für die Amtsniederlegung von Aufsichtsratsmitgliedern, lange bestritten. Dort stellt die Kündigung aus wichtigem Grund inzwischen jedoch sogar den häufigsten Beendigungsgrund für Aufsichtsratsmandate dar. 27 Dieses Beendigungsrecht besteht im Eigeninteresse des Treuhänders und dient dazu, den Treuhänder aus einem erheblichen Interessenkonflikt, den der Treuhänder nicht vorwerf bar geschaffen hat, zu befreien.
27 Vgl. KK-AktG/Afertercs §103 AktG Rn.56; MünchKomm/Sem/er §103 AktG Rn. 106 ff. Gleiches gilt bei Vorstandsmitgliedern, die stets und nicht nur bei wichtigem Grund ihr Amt niederlegen können, vgl. nur KK-AktG/Mertens § 84 AktG Rn. 163. Zu beachten ist freilich jeweils, daß der Treuhänder sich pflichtwidrig verhält, wenn er sein Amt ohne wichtigen Grund zur Unzeit niederlegt.
§21. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen, Teil 3
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III. Die Beendigungspflicht des Treuhänders In einigen gesetzlich eingehend geregelten Treuhandverhältnissen ist nicht nur ein im Interesse des Treuhänders bestehendes Beendigungsrecht des Treuhänders, sondern sogar eine Nichtbegründungs- oder Beendigungspflicht des Treuhänders vorgesehen.
1. Rechtsanwälte Für Rechtsanwälte gilt das Verbot, in einer rechtlichen Auseinandersetzung die Interessen beider Parteien, also „widerstreitende Interessen", zu vertreten, § 43a Abs. 4 B R A O . 2 8 Beide Parteien (Treugeber) haben nämlich das Ziel, den Rechtsstreit möglichst erfolgreich zu beenden und der Rechtsanwalt soll dieses Ziel vorbehaltlos verfolgen, indem er an die Stelle seines Mandanten tritt. Die Wahrnehmungsziele beider Parteien im fraglichen Interessensegment (also dem zwischen den Parteien bestehenden Streit) und damit über die gesamte Dauer des Mandats auch eine Reihe von für die Interessenwahrnehmung ganz maßgeblichen Einzelpflichten eines Rechtsanwalts, der beide Parteien vertritt, würden deshalb miteinander kollidieren, verträte der Rechtsanwalt beide Seiten. Das Verbot soll also sicherstellen, daß sich der Rechtsanwalt ausschließlich und parteiisch für die Interessen einer Streitpartei einsetzen kann. Hinzukommt, daß § 43a Abs. 4 B R A O nicht nur dem Schutz von Individualinteressen, sondern der Sicherung der Erfüllung der den Rechtsanwälten in der Rechtspflege zugewiesenen Funktion dient. 29 Eine Ausnahme vom Verbot des § 43 Abs. 4 B R A O gilt jedoch dann, wenn der Rechtsanwalt bewußt von beiden Parteien zur Vermittlung eingeschaltet wird (Mediation). 30 Dieses Verbot gilt nicht nur für Einzelanwälte. Bei Rechtsanwaltssozietäten wird davon ausgegangen, jeder Sozius übernehme das Mandat namens der Sozietät, so daß also jeder Sozius den Mandanten vertritt und den Regelungen der §§ 43a Abs. 4 B R A O , 3 Abs. 1 B O R A unterliegt, auch wenn er selbst mit der Sache nicht befaßt ist. 31 Auch wenn man mit einer neuren Auffassung 32 davon ausgeht, die Sozietät als Partnerschaftsgesellschaft oder Außen-Gesellschaft
2 8 Hinzukommen die §§45, 46 BRAO, die der Prävention von Interessenkollisionen dienen, Feuerich/Braun § 43a BRAO Rn. 54. 29 Henssler/Prutting!Eylmann § 43a BRAO Rn. 5. 30 Jessnitzer/Blumberg § 43a BRAO Rn. 4; Henssler AnwBl. 1997,129,130; Mähler/Mähler N J W 1997,1262. 31 BGH N J W 2001, 1572; Henssler!Prutting/Eylmann §3 BORA Rn. 7; Feuerich/Braun § 43a BRAO Rn. 58; Kleine-Cosack § 43a BRAO Rn. 41; Westerwelle, Rechtsanwaltssozietäten, S. 56 f. 32 //e«ss/er N J W 2001,1521,1524.
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Treubandverhältnisse
bürgerlichen Rechts sei selbst Trägerin von Rechten und Pflichten und deshalb auch als solche mandatiert, wird nichts anderes gelten können. 33 Der Rechtsanwalt muß ein Mandat ablehnen, wenn er in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse tätig wird. Ubersieht er einen von Anfang an bestehenden Interessenwiderstreit oder entsteht später ein Interessenwiderstreit, weil etwa die von dem selben Rechtsanwalt verteidigten Mittäter keine übereinstimmenden Verteidigungsinteressen mehr haben, so sind beide Mandate niederzulegen, § 3 Abs. 4 BORA und Ziff. 3.2.2. der Anl. zu § 29 Abs. 1 BORA. 3 4 Der Rechtsanwalt darf sich also genauso wenig für eines der Mandate entscheiden wie er ein Mandat der Gegenseite annehmen darf, wenn er das bestehende Mandat kündigt, §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 BORA („vertreten hat") und Ziff. 3.2.3. der Anl. zu §29 Abs. 1 BORA, weil eine mißbräuchliche Verwendung von Informationen droht (Parteiverrat). 35 Diese Regelung rechtfertigt sich also daraus, daß als Machtmittel gewährte Informationen nach Beendigung eines Treuhandverhältnisses nicht zurückgewährt werden können, so daß ihr Mißbrauch droht, eine Gefahr, die zwar immer besteht, aber bei einem „Seitenwechsel" besonders naheliegend ist. Ähnliche Regelungen finden sich auch in anderen Berufsordnungen: § 49 W P O ordnet etwa an, daß ein Wirtschaftprüfer seine Tätigkeit zu versagen hat, wenn die „Besorgnis der Befangenheit" bei der Durchführung eines Auftrags besteht. „Widerstreitende Interessen", § 43a Abs. 4 BRAO, und „Besorgnis der Befangenheit", § 49 WPO, kennzeichnen gleichermaßen wie die im vorherigen Abschnitt erörterten Begriffe einen erheblichen Interessenkonflikt, der stetig zu zentralen Pflichtenkollisionen führt.
2. Richter Ein Zivilrichter kann sich selbst ablehnen, § 48 ZPO, er selbst kann also, wie auch die Parteien, eine Entscheidung nach § 45 ZPO herbeiführen. 36 Es steht nämlich angesichts der Regelung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht im Ermessen des Richters, ob er einen bestimmten Rechtsstreit entscheiden möchte oder nicht. 37 Diese Besonderheit verhindert also ein unmittelbares Niederlegen der treuhänderischen Aufgaben durch den Richter selbst, soll sie doch gerade die durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Unparteilichkeit des Gerichts Dazu oben § 16 III 4. Feurich/Braun § 43a BRAO Rn. 61. 35 Henssler/Prutting/Eylmann §43a BRAO Rn. 128; auf die Treuhänderstellung des Rechtsanwalts spielt die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 43a BRAO im Jahre 1994 an, wenn sie vom „Vertrauensverhältnis zum Mandanten" spricht, BT-Drucks. 12/4993, S. 27. 36 Dazu oben §20 II 2. 37 Zöller/Vollkommer § 48 ZPO Rn. 1. 33 34
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sichern, die auch durch eine unbegründete Niederlegung beeinträchtigt würde. Den Richter trifft deshalb lediglich eine Amtspflicht, jegliche Umstände zur Anzeige zu bringen, die eine Besorgnis seiner Befangenheit begründen können, 38 und damit ein Prüfungsverfahren einzuleiten. Darüber hinaus handelt es sich bei dieser Pflicht nicht nur um eine Amtspflicht, sondern um eine Pflicht auch den Parteien gegenüber, weil es sich bei der „Selbstablehnung" um keinen rein innerdienstlichen Vorgang handelt. 39 Im Rahmen des § 48 ZPO geht es nicht darum, ob sich der Richter subjektiv für befangen hält, 40 sondern ob die Voraussetzungen des § 42 ZPO vorliegen oder zumindest zweifelhaft sind, 41 eine vernünftige Partei also einen Ablehnungsrund haben könnte. Die Pflicht zur „Selbstablehnung" hat ihren Grund darin, daß den Parteien die Befangenheit des Richters oftmals überhaupt nicht bekannt sein wird, weil sie sich beispielsweise aus privaten Verbindungen des Richters ergibt, und deswegen ein Antrag nach § 42 ZPO nicht gestellt werden kann. Gleichwohl muß der Richter die Parteien nicht nur über eine mögliche Befangenheit unterrichten und ihnen die Stellung eines Antrags nach § 42 ZPO anheimstellen, sondern selbst das Ablehnungsverfahren einleiten, weil die Sicherung der unabhängigen Rechtspflege auch dem Vertrauen in die Rechtspflege insgesamt dient 42 und die Einleitung eines Ablehnungsverfahrens deswegen nicht ins Belieben der Parteien gestellt werden soll.
3.
Aufsichtsratsmitglieder
a) Konkurrierende
Unternehmen
Das Vorliegen eines dauerhaften Interessenkonflikts, der ständige Pflichtenkollisionen und damit die ständige Anwendung punktueller Konfliktlösungsregeln 43 zur Folge hätte und deshalb die Interessenwahrnehmung durch den Treuhänder erheblich erschweren würde, soll nach zutreffender Auffassung auch bei Aufsichtsratsmitgliedern dazu führen, daß sie ihr Mandat niederlegen müssen. Mangels Inkompatibilitätsregelung ist die Wahl eines solchen Aufsichtsratsmitglieds zwar nicht bereits in Analogie zu § 100 Abs. 2 AktG 4 4 unzulässig und 38 BVerfGE 20, 26, 29 f.; MünchKomm/feier §48 ZPO Rn. 1; Musielak/Heinrich §48 ZPO Rn. 2; Zöller/Vollkommer § 48 ZPO Rn. 2-, Jauernig, Zivilprozeßrecht, § 14 II; 39 Zu den prozeßrechtlichen Folgen der Pflichtverletzung BGH NJW 1995, 1677 obiter dictum; Stein/Jonas/Bork § 48 ZPO Rn. 3; MünchKomm/iWier § 48 ZPO Rn. 5; Zöller/Vollkommer §48 ZPO Rn. 11; Vollkommer, Richter, S. 144 ff., die deshalb einen Verfahrensmangel sehen, auf den ein Rechtsmittel gestützt werden kann, dazu auch oben § 20 II 2. 40 BVerfGE 95,191. 41 Stein/Jonas/Bork §48 ZPO Rn. 3; MünchKomm/fe^er §48 ZPO Rn. 3. 42 Dazu oben §20 II 2. 43 Dazu die folgenden Abschnitte des Teils 4. 44 So jedoch Reichert/Schlitt AG 1995,241,247.
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Teil 4: Interessenkonflikte
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Treuhandverhältnisse
daher anfechtbar, 45 § 251 AktG. Es ist auch unzutreffend, wenn zum Teil an das Wettbewerbsverbot des § 88 AktG angeknüpft wird, 4 6 weil dieses auf die Befugnisse des Vorstands zugeschnitten ist. Vielmehr hat das Aufsichtsratsmitglied -unabhängig davon, ob die Konkurrenzsituation bereits anfänglich besteht oder später eintritt - sein Amt niederzulegen, wenn der dauerhafte und nachhaltige Interessenkonflikt nicht anders treugeberinteressengerecht aufgelöst werden kann. Allein dieses Handeln entspricht seiner Interessenwahrnehmungspflicht als Treuhänder. 47 Verhält sich das Aufsichtsratsmitglied pflichtwidrig, indem es sein Mandat nicht niederlegt, so muß es gerichtlich abberufen werden, § 103 Abs. 3 AktG. Die anderen Aufsichtsratsmitglieder haben aufgrund ihrer Treuhänderstellung die Pflicht, ein Abberufungsverfahren einzuleiten. 48 Das gilt auch für Arbeitnehmervertreter, denn der Umstand, daß bei Arbeitnehmervertretern gewisse Interessenkonflikte mit Pflichtenkollisionen als Folge vom Gesetzgeber hingenommen worden sind, heißt nicht, daß derlei an anderer Stelle ebenfalls zulässig wäre. 4 9
b)
Übernahmefälle
Derartige Interessenkonflikte treten nicht nur bei Tätigkeit in Konkurrenzunternehmen, sondern insbesondere auch bei Unternehmensübernahmen auf. Denkbar ist, daß ein Treuhänder Vorstandsmitglied der Bank ist, die den Bieter bei der Übernahme berät und/oder finanziert, und gleichzeitig im Aufsichtsrat der Zielgesellschaft sitzt. In diesem Fall darf der Treuhänder die Zielgesellschaft nicht über die Übernahmepläne benachrichtigen, weil er als Bankvorstand zur Geheimhaltung verpflichtet ist, wäre der Zielgesellschaft gegenüber aber gerade dazu verpflichtet; gleiches gilt jeweils Abwehrmaßnahmen betreffend. 50 Noch komplexer wird das Interessengefüge, wenn ein anderes Vorstandsmitglied der Bank gleichzeitig im Aufsichtsrat des Bieterunternehmens sitzt. Ausgangspunkt der Erörterungen ist auch hier die Gleichrangigkeit der Pflichten gegenüber allen Treugebern. 51 Mangels Regelung im WpÜG kommt es deshalb darauf an, ob die Übernahme im Interesse der Zielgesellschaft ist oder nicht. 45 So jedoch S c h e f f l e r , DB 1994, 793, 795; Kaiser NJW 1996, 552; Säcker, FS Rehmann, S. 788; Lütter, FS Beusch, S. 515 46 So jedoch Reichert!Schlitt AG 1995,241,247. 47 Vgl. MünchKomm/Sem/er § 100 AktG Rn. 173 und § 103 Rn. 109 f.; Fleck, FS Heinsius, S. 96; Lutter ZHR 145, 224, 246; vgl. auch Lutter/Krieger, Rechte, § 7 Rn. 306; zu Fällen aus der Praxis Lutter, FS Beusch, S. 509 f. 48 Dazu oben und unten §20 III 2 a. 49 MünchKomm/Sew/er § 100 AktG Rn. 148; Lutter ZHR 145, 224, 235; vgl. auch Hopt ZGR 33,1,3 f. 50 Vgl. etwa MünchKomm/Sew/er § 100 AktG Rn. 184; Schander/Posten ZIP 1997,1534, 1535; Michalski AG 1997,152; Rümker, FS Heinsius, S. 683. 51 Zutreffend Heermann WM 1997,1689,1691; Lange WM 2002,1737,1738.
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Im letzteren Fall der „feindlichen Übernahme" besteht ein erheblicher Interessenkonflikt und der solchermaßen konfliktbelastete Treuhänder hat eine Pflicht zur Beseitigung des Interessenkonflikts, also zur Niederlegung eines Mandats, 52 denn bei „nicht nur isolierter Perplexität der Pflichten besteht eine Rechtspflicht zum Rücktritt". 5 3 Anders formuliert: der Treuhänder muß ein Mandat niederlegen, wenn der „Interessenkonflikt gravierend und von Dauer ist". 5 4 Auch hier finden sich also wieder die oben erörterten Maßstäbe. Der Treuhänder soll frei wählen können, welches Mandat er aufgibt, und darf bei Meidung von Schadenersatzpflichten das Mandat nicht zur Unzeit niederlegen. Diese Lösung stößt allerdings deshalb auf Bedenken, weil jeder Bankvorstand, der als Aufsichtsrat zurücktritt, damit Ubernahmespekulationen nährt und gegebenenfalls also das Bestehen von Ubernahmeabsichten letztlich entgegen seiner Geheimhaltungspflicht offenbart. 55 Besteht also einmal der durch Ubernahmepläne veranlaßte Interessenkonflikt, befindet sich der mehrfach mandatierte Treuhänder in einem letztlich nicht in einer allen Interessen vollständig gerecht werdenden Weise auflösbaren Interessenkonflikt. Aus diesem Grund wird es zum Teil 5 6 für sinnvoll gehalten, Bankenvertreter bereits rechtzeitig aus Aufsichtsräten jedenfalls von Übernahmekandidaten zu entfernen. Freilich sind gerade auch diese Unternehmen auf den Sachverstand und die Verbindungen der Bankenvertreter zumal in Übernahmesituationen angewiesen. Man wird diese Möglichkeit deshalb allenfalls dann befürworten können, wenn die Bank Beratung und Finanzierung von Übernahmen als Kerngeschäft betreibt. 57
4. Folgerungen Die oben geschilderten Beispiele zeigen, daß über das Beendigungsrecht des Treuhänders hinaus eine sanktionsfähige Nichtbegründungs- oder Beendigungspflicht als Ausformung der Interessenwahrnehmungspflicht nur in Ausnahmefällen besteht. Es müssen zusätzliche Faktoren hinzukommen, die es erforderlich machen, daß die Frage, ob ein erheblicher Interessenkonflikt durch Beendigung eines der konfligierenden Treuhandverhältnisse beendet werden soll, nicht allein im Belieben des Treuhänders steht. Unterliegt der Treuhänder einer Beendigungspflicht, so darf er in aller Regel entscheiden, welches der bei52 Decher Z I P 1990, 277, 279; Dreher J Z 1990, 896, 902 f.; Oechsler N Z G 2001, 817, 824; Schander/Posten Z I P 1997,1534,1537; einschränkend Lange W M 2002,1737,1745 f. 53 Lutter Z H R 145,224,246; vgl. auch Lutterl Krieger, Rechte, § 7 Rn. 306. 54 Hopt Z G R 31,333,372. 55 Hopt Z G R 3 2 , 3 3 3 , 3 7 0 . 56 Krebs, Interessenkonflikte, S. 337 f. 5 7 In diese Richtung wohl MünchKomm/Sem/er § 100 A k t G Rn. 193.
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Teil 4: Interessenkonflikte
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Treuhandverhältnisse
den konfligierenden Treuhandverhältnisse er beendet. Lediglich wenn der Treuhänder wie etwa der Rechtsanwalt als „Sekundant" in einer Auseinandersetzung die Interessen beider Parteien vertritt, muß er beide Treuhandverhältnisse beenden, weil er ansonsten im Wege des Uberlaufens Treugeberverrat betreiben kann. Eine Pflicht zur Nichtbegründung oder Beendigung von Treuhandverhältnissen bei Vorliegen eines erheblichen Interessenkonflikts besteht zum einen dann, wenn Belange betroffen sind, die über die Interessen der am Treuhandverhältnis beteiligten Personen hinausgehen, so daß die Frage der Beendigung nicht allein der Dispositionsbefugnis der Parteien anheimgestellt ist. So unterliegt der Rechtsanwalt im Interesse der Rechtspflege insgesamt einer Nichtbegründungsoder Beendigungspflicht, wie auch ein Richter aus den gleichen Gründen ein Ablehnungsverfahren gegen sich selbst einleiten muß; dabei wird freilich nicht übersehen, daß der Staat Treuhänder ist und der Richter nur als Rechtspflegeorgan des Treuhänders fungiert. 58 Aufsichtsratsmitglieder sind zwar Uberwachungstreuhänder der Aktiengesellschaft, betroffen sind aber zudem die Belange der Aktionäre und der Gesellschaftsgläubiger, so daß auch hier eine entsprechende Pflicht besteht, weil die Parteien des Treuhandverhältnisses über diese Drittinteressen nicht disponieren dürfen. Eine Beendigungspflicht kann auch dann bestehen, wenn die treugeberseitige Beendigung des Treuhandverhältnisses nicht ohne weiteres möglich ist und deshalb - anders als im Regelfall - eine „hürdenlose" Beendigung des Treuhandverhältnisses nur von Seiten des Treuhänders möglich ist. So kann etwa ein Aufsichtsratsmitglied nicht ohne weiteres abberufen werden, § 103 Abs. 3 AktG. Deshalb müssen Aufsichtsratsmitglieder sich selbst in besonders hohem Maße kontrollieren und gegebenenfalls durch außerordentliche Kündigung „selbst abberufen", zum Ausgleich dafür, daß man sie nicht völlig willkürlichen Abberufungsverfahren, die sich aus Konflikten in komplexen gesellschaftsrechtlichen Strukturen ergeben können, aussetzen will. Ob diese besondere Selbstkontrolle freilich effektiv und das Bewußtsein, daß diese Selbstkontrolle sanktionsfähige Pflicht ist, allzu weit verbreitet ist, erscheint zweifelhaft. 59 Ein weiterer Fall der Nichtbegründungs- oder Beendigungspflicht wurde bereits oben 6 0 angesprochen: Ist der Treuhänder gesetzlich oder vertraglich zur Geheimhaltung bestimmter Informationen verpflichtet, so kann er seiner Benachrichtigungspflicht gegenüber dem Treugeber nicht umfassend nachkommen, sondern muß sich auf einen unspezifischen Hinweis beschränken. Dieser Hinweis gibt dem Treugeber jedoch keine ausreichende Dispositionsgrundlage, was ja der Zweck der Benachrichtigung durch den Treuhänder ist. Deshalb muß Eingehend dazu oben § 19 II 1 a. Zu Kontrollproblemen bei Aufsichtsratsmitgliedern vgl. eingehend Roth/Wörle 33, 565. 6 0 Dazu oben § 16IV. 58
59
ZGR
§21. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen, Teil 3
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der Treuhänder in solchen Fällen dem Treugeber die Entscheidung abnehmen und das Treuhandverhältnis nicht begründen oder beenden, wenn ersichtlich ist, daß ein vernünftiger Treugeber, dem alle Informationen zur Verfügung stehen, in dieser Weise handeln würde. Ansonsten gilt jedoch: Die Beendigung des Treuhandverhältnisses bei erheblichen Interessenkonflikten ist vorrangig Aufgabe und Recht des Treugebers selbst im eigenen Interesse oder seines Uberwachungstreuhänders, der dieses Interesse wahrnimmt, nicht Pflicht des Treuhänders. Sie ist vielmehr - soweit nicht ohnedies Beendigungsfreiheit besteht - grundsätzlich lediglich ein Recht des Treuhänders, das dieser zuvorderst im eigenen Interesse ausübt, um sich aus nicht vorwerfbar geschaffenen erheblichen Interessenkonflikten befreien zu können, und wird nur in Ausnahmefällen zu einer über die Benachrichtigungspflicht hinausgehenden „Nichtbegründungs- oder Beendigungspflicht" des Treuhänders.
§22. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen Teil 4: Beschränkung der Machtmittel nach formal anknüpfenden Kriterien I. Allgemeines In den vorhergehenden Abschnitten wurden Fälle eines „erheblichen dauerhaften Interessenkonflikts" erörtert, der dadurch vermieden oder aufgelöst werden kann, daß ein Treuhandverhältnis insgesamt oder teilweise nicht begründet oder beendet wird. Dabei wurde deutlich, daß (soweit nicht Beendigungsfreiheit besteht) die Konfliktlösung durch Beendigung des Treuhandverhältnisses ultima ratio ist und nur greift, wenn der Interessenkonflikt so erheblich ist, daß mildere Mittel nicht wirken, weil der Interessenkonflikt tiefgreifend ist und letztlich das gesamte Treuhandverhältnis oder einen zumutbar abtrennbaren Teil dieses Treuhandverhältnisses in der Weise erfaßt, daß in zentralen Bereichen immer wieder Pflichtenkollisionen auftreten. Mildere Mittel, die bei einem lediglich punktuellen Interessenkonflikt, der nur zu einzelnen Pflichtenkollisionen führt, greifen, sind in den folgenden Abschnitten zu erörtern. Dabei ist zu beachten, daß die folgenden Erörterungen nur einschlägig sind, soweit nicht ohnehin Beendigungsfreiheit besteht und jeglicher Interessenkonflikt als Anlaß für die Beendigung eines Treuhandverhältnisses genommen werden kann. Das ist zum einen in nichtrechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen der Fall, zum anderen in rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnissen, in denen kraft Gesetz oder Parteiabrede die Beendigungsfreiheit beschränkt ist. Besteht Beendigungsfreiheit, so zeigen die folgenden Erörterungen jedoch Wege auf, wie Pflichtenkollisionen, die nicht Ausdruck eines erheblichen dauerhaften Interessenkonflikts sind, ohne Zugriff auf das Treuhandverhältnis insgesamt, dessen Fortführung vielleicht gewünscht wird, aufgelöst werden können. Der Gesetzgeber löst punktuelle Interessenkonflikte nicht durch Zugriff auf das Treuhandverhältnis selbst, sondern durch Zugriff auf das Machtmittel. Es werden also nicht die treuhänderischen Pflichtenbeziehungen verhindert oder aufgehoben, sondern es wird durch Zugriff auf das Machtmittel die Verletzung einer bestehenden Pflicht infolge einer Pflichtenkollision verhindert.
§ 22. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen,
Teil 4
507
Analog zu Regelungen, die ohne weiteres einen Treuhänder für bestimmte Treuhandverhältnisse insgesamt inhábil machen, bestehen zahlreiche Regelungen, die den Treuhänder in bestimmten Konfliktfällen zwar nicht ohne weiteres amts-, wohl aber handlungsunfähig machen, indem sie die Reichweite der treuhänderischen Machtmittel begrenzen. Es wird also nicht direkt auf das schuldrechtliche Treuhandverhältnis als solches zugegriffen, weil ein derartiger Zugriff bei einem lediglich punktuellen Interessenkonflikt nicht erforderlich ist: Das Treuhandverhältnis wird erst mit Einräumung der Machtmittel in Vollzug gesetzt.1 Die nun zu erörternden Regelungen machen diesen Vorgang teilweise rückgängig und stellen den Treuhänder auf diese Weise kraft Gesetzes teilweise machtlos und also handlungsunfähig, obschon keinerlei Veränderung des wahrgenommenen Interessenfeldes eintritt.
