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German Pages 326 [340] Year 1987
Walter Patt Transzendentaler Idealismus
W DE G
Kantstudien Ergänzungshefte im Auftrage der Kant-Gesellschaft in Verbindung mit Ingeborg Heidemann herausgegeben von Gerhard Funke und Rudolf Malter
120
Walter de Gruyter · Berlin * New York
1987
Walter Patt
Transzendentaler Idealismus Kants Lehre von der Subjektivität der Anschauung in der Dissertation von 1770 und in der „Kritik der reinen Vernunft"
Walter de Gruyter · Berlin * New York
1987
CIP-Kurqjitelattfnabmt
der Deutschen Bibliothek
Patt, Walter: Transzendentaler Idealismus : Kants Lehre von d. Subjektivität d. Anschauung in d. Diss. von 1770 u, in d. „Kritik der reinen Vernunft" / Walter Patt. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1987. (Kantstudien : Ergänzungshefte ; 120) ISBN 3-11-010891-7 NE: Kantstudien / Ergänzungshefte
Copyright 1987 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 - Printed in Germany - Alle Rechte der Übersetzung, des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Anfertigung von Mikrofilmen — auch auszugsweise — vorbehalten. Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65 Bindearbeiten: Lüderitz &. Bauer, Berlin 61
VORWORT
Die vorliegende Abhandlung ist die g e r i n g f ü g i g veränderte Fassung einer Arbeit, die im F r ü h j a h r 1985 von der Philosophischen F a k u l t ä t der Universität Bonn als Dissertation angenommen wurde. Frau Professor Heidemann, die diese Arbeit betreute, danke ich für mannigfache Förderung. In dem von ihr geleiteten "Kleinen Kreis" habe ich wichtige philosophische Schulung erfahren. Herrn Gregor Büchel bin ich für Korrekturen meiner Darstellung der M a t h e m a t i k - A u f f a s s u n g Kants dankbar. Thomas Hollenbach und Frank-Lothar K r o l l haben die Arbeit mit ermunternden Worten begleitet. Ihr Zuspruch h a l f durch manche Schwierigkeit. Für die Ü b e r p r ü f u n g der Kant-Zitate bin ich Herrn Dirk Höfer zu groBem Dank v e r p f l i c h t e t . Mit Ausdauer und S o r g f a l t hat Frau Roselotte Schulze das Typoskript der Arbeit e r s t e l l t . Washington, D . C . , im Dezember 1986
Walter Patt
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
V
ZUR ZITIERWEISE VON KANTS SCHRIFTEN UND BRIEFEN
IX
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
XI
0.
EINLEITUNG
l
1.
ZUR UNTERSCHEIDUNG VON DING AN SICH UND ERSCHEINUNG
9
II.
EMPFINDUNG UND ANSCHAUUNG
49
III.
SYNTHETISCHES URTEIL UND ANSCHAUUNG
73
A. Analytisches und synthetisches Urteil
73
B. Die Synthesis der Mathematik und die Beweisbarkeit r e i n e r theoretischer G r u n d s ä t z e l IV.
V.
103
Kants Beispiele aus der Mathematik
123
DER NACHWEIS DER TRANSZENDENTALEN IDEALITÄT VON RAUM UND ZEIT
147
A. Die Frage nach Raum und Zeit im Briefwechsel zwischen Leibniz und Clarke und in Hobbes' "De corpore"
147
B. Die Frage nach Raum und Zeit in der Dissertation von 1770 und in der T r a n s z e n d e n t a l e n Ästhetik
173
1
Die Vorbereitung der T r a n s z e n d e n t a l e n Ä'sthetik in der Dissertation
173
2
Die Beantwortung der Frage nach Raum und Zeit 186 in der Transzendentalen Ästhetik
2.1 Die Argumente gegen die "relativistische" A u f f a s s u n g von Raum und Zeit
188
2.2 Die positiven Raum- und Zeit-Argumente - Das Argument gegen die "absolutistische" A u f f a s s u n g von Raum und Z e i t
208
2 . 3 Kants "Schlüsse"
226
2.4 Empirische R e a l i t ä t und transzendentale I d e a l i t ä t von Raum und Zeit
236
DER TRANSZENDENTALE IDEALISMUS ALS "SCHLÜSSEL" ZUR AUFLÖSUNG DER ERSTEN UND DER ZWEITEN ANTINOMIE
245
A. Zur Herleitung der beiden ersten kosmologischen Ideen
245
VIII
Inhaltsverzeichnis B. Das V e r f a h r e n zur Auflösung der beiden ersten Antinomien
271
C. Die "kritische Entscheidung des kosmologischen Streits"
283
LITERATURVERZEICHNIS
315
ZUR ZITIERWEISE VON KANTS SCHRIFTEN UND BRIEFEN
Die "Kritik der reinen V e r n u n f t " wird nach den Originalpaginierungen (A: 1. A u f l a g e ; B: 2. A u f l a g e } a u f g r u n d der folgenden Ausgabe zitiert; Immanuel K a n t , K r i t i k der reinen V e r n u n f t , 2 Bde., hg. v. W. Weischedel, F r a n k f u r t a.M, 1974. A l l e anderen Schriften Kants sowie seine Briefe werden nach der "Akademie-Ausgabe" (AA) zitiert; K a n t ' s Gesammelte Schriften, hg. v. der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1900 ff. Dabei steht eine römische Z i f f e r für die B a n d z a h l , eine arabische Z i f f e r für die Seitenzahl.
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AA
K a n t ' s Gesammelte S c h r i f t e n , hg. v. der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, B e r l i n 1900 f f .
Anthropologie
Anthropologie in pragmatischer H i n s i c h t
Diss.
De mundi sensibilis atque i n t e l l i g i b i l i s forma et p r i n c i p i i s . D i s s e r t a t i o
Fortschr,
Immanuel Kant über die von der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin für das Jahr 1791 ausgesetzte P r e i s f r a g e : W e l ches sind die w i r k l i c h e n F o r t s c h r i t t e , die die Metaphysik seit Leibnitzens und W o l f ' s Zeiten in Deutschland gemacht h a t ? (Hg. v . Fr.Th. R i n k )
Kr.d.pr.V.
K r i t i k der praktischen
Kr.d.r.V.
K r i t i k der reinen V e r n u n f t
Kr.d.U.
Kritik der Urteilskraft
Logik
Immanuel Kants Logik. Ein Handbuch zu Vorlesungen ( h g , v. G . B . Jäsche)
Met.Anf.d.N.
Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft
Met.d.s.
Die Metaphysik der Sitten
Üb.e.Entdeckung
Über eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen V e r n u n f t durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll
Vernunft
Ü b . d . G e b r . t e l » P r i n z . Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie Proleg.
Prolegomena zu einer jeden k ü n f t i g e n Metaphysik, die als Wissenschaft wird a u f treten können
Ref 1-
Reflexion
0. EINLEITUNG Die vorliegende Arbeit hat zum ziel, die Eigenart des Idealismus, den Kant vor a l l e m in der "Kritik der reinen V e r n u n f t " v e r f i c h t , zu k l ä r e n und seine Begründung dieses I d e a l i s m u s n a c h z u v o l I z i e h e n , Wenn u n t e r diesem Idealismus die Lehre zu verstehen ist, daß Gegenstände sinnlicher Anschauung bloße Erscheinungen, nicht Dinge an sich sind, so wird es zunächst nötig sein, Anschauung von einem anderen Moment sinnlicher E r k e n n t n i s , der Empfindung, abzuheben ( K a p . I I ) . Sodann soll reine sinnliche Anschauung als das Medium erwiesen werden, in welchem synthetische Urteile und insbesondere die Synthesis der Mathematik s t a t t f i n d e n ( K a p . I I I ) . Der Nachweis der Erscheinungshaftigkeit von Gegenständen in Raum und Zeit, den Kant in der Transzendentalen Ästhetik vorträgt, besagt negativ, daß die V o r s t e l l u n g e n von Raum und Zeit verschieden sind von den Verstandesbegriffen der Relation, des Akzidens, der Substanz, Diese negative Seite des Nachweises scheint mir nur verständlich als Erwiderung auf die Auffassungen von Raum und Zeit, die im Briefwechsel zwischen Leibniz und C l a r k e niedergelegt sind. Der Rückgang auf diesen Briefwechsel sowie auf die Raum- und Z e i t a u f f a s s u n g in Hobbes' "De corpore" e r f o l g t in systematischer Absicht. Jener Nachweis besagt positiv, daß die Vorstellungen von Raum und Zeit reine sinnliche Anschauungen sind {Kap. I V ) . Schließlich zeigt sich der transzendentale Idealismus als die Grundlage, auf welcher Kant die f a l sche Voraussetzung im Streit um Endlichkeit oder Unendlichkeit der Welt und um Einfachheit oder Zusammengesetztheit der Bausteine von Weltkörpern aufdecken und den Streit einer Losung z u f ü h r e n kann ( K a p . V ) . Kap. IV bringt drei Hauptthesen: Die Transzendentale Xsthetik r u h t auf der Unterscheidung von Verstand und Sinnlich-
2 keit
Einleitung - Am Nachweis der transzendentalen Idealität des Raumes
und der Zeit, den die T r a n s z e n d e n t a l e Ästhetik erstrebt, sind eine negative und eine positive Seite zu unterscheiden - Die negative Seite dieses Nachweises besteht in einer Erwiderung auf die Raum- und Zeit-Argumente im Briefwechsel zwischen Leibniz und Clarke. Diese Thesen sind nicht so sehr ein mit philologischen Mitteln erbrachtes Ergebnis historischer Forschung, sondern vielmehr Grundvoraussetzung der Interpretation der Transzendentalen Ästhetik. Diese Grundvoraussetzung muß sich in der D u r c h f ü h r u n g der Interpretation bewähren. Durch den Rückgang auf die Zeit- und Raumlehre Leibnizens und auf diejenige der Dissertation von 1770 hat die Arbeit eine historische Ausrichtung erhalten. Dieser Rückgang dient der systematischen Absicht, die Dreiheit der idealistischen Positionen deutlich zu machen, die von der Leibnizschen Philosophie, der Dissertation von 1770 und der "Kritik der reinen V e r n u n f t " eingenommen werden. Die Schrift von 1770 wendet sich bereits gegen Leibnizens relationalistisch-idealistische A u f fassung von Zeit und Raum. V i e l l e i c h t kann die vorliegende Darstellung die S c h r i f t von 1770, die ich für in wesentlichen Punkten kritisch halte, aufwerten h e l f e n . Während aber die Dissertation bei a l l e m kritischen Bestreben dem bloßen Verstand oder der reinen V e r n u n f t eine von der S i n n l i c h k e i t ganz i ich unabhängige Erkenntnis des Seienden zutraut , schränkt die "Kritik der reinen V e r n u n f t " den Gültigkeitsbereich der reinen Verstandesbegriffe auf den Bereich der sinnlichen Anschau1 "Bei einer Untersuchung der reinen (nichts Empirisches enthaltenden) Elemente der menschlichen Erkenntnis gelang es mir a l l e r e r s t nach langem Nachdenken, die reinen Elementarbegriffe der Sinnlichkeit (Raum und Zeit) von denen des Verstandes mit Zuverlässigkeit zu unterscheiden und abzusondern. 1 ' (Proleg. S 39, IV 323). 2 Vgl, Kants K r i t i k an seiner Dissertation im Brief an M, Herz vom 2 ! . 2, 1772: "Ich h a t t e mich in der dissertation damit begnügt die Natur der i n t e l l e c t u a l Vorstellungen blos negativ auszudriiken: daß sie nemlich nicht m o d i f i c a t i o n e n der Seele durch den Gegenstand wären. Wie aber denn sonst eine Vorstellung die sich auf einen Gegenstand bezieht ohne von ihm auf einige Weise a f f i c i r t zu seyn möglich überging ich mit Stillschweigen, Ich hatte gesagt: die sinnliche Vorstellungen stellen die Dinge vor, wie sie erscheinen, die intellectuale wie sie sind." (X 1 3 0 f · ) ·
Einleitung
3
ung ein. Die eigentliche idealistische These K a n t s : Gegenstände der Erfahrung sind bloße Erscheinungen, nicht Dinge an sich, ist schon in der ersten A u f l a g e der " K r i t i k der reinen V e r n u n f t " voll e n t f a l t e t {vgl. A 4 9 0 f . = B 518f.; A 3 6 9 ) . Zur Interpretation dieses transzendentalen Idealismus wird auch auf die Selbstdarstellung der Kantischen Philosophie, die in Gestalt der Schrift über die "Portschritte der Metaphysik" vorliegt, und auf die von Jäsche redigierte Logik-Vorlesung Kants zurückg e g r i f f e n , die manche wichtige Andeutung e n t h ä l t .
Berühmt ist Kants Geständnis: "Ich gestehe f r e i : die Erinnerung des David Hunte war eben dasjenige, was mir vor vielen Jahren zuerst den dogmatischen Schlummer unterbrach und meinen Untersuchungen im Felde der spekulativen Philosophie eine ganz andere Richtung g a b . " ( P r o l e g . , V o r r e d e ) . Weniger bekannt ist eine b r i e f l i c h e Äußerung Kants über das Ende des "dogmatischen Schlummers": "Nicht die Untersuchung vom Daseyn Gottes, der Zur Auffassung vom realen Verstandesgebrauch, wie sie in der D i s s e r t a t i o n von 1770 v o r l i e g t , und zur Aufwertung der E r k e n n t n i s l e i s t u n g der Sinnlichkeit in der "Kritik der reinen Vernunft" vgl. die e r h e l l e n d e D a r s t e l l u n g von P, Janssen, Der Dingbezug von Sinnlichkeit und Verstand in Kants Inaugural-Dissertation von 1770, in: Allgemeine Z e i t s c h r i f t für Philosophie 3 { ! 9 7 7 ) f S. 56-69. In seinem bedeutsamen A u f s a t z "Zur e n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t l i e h e n Bedeutung der Inauguraldissertation von 1770" v e r f i c h t J, Schmucker mit n a c h h a l t i gen Argumenten zwei Thesen: 1. Wie einige Passagen aus der D i s s e r t a t i o n von 1770, einige B r i e f e aus den Jahren 1766 bis 1 7 7 ! und Reflexionen aus Kants Nachlaß zeigen, h a t t e Kant Grundgedanken der s p ä t e r e n Transzendentalen Dialektik schon e n t w i c k e l t , bevor ihm das Problem der Deduktion der Kategorien deutlich wurde. 2. Die Raum/Zeit-Lehre, wie sie weitgehend schon in der Dissertation v o r l i e g t , ist nicht bloß V o r s t u f e der k r i t i schen Philosophie, sondern gibt den Boden für Kants T r a n s z e n d e n t a l p h i l o sophie, insbesondere für seine F r e i h e i t s l e h r e . Auch das Problem der Kategorien konnte nur auf dem Boden der Raum/Zeit-Lehre gelöst w e r d e n . Diese Lösung ist eine Abwandlung der Lehre vom realen Verstandesgebrauch, die sich in der D i s s e r t a t i o n f i n d e t , denn noch in der " K r i t i k der reinen Vern u n f t " sind die Kategorien in gewissem Sinne auf "Dinge an sich" bezogen, d . h . auf das s i n n l i c h k e i t s i n d i f f e r e n t e Objekt als solches. ( V g l , J. Schmucker, Zur entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung der Inauguraldissertation von 1770, in: Akten des 4. I n t e r n a t i o n a l e n Kant-Kongresses, Teil I, hg. v, G. Funke u. J. Kopper, B e r l i n - New York 1974, S. 263-282.)
4
Einleitung
Unsterblichkeit etc. ist der Punct gewesen von dem ich ausgegangen bin, sondern die Antinomie der r.V. ... diese war es welche mich aus dem dogmatischen Schlummer zuerst aufweckte und zur Critik der Vernunft selbst hintrieb, um das Scandal des scheinbaren Wiederspruchs der V e r n u n f t mit ihr selbst zu heben." V i e l l e i c h t kann man die beiden Aussagen so vereinbaren: Der "dogmatische Schlummer" b r i c h t ab, sobald die Präge nach der G ü l t i g k e i t der Kategorien und insbesondere der Kategorie von Kausalität und Dependenz aufkommt; das wirkliche Erwachen aus dem "dogmatischen Schlummer" besteht indessen in dem a l l m ä h l i c h e n Erfassen einer Möglichkeit, den Widerstreit der Vernunftpositionen a u f z u l ö s e n . Der "dogmatische Schlummer" wird demnach nicht a l l e i n durch die Frage beendet, ob B e g r i f f e (des Verstandes) mit Recht auf das in der Erfahrung Gegebene angewendet werden, sondern recht eigentlich durch eine Antwort auf die Frage, ob der Inbegriff dessen, was überhaupt in der Erfahrung gegeben werden kann, (von der Vernunft) vorzustellen ist. Erwachen aus dem "dogmatischen Schlummer" bedeutet genauer: aufmerksam werden auf die Gegebenheitsweise der erfahrbaren Gegenstände. Transzendentaler Idealismus als die Lehre von der besonderen Gegebenheitsweise dieser Gegenstände bildet den Gegensatz des "dogmatischen Schlummers". Diese Lehre scheint Kant beim Durchdenken des strittigen Themas der Vorstellbarkeit der Sinnenwelt ausgebildet zu haben, die ja das Ganze des Erfahrbaren sein soll. Der transzendentale Idealismus ist denn auch für Kant "Schlüssel" zur Auflösung der innerhalb der rationalen Kosmologie auftretenden Antinomien, deren Parteien in einem "dogmatischen Schlummer" befangen sind. "Dogmatischer Schlummer", insofern er eine auf falscher Voraussetzung beruhende Meinung über die Sinnenwelt im ganzen ist, wird überwunden durch den transzendentalen Idealismus. Überdies ist die Lehre von der transzendentalen Idealität des Raumes und der Zeit oder von der Subjektivität der menschlichen Anschauungsformen die Grundlage, auf welcher die Frage beantwortet werden kann, ob bloße, nicht der E r f a h r u n g entlehn1 Brief an Chr. Garve vom 2 1 . 9 . 1798; XII 2 5 7 f .
Einleitung
5
te V e r s t a n d e s b e g r i f f e von Gegenständen der E r f a h r u n g g e l t e n . Da der so verstandene "dogmatische Schlummer" durch eine in der Transzendentalen Ästhetik begründete Lehre von der Gegebenheitsweise der Erfahrungsgegenstände überwunden wird und nicht durch eine Untersuchung der Anwendbarkeit von Kategorien auf Erfahrungsgegenstände, konnte auf eine Erörterung des B e g r i f f s vom "Mannigfaltigen der Anschauung", wie er in der Transzendentalen Deduktion a u f t r i t t , verzichtet werden. Auch eine Erörterung der Zurückweisung des empirischen Idealismus insgesamt (vgl. K r . d . r . V . , A 367-380) und der Widerlegung des problematischen oder skeptischen Idealismus insbesondere ( v g l , K r . d . r . V . , B 2 7 4 - 2 7 9 ) ist unterblieben, eine Erörterung, die der Leser vom Haupttitel der Arbeit her erwarten könnte. Dem von ihm selbst verfochtenen Idealismus, den er als "formalen Idealism" bezeichnet { K r . d . r . V . , B 5 2 0 , A n m . ) , s t e l l t Kant den " m a t e r i a l e n " Idealismus { K r . d . r . V . , B 2 7 4 ) gegenüber, den er in den dogmatischen und den problematischen oder skeptischen Idealismus unterteilt {vgl. ebd. und A 3 7 7 ) . Von der ersten Spielart des materialen Idealismus sagt Kant: "Der dogmatische Idealism ist unvermeidlich, wenn man den Raum als Eigenschaft, die den Dingen an sich selbst zukommen s o l l , ansieht; denn da ist er mit a l l e m , dem er z u r Bedingung dient, ein Unding. Der Grund zu diesem Idealism aber ist von uns in der transz. Ästhetik gehoben." ( K r . d . r . V . , B 2 7 4 ) , Demnach e n t h a l t die Transzendentale Ästhetik nach Kants eigener Einschätzung den Nachweis, daß Räumlichkeit nicht Dingen überhaupt, sondern - positiv gewendet - Gegenständen der sinnlichen Anschauung ("Erscheinungen") zukommt; daß - anders ausgedrückt - im bloßen Gedanken eines Dinges überhaupt nicht das Prädikat der Räumlichkeit enthalten ist. Dieser Nachweis ist für Kant o f f e n b a r zugleich die Widerlegung des dogmatischen Idealismus. Die zweite Spielart des materialen Idealismus betrachtet Kant dagegen nicht als gleichermaßen mit der Transzendentalen Ästhetik widerlegt, er bringt vielmehr in der zweiten Auflage der "Kritik der reinen V e r n u n f t " einen a u s f ü h r l i c h e n Gegenbeweis. Indessen liegt auch dem problematischen oder skeptischen Idealismus, der ebenso ein empirischer Idealismus ist, ein
6
Einleitung
transzendentaler Realismus zugrunde, der "äußere Erscheinungen (wenn man ihre W i r k l i c h k e i t einräumt}, als Dinge an sich selbst . . . , die unabhängig von uns und unserer Sinnlichkeit existieren, a l s o a u c h nach reinen Verstandes begrif fen a u ß e r uns wä~ ren", ansieht ( K r . d . r . V . , A 3 6 9 ; Hervorh, v. m i r ) . Für den transzendentalen Realisten sind räumliche Dinge nicht nur von der Sinnlichkeit des Subjekts unabhängig, sondern auch als solche, wie sie vom bloßen Verstand unter Absehen von ihrer sinnlichen Anschaubarkeit erwogen werden. (Der transzendentale Realist begeht damit den von Kant des Öfteren gerügten Fehler, Erscheinungen als Dinge an sich zu nehmen, bzw. Sinnlichkeit und Verstand nicht scharf genug voneinander zu unterscheiden.) Der transzendentale Realismus macht aus der inner-empirischen Unabhängigkeit der räumlichen Dinge von der Subjektivität gewissermaßen eine transzendentale, verwandelt gleichsam Gegenstände der sinnlichen Anschauung in Dinge überhaupt, wie sie abseits aller sinnlichen Anschauung existieren mögen; er verkennt die Korrelativität von Erscheinungshaftigkeit des Anschaubaren und Subjektivität der Anschauung. Der transzendentale Realismus besteht demnach nicht in der bloßen Unterscheidung zwischen dem Gedanken eines Dinges überhaupt und dem Prädikat der Räumlichkeit, sondern in der positiven These, daß einer nichtleeren Teilklasse der Dinge überhaupt "Räumlichkeit" als akzidentelles Prädikat zukomme; auch Dinge dieser Klasse seien Dinge an sich, d . h . unter Absehen von ihrer Räumlichkeit als solche erkennbar. Der problematische oder skeptische Idealismus m u ß , um die Wirklichkeit räumlicher Dinge bezweifeln zu können, in transzendental-realistischer Weise räumliche Dinge so betrachten, als ob sie von ihrer Räumlichkeit unabhängig wären - als ob sie zuerst als solche und dann auch im Raum vorkämen. Für Kant schließt Räumlichkeit von Dingen deren Wirklichkeit ein - jedoch bloß deren empirische W i r k l i c h k e i t (die Wirklichkeit dieser Dinge als Erscheinungen). Ob räumlichen Dingen eine nicht-empirische Wirklichkeit zukommt oder nicht zukommt, muß vom Standpunkt der Erscheinungswelt aus unentschieden bleiben.
Einleitung
7
Wenngleich der Nachweis der Transzendentalen Ästhetik, daß Räumlichkeit bloß Gegenständen der sinnlichen Anschauung zugesprochen werden kann, den problematischen oder skeptischen Idealismus nicht v ö l l i g ausräumen und also - anders als im Falle des dogmatischen Idealismus - eine gesonderte Widerlegung nötig sein mag, so ist doch dieser zweiten Spielart des materialen empirischen Idealismus mit jenem Nachweis bereits die Grundlage entzogen. Die weitere Widerlegung dieses Idealismus ist eine nachfolgende negative Aufgabe, die in einer Arbeit über den positiven Sinn des transzendentalen Idealismus nicht behandelt werden muß. Dem transzendentalen Realismus begegnet Kant mit einer strengen Scheidung von Ding an sich und Erscheinung, bzw. von Verstand und Sinnlichkeit (Kap. I ) . Kant bestreitet überdies, daß die Klasse von "Dingen an sich", d.h. solcher Dinge, die im Raum auftreten und dennoch eine Existenz unabhängig vom Raum haben, als e r f ü l l t angesehen werden könne.
I.