II. Beschränkung der Vertretungsmacht bei Pflichtenkollision, § 181 BGB 1.
Allgemeines
Prominentestes Beispiel einer solchen Regelung ist § 181 BGB. Er begrenzt die Rechweite des treuhänderischen Machtmittels „Vertretungsmacht" für Fälle, in denen der Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft mit sich vornimmt, es sei denn, es liegt eine Gestattung vor oder das Rechtsgeschäft besteht ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit. Hintergrund der Norm ist die Gefahr von Schädigungen des Vertretenen durch punktuelle Interessenkonflikte, die in der Person des Vertreters bei solchen Konstellationen zumeist auftreten werden 2 und deren Folge Pflichtenkollisionen in der Person des Vertreters sind, wenn sich die beiden jeweils durch die Person des Treuhänders agierenden Interessenträger beim Vertragsschluß als Antagonisten gegenüberstehen. Die kraft Gesetzes wirkende Begrenzung 3 lediglich des Machtmittels, nicht aber der Treuhänderstellung insgesamt, kommt im Wortlaut der Norm „kann [...] nicht" klar zum Ausdruck. Folge eines entgegen § 181 BGB vorgenommenen Geschäftes sollte nach Auffassung des Gesetzgebers 4 Nichtigkeit sein. Die überwiegende Auffassung geht jedoch heute zutreffend von schwebender Unwirksamkeit aus, weil dies die gesetzlich angeordnete Folge des Vertreterhandelns ohne Vertretungsmacht ist5 und der Treugeber hierdurch die Möglichkeit 1
Dazu oben §9 IV.
2
Vgl. Prot. I,S. 352 ff.
3
Larenz/WolfBGB AT §46 Rn. 121. Mot. I, S.225f. RGZ 56,104,107 f; RGZ119,114,116; B G H Z 65,123,125 UPawlowskiBGB
4 5
AT Rn. 791;
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Teil 4: Interessenkonflikte als Folge mehrerer
Treubandverhältnisse
zur Genehmigung des Geschäfts erhält, falls er es trotz der Pflichtenkollision als interessengerecht ansieht. Diese Form der Interessenwahrnehmung steht damit nur dem Interessenträger zu, sollte dieser nicht zur Wahrnehmung seiner Interessen in der Lage sein, also insbesondere in Fällen notwendiger Treuhand, ist ein Ergänzungstreuhänder einzuschalten. 6
2. Verbot des Insichgeschäfts Seinem Wortlaut nach erfaßt die Begrenzungswirkung des § 181 B G B Insichgeschäfte, also Geschäfte, bei denen auf beiden Seiten dieselbe Person steht. Hierbei werden wiederum zwei nach rein formalen Kriterien beschriebene Konstellationen abschließend aufgezählt: Das Selbstkontrahieren, bei dem der Stellvertreter zugleich Geschäftspartner des Hauptgeschäftes wird, und die Mehrfachvertretung, bei der ein Stellvertreter beide Parteien des Hauptgeschäfts vertritt. Auch einseitige Geschäfte, also insbesondere die Abgabe von Willenserklärungen, werden erfaßt, 7 was bereits daraus erhellt, daß auch ein Vertragsschluß lediglich aus zwei Willenserklärungen zusammengesetzt ist, die jeweils einzeln an § 181 B G B zu messen sind. Das soll wegen des Schutzzwecks der Norm auch für formal amtsempfangsbedürftige Willenserklärungen gelten, die jedoch der Sache nach eine Privatperson als Adressaten betreffen. 8 Ein Beispiel wäre die Testamentsanfechtung durch einen gesetzlichen Vertreter, der dadurch selbst begünstigt wird, 9 oder die Erklärung der Aufgabe eines vorrangigen dinglichen Rechts, § 875 B G B , durch den Inhaber eines nachrangigen Rechts als Stellvertreter des Inhabers des vorrangigen Rechts. 10 § 181 B G B erfaßt zudem auch die Entgegennahme von Erklärungen, 11 die Änderung von Gesellschaftsverträgen oder Satzungen, 12 rechtsgeschäftsähnliche Handlungen wie die Mahnung 13 oder Prozeßhandlungen.14 Bork BGB AT Rn. 1600; Fiume BGB AT II § 4 8 , 1 ; Staudinger/Schilken § 181 BGB Rn. 45; Soergel/Leptien §181 BGB Rn.45; MünchKomm/5c/>ramm § 181 BGB Rn. 41; Hühner BGB AT Rn. 1333. 6 Dazu unten §22 II 6. 7 RGZ 143, 350, 352; RGZ 157, 24 f; BGH N J W - R R 1991,1441; Bork BGB AT Rn. 1586; Fiume BGB AT II § 48,2; Staudinger/Schilken § 181 BGB Rn. 13. 8 RGZ 143, 350, 352; Staudinger/Schilken §181 BGB Rn.40; MünchKomm/Schramm § 181 BGB Rn.28; Fiume BGB AT II §48,2. 9 Dazu RGZ 143,350; Fiume BGB AT II § 48,2. 10 Vgl. MünchKomm/Eickmann § 1183 BGB Rn. 9. 11 MünchKomm /Schramm § 181 BGB Rn. 13. 12 BGH N J W 1961, 724; B G H Z 38, 26, 31; nicht aber Willensbildung bei den laufenden Geschäften der Gesellschaft oder des Vereins, Staudinger/Dilcher § 181 BGB Rn. 12; Staudinger/Schilken § 181 BGB Rn. 22; Soergel/Leptien § 181 BGB Rn. 19; Erman/Palm § 181 BGB Rn. 6; BGH WM 1976,1539; B G H Z 65, 93,96 ff.; Fiume BGB AT 1/1 § 14 IX; Jaeger, Reduktion, S. 143 ff. 13 Hübner BGB AT Rn. 1330; Staudinger/Schilken § 181 BGB Rn. 14.
§22.
Regeln zur Behandlung
von Pflichtenkollisionen,
Teil 4
509
3. Ausnahmen von der Machtbeschränkung des § 181 BGB § 181 B G B kennt zwei Ausnahmen von seiner Beschränkungswirkung für die Vertretungsmacht: Das Vorliegen einer Gestattung und die ausschließliche Erfüllung einer Verbindlichkeit durch das Insichgeschäft.
a) Gesetzliche Gestattung Eine Gestattung kann durch Rechtsgeschäft oder Gesetz erfolgen. Gesetzliche Gestattungen sind beispielsweise in §§ 125 Abs. 2 Satz 2 H G B , 78 Abs. 4 Satz 1 A k t G , 2 5 Abs. 3 GenG enthalten. Letztlich ist auch § 181 Hs. 2 B G B (ausschließliche Erfüllung einer Verbindlichkeit), eine solche gesetzliche Gestattung. Sie soll nur die Erfüllung, § 362 Abs. 1 B G B , nicht hingegen Erfüllungssurrogate 15 erfassen, weil es sich bei diesen nicht ausschließlich um eine Erfüllung handelt 16 und auf diese Weise dem Vertretenen ein unliebsames Surrogat aufgedrängt werden könnte. Nach zutreffender Auffassung 17 wird man jedoch die Aufrechnung als Erfüllungssurrogat zuzulassen haben, weil der Vertreter in diesem Fall auch das Geschuldete an sich selbst leisten könnte, ohne seine eigene Schuld gleichzeitig zu erfüllen, wodurch der Vertretene schlechter stünde als bei der Aufrechnung; das gilt freilich nicht, wenn dem Vertretenen eine Einrede zusteht und der Vertreter dann gewissermaßen für den Vertretenen auf die Erhebung der Einrede verzichtet, denn dann handelt es sich nicht ausschließlich um eine Erfüllung. 18
14 Dafür im Einzelfall B a y O b L G B a y O b L G Z 1961, 1; für eine Analogie: Erman/Palm §181 B G B R n . 4 ; MünchKomm/Sc/>ramm §181 B G B R n . 4 0 ; Soergel/Leptien §181 B G B Rn. 23; Soergel/Zimmermann § 1795 B G B Rn. 15, der mit § 1795 Abs. 1 Nr. 3 B G B argumentiert, der ebenfalls Prozeßhandlungen erfaßt; ohne § 181 B G B kommen andere aus, weil das Verbot schon aus den Zweiparteienprinzip, Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 4 0 III 1, oder der ProzeßhandlungsVoraussetzung der ordnungsgemäßen Vertretung folge, StaudingerlSchilken §181 B G B Rn. 27 und Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstrekkungsrecht, § 13 IV 7. 15 Flume B G B AT II § 4 8 , 6; Enneccerus/Nipperdey B G B AT § 181 III; Soergel/Leptien §181 B G B Rn.43. 16 MünchKomm/Schramm § 181 B G B Rn. 58. 1 7 Münch Komm/Schramm § 181 B G B Rn. 57; Flume B G B AT II § 4 8 , 6 ; Staudinger/Schilken § 181 B G B Rn. 62; differenzierend: Enneccerus/Nipperdey B G B AT § 181 III; a.A. Soergel/Leptien § 181 B G B Rn. 43. 18 MünchKomm /Schramm § 181 B G B Rn. 57; Soergel/Leptien § 181 B G B Rn. 43; Hübner B G B AT Rn. 1332.
510
Teil 4: Interessenkonflikte
b) Rechtsgeschäftliche
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
Gestattung
Bei der rechtsgeschäftlichen Gestattung handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. 19 Sie soll eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel des § 181 BGB erzeugen und erweitert entgegen dem insoweit dispositiven § 181 BGB also den Umfang des Machtmittels Vollmacht. Ihr Vorliegen ist nach den üblichen Methoden zu ermitteln. Deshalb kann es auch konkludente Gestattungen geben, es geht jedoch zu weit, eine „stillschweigende Gestattung" immer dann anzunehmen, wenn im konkreten Fall kein gefährlicher Interessenkonflikt vorliegt. Diese Variante würde zwar eine „materialisierende" Korrektur des formal anknüpfenden § 181 BGB auf der Rechtsgeschäftsebene ermöglichen, sie ist jedoch nicht mit den Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre zu vereinbaren. Entscheidend ist, daß der zu schützende Vertretene das Risiko eines Interessenkonflikts „unzweifelhaft" 20 übernommen und dies auch in Richtung auf den Vertreter geäußert hat. 21 Davon kann jedenfalls etwa dann ausgegangen werden, wenn das angestrebte Vertretergeschäft nur als Insichgeschäft denkbar ist. 22 Die Gestattung kann vor Vornahme des Vertretergeschäftes in Form einer Einwilligung erteilt werden, es genügt jedoch auch eine nachträgliche Genehmigung, 23 soweit man der zutreffenden Auffassung folgt, § 181 BGB führe nicht zur Nichtigkeit, sondern lediglich zur schwebenden Unwirksamkeit des Vertretergeschäftes. Soweit der Vertreter darlegen kann, daß sich aus der Durchführung des Vertretergeschäftes als Insichgeschäft keinerlei Nachteile für den Vertretenen ergeben haben, mag der Vertretene in einzelnen Fällen aus § 242 BGB zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet sein. Die Gestattungserklärung ist vom Vertretenen abzugeben, bei Organvertretern wird die Gestattung durch Satzung 24 oder das entsprechende Kontrollorgan, 25 ausgesprochen. Für postmortale Vertreter kann sie sich auch aus einer letztwilligen Verfügung ergeben.26 Gesetzliche Vertreter, also etwa Eltern oder
19 Vgl. nur Larenz/Wolf BGB AT § 4 6 Rn.131; MünchKomm/ScAramm §181 BGB Rn.45. 2 0 RGZ 51, 427 verlangt zurecht, daß die Gestattung „unzweifelhaft aus den Umständen hervorgehen" muß. 21 Staudinger!Schilken §181 BGB Rn.51; MünchKomm/Schramm §181 BGB Rn.48; Flume BGB A T II § 4 8 , 6 . 2 2 RGZ 73, 415; LG Kassel DNotZ 1958, 429; MünchKomm/Schramm § 1 8 1 BGB Rn.41 f. 23 RGZ 5 6 , 1 0 4 , 1 0 7 f ; RGZ 119,114,116; B G H Z 6 5 , 1 2 3 , 1 2 5 f. 24 RGZ 8 0 , 1 8 0 , 1 8 3 ; B G H Z 87,59. 2 5 Aufsichtsrat, Gesellschafterversammlung, Mitgliederversammlung, vgl. B G H Z 87,59, 60; Altmeppen N J W 1995,1182; Soergel/Leptien § 181 BGB Rn. 36; StaudingerlSchilken § 181 BGB Rn. 53. 2 6 B G H Z 30,67,69; Pawlowski BGB A T Rn. 791a.
§22. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen, Teil 4
511
Vormünder, können niemals in den Genuß einer solchen Gestattung kommen, 2 7 weil nicht vorgesehen ist, daß das Vormundschaftsgericht eine entsprechende Befreiung erteilen kann; das Gericht ist nämlich nicht zur Vertretung des gesetzlichen Vertreters berufen. Es ist deshalb nicht zutreffend, wenn zum Teil 2 8 behauptet wird, ein Vormund könne vom Vormundschaftsgericht zwar nicht vom Verbot des Selbstkontrahierens, wohl aber von dem der Mehrvertretung befreit werden, soweit das dem Interesse aller Mündel entspreche.
4. Beschränkung
und Ausweitung des §181
BGB
Mit dem formalen Konzept der abschließenden Aufzählung lediglich zweier Konstellationen, in denen typischerweise solche Interessenkonflikte auftreten, bleibt die Norm hinter der gesetzgeberischen Intention, den Vertretenen vor konfliktbedingten Schädigungen zu bewahren, teilweise zurück und schützt den Vertretenen umgekehrt in manchen Fällen auch dann, wenn ein gefährlicher Interessenkonflikt nicht gegeben ist. Deshalb muß erwogen werden, ob der Anwendungsbereich nicht einerseits auf Fälle des Vorliegens eines gefährlichen Interessenkonflikts zu beschränken ist, andererseits jedoch auch auf andere als die genannten Konstellationen ausgedehnt werden kann.
a) Normzweckbedingte Einschränkungen § 181 B G B geht zwar seinem Normzweck nach auf die aus Interessenkonflikten/Pflichtenkollisionen resultierenden Gefahren zurück. Die Norm fordert ihrem Wortlaut nach jedoch eindeutig nicht, daß im Einzelfall die Gefahr eines durch einen Interessenkonflikt in der Person des Vertreters bedingten pflichtwidrigen Gebrauches der Vertretungsmacht tatsächlich besteht. 29 Die Norm knüpft vielmehr lediglich an das Vorliegen eines Insichgeschäfts in Form des Selbstkontrahierens oder der Mehrvertretung an. Das liegt zum einen daran, daß die Gefahr eines pflichtwidrigen Gebrauchs der Vertretungsmacht in diesen Fällen typischerweise besteht, 30 vor allem jedoch ist diese vom Interessenkonflikt im Einzelfall abstrahierende Fassung des § 181 B G B der Verkehrssicherheit 2 7 RGZ 71, 162 ff.; B G H Z 21, 229, 234; Medicus BGB AT Rn.957ff.; MünchKomm/ Schramm §181 BGB Rn.55; Staudinger/Schilken §181 BGB Rn.57; Pawlowski BGB AT Rn. 794; Gernhuber/Coester-Waltjen §61 III 1; MünchKomm /Schwab §1795 BGB Rn. 19; a.A. Erman/Holzhauer § 1795 BGB Rn. 7. 28 Larenz/WolfBGÜ AT § 46 Rn. 132; Enneccerus/Nipperdey BGB AT § 181 II 1; Soergel/ Leptien §181 BGB Rn.42; a.A. U. Hühner, Interessenkonflikt, Rn. 155 ff.: Auch Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens möglich. 2 9 Vgl. Bork BGB AT Rn. 1592; Flame BGB AT II § 48,1; Staudinger/Schilken § 181 BGB Rn. 4. 3 0 Prot. I,S. 352 ff.
512
Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
geschuldet. 31 Es handelt sich nach allgemeiner Auffassung 32 bei § 181 BGB um eine „formale Ordnungsnorm" oder „rigorose Ordnungsvorschrift". Nachdem im Rahmen des § 181 BGB kein Verfahren zur Verfügung steht, durch das materielle Kriterien formalisiert werden 33 könnten, verbietet sich deren Anwendung. Deshalb ist ein Abstellen auf den Einzelfall 34 nicht möglich und eine normzweckbedingte Einschränkung des § 181 BGB kann also allenfalls wiederum nach generell-abstrakten 35 Fallgruppen erfolgen, in denen typischerweise, nicht im Einzelfall, 36 ein Interessenkonflikt nicht vorliegt, weil nur auf diese Weise den Normzwecken des sowohl Gefährdungsschutzes als auch der Rechtssicherheit gleichermaßen Rechnung getragen werden kann. § 181 BGB soll nach Auffassung der Rechtsprechung also dann nicht greifen, wenn „für einen ganzen in sich abgegrenzten Rechtsbereich [...] nach der Rechts- und Interessenlage, wie sie dort typischerweise besteht, die Zielsetzung des § 181 niemals zum Zuge kommen kann". 37 Anerkannt sind die Fallgruppen, der Schenkung an Minderjährige oder der Geschäfte zwischen der GmbH und ihrem Alleingesellschafter. 38 Das Konzept der Reduktion des Anwendungsbereiches unter Rücksichtnahme auf die beiden Normzwecke des Vertretenenschutzes und der Rechtssicherheit erscheint methodologisch durchaus tragbar, 39 denn in Fällen, in denen kein Konflikt vorliegt und durch abstrakt-generelle Betrachtung auch der Rechtsverkehr geschützt wird, reicht der Anwendungsbereich des § 181 BGB über die vom Gesetzgeber bezweckte Reichweite hinaus, so daß eine unbedingte Bindung an den Gesetzeswortlaut nicht mehr besteht und eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches nach formalen Kriterien also zulässig wird. 4 0 Die nach Einführung des § 35 Abs. 4 GmbHG verbliebene Fallgruppe der Schenkung an Min31 Prot. I, S. 174 f: Kommissionsmehrheit unter Ablehnung eines Antrags von Jacubezky, genauso Jäger, Reduktion, S. 21 ff.; Staudinger/Schilken §181 BGB Rn. 4 f.; Soergel/Leptien §181 BGB Rn. 4; UünchKomm/Schramm §181 BGB Rn.3; Schubert WM 1978, 290; BlomeyerAcP 172,1 ff. 32 BGHZ 21,229 231; BGHZ 50, 8,11; BGHZ 91, 334, 335ff.; BAG FamRZ 1969, 535f; MünchKomm/Schramm §181 BGB Rn.3; Bork BGB AT Rn.1587; Hühner BGB AT Rn. 1323 f.; Larenz/WolfBGB AT § 46 Rn. 125 f.; Medicus BGB ATRn. 961; Staudinger/Schilken § 181 BGB Rn. 7; Honseil JA 1977, 55; a. A. Brox BGB AT Rn. 544. 33 Dazu auch oben § 19 III. 34 So aber Staudinger/Dilcher § 181 BGB Rn. 5. 35 BGHZ 75,358. 36 So aber Brox BGB AT Rn. 544; Erman/Palm § 181 BGB Rn. 2. 37 BGHZ 56,97,102 f. 38 BGHZ 56,97,102f; BGHZ 59,236,239; BGHZ 94,232,235 sowie BGHZ 59,236ff.; BGHZ 64, 72 ff.; anders nach Änderung des § 35 Abs. 4 GmbHG: BGHZ 87, 59,62; Larenz/ Wo//BGB AT §46 Rn. 133 ff.; Rüthers/Stadler BGB AT Rn.507; Staudinger/Schilken § 181 BGB Rn. 30f; Soergel!Leptien §181 BGB Rn.27; HK/Dörner % 181 BGB Rn. tt; Jauernig/ Jauernig $ 181 BGB Rn.6f 39 Bork BGB AT Rn. 1592; Larenz/WolfBGB AT § 46 Rn. 134; anders Flume BGB AT II §48,1 und 5; Boehmer, Grundlagen II 2, S.51. 40 Vgl. dazu unten §34 VII.
§22. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen, Teil 4
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derjährige ist nach zutreffender Auffassung 41 jedoch nicht anzuerkennen. Bei Schenkungen an Minderjährige muß ein Pfleger bestellt werden, der den insoweit verhinderten gesetzlichen Vertreter ersetzt, § 1909 Abs. 1 B G B , wenn die Schenkung über das gesetzlich Gestattete, also vor allem die Erfüllung von Unterhaltsverpflichtungen, hinausgeht. Das verhindert Verwischungen, etwa das stillschweigende Rückgängigmachen von „Schenkungen" durch die Eltern, die nicht dem Kind, sondern der Steuerersparnis zugutekommen sollten. 42 Derartige Fälle haben jüngst wieder an Aktualität gewonnen, als BAföG-Empfänger mit Betrugsvorwürfen konfrontiert wurden, weil sie eigenes Vermögen nicht korrekt deklariert hatten, das ihnen ihre Eltern - oftmals ohne ihr Wissen - „geschenkt" hatten. Überdies beschert diese Ausnahmegruppe Probleme bei Grundstücksschenkungen durch Eltern an ihre Kinder, die dann gemeinhin mit einer nicht zu begründenden, weil gegen den Trennungsgrundsatz verstoßenden „Gesamtbetrachtung" von schuldrechtlichem und dinglichem Geschäft bewältigt werden. Im Bereich des Gesellschaftsrechts hat sich mit Gesellschafter- und Mitgliederbeschlüssen bezüglich der laufenden Geschäftsführung jedoch inzwischen eine neue Fallgruppe herausgebildet, 43 die aus dem Anwendungsbereich des § 181 B G B herausgenommen werden kann. Anderes als bei Satzungsänderungen, bei denen es im Falle einer Mehrvertretung bei Stimmabgabe durchaus zu einem Interessenkonflikt in der Person des Stimmrechtsvertreters kommen kann, wird bei laufenden Geschäften die Verfolgung des Gesellschaftszwecks im Vordergrund stehen. 44
b) Erweiterungen auf andere Konfliktfälle Umgekehrt stellt sich die Frage, ob über die beiden in § 181 B G B genannten Fälle hinaus andere gefährliche, weil konfliktträchtige Konstellationen erfaßt werden können. Diskutiert werden einmal mittelbare oder „getarnte" 45 Insichgeschäfte, bei denen die Erfüllung der Voraussetzungen des § 181 B G B durch Einschaltung eines Unterbevollmächtigten oder Strohmanns verhindert wird. Zum anderen wird die Anwendung des § 181 B G B auch auf andere Problemfälle, etwa das Abschließen eines Bürgschaftsvertrages seitens des Vertreters für einen eigenen Kredit, erwogen. Könnte man derlei Geschäfte mit Drittbeteiligung unter § 181 B G B fassen, so wäre der Weg zu anderen Fällen des „Mißbrauchs der Vertretungsmacht" nicht mehr allzu weit. Dabei darf allerdings Pawlowski BGB AT Rn. 795; zum Problem auch Schubert WM 1978,290. Pawlowski BGB AT Rn. 795. 43 Zur Beschlußfassung eingehend unten § 26. 4 4 B G H Z 65, 93; BGH N J W 1976, 1538, 1539; BGH N J W 1989, 168; MünchKomm/ Schramm § 181 BGB Rn. 19ff.; Staudinger/Schilken § 181 BGB Rn.25; Soergel/Leptien § 181 BGB Rn. 20; Flume BGB AT 1/1 § 7 V 8; Kuntze JR 1975,45,46. 45 Böhmer, Grundlagen II/2, S. 62. 41 42
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Teil 4: Interessenkonflikte
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nicht übersehen werden, daß die Rechtssicherheit durch Erweiterungen des Anwendungsbereichs erheblich stärker betroffen würde als durch eine Restriktion. Die beiden Normzwecke des § 181 BGB gestatten wiederum allenfalls eine Ausweitung des Anwendungsbereiches nach Fallgruppen. Die Fallgruppe der Bestellung eines Untervertreters oder Strohmanns zu Umgehungszwecken wird dabei vielfach unter § 181 BGB gefaßt. 46 Dieses Vorgehen sei nämlich lediglich ein Kunstgriff, denn der Vertreter bleibe als Vollmachtgeber des Untervertreters an dem Geschäft beteiligt. Dem ist zuzustimmen, allerdings ist zu beachten, daß in Untervertretungsfällen immer zunächst einmal zu prüfen ist, ob die Bevollmächtigung auch die Vollmacht zur Erteilung einer Untervollmacht enthält. Zudem kann ein Stellvertreter nicht eine Legitimation, die ihm selbst nicht zusteht, auf einen anderen übertragen und so mittelbar seine eigene Legitimation erweitern. 47 Im übrigen geht es bei diesen Fällen nicht um eine Ausweitung des Anwendungsbereiches von § 181 BGB, sondern darum, daß derlei Sachverhalte, die nur zur zielgerichteten Umgehung 48 der nachteiligen Norm des § 181 BGB geschaffen wurden, trotzdem unter diese N o r m gefaßt werden. 49 Es bedarf also keiner Analogie auf Grundlage einer vergleichbaren Konflikt- und Gefährdungssituation. 50 Ein über allgemeine Lehren hinausgehender Umgehungsschutz müßte, wie dies in §§1795 BGB oder 89 Abs. 3 AktG für die Einschaltung von Familienmitgliedern geschehen ist, vom Gesetzgeber angeordnet werden. Zum Teil51 wird auch eine Ausweitung des Anwendungsbereichs von § 181 BGB auf Geschäfte mit Drittkontakt postuliert, in denen der Vertreter im Namen des Vertretenen eine Sicherheit für einen eigenen Kredit bestellt. Es würden nicht nur Geschäfte „mit", § 181 BGB, sondern auch „für" den Vertreter erfaßt. Uberwiegend 52 wird diese Auffassung zu Recht abgelehnt, weil solche Fälle mit 46
B G H Z 64, 72, 74 ff.; Hühner BGB AT Rn. 1328; Flume BGB AT II § 48, 4; Staudinger/ Schilken §181 BGB Rn.36; Larenz/Wolf BGB AT §46 Rn. 140; Härder AcP 170, 295, 301; Blomeyer AcP 172,15 ff.; anders noch das Reichsgericht in RGZ 157,32; Soergel!Leptien sehen im Grunde sogar einen unmittelbaren Anwendungsfall des § 181 BGB. 47 B G H Z 64, 72, 74; B G H Z 91,334; Soergel/Leptien § 181 BGB Rn. 29. 48 Diesen Gedanken hebt RGZ 157,24,32 hervor. 49 Vgl. dazu allgemein Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 50 ff. 50 So jedoch MünchKomm/Schramm § 181 BGB Rn. 10 und 24; der Unterschied zur Umgehungsargumentation wird allenfalls dann virulent, wenn ein Untervertreter oder Strohmann nicht anläßlich des konkreten Geschäftes bestellt wird, sondern auch anderweitig für den nach § 181 BGB beschränkten Vertreter tätig ist. Auch hier kann jedoch in der grundlosen, weil den Sachverhalt verkomplizierenden Einschaltung einer weiteren Person der Umgehungstatbestand erfüllt werden. 51 StaudingerlDilcher § 181 BGB Rn. 22; U. Hübner, Interessenkonflikt, S. 195 ff., der auf ein „evidentes" Eigeninteresse des Vertreters abhebt. Genau darauf kommt es aber in § 181 BGB nicht an. 52 Vgl. etwa Soergel/Leptien § 181 BGB Rn.24; Flume BGB AT II §48, 5; Pawlowski
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der Figur des „Mißbrauchs der Vertretungsmacht" 53 erfaßt werden können, die Interessen des Rechtsverkehrs besser schützen kann, weil diese mit materiellen Kriterien arbeitende Rechtsfigur zwar kein Formalisierungsverfahren zur Verfügung stellt, aber immerhin einen bestimmten Kenntnisstand des Geschäftspartners fordert, während die Regelung des § 181 nicht auf Geschäfte mit Drittkontakt zugeschnitten ist. Der Gesetzgeber selbst hat diesen Weg mit der Änderung des § 35 Abs. 4 GmbHG gewiesen.54 Der unmittelbare Drittbezug dieser Sicherungsgeschäfte fordert andere Kriterien für eine Beschränkung der Vertretungsmacht als sie § 181 BGB liefern kann, der gerade ausschließlich Geschäfte ohne unmittelbaren Drittbezug erfaßt. 55 Die am weitesten reichende Lösung hat Ulrich Hübner entwickelt. Er sieht in einigen Urteilen, 56 in denen der BGH eine normzweckbedingte Korrektur des § 181 BGB nach Fallgruppen praktiziert, ein „Revirement der Rechtsprechung" 57 gegen eine „Bastion des Positivismus und Formalismus" und fordert eine einzelfallbezogene Anwendung des § 181 BGB. 58 Diese plakative Aussage Hühners trifft freilich nicht zu, vielmehr hat sich gerade der BGH 5 9 in der Folge gegen eine Ausweitung des Anwendungsbereichs nach Kriterien des Einzelfalls ausgesprochen. Hühner hingegen geht zwar von dem zutreffenden Ansatz aus, daß sich der Gesetzgeber deshalb für § 181 BGB in der heutigen Fassung entschieden habe, weil ansonsten die Rechtssicherheit gefährdet werde. 60 Er behauptet jedoch, die Norm solle also Gefahren vorbeugen, die, wenn man mehr auf den ordnungsgemäßen, interessengerechten Charakter des Insichgeschäfts im Einzelfall abstellte, wegen der Unerkennbarkeit für Dritte entstünden. 61 Entscheidend sei deshalb immer die Frage, in wie weit das Insichgeschäft publik werden müsse.62 Eine Ausdehnung auf andere Konfliktfälle über das Insichgeschäft hinaus erscheine deshalb nicht allzu problematisch, größere Schwierigkeiten bereiteten Geschäfte mit unmittelbarem Drittkontakt. 63 Hier sei auf den Einzelfall zu sehen.