ZUR UNTERSCHEIDUNG VON DING AN SICH UND ERSCHEINUNG
Die folgenden Ausführungen bringen das Hauptergebnis der Untersuchungen, die in den späteren Kapiteln, insbesondere in Kap. IV, angestellt werden. Zunächst soll negativ dargelegt werden, welche Deutungen des Kantischen Begriffs vom Ding an sich abzulehnen sind. Danach wird eine positive Bestimmung dieses Begriffs aus der Abgrenzung gegenüber anderen Begriffen versucht, mit welchen zusammen er den Umfang des Begriffs vom Ding überhaupt ausmacht. Dabei räume ich ein, daB Kant an manchen Stellen den Ausdruck "Ding an sich" oder "Ding an sich selbst betrachtet" in einem weiteren Sinn gebraucht, der den Begriff des Noumenon oder den Begriff des transzendentalen Gegenstandes mitmeint. Der Schluß von dem bloßen Vorkommen des Ausdrucks d a r a u f , daß stets auch das gemeint sei, was unter dem Begriff des Dinges an sich in der "Kritik der reinen Vern u n f t " eigentlich verstanden ist, gilt daher nicht. Anzustreben ist indessen eine präzise Begriffsfassung, die verhindert, daß unter "Ding an sich" in äquivoker Weise irgendetwas in sinnlicher Anschauung nicht Zugängliches verstanden wird. Es ist eine Verwischung der Grenzen des Begriffs, wenn drei oder mehr Bedeutungen von "Ding an sich" entwickelt werden, die auf möglichst viele Stellen z u t r e f f e n sollen, an denen der Ausdruck auftritt. Sieben Deutungen des B e g r i f f s vom Ding an sich, wie Kant ihn in der "Kritik der reinen V e r n u n f t " gefaßt h a t , sind unzutreffend oder u n z u l ä n g l i c h . 1. Versteht man unter "Ding an sich" eine von sinnlichen Vernunftwesen völlig unabhängige Entität, so verwechselt man den Begriff des Dinges an sich mit dem positiven Begriff des Noumenon (der später erläutert werden s o l l ) . Allerdings bestimmt Kant selbst "Noumenon" allgemein als ein Ding, "welches gar nicht als Gegenstand der Sinne, sondern als ein Ding an sich selbst (lediglich durch einen reinen Verstand) gedacht werden soll" ( K r . d . r . V . , B 310/A 2 5 4 ) . Wahrend sich der Begriff des Dinges an sich zum Begriff der
10
Ding an sich und Erscheinung
Erscheinung kontradiktorisch verhalt - Erscheinung und Ding an sich sind beide positiv auf je ein Erkenntnisvermögen eines sinnlichen Vernunftwesens bezogen -, ist der positive Beg r i f f des Noumenon gegenüber jenen beiden B e g r i f f e n gleichsam auf einer anderen Ebene angesiedelt. Die unter 2. bis 5. a u f z u f ü h r e n d e n Deutungen des Begriffs vom Ding an sich unterliegen der Gefahr, die Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung auf der Ebene der Erscheinung (des Erfahrbaren) zu wiederholen. In je verschiedener Weise wird hier die transzendentalphilosophische Unterscheidung in eine empirische Unterscheidung verwandelt. 2, In der Transzendentalen Ästhetik wird "der transzendentale Begriff der Erscheinungen im Räume" von der Vorstellung eines im empirischen Sinn ansichseienden räumlichen Dinges abgehoben. Dieses ist das Ding, wie man es als unabhängig von den Wahrnehmungen verschiedener Betrachter oder unabhängig von den zu verschiedenen Zeiten erfolgenden Wahrnehmungen einund desselben Betrachters gegeben denkt. So "gilt das, was ursprünglich selbst nur Erscheinung ist, z . B . eine Rose, im empirischen Verstande für ein Ding an sich selbst, welches doch jedem Auge in Ansehung der Farbe anders erscheinen kann" ( K r . d . r . V . , B 45/A 2 9 f . ) . Ding an sich im empirischen Sinn ist z.B. auch ein Sonnenregen gegenüber dem bloß optischen Phänomen des Regenbogens, das er hervorruft {vgl. K r . d . r . V . , B 63/ A 4 5 ) . Empirisch verstanden, ist das Ding an sich dasjenige, was gegenüber der sinnlichen Disposition eines einzelnen Betrachters oder auch gegenüber einer Eigenart des Wahrnehmens einer Spezies von Betrachtern unabhängig sein s o l l . Nach dem "transzendentalen Begriff der Erscheinungen im Räume" ist " ü b e r h a u p t n i c h t s , was im Räume angeschaut wird, eine Sache an sich" ( K r . d . r . V . , B 45/A 30; Hervorh. v. m i r ) . Weiterhin ist zwischen Erscheinung und Illusion (Sinnestäuschung) zu unterscheiden. Kant weist darauf hin, "daß Erscheinung, im transzendentalen Sinn genommen, da man von Dingen sagt, sie s i n d Erscheinungen (phaenomena), ein Begriff von ganz anderer Bedeutung ist, als wenn ich sage, dieses Ding erscheint mir so oder so, welches die physische Erscheinung anzeigen soll, und
Ding an sich und Erscheinung
11
Apparenz, oder Schein, genannt werden kann" (Portschr., XX 2 6 9 ) . Daher ist es eine Verwechslung der empirischen Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung mit der transzendentalen, wenn H . A . Prichard meint, die transzendentale Entgegensetzung von Ding an sich und Erscheinung komme derjenigen zwischen einem geraden Stab als solchem und seinem Aussehen, sof e r n er ins Wasser getaucht wird, gleich . 3. "Ding an sich" kann leicht so verstanden werden, als handele es sich dabei um das, was nach Abzug a l l e r Erscheinungsqualitäten der im Raum begegnenden Dinge übrigbleiben müsse. Es müsse ein nicht mehr objizierbarer Kern der Dinge existieren, der als unräumlich und u n z e i t l i c h anzunehmen sei. Dabei beruft man sich darauf, daß es nicht sinnvoll sei, von Erscheinung zu reden und dennoch anzunehmen, "daß Erscheinung ohne etwas wäre, was da erscheint" C K r . d . r . V . , B X X V I f . ) , Ein starkes Motiv für diese A u f f a s s u n g des Dinges an sich liegt in der Absicht, einen absoluten subjektivistischen Idealismus zu vermeiden. Die Wirklichkeit der vom empirischen Subjekt verschiedenen Dinge im Raum soll nicht bloß darin bestehen, daß sie vom Subjekt vorgestellt werden können. Die Annahme eines von subjektseigenen Strukturen v ö l l i g freien Kerns der Dinge scheint ein Rettungsmittel gegen diesen Idealismus zu sein. Setzt man ein dem Subjekt v ö l l i g fremdes "An-sich" der Dinge voraus, so ergibt sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Subjekt und dem g ä n z l i c h o b j e k t i v e n Ding-Kern. Aus den verschiedenen Antworten auf diese Frage erwächst der Streit um die Herkunft der A f f e k t i o n . Rührt die A f f e k t i o n von diesem Ding-Kern her, und wie wäre eine solche A f f e k t i o n durch das "An-sich" vorzustellen? Oder rührt die Affektion vom empirischen Ding her, und wie wäre dann das Verhältnis des am Ding Erfahrbaren zum Ding-Kern vorzustellen? Gängige Argumente in diesem Streit: Nimmt man an, daß der ansich seiende Ding-Kern uns a f f i z i e r e , so ist dies unvereinbar mit Kants bewußtseins! H . A , Prichard, K a n t ' s Theory of Knowledge, Oxford 1909 (Nachdruck New York/London 1976), p. 72, 75f.
12
Ding an sich und Erscheinung
theoretischem Ansatz und bedeutet - so schon Jacobi
- entgegen
der Restriktionsthese die Anwendung der Kausalitätskategorie über den Erfahrungsbereich hinaus. Nimmt man dagegen bloß eine empirische A f f e k t i o n das als
(durch Dinge im Raum) an, so setzt man
f e r t i g gegeben voraus, was im E r k e n n t n i s a u f b a u a l l e r -
erst zu erbringen ist.
2 Eine extreme Antwort auf die Frage
nach H e r k u n f t und Ablauf der A f f e k t i o n hat E. Adickes in einer zu Recht so genannten "waghalsigen Spekulation"
gegeben; er
nimmt zwei Ich-Bereiche und je eine entsprechende A f f e k t i o n 4 an. Es ist nicht zu sehen, wie in sinnvoller Weise ein Zusammenhang zwischen dem, was a f f i z i e r t ,
und dem, was a f f i z i e r t
wird, dargelegt werden könnte, wenn das A f f i z i e r e n d e per definitionem empirisch unerkennbar ist
- denn A f f e k t i o n
ist ein
Vorgang i n n e r h a l b der E r f a h r u n g . 1 V g l . H, H e r r i n g , Das Problem der A f f e k t i o n bei K a n t . Die Frage nach der Gegebenheitsweise des Gegenstandes in der K r i t i k der reinen V e r n u n f t und die K a n t - I n t e r p r e t a t i o n , Kant-Studien, Erg.-H. 67, Köln (953, S. 12. 2 Vgl. E. v. Hartmann, K r i t i s c h e Grundlegung des Transscendentalen Realismus. Eine Sichtung und F o r t b i l d u n g der erkenntnistheoretischen Principien K a n t ' s , L e i p z i g * 1888, S. 55. - Vgl. H. Vaihinger, Kommentar zu Kants Kritik der reinen V e r n u n f t , hg. v. R. Schmidt, S t u t t g a r t J 1922 (Nachdruck Aalen 1970), Bd. 2, S. 3 5 f . , 53. 3 P. Baumanns, Anschauung, Raum und Zeit bei Kant, in: Beiträge zur K r i t i k der reinen Vernunft 1781-1981, hg. v. I, Heidemann u. W. R i t z e l < F s . für G. Lehmann), Berlin/New York 1981, S. 89. 4 Vgl. E. A d i c k e s , Kants Lehre von der doppelten A f f e k t i o n unseres Ich als Schlüssel zu seiner Erkenntnistheorie, Tübingen 1929, S. 4 7 f , , 5 1 f . , 5 8 f , , 61, 78-80. Nach Adickes wird ein "Ich an sich" von Dingen an sich so aff i z i e r t , daß es deren unrä'unnlich-uneeit liehe, bloß innere Eigenschaften in Raum und Zeit ü b e r t r ä g t . Die daraus m i t t e l s kategorialer Synthesis hervorgehenden "Erscheinungen an sich", die Adickes als "Kraftkomplexe" ohne sekundäre Q u a l i t ä t e n bestimmt, a f f i z i e r e n ihrerseits das empirische Ich durch "Bewegungsreiae" und führen so zu Empfindungen, die wiederum in kategorialer Synthesis zu "Empfindungskotnplexen" oder "Wahrnehmungsgegenständen" werden. Da Adickes immer wieder die I d e n t i t ä t von "Ich an sich" und empirischem Ich b e t o n t , muß er eine doppelte Anwendung der Anschauungsformen und der k a t e g o r i a l e n Synthesis einräumen, überdies versteht er die Verräumlichung und Verzeitlichung und die kategoriale Bestimmung der Dinge an sich als eine Wiedergabe ihrer Eigenschaften, wenn auch "auf einem ganz ändern Niveau"; auch sei die nachfolgende Bestimmung der Empfindungen eine möglichst getreue Abbildung der "Erscheinungen an sich": eine bloße Abbild-Theorie.
Ding an sich und Erscheinung
13
Mit dem Theorem des ansichseienden Ding-Kerns verbindet sich die erkenntnispsychologische Konstitutionstheorie in ihren verschiedenen Spielarten. Nach dieser bedeutet Erscheinung-sein soviel wie K o n s t i t u i e r t - s e i n . Der ansichseiende Ding-Kern ist danach das, was der Konstitution v o r a u f l i e g t ; die Konstitution, die den Gegenstand der Erfahrung a l l e r e r s t erstellen soll, ist eine Leistung des Erkenntnissubjekts, die Existenz des Dinges als solchen ist der Leistung des Subjekts diesseitig. In Ref l e x i o n s b e g r i f f e n ausgedrückt,
ist eine dingliche Materie vor-
gegeben, der im Konstitutionsprozeß die Formen des Erkenntniss u b j e k t s gleichsam a u f g e d r ü c k t werden. Gegenüber der Annahme, nach Abzug a l l e r räumlichen und zeitlichen Qualitäten der Erfahrungsgegenstände (wenn er a u s f ü h r bar wäre) müßte ein u n r ä u m l i c h e r und u n z e i t l i c h e r Ding-Kern zum Vorschein kommen, ist zu bemerken, daß "wir es ... überall (in der S i n n e n w e l t ) selbst bis zu der tiefsten E r f o r s c h u n g ihrer Gegenstände mit nichts, als E r s c h e i n u n g e n , zu tun haben" ( K r . d . r . V . , B 6 2 f . / A 4 5 ) . S t e l l t man sich vor, Raum und Zeit, d . h . a l l e räumlichen und zeitlichen Verhältnisse der Dinge, wären aufgehoben, so bliebe gar nichts übrig. Kant nennt ein Ding in Raum und Zeit eben deshalb "Erscheinung", weil es gänzlich in räumlichen und zeitlichen Verhältnissen steht. "Die Materie ist substantia phaenomenon" ( K r . d . r . V . , B 333/A 2 7 7 ) , nicht Substanz überhaupt im Sinne der bloßen Kategorie. Die substantia phaenomenon ist
"ganz und gar ein Inbegriff
von lau-
ter Relationen" ( K r . d . r . V . , B 3 2 1 / A 2 6 5 ) . Die A u f h e b u n g von Raum und Zeit würde keinen Kern der Erscheinungen übriglassen, sondern Erscheinungen insgesamt aufheben. Auch darf man nicht der bloß sprachlichen Evidenz des Ausdrucks "Erscheinung" erliegen. Das Einleuchtende der Unterscheidung zwischen dem, was erscheint, und der Weise seines Erscheinens verschwindet, wenn man an die Stelle des deutschen Ausdrucks die lateinische oder die griechische Entsprechung setzt. Das sensibile ist das, was durch die Sinne aufgenommen werden kann - im Gegensatz zum i n t e l l i g i b i l e , dem, was durch den Verstand e r f a ß t werden k a n n . Das waivouevov
ist
das, was
von selber sich zeigt (zum Vorschein kommt) - im Gegensatz zum
14
Ding an sich und Erscheinung
voouuevov , dem, was durch den Verstand a l l e r e r s t aufgewiesen wird. Weder die Wortbedeutung von "sensibile" noch diejenige von " φ α ι ν ό μ ε ν ο υ " legen es nahe, darunter eine Erscheinung des intelligibile bzw. des ν ο ο ύ μ ε υ ο ν zu verstehen. Wenn die Materie im Raum blo "substantia phaenomenon" ist und nur in Verh ltnissen vorkommt, so ist die These von der A f f e k t i o n des Subjekts durch "Dinge an sich" (durch einen nicht erscheinungshaften Ding-Kern) unannehmbar. A f f e k t i o n ist ein nur physiologisch
zu betrachtender Vorgang und kann nicht zum
Argument f r oder wider die transzendentale Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung werden. Auch eine erkenntnispsychologische Konstitutionstheorie
ist
nicht geeignet, den Erscheinungscharakter von Erfahrungsgegenst nden im Unterschied zu ihrem (vermeintlichen) ansichseienden "Kern" zu erkl ren.