BGB AT Rn. 794; Enneccerus/Nipperdey BGB AT § 181 III 3; Latenz/Wolf BGB AT §46 Rn. 141. 53 Dazu eingehend unten §31. 54 Pawlowski BGB AT Rn. 794. 55 /"eger, Reduktion, S. 79 ff. 56 B G H Z 51,209,216; B G H Z 56,97; B G H Z 59,236. 57 Hübner, Interessenkonflikt, S. 7. 58 Hühner, Interessenkonflikt, S. 8. 59 B G H Z 91,334,335 ff. 60 Prot. I, S. 174 f; s.a. Prot. I, S. 353; im ersten Entwurf hatte es eine derartig umfassende Vorschrift noch nicht gegeben, vgl. dazu auch Mot. I, S. 224. 61 Hübner, Interessenkonflikt, S. 14 f. 62 Hübner, Interessenkonflikt, S. 20. 63 Hübner, Interessenkonflikt, S. 25 ff.
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Teil 4: Interessenkonflikte
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Dem ist mit Blick auf die Gesetzgebungsmaterialen 64 zu widersprechen, aus denen sich klar ergibt, daß es dem Gesetzgeber allein auf die Gefahr von Interessenkonflikten zum Nachteil des Vertretenen und nicht auf das Publikwerden des Insichgeschäfts angekommen ist. 65 Hübner jedoch untersucht trotzdem, welche Gefahren für Dritte entstünden, wenn man bei der Anwendung des § 181 BGB den Einzelfall betrachte; dabei marginalisiert er das Problem des Verkehrsschutzes, in dem er behauptet, dieser sei lediglich Reflex, 66 nicht hingegen Normzweck des § 181 BGB. In der Tat ist Normzweck des § 181 BGB zunächst der Schutz des Vertretenen von Gefahren, die aus Interessenkonflikten resultieren. Die formalisierende Funktionsweise des § 181 BGB, der auf das Vorliegen eines Interessenkonflikts im konkreten Fall gerade nicht abhebt, ist jedoch gerade der Verkehrssicherheit geschuldet. 67 Anders läßt sich das Vorgehen des Gesetzgebers nicht schlüssig begründen, das bei bloßer Orientierung am Vertretenenschutz eigenartig anmuten müßte. Auch in anderen Bereichen, nämlichen bei den bereits erörterten (umfassenden) Inhabilitätsregelungen, 68 hat der Gesetzgeber aus Verkehrsschutzgründen eine formale Anknüpfung gewählt, so daß sich auch aus der Zusammenschau der Regelungen ergibt, daß allein eine Anwendung nach formalen Kriterien § 181 BGB gerecht wird, weil ein Formalisierungsverfahren für materielle Kriterien nicht zur Verfügung steht. Wenn der Gesetzgeber zu Recht eine verkehrsschützende Typisierung vorgenommen hat, so kann bei § 181 BGB keine „wertungsjuristische Auflockerung" 69 geschehen. Das Gesetz verbietet derlei gerade und schränkt so den üblichen Kanon an Auslegungs- oder Rechtsfortbildungsinstrumenten ein. Der Gesetzeswortlaut mit seiner Aufzählung zweier Fallgruppen deutet zwar nicht darauf hin, ob diese Fallgruppen einer Erweiterung zugänglich oder abschließend gemeint sind, macht aber den gesetzgeberischen Willen zur verkehrsschützenden Typisierung unmißverständlich deutlich, der deshalb den Rechtsanwender bindet. Damit bleibt festzuhalten: § 181 BGB kann nur nach Fallgruppen beschränkt oder erweitert werden, wobei eine Erweiterung auf Fälle mit unmittelbarem vertraglichem Drittkontakt (z.B. Sicherungsfälle) nicht in Betracht kommt. Uber die Anwendung des § 181 BGB auf typische Umgehungssachverhalte 70 (Strohmann, Untervertreter) hinaus auf Grundlage allgemeiner Regeln zur Ver-
64 65 66 67 68 69 70
Prot. I,S. 352 ff. Zutreffend Bork BGB AT Rn. 1585. Hübner, Interessenkonflikt, S. 18. Jäger, Reduktion, S. 21 ff.; Staudinger/Schilken § 181 BGB Rn. 4 f. Dazu oben § 19. Boehmer, Grundlagen II/2, S. 66. Vgl. dazu Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 56 und 136 ff.
§22. Regeln
zur Behandlung
von Pflichtenkollisionen,
Teil 4
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hinderung von Gesetzesumgehungen ist der Anwendungsbereich des § 181 BGB gegenwärtig nicht zu verändern.
5. Anwendung des § 181 BGB auf andere
Legitimationen
§ 181 BGB ist aufgrund seiner systematischen Stellung im Gesetz jedenfalls für rechtsgeschäftlich bestellte und gesetzliche Vertreter anwendbar. Nach zutreffender Auffassung gilt er auch für Organe, 71 ohne daß es hierfür einer Analogie 72 bedürfte, weil Organe ebenfalls als Vertreter anzusehen sind. Daneben wird nach § 181 BGB zurecht auch auf andere treuhänderische Machtmittel angewandt, soweit diese Legitimationscharakter haben, nämlich Verwalter fremden Vermögens kraft Amtes, 73 also Testamentsvollstrecker, 74 Nachlaßverwalter 75 oder Insolvenzverwalter, 76 weil sich hier eine vergleichbare Konfliktlage darbietet. 77 Hier ist, soweit man nicht der Vertretertheorie, 78 sondern der herrschenden Amtstheorie 79 folgt, jedoch eine Analogie erforderlich. 80 Geschäfte etwa zwischen Insolvenzverwalter und Masse sowie zwischen zwei verschiedenen vom Insolvenzverwalter verwalteten Massen, insbesondere bei der Insolvenz mehrerer zusammengehöriger Massen, sind damit nicht möglich. 81 Damit sind im erörterten Anwendungsbereich also sämtliche legitimationsbasierten Machtmittel in ihrer Reichweite kraft Gesetzes beschränkt. Zu beachten ist, daß der Testamentsvollstrecker nur vom Erblasser 82 eine Gestattung 71 BGHZ 33,189; BGH WM 1967,1164; Hübner BGB AT Rn. 1329; StaudingerlSchilken § 181 BGB Rn. 19; MünchKomm/Sc^ramm § 181 BGB Rn. 37. 72 So aber BGH BB 1960, 754; BGH WM 1975, 157; BGH WM 1990, 803; Frank NJW 1974,1073; zum Konzernrecht Schneider BB 1986,201,205; Timm AcP 193,423 iL; Jäger, Reduktion, S. 181 ff. 73 Hühner BGB AT Rn. 1329. 74 BGHZ 30,67,69; BGHZ 108,21,24; anders noch RGZ 58,299; BGH NJW 1954,1036; vgl. auch MünchKomra/Schramm §181 BGB Rn. 32; Kipp/Coing §68 V 2; StaudingerlReimann vor §§2197ff. BGB Rn. 15 und §2205 BGB Rn.59ff.; Coing NJW 1977, 1793, 1796. Eine „Gestattung" im Sinne des § 181 BGB kann nur vom Erblasser ausgehen, es ist auszulegen, ob sie besteht, BGH NJW 1954,1036. 75 MünchlLomm/Schramm §181 BGB Rn.38; Soergel/Leptien §181 BGB Rn.33; Staudinger/Schilken § 181 BGB Rn. 39. 76 BGHZ 113, 262, 270; Soergel/Leptien §181 BGB Rn.33; Staudinger/Schilken §181 BGB Rn. 39. 77 Staudinger/Schilken § 181 BGB Rn. 38. 78 Vgl. Hess/Weis/Wienberg vor § 56 InsO Rn. 8. 79 BGHZ 88,331, 334; MünchKomm/Grae^e?- § 56 InsO Rn. 107 ff. 80 BGH ZIP 1991,324,326; Palandt/Heinrichs § 181 BGB Rn. 3;Hess/Weis/Wienberg § 59 InsO Rn. 17; Uhlenbruck § 78 KO Rn. 9. 81 Graf/Wunsch DZWIR 2002,177,178. 82 Nach RGZ 80,416 sollen auch die Erben das wegen § 181 BGB schwebend unwirksame Geschäft genehmigen können, auch wenn das alles nicht dem Willen des Erblassers entspricht;
518
Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treubandverhältnisse
im Sinne des § 181 BGB erhalten kann, da der Erblasserwille das „höchste Leitmotiv" des Testamentsvollstreckerhandelns ist, 83 und der Erbe als Treuhandbegünstigter keinerlei Einfluß auf die Verwaltung als Belastung der ihm zugewendeten Begünstigung hat. 84
6. Familienrechtliche
Erweiterung
des §181
BGB
a) Allgemeines In familienrechtlichen Treuhandverhältnissen besteht mit § 1795 BGB eine über § 181 BGB hinausgehende Regelung zu Interessenkonflikten zwischen Treugeber und Treuhänder, in denen der Gesetzgeber regelmäßig eine pflichtwidrige Auflösung von Pflichtenkollisionen zu Lasten des Treugebers befürchtet. 85 Die Norm ordnet deshalb eine Beschränkung des treuhänderischen Machtmittels an. Es geht hier also nicht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Treuhänder, also etwa ein Betreuer, überhaupt bestellt werden darf, § 1897 BGB, oder wieder entlassen werden muß, § 1908b BGB, sondern um die Frage, wie punktuelle Konflikte, die Pflichtenkollisionen erzeugen, unter grundsätzlicher Aufrechterhaltung des Treuhandverhältnisses zu lösen sind. Mit dem Erfordernis der Beschränkung der treuhänderischen Macht geht eine Modifikation des treuhänderischen Pflichtenprogramms einher: Dem Treuhänder wird nun nicht mehr anheimgestellt, den Interessenkonflikt pflichtgemäß zu lösen, sondern er muß sich der Interessenwahrnehmung enthalten und die Interessenwahrnehmung durch einen anderen Treuhänder, der an seine Stelle tritt, nämlich den Ergänzungspfleger, § 1909 Abs. 1 BGB, 86 ermöglichen. Die Interessenwahrnehmungspflicht konkretisiert sich also beispielsweise auf die hierfür erforderliche Anzeige, § 1909 Abs. 2 BGB.
das erscheint angesichts der Stellung des Erblassers als Treuhandbegründer fragwürdig, in diese Richtung auch v. Lühtow JZ i960,157; Palandt/Edenhofer § 2205 BGB Rn. 30; SchiedsricUedReimann § 2205 BGB Rn. 62. 83 Weidlich, Stellung, S. 50. 84 Dazu oben § 14. 85 Vgl. z.B. Mot. IV, 1088. 86 Bei Betreuung ist ein Mitbetreuer zu bestellen, § 1899 BGB.
§ 22. Regeln zur Behandlung b) Regelungsgehalt
des § 1795
von Pflichtenkollisionen,
Teil 4
519
BGB
§ 1795 B G B b e g r e n z t 8 7 als „familienrechtliche E r w e i t e r u n g des § 181 B G B " 8 8 die Vertretungsmacht der beider 8 9 E l t e r n , 9 0 des V o r m u n d s , des Pflegers 9 1 oder des B e t r e u e r s 9 2 bei Vorliegen der in § 1795 Abs. 1 N r . 1 - 3 B G B abschließend aufgezählten Konstellationen. D a r ü b e r hinaus bleibt § 181 B G B anwendbar, § 1795 Abs. 2 B G B . Z u beachten ist jedoch, daß eine G e s t a t t u n g im Sinne des § 181 B G B nicht in B e t r a c h t k o m m e n kann, weil solches auch in § 1795 Abs. 1 B G B nicht vorgesehen ist. 9 3 § 1795 Abs. 1 B G B zählt ebenso formal anknüpfend wie § 181 B G B Konstellationen auf, in denen es typischerweise zu Interessenkonflikten mit Gefahren für K i n d oder Mündel k o m m t . D a s sind z u n ä c h s t G e schäfte, die E l t e r n oder V o r m u n d in Vertretung des K i n d e s / M ü n d e l s mit bes t i m m t e n ihnen nahestehenden Personen (Ehegatte, Lebenspartner, V e r w a n d t e r in gerader L i n i e ) 9 4 schließen und die nicht ausschließlich der E r f ü l l u n g einer Verbindlichkeit dienen, § 1795 Abs. 1 N r . 1 B G B . E r f a ß t werden z u d e m auch sämtliche Rechtsgeschäfte, die mit akzessorischen Sicherheiten 9 5 gesicherte F o r d e r u n g e n des Kindes gegen den Elternteil oder V o r m u n d z u m G e g e n s t a n d
8 7 Folge ist, wie bei § 181 B G B , ein Handeln ohne Vertretungsmacht und also schwebende Unwirksamkeit des jeweiligen Geschäftes, vgl. nur BayObLG FamRZ 1960, 33; Staudinger/ Engler § 1795 B G B Rn. 35; Staudinger/Peschel-Gutzeit § 1629 B G B Rn. 312. 88 Soergel/Zimmermann § 1795 B G B vor Rn. 20. 8 9 Nach gängiger Auffassung schließt ein Eingreifen der §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 B G B die elterliche Vertretungsmacht insgesamt aus, B G H N J W 1972,1708; MünchKomm///»^er §1629 B G B Rn.42; Soergel/Strätz §1629 B G B Rn.25; Staudinger/Peschel-Gutzeit §1629 B G B Rn. 315 ff. Das ergibt sich daraus, daß § 1629 Abs. 2 Satz 1 B G B den „Vater und die Mutter" erwähnt und vor allem § 1678 Abs. 1 B G B , der ein Fortbestehen der elterlichen Sorge beim anderen Elternteil regelt, Fälle des § 1629 Abs. 2 Satz 1 B G B nicht erfaßt. 9 0 §§ 1629 Abs.2Satz 1 , 1 7 9 5 B G B . 91 §§1915 Abs. 1,1795 B G B . 9 2 §§1908i Abs. 1,1795 B G B . 93 RGZ 71, 162,169; B G H Z 21, 229, 234; Gernhuber/Coester-Waltjen % 61 III 1; MünchKomm/Schwab § 1795 B G B Rn. 19; a.A. Erman/Holzhauer § 1795 B G B Rn. 7. 9 4 Hierbei handelt es sich um eine abschließende Aufzählung, allerdings wird man bei anderen nahestehenden Personen, insbesondere nichtehelichen oder nichteingetragenen Lebensgefährten vermuten können, daß deren Interesse und das Interesse des Vormunds gleichlaufen, so daß ein Beschluß des Vormundschaftsgerichts nach § 1796 B G B in Betracht kommt, dazu gleich unten § 23. 9 5 Nach zutreffender Auffassung wird diese Norm auch auf nichtakzessorische Sicherheiten wie Grundschuld oder Sicherungseigentum anzuwenden sein, wenn durch sie eine Forderung des Mündels gegen den Vormund gesichert wird, vgl. nur Soergel/Zimmermann § 1795 B G B Rn. 36; Ermann/Holzhauer §1795 B G B Rn.12; MünchKomm/Sc/m^ §1795 B G B Rn. 31; a.A. Staudinger/Engler § 1795 B G B Rn.27. Sicherungsgrundschuld und Sicherungsübereignung haben in der Rechtspraxis Hypothek und Pfandrecht weitgehend verdrängt, so daß § 1795 Abs. 1 Nr. 2 B G B leerliefe, wenn man ihn nicht auf derlei Sicherheiten mit „schuldrechtlicher Akzessorietät" anwenden würde, von deren Bedeutungszunahme und typischer „schuldrechtlich akzessorischer" Ausgestaltung durch die Kautelarpraxis der historische Gesetzgeber nicht ausgehen konnte.
520
Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
haben, § 1795 Abs. 1 Nr. 2 BGB. In § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB ist schließlich bestimmt, daß der Elternteil oder Vormund das Kind/Mündel in bestimmten Rechtsstreitigkeiten nicht vertreten kann. Es kommt jeweils nicht darauf an, ob die Kindesinteressen tatsächlich konkret gefährdet sind. 96 Der Gesetzgeber geht hier, wie in § 181 BGB, 9 7 von typisierten Gefährdungslagen aus, 98 um der Rechtssicherheit Genüge zu tun. § 1795 Abs. 1 BGB ist unter den gleichen methodischen Erwägungen einer Erweiterung oder Beschränkung seines Anwendungsbereiches nach Fallgruppen zugänglich wie §181 BGB. 9 9 Im Familienrecht läßt sich hierfür zusätzlich die Existenz des § 1796 BGB anführen, der materielle Kriterien anlegt, die jedoch im Wege einer Gerichtsentscheidung formalisiert werden müssen. 100 Greift § 1795 Abs. 1 BGB, so entfällt die gesetzliche Vertretungsmacht beider Eltern 101 oder des Vormunds ohne weiteres, so daß das Kind oder Mündel ohne gesetzlichen Vertreter ist und also ein Ergänzungspfleger bestellt werden muß, § 1909 Abs. 1 BGB, der insoweit die Interessen des Kindes/Mündels an Stelle der Eltern oder des Vormunds als Treuhänder wahrnimmt. Dieser erhält damit sowohl die Befugnis, im Interesse des Treugebers zu entscheiden, als auch diese Entscheidung durch Ausübung oder Nichtausübung seines Machtmittels, der Einwilligungsbefugnis, in Geltung zu setzen. Die Eltern können zwar eine geeignete Person als Ergänzungspfleger vorschlagen, diese Person muß aber freilich eine von Eltern oder Vormund unabhängige Stellung haben, §§ 1915 Abs. 1, 1779 Abs. 2 BGB bzw. 1886 BGB. Mit der Pflegerbestellung ist nämlich nicht viel gewonnen, „wenn die Gefahr der Interessenkollision sich in der Person des vorgeschlagenen Ergänzungspflegers fortsetzen kann". 102 Der Gesetzgeber hat den „Eltern die Vertretungsmacht nicht genommen, um sie mit ihnen verbundenen Personen zu geben". 103 Sähe man das anders, so liefe die Bestellung des Er-
96 BGHZ 21, 229, 230 f.; Soergel/Iimmermann § 1795 BGB Rn. 21; Staudinger/PeschelGutzeit § 1629 BGB Rn. 186. 97 Dazu oben §22 II 3 und 4. 98 Staudinger/Engler § 1795 BGB Rn. 2. 99 Soergel/Zimmermann § 1795 BGB Rn. 22 und 27ff. 100 Dazu unten §23; zur Formalisierung materieller Kriterien durch Gerichtsentscheidung oben §20. 101 Die Anwendung des § 1795 BGB soll in der Regel zum Ausschluß der elterlichen Vertretungsmacht insgesamt führen, weil die Gefährdung der Kindesinteressen gleichermaßen gegeben ist, wenn der andere Elternteil handelt, zumal auch § 1678 Abs. 1 BGB, der das Fortbestehen der Ausübung der elterlichen Sorge beim nicht verhinderten Elternteil regelt, nur Fälle der tatsächlichen Verhinderung erfaßt, BGH NJW 1972, 1708; MünchKomm///«£er § 1629 BGB Rn.42; Soergel/Strätz § 1629 BGB Rn.25; Erman/Michalski § 1629 BGB Rn. 17; wohl auch Staudinger/PeschelGutzeit § 1629 BGB Rn.259. 102 OLG Frankfurt/Main FamRZ 1997, 571. 103 BayObLG NJW 1964,2306; LG Frankfurt/Main FamRZ 1991, 736; Soergel/Damrau, BGB, 12. Aufl., § 1915 BGB, RdNr. 5.
§22.
Regeln zur Behandlung
von Pflichtenkollisionen,
Teil 4
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gänzungspflegers auf das gleiche Ergebnis hinaus, als würde bei § 181 B G B der in seiner Macht beschränkte Treuhänder einen Untervertreter bestellen. Eine Person ist etwa dann ungeeignet, wenn das Mündel Vorerbe, der Ergänzungspfleger Ersatznacherbe ist. 104
c) Versicherungsvertragsrecht Eine weitere familienrechtliche Ergänzung des § 181 B G B findet sich im Versicherungsvertragsrecht. Wird eine Lebensversicherung auf den Tod eines Dritten abgeschlossen und ist der Versicherungsnehmer gesetzlicher Vertreter dieses Dritten, so kann die für einen solchen Lebensversicherungsvertrag erforderliche Einwilligung des Dritten, § 159 Abs. 2 Satz 1 V V G , nicht durch den gesetzlichen Vertreter des Dritten erfolgen, § 159 Abs. 2 Satz 2 V V G ; dieser kann folglich auch einer Einwilligung des Dritten selbst nicht zustimmen. Vielmehr muß bei Betreuung ein zweiter Betreuer, § 1899 B G B , bei Elternschaft und Vormundschaft ein Ergänzungspfleger bestellt werden, § 1909 Abs. 1 B G B , 1 0 5 der die Einwilligung im Namen des Dritten abgibt oder verweigert. Zutreffender erschiene hier allerdings die Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht, § 1822 Nr. 5 B G B analog. 1 0 6 Die identische Regelung findet sich in § 179 Abs. 3 V V G Unfallversicherungsverträge betreffend.