"Die empirische Anschauung ist
.,.
nicht zusammengesetzt aus Erscheinungen und dem R ume (der Wahrnehmung und der leeren A n s c h a u u n g ) . Eines ist nicht des ndern Correlatum der Synthesis, sondern nur in einer und derselben empirischen Anschauung verbunden, als Materie und Form derselben." ( K r . d . r . V . , B 4 5 7 / A 4 2 9 , Anm. *) Gegenst n d l i c h gesprochen, hei t dies: Der Gegenstand einer empirischen Anschauung ist kein Kompositum aus d i n g l i c h e r ansichseiender Materie und s u b j e k t s u r s p r nglicher Form; Form und Materie sind blo e R e f l e x i o n s b e g r i f f e ,
die keinen ontischen Unterschied an-
zeigen. 4. "Ding an sich" ist auch keine Bezeichnung f r das noch nicht empirisch Erkannte, aber im weiteren V e r l a u f der Erfahrung Erkennbare. Dies ist N. Hartmanns A u f f a s s u n g des Ansichseienden im gnoseologischen Sinne. In "Grundz ge einer Metaphysik der Erkenntnis" unterscheidet Hartmann zun chst zwischen dem Objizierten und dem Transobjektiven, also zwischen dem, was schon Gegenstand der Erkenntnis geworden ist, und dem, was noch nicht vergegenst ndlicht ist. I n n e r h a l b des Transobjektiven t r i f f t er wiederum die Unterscheidung nach dem Objizierbaren und dem Nicht-Objizierbaren; ersteres ist
intelligibel
(dem Verstand zug n g l i c h ) , letzteres
Ding an sich und Erscheinung
15
t r a n s i n t e l l i g i b e l {dem Verstand u n z u g ä n g l i c h ) . Während die Grenze zwischen dem O b j i z i e r t e n und dem O b j i z i e r b a r e n im Voranschreiten der Erkenntnis immer weiter hinausgeschoben werden könne, sei das Objizierbare vom N i c h t - O b j i z i e r b a r e n durch eine prinzipielle Grenze geschieden. Sowohl dem schon O b j i z i e r t e n als auch dem noch O b j i z i e r b a r e n spricht Hartmann "gnoseologisches Ansichsein" zu, dem nie Objizierbaren dagegen "ontologisches A n s i c h s e i n " . "Gnoseologisches A n s i c h s e i n " bedeutet I n d i f ferenz des Gegenstandes gegen das Erkanntwerden; "ontologisches Ansichsein" die Unerkennbarkeit von etwas. Eine strenge Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung kennt Hartmann nicht. In gnoseologischer Hinsicht ist
der Ge-
genstand gänzlich ein Ansichseiendes, d . h . i n d i f f e r e n t gegen sein Erkanntwerden. 2 Das Erscheinende ist dasjenige des Ansichseienden, was o b j i z i e r t ist.
Gnoseologisch betrachtet, ist das
Ansichseiende das noch nicht Erkannte, aber Erkennbare. N. Hartmanns A u f f a s s u n g des Ansichseienden, die wiederum die transzendentale Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung zu einer empirischen herabsetzt, ist nicht vereinbar m i t Kants Beteuerung, das Ding an sich sei unerkennbar (wenngleich diese Redeweise noch zu e r l ä u t e r n i s t ) , Das Ding an sich ist kein Gegenstand, der im Bereich möglicher E r f a h r u n g liegt. 5. "Ding an sich" meint auch nicht das,
was v i e l l e i c h t nie
in der E r f a h r u n g vorkommt, im Gegensatz zu dem, was Gegenstand der E r f a h r u n g ist oder werden kann. Die B e h a u p t u n g , daS wir es in der E r f a h r u n g bloß mit Erscheinungen zu tun haben, s t ü t z t sich nicht auf die bloß problematische Annahme nicht-sinnlicher Dinge und ist daher nicht vergleichbar mit der Behauptung, die auf der Erde v o r f i n d l i c h e n Hunde seien Erscheinungen, weil es nicht undenkbar sei, daß es andere Arten von Hunden auf dem 4
1 V g l . N. Hartmann, Grundzüge einer Metaphysik der E r k e n n t n i s , Berlin 1949, S. 51 f . , 54, 58-60. 2 " . . . Ding an sich . . . ist gerade das O b j e k t , und zwar als Ganzes, sowohl das Erscheinende ( O b j i z i e r t e ) als auch das Nichterscheinende (Transobj e k t i v e ) an ihm umfassend." ( N . Hartmann, a . a . O . , S. 2 3 3 f . ) .
16
Ding an sich und Erscheinung
Mars gebe. Bloß problematisch angenommene nicht-sinnliche Dinge für Dinge an sich zu halten, heißt dem negativen Begriff vom Noumenon mit dem Begriff des Dinges an sich verwechseln. {Hossenfeiders Beispiel ist im übrigen insofern unpassend, als andersartige Hunde auf dem Mars keine nicht-sinnlichen Wesen, sondern im Bereich möglicher E r f a h r u n g e n t h a l t e n w ä r e n . ) Zudem wird mit der Abgrenzung des Bereichs der Erscheinungen gegenüber dem problematischen Bereich des Nicht-Erfahrbaren die transzendentale Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung in eine bloß faktische Verschiedenheit beider verwandelt. 2
6. "Ding an sich" ist nicht, wie A. R i e h l nahelegt , der Ausdruck für den "denknotwendigen Grund der Erscheinung". Hier besteht die Gefahr einer Verwechslung des Begriffs vom Ding an sich mit dem des transzendentalen Gegenstandes (wenngleich dieser, wie sich zeigen s o l l , nicht eigentlich als " G r u n d der Erscheinung" zu bestimmen i s t ) . Mit der Rede von einem Ding an sich, das notwendig anzunehmen sei, wird zwar die Vorstellung eines w i r k l i c h e n ansichseienden Ding-Kerns, der für a l l e A f f e k tionen des Subjekts aufkomme, vermieden, doch b l e i b t das Kausalverhältnis zwischen einem bloß anzunehmenden Substrat der Erscheinungen und den Erscheinungen selbst unbestimmt und wohl auch unbestimmbar. 7. Nach K . J . Paton ist ein- und dasselbe Etwas Gegenstand zweier Betrachtungsweisen und ist so einmal "Ding an sich", dann "Erscheinung" zu nennen. Diese Interpretation der Kantischen Unterscheidung ist abzulehnen, wenn sie besagen soll, daß es ansichseiende Bestimmtheiten an der Erscheinung gebe. Ansonsten jedoch ist sie - wie sich im folgenden ergeben wird z u t r e f f e n d , jedoch insofern u n z u l ä n g l i c h , als sie die Kantische Unterscheidung nicht streng genug nimmt. Die Unterscheidung 1 V g i , M. H o s s e n f e l d e r , Kants Konstitutionstheorie und die Transzendentale Deduktion, B e r l i n / N e w York 1978, S. 48. 2 A. R i e h l , Der philosophische K r i t i z i s m u s . Geschichte und System, Bd, I, Leipzig 2 1908, S. 572: "Das Ding an sich ist der ... nicht anschaulich vorstellbare, sondern nur denknotwendige Grund der Erscheinung, Es ist notwendig, Dinge selbst zu denken ...". 3 H . J . Paton, K a n t ' s Metaphysic of Experience, A Commentary on the f i r s t h a l f of the "Kritik der reinen V e r n u n f t " , London M 9 5 1 , v. I, p. 6 1 .
Ding an sich und Erscheinung
17
zeigt nämlich den Gegensatz der Ding-Auffassungen zweier Philosophien an, der kritischen Philosophie selbst und der Leibnizschen Philosophie. Damit kommen wir zu dem Versuch, die kontradiktorischen Beg r i f f e "Ding an sich" und "Erscheinung" positiv zu bestimmen. Der transzendentale Idealismus, den Kant auch als kritischen Idealismus bezeichnet ( v g l . Proleg. § 13, IV 2 9 0 f f , / A n m . III ), besteht in der Lehre, daß Gegenstände möglicher E r f a h r u n g bloße Erscheinungen, nicht Dinge an sich, sind ( v g l . K r . d . r . V . , B 518f./A 4 9 0 f . } , und schließt also die Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung ein. Das eigentliche der "Kritik der reinen V e r n u n f t " ist das Erarbeiten dieser Unterscheidung. Die Kritik an der traditionellen Metaphysik beruht, wie in Kap. V für den Fall der beiden ersten Antinomien deutlich werden mag, auf der Gültigkeit dieser Unterscheidung. In Kap. IV wird zu zeigen versucht, wie die Unterscheidung von Kant gemeint ist und wie er ihre Geltung begründet. Zusammenfassend kann man feststellen: Die Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung ist in keiner Weise eine ontologische, d . h . eine solche, die auf zwei Arten gegebener Seiender bezogen wäre. Vielmehr wird sich der Bereich der "Dinge an sich" als leer erweisen. Die Unterscheidung v o l l z i e h t sich als eine solche zwischen Verstand und Sinnlichkeit. Es "ist die idealitaet des Raumes weiter nichts als die Unterscheidung der Sinnlichkeit und desjenigen, was dadurch gesetzt wird, vom Verstande und was dadurch gedacht w i r d " ( R e f l . 4573; XVII 639 ; ohne dortige H e r v o r h . ) . Die Transzendentale Ästhetik zeigt negativ, daß Raum und Zeit nicht mit den reinen Verstandesbeg r i f f e n der Relation, des Akzidens, der Substanz zu erfas1 Kants "sogenannter ( e i g e n t l i c h kritischer) Idealismus" wird im "Anhang" der "Prolegomena" dem t r a d i t i o n e l l e n Verständnis von Idealismus geradezu entgegengesetzt. Danach b e s t r e i t e t der kritische Idealismus nicht die W i r k l i c h k e i t von Gegenständen der Erfahrung; vielmehr erklärt er die Möglichkeit apriorischer B e g r i f f e von solchen Gegenständen, insbesondere die G ü l t i g k e i t der Geometrie in der Erfahrungswelt (vgl. IV 374 f . ) . Diese Erklärung kann der k r i t i s c h e Idealismus leisten, weil er Gegenstände der Erfahrung als subjektiven Bedingungen des Gegebenseins unterworfen annimmt und s i e j die dann "Erscheinungen" heißen, von "Dingen an sich" unterscheidet, wie sie dem bloßen Verstand zugänglich sein müBten.
Ding an sich und Erscheinung
18
M C C 01 a; das Ergebnis der Addition könne dann nur die auf l folgende positive ( u n d ganze} Zahl sein. Erstens aber können analytische Grundsätze wie a + a > a und a + b > a - letzteren f ü h r t Kant selbst als solchen an ( K r . d . r . V . , B 16f.) - allein das Herstellen einer Gleichung a + b = c oder auch a + a = b, das nach dem Bisherigen synthetisch ist, nicht e r k l ä r e n . Zweitens geht es hier gar nicht um die
(gar nicht bestreitbare) Re-
Kants Beispiele
145
lation der U n g l e i c h h e i t zwischen einem Summanden und der Summe bei positiven Z a h l e n , sondern um die Relation der Gleichheit zwischen den Ausdrücken links und rechts vom Gleichheitszeichen. Im Brief an J.
Schultz vom 25. 11. 1788 c h a r a k t e r i s i e r t K a n t
die Ausdrücke l i n k s vom Gleichheitszeichen ist
z . B . 3+4 "Ausdruk eines Problems"
In 3 + 4 = . . . ist ist
als P o s t u l a t e » So
, das aufgelöst sein w i l l .
das Errechnen einer Summe p o s t u l i e r t . 3 + 4 = . . .
indessen "eine A u f g a b e , die keiner A u f l o s u n g s v o r s c h r i f t
noch eines Beweises bedarf, m i t h i n ist das U r t h e i l ein Postu2 l a t " . Das Ergebnis kommt zustande durch bloße Fortsetzung des :s 3 Addierens, des Hinzusetzens von Einheiten, über die 3 hinaus" rait der Addition der ersten Einheit zur 3 setzt kein neuer Vorgang ein, der u n t e r einem anderen Rechengesetz stünde, sondern der Akt des Summierens, der zuvor zur 3 f ü h r t e ,
dauert an.
Am Postulat können wir demnach zwei Momente unterscheiden. Es fordert zu einer H a n d l u n g a u f , und zwar zu einer in ihrer G ü l t i g k e i t ohne weiteres evidenten, keines Beweises b e d ü r f t i gen Handlung (hier zu der "einfachsten H a n d l u n g " des Addierens 4 }. So d e f i n i e r t Kant Postulate als " u n m i t t e l b a r gewisse practische U r t h e i l e " .
Beide Momente kehren in der Definition
des Postulats wieder, die sich in der von Jasche herausgegebenen Logik-Vorlesung Kants f i n d e t : "Ein Postulat ist
ein prakti-
scher, u n m i t t e l b a r gewisser Satz oder ein G r u n d s a t z , der eine mögliche Handlung bestimmt, bei welcher vorausgesetzt wird, daß die Art IX 112;
sie auszuführen,
unmittelbar gewiß sei."
{Logik,
2. u. 3. Hervorh. v. m i r ) .
Somit zeigt sich der synthetische Charakter von arithmetischen Urteilen ( G l e i c h u n g e n ) auch darin, daß z . B . 3 + 4 = . . . ein Postulat
ist,
das dazu a u f f o r d e r t ,
durch Hinzusetzen von Einsen über
den gegebenen Summanden 3 bis
zu einer bestimmten Summe hinaus-
zugehen. 1 2 3 4 5
X 556. Ebenda, V g l , ebenda, Ebenda. Ebenda.
IV.
DER KACHWEIS DER TRANSZENDENTALEN IDEALITÄT VON RAUM UND ZEIT
A. Die Frage nach Raum und Zeit im Briefwechsel zwischen Leibniz und Clarke und in Hobbes 1 "De corpore" Im Vorspann zur Metaphysischen Erörterung des B e g r i f f s vom Raum stellt Kant die Frage nach dem Seinsstatus von Raum und Zeit und bringt diese Frage in die Gestalt einer zweigliedrigen D i s j u n k t i o n . "Was sind nun Raum und Zeit? Sind es w i r k l i che Wesen?