7. § 112 AktG als aktienrechtliche Parallelnorm zu $ 181 BGB a) Anwendungsbereich des § 112 AktG Anders als im GmbH-Recht, wo § 181 B G B gilt, in der Satzung aber oftmals Befreiungendes Geschäftsführers vom Verbot des § 181 normiert werden, 107 tritt bei der Aktiengesellschaft, die immer über Vorstand und Aufsichtsrat verfügt, in bestimmten Fällen eine Zuständigkeitsverlagerung ein: Während grundsätzlich der Vorstand die Aktiengesellschaft vertritt, § 78 Abs. 1 AktG, vertritt sie der Aufsichtsrat bei allen Geschäften der Aktiengesellschaft mit dem Vorstand, § 112 AktG. Auf diese Weise wird der punktuelle Interessenkonflikt beseitigt, in dem sich die Vorstandsmitglieder befinden, die nicht mehr unbefangen handeln kön-
RPfleger 1977,440. Römer/Langhaid § 1 5 9 VVG Rn. 19; Prölss/Martin/Knappmann § 1 7 9 VVG R n . 6 ; Bruck/Möller/Winter, Lebensversicherung, Anm. C 29. 106 Honseil/Schwintowski § 169 VVG Rn. 15 und § 179 VVG Rn. 33; eine Analogie ist deshalb erforderlich, weil nicht der Minderjährige Versicherungsnehmer werden soll. 1 0 7 Fehlt es hieran, so bedarf es einer Genehmigung der Gesellschafter, vgl. nur B a y O b L G N J W 1 9 8 4 , 1 5 8 7 ; Rowedder/Koppensteiner § 35 GmbhG Rn. 35; MichalskULenz § 35 GmbhG Rn. 83. 104 105
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
nen, 108 wenn einzelne Vorstandmitglieder auch auf der anderen Seite an einem Geschäft der Aktiengesellschaft beteiligt sind und infolgedessen Pflichtenkollisionen entstehen können. Diese zwingende 1 0 9 Regelung tritt bei der durch Kollegialtreuhänder ausgeübten Interessenwahrnehmung für Aktiengesellschaften an die Stelle des § 181 BGB. Auch § 112 AktG knüpft wie § 181 BGB formal an, es ist also unerheblich, ob im Einzelfall tatsächlich die Interessen der Aktiengesellschaft gefährdet sind. 110 b) Rechtsfolgen Nach überwiegender Auffassung sind Geschäfte, die der Vorstand im Anwendungsbereich des § 112 A k t G für die Gesellschaft tätigt, nichtig, § 134 BGB, 1 1 1 weil ein Verstoß gegen die aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung vorliege. Das ist fraglich, handelt der Vorstand doch als Vertreter ohne Vertretungsmacht, so daß §§ 177 ff. BGB greifen und das Geschäft demnach lediglich schwebend unwirksam wäre. 1 1 2 Für diese Lösung spricht auch der Umstand, daß nicht jedes unter Verstoß gegen § 112 AktG vorgenommene Geschäft aus Sicht der Aktiengesellschaft als Treugeber interessenwidrig sein muß. Vor allem bei Alltagsgeschäften zwischen Aktiengesellschaft und Vorstandsmitglied bestünde bei Anwendung der §§ 177 ff. BGB für interessengerechte Geschäfte eine unkomplizierte Genehmigungsmöglichkeit der Aktiengesellschaft. Der Einwand, daß der Aufsichtsrat oftmals um des lieben Friedens willen Geschäfte genehmigen werde, 113 greift hiergegen nicht, denn bei einem derartigen Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Vorstand w i r d sich der Aufsichtsrat auch nicht auf die durch § 112 A k t G verursachte Nichtigkeit bestimmter Geschäfte berufen. Gegen die Lösung über §§ 177 ff. BGB w i r d allerdings eingewendet, daß die Vertretung der Aktiengesellschaft immer zunächst eine Willensbildung des entsprechenden Vertretungsorgans durch Beschluß voraussetze. 114 Die Vertretung der Aktiengesellschaft nach außen und Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis seien gleichermaßen Bestandteil der Vertretungsmacht von Kollegialorganen. 115 Hält man eine wirksame Willensbildung durch das zuständige 108 Vgl. BGHZ 103, 213, 216f.; BGHZ 130, 108, l l l f . ; KK-AktG/Aferte«j § 112 AktG Rn. 2; Hüffer § 112 AktG Rn. 1; MünchKomm/Sem/er § 112 AktG Rn. 2. 109 li.Yi-hktG/Mertens § 112 AktG Rn. 4; MünchKomm/.S>m/er § 112 AktG Rn. 3. 110 BGH AG 1991, 269; BGH NJW 1997, 2324; Hüffer § 112 AktG Rn. 3; MünchKomm/ Semler § 112 AktG Rn. 2; Semler, FS Rowedder, S. 444. 111 OLG Hamburg WM 1986, 972; KK-AktG/Mertens §112 AktG Rn.5; GK-AktG/ Meyer-Landrut §112 AktG Rn.l; Semler, FS Rowedder, S. 455 f; Stein AG 1999, 28, 31 ff.; differenzierend Hüffer § 112 AktG Rn. 7. 112 In diese Richtung auch OLG Celle BB 2002, 1438; Lutter/Krieger, Rechte, Rn.413; Werner ZGR 18,369,392 ff. 113 Semler, FS Rowedder, S. 456; Stein AG 1999,29,38114 Vgl. BGHZ 89,48,55 ff.; YJL-hktG/Mertens § 112 AktG Rn. 22 und 29. 115 Zu Problemen bei der Willensbildung in Kollegialorganen auch unten § 26.
§ 22. Regeln zur Behandlung
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Organ für eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung des mit einem Dritten getätigten Geschäfts, dann fehlt es, wenn der Aufsichtsrat keinen entsprechenden Beschluß über das Geschäft zwischen der Aktiengesellschaft und einem Vorstandsmitglied gefaßt hat, an einem wirksamen Geschäft. 116 Diese Schlußfolgerung wird zum Teil mit der Begründung gezogen, daß das jeweils zuständige Organ in seinem Zuständigkeitsbereich eine Entscheidungsprärogative für die Willensbildung der Gesellschaft habe. 117 Dagegen ließe sich freilich einwenden, daß bei natürlichen Personen die Handlungsorganisation so ausgestaltet ist, daß der natürlichen Person selbst eine umfassende Entscheidungsprärogative bei der Willensbildung zukommt. Gleichwohl kann ein Vertreter ohne Vertretungsmacht, der womöglich nicht einmal durch ein wirksames Treuhandverhältnis mit der natürlichen Person verbunden ist, seinen Willen an den Willen des zuständigen Organs setzen und durch Ausführung dieses Willens ein schwebend unwirksames Geschäft erzeugen. Dies ist jedoch nicht möglich, wenn es sich um höchstpersönliche Geschäfte handelt. Das von einem Vertreter errichtete Testament ist beispielsweise nichtig, §2064 BGB. Es wird deshalb auch nicht durch nachträgliche Genehmigung des Erblassers wirksam. 1 1 8 Für die Beurteilung eines entgegen § 112 AktG durch den Vorstand abgeschlossenen Geschäfts kommt es also auf die Frage an, ob es sich um ein dem Aufsichtsrat zwingend zugewiesenes Geschäft handelt, das mit einem höchstpersönlichen Geschäft einer natürlichen Person vergleichbar ist, oder ob der Aufsichtsrat die Angelegenheit auch übertragen kann. Eine derartige Übertragungsmöglichkeit ist nicht vorgesehen, so daß in der Tat der überwiegenden Auffassung zu folgen ist, daß ein unter Verstoß gegen § 112 AktG vom Vorstand vorgenommenes Geschäft unheilbar nichtig ist. Unzutreffend ist es, wenn § 112 AktG auch auf Geschäfte der Aktiengesellschaft mit Angehörigen eines Vorstandsmitglieds ausgeweitet wird. 119 Eine entsprechende, etwa § 1795 BGB gleichende Regelung zur Beschränkung des § 78 Abs. 1 AktG fehlt nämlich. De lege ferenda wäre eine derartige Regelung freilich wünschenswert. Gleiches gilt bei Geschäften der Aktiengesellschaft mit einem Dritten, der mit einem Vorstandsmitglied wirtschaftlich identisch ist. 120 Hier wird zwar oftmals ein Interessenkonflikt vorliegen, eine teleologische Ausdehnung der Norm nach materiellen Kriterien kommt für § 112 AktG jedoch genauso
Vgl. Stein AG 1999,28,32 und 39. Stein AG 1999,28, 31. 118 Vgl. nur KK-ErbR/LöTmig §2064 BGB Rn. 1. 119 So jedoch LG München I AG 1996,38; KK-AktG/Mertens § 112 AktG Rn. 11; MünchKomm/Semler § 112 AktG Rn. 32. 120 Anders jedoch MünchKomm/Sem/er §112 AktG Rn.37; KK-hkiG/Mertens §112 AktG Rn. 14; Werner ZGR 18, 369,372 f. 116
117
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Teil 4: Interessenkonflikte als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
wenig in Betracht wie für § 181 B G B . 1 2 1 Hingegen kann § 112 A k t G angewendet werden, wenn sich das Vorstandsmitglied seinerseits vertreten läßt. 122
8. Das Dreipersonenmodell
bei der
Kommission
a) Die typische Interessenverkettung bei der Kommission Der Kommissionär und der Kommissionsagent, der in einem auf längere Zeit angelegten Verhältnis zum Kommittenten steht, 1 2 3 handeln gewerbsmäßig und verpflichten sich durch Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienst- oder werkvertraglichem Charakter 1 2 4 als Treuhänder, für Rechnung eines Treugebers Waren oder Wertpapiere in eigenem Namen zu kaufen oder zu verkaufen, § 383 Abs. 1 B G B ; sie haben „das Interesse des Kommittenten wahrzunehmen", § 384 Abs. 1 Halbsatz 2 H G B . Sie müssen also die konkret übernommenen Aufträge so ausführen, wie sie der Kommittent selbst ausführen würde, wenn er die dem Kommissionär eigenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Geschäftsverbindungen besäße. 125 Neben dem Kommittenten und dem Kommissionär treten jeweils noch Dritte in Erscheinung, mit denen der Kommissionär Kaufverträge für Rechnung des Kommittenten schließt, § 3 8 3 Abs. 1 H G B . Kommissionär und Dritter treten sich als Kaufvertragsparteien und damit als Antagonisten gegenüber, der Kommissionär vertritt die Interessen des Kommittenten, der Dritte seine eigenen Interessen. 126 Interessenkonflikte in der Person des Kommissionärs zwischen den Interessen des Kommittenten und des Dritten werden also im Normalfall der Kommission vermieden, weil es sich um Geschäfte handelt, die der Grundform des Austauschvertrags angehören.
b) Der Selbsteintritt des Kommissionärs Etwas anderes würde gelten, wenn der Kommissionär den Interessen des Dritten ebenfalls verpflichtet ist oder gar selbst die Rolle des Dritten einnimmt. Dadurch würden Konstellationen entstehen, die den in § 181 B G B geregelten Fällen ähneln, ohne daß freilich § 181 B G B anwendbar wäre, weil der Kommissionär nicht im Namen, sondern nur für die Rechnung des Kommittenten kontrahiert. Deshalb ist eine solche Abweichung des Kommissionärs von der 121
In diese Richtung auch Fischer ZNotP 2002,297. Werner ZGR 18,369,371. 123 Canaris, Handelsrecht, § 19 Rn. 2. 124 Staub/Koller, §384 Rn. 18. 125 Staub/Koller, § 384 Rn. 3. 126 Freilich kann auch der Dritte seinerseits als Treuhänder die Interessen eines Treugebers vertreten. 122
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klassischen kommissionsrechtlichen Dreipersonenbeziehung 127 grundsätzlich verboten und nur ausnahmsweise gestattet, §§ 400 ff. HGB, wenn es um Waren oder Wertpapiere mit Börsen- oder Marktpreis, also nachprüfbarem Festpreis, 128 geht. In diesen Fällen darf der Kommissionär mit dem Dritten identisch sein (Selbsteintritt); eine Kompensation zweier entgegengesetzter Aufträge ist dem Kommissionär nicht gestattet, 129 der Selbsteintritt ermöglicht jedoch einen rechtstechnischen Weg zur Kompensation, indem der Kommissionär mindestens einem Kommittenten gegenüber selbst eintritt. 130 Das „auf beiden Seiten stehen" des Kommissionärs mit der Gefahr, daß der Kommissionär wie beim Eigengeschäft verfahren kann, 131 läßt der Gesetzgeber deshalb zu, weil er davon ausgeht, in §§ 400 Abs. 2 - 5 , 4 0 1 HGB halbzwingende, § 402 HGB, Regelungen getroffen zu haben, die für Fälle von Kommissionsgut mit festen Preisen eine für den Kommittenten nachteilige Pflichtenkollision ausschließen 132 und insbesondere die Gefahr von Kursschnitten 133 mindern. Diese Regelungen haben sich aber vor allem im Wertpapiergeschäft als unzureichend erwiesen. Deshalb wurden zum einen in §§ 31 ff. WpHG besondere Verhaltensmaßregeln für den Wertpapierhandel ausgestellt, 134 insbesondere die Aufzeichnungspflicht nach §§ 34,37 Abs. 1 Satz 2 WpHG, die den Selbsteintritt entbehrlich macht. 135 Zum anderen wurde durch Nr. 1 Abs. 1 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, 136 die ein Ausführungsgeschäft „mit einem anderen Marktteilnehmer" vorsehen, das Selbsteintrittsrecht der Banken beseitigt, 137 nachdem zuvor Nr. 29 Abs. 1 der AGB für Wertpapiergeschäfte den Selbsteintritt als Regelfall vorgesehen hatten. 138 Der Vorteil des Selbsteintritts durch den Kommissionär liegt für den Kommittenten, darin, daß ein höheres Abwicklungstempo gewährleistet und ein zusätzlicher Abnehmer geschaffen wird. 139 Der Kommissionär hat den Vorteil, daß er RGRK/Aatz § 400 HGB Rn. 1. K. Schmidt, Handelsrecht, §31 VI 1 a. aa. 129 MünchKomm///äwser §400 HGB Rn.7; Claussen, Bank- und Börsenrecht, §9 Rn.215. 130 Staub/Koller § 400 HGB Rn. 4. 131 K. Schmidt, Handelsrecht, §31 VI 1 a. 132 Canaris, Handelsrecht, § 32 Rn. 48. 133 Vgl. Dalwigk zu Lichtenfels, Effektenkommissionsgeschäft, S. 47 ff. und 85 ff. 134 §31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG aus dem öffentlichrechtlichen Bankrecht gebietet dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen, „sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen und dafür zu sorgen, daß bei unvermeidbaren Interessenkonflikten der Kundenauftrag unter der gebotenen Wahrung des Kundeninteresses ausgeführt wird". 135 Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 10/263. 136 Text bei Hellner/Steuner, Bankrecht, Vor Teil 7. 137 Hellner/Steuner, Bankrecht, Rn. 7/28 f.; Rümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 10/50; Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 104 Rn. 90 ff. 138 Yg[ z u r Kritik daran Dalwigk zu Lichtenfels, Effektenkommissionsgeschäft, S. 133 f.; Schneiders, Anlegerschutz, S. 82 f.; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 10/255 ff. 139 Staub/Koller §400 HGB Rn. 6. 127 128
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treubandverhältnisse
keine umfassende Rechenschaft über das Ausführungsgeschäft geben muß, § 400 Abs. 2 H G B , und also Geschäftsverbindungen geheimhalten 140 und Probleme der Zuteilung einzelner unterschiedlich vorteilhafter Ausführungsgeschäfte an einzelne Kommittenten umgehen kann. 141 Das kann vor allem dadurch geschehen, daß der Kommissionär aus Anlaß des Auftrags nicht die Waren oder Papiere aus eigenem Bestand nimmt, sondern ein Eigengeschäft tätigt 142 und anschließend den Selbsteintritt erklärt (formeller Selbsteintritt). 143 Folge der Ausübung des in § 400 Abs. 1 H G B eingeräumten Gestaltungsrechts 144 durch den Kommissionär, die dem Kommittenten ausdrücklich angezeigt werden muß, §405 Abs. 1 H G B , ist es, daß zwischen Kommittenten und Kommissionär ein gewöhnlicher Kaufvertrag unter Geltung der §433 ff. B G B und gegebenenfalls der Regelungen zum Handelskauf zustandekommt, 145 der jedoch nicht anstelle der Kommission, 146 sondern neben das Kommissionsgeschäft tritt, weil der Kommissionär nun zwei Rollen spielt: Die des Kommissionärs und die des Dritten. 147 Zwar werden aus den Ansprüchen auf Aufwendungsersatz, §§ 675, 670 B G B , und Herausgabe des Erlangten, § 384 Abs. 2 H G B , Ansprüche aus § 433 Abs. 1 und 2 B G B , 1 4 8 der Kommissionär ist aber weiterhin auch zu Interessenwahrnehmung verpflichtet, 149 darf also etwa den Auftrag nur durch Selbsteintritt erfüllen, wenn dies nicht gegen die Interessen der Kommittenten verstößt, insbesondere weil die Erfüllung durch ihn (den Kommissionär) zweifelhaft ist. 1 5 0 Folgerichtig bleibt bei rechtmäßigem Selbsteintritt aber auch der Provisionsanspruch des Kommissionärs erhalten, § 403 H G B , denn der Selbsteintritt soll den Kommissionär nicht schlechter stellen, zumal er ansonsten bei stabilen Marktpreisen nichts verdienen würde, 151 dem Kommittenten aber auch keine Besserstellung verschaffen. Kollerl Roth IMorck § 400 H G B Rn. 1; SchlegelbergerlHefermehl § 400 H G B Rn. 5. Staub/Koller § 400 H G B Rn. 5. 1 4 2 Hier kann der Kommissionär einen Kursschnitt machen, wenn er ein Deckungsgeschäft vornimmt, das günstiger als der nachzuweisende Marktpreis ist, und seiner Pflicht aus § 410 Abs. 2 B G B nicht nachkommt. 143 Schlegelbergerl Hefermehl § 400 H G B Rn. 4; Staub/Koller § 4 0 0 H G B Rn. 3. 144 Staub/Koller § 4 0 0 H G B Rn.19; SchlegelbergerlHefermehl § 4 0 0 H G B R n . 3 2 ; K. Schmidt, Handelsrecht, §31 VI 1 b. 1 4 5 B G H Z 5, 27, 29; SchlegelbergerlHefermehl % 400 H G B Rn. 1; Canaris, Handelsrecht, §32 Rn.46. 146 Staub/Koller § 400 H G B Rn. 1; Canaris, Handelsrecht, § 32 R n . 5 0 : Keine totale Umwandlung in ein Kaufverhältnis. 147 Staub/Koller § 4 0 0 H G B R n . 2 0 : Doppelfunktion"; Röhricht/von Westphalen/Lenz § 400 H G B Rn. 9; K. Schmidt, Handelsrecht, § 31 VI 1 c. 148 B G H Z 8 6 , 1 2 9 , 1 3 5 . 149 M ü n c h K o m m / / & j e r § 4 0 0 H G B R n . l l ; SchlegelbergerlHefermehl §400 HGB R n . 4 2 ; Staub/Koller §400 H G B Rn.43. 150 Baumbach/Hopt § 4 0 0 H G B R n . 4 ; Ebenroth/Boujong/JoostlKrüger §400 HGB Rn. 8. 151 Staub!Koller % 403 H G B Rn. 1. 140 141
§ 22. Regeln zur Behandlung
von Pflichtenkollisionen,
Teil 4
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III. Weitere Legitimationsbeschränkungen 1. Allgemeines In einigen Treuhandverhältnissen ist das treuhänderische Machtmittel mit Legitimationscharakter über die Reichweite des § 181 B G B und verwandter Normen hinaus kraft Gesetzes beschränkt. Das geschieht insbesondere in Form von Regelungen, nach denen der Treuhänder - von Pflicht- und Anstandsschenkungen 152 abgesehen - keine Schenkungen vornehmen darf, weil dies in der Regel den Interessen des Treugebers an der Erhaltung seines Vermögens widerstrebt. 153 In diesen Normen wird also letztlich das allgemeine Verbot, fremdnützig verwaltete Vermögenswerte durch unentgeltliche Verfügungen zu schmälern, durch eine Beschränkung des Machtmittels abgesichert. 154 Hinzukommen einige Vorschriften, die auch für andere gefährliche Geschäfte die Legitimation beschränken. Sie schützen jeweils den Treugeber davor, daß der Treuhänder eigenen Interessen oder den Interessen Dritter pflichtwidrig den Vorrang vor den Treugeberinteressen einräumt und auf diese Weise den Treugeber schädigt.
2. Elternschaft, Vormundschaft,
Betreuung,
Pflegschaft
a) Schenkungsverbote Ein Schenkungsverbot findet sich in § 1641 B G B für Eltern, in § 1804 B G B für den Vormund und in §§ 1915 Abs. 1,1804 B G B für den Pfleger. Für Betreuer gilt gemäß § 1908i Abs. 2 B G B das Schenkungsverbot des § 1804 B G B nur „sinngemäß", weil hier auf die bisherigen Gepflogenheiten des Betreuten Rücksicht genommen werden soll, so daß dem Betreuer Schenkungen gestattet sind, die dem Wunsch (der keine rechtsgeschäftliche Handlung ist und deswegen keine Geschäftsfähigkeit voraussetzt 155 ) des Betreuten entsprechen und nach seinen Lebensverhältnissen üblich sind. Soweit ein gesetzlicher Vertreter keine Schenkungen im Sinne des § 516 B G B vornehmen kann, ist er auch nicht dazu befugt, entsprechenden Schenkungen des Vertretenen zuzustimmen, 1 5 6 denn auch hierzu ist er nicht „ermächtigt". Auch über die Bestellung eines ErgänzungsDazu Migsch AcP 173,46 ff. Vgl. Mot. IV, S. 1106. 1 5 4 Eine ähnliche Regelung findet sich in §2113 BGB, dazu unten 32 II 2 b. 155 Soergel/Zimmermann § 1908i B G B Rn. 18; MüadiKomm/Schwab § 1908i BGB Rn. 41 weist freilich zu Recht darauf hin, daß Betreute grundsätzlich geschäftsfähig sind, so daß es bei einer entsprechenden Äußerung eines Betreuten nicht leicht sein wird, diese als Bevollmächtigung des Betreuers, als Einsetzung des Betreuers als Bote oder als Wunsch im Sinne des § 1908i Abs. 2 BGB zu deuten. 156 Gernhuher/Coester-Waltjen, Familienrecht, §61 II 1. 152 153
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treubandverhältnisse
pflegers oder Mitbetreuers kann der Schenkung nicht zur "Wirksamkeit verholfen werden, da auch diese Personen dem Schenkungsverbot unterliegen. Schenkungen im Namen des Vertretenen, 157 die gegen die genannten Normen verstoßen, sollen nach allgemeiner Auffassung 1 5 8 nichtig sein, weil etwa § 1641 BGB ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstelle. Das leuchtet jedoch nicht ein. Zum einen hätte dies zur Folge, daß das von Eltern oder Vormund bei einer Schenkung gesetzlich vertretene Kind auch nach Eintritt der Volljährigkeit, also Beendigung des notwendigen Treuhandverhältnisses zwischen Kind (Treugeber) und Eltern/Vormund (Treuhänder), die Schenkung nicht genehmigen kann, wenn es mit ihr einverstanden ist. Zum andern beschränken §§ 1641, 1804 BGB die gesetzliche Vertretungsmacht ebenso wie §§181 oder 1795 BGB, so daß etwa der im Namen seines Mündels schenkende Vormund schlicht als Vertreter ohne Vertretungsmacht handelt, was die Folgen der §§ 177 ff. BGB auslöst. Zwar mag der Gesetzgeber 159 der Auffassung gewesen sein, daß die Schenkungsverbote die Nichtigkeitsfolge auslösen. Doch auch bei § 181 BGB hat man sich insoweit zurecht, weil systemkonform, über diese nach eigenen Maßstäben verfehlte Auffassung des Gesetzgebers 160 hinweggesetzt. 161 Der Wortlaut von § 1641 BGB und § 181 BGB („kann nicht") gleicht sich überdies völlig, 162 so daß die erörterten Schenkungsverbote nach zutreffender Auffassung also lediglich die Folge schwebender Unwirksamkeit auslösen. b) Weitere
Legitimationsbeschränkungen
§§ 1821,1822 BGB (gegebenenfalls mit § 1643 BGB) legen fest, daß Eltern oder Vormünder für besonders umfangreiche oder gefährliche Geschäfte im Namen des Kindes oder Mündels der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedürfen. Mit dieser Regelung w i r d jedenfalls mittelbar der Auflösung von Interessenkonflikten, die Pflichtenkollisionen erzeugen, zuungunsten des Kindes vorgebeugt, denn die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts dient aus157 Verschenkt der Treuhänder einen Gegenstand im eigenen Namen, so mag dieser Gegenstand wirksam übereignet werden können, §§ 929,932 BGB, allerdings ist der Beschenkte einem Anspruch aus § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgesetzt. 158 Staudinger/Peschel-Gutzeit §1629 BGB Rn.314; Staudinger/Engler §1641 BGB Rn. 15 ff. und § 1804 BGB Rn. 20ff.; MünchKomm///«£er § 1641 BGB Rn. 7; Soergel/Zimmermann §1804 BGB Rn.2; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §61 II 1; Schwab, Familienrecht, Rn. 610; Rauscher, Familienrecht, Rn. 1032; Erman!Michalski §1641 BGB Rn. 1; a.A. lediglich Canaris]Z 1987, 993, 999, der eine analoge Anwendung des § 1822 BGB (Vormundschaftsgerichtliche Genehmigung) vorschlägt. 159 Mot. IV, S. 1107. 160 Mot. I, S. 225 f. 161 Dazu oben § 22 II 2 und 3. 162 Erstaunlich, daß etwa Staudinger/Engler § 1641 BGB Rn. 15 zu dem Ergebnis kommt, der gesetzliche Vertreter habe keine Vertretungsmacht, nicht aber die entsprechenden Schlußfolgerungen zieht.
§ 22. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen, Teil 4
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schließlich „dem Schutz des Mündels in wichtigen Angelegenheiten".163 Die Genehmigung ist wesentlicher Bestandteil des Rechtsgeschäfts und ihr Erfordernis also Beschränkung der Vertretungsmacht.164 Ergänzt werden §§ 1821 f. BGB durch eine Vielzahl von Einzelregelungen in §§ 1411, 1484, 1491, 1492, 1517, 1596, 1597,1599, 1746,2275,2282,2290,2291,2292,2347,2351,2352. Ohne die Genehmigung ist das Geschäft jeweils schwebend unwirksam, § 1829 BGB. Die gesetzliche Aufzählung ist zum Schutze des Rechtsverkehrs abschließend.165 c) Exkurs:
Minderjährigenhaftungsbeschränkung
Letztlich dient auch der im Zuge des Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetzes eingeführte § 1629a BGB der Auflösung von Interessenkonflikten zwischen Eltern/Vormund und Kind/Mündel. Der Gesetzgeber hat es bei der Umsetzung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts,166 das gefordert hatte, daß Kinder nicht verschuldet in die Volljährigkeit entlassen werden dürften, vermieden, weitere zustimmungsbedürftige Geschäfte nach dem Vorbild der §§1821,1822 BGB zu normieren, und dafür zugunsten des Kindes eine Haftungsbeschränkung auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen eingeführt, obschon das Gericht beide Wege anheimgestellt hatte.167 Diese einredeweise, §§ 1629a Abs. 1 Satz 1,1990 BGB, geltendzumachende Haftungsbeschränkung erfaßt vielmehr umgekehrt auch Geschäfte, die bereits nach §§ 1821, 1822 BGB genehmigt worden sind.168 Leidtragende sind bei der vom Gesetzgeber gewählten Form der Konfliktlösung jedoch sowohl die Treugeber {Kinder), als auch Dritte. Das Vermögen der Kinder kann nämlich, anders als bei der sachgerechten Normierung von Zustimmungserfordernissen, vollständig aufgebraucht werden. § 1629a BGB schützt nämlich nicht den Minderjährigen als Treugeber vor erdrückenden Schulden, sondern nur den volljährig gewordenen Treugeber vor dem Zugriff der Altgläubiger auf nach Eintritt der Volljährigkeit erworbenes Vermögen - Verschuldungsschutz tritt an die Stelle des traditionellen Vermögensschutzes für Minderjährige. Bei Zuwendungen an den Minderjährigen sollte deshalb die Möglichkeit des § 1638 BGB in Betracht gezogen werden, mit Hilfe dessen der Zuwendende verhindern kann, daß das zugewendete Vermögen von der treuhänderischen Verwaltung durch die Eltern/Vormund des Kindes erfaßt wird. Der volljährig Gewordene hat also - wie ein Erbe, der seine Haftung auf den Nachlaß beschränkt hat, §§ 1975 ff. BGB - zwei Vermögens163 164 165 166 167 168
Staudinger/Engler § 1821 BGB Rn. 5. Palandt/Diederichsen § 1821 BGB Rn. 7. Vgl. nur B G H Z 17,160,163; BGHZ 38,26,28; B G H Z 92,259. BVerfG N J W 1986,1859 ff. BVerfG N J W 1986,1859,1861. MünchKomm///«£er § 1629a BGB Rn. 22 f; Glöckner FamRZ 2000,1396,1402.