Sind es zwar nur Bestimmungen, oder auch Verhält-
nisse der Dinge, aber doch solche, welche ihnen auch an sich zukommen würden, wenn sie auch nicht angeschaut w ü r d e n , oder sind sie solche, die nur an der Form der Anschauung a l l e i n h a f t e n , und m i t h i n an der subjektiven B e s c h a f f e n h e i t unseres Gemüts, ohne welche diese Prädikate gar keinem Dinge beigelegt werden können?" ( K r . d . r . V . , B 3 7 f . / A 2 3 ) . Die beiden G l i e d e r dieser E i n t e i l u n g können so benannt werden: Subjektsunabhängigkeit oder S u b j e k t i v i t ä t von Raum und Z e i t . Das erste G l i e d u n t e r t e i l t sich wiederum in zwei Möglichk e i t e n : Raum und Zeit sind selbst substantiell ( " w i r k l i c h e Wesen") oder etwas an bzw. zwischen Substanzen ("Bestimmungen, oder auch Verhältnisse der D i n g e " ) , d . h . E i g e n s c h a f t e n oder Relationen von D i n g e n . Vaihinger, mit dessen G l i e d e r u n g Kommentar . . . , II, S. 132 die hiesige ansonsten übereinstimmt, f a ß t Eigenschaften und Relationen unter dem Titel "etwas den Substamen Inhärierendes" zusammen. Relationen zwischen Dingen zählen jedoch nicht notwendig zu dem, was einer Substanz inhärirt (zu deren E i g e n s c h a f t e n ) , wie wir bei der Leibnizschen Raumauffassung sehen werden, nach welcher der Raum R e l a t i o n , aber nicht E i g e n s c h a f t von Dingen ist. Es wäre eine B e g r i f f s v e r w i r r u n g , wollte man es als Eigenschaft von Dingen bezeichnen, in V e r h ä l t nissen zu stehen. V i e l m e h r stehen Eigenschaften in einem Verh ä l t n i s zur Substanz, der sie angehören.
148
Transzendentale
Idealität
Das zweite Glied der übergeordneten Disjunktion besteht in der These, Raum und Zeit seien weder Substanzen noch Eigenschaften oder Relationen dinglicher Substanzen, sondern etwas dem S u b j e k t Eigentümliches. Damit sind sie indessen nicht als etwas dem S u b j e k t Inhärierendes verstanden, wie es Vaihinger in einer weiteren Gliederung nach den Gesichtspunkten von Subsistenz und I n h ä r e n z suggeriert. Empirisch betrachtet, ist das Subjekt als Körper im Raum, nicht der Raum im S u b j e k t ; und diejenige Betrachtungsweise (die t r a n s z e n d e n t a l e ) , nach der Raum und Z e i t "im" S u b j e k t sind, wird diese schwerlich so ansehen wie Eigenschaften, die dem Subjekt inhärieren. Gemäß diesen beiden Betrachtungsweisen, der empirischen und der transzendentalen, ist Kants Antwort auf die Frage nach dem Seinsstatus von Raum und Zeit eine zwiefache: Empirisch betrachtet sind sie real, für eine transzendentale Betrachtung ideal ( v g l . K r . d . r . V , , B 4 4 / A 28, B 52/A 3 5 f . ) . Was dies bedeutet, soll später besprochen werden. Wenn wir zwischen Seinsstatus und Seinsweise unterscheiden, so können wir zum voraus sagen, daß Kant die (ontologische) Frage nach dem Seinsstatus von Raum und Zeit abschlägig beantwortet; es kommt ihnen gar kein solcher Status zu, wie er durch die B e g r i f f e " S u b s t a n z " , "Akzid e n z " , " R e l a t i o n " , bezeichnet wird. Dem Raum und der Zeit können n u r , je nach der Betrachtungsweise, eine reale und eine ideale Seinsweise zugeschrieben werden. A f f i r m a t i v wurde jene Frage int Briefwechsel zwischen Leibniz und C l a r k e in den Jahren 1715 und 1716 angegangen. Leibniz nimmt Raum und Zeit - kurz gesagt - als R e l a t i o n , C l a r k e , in _ A n l e h n u n g an Newton, als Eigenschaft (Gottes). Wahrend A. Riehl 2 vermutet, Kant habe diesen Briefwechsel "vielleicht gar nicht gelesen", h ä l t H. Vaihinger
d a f ü r , daß Kant sich in den Jah-
ren 1768-1770 eingehend mit diesen Briefen beschäftigt habe, und nimmt an, daß Kant zu seiner Argumentation in betreff symmetrischer Gegenstände durch jene b r i e f l i c h e Auseinandersetzung 1 Vaihinger, Kommentar , . , , II, S, !33. 2 A. R i e h l , Der philosophische K r i t i z i s m u s . Geschichte und System, Bd. I, Leipzig ! 1908, S. 334. 3 H. Vaihinger, Kommentar . . . , II, S, 436.
Leibniz - Clarke - Hobbes
149
angeregt worden sei. Ihm schließt sich E. Cassirer an, der in der Frage nach Raum und Zeit das Problem der Antinomien der reinen V e r n u n f t enthalten sieht.
Und Karen Gloy
erblickt in
dem Hin und Her des b r i e f l i c h e n Streits gar "das V o r b i l d der ersten Antinomie". Ein deutliches Indiz für Kants Kenntnis dieses Briefwechsels ist das Beispiel der völlig gleichartigen, aber räumlich verschiedenen "zwei Tropfen Wasser", das sich gegen Leibnizens principium identitatis indiscernibilium wendet ( v g l . K r . d . r . V . , B 319f./A 2 6 3 f . ) , denn dieses Beispiel begegnet auch in der Diskussion zwischen Leibniz und C l a r k e . 4 Ein weiteres Indiz l i e f e r t eine N a c h l a ß - A u f z e i c h n u n g Kants, die nach Adickes 1 zeitlicher Einteilung des Kantischen Nachlasses in die Phase gehört und also zwischen 1775 und 1777 geschrieben sein d ü r f t e .
In dieser A u f z e i c h n u n g Nr. 4 7 5 6 (XVII
699-701) f ü h r t K a n t unter der leitenden Frage: "Ist der Raum was w i r k l i c h e s " ? die drei a f f i r m a t i v e n Antworten an, die schon genannt wurden: "Substantia, Accidens, r e l a t i o . " (XVII 6 9 9 ) . Sodann macht er als die Vertreter einer "Idealitas spatii" Hobbes und Descartes n a m h a f t , denen Leibniz gefolgt sei: "Hobbes: est phantasma rei existentis tanqvant externae. Carthesius spatium habet pro abstracto extensionis Materiae. His accedit L e i b n i t z . " Die hier gegebene Bestimmung des Raumes durch Hobbes, er sei Bild eines existierenden Dinges als eines äußeren, scheint an die Definition angelehnt, die Hobbes in "De corpore" bietet und derzufolge Raunt Bild eines existierenden Dinges als eines existierenden ist, wobei kein anderes Akzidens dieses Dinges betrachtet wird außer dem, daß es außerh a l b des Vorstellenden erscheint: " . . . spatium est phantasma rei existentis, quatenus existentis, id est, n u l l o alio e j u s rei accidente considerato praeterquam quod apparet extra ima1 H. Vaihinger, Kommentar . .., II, S. 530. 2 E. Cassirer, Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, ßd. II, Berlin 1907, S, 723, Anm. 24. 3 K. Gloy, Die Kantische D i f f e r e n z von B e g r i f f und Anschauung und ihre Begründung, in: Kant-Studien 75 ( 1 9 8 4 ) , S. 15. 4 V g l . Correspondance Leibniz - Clarke, ed. par A. Robinet, Paris 1957, p. 85, S k (4. Brief von L e i b n i z ) ; p. 109, 5 3&4 (4. Brief von Clarke); p, 132, S 23 {5. Brief von L e i b n i z ) . 5 V g l , XIV XL.
150 ginantem."
Transzendentale I d e a l i t ä t Zur Nähe zwischen Hobbes und Leibniz in der A u f f a s -
sung von Raum und Zeit kommen wir u n t e n . Die entgegengesetzte S t e l l u n g nahm Clarke ein: "Clark vero defendit realitatem spatii." Kant verzeichnet überdies die A u f f a s s u n g Newtons, wonach Raum "est sensorium omnipraesentiae divinae" (XVII 6 9 9 ) ; auf dieser A u f f a s s u n g fußen o f f e n k u n d i g die Ausführungen Clarkes über den Raum in seinen Briefen an Leibniz, in einer weiteren Nachlaß-Notiz ( N r . 4 6 7 3 ; XVII 6 4 2 ) heißt es mit Bezug auf den Raum in einem Nebensatz: " . . . obgleich Leibnitz so wohl als Newton (ich nenne sie hier an der Spitze der übrigen großen N a h m e n ) , dieser die subsistirende Realitaet desselben, jener die adhaerirende annimmt ...". Gleichviel jedoch, ob Kant die Briefe von Leibniz und Clarke durchgearbeitet hat oder nicht, sie können, da sie die Frage nach Raum und Zeit mit wichtigen Argumenten zu beantworten suchen und die Antwort bei dem einen (Leibniz) lautet: Idealität von Raum und Zeit, bei dem anderen ( C l a r k e ) : Realität von Raum und Z e i t , als eine systematisch bedeutsame E i n f ü h r u n g in die Arguraentationslage der Transzendentalen Ästhetik dienen. In der folgenden knappen D a r s t e l l u n g sind die anderen Diskussionspunkte, die Natur Gottes, den Zusammenhang von Leib und Seele, die N a t u r menschlicher Handlungen, die N a t u r von Wundern bet r e f f e n d , außer acht gelassen. Für Leibniz sind Raum und Zeit Relationsgefüge, "ordre des Coe'xistences" und "ordre des successions" (oder " l ' o r d r e des 2 . . . Existences successives" , jeweils eine Ordnung der Dinge untereinander {"ordre des choses entre e l l e s " ) , eine Beziehung ( " r a p p o r t " ) . In einem solchen Reiationsgefüge sind die verschiedenen Stellen als solche einander völlig gleich, und Unterschiede entstehen nur dann, wenn die Stellen von Dingen eingenommen werden. So sind Raum und Zeit für Leibniz zwar echte 1 Thomae Hobbes Malmesburiensis Opera philosophica, quae latine s c r i p s i t , omnia, ed. W. M o l e s w o r c h , London 1839, V o l . I: Elementorum Philosophies Sectio prima: De Corpore, p. 83/pars I I , cap. 7, 2. 2 Correspondence, p . 4 2 (Brief von Leibniz an Conti vom 6. 12. 1715). 3 V g l , im Ganzen a . a . O . , p. 53 (3, Brief von L e i b n i z ) . - "L'Espace est quelque chose d ' u n i f o r m e absolument, et sans les choses y plac4es un point de l' espace ne d i f f e r e absolument en rien d ' u n autre point de l'espace." ( e b d . ) .
Leibniz - Clarke - Hobbes
151
Dinge, aber doch ideal wie die Z a h l e n ( " . . . ce sont des choses veritables, mais ideales comme les Nombres." ) . Gäbe es gar keine Geschöpfe, so wäre der Raum ( u n d auch die Z e i t ) nur in der Idee Gottes , wiewohl die Unausmeßbarkeit und die Ewigkeit Gottes unbeeinträchtigt fortbestünden, unabhängig von Raum und Z e i t . Diese beiden Attribute sind etwas völlig anderes als Ausdehnung (im Raum) und Dauer (in der Z e i t ) , die den Geschöpfen 4 zukommen, Raum insbesondere ist etwas v ö l l i g Relatives ("quelque chose de purement r e l a t i f " ) , nämlich r e l a t i v auf die in ihm befindlichen Dinge, ohne die es ihn nicht gäbe. Er ist nicht abhängig von einer bestimmten Lage der Dinge, ist aber deshalb nicht real, sondern ideal als Prinzip der Lagehaftigkeit oder Situabil i t ä t der Dinge ( " . . , il est cet ordre qui f a i t que les corps sont situables . . . " ) . Er ist die Ordnung des Aufeinander-bezogenseins von zugleich-seienden Dingen, nämlich ihrer "situation ou distance".
Leibniz bestimmt ihn als das Gesamt a l l e r möglio
chen örter, als "ce qui comprend toutes ces places". So etwas, wie Raum ergibt sich dann erst aus der Gesamtheit der Örter: 9 " . . . espace est ce gui resulte des places prises ensemble." Der idealistischen Raumauffassung von Leibniz entspricht eine relativistisch zu nennende A u f f a s s u n g des Orts. Was ein Ort (eine Stelle im Raum) ist, kann Leibniz nicht absolut, d . h . nicht unter Absehen von räum-einnehmenden Dingen, festlegen, wenn für ihn der Raum den Dingen nicht vorgegeben ist. Ist aber der Raum ( a l s das Gesamt der örter) erst mit den Dingen gegeben, 1 Correspondence,p. 42 (Brief von Leibniz an Conti vom 6. 12, 1715). Vgl. auch in der Ergänzung zum Entwurf . Die Grundvoraussetzung, dergemäß die reine Vernunft das Unbedingte als gegeben annimmt, lautete: " . . . wenn das Bedingte gegeben ist, so sei auch die ganze Reihe einander untergeordneter Bedingungen, die mithin selbst unbedingt ist, gegeben ..." ( K r . d . r . V . , B 3 6 4 / A 3 0 7 f . ) . Diese Grundvoraussetzung ist selber ein hypothetisches U r t e i l , zu welchem als Untersatz zu treten hätte: ' N u n ist das Bedingte gegeben'. So würde im modus ponens von der Wahrheit des Grundes auf die Wahrheit der Folge geschlossen ( v g l , Logik, § 26, IX 106), gemäß dem positiven Moment im " P r i n z i p der hypothetischen Schlüsse": "A rat "Denn zur M ö g l i c h k e i t des Bedingten wird zwar die T o t a l i t ä t seiner Bedingungen, aber nicht seiner Folgen, v o r a u s g e s e t z t . " ( K r . d . r . V . , B 394/ A 337).