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
massen zu unterscheiden, die er getrennt verwalten muß, 169 weil sie unterschiedlichen Gläubigern haften. 170 Dies im Extremfall lebenslang, weil der volljährig Gewordene die Einrede des §§ 1629a Abs. 1 Satz 2,1990 BGB erst dann erheben kann, wenn das Vermögen durch die bisher erfolgte Befriedigung der Gläubiger erschöpft ist. Im Nachlaßrecht hingegen findet, wenn der Nachlaß nicht ersichtlich dürftig oder überschuldet ist, eine Nachlaßverwaltung zum Zweck der Gläubigerbefriedigung statt, für die § 1629a BGB jedoch keine Entsprechung kennt. 171 Vor allem jedoch geschieht diese Form der Konfliktlösung auf Kosten derjenigen Dritten, mit denen das Kind oder die Eltern im Namen des Kindes Verträge geschlossen haben. Zugunsten der Dritten greifen zwar die Vermutungen in § 1629a Abs. 4 BGB und handels- und gesellschaftsrechtliche Publizitätspflichten. Sie können sich jedoch niemals sicher sein, welchen Umfang das Kindesvermögen im Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit hat, und ob es die Kindesverpflichtungen abdecken wird oder ob sie leer ausgehen werden, zumal keine geordnete Vermögensverteilung analog der §§ 1975 ff. BGB stattfindet, 172 sondern die erbrechtliche Dürftigkeitseinrede aus ihrem systematischen und teleologischen Kontext gerissen angewendet wird. 1 7 3 Der Volljährige kann seine Gläubiger nach Belieben befriedigen, was einen Gläubigerwettlauf auslöst. Der Verweis auf §§ 1990, 1991 BGB hilft nicht weiter, weil dort lediglich die Dürftigkeitseinrede des Erben nach Ablehnung der Anordnung der Nachlaßverwaltung oder der Eröffnung eines Nachlaßinsolvenzverfahrens mangels Masse geregelt ist. § 1629a BGB eröffnet zudem den Eltern/Vormündern oder dem Minderjährigen selbst Manipulationsmöglichkeiten auf Kosten Dritter, indem die Haftungsbeschränkungsmöglichkeit bewußt einkalkuliert oder das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen nach unten frisiert wird. 174 Eine Genehmigungslösung hätte hingegen Rechtssicherheit für Dritte gebracht, die dann bei Geschäften mit dem Minderjährigen kein höheres Ausfallrisiko trügen als bei Geschäften mit einem Volljährigen. Auf Grundlage des § 1629a BGB müssen sie hingegen die mit Volljährigkeit eintretende Spaltung des Vermögens ihres Vertragspartners in zwei Haftungsmassen einkalkulieren.
169 Das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen muß der Minderjährige wie ein Beauftragter verwalten, §§ 1629a Abs. 1,1991,1978 Abs. 1 BGB. 170 Zu Recht kritisch K. Schmidt JuS 2004,361, 362 f. 171 Kritisch Dauner-Lieb ZIP 1996, 1818, 1821; a.A. Habersack/Schneider FamRZ 1997, 649,654. 172 Behnke NJW 1998, 3078, 3080; Muscheler WM 1998, 2271, 2276; Habersack FamRZ 1999,1,5. 173 Zutreffend Dauner-Lieb ZIP 1996,1818,1822. 174 Müller-Feldhammer FamRZ 2002,13 ff.; zu weiteren Schwächen, die hier nicht im einzelnen zu erörtern sind Glöckner ZEV 2001, 47; Glöckner FamRZ 2000, 1397; Grunewald ZIP 1999,597, 598; K. Schmidt JuS 2004, 361.
§22. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen, Teil 4
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Zurecht hat der Gesetzgeber deshalb zuvor in §§ 1821, 1822 B G B einer abschließenden Aufzählung von nach formalen Kriterien zu ermittelnden genehmigungsbedürftigen Geschäften den Vorzug gegenüber einer Generalklausel gegeben. 175 Vorzugswürdig wäre auch jetzt eine Ergänzung der §§ 1821, 1822 B G B gewesen. 176 So ließe sich etwa daran denken, alle Geschäfte, die ein bestimmtes Volumen übersteigen oder bei denen die Verpflichtung offensichtlich das Mündelvermögen übersteigt, zustimmungsbedürftig zu machen. 177 Die §§ 1821, 1822 B G B werden durch die Anwendbarkeit des § 1629a B G B auf genehmigte Geschäfte jedoch nunmehr auch noch entwertet, weil auch eine Genehmigung die Haftungsbeschränkung nicht ausschließt. Dies wird mit einer angeblichen Schließung von Schutzlücken bei nachträglicher Veränderung der Sachlage begründet, 178 die jedoch nur in den handels- und gesellschaftsrechtlichen Sachverhalten des § 1822 Nr. 3 B G B eintreten kann. Ansonsten kann das Gericht bei der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung, die dem Schutz des Minderjährigen dient, den Minderjährigen vor Überschuldung schützen. Unzutreffend erscheint deshalb die Behauptung, eine Haftungsbeschränkung sei deshalb erforderlich, weil der verfassungsrechtlich gebotene Uberschuldungsschutz nicht durch eine vormundschaftliche Genehmigung aufgehoben werden könne, 179 weil diese Genehmigung den Schutz nicht aufheben, sondern gerade gewährleisten soll. Lediglich in den handels- und gesellschaftsrechtlichen Fällen hätte man also eine Haftungsbeschränkung normieren müssen, 180 weil hier das Vormundschaftsgericht notwendig eine Prognoseentscheidung treffen muß. 181 Auch wenn der Minderjährigenschutz gemeinhin über den Verkehrsschutz gestellt wird, so sollte doch versucht werden, letzteren nicht mehr als notwendig zu beeinträchtigen.
3. Eheliche
Gütergemeinschaft
a) Allgemeines Der Verwalter des ehelichen Gesamtgutes (Treuhänder) bei Gütergemeinschaft mit Verwaltung durch lediglich einen der Ehegatten, §§ 1422 ff. B G B , kann nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten (Treugeber) Gegenstände aus dem Gesamtgut verschenken (Verpflichtungsgeschäft) oder einen ohne Zustimmung geschlossenen Schenkungsvertrag nur mit Zustimmung des Gatten erfüllen. Er 175 176 177 178 179 180 181
Vgl. nur Palandt/Diederichsen § 1821 BGB Rn.2. Vgl. etwa K. Schmidt BB 1986,1238,1243 ff. Thiele FamRZ 1992,1001,1004. BT-Drucks. 13/5624, S. 8 und 13. Wolf AcP 187, 319,340. Hüffer ZGR 15,603,648; Thiele FamRZ 1992,1001,1004. Habersack/Schneider FamRZ 1997,647, 650.
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Teil 4: Interessenkonflikte
als Folge mehrerer
Treuhandverhältnisse
unterliegt insofern also einer Beschränkung seines Machtmittels, von der ihn der andere Ehegatte, zu dessen Schutz diese Beschränkung besteht, entbinden kann, § 1425 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BGB. Hinzukommen gleichartige Regelungen zu Verpflichtungen zu Verfügungen über das Gesamtgut im Ganzen, § 1423 BGB, und über Grundstücke, § 1424 Satz 1 BGB. Hier kann die Zustimmung des anderen Gatten jedoch unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag des verwaltenden Gatten durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, § 1426 BGB. Ist eine zustimmungslose Verfügung erfolgt, so hat der nichtverwaltende Gatte ein eigenes Revokationsrecht. § 1428 BGB ordnet ausdrücklich an, daß der verwaltende Ehegatte nicht mitzuwirken braucht. Das bedeutet, daß dieser Gatte, obschon er dem verwaltenden Gatten privativ die Verwaltung der das Gesamtgut betreffenden Interessen im Ehevertrag übertragen hat, § 1421 BGB, bei derlei Pflichtverletzungen des verwaltenden Gatten kraft Gesetzes eine Notverwaltungsbefugnis und ein entsprechendes Machtmittel erhält. Er ist im Mißbrauchsfall gleichsam der Ersatztreuhänder, der zur Beseitigung der Mißbrauchsfolgen an die Stelle des Treuhänderehegatten tritt. b) Insbesondere:
Das Vermögen
im
Ganzen"
Die Regelung zur (Verpflichtung zur) Verfügung über das „Gesamtgut im Ganzen" in § 1423 BGB gleicht dem § 1365 BGB, der im gesetzlichen Güterstand die Zustimmung des anderen Ehegatten bei einer (Verpflichtung zur) Verfügung eines Ehegatten über sein „Vermögen im Ganzen" verlangt. Diese Norm ist auf den ersten Blick nicht Bestandteil eines Treuhandverhältnisses, da im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft Gütertrennung besteht, § 1363 Abs. 2 BGB, und jeder Ehegatte sein Vermögen selbständig verwaltet, § 1364 BGB. Diese selbständige Verwaltung ist jedoch an die Beschränkungen der §§ 1365 ff. BGB gebunden, die im Interesse des jeweils anderen Ehegatten bestehen, so daß jedenfalls insoweit jeder Ehegatte bei der Verwaltung seines eigenen Vermögens auch für den anderen Ehegatten verantwortlich ist, 182 vgl. § 1353 BGB, und also die Interessen eines anderen wahrnimmt und damit die Verwaltung eigenen Vermögens mit Eheschließung einen leichten treuhänderischen Einschlag erhält, der das Dürfen der Ehegatten im Umgang mit ihrem Vermögen beschränkt. Während § 1365 BGB jedoch aufgrund der während bestehender Ehe herrschenden Gütertrennung auf die Erhaltung der familiären Lebensgrundlage und möglicher Zugewinnausgleichansprüche abstellt, 183 schützt § 1423 BGB, der hier interessieren soll, direkt die Rechte der Frau am gemeinschaftlichen Vermögen. Die Maßstäbe, nach denen eine Verfügung über das MünchKomm/ifoc/) § 1365 BGB Rn. 13. Vgl. nur BGH N J W 1978, 1380; BGH N J W 1984, 609; Palandt/Brudermüller BGB Rn. 1. 182 183
§ 1365
§ 22. Regeln zur Behandlung von Pflichtenkollisionen, Teil 4
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„Vermögen im Ganzen", § 1365 B G B , stattfindet, lassen sich nach gängiger Auffassung 184 gleichwohl auf § 1423 B G B übertragen. Ursprünglich sollte das Verbot lediglich Geschäfte im Sinne des heutigen § 311b Abs. 3 B G B erfassen, 185 also nur Rechtsgeschäfte, die sich auf das so bezeichnete Vermögen im Ganzen bezogen, 186 etwa Hofübergabefälle oder andere Fälle vorweggenommener Erbfolge. Nach heute gängiger Auffassung werden hingegen nicht nur Geschäfte über Vermögensinbegriffe, sondern auch Geschäfte über Einzelgegenstände erfaßt. Ausreichend ist auch, daß sich das Geschäft auf nahezu das ganze Vermögen bezieht. 187 Dabei bleibt freilich unklar, wann die Grenze des „nahezu" überschritten ist. 188 Die Rechtsprechung geht bei „kleinen Vermögen" von etwa 85%, bei „größeren Vermögen" von etwa 9 0 % aus 189 und vergrößert damit nur die Unsicherheit, zumal sich auch einzelne Urteile finden, in denen Instanzgerichte bereits 70% ausreichen ließen. 190 Durch diese Erweiterung des Anwendungsbereichs der §§ 1365, 1423 B G B ist unter Rückgriff auf den jeweiligen Normzweck die formale Anknüpfung an die Veräußerung eines auch so bezeichneten Vermögens/Gesamtguts als Ganzem durch die materielle Anknüpfung an nahezu das ganze Vermögen/Gesamtgut ersetzt worden. Im gesetzlichen Güterstand soll die dadurch entstehende Rechtsunsicherheit entgegen dem Wortlaut des § 1365 B G B durch Hinzufügung eines subjektiven Merkmals in der Person des Geschäftspartners beseitigt werden: Dieser müsse zumindest die Verhältnisse kennen, aus denen sich die Wertung ergebe, daß es sich nahezu um das ganze Vermögen handle. 191 Das Erfordernis eines solchen Kriteriums wird speziell für § 1423 B G B bestritten, weil dieser nur die Regel wiederherstelle, daß man über gemeinschaftliches Vermögen nur gemeinschaftlich verfügen dürfe, während § 1365 B G B die aus dem Alleineigentum folgenden Verfügungsmacht beschränke. 192 Daraus ergibt sich jedoch kein Unterschied, denn in beiden Fällen bringt die Materialisierung der formalen Anknüpfung Rechtsunsicherheit für den Geschäftspartner mit sich. Nach zutreffender Auffassung 193 müssen Regelungen zur Inhabilität, die auch an materielle Kriterien anknüpfen, durch einen für alle Beteiligten verbindlichen Rechtsakt, also in der Regel eine Gerichtsentscheidung, formalisiert 184 Staudinger/Thiele § 1423 BGB Rn.4; Erman/Heckelmann § 1423 BGB Rn.2; grundsätzlich auch MünchKomm/'Kanzleiter § 1423 BGB Rn.2. 185 Vgl. nur Palandt!Brudermüller § 1365 BGB Rn. 2. 186 So zuletzt Rittner FamRZ 1961,10; Tiedau MDR 1961, 721. 187 B G H Z 35, 135, 143; B G H Z 43,174; BGHZ 123,93,95. 188 Schwab, Familienrecht, Rn. 220. 189 BGH FamRZ 1980, 765; BGH FamRZ 1991, 669. 190 So etwa LG Berlin FamRZ 1973,146. 191 B G H Z 43, 174, 177; Staudinger/Thiele % 1365 BGB Rn.20 ff.; MünchKomm/W«j § 823 B G B Rn. 131; Soergel/Zeuner § 823 B G B Rn. 48. 77 Fabricius AcP 160,302; MünchKomm/Mertens § 823 B G B Rn. 131. 78 MünchKomm /Mertens § 823 B G B Rn. 131; Schlechtriem Rn. 761. 79 Staudinger/Hager § 823 B G B Rn. B 162. 8 0 Zutreffend Hammen AcP 199, 591 ff. 81 StaudingerlHager § 823 B G B Rn. B 162. 82 Grundmann knüpft hier an Gedanken bei Habersack, Drittinteressen, S. 66, an. 72 73
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Teil 7: Interessenkonflikte zwischen Treugeber und Dritten
mutbarer Lastwirkung belege.83 Nach Wiedemann,M der die Kategorie der Lastwirkungsverträge eingeführt hat, entfalten Rechtsgeschäft Lastwirkung für Dritte, wenn dem Dritten dadurch eine Vertragsschlußmöglichkeit genommen wird. Solche Verträge sind (im Gegensatz zu Verträgen zulasten Dritter) ohne weiteres zulässig. In der Tat löst der Dritte eine Lastwirkung für andere Teilnehmer am Rechtsverkehr aus, indem er durch sein Rechtsgeschäft mit dem Treuhänder eine Vertragsabschlußoption wahrnimmt, die anderen Teilnehmern infolgedessen nicht mehr offensteht. Grundmann jedoch benutzt diese Figur, um in eine „offene Abwägung" eintreten zu können. „Mit dem Bekenntnis zur Interessenabwägung ist ein flexiblerer Ansatz gewählt":85 "Wenn man treuwidrige Verfügungen immer für wirksam halte, dann habe der Drittvertrag unzumutbare Lastwirkung für den Treugeber. Wenn man den Treugeber „aus der Treuhand heraus" schütze, dann habe diese wiederum unzumutbare Lastwirkung für den Dritten. § 137 Satz 1 B G B verbiete lediglich die „Extremlösung", daß es auf den guten Glauben des Dritten ankomme, wobei Grundmann nicht begründet, warum es sich hierbei um eine Extremlösung handeln soll. In der Abwägung jedoch müsse das Investment des Treugebers den Verlust einer Erwerbschance des Dritten überwiegen. Umgekehrt sei jedoch der Verkehrsschutz für Dritte, die nicht immer das Innenverhältnis prüfen müssen sollen, zu beachten. Also werde der Treugeber geschützt, wenn der Dritte die Treuwidrigkeit der Verfügung kenne. Lasse man hingegen grobe Fahrlässigkeit ausreichen, so gebe man de facto der Treuhandabrede die Kraft eines dinglichen Verfügungshindernisses, was wegen § 137 Satz 1 B G B nicht möglich sei. 86 Grundmann läßt sich jedoch nicht auf die Frage ein, ob dieses Argument nicht auch seine Lösung verbietet. Außerdem begründet Grundmann nicht die Herkunft der so gearteten Lastwirkung des Treuhandvertrags gegenüber Dritten. Wird die schuldrechtliche Treuhandabrede inhaltlich gegen Dritte gerichtet? Wie kann das Treuhandverhältnis überhaupt derartig starke „Lastwirkungen" gegenüber Dritten entfalten? Es handelt sich bei dieser Form der „Lastwirkung" nämlich nicht mehr um rein tatsächliche Lastwirkungen gegenüber anderen Gläubigern im Sinne Wiedemanns, die beispielsweise dann eintritt, wenn sich ein Gläubiger besondere Kreditsicherheiten gewähren läßt, sondern um eine Rechtswirkung zu Lasten Dritter. Diese kann Grundmann zwar beschreiben, nicht aber erklären. 87 Es geht nämlich nicht um Abschlußoptionen, die ein Teilnehmer am Rechtsverkehr anderen durch Vertragsschluß entzieht, sondern um die Wirksamkeit einer vom Dritten wahrgenommenen 83 84 85 86
87
Grundmann, Treuhandvertrag, S. 328. Wiedemann, SAE 1969,268. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 336. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 330. So zutreffend Gruber AcP 202,435,462 Fn. 121.
§ 32. Pflichtwidriger
Gebrauch
der Rechtsinhaberschaft
durch den Treuhänder
699
Option. Grundmann gibt also den Verträgen Treugeber - Treuhänder und Treuhänder - Dritter ohne weiteres bestimmte Drittwirkungen, die er dann in eine Abwägung einstellt, ohne zu prüfen, ob diese Verträge diese Drittwirkung überhaupt entfalten können. Der Versuch, mit dem Rechtsgedanken des Vertrages mit Lastwirkung gegenüber Dritten Außenwirkungen der Treuhand zu begründen, überzeugt also nicht.
4. Analogie zum
Vollmachtsmißbrauch
a) Allgemeines Kötz entwickelt - wie andere Autoren, die ihm folgen - seinen „Umbau des Sachenrechts" vor allem für die Bewältigung des Vollstreckungszugriffs von Treuhändergläubigern auf das „Treugut", also passive Verfügungen des Treuhänders über die fraglichen Rechtspositionen. 88 Bezüglich aktiver Verfügungen des Treuhänders ist er der Auffassung, daß ein identisches Ergebnis - Schutz des Treugebers bei treuwidrigen Verfügungen des Treuhänders und zumindest grob fahrlässiger Unkenntnis des Geschäftspartners - auch ohne „Umbau des Sachenrechts" mit Hilfe der Regeln über den Vollmachtsmißbrauch zu erreichen sei, wobei er sich allerdings nicht näher mit der dogmatischen Herleitung dieser Rechtsfigur beschäftigt. Eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ergebe sich hieraus nicht. Egal, woher der Verfügende seine Befugnis ableite, ob aus Vertretungsmacht, Verfügungsbefugnis oder Eigentum, der Erwerber sei gleichermaßen nicht schutzwürdig, wenn er wisse oder nach den Umständen wissen müsse, daß die Verfügungsmacht im Innenverhältnis gebunden ist und diese Bindung mißachtet wird. 89 Im Anschluß daran vertritt auch von Kries die Auffassung, daß die Regeln zum Vollmachtsmißbrauch auf die Treuhand übertragen werden könnten. 90 Ebenfalls aus § 242 B G B leitet er einen Rückforderungsanspruch des Geschäftsherrn her, der das unter evidentem Mißbrauch der Vollmacht zustande gekommene Geschäft schon erfüllt hat. 91
b) Die Auffassung der Rechtsprechung Der B G H stellte sich in einer Entscheidung aus dem Jahre 1968, 92 der eine treuhänderische Inhaberschaft von Gesellschaftsanteilen durch eine Mutter für ihre Tochter nach dem Tode des Vaters zugrundelag, hingegen auf den Standpunkt, 88 89 90 91 92
Dazu unten §33 und §34. Kötz , Trust, S. 141 f. knüpft hier an Palandt/Hoche Von Kries, Rechtsstellung, S. 99. Von Kries, Rechtsstellung, S. 107. BGH, N J W 1968,1471.
vor §§ 929 ff. BGB Anm. 7 B an.
700
Teil 7: Interessenkonflikte
zwischen Treugeber und. Dritten
daß über §§ 138,826 und 823 Abs. 2 mit 266 StGB hinaus ein Schutz des Treugebers gegen treuwidrige Verfügungen nicht gegeben sei. Eine Analogie zu den Regeln über den Vollmachtsmißbrauch lehnt das Gericht ab. In einer weiteren Entscheidung aus dem Jahre 197693 bestätigt der B G H seine Auffassung mit dem eher vordergründigen94 formalen Argument, Vollmacht und Treuhand seien keine vergleichbaren Tatbestände. U. Huber anerkennt, daß der B G H sich für eine „primär ,formal', nicht .funktional' bestimmte Interpretation des Treuhandgeschäfts entschieden"95 habe, denn das Handeln in fremdem und eigenem Namen sei ein wichtiger Unterschied. Überdies solle ein Treuhänder ein höheres Maß an Selbständigkeit erhalten als ein Vertreter.96 Ersterer könne kraft Selbstbestimmung handeln, letzterer handle kraft Fremdbestimmung. Auch Schilken vertritt die Auffassung, die Regeln über den Mißbrauch der Vertretungsmacht seien nicht auf den Treuhänder übertragbar, weil dieser in eigenem Namen handle.97 Huber und Schilken gehen freilich ohne weiteres davon aus, daß nur die „Vollrechtstreuhand" Treuhand sei, und begründen mit dieser nach der hier vertretenen Auffassung unzutreffenden Annahme ihren Standpunkt. Unzutreffend erscheint deshalb auch die Behauptung, daß ein Treuhänder ein höheres Maß an Selbständigkeit habe als ein Stellvertreter, bemißt sich dessen Selbständigkeit doch nicht nach der Vertretungsmacht, sondern nach dem Innenverhältnis aus dem er seine Befugnisse herleitet. Huber beruft sich außerdem auf die Freiheit der Parteien bezüglich der Wahl der Rechtsform: Anstelle der Treuhand könne auch eine Vollmacht vereinbart werden, der Formenreichtum des Zivilrechts müsse erhalten bleiben.98 Derjenige, der eine bestimmte Rechtsform wähle, müsse auch ihr Risiko tragen.99 Dabei unterstellt Huber freilich, daß bei der Treuhand das diskutierte Risiko gegeben sei 100 - was aber gerade zu beweisen wäre. Huber selbst antizipiert den Vorwurf, seine Auffassung sei „Ausdruck einer unreflektierten Begriffsjurisprudenz", und setzt den Respekt vor der gewählten Rechtsform entgegen. Diese Wahl der Parteien erfolgt freilich oftmals nicht in Kenntnis aller Rechtsfolgen.
BGH, WM 1977, S. 525. Wank JuS 1979,402,403. 95 Huber, JZ 1968, 791. 9 6 Dem folgt Canaris N J W 1973, 831, der lediglich die Ermächtigung nach den Vollmachtsregeln zum Mißbrauch behandeln will. 97 Staudinger/Schilken § 167 BGB Rn. 99. 9 8 In diesem Sinne auch Beuthien ZGR 1974, 61. 9 9 Vgl. Wank JuS 1979,404. 100 Tebben, Unterbeteiligung, S. 194. 93 94
§32. Pflichtwidriger Gebrauch der Rechtsinhaberschaft durch den Treuhänder
c) Kritik der
701
Rechtsprechung
Kötz kritisiert auf Grundlage seiner oben geschilderten Auffassung die Rechtsprechung. Die Tatsache, daß der Treuhänder in eigenem, der Vertreter in fremdem Namen handle, sei in der Tat lediglich eine dogmatisch-begriffliche Unterscheidung, aus der nur praktische Folgen gezogen werden dürften, wenn ein entsprechender Unterschied auch in der Interessenlage bestehe.101 Die Rechtsprechung102 selbst wende die Regeln über den Mißbrauch der Vertretungsmacht auch bei gesetzlicher Vertretung und bei Testamentsvollstreckung an und erkenne deshalb eine solche Gleichwertigkeit der Interessenlagen an. Hinzukommt, daß in dem 1968 vom B G H entschiedenen Fall der Gesellschaftsanteile, die eine Mutter treuhänderisch für ihre Kinder hielt, die Mutter durchaus auch als gesetzliche Vertreterin hätte tätig werden können. Außerdem hätte der verstorbene Vater seine Frau (die Mutter der Kinder) auch als Testamentsvollstrekkerin einsetzen können, was vielleicht allein deshalb unterblieben ist, weil die Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsanteilen nicht unproblematisch ist. Gerade auch deshalb könne doch der Erbe als Treugeber bei Gesellschaftseintritt des Treuhänders nicht schlechter stehen als bei Testamentsvollstreckung über die Gesellschaftsanteile, kritisiert Blaurock.103 Auch Blaurock greift auf Treu und Glauben, § 242 B G B , zurück und postuliert eine Geltung der Regeln über den Mißbrauch der Vertretungsmacht jedenfalls dann, wenn die Treuhand offen sei. 104 Auf die zufällig gewählte „rechtliche Einkleidung" 105 soll es auch nach Auffassung von Kötz nicht ankommen. Der Unterschied bestehe zwar dogmatisch, aber nicht funktionell. Wenn der Geschäftspartner bemerken müsse, daß der Treuhänder treuwidrig handle, dann müsse dies immer zu den gleichen Ergebnissen führen. d) Der Einwand des § 137 Satz 1 BGB Werden die Regeln über den Mißbrauch der Vertretungsmacht auf die „Vollrechtstreuhand" übertragen, so liegt der Einwand nahe, § 137 Satz 1 B G B , der eine Vereinbarung über die Nichtübertragbarkeit eines Rechts mit dinglicher Wirkung verbiete, stehe dem entgegen. Kötz ist jedoch der Auffassung, diese Norm solle den Rechtsverkehr lediglich vor versteckten Abreden schützen. Auch beim Testamentsvollstrecker existiere kein „kausal bedingtes Verfügungsrecht", er sei also unabhängig von der treuhänderischen Aufgabenstellung verfügungsbefugt. Trotzdem beschränke die Rechtsprechung die Macht 101 102 103 104 105
Kötz N J W 1968,1471. BGH, MDR 1964, S. 592; RGZ 75,299; RGZ 83,348; RGZ 130,131. Blaurock, Unterbeteiligung, S. 132 f. Blaurock, Unterbeteiligung, S. 132. Kötz N J W 1968,1471.
702
Teil 7: Interessenkonflikte
zwischen Treugeber und
Dritten
des Testamentsvollstreckers, wenn der Testamentsvollstrecker erkennbar mißbräuchlich 106 gehandelt habe und setze sich damit in Widerspruch zu sich selbst, wenn sie sich bei treuwidrigen Verfügungen auf § 137 B G B berufe. 107 Kötz übersieht dabei jedoch, daß der Testamentsvollstrecker kraft den Rechtsinhaber verdrängender Legitimation über fremde Rechtspositionen verfügt und § 137 Satz 1 B G B deshalb überhaupt nicht einschlägig ist. Auch Going erkennt das Argument, der Treuhänder könne aus Gründen der Rechtssicherheit keiner dinglichen Verfügungsbeschränkung eigener Rechte unterliegen, § 137 Satz 1 B G B , nicht an. Vielmehr greife das allgemeine Verbot des Rechtsmißbrauchs, 108 das sich auf jeden Mißbrauch der Verfügungsmacht über fremdes Vermögen anwenden lasse und etwa auch für den Testamentsvollstrecker, der Treuhänder sei, gelte. Gerade für die unbegrenzte Verfügungsmacht des Testamentsvollstreckers seien Gesichtspunkte der Rechtssicherheit maßgeblich gewesen, was die Rechtsprechung nicht an Korrekturen nach § 242 B G B gehindert habe. Wenn der Empfänger unentgeltlich empfangen habe, dann sei der Gedanke des § 816 Abs. 1 Satz 2 B G B anzuwenden.109 Auch Coing übersieht dabei, daß der Treuhänder als Rechtsinhaber anders als der Testamentsvollstrecker gerade nicht über fremdes, sondern über eigenes Vermögen verfügt. Hieran wird deutlich, daß das klassische Modell des Mißbrauchs der Vertretungsmacht, § 242 B G B , nicht nur im Stellvertretungsrecht berechtigter Kritik ausgesetzt ist, 110 sondern seine Übertragung auf den Mißbrauch von Rechtspositionen überdies wegen § 137 Satz 1 B G B nicht ohne weiteres möglich ist. Schlosser greift in Fällen unbedingter Vollrechtsübertragung111 ebenfalls auf die Regeln zum Vollmachtsmißbrauch zurück. Zwischen dem Mißbrauch von „Vollmacht" und „Treumacht" bestehe ein „Gleichwertigkeitsverhältnis".112 Schlosser begründet dies mit der Funktions- und Interessengleichheit von Vollmacht und Vollrechtstreuhand, die eine formale dogmatische Unterscheidung überstimme.113 Seine Argumentation baut allerdings maßgeblich auf der These auf, daß die verdrängende Vollmacht entsprechende „Verbindungslinien" ziehe.114 Eine verdrängende Vollmacht ist jedoch grundsätzlich nicht anzuer1 0 6 Nach zutreffender Auffassung kommt es auf eine Mißbrauch freilich nicht an, vgl. oben §31 II 4. 107 Kötz N J W 1968,1472. 108 Coing, Treuhand, S. 167. 109 Coing, Treuhand, S. 168. 1 1 0 Dazu oben § 3 1 1 1 2 . 111 Für Schlosser stellt jedoch die bedingte Vollrechtsübertragung die Regel dar, nur wenn die Parteien unmißverständlich unbedingte Vollrechtsübertragung gewollt hätten, könne man diese annehmen. Hierzu und zur Kritik daran gleich unten § 32 V. 112 SchlosserN]W 1970, 685. 1 1 3 Für eine Übertragung der Mißbrauchsfigur auch Müller-Freienfels, Vertretung, S. 135 ff.; MünchKomm/RotZ), B G B , §242 B G B , Rn. 292; Timm J Z 1989,22 ff. 114 Schlosser N J W 1970, 686; den Ergebnissen Schlossers folgt Assfalg N J W 1970,1906.
5 32. Pflichtwidriger
Gebrauch
der Rechtsinhaberschaft
durch den Treuhänder
703
kennen. Wankn5 folgt der Gleichwertigkeitsthese mit dem Verweis auf den bei Vollmachtsmißbrauch und Mißbrauch einer Rechtsträgerschaft gleichermaßen gegebenen Mißbrauch eine fremdnützigen Rechtsstellung. Dem stehe der immer wieder vorgebrachte Unterschied zwischen einer Verfügung über ein fremdes Recht kraft Fremdbestimmung und einer Verfügung über ein eigenes Recht kraft Selbstbestimmung bei der Vollrechtstreuhand nicht entgegen. Die Orientierungssicherheit des Rechtsverkehrs leide nicht mehr als in §§ 164 ff. BGB, wenn der andere Teil wisse, daß ein Treuhandverhältnis bestehe.116 Schlosser macht § 137 Satz 1 BGB als zentrales Problem bei der Übertragung der Figur der Vollrechtstreuhand aus, behauptet jedoch, diese Norm habe die Außenwirkungen verfügungshindernder Abreden nur scheinbar klar beantwortet. 117 Deshalb sei eine Lösung des Problems des Treuguterwerbs durch einen bösgläubigen Erwerber möglich. Schlosser erwägt zunächst, ob die Treuhandabrede bei der Vollrechtstreuhand statt eines Verfügungsverbotes nicht vielmehr eine Rechtsänderung dahingehend enthalte, daß dem Recht seine Veräußerlichkeit genommen werde. § 137 BGB wäre dann nicht einschlägig, denn die Norm setze ein veräußerliches Recht voraus. Diese widerspreche jedoch - von den Fällen des § 399 BGB abgesehen - dem Normzweck des § 137 BGB, weil über einen Umweg gerade das Ergebnis erreicht würde, das § 137 BGB verhindern wolle. Zudem stelle die Übertragbarkeit eine wesentliche Eigenschaft des subjektiven Rechts dar.118 In Fällen der unbedingten „Vollrechtstreuhand" zwinge jedoch die Inkongruenz von Parteiwillen und Angebot an tauglichen Rechtsfiguren zu einer Lösung in Form der Übertragung der Figur des Vollmachtsmißbrauchs. Schlosser unterstellt hier freilich eine Inkongruenz, die nicht vorhanden ist, und fällt damit in dogmatische Schwächen aus dem 19. Jahrhundert zurück. 119 Schlossers Auffassung erinnert an das überwundene Simulationsargument, das an der Wiege des Treuhandrechts stand. 120 In Wirklichkeit sind Parteiwillen und gewählte Rechtsfigur kongruent. Die Inkongruenz bezieht sich lediglich auf das Verhältnis von Zweck und Mittel. Ob diese Inkongruenz die Anwendung von § 137 BGB verhindern kann, erscheint fraglich. Zuletzt hat Gruber121 unter Anschluß an Wank122 und Timmm diesen Ansatz wieder aufgegriffen und aufgeführt, jedenfalls dann, wenn dem Dritten die Treuhänderstellung seines Geschäftspartners offenbar sei, müsse dieser einem Stellvertreter, dessen Stellung wegen des Offenkundigkeitsgrundsatzes immer 115 116 117 118 119 120 121 122 123
Wank JuS 1979,402,407. Wank JuS 1979,402,407. Schlosser NJW 1970,681. Schlosser~N]W 1970,682. Dazu oben §2 IV. Dazu oben §2. Gruber AcP 202,435,460 ff. Wank JuS 1979,402 ff. Timm JZ1989,12,23 f.
704
Teil 7: Interessenkonflikte
zwischen Treugeber und
Dritten
offenbar sei, gleichgestellt werden. Denn dann habe der Dritte - wie beim Stellvertreter - Anlaß, auf die Pflichtenbindung des Treuhänders Rücksicht zu nehmen. Auf§ 1 3 7 B G B komme es nicht an. Eine überzeugende Begründung für die Nichtanwendung des § 137 Satz 1 B G B konnte bislang also nicht geliefert werden. Die Gegenauffassung führt deshalb an, § 137 Satz 1 B G B stehe einem Schutz des Treugebers gegen treuwidrige Verfügungen des Treuhänders durch Übertragung der Figur des Mißbrauchs der Vertretungsmacht" entgegen. 124 Die Norm lasse sich auch nicht teleologisch reduzieren, denn sie sei „Eckpfeiler für die systematische Grundentscheidung des Gesetzgebers, ein vom Schuldrecht abstraktes Sachenrecht zu schaffen, das sich durch einen numerus clausus der dinglichen Rechte auszeichnet". 125 Der Grundsatz, daß eine Inhaberschaft auch eine Verfügungsmacht begründe, könne deshalb vertraglich nicht beschränkt werden. Auf einen irgendwie gearteten guten Glauben des Rechtsverkehrs könne es also nicht ankommen. 1 2 6
IV. Eigene Lösung 1. Allgemeines Die „Gleichwertigkeitsthese" erscheint bestechend. Sie kann freilich eine dogmatische Begründung für die Übertragung der Regeln zum Mißbrauch der Vertretungsmacht auf den Mißbrauch von Rechtspositionen nicht ersetzen. Hinzukommt, daß der pflichtwidrige Gebrauch eine Legitimation durch den Treuhänder - je nach hierzu vertretener Auffassung - auf ganz unterschiedliche Weise behandelt wird, und deshalb die Überprüfung der drei Modelle, „Mißbrauch der Vertretungsmacht", „Durchgriff auf das Innenverhältnis" und die hier vertretene Lösung über eine Haftung aus §§311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1,249 Abs. 1 B G B auf ihre Tauglichkeit für die Lösung des Problems eines pflichtwidrigen Gebrauchs von Rechtspositionen durch den Treuhänder zu unterschiedlichen Ergebnissen führen mag.
a) „Durchgriff auf das Innenverhältnis" Eine Übertragung des „Durchgriffsmodells", mit dessen Hilfe nach der neueren Auffassung bei evident pflichtwidrigem Gebrauch der Vertretungsmacht, der Ermächtigung oder des Verwaltungsrechts der Umfang dieser Machtmittel im Wege einer teleologische Reduktion des Abstraktionsprinzips beschränkt wer-
124 125 126
Henssler, AcP 196, 37, 67. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 324. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 326.
§ 32. Pflichtwidriger
Gebrauch der Rechtsinhaberscbaft
durch den Treuhänder
705
den kann, 127 auf das Machtmittel Rechtsinhaberschaft ist nicht möglich. Vertretungsmacht, Schlüsselgewalt, Ermächtigung zur Ausübung eines Rechts oder Verwaltungsrecht des Testamentsvollstreckers oder Insolvenzverwalters sind bloße Legitimationen oder „Verkehrsmittel" des Treuhänders. Die Befugnis zum Zugriff des Treuhänders auf vom Treugeber gehaltene Rechtspositionen leitet sich hingegen aus dem Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder her. Die Reichweite der Befugnis muß die Geschäftspartner des Treuhänders jedoch aus Verkehrsschutzgründen nicht interessieren, soweit sie nicht evident überschritten wird. 128 Bei der Inhaberschaft eines Vollrechts wird die Rechtsposition selbst und nicht nur die Fähigkeit zum Zugriff auf eine vom Treugeber gehaltene Rechtsposition vom Treuhänder gehalten. Es geht dabei nicht um den von Huber angeführten Unterschied zwischen Handeln im eigenen und im fremden Namen, sondern um die Unterscheidung, daß einmal der Treuhänder seine Befugnis zum Zugriff auf Rechtspositionen des Treugebers aus dem Treuhandverhältnis ableitet, das andere Mal aus der als Machtmittel gehaltenen Rechtsposition selbst, denn der Inhaber von Rechtspositionen leitet die Befugnis zur Verfügung über diese Rechtspositionen nicht aus einem Rechtsgeschäft mit einem Dritten ab. Es geht also nicht an, die causa des Rechtserwerbs, etwa einen Treuhandvertrag oder Kaufvertrag, mit dem Innenverhältnis einer Legitimation gleichzusetzen, was im übrigen jedenfalls beim Erwerb des „Treuguts" durch den Treuhänder von einem Dritten ohnedies nicht möglich wäre. Es ist zwar zutreffend, daß die Legitimation vom Innenverhältnis genauso abstrakt ist wie der Rechtserwerb vom zugrundeliegenden Schuldverhältnis. Trotzdem führt insoweit eine Reduktion des Abstraktionsprinzips nicht weiter, weil beim Rechtserwerb das Schuldverhältnis zwar die causa für das Behaltendürfen gibt, nicht aber die Befugnis zu Verfügungen über das Recht. Diese entspringt aus dem Recht selbst, das Vollrecht trägt sozusagen diese Befugnis in sich selbst. Der Eigentümer einer Sache etwa ist befugt, „mit der Sache nach Belieben zu verfahren", §903 BGB. Soweit dieses Belieben in der Vornahme einer Verfügung besteht, kann der Eigentümer auf diese Befugnis nicht ganz oder teilweise verzichten, § 137 Satz 1 BGB, sondern sich lediglich einem bestimmten Dritten gegenüber dazu verpflichten, nicht von ihr Gebrauch zu machen, § 137 Satz 2 BGB. Es gibt also kein die Befugnis einräumendes oder beschränkendes Innenverhältnis, auf das durchgegriffen werden könnte.
127 128
Dazu oben §31 II 3. Dazu oben § 31 II 3 c.
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Teil 7: Interessenkonflikte
b) „ Mißbrauch der
zwischen Treugeber und Dritten
Vertretungsmacht"
Die ältere Auffassung zum Mißbrauch der Vertretungsmacht129 knüpft am Mißbrauch der Rechtsposition des Vertreters an, verkennt dabei jedoch, daß der Vertreter lediglich über eine Legitimation, nicht aber über ein Recht verfügt, das er mißbrauchen könnte. Diese grundsätzliche Kritik an dieser Figur130 hindert jedoch nicht ihre Anwendung bei der „Vollrechtstreuhand", denn es gibt zwar mangels Rechtscharakters der Vertretungsmacht und anderer Legitimationen keinen „Mißbrauch der Vertretungsmacht",131 wohl aber ist ein Mißbrauch des treuhänderisch gehaltenen Vollrechts denkbar. Grundmann132 hält dem entgegen, durch eine Übertragung des Mißbrauchsmodells auf die Vollrechtstreuhand würde letztlich die Position des Treugebers verdinglicht, denn wie sonst könnte man den Treuhänder wie einen Vertreter behandeln. Das erscheint jedoch unzutreffend, denn der Treugeber benötigt keine dingliche Rechtsstellung, um dem Treuhänder Rechtsmißbrauch vorwerfen zu können. Gegen das Modell des „Mißbrauchs der Vertretungsmacht" spricht jedoch der Einwand von Canaris,lii daß § 242 BGB bei der Vollrechtstreuhand im Verhältnis von Treugeber und Geschäftspartner nicht angewendet werden könne. Anders als bei der Stellvertretung komme hier gerade kein Schuldverhältnis zwischen Treugeber und Geschäftspartner zustande, vermöge dessen der Geschäftspartner Pflichten aus § 242 BGB ausgesetzt wäre, weil der Geschäftspartner nicht mit dem Treugeber, sondern mit dem Treuhänder selbst ein Rechtsgeschäft abschließen wolle. c) Haftung nach §§311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB Diesem Einwand sieht sich nicht nur die Auffassung ausgesetzt, die das Modell des Mißbrauchs der Vertretungsmacht auf den Mißbrauch von Rechtspositionen, also „treuwidrige Verfügungen" übertragen will. Auch die Übertragung des hier vertretenen Modells der Haftung des Dritten nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB kann, wenn Canaris' Auffassung zutrifft, nicht auf treuwidrige Verfügungen übertragen werden, weil bei der Verfügung des Treuhänders über eine von ihm gehaltene Rechtsposition der Treuhänder und nicht der Treugeber Vertragspartner wird und also ein Schuldverhältnis nach §311 Abs. 2 BGB nur zwischen Treuhänder und Geschäftspartner entsteht.
129 130 131 132 133
Dazu oben §31 II 3 a. Dazu unten §31 II 3 c. Das verkennen Timm JZ 1989,12,23; Gruber AcP 202,435,460 ff. Grundmann, Treuhandvertrag, S. 328. Canaris, FS Flume, S. 420 f.
§ 32. Pflichtwidriger Gebrauch der Rechtsinhaberschaft durch den Treuhänder
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Im folgenden ist also der Einwand Canaris' auf seine Stichhaltigkeit zu überprüfen. Sollte sich dabei zeigen, daß er unzutreffend ist und zwischen Treugeber und Geschäftspartner des Treuhänders eine schuldrechtliche Sonderbeziehung besteht, dann ist vorrangig zu erörtern, ob das Modell der Haftung des Dritten nach §§ 311 Abs. 2,241 Abs. 2 , 2 8 0 Abs. 1,249 Abs. 1 B G B übertragbar ist. Dies hätte nämlich den Vorzug, daß im gesamten Treuhandrecht eine einheitliche Lösung des Interessenkonflikts zwischen Treugeber und Drittem bestünde, für die nicht an der Pflichtverletzung des Treuhänders, sondern des Dritten angeknüpft wird. Soweit dies nicht der Fall ist, bleibt anschließend zu erörtern, ob das Mißbrauchsmodell zwar nicht auf den Mißbrauch von Legitimationen, dafür aber auf treuwidrige Verfügungen des Treuhänders anwendbar ist.
2. Einbeziehung
des Treugebers in die Schutzwirkung des Vertrages?
Ein Schuldverhältnis zwischen Treugeber und Dritten könnte bestehen, wenn das Schuldverhältnis zwischen Treuhänder und Geschäftspartner Schutzwirkung zugunsten des Treugebers entfalten würde. 134 Dann wäre der Treugeber als Dritter in den Schutzbereich des dinglichen Vertrages zwischen Treuhänder und Geschäftspartner einbezogen. Folge wäre, daß der Geschäftspartner bereits im Vorfeld seines Vertrages mit dem Treuhänder auch gegenüber dem Treugeber an die Grundsätze von Treu und Glauben gebunden wäre und so möglicherweise keine Rechte gegenüber dem Treugeber herleiten könnte, wenn er mit einem Treuhänder kontrahiert, der seine Rechtsstellung mißbraucht. Unabhängig von der Frage, ob sich die Schutzwirkung eines Vertrages für Dritte aus einer ergänzenden Auslegung dieses Vertrages, 135 einem gesetzlichen Schutzpflichtverhältnis, 136 nunmehr in Anknüpfung an §311 Abs. 3 Satz 1 B G B , oder aus richterlicher Rechtsfortbildung dispositiven Gesetzesrechts 137 ergibt, kommt die Einbeziehung eines Dritten (hier des Treugebers) in vertragliche Schutzwirkungen nur dann in Betracht, wenn dieser bestimmungsgemäß mit der vertraglichen Leistung in Berührung kommt. Diese Frage kann nicht für Diese Möglichkeit denkt Canaris, FS Flume, S. 421 an. So die ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH N J W 2001,514, 516; BGH N J W 1998, 1949; BGH N J W 1998,1059; B G H Z 127,378; B G H Z 9,316,318; RGZ 127,222; Staudinger/ Jagmann §328 BGB Rn.94; Odersky N J W 1989, 1, 4; Soergel/Hadding Anh. §328 BGB Rn.6; Palandt/Heinrichs §328 BGB Rn. 14; Dahm JZ 1992, 1167; Larenz/Wolf BGB AT Rn. 120; vgl. auch Schlechtriem, FS Medicus, S. 539. 136 Esser/Schmidt, Schuldrecht 12 § 3 4 I V 2 b; Canaris]Z 1965,475 ff.; Canaris, FS Larenz, S. 85ff.; Neuner JZ 1999, 126, 135; Junker, Vertretung, S.38ff.; Krebs, Sonderverbindung, S. 557 ff. 137 Larenz, Schuldrecht I, §17 II; Fikentscher, Schuldrecht, §37 VII 1; MünchKomm/ Gottwald § 328 BGB Rn. 80; Erman/Westermann § 328 BGB Rn. 12; Bayer JuS 1996,473,475; W - J u S 2000,220,223. 134
135
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Teil 7: Interessenkonflikte
zwischen Treugeber und
Dritten
alle Treuhandverhältnisse einheitlich beantwortet werden, aber jedenfalls die Drittwirkung einiger Treuhandverhältnisse ist anerkannt. So wird etwa im Bankrecht gesagt, das Auftragsverhältnis zwischen Inkassobank (Treuhänder) und Bundesbank (Geschäftspartner) habe Schutzwirkung zugunsten des Scheckeinreichers (Treugeber), da dieser auf eine sachgerechte Abwicklung des Einzugsverfahrens vertrauen dürfe. 138 Als Machtmittel kommt hier neben der Einziehungsermächtigung durchaus auch die Übertragung der Rechte etwa aus einem Inhaberscheck auf die Inkassobank („Vollrecht") in Betracht. 1 3 9 Bei den „Gutachterfällen" 140 hat sich als Kriterium für die Leistungsnähe des Dritten herausgebildet, daß die Leistung auch zugunsten dieses Dritten erbracht wird, weil dieser der eigentlich an der Vertragsleistung interessierte ist. 141 Im Gegensatz dazu sollen lediglich mittelbare Auswirkungen auf das Vermögen des Dritten für die Begründung der Leistungsnähe nicht genügen. 142 Gerade bei der Treuhand ist der Treugeber als Dritter der eigentlich an der Vertragsleistung interessierte, die der Treuhänder für ihn akquiriert. Hier kommt es jedoch nicht auf die Einbeziehung in den Schutzbereich des Treuhändergeschäfts und die Leistungsnähe zu der darin vereinbarten Hauptpflicht, sondern auf die Einbeziehung in den Schutzbereich bereits des vorvertraglichen Schuldverhältnisses nach § 311 Abs. 2 B G B an. Der Treugeber würde auf Seiten des Treuhänders, der für „Wohl und Wehe" des Treugebers verantwortlich ist, in den Schutzbereich einbezogen. Das hilft ihm jedoch nicht. Es geht bei treuwidrigen Verfügungen nämlich nicht darum, daß der Treugeber in gleicher Weise wie der Treuhänder den Gefahren einer Nebenpflichtverletzung durch den Geschäftspartner ausgesetzt ist, denn beim Mißbrauch der treuhänderisch gehaltenen Rechtsinhaberschaft geht es gerade nicht um eine gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit des Geschäftspartners auf Rechtsgüter des Dritten, sondern um die Frage, ob der Treuhänder auf die Interessen des Treugebers pflichtwidrig einwirkt, indem er mit dem Geschäftspartner einen Vertrag schließt, der nicht von der Zweckabrede im Innenverhältnis gedeckt ist. Es geht also beispielsweise darum, daß der Treuhänder Gegenstände veräußert, obschon die Veräußerung nicht im Interesse des Treugebers steht, der diese Gegenstände gerne weiterhin „behalten" hätte. Hiergegen wäre der Treugeber nur geschützt, wenn er auf Seiten des Geschäftspartners in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen würde, was jedoch nicht der Fall ist. Allein aus der Möglichkeit eines treuwidrigen Verhaltens des Treuhänders kann also keine Schutzwirkung 138 B G H Z 96, 9, 17; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 735, 759; Junker, Vertretung, S. 80; MünchKomm/GottieWi/§328 BGB Rn. 145. 139 Vgl. nur Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 775 ff.; Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 61 Rn. 10. 140 Eingehend dazu Canaris JZ 1995,441 ff. 141 B G H Z 69, 82, 86 ff.; B G H Z 75,231 ff.; kritisch Neuner JZ 1999,126,129. 142 O L G Hamm MDR 1999,556, 557; MünchKomm/Gome«W § 328 BGB Rn. 113.
§ 32. Pflichtwidriger Gebrauch der Rechtsinhaberschaft durch den Treuhänder
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des Vertrages zwischen Treuhänder und Geschäftspartner zugunsten des Treugebers hergeleitet werden. Hinzukommt: Es wäre deshalb auch nicht möglich, dem Treugeber analog zur (kritikwürdigen) Figur des Mißbrauchs der Vertretungsmacht 143 eine Einrede aus § 242 B G B gegen den Anspruch des Geschäftspartners gegen den Treuhänder zu geben, weil dann die Beziehung zwischen Treugeber und Geschäftspartner und die daraus entstehenden Einreden aus §242 B G B auf ein anderes Rechtsverhältnis, hier das „Treuhändergeschäft" zwischen Treuhänder und Geschäftspartner, einwirken müßte, und zwar in der Weise, daß der Treugeber dem Dritten einen Anspruch gegen den Treuhänder durch Erhebung einer Einrede nehmen kann. Beim „Mißbrauch der Vertretungsmacht" hingegen verhindert der Treugeber den vom Treuhänder begründeten Anspruch gegen sich (den Treugeber) selbst durch die Erhebung der Mißbrauchseinrede. Einrede und Anspruch bestehen dort also zwischen den gleichen Personen.