Herleitung
263
tione ad rationatum ... valet consequentia." ( L o g i k , § 76, IX 1 2 9 ) , Hier ist zu beachten, daß als Grund nicht die Bedingung a l l e r Bedingungen, sondern das Bedingte im antecedens angegeben wird, und daß das Unbedingte vielmehr als Folge im consequens vorkommt. Es soll ja zur E r k l ä r u n g des Bedingten, das gegeben ist,
auf das Unbedingte, das vorausgesetzt ( a l s gege-
ben angenommen) wird, zurückgegangen werden. In dem grundlegenden hypothetischen, sowohl (wie sich zeigte) synthetischen als auch transzendenten S c h l u ß , mit welchem die V e r n u n f t in den drei metaphysicae speciales je auf ein Unbedingtes z i e l t , wird das, was alles Bedingte ermöglicht, von diesem Ermöglichten her erschlossen. Was ist nun das Bedingte, das als Erscheinung gegeben ist und von dem aus die V e r n u n f t auf das kosmologisch Unbedingte schließt? In den ersten beiden Antinomien - so kann man zusammenfassend sagen - ist das Bedingte ein beliebiges quantum in Zeit und Raum, in den letzten beiden Antinomien eine beliebige Veränderung in der Zeit ( u n d möglicherweise im Raum}. Die v i e r kosmologischen Ideen "absoluter V o l l s t ä n d i g k e i t " , die die Vern u n f t zu diesen bedingten Erscheinungen voraussetzt, hat Kant in einer Tafel zusammengestellt ( v g l . K r . d . r . V . , B 4 4 3 / A 4 1 5 ) , Die beiden einander entgegengesetzten
Positionen innerhalb
einer Antinomie entstehen nun daraus, daß das Unbedingte je auf zweifache Weise in der Idee vorgestellt werden kann, "entweder als bloß in der ganzen Reihe bestehend, in der also a l l e Glieder ohne Ausnahme bedingt und nur das Ganze derselben schlechthin unbedingt wäre . . . ; oder das absolut Unbedingte ist nur ein Teil der Reihe, dem die übrigen Glieder derselben untergeordnet sind, der selbst aber unter keiner anderen Bedingung steht" he selbst steht Reihe entgegen. das erste sein,
( K r . d . r . V . , B 4 4 5 / A 4 1 7 ) . Unbedingtheit der Reihier der Unbedingtheit des ersten Gliedes der Bei U n b e d i n g t h e i t der Reihe kann kein Glied die Reihe ist also unendlich; der Rückgang in-
nerhalb der Reihe ist
bloß "potentialiter unendlich" ( K r . d . r ,
V . , B 4 4 5 / A 4 1 8 ) , denn er bleibt endlich. Bei Unbedingtheit des ersten Gliedes der Reihe haben wir viermal ein einzelnes Unbedingtes, das Kant jeweils so kennzeichnet: " . . . in -
264
Erste und Zweite Antinomie
hung der verflossenen Zeit der Weltanfang,
in Ansehung des Raums
die weltgrenze, in Ansehung der Teile, eines in seinen Grenzen gegebenen Ganzen, das Einfache, absolute Selbsttätigkeit
in Ansehung der Ursachen,
die
( F r e i h e i t ) , in Ansehung des Daseins
veränderlicher Dinge die absolute Maturnotwendigkeit d.r.V., B 446/A 418).
..." (Kr,
Die hier zu denkende "totalitaet der V e r k n ü p f u n g des Bedingten mit der Bedingung" hat Kant in ihrer A u f f ä c h e r u n g in acht Positionen auch in einer Nachlaß-Aufzeichnung ( N r . 5970, XVIII 408) dargestellt: " . . . das absolute Gantze der Reihe der Verknüpfung ist entweder das der Mathematischen: der Zusammensetzung der Erscheinung, oder der dynamischen Verknüpfung: der Ableitung des Daseyns. Beyde 1. der Art, wie die Reihe ( t o t a l ) gegeben wird; 2. wie eine gantz gegebene Reihe aufgeloset wird; mathematisch: der composition oder decomposition; dynamisch: das erste entstehen oder das unbedingte Daseyn ü b e r h a u p t . " Mit der Wendung "Art, wie die Reihe ( t o t a l ) gegeben wird" ist o f f e n b a r die Unbedingtheit der Reihe, mit der Wendung "wie eine gantz gegebene Reihe aufgeloset wird" die Unbedingtheit des ersten Gliedes (und damit der Abschluß der Reihe) gemeint. Demnach haben w i r : unendliche Reihe composition Vollständigkeit der "Zusammensetzung der Erscheinung"
erstes Glied der Reihe ("We Itan fang" bzw. "Weltgrenze") unendliche Reihe
"decomposition"
erstes Glied der Reihe ("das Einfache") unendliche Reihe
ausale Reduktion Vollständigkeit der "Ableitung des Daseyns"
erstes Glied der Reihe ("das erste entstehen", "die absolute S e l b s t t ä t i g keit") unendliche Reihe
existenziale Reduktion
erstes Glied der Reihe ("das unbedingte Daseyn überhaupt", "die absolute Naturnotwendigkeit")
Herieitung
265
(In Ermangelung Kantischer Bezeichnungen sei mit "kausale Reduktion" der Regreß in der Reihe der Ursachen, mit "existenziale Reduktion" der Regreß in der Reihe der existierenden Dinge angezeigt.) Mit dem Vermerk eines Unterschiedes zwischen einer mathematischen und einer dynamischen Verknüpfung des Bedingten mit der Bedingung, den die oben zitierte Nachlaß-Aufzeichnung h ä l t , kommen wir zu Kants Unterteilung der kosmologischen
ent-
Ideen. Diese U n t e r t e i l u n g e r f o l g t "in Ansehung des Unterschiedes des Mathematisch- und des Dynamischunbedingten" { K r . d . r . V , , B 4 4 7 f . / A 4 2 0 } , das in den beiden ersten bzw. in den beiden letzten kosinologischen Ideen vorgestellt ist. Da Ideen als gesteigerte Kategorien anzusehen sind, muß die Unterscheidung "des Mathematisch- und des Dynamischunbedingten" auf eine Unterteilung i n n e r h a l b der Kategorien zurückgehen. In der Transzendentalen A n a l y t i k hatte Kant die vier Klassen der Kategorien danach geschieden, daß die beiden ersten "auf Gegenstände der Anschauung", die beiden letzten "auf die Existenz dieser Gegenstände ... gerichtet sind"; die erste Gruppe nennt er die "der mathemat i sehen " , die zweite Gruppe die "der dynamischen Kategorien" ( K r . d . r . V . , B 110). Dies entspricht der Unterscheidung in mathematische und dynamische Grundsätze des reinen Verstandes ( v g l . K r . d . r . V . , B 2 0 0 f . / A 1 6 1 f . ) . Was bedeutet diese Unterteilung der Kategorien? Die Kategorien der Quantität und der Qualität sind o f f e n b a r auf quanta überhaupt bezogen. In diesen Kategorien wird "Zusammensetzung (compositio)" ( K r . d . r . V . , B 201, A n m . ) gedacht, durch die jedes quantum erzeugt ist. Dasjenige aber, worin a l l e Zusammensetzung als Erzeugung von quanta a l l e i n möglich ist,
also "die
zwei ursprünglichen Quanta a l l e r unserer Anschauung", sind "Zeit und Raum" ( K r . d . r . V . , B 438/A 411, Hervorh. von m i r ) . Mathematik aber - so zeigte sich de deshalb fähig,
( Kap. I I I ) - ist gera-
ihre B e g r i f f e zu konstruieren, weil sie es
lediglich mit B e g r i f f e n von quanta zu tun hat,
also lediglich
aufgrund der reinen Anschauungen von Raum und Zeit operiert. Danach heißen die Kategorien der Quantität und der Qualität "mathematisch", insofern sie auf die "ursprünglichen Quanta"
266
Erste und Zweite Antinomie
der Anschauung, Raum und Zeit, bezogen sind, in denen Mathematik operiert. So sagt K a n t , er habe die beiden ersten Grundsätze als mathematisch bezeichnet, weil "sie
die Mathematik
auf Erscheinungen anzuwenden berechtigten" ( K r . d . r . V , , B 2 2 l / A 178).
Hingegen sind die Kategorien der Relation und der Modalität o f f e n b a r auf seiende Dinge überhaupt bezogen. In diesen Kategorien wird "Verknüpfung ( n e x u s ) " ( K r . d . r . V . , B 201, A n m . ) gedacht, durch die jeder Zusammenhang von Seiendem aufgebaut ist. Für den Verstand endlicher Wesen ist
der Begriff
chen erstens "dynamisch" a u f z u f a s s e n , zweitens ist
des Wirklier der
Hauptbegriff innerhalb der Modal-Kategorien. Ein wirkliches Ding - und dies ist zunächst die außerhalb des empirischen Subjekts, also im Raum, auftretende Substanz - wird in seiner W i r k l i c h k e i t bekannt nur durch die Wirkung, die es ausübt. "Indem es w i r k t , ist es w i r k l i c h " , erläutert Heidegger in seinem zweiten Kant-Buch. Die Wirkung eines Dinges ist Äußerung seiner K r a f t
(
) . Daher: "Die Substanz im Räume kennen wir
nur durch K r ä f t e , die in demselben wirksam sind, entweder andere dahin zu treiben ( A n z i e h u n g ) , oder vom Eindringen in ihn abzuhalten
( Z u r ü c k s t o ß u n g und U n d u r c h d r i n g l i c h k e i t )
..."
( K r . d . r . V . , B 321/A 2 6 5 ) . " Z u r ü c k s t o ß u n g s k r a f t " und "Anzieh u n g s k r a f t " aber sind, nach der Grundlegung der Dynamik in den "Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft", die beiden einander einschränkenden G r u n d k r ä f t e , die der raumerfüllenden Materie zukommen ( v g l . M e t . A n f . d . K . , IV 499 und IV 5 0 8 ) . Die Substanz, die durch repulsive K r a f t einen Raum e r f ü l l t , ist für den Verstand eines endlichen Wesens die wirkliche Substanz. - Hier geht es um Verknüpfung als "Verbindung des Daseins des M a n n i g f a l t i g e n " , und zwar um "die physische der Erscheinungen u n t e r e i n a n d e r " ( K r . d . r . V . , B 2 0 1 f . , A n m . } , also um Substanzen, sofern sie
im Raum in einem Wirkungszusammenhang stehen.
l M. Heidegger, Die Frage nach dem Ding. Zu Kants Lehre von den transzendentalen Grundsätzen, Tübingen 2 1975, S. 149.
Herleitung
267
Zweitens ist "Wirklichkeit" ( " D a s e i n " ) der H a u p t b e g r i f f unter den Modal-Kategorien, wenn wir der Ordnung dieser Kategorien f o l g e n , wie Kant sie gibt. Danach bildet Möglichkeit die Bedingung, W i r k l i c h k e i t das Bedingte und Notwendigkeit das Zusammen beider. Stellen wir nach dieser A b f o l g e die Unterordn u n g s v e r h ä l t n i s s e der drei B e g r i f f e in einem Schema dar,
und ihrer Gegenbegriffe
so e r h a l t e n w i r :
Unmöglichkeit
Möglichkeit Wirklichkeit
Notwendigkeit
Nicht-Wirklichkeit
Zufälligkeit
Vom Standpunkt des Verstandes eines endlichen Wesens ist "Wirklichkeit" der zentrale Begriff in diesem Schema. Nur vom Wirklichen können wir stricte sagen, daß es möglich war. Nur vom W i r k l i c h e n als
dem Vorgegebenen ausgehend kann man sich
Nichtsein als dessen Negation vorstellen. Nur vom W i r k l i c h e n aus ist die Unterscheidung möglich zwischen dem, was notwendig existieren mag, und dem, was z u f ä l l i g existiert. - Hier handelt es sich um "Verbindung des D a s e i n s des M a n n i g f a l t i g e n " als " m e t a p h y s i s c h e , i h r e ^scil. der Erscheinungen/ Verbindung im Erkenntnisvermögen a priori" ( K r . d . r . V . , B 2 0 1 f . , A n m . ) ,
d.h.
um die apriorische Verknüpfung des B e g r i f f s des W i r k l i c h e n (des empirisch V o r f i n d l i c h e n ) mit den anderen modalen Begriff e n , Die Rede von dynamischen Kategorien zeigt an/ daß in ihnen vornehmlich die wirkliche, d . h . im Raum erscheinende und in Wirkzusammenhängen stehende, Substanz gedacht ist. Der O b e r b e g r i f f
zu Zusammensetzung, die in den Kategorien
der Q u a n t i t ä t und der Qualität gedacht ist, und zu V e r k n ü p f u n g , die in den Kategorien der Relation und der Modalität gedacht ist, heißt "Verbindung". 1 l "Alle Verbindung C c o n i u n c t i o ) ist entweder Zusammensetzung (compos i t i o ) oder Verknüpfung ( n e x u s ) , " ( K r . d . r . V . , B 201, A n m . ) .