3. §311 Abs. 3 Satz 1 BGB a) Allgemeines Der im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung eingefügte §311 Abs. 3 Satz 1 B G B ermöglicht, daß im vorvertraglichen Stadium ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach §241 Abs. 2 B G B auch zu Personen entstehen kann, die nicht Vertragspartei werden sollen. §311 Abs. 3 Satz 2 B G B erwähnt beispielhaft („insbesondere") den Verhandlungsgehilfen, der in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt. Uber dieses Beispiel hinaus ermöglicht der bewußt offen gefaßte § 311 Abs. 3 Satz 1 B G B die Entstehung eines solchen Schuldverhältnisses jedoch auch in anderen Fällen. Weitere Anwendungsvoraussetzungen enthält die Norm allerdings nicht, so daß ihr der Vorwurf der Konturlosigkeit 144 gemacht wird. Trotz dieses offenen Wortlauts können freilich nicht beliebig Schuldverhältnisse zu Dritten konstruiert werden, denn das B G B geht, wie es in § 241 Abs. 1 B G B andeutet, von der Relativität der Schuldverhältnisse aus. 145 Also bedarf es jeweils immer einer besonderen Rechtfertigung 146 für die Behauptung eines solchen Schuldverhältnisses. Bestünde eine solche Rechtfertigung, so könnte ein Schuldverhältnis nach §§311 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2, 241 Abs. 2 B G B zwischen Drittem und Treugeber entstehen. Die hier untersuchte Konstellation verhält Dazu oben §31 II 3 a. Staudinger/Jagmann § 328 B G B Rn. 90. 145 Vgl. dazu nur Staudinger/Schmidt Einl. § 241 B G B Rn. 433 ff.; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 93. 146 Vgl. Canaris, FS B G H I, S. 183 f. 143 144
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Teil 7: Interessenkonflikte zwischen Treugeber und. Dritten
sich freilich geradezu spiegelbildlich zur anerkannten Eigenhaftung des Vertreters wegen Inanspruchnahme besonderen Vertrauens oder wirtschaftlichen Eigeninteresses. Dort nämlich streben der handelnde Vertreter und der Dritte keine Bindung des Vertreters, sondern des Vertretenen an; gleichwohl wird der Vertreter unter bestimmten Voraussetzungen über ein Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 3 und 2 B G B mit dem Dritten verbunden und auf diese Weise einer Haftung nach §§ 311 Abs. 2 und 3,241 Abs. 2,280 Abs. 1,249 ff. B G B ausgesetzt, obwohl er selbst nicht Vertragspartner werden soll. Im Treuhandrecht hingegen strebt der unter Gebrauch einer ihm übertragenen Rechtsposition (Machtmittel) handelnde Treuhänder sehr wohl selbst ein Rechtsgeschäft mit dem Dritten an und es ist zu prüfen, ob nicht der dahinterstehende Treugeber, der gerade nicht Vertragspartner werden soll, nicht mit dem Dritten durch ein Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 und 3 B G B verbunden ist. b) Rollenwechsel bei der Eigenhaftung
des Vertreters
Ist der Vertreter wirtschaftlich gesehen der Geschäftspartner des Dritten, so findet gleichsam ein Rollenwechsel statt, wenn derjenige, den das Geschäft wirtschaftlich trifft, von Rechts wegen lediglich als Vertreter auftritt. Der Vertreter als „eigentlicher wirtschaftlicher Interessenträger" 147 wird zum procurator in rem suam. 148 In diesem Fall soll der Vertreter selbst mit dem Geschäftspartner durch ein Schuldverhältnis nach §311 Abs. 2 B G B verbunden werden und entsprechend für Pflichtverletzungen innerhalb dieses Schuldverhältnisses haften. 149 Ursache für einen solchen Rollenwechsel wird regelmäßig Vereinfachung oder Kostenersparnis sein, etwa Vermeidung von Steuerzahlungen 150 oder einer gebührenpflichtigen Zwischeneintragung im Grundbuch. 151 Diese anerkannte Fallgruppe geht auf ein spätes Urteil des Reichsgerichts 152 zurück, nach dessen Auffassung die Tatsache, daß der Vertrag in fremdem Namen geschlossen wird, einer Haftung des Vertreters nicht entgegenstehen soll, wenn das Geschäft vom Vertreter gleichsam auf eigene Rechnung vorgenommen wird. Uneinigkeit besteht darüber, wie diese Haftung des Vertreters zu begründen ist. Eine Auffassung 153 sieht diese Fallgruppe als Ausdruck der Vertrauenshaftung Palandt/Heinrichs %311 BGB Rn.61. RGZ 120,249,253. 149 Vgl. nur RGZ 120,249,253; B G H Z 3,382 ff.; B G H Z 14, 313, 318; BGHZ 79,281,286; BGHZ 126,181,183 ff.; BGH NJW-RR1992,879,883; Palandt/Heinrichs § 311 BGB Rn. 53; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 216; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn.200a; Bork, BGB AT, Rn. 1680 ff.; Ballerstedt AcP 151,501,524 f.; in § 311 Abs. 3 BGB n.F. nicht positiviert, weil die Entwicklung hier noch im Fluß sei, vgl. Canaris JZ 2001, 499,520 150 So in B G H Z 79,281 ff. 151 So in RGZ 120,249,253. 152 RGZ 120,249,252. 153 So auch BGH N J W 1975, 642, 644; Staudinger/Schilken § 164 BGB Rn. 15; Staudin147
148
§32. Pflichtwidriger
Gebrauch der Rechtsinhaberschaft
durch den Treuhänder
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an. Der Vertreter müsse sich den eigentlich für einen anderen (den Vertretenen) gesetzten Vertrauenstatbestand im Rahmen der culpa in contrahendo unter bestimmten Voraussetzungen selbst zurechnen lassen, weil er die personalen Anforderungen für eine Gleichstellung mit einer Vertragspartei erfülle. 154 Diese Argumentation erscheint freilich etwas gekünstelt und dem Bestreben geschuldet, die Haftung aus §§311 Abs. 2 und 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 ff. BGB einheitlich auf den Vertrauensgedanken zurückzuführen. 1 5 5 Eine andere Strategie zur Einordnung dieser Fallgruppe in ein Modell der Vertrauenshaftung ist die Aufstellung der Voraussetzung, daß der Vertreter dem Dritten als Quasiverkäufer erscheinen müsse, so dieser daß nicht dem Vertretenen, sondern ihm Vertrauen schenke. 156 Der entscheidende Aspekt liegt jedoch nicht in dem Hervorrufen von Vertrauen, 157 sondern vielmehr in dem angesprochenen Rollenwechsel, also in dem Umstand, daß der Vertreter - bewußt - auf wirtschaftlicher Ebene die Stellung des Vertragspartners einnimmt und deswegen bei der Vertragsanbahnung auch die rechtlichen Konsequenzen aus dieser Stellung tragen soll und sich widersprüchlich verhält, wenn er sich im Haftungsfall auf seine Vertretstellung zurückzieht. 158 Wer wirtschaftlicher Träger des Geschäfts ist und sogar gleichzeitig die Verhandlungspolitik bestimmt, weil er beim Vertragsschluß auftritt, muß die entsprechende Verantwortung übernehmen. 159 Der Umstand des Rollenwechsels war auch Kern der Reichsgerichtsrechtsprechung, 160 die später durch Einführung des Kriterium des wirtschaftlichen Eigeninteresses aufgeweicht wurde, 161 für das kein vollständiger Rollenwechsel mehr erforderlich war. Die haftungsbegründenden Umstände, nämlich die wirtschaftliche Stellung des Vertreters als Geschäftspartner, müssen deshalb auch nicht nach außen hervortreten. Tritt das Eigeninteresse des Vertreters nach außen, so muß dies übrigens auch keineswegs besonderes Vertrauen beim Dritten hervorrufen, denn die Aussagen eines selbst interessierten Vertreters können im Rechtsverkehr sogar als besonders mißtrauenswürdig empfunden werden. 162 Bereits der Rollenger/Löwisch vor §275 BGB a.F. Rn.90; Ballerstedt AcP 151, 510ff.; Schmidt AcP 170, 502, 517ff.; Canaris, FS BGH I, S. 184 f. 154 Canaris, FS BGH I, S. 184 f. 155 Canaris sieht selbst, daß diese Fallgruppe den Rahmen der Vertrauenshaftung und damit die Verortung der „culpa in contrahendo" im Bereich der Vertrauenshaftung „sprengen" könne. 156 Vgl. etwa Staudinger/Schilken § 164 BGB Rn. 15. 157 So wohl auch die neuere Rechtsprechung, vgl. B G H Z 126,181 ff. 158 Soergel/Leptien § 164 BGB Rn. 6; ohne Verbindung zum Vertrauen auch Palandt/ Heinrichs %311 BGB Rn.61. 159 Soergel/Wiedemann vor § 275 BGB a.F. Rn. 226. 160 In der Entscheidung RGZ 120,249 ff. ging es letztlich um einen Rollentausch von Vertreter und Vertretenem. 161 Leitentscheidung ist BGHZ 14,313 ff. 162 Medicus Bürgerliches Recht Rn. 200a.
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Teil 7: Interessenkonflikte
zwischen Treugeber und
Dritten
Wechsel als solcher erzeugt also ein Schuldverhältnis nach §311 Abs. 3 Satz 1 BGB, das dem „Vertreter in eigener Sache" dieselben Pflichten, §241 Abs. 2 BGB, auferlegt, wie demjenigen, der auch von Rechts wegen in eigenen Angelegenheiten kontrahieren möchte. Das Schaffen eines Vertrauenstatbestands war also vor der Schuldrechtsmodernisierung und ist auch danach allenfalls eines von mehreren Begründungsmustern für das Bestehen eines Schuldverhältnisses nach §311 Abs. 3 BGB. 163 Besteht ein solches Schuldverhältnis, so kann umgekehrt freilich auch der Vertreter in eigener Sache in den Genuß eigener Ansprüche aus diesem Schuldverhältnis gegen den Dritten kommen. 164 Dieser kann allerdings dem Vertreter als „wirtschaftlichem Vertragspartner" nur haften, wenn ihm der Rollenwechsel bekannt (evident) ist. Solange der Dritte nämlich nicht weiß, daß er es mit einem Vertreter in eigener Sache zu tun hat, darf er sich darauf zurückziehen, seinen Verhandlungspartner als gewöhnlichen Vertreter behandeln zu dürfen, als der dieser auftritt. Hier also und nicht bei der Begründung der Vertreterhaftung kommt es auf das Nachaußentreten des Rollenwechsels an. c) Rollenwechsel im Treuhandrecht In der hier untersuchten Konstellation aus dem Treuhandrecht kommt es ebenfalls zu einem Rollenwechsel aus Vereinfachungs- oder Ersparnisgründen. Der Treuhänder wird, weil es oftmals teuer und mühsam ist, einen im Gesetz vorgesehenen Weg zu beschreiten, der die Errichtung einer eigenen Rechtsperson etwa einer Verwaltungsgesellschaft - erfordern würde, nicht nur Organ einer solchen Gesellschaft, die Inhaber der zu verwaltenden Rechtspositionen ist, sondern selbst Inhaber dieser Rechtspositionen. 165 Im Verhältnis von Treugeber und Treuhänder ist deshalb so zu verfahren, als ob z.B. eine Verwaltungsgesellschaft bestünde, deren Geschäftsführer der Treuhänder ist und über deren Vermögen dieser Treuhänder nur als Inhaber einer Legitimation verfügen kann. 166 Rein rechtlich gesehen wird der Treuhänder freilich verfügender Vertragspartner, obschon dies bei der Wahl einer anderen Rechtsform nicht der Fall wäre und auch nicht die wirtschaftliche Rollenaufteilung - Interessenträger ist der Treugeber - widerspiegelt. Die Fiktion einer Organ- oder Amtsstellung im Innenverhältnis zwischen Treugeber und Treuhänder bestimmt allerdings lediglich das Pflichtenprogramm des Treuhänders 167 und muß den Geschäftspartner des Treuhänders grundsätzlich nicht interessieren. Der „Rollenwechsel" zwischen Treugeber und Treuhänder erscheint deshalb allein als eine Frage des Innenver163 164 165 166 167
Vgl. nur MünchKomm/Emmerich §311 BGB Rn.210ff. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, § 3 Rn. 12; Canaris JZ 2001,499,520. Vgl. dazu oben § 14 II 1 das Beispiel von selbständiger und unselbständiger Stiftung. Zum Fiktionsmodell oben § 10 I 3 b cc. Dazu eingehend oben § 101.
§ 32. Pflichtwidriger
Gebrauch
der Rechtsinhaherschaft
durch den Treuhänder
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hältnisses. Es bestehen jedoch keine Bedenken dagegen, auch in anderen Fällen des Rollentauschs ein Schuldverhältnis zwischen den „wirtschaftlichen Vertragsparteien" anzunehmen, also nicht nur zwischen wirtschaftlich interessiertem Vertreter und Drittem, sondern auch zwischen dem Treugeber als Interessenträger und dem Drittem, also dem Geschäftspartner des Treuhänders. § 311 Abs. 3 B G B ermöglicht es auch hier, die nicht mit der Rechtslage übereinstimmende wirtschaftliche Interessenlage juristisch abzubilden. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an anderer Stelle, 168 beim sogenannten „Treuhänderproblem", als unerheblich anzusehen ist. Die Situation der Zwangsvollstreckung oder Insolvenz und des Kontrahierens lassen sich nämlich nicht ohne weiteres vergleichen. §§ 771 Z P O , 43 KO, 47 InsO stellen mit ihrem Anknüpfen an „ein die Veräußerung hinderndes Recht" oder das „gehören" für die Zugehörigkeit einer Rechtsposition zur Insolvenzmasse allein auf die Rechtsverhältnisse an dem Vollstrekkungsgegenstand und nicht auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ab, während der offene Wortlaut des § 311 Abs. 3 Satz 1 B G B es gerade ermöglicht, neben der rechtlichen Situation, die bereits in § 311 Abs. 2 B G B entscheidend ist, die wirtschaftliche Situation abzubilden. Hinzukommt, daß die Situation der Zwangsvollstreckung oder Insolvenz mit jener der aktiven Verfügung über eine Rechtsposition nicht ohne weiteres vergleichbar ist. Möglicherweise verbietet sich eine Anwendung des §311 Abs. 3 Satz 1 B G B aber deshalb, weil bei der Fallgruppe des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Vertreters die Haftung zulasten der rollenwechselnden Seite eingreift, im Treuhandrecht hingegen zulasten des Dritten. Bei der Vertretung haftet also der von Rechts wegen als Vertreter verkleidete „wirtschaftliche Vertragspartner", bei der Treuhand haftete hingegen der Kontrahent des von Rechts wegen als Vertragspartner verkleideten „Fremdinteressenwahrnehmers". Dem läßt sich jedoch entgegenhalten, daß die Haftung aus dem Schuldverhältnis nach §311 Abs. 3 B G B immer beidseitig ist und auch der Dritte gegebenenfalls dem als Vertreter verkleideten „wirtschaftlichen Vertragspartner" haftet. 1 6 9 Besteht einmal ein Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 3 B G B , so können immer auch für beide Seiten Pflichten bestehen, deren Verletzung einen Anspruch aus § 2 8 0 Abs. 1 B G B entstehen läßt. Eine andere Frage ist die nach den jeweiligen Haftungsvoraussetzungen, bei denen sich durchaus Unterschiede ergeben können. Allerdings könnte man gegen eine Haftung des Dritten zugunsten des Treugebers einwenden, daß das „selbst die Rolle tauschen" als Voraussetzung für die Begründung eines Schuldverhältnisses nach § 311 Abs. 3 B G B , das dann freilich wechselseitige Pflichten nach § 241 Abs. 2 B G B erzeugen kann, nicht gleichwertig mit dem bloßen „mit einem Rollentauscher kontrahieren" sei. Der Rollentau 168 169
Dazu oben § 5 V und VI und auch unten § 33 IV 1 und 2. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, § 3 Rn. 12; Canaris JZ 2001,499, 520.
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Teil 7: Interessenkonflikte zwischen Treugeber und Dritten
scher handle widersprüchlich, wenn er sich auf die formale Rechtslage berufe und sich auf die Position des Vertreters zurückziehe. Das könne man dem Dritten bei treuhänderischen Rollentausch gerade nicht vorwerfen. Jedoch handelt auch ein Dritter widersprüchlich, wenn er vom Rollentausch weiß (Evidenz) und seine Haftung betreffend trotzdem auf der formalen Rechtslage beharrt. Die Unterschiede liegen also nicht in der Begründung eines Schuldverhältnisses nach §311 Abs. 3 B G B , das infolge einen Rollenwechsels immer zustandekommt, sondern kommen bei den Haftungsvoraussetzungen zur Geltung, die dazu führen, daß der Dritte wesentlich seltener als der „Rollenwechsler" haftet. Der „Rollenwechsler" wird in der Regel ohne weiteres haften, weil er um seinen Rollenwechsel weiß und also immer rechtsmißbräuchlich handelt, wenn er sich auf die formale Rechtslage beruft. Der andere Teil haftet zwar unter der gleichen Grundvoraussetzung, dem Wissen um den Rollentausch, nur wird dieses Wissen (Evidenz) bei dem anderen Teil nur in wenigen Fällen vorhanden sein. Das zeigt ein Vergleich mit dem Rollenwechsel im Vertretungsrecht: Auch dort ist für die Haftung des Dritten vorauszusetzen, daß der Dritte um die „Verkleidung" des Vertragspartners als Vertreter wußte, also wußte, daß er es mit seinem wirtschaftlichen Vertragspartner zutun hat. d) Pflichtverletzung
des Geschäftspartners des
Treuhänders
Für den „Rollenwechsler", also in unserem Fall den Treugeber, gelten zudem dann die allgemeinen Regeln der §§ 311 Abs. 2,241 Abs. 2,280 Abs. 1,249 Abs. 1 B G B , während für den anderen Teil, also den Geschäftspartner des über eine Rechtsposition verfügenden Treuhänders, weitere Einschränkungen zu machen sind. Haftungsgrund im Rahmen des Schuldverhältnisses aus § 311 Abs. 3 B G B ist zwar auch für den Dritten die Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 B G B gegenüber dem Treugeber, also der Pflicht zur „Rücksicht [...] auf Interessen des anderen Teils". Diese kann der Dritte aber nur verletzen, wenn neben der Evidenz des Rollenwechsels zusätzlich evident ist, daß der Treuhänder pflichtwidrig handelt. Nur bei Vorliegen doppelter Evidenz muß der Dritte den Zustand wiederherstellen, der ohne diese Pflichtverletzung bestünde, §§ 311 Abs. 2 und 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 B G B , muß er also in die Rückgängigmachung des „rücksichtslosen" Verfügungsgeschäfts einwilligen. Soweit dies unmöglich ist, würde Geldersatz geschuldet, § 251 Abs. 1 B G B . Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Bei den Erörterungen zum pflichtwidrigen Gebrauch von Legitimationen wurde eine derartige Lösung als zutreffend erachtet, weil der Geschäftspartner dazu verpflichtet sei, nicht mit einem interessenwidrig handelnden Treuhänder zu kontrahieren. Allerdings konnte diese Pflicht nur vorsätzlich verletzt werden, weil der Dritte lediglich die Pflicht gegenüber dem Treugeber hat, nicht bewußt durch den Mißbrauch von Normen, die ihn vor Nachteilen bewahren sollen, seinen Vorteil zu suchen. Par-
§ 32. Pflichtwidriger
Gebrauch
der Rechtsinhaberschaft
durch den Treuhänder
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allel dazu gilt hier: § 137 Satz 1 B G B soll den Dritten davor schützen, mit Verfügungsbeschränkungen aus einem anderen Rechtsverhältnis konfrontiert zu werden. Die Norm schützt Grundstrukturen des Zivilrechts, 170 will verhindern, daß die Verfügungsbefugnis über ein veräußerliches Recht mit dinglicher Wirkung beschränkt oder ausgeschlossen wird und sichert deshalb den der Orientierungssicherheit des Rechtsverkehrs und der Rechtsklarheit 171 dienenden numerus clausus 172 der güterzuordnenden Rechte. 173 Aus diesem Grund soll der Geschäftspartner des Treuhänders nicht gezwungen sein, nach derartigen Vereinbarungen zwischen Treugeber und Treuhänder zu forschen, die deshalb allein in deren Verhältnis Wirkungen entfalten und die Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers nicht beschränken, sondern lediglich ihre wirksame Ausübung schadensersatzpflichtig stellen, § 137 Satz 2 B G B . Etwas anderes gilt, wenn nicht nur der beschriebene Rollenwechsel evident ist, so daß dem Dritten der Treuhänder letztlich nur als Organ einer die fragliche Rechtsposition haltenden Verwaltungsgesellschaft erscheint, sondern außerdem evident ist, daß dieses fiktive Organ gegenüber der fiktiven Gesellschaft pflichtwidrig handelt. In einem solchen Ausnahmefall doppelter Evidenz nämlich würde der dennoch ein Verfügungsgeschäft mit dem Treuhänder schließende Dritte den ihm durch § 137 B G B gewährten Schutz vor Nachteilen zum eigenen Vorteil instrumentalisieren. Diese Möglichkeit soll ihm jedoch durch § 137 B G B genauso wenig eröffnet werden, wie durch die Abstraktion der Vertretungsmacht vom Auftrag. 174 § 137 B G B schießt insoweit - wie auch die Trennung von Motiven und Willenserklärung und von Vertretungsmacht und Innenverhältnis - über das Ziel hinaus. Der Dritte ist deshalb zwar zum Abschluß eines Verfügungsgeschäfts mit dem Treuhänder fähig, aufgrund seiner Rücksichtnahmepflicht aus §241 Abs. 2 B G B aber nicht befugt, weil er, unabhängig davon, auf welche Weise ein Interessenträger die Arbeitsteilung bei der Wahrnehmung seiner Interessen organisiert, nur vor arbeitsteilungsbedingten Nachteilen geschützt werden soll. Infolgedessen kann der Treugeber eine Rückgängigmachung des Rechtsgeschäfts zwischen Treuhänder und Drittem im Wege der Naturalrestitution erstreben. Dieser ausnahmsweise bestehende Schutz des Treugebers gegen treuwidrige Verfügungen des Treuhänders ergibt sich also nicht aus einem rechtsmißbräuchlichen Handeln des Treuhänders, also dessen Machtmißbrauch, sondern vielmehr daraus, daß sich der Dritte in Ausnahmefällen nicht auf § 137 Satz 1 B G B 170 MünchKomm/Mayer-Maly/Armbrüster §137 BGB Rn.5; Staudinger/Kohler §137 BGB Rn. 7; Flume, BGB AT II, § 17, 7; Canaris, FS Flume I, 371, 419ff.; Liebs AcP 175,1,23, 32 f.; vgl. auch Prot. III, S. 256. 171 Wagner AcP 194,451,473; Blaurock, Unterbeteiligung, S. 130. 172 Dazu Flume, BGB AT II, § 17,7; Däubler N J W 1968,1117,1119. 173 Vgl. dazu nur die eingehenden Untersuchungen von Liebs AcP 175,1,15 ff., und Staudinger/Kohler § 137 BGB Rn. 3 ff. 174 Dazu eingehend oben § 31 II 4.
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Teil 7: Interessenkonflikte zwischen Treugeber und Dritten
berufen darf, weil er ansonsten rechtsmißbräuchlich handeln würde. Es geht auch nicht um eine teleologische Reduktion des § 137 Satz 1 B G B , sondern um eine Pflichtverletzung des Dritten, der zwar mit dem Treuhänder als Rechtsinhaber kontrahieren kann, dies aber in bestimmten Ausnahmefällen nicht darf.
4. Exkurs: Auswirkung auf das Verpflichtungsgeschäft Eine evident pflichtwidrige Verfügung durch einen evident rollenwechselnden Treuhänder, kann also vom Treugeber rückgängig gemacht werden, indem dieser den pflichtwidrig handelnden Treuhänder, §§280 Abs. 1,249 Abs. l,undden Dritten, §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 B G B , zur Durchführung eines spiegelbildlichen Verfügungsgeschäfts zwingt. Davon unberührt bleibt jedoch das der pflichtwidrigen Verfügung zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft zwischen Treuhänder und Drittem. Soweit der Treugeber jedoch seine Schadenersatzansprüche geltendmacht, ist der Treuhänder nicht in der Lage, das Verpflichtungsgeschäft zu erfüllen, weil er die Rechtsposition zwar übertragen, nicht aber dem Dritten dauerhaft die Rechtsinhaberschaft zu verschaffen vermag. Soweit der Treugeber nicht zum Verzicht auf das Geltendmachen seiner Ansprüche bewegt werden kann, erlöschen Leistungs- und Gegenleistungspflicht aus dem Verfügungsgeschäft, §§275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 B G B . Gleiches gilt, wenn der Treuhänder den Treugeber hierzu nur unter einem Aufwand bewegen kann, der in einem groben Mißverhältnis zum Leistungsinteresse des Dritten steht, § 2 7 5 Abs. 2 Satz 1 B G B . Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, muß der Treuhänder, gegebenenfalls auch mit für ihn unverhältnismäßigen Mitteln, dem Treugeber den Verzicht auf das Geltendmachen seiner Schadenersatzansprüche abkaufen.