268
Erste und Zweite Antinomie
Den Unterschied zwischen den beiden Gruppen von Kategorien, deren erste quanta überhaupt b e t r i f f t ,
deren zweite Seiendes
überhaupt b e t r i f f t , hat Kant bei der näheren Benennung der kosmologischen Ideen vom Unbedingten terminologisch hervortreten lassen. Diese vier Ideen heißen zwar insgesamt "Weltbegriffe", doch sollen die beiden Ideen, die auf Kategorien der Quantität und der Q u a l i t ä t zurückgehen, "in engerer Bedeutung Weltbegriffe" heißen, hingegen die beiden Ideen, die auf Kategorien der Relation und der Modalität zurückgehen, " t r a n s z e n d e n t e Naturbegriffe"
( K r . d . r . V . , B 4 4 7 f . / A 4 2 0 ) , Welt ist
"das mathemati-
sche Ganze a l l e r Erscheinungen und die Totalität ihrer Synthesis, ... sowohl in dem Fortschritt derselben durch Zusammensetzung, als durch Teilung"; "Natur" heißt die Welt "als ein dynamisches Ganzes betrachtet", wobei auf "die Einheit im Dasein der Erscheinungen" gesehen wird { K r . d . r . V . , B 4 4 6 f . / A 418f.}. Bei der H e r l e i t u n g der kosmologischen Ideen aus j e w e i l s einer Kategorie einer Klasse, wie es Kant K r . d . r . V . , B 438/A 411 bis B 4 4 2 / A 415 entwickelt, zeigt Sich nun, daß für d.ie Gewinnung der e r s t e n Idee die Vorstellung der Zeit primär ist, für die Gewinnung der zweiten Idee indessen die Vorstellung des Raumes. Die Quantitätskategorie, aus der die erste kosmologische Idee hervorgeht, "Die
ist A l l h e i t (was Kant nicht eigens s a g t ) .
zwei ursprünglichen Quanta a l l e r unserer Anschauung", in
denen der Regreß von einem quantum (dem Bedingten) zum jeweils umfassenderen quantum {der B e d i n g u n g ) , also die Komposition von quanta, vor sich geht, sind "Zeit und Raum" ( K r . d . r . V . , B 438/A 411). Erstere ist "an sich selbst eine Reihe (und die formale Bedingung a l l e r Reihen}" ( e b d . ) , so daß der Regreß in der Reihe der bedingten quanta zuvörderst ein solcher innerhalb von Zeitquanta ist. "Es wird nach der Idee der V e r n u n f t die ganze v e r l a u f e n e Zeit als Bedingung des gegebenen Augenblicks notwendig als gegeben gedacht." ( K r . d . r . V . , B 4 3 9 / A 412) .
Dagegen bildet der Raum "ein Aggregat, aber keine Reihe", denn in ihm herrscht nicht die Subordination, sondern die Koordination der Teile ( e b d . ; ohne dortige H e r v o r h . ) . Von einem
Herleitung
269
Regreß innerhalb der Raumquanta kann daher nicht eigentlich gesprochen werden. Indessen stellen Apprehensionen
(Wahrnehmun-
gen) von Dingen im Raum eine Reihe dar, da sie notwendig einander folgen und also z e i t l i c h sind, wenn auch die Reihenfolge der Apprehensionen umgekehrt werden k a n n . Hier t r i t t erneut der Vorrang der Z e i t als der Form des inneren Sinnes hervor. Weiterhin kann ein Raumteil, insofern er einen benachbarten Raumteil begrenzt,
als die Bedingung für dessen Begrenztheit
angesehen werden. Nimmt man dies beides zusammen: die Reihenh a f t i g k e i t der Apprehensionen im Raum sowie die Bestimmtheit jedes Raumteils durch die umgebenden Raumteile, so kann man auch die Idee der Vollständigkeit der Synthesis in der Reihe der Raumteile b i l d e n ( v g l . K r . d . r . V . , B 4 3 9 f . / A 4 1 2 f . } . I n n e r h a l b der Ersten Antinomie erhalten wir so ein zweifaches Gegenüber: erstens das Gegenüber der ünbedingtheit der Reihe von vergangenen Zeitteilen und der Unbedingtheit eines ersten Gliedes dieser Reihe, das "fiel tanfang"
(Kr.d.r.V., B 446/
A 418) h e i ß t ; zweitens das Gegenüber der Unbedingtheit der Reihe von Raumteilen und der ünbedingtheit eines ersten Gliedes dieser Reihe, das "Heitgrenze" ( e b d . ) heißt. Die Qualitätskategorie, aus der die zweite kosmologische Idee hervorgeht, ist Realität. Unter diesem Titel versteht Kant hier ohne weitere E r k l ä r u n g "die R e a l i t ä t im Räume, d . i . die Materie" ( K r . d . r . V . , B 4 4 0 / A 4 1 3 ) . In der Tat ist das Reale im eigentlichen Sinn, das mit Sachbeschaffenheiten ausgestattete Etwas, nicht das Ding, insofern es u n t e r der Zeitform in einem empirischen Bewußtsein vorgestellt wird, sondern das a u ß e r h a l b der empirischen Subjekte befindliche räumliche D i n g . Die "Dinge außer uns" sind es, "von denen wir doch den ganzen Stoff zu Erkenntnissen selbst für unsern inneren Sinn her haben" ( K r . d . r . V . , B X X X I X , A n m . } , so daß "die Vorstellungen äußerer Sinne den eigentlichen Stoff ausmachen, womit wir unser Gemüt besetzen" ( K r . d . r . V . , B 6 7 ; ohne dortige H e r v o r h . ) . Die Vorstellung eines Unbedingten der Materie entsteht nun dadurch, daß die Realität des m a t e r i e l l e n Dinges immer wieder mit der Negation zur Limitation vereinigt wird: Die in fortge-
270
Erste und Zweite Antinomie
setzter T e i l u n g hervorkommenden Teile (die Limitationen des vorgegebenen Dinges) sind die Bedingungen (die Baustücke) des Dinges im Raum. Die Iteration der Teilung h a l t so lange an, bis "die R e a l i t ä t der Materie entweder in nichts oder doch in das, was nicht mehr Materie ist,
nämlich das E i n f a c h e ,
ver-
schwindet" ( K r . d . r . V . , B 4 4 0 / A 4 1 3 ) , Mit dem ersten Glied dieser Alternative ist die Unbedingtheit der Reihe selbst von Teilen, die das m a t e r i e l l e Ding a u f b a u e n , gemeint, mit dem zweiten Glied die Unbedingtheit des ersten Baustücks eines jeden Teils.
B. Das V e r f a h r e n zur A u f l ö s u n g der beiden ersten Antinomien Zunächst sei noch einmal f e s t g e s t e l l t , um w e l c h e n Gegenstand Thesis und Antithesis der Ersten und der Zweiten Antinomie streiten. Es ist
dies "das Unbedingte, als die eigentliche
transzendentale Idee, worauf es ankommt" ( K r . d . r . V . , B 4 4 7 / A 418, Anm. *} . Dieser Gegenstand ist
also idealen Charakters;
er ist nicht a u ß e r h a l b des Denkens gegeben, sondern "nur eine Idee, oder v i e l m e h r ein problematischer B e g r i f f "
( e b d . ) , und
dies deshalb, weil er nicht in einer beliebigen Größe der Reihe von Bedingungen eines gegebenen Bedingten besteht - welche Größe v i e l l e i c h t noch in einem empirischen Regreß erreicht werden konnte -,
sondern in der abschließenden G a n z h e i t der
Reihe, die selber nicht mehr e r f a h r b a r
ist.
Die kosmologischen Ideen e n t h a l t e n indessen ihren Gegenstand (Erscheinungswelt) in einer Weise, die verbürgt, daß die auf diesen bezogenen Fragen beantwortet werden können und der vierfache Streit um ihn aufgehoben werden kann. T r i f f t dies zu, so kann man nicht auf "undurchdringliche D u n k e l h e i t " ( K r . d . r . V . , B 506/A 4 7 8 ) , die diese Fragen umgeben könnte, hinweisen, um "mit dem Scheine einer demutsvollen Selbsterkenntnis" ( K r . d . r . V . , B 509/A 481) eine Antwort zu verweigern, da h i e r z u die K r a f t der menschlichen V e r n u n f t nicht ausreiche. Kant macht das Besondere des kosmologisch Unbedingten in Abhebung von den Gegenständen der rationalen Psychologie und der rationalen Theologie k l a r . Bei der V o r s t e l l u n g des einfachen Subjekts der Gedanken wie auch bei der Vorstellung des I n b e g r i f f s der Mögl i c h k e i t e n (woraus der Begriff des höchsten Wesens entsteht) handelt es sich um Gegenstände, die sogar nicht einmal durch einen v o l l s t ä n d i g e n empirischen Regreß von Bedingung zu Bedingung {wenn er möglich wäre) erreicht werden könnten und also vom Bereich möglicher E r f a h r u n g v ö l l i g verschieden sind. Von einem solchen Gegenstand kann man daher sagen, "daß er uns unbekannt, aber deswegen doch n i c h t unmöglich sei"
(Kr.d.r.V.,
B 506/A 4 7 8 ) . Fragen, die auf das einfache S u b j e k t der Gedan-
272
Erste und Zweite Antinomie
ken oder auf den Inbegriff der Möglichkeiten gerichtet sind, müssen demnach als l e t z t l i c h unbeantwortbar angesehen werden; diese Gegenstände sind einem endlichen Wesen gar nicht zur Erkenntnis verfügbar. Das unbedingte, das Gegenstand einer kosmologischen Idee ist, bleibt zwar für den empirischen Regreß von Bedingung zu Bedingung unerreichbar, denn das Unbedingte begegnet nicht in faktischer E r f a h r u n g ; aber dieses Unbedingte ist, wie betont wurde, nicht "der Art nach", sondern nur im "Grad" transzendent gegenüber möglicher Erfahrung ( v g l . K r . d . r . V . , B 4 4 7 / A 4 2 0 ) , und deshalb kann es als mit einer bedingten Erscheinung gegeben angenommen werden. "Die kosmologischen Ideen haben a l l e i n das Eigentümliche an sich, daß sie ihren Gegenstand und die zu dessen Begriff erfoderliche empirische Synthesis als gegeben voraussetzen können ..." ( K r . d , r , V . , B 506 ./ 4 7 8 f . ) . Das kosmologisch Unbedingte ist nicht ein von möglicher E r f a h r u n g völlig unabhängiges, dem Menschen per definitionem unbekanntes Etwas, also kein "Ding an sich" im ontologischen Sinn, sondern ist die m ö g l i c h e Erfahrung selbst als vollendet gedacht; denn "in Ansehung der möglichen Erfahrung wird nicht nach demjenigen gefragt, was in concrete in irgend einer E r f a h r u n g gegeben werden kann, sondern was in der Idee liegt" ( K r . d . r . V . , B 5 0 7 ) . Das kosmologisch Unbedingte ist als Idee subjektsabhängig in dem genauen Sinn, daß es nie von einer faktischen E r f a h r u n g erreicht werden kann, dennoch aber in der vollständigen möglichen E r f a h r u n g eingeschlossen sein muß. Denn erstens ist das, was so vorgestellt wird, daß es jenseits jeder faktischen Erfahrung liegt, eine bloße Vorstellung des Subjekts; und zweitens ist die Vollständigkeit der möglichen E r f a h r u n g eine bloße Idee des S u b j e k t s , "ein bloßes Geschöpf der Vernunft" ( K r . d . r . V . , B 507/A 4 7 9 ) . "Da nun hier lediglich von einem Dinge als Gegenstande einer möglichen E r f a h r u n g und nicht als einer Sache an sich selbst die Rede ist, so kann die Beantwortung der transzendenten kosmologischen Frage, außer der Idee sonst nirgend liegen, denn sie b e t r i f f t keinen Gegenstand an sich selbst ..." { K r . d . r . V . , B 507/A 4 7 9 ) .
Auflösung
273
Inwiefern ist aber der Begriff von der abgeschlossenen Reihe der bedingten Erscheinungen "problematisch"? Zunächst gilt doch, daß ein Bedingtes, das gegeben ist, ohne alle zugehörigen Bedingungen, die vorauszusetzen sind, gar nicht gedacht werden kann. Reine V e r n u n f t betrachtet daher diese Bedingungen als dem Bedingten vorgegeben. "Wenn man sich alles durch bloße reine Verstandesbegriffe, ohne Bedingungen der sinnlichen Anschauung, vorstellt, so kann man geradezu sagen: daß zu einem gegebenen Bedingten auch die ganze Reihe einander subordinierter Bedingungen gegeben sei; denn jenes ist a l l e i n durch diese gegeben." ( K r . d . r . V . , B 4 4 4 / A 4 1 6 ) . Es bleibt indessen zu f r a gen, ob von einem Bedingten, das Gegenstand sinnlicher Anschauung und also Erscheinung ist, ohne jede Einschränkung auf die Gegebenheit der vollständigen Reihe von zugehörigen Bedingungen geschlossen werden darf, und daher h ä l t Kant fest: "Ob diese Vollständigkeit nun sinnlich möglich sei, ist noch ein Problem." ( K r . d . r . V . , B 444/A 417). O f f e n k u n d i g ist hier der Anspruch der bloßen V e r n u n f t auf allgemeine Geltung ihres Schlusses vom Bedingten auf das Unbedingte in Frage gestellt. Die erwähnten "Bedingungen der sinnlichen Anschauung" scheinen darüber zu entscheiden, ob - vom Subjekt her gesprochen - ein vollendeter Regreß in der Reihe der sinnlich gebbaren Bedingungen, ob - gegenständlich gesprochen - das Ganze der Erscheinungen denkbar ist. Es konnte sein, daß der Vernunftschluß vom Bedingten auf das Unbedingte nur von Dingen gilt, sofern sie nicht Erscheinungen sind, - daß also die V e r n u n f t diesen Schluß nicht in bezug auf alle Dinge {nicht schlechthin o b j e k t i v ) , sondern nur in bezug auf möglicherweise existierende, aber nicht in Raum und Zeit vorkommende Dinge anstellen darf. Dann stünden Subjektivität der Vern u n f t und Subjektivität der Sinnlichkeit zu gleichen Rechten nebeneinander: Vernunft wäre die Weise, Existierendes, das nicht erscheint ( i n t e l l i g i b i l i a ) , zu begreifen, Sinnlichkeit die Weise, Erscheinendes (sensibilia) wahrzunehmen. In der Dissertation von 1770 hingegen wird reine V e r n u n f t als ein schlechthin objektives Vermögen in Ansatz gebracht,
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Erste und Zweite Antinomie
das von allen Dingen überhaupt Aussagen macht. U n h a l t b a r e ontologische Sätze sieht Kant hier daraus entspringen, daß von einem Satzsubjekt, das ein bloßer V e r n u n f t b e g r i f f
ist
und also ein
Ding als solches (ohne Einschränkung) bezeichnet, Prädikate ausgesagt werden, die räumliche oder zeitliche Bestimmungen bieten. Das Unhaltbare solcher Sätze rührt daher, daß Raum und Zeit nur sinnliche Vorstellungsweisen des Menschen sind, die nicht von allen Dingen gelten müssen. auf,
Kant s t e l l t daher den Grundsatz
daß einem bloßen V e r n u n f t b e g r i f f
(conceptus intellectual is)
ein Prädikat mit räumlichen oder zeitlichen Bestimmungen nicht gegenständlich, d . h . nicht mit Bezug auf das im V e r n u n f t b e g r i f f gemeinte Ding als solches, zugesprochen werden d a r f , sondern vielmehr ein solches Prädikat die Bedingung angibt, unter welcher a l l e i n der V e r n u n f t b e g r i f f sinnlich dargestellt werden kann. Der lateinische Wortlaut dieses Grundsatzes: " de conceptu quocunque intellectual! g e n e r a l i t e r quicquam praedicatur, quod pertinet ad respect us SPATII ATQUE TEMPORIS: objective non est inuntiandum et non denotat nisi condicion&m, sine qua conceptus datus sensitive cognoscibili s non est." {Diss. V, § 25, II 4 1 2 f . ) . Damit ist
eine Restriktion der Verwendung raumzeit-
lich bestimmter Prädikate ausgesprochen und die allgemeine Verwendbarkeit bloß i n t e l l e k t u e l l e r Prädikate nicht bestritten. In der "Kritik der reinen V e r n u n f t " - so können wir vorgreif e n d sagen - wird die U n h a l t b a r k e i t kosmologischer Sätze - in Umkehrung der Einschätzung in der Dissertation - darauf zurückg e f ü h r t , daß von einem Satzsubjekt, das eine Erscheinung (ein Ding in Raum und Zeit) bezeichnet, bloße V e r s t a n d e s b e g r i f f e ausgesagt werden. Der Nennung eines verschiedenen Grundes der U n h a l t b a r k e i t ontologischer Sätze in Dissertation und erster " K r i t i k " entspricht eine Verschiedenheit der Standorte, von denen aus Kant r a u m z e i t l i c h bestimmte B e g r i f f e und bloße Vern u n f t b e g r i f f e beurteilt. 1770 war die U n i v e r s a l i t ä t bloßer l "... cum subiectum iudicii i n t e l l e c t u a l i t e r c o n c i p i a t u r , p e r t i n e t ad ot>iectum, praedicatum autem, cum determinationes spatii ac temporis contineat, p e r t i n e t tantum ad condiciones sensitivae cognitionis humanae, quae, quia non cuilibet cognition! eiusdem obiecti necessario a d h a e r e t , de dato conceptu intellectual! u n i v e r s a l i t e r enuntiari non p o t e s t . " ( D i s s , V , S 25, II 4 1 3 ) .