V. Zusammenfassung, Deutschrechtliche Treuhand Geschäftspartner des Treuhänders haben also die Pflicht, bei Evidenz des Rollenwechsels und Evidenz des pflichtwidrigen Handelns des Treuhänders kein Verfügungsgeschäft mit diesem vorzunehmen. Aus dem Schutz, den § 137 B G B dadurch gewährt, daß er verfügungshindernden Abreden keine Außenwirkung gewährt, darf der Geschäftspartner keine Vorteile erzielen. Dieser Maßstab macht zugleich deutlich, daß die sogenannte „Deutschrechtliche Treuhand" in Form der bedingten Vollrechtsübertragung kein zulässiger Lösungsweg ist, weil die auflösende Bedingung bei diesem Modell unabhängig davon eintreten soll, ob der Geschäftspartner des Treuhänders weiß, daß dieser Treuhänder ist und zudem eine Pflichtverletzung begeht.
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Pflichtwidriger
Gebrauch der Rechtsinhaberschaft
durch den Treuhänder
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Angesichts der Tatsache, daß sich die Unwirksamkeit bestimmter treuwidriger Verfügungen nicht ohne weiteres begründen läßt, wurde im Anschluß an Schnitzes „deutschrechtliche Treuhänder" immer wieder vorgeschlagen, Rechtspositionen unter einer oder mehreren auflösenden Bedingungen auf den Treuhänder zu übertragen. Auch in jüngster Zeit sehen etwa Schlosser,175 Co?«g, 176 oder zuletzt Henssler177 die Resolutivbedingung als Möglichkeit, in der Kautelarpraxis auf den Befund zu reagieren, daß das Treuhänderproblem, wie sich nach einer „streng gesetzestreuen Analyse" aller „Versuche schöpfender Rechtsgestaltung" ergebe, unlösbar sei. 178 Trotzdem ist ein solches Vorgehen in der Rechtspraxis selten. 179 Das mag zum einen an der Schwierigkeit liegen, derartige Bedingungen sauber zu formulieren, 180 zum anderen hat das Reichsgericht 181 in seiner Anfangszeit einem resolutiv bedingten Sicherungsverkauf die Simulationseinrede entgegengehalten, was in der Folge zu einer Abneigung der Rechtspraxis geführt haben mag. Diese Lösung schließt sich zudem zwangsläufig an die Unmittelbarkeitsformel der Rechtsprechung an, 182 denn eine bedingte Vollrechtsübertragung mit Schutzfunktion für den Treugeber ist nur bei unmittelbarer Übertragung des Machtmittels vom Treugeber auf den Treuhänder denkbar, denn ein Dritter wird mit dem Treuhänder kaum eine solche Bedingung vereinbaren. Der Schutz durch die „deutschrechtliche Treuhand" bleibt also ihre Zulässigkeit unterstellt - begrenzt. Schon sehr früh wurde außerdem gegen die „deutschrechtliche Treuhand" der Einwand erhoben, die Vereinbarung einer Resolutivbedingung, die auf die Verhinderung eines Vollstreckungszugriffs von Treuhänder-Gläubigern oder einer treuwidrigen Aktivverfügung des Treuhänders gerichtet sei, verstoße gegen § 137 Satz 1 B G B . 1 8 3 Auch für Schlosser liegt ein Widerspruch zwischen § 137 Satz 1 B G B und der Figur der Resolutivbedingung vor, der unter Beachtung des Normzwecks von § 137 B G B aufzulösen sei. Dieser Normzweck liege in der Garantie der Uneinschränkbarkeit der Verfügungsmacht des Rechtsinhabers, die zum "Wesen subjektiver Rechte gehöre, und der Garantie der freien Rechtserwerbsmöglichkeit Dritter. Deshalb kollidiere die Vereinbarung einer Resolutivbedingung mit dem Normzweck des § 137 Satz 1 B G B . 1 8 4 Diese Kollision lasse sich auch nicht durch den in § 161
Schlosser NJW 1970, 681 ff. Coing, Treuhand, S. 162 f. 177 Henssler AcP 196,37,69 ff. 178 Henssler AcP 196, 37, 86 f.; genauso Timm}"/, 1989,13 ff. 179 Walter, Unmittelbarkeitsprinzip, S. 20 f: „praktisch unbedeutend"; genauso Liebs AcP 175,1, 35 f; von Kries, Rechtsstellung, S. 30. 180 Blaurock, Unterbeteiligung, S. 123 und 128. 181 RGZ 2,174; dazu eingehend oben §2 III 3 a. 182 von Alten-Bockum, Treuhandgeschäfte, S. 24. 183 Dazu oben §5 III. 184 Schlosser N J W 1970,681,684; genauso zuvorFlume, BGB AT II, § 17, 7. 175 176
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Teil 7: Interessenkonflikte
zwischen Treugeber und
Dritten
Abs. 3 B G B vorgesehenen Schutz gutgläubiger Erwerber ausräumen,185 weil es in § 137 BGB auf die Frage der Gutgläubigkeit gerade nicht ankomme. Trotzdem könne sich die Rechtsanwendung über die Schranke des § 137 Satz 1 B G B hinwegsetzen, indem sie durch einen Akt moderner Rechtsfortbildung dem § 137 B G B den vom Gesetzgeber zugewiesenen Normzweck der Rechtsklarheit entziehe.186 Schlosser nennt als Argument für die Zulässigkeit dieser Rechtsfortbildung unabweisbare Bedürfnisse des Zivilrechtsverkehrs.187 Das ist immerhin erstaunlich, kommt doch die Bedingungstreuhand in der Praxis kaum vor. Dieses „wirtschaftlich vernünftige Ergebnis" dient für Schlosser nun als Grundlage einer „rechtlichen Neubestimmung der Regelfigur einer fremdnützigen Verwaltungstreuhand":188 Im Wege einer „weniger bloß am Vertragszweck haftende[n] und mehr nach dem Zweck der Vereinbarung fragende[n] Auslegung"189 lasse sich ermitteln, daß eine solche Bedingung immer vereinbart sei, wo nicht das Gegenteil ersichtlich werde oder eine Bedingung kraft Gesetzes unzulässig sei. Eine Vollrechtsübertragung geschieht nach geltendem Recht freilich im Regelfall, das heißt mangels besonderer Vereinbarung, gerade ohne Bedingung. Schlosser erklärt also eine vereinbarungsbedürftige Ausnahme kraft fragwürdiger Auslegungskriterien - letztlich im Wege der Vertragsergänzung nach objektiven, willensfernen Gesichtspunkten, die „den Parteiwillen vergewaltigen"190 - zum Regelfall. Schlosser wiederholt damit lediglich einen bereits in der Zwischenkriegszeit zu Recht abgelehnten191 Lösungsansatz und setzt sich damit letztlich der Kritik aus, die sich auch Paul gefallen lassen mußte, als er der Treuhand eine unabhängig vom Parteiwillen bestehende „Rechtsbedingung" angedeihen lassen wollte.192 Henssler sieht die Möglichkeit der Resolutivbedingung in einem „vorgegebenen Spannungsverhältnis" zu § 137 Satz 1 B G B und entnimmt aus dem besonders geregelten Bedingungsverbot in § 925 Abs. 2 BGB für die Auflassung, daß
So a b e r D ä u b l e r N J W 1968,1120. Dem folgt Assfalg N J W 1970,1902, der emphatisch von der „Durchbrechung der Barriere des § 137 BGB" spricht. 187 Schlosser N J W 1970,681,684. 185
186
188
5cWosierNJW1970,681,684.
SchlosserNJW 1970,681,684. 190 Vgl. Timm JZ 1989, 13, 19; so in der Zwischenkriegszeit bereits Radke, Unmittelbarkeitsproblem, S. 18; Schless, Stellvertretung, S. 72 191 Schumacher, Treuhand, S. 18 und 48; Goltz, Rechtsgeschäft, S. 13; Herz, Sicherungsübereignungen, S. 48; Scharpwinkel, Sicherungsübereignung, S. 27; Caspari, Sicherungsübereignung, S. 4; Staudinger/Rietzler, BGB, § 137 Anm. 2a; Planck/Flad, BGB, § 137 Anm. 2b; Enneccerm/Nipperdey § 135 Fn. 13; von Tuhr II, S. 373 Fn. 57; Heymann, Trustee, S. 518 ff.; Kaul, Rechtsgeschäft, S. 24f.; Lehmann, BGB AT, §29 III 5; von Gierke, DPrR III, S.204; Gerstle, Treuhandgeschäft, S. 90; Fischbach, Treuhänder, S.214ff.; Roth, Trust, S. 292; Katzmann, Aussonderung, S. 26. 192 Paul, Diskontierungsgeschäfte, S. 76 ff. 189
5 32. Pflichtwidriger
Gebrauch der Rechtsinhaberschaft
durch den Treuhänder
719
das BGB „keine generellen Bedenken gegen bedingte Verfügungen" äußere. 193 Das ist sicherlich zutreffend, zumal der Gesetzgeber selbst bei Einführung des § 925 Abs. 2 BGB mit keinem Wort auf die Wertung des heutigen § 137 Satz 1 BGB abgehoben hat. 194 Aus dem Schweigen des Gesetzgebers ein „Bekenntnis zur bedingten Verfügung unter Inkaufnahme der Kollision zur Wertung des § 137 BGB" 195 zu entnehmen, dürfte jedoch zu weit gehen. Bei der treuhandrechtlichen Resolutivbedingung geht es zudem u m eine ganz bestimmte Konstruktion der bedingten Verfügung, die nämlich ganz bewußt die „treuhandfeindliche" Funktion des § 137 Satz 1 BGB aushebeln soll. Hiergegen greift der Hinweis Hensslers auf die Bedürfnisse der Praxis und das Fehlen einer derartigen Norm in anderen westlichen Rechtsordnungen 1 9 6 nicht. § 137 Satz 1 BGB schützt Grundstrukturen des Zivilrechts. Würde bei jeglicher pflichtwidriger Verfügung des Treuhänders der betreffende Gegenstand ohne weiteres an den Treugeber zurückfallen, wäre § 137 Satz 1 BGB konterkariert. Ein derartiges Vorgehen ist lediglich bei Forderungen denkbar, die ihrem Inhalt nach unabtretbar begründet werden können, § 3 9 9 BGB. 1 9 7 Ansonsten ist ein Abweichen von § 137 Satz 1 BGB nur in den Ausnahmefällen möglich, in denen der Geschäftspartner des Treuhänders pflichtwidrig mit dem durch § 137 Satz 1 BGB gewährten Schutz verfährt, also in Fällen doppelter Evidenz. Wie Flume zutreffend ausführt, liegt in der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung nicht einmal eine Umgehung des § 137 Satz 1 BGB, sondern die Vereinbarung „unterfällt unmittelbar dem Wortlaut und dem Sinn des § 137". 198 Die „Deutschrechtliche Treuhand" ist also nicht nur praktisch selten und in ihrem Wirkungsbereich auf Unmittelbarkeitsfälle beschränkt, sondern bei einer Vielzahl treuhänderischer Machtmittel wegen § 137 BGB überhaupt nicht zulässig.
193
Henssler AcP 196,37,69. Mot. III, S. 318 ff.; Mugdan III, S. 613 f. 195 Henssler AcP 196, 37, 69. 196 Henssler AcP 196,37, 70. 197 Vgl. dazu etwa für Sperrkonten Bork N J W 1981,905 in Abgrenzung zum wegen § 137 Satz 1 BGB unzulässigen „Sperrdepot". 198 Flume, BGB AT II, §17, 7; MünchKomm/Mayer-Maly §137 BGB Rn.5; dazu auch Timm]?. 1989,12,23; Gruber AcP 202,435,437ff. 194
§ 33. Der Zugriff von Treuhändergläubigern auf treuhänderische Machtmittel und Resultate1 Teil 1: Wege zur Lösung des „Treuhänderproblems" I. Allgemeines Der Treugeber hat ein Interesse daran, daß die dem Treuhänder eingeräumten treuhänderischen Machtmittel nur zur Interessenwahrnehmung eingesetzt und ihm Resultate der Interessenwahrnehmung herausgegeben werden können. Damit ist nicht nur der Problemkreis des Mißbrauchs von Machtmitteln und Resultaten durch den Treuhänder, 2 sondern auch der Zugriff von Gläubigern des Treuhänders auf treuhänderische Machtpositionen und Resultate der Interessenwahrnehmung im Wege der Aufrechnung, Zwangsvollstreckung oder im Fall der Insolvenz angesprochen. Auch in diesem Fall steht nämlich ein Gebrauch dieser Positionen in Rede, der nicht der Interessenwahrnehmung dient, auch wenn dieser nicht unmittelbar durch den Treuhänder selbst erfolgt, sondern durch Gläubiger des Treuhänders erzwungen wird (passiver Mißbrauch). Die Untersuchung gelangt damit schließlich zu der über Jahrzehnte hinweg das Treuhandrecht als „Treuhänderproblem" bei der sogenannten Vollrechtstreuhand „beherrschenden" 3 Frage nach dem Schutz des Treugebers vor einer Haftung des „Treuguts" für Verbindlichkeiten des Treuhänders. 4 Dieses Problem ist jedoch nicht zwingend auf die Vollrechtstreuhand beschränkt, sondern besteht immer dann, wenn die Rechtsordnung Zugriffsmöglichkeiten Dritter auf Machtmittel und Resultate einräumt. Besteht eine solche Zugriffsmöglichkeit, so ist zu überlegen, ob und gegebenenfalls inwieweit der Zugriff Dritter auf diese Position möglich ist und/oder vom Treugeber verhindert werden kann. Es besteht also ein Interessenkonflikt zwischen dem Treugeber, der nicht möchte, daß die treuhänderischen Machtmittel und Resultate treuhandfremd eingesetzt 1 Soweit in § 33 nur vom Schutz der treuhänderischen Machtmittel gesprochen wird, sind Resultate immer als mitgenannt anzusehen. 2 Dazu oben §32. 3 Schlosser N J W 1 9 7 0 , 6 8 1 . 4 Dazu ausführlich oben § 4 und § 5.
§ 33. Der Zugriff von
Treuhändergläubigern
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werden, und den Gläubigern des Treuhänders, die nach möglichst weitreichender Befriedigung streben und sich darauf berufen können, daß die Machtmittel und Resultate von Rechts wegen dem Treuhänder zugeordnet sind. In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit darüber, daß dieser Interessenkonflikt zugunsten des Treugeberinteresses aufzulösen ist, umstritten ist jedoch, auf welchem Weg eine solche Lösung erreicht werden kann. In § 33 ist deshalb zunächst zu darzustellen, welche treuhänderischen Machtmittel dem Zugriff von Treuhändergläubigern ausgesetzt sind, bevor die in der jüngeren Rechtsprechung und Lehre vertretenen Lösungsmöglichkeiten auf ihre Tragfähigkeit überprüft werden. Anschließend wird in § 34 der Versuch unternommen, einen neuen Lösungsweg zu entwickeln.
II. Machtpositionen, die dem Zugriff Dritter ausgesetzt sind Zunächst ist zu erörtern, welche treuhänderischen Machtpositionen überhaupt dem Zugriff Dritter, also insbesondere der Treuhändergläubiger, ausgesetzt sein können, welche Machtmittel diese Dritten also anstelle des Treuhänders benutzen können, um den in ihnen verkörperten Vermögenswert für Verbindlichkeiten des Treuhänders haftbar zu machen. Zu unterscheiden sind außerdem verschiedene Arten des Zugriffs, nämlich die Aufrechnung als eine Form außerprozessualer Zwangsbefriedigung und der Vollstreckungszugriff in Einzel- und Gesamtvollstreckung.
1. Zugriff durch Aufrechnung Gläubiger des Treuhänders können auf treuhänderische Machtpositionen zunächst im Wege der Aufrechnung, §§387 ff. B G B , zugreifen. Objekt des Zugriffs sind in diesem Fall sämtliche Forderungen, die der Treuhänder innehat, um die von ihm verwalteten Interessen des Treugebers wahrnehmen zu können. Diese Forderungen müssen einen vertretbaren Inhalt haben, denn für das Vorliegen einer Aufrechnungslage ist es erforderlich, daß sich zwei ihrem Gegenstand nach gleichartige Forderungen gegenüberstehen, § 387 B G B . Es wird sich also zuvorderst um Geldforderungen handeln, in Betracht kommen aber beispielsweise auch Forderungen auf Lieferung gattungsmäßig bestimmter Ware oder bestimmter Wertpapiere. Folge der Aufrechnung ist das Erlöschen der treuhänderischen Machtposition, § 389 B G B , und damit der Abfluß ihres Wertes an den Treuhändergläubiger.
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Teil 7: Interessenkonflikte
zwischen Treugeber und
Dritten
2. Zugriff durch Einzel- oder Gesamtvollstreckung Weitaus umfassender ist die Zugriffsmöglichkeit durch Gläubiger des Treuhänders im Wege der Vollstreckung. 5 Der Zwangsvollstreckung ausgesetzt sind sämtliche selbständige und übertragbare Vermögenswerte Rechte. 6 Das sind jedenfalls sämtliche „Vollrechte" bei der „Vollrechtstreuhand", also beispielsweise Eigentum oder Forderungsinhaberschaft, aber auch bestimmte Gestaltungsrechte. Diese Rechtspositionen fallen als dem Treuhänder von Rechts wegen zugeordnet gegebenenfalls auch in die Insolvenzmasse des Treuhänders. Deshalb ist es verständlich, daß das Problem des Zugriffs Dritter auf die treuhänderischen Machtmittel bei der „Vollrechtstreuhand" diskutiert wird. Zu überlegen ist jedoch, ob auch andere Machtpositionen als die Inhaberschaft solcher Vollrechte, also Legitimationen, einem Vollstreckungszugriff ausgesetzt sein können. Das wird beispielsweise für Vollmachten oder Ermächtigungen diskutiert, allerdings im Regelfall abgelehnt. Die Vollmacht sei eine rechtsgeschäftlich eingeräumte Befugnis, die nur im Rahmen eines Rechtsverhältnisses bestehe und deshalb nicht selbständig gepfändet werden könne. 7 Gleiches gelte für andere Befugnisse wie etwa eine Ermächtigung. 8 Außerdem besitze die Vollmacht regelmäßig keinen Vermögenswert, weil sie dem Bevollmächtigten kein eigenes in Geld umsetzbares Vermögensrecht verleihe.9 Es fehlt hiernach also sowohl an der Selbständigkeit als auch an der Werthaltigkeit der Machtposition. Hiervon werden jedoch Ausnahmen gemacht. Eine Vollmacht kann in bestimmten Fällen nämlich durchaus Vermögenswert besitzen 10 und selbständig sein, etwa wenn sie als „Verfügungsvollmacht" mit dem Inhalt erteilt wird, über die Mittel auf einem fremden Konto frei verfügen zu dürfen. 11 Eine solche Vollmacht wird dann erteilt werden, wenn das Konto, etwa aus rechtlichen Gründen, lediglich formal einer anderen Person als derjenigen, der die Mittel wirtschaftlich unbeschränkt zustehen sollen, zugeordnet wird. Eine Pfändbarkeit wird auch bei Vollmachten bejaht, die im Interesse des Bevollmächtigten bestehen 12 und einem Dritten überlassen werden können. 13 Ein starkes Indiz in diese 5 Gleiches gilt für den Zugriff im Wege des dinglichen Arrests, der bei beweglichen Sachen durch Pfändung bewirkt wird, § 930 Abs. 1 Z P O . 6 Vgl. nur Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 721 ff. 7 Stein/Jonas/Brehm § 8 5 7 Z P O R n . 3 ; MünchKomm/Smid § 8 5 7 InsO Rn. 10; Stöber, Forderungspfändung, Rn. 1718a; Wieczorek/Schütze § 8 5 7 Z P O B II b 2; Vortmann N J W 1991,1038,1038. 8 Stein/Jonas/Brehm § 857 Z P O Rn. 3 und § 835 Z P O Rn. 26. 9 Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 7\9;Rosenberg/Gaul/Schtlken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 3 4 II 2. 10 Larenz/Wolf B G B AT § 4 7 Rn. 79; ähnlich zur Kondizierbarkeit einer Vollmacht von Tuhr B G B AT II S. 410 Fn. 220. » Vgl. F G Rheinland-Pfalz KTS 1988, 800, 802. 1 2 B a y O b L G D B 1978,1929. 13 Vortmann N J W 1991,1038,1038.
§ 33. Der Zugriff
von
Treuhändergläubigern
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Richtung ergibt sich aus der Unwiderruflichkeit der Vollmacht, 14 die eine Vollmacht zum Erfüllungssurrogat und also werthaltig machen kann. Hier käme etwa eine unwiderrufliche Auflassungsvollmacht in Betracht. Solche pfändbaren Vollmachten bestehen jedoch in der Regel nur in Rechtsverhältnissen, die nach der hier vertretenen Auffassung keine klassischen Treuhandverhältnisse darstellen. Es handelt sich allenfalls um Rechtsverhältnisse, die auch einen treuhänderischen Einschlag aufweisen können, vorrangig werden jedoch nicht Interessen des Vollmachtgebers, sondern des Bevollmächtigten bedient werden. An dieser Stelle wird nochmals deutlich, daß die Kategorisierung der Treuhandverhältnisse nach der Art des treuhänderischen Machtmittels nicht trägt. Es ist nicht „die Vollrechtstreuhand", bei der das Treuhänderproblem auftritt, sondern dieses Problem tritt vielmehr immer dann auf, wenn der Treuhänder Machtmittel innehat, auf die nach den Regeln des Vollstreckungsrechts zugegriffen werden kann. Die Begrenzung dieses Problems ergibt sich also nicht aus treuhandrechtlichen, sondern aus vollstreckungsrechtlichen Kriterien und es erscheint nicht sinnvoll, Treuhandverhältnisse anders als andere Schuldverhältnisse nicht nach schuldrechtlichen, sondern nach vollstreckungsrechtlichen Kategorien einzuteilen. Festzuhalten bleibt trotzdem, daß in der Regel nur auf Rechtspositionen, nicht auf Legitimationen als Machtmittel im Wege der Vollstreckung zugegriffen werden kann.
III. Die Weiterentwicklung der Rechtsprechung nach dem Krieg 15 Der Bundesgerichtshof knüpft im Regelfall der unbedingten Übertragung von Machtmitteln an den Treuhänder an die reichsgerichtliche Rechtsprechung zur Treuhand 16 an und gewährt dem Treugeber in den Grenzen der Unmittelbarkeitsformel 17 die Interventionsrechte nach §§ 771 ZPO, 47 InsO (beziehungsweise zuvor § 43 KO). Das Reichsgericht hatte in einer späten Entscheidung ausgeführt, das Unmittelbarkeitskriterium diene zur Abgrenzung der Treuhand von der mittelbaren Stellvertretung und zur Wahrung der „Begriffsgrenze der dinglichen und der persönlichen Rechte". 18 Der Bundesgerichthof 19 übernimmt diese Auffassung, nimmt im Bereich der Reichweite des Vorrangs des Treugu-
Stein/Jonas/Brehm § 857 ZPO Rn. 3; BLÄH /Hartmann vor § 704 ZPO Rn. 113. Zur Entwicklung bis in die 1930er Jahre oben § 5. 16 Dazu eingehend oben § 5 VI. 17 Also bei Übertragung der als „Treugut" gehaltenen „Vollrechte" unmittelbar vom Treugeber auf den Treuhänder. 18 RGZ 133, 89. 19 BGH NJW 1959,1223 ff. 14 15
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Teil 7: Interessenkonflikte
zwischen Treugeber und
Dritten
terhaltungsinteresses vor dem Zugriffsinteresse der Treuhänder-Gläubiger jedoch im Anschluß an Siebert20 einige kleinere Korrekturen vor. Zunächst läßt der Bundesgerichtshof eine Aussonderung bei Anderkonten zu, obschon die dort eingehenden Gelder von Dritten und nicht direkt vom Treugeber stammen und es damit an der Unmittelbarkeit der Treugutübertragung fehlt. Es genüge, „daß das Anderkonto offenkundig zu dem Zweck bestimmt ist, fremde Gelder zu verwalten".21 Im Jahre 1959 war der Fall zu entscheiden, daß ein Vereinskassierer ein extra für Vereinszwecke eingerichtetes Postscheckkonto unterhielt, auf das ein Schuldner des Treugebers (also des Vereins) Geld einbezahlt hatte. Hier konnte der Verein dem Zugriff der Gläubiger des Kassierers auf das Konto, also den Auszahlungsanspruch gegen die Post, entgegentreten. Der Kassierer habe aufgrund einer Ermächtigung des Vereins kassiert. Es könne keinen Unterschied machen, ob Verein das Geld selbst bar vereinnahme und es der Kassierer dann auf das Konto einbezahle, oder ob das Geld gleich auf das vom Kassierer unterhaltene Konto überweisen werde. „Anvertrauen" bedeute auch noch „aufgrund einer Ermächtigung von einem Dritten überweisen bekommen".22 Letztendlich bemüht der B G H hier eine Konstruktion, die aus dem Sachenrecht als Figur des „Geheißerwerbs" geläufig ist. 23 Die Übergabe wird hier durch die Übergabe an eine Geheißperson ersetzt, so wie dort das unmittelbare Anvertrauen durch das Anvertrauen an eine Geheißperson des Treuhänders ersetzt wird. Nach und nach wurde diese Rechtsprechung auf sämtliche Formen des offenen Sonderkontos ausgeweitet.24 In einer Entscheidung weist der Bundesgerichtshof sogar darauf hin, es müsse vorliegend nicht entschieden werden, inwieweit überhaupt an dem Kriterium der Unmittelbarkeit festzuhalten sei. 25 Möglicherweise sollte dieses obiter dictum des Gerichts aus dem Jahre 1971 einen Abschied von diesem Kriterium einleiten, der dann allerdings doch nicht erfolgt ist. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1993 26 macht das Gericht vielmehr deutlich, daß die Offenlegung der treuhänderischen Bindung nicht Voraussetzung des Treugeberschutzes sei. Sie entscheide vielmehr nur bei Führung eines Siebert, Treuhand, S. 351 ff. B G H J Z 1954,440; B G H N J W 1959,1225. 2 2 B G H N J W 1959,1225. 2 3 Dort tritt an die Stelle des Besitzes die Möglichkeit der Einflußnahme auf den besitzenden Dritten, der auf Weisung des Veräußerers tätig wird und sich diesen Weisungen unterordnet, vgl. B G H Z 3 6 , 6 0 ; B G H J Z 1982,683; B G H W M 1998,2532; Soergel/Henssler§92