Auflösung Vernunftbegriffe,
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d . h . i h r Z u t r e f f e n a u f a l l e möglichen Dinge,
für Kant noch nicht f r a g l i c h . U n h a l t b a r e ontologische Sätze konnten dann nicht aus der Verwendung bloßer V e r n u n f t b e g r i f f e , sondern nur aus i h r e r Verbindung mit s i n n l i c h e n B e g r i f f e n
her-
vorgehen. In diesem Sinn sagt Kant noch in der ''Kritik der nen V e r n u n f t " ,
rei-
"daß der Irrtum nur durch den unbemerkten Ein-
f l u ß der Sinnlichkeit auf den Verstand bewirkt werde" { K r . d . r . V . , B 350/A 2 9 4 ; v g l . Logik, IX 5 3 ) . 1781 bestreitet Kant gerade die U n i v e r s a l i t ä t
bloß i n t e l l e k t u e l l e r B e g r i f f e und sieht
in ihrer Anwendung auf die "Erscheinungswelt" den Grund u n h a l t b a r e r ontologischer {genauer: kosmologischer) Sätze. 1770 wie auch 1781 ist eine u n s t a t t h a f t e Verbindung von i n t e l l e k t u e l l e n und sinnlichen B e g r i f f e n v e r a n t w o r t l i c h für unhaltbare ontologische Sätze. Aber 1770 warnt Kant von dem Standpunkt der reinen V e r n u n f t aus, deren Satze universal gelten sollen, vor einer Hineinnahme sinnlicher Prädikate in diese Sätze; 1781 warnt er dagegen von dem Standpunkt der in Raum und Zeit gegebenen Welt (der "möglichen E r f a h r u n g " ) aus, die die einzige uns bekannte ist,
vor einer nicht eingeschränkten Anwendung
bloßer V e r s t a n d e s b e g r i f f e auf sie. An den Beweisen, die Kant je für Thesis und Antithesis einer Antinomie vorträgt, f ä l l t a u f , daß sie apagogischer N a t u r sind. Der apagogische oder indirekte Beweis wird vom ostensiven oder direkten Beweis unterschieden. Letzterer weist die Wahrheit eines Satzes direkt aus einem Grund a u f . Der apagogische Beweis geht von k o n t r a d i k t o r i s c h e n Sätzen aus und zeigt, daß sich eine f a l s c h e Folge ergibt, wenn man einen der beiden Sätze als Grund annimmt, und daß m i t h i n dieser Satz selbst f a l s c h sein muß; d a r a u f h i n schließt man im modus tollens auf die Wahrheit des anderen Satzes. Der apagogische Beweis v e r s c h a f f t demnach zwar die Gewißheit, daß der eine der kontradiktorischen Sätze wahr sein m u ß , aber er tut die Wahrheit dieses Satzes nicht aus dessen eigenem Grund dar A 7 8 9 ; Logik, IX 71,
(vgl. K r . d . r . V . , B 817/
52).
In dem Abschnitt "Die D i s z i p l i n der reinen V e r n u n f t in Ansehung ihrer Beweise" macht Kant nun auf das U n z u l ä s s i g e apa-
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Erste und Zweite Antinomie
gogischer Beweise mit Bezug auf solche Sätze aufmerksam, bei denen Subjektives mit Objektivem verwechselt, genauer: subjektive Voraussetzungen der reinen Vernunft für Bestimmungen von Gegenständen gehalten werden können. Er führt hier als Beispiel den zweiten Teil der Thesis bzw. der Antithesis der Ersten Antinomie an, worin die Endlichkeit bzw. die Unendlichkeit der Welt im Raum behauptet wird {vgl, K r . d . r . V . , B 8 2 0 f . / A 7 9 2 f . ) . 1781, so war gesagt worden, ist es für Kant f r a g l i c h , ob Prinzipien und Begriffe der bloßen Vernunft ohne Einschränkung von der in sinnlicher Anschauung vorstellbaren Welt gelten; insbesondere b e z w e i f e l t er, daß die Grundvoraussetzung der reinen Vernunft, wonach mit dem Bedingten auch das unbedingte gegeben ist, auf die "Erscheinungswelt" z u t r i f f t . Dann aber t r i f f t es bei jenem Beispiel nicht zu, daß mit einem im Raum gegebenen Bedingten auch entweder das erste Glied der Reihe seiner Bedingungen, also die Weltgrenze (Thesis), oder aber die unendliche Reihe seiner Bedingungen (Antithesis) gegeben sein muß. Eine subjektive Voraussetzung, nach welcher die bloße V e r n u n f t verfährt, würde so für eine Bestimmung des Gegenstandes selbst, nämlich der Welt als Erscheinung im Raum, geh a l t e n . Damit würde man "einen unmöglichen Begriff vom Gegenstande" ( K r . d . r . V , , B 820/A 7 9 2 } benützen, also sind Thesis und Antithesis gleichermaßen unbegründet, und es kann nicht aufgrund eines apagogischen Beweises von der Falschheit des einen Satzes auf die Wahrheit des anderen geschlossen werden. Die beiden Parteien des kosmologischen Streites können aber bloß einen apagogischen und keinen ostensiven Beweis vorlegen, weil sie gar nicht über den Gegenstand ihres Streites, die Welt im Ganzen, verfügen und also nicht aus der Kenntnis dieses Gegenstandes einen direkten Beweisgrund beibringen können. Zwischen dem Gegenstand, wie ihn reine Vernunft in den kosmologischen Ideen vorstellt, und der V o r s t e l l u n g vom Weltganzen, die sich der Verstand macht, stellt Kant ein bedeutsames Mißverhältnis fest, das sich im Falle der beiden ersten Antinomien folgendermaßen ausnimmt. Nimmt man mit der Antithesis der Ersten Antinomie an, die Welt sei der Zeit nach a parte priori unbegrenzt, so ist sie für den Verstand zu groS geraten.
Auflösung
277
dessen empirischer Regreß vom Bedingten z u r jeweiligen Bedingung ohne Aussicht auf einen Abschluß wäre. Nimmt man mit der Thesis einen Weltanfang an, so ist die Welt für den Verstand zu k l e i n , denn ein solcher Anfang ist nur in der Zeit vorstellbar, also muß dem W e l t a n f a n g ein angrenzender Zustand vorausgegangen sein, da eine völlig leere Zeit vor dem Weltanfang kein Gegenstand der Erfahrung ist ( " . . . wer kann eine Erfahrung vom Schlechthinleeren haben?", K r . d . r . V . , B 515/A 4 8 7 ) . Demnach ist der Verstand genötigt, doch wieder auf den Zustand vor dem bloß vorgeblichen Weltanfang als auf dessen Bedingung zurückzugehen und den Regreß in der Zeit unabsehbar weit fortzusetzen. Nimmt man weiterhin mit der Antithesis der Ersten Antinomie an, die Welt sei dem Raum nach unbegrenzt, so ist sie wiederum für den Verstand zu groß, der im empirischen Regreß an kein Ende gelangen könnte. Nimmt man mit der Thesis eine Weltgrenze an, so ist die Welt für den Verstand zu klein, denn eine solche Grenze ist nur wieder im Raum vorstell bar, also muß der Weltgrenze ein angrenzender e r f ü l l t e r Raum voraufliegen, da ein völlig leerer Raum jenseits der Weltgrenze kein Gegenstand der Erfahrung ist. Demnach ist der Verstand genötigt, doch wieder auf den e r f ü l l t e n Raum jenseits der bloß vorgeblichen Weltgrenze als auf deren Bedingung zurückzugehen und den Regreß im Raum unabsehbar weit fortzusetzen. Nimmt man mit der Antithesis der Zweiten Antinomie an, ein räumliches Ding sei aus unendlich vielen Teilen zusammengesetzt so gerät die Welt in diesem Betracht zu groß für den Verstand, der seinen empirischen Regreß nie vollständig machen könnte. Nimmt man dagegen mit der Thesis einen einfachen Baustein des räumlichen Dinges an, so ist die Welt in diesem Betracht für den Verstand zu klein, denn dieses Einfache ist selber wieder nur im Raum vorstellbar, also muß es, da es Raum einnimmt, wie dieser Teile haben, aus denen es besteht, denn ein völlig leerer Raum innerhalb des Einfachen ist kein Gegenstand der Erfahrung. Demnach ist der Verstand auch hier genötigt, auf Teile innerhalb des bloß vorgeblich Einfachen als auf dessen Bedingungen zurückzugehen und den Regreß unter den Teilen im Raum
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unabsehbar weit fortzusetzen.
(Zum Ganzen vgl. K r . d . r . V .
B 514-516/A 486-488.3 Bei diesen Feststellungen ist der mögliche empirische Regreß in der Reihe der Bedingungen das Kriterium, wonach die Ideen vom kosmologisch Unbedingten beurteilt werden, und nicht umgekehrt. Dies erklärt sich aus dem oben angeführten Standortwechsel Kants: 1781 stellt Kant vom Standpunkt der möglichen Erfahrung aus die universale Gültigkeit bloßer Vernunftprinzipien und V e r n u n f t b e g r i f f e in Frage. "Mögliche Erfahrung ist das, was unseren Begriffen a l l e i n R e a l i t ä t geben kann; ohne das ist a l l e r Begriff nur Idee, ohne Wahrheit und Beziehung auf einen Gegenstand. Daher war der mögliche empirische Begriff das Richtmaß, wornach die Idee beurteilt werden mußte, ob sie bloße Idee und Gedankending sei, oder in der Welt ihren Gegenstand a n t r e f f e . " { K r . d . r . V . , B 517/A 4 8 9 ) . Für ein endliches Vernunftwesen ist der empirische Regreß das Gegebene oder doch das Aufgegebene, und mit ihm die W e l t als in sinnlicher Anschauung erkannte oder doch erkennbare, nicht aber eine nach den subjektiven Prinzipien und B e g r i f f e n der reinen Vernunft eingerichtete W e l t . Die Ideen vom kosmologisch Unbedingten haben sich in ihrer Berechtigung auszuweisen, nicht die Vorstellung von einer durchweg bedingten "Erscheinungswelt" - sofern wir die Argumente der Transzendentalen Ästhetik, die den Erscheinungscharakter des sinnlich Gebbaren dartun sollen, voraussetzen. im Streit um den Gegenstand, der in den kosmologischen Ideen vorgestellt ist, sind drei Arten von Einwänden gegen eine der beiden· antithetischen Positionen oder sogar gegen alle beiden Positionen möglich. Diese drei Arten von Einwänden hat Kant im Paralogismen-Abschnitt nach der Fassung in der ersten A u f l a g e der "Kritik der reinen Vernunft" bestimmt. "Alle Einwürfe können in dogma tische,kritische und skeptische eingeteilt werden. Der dogmatische Einwurf ist der wider einen Satz ... gerichtet ist." ( K r . d . r . V . , A 3 8 8 ) . Dieser Einwand "bedarf einer Einsicht in die Beschaffenheit der Natur des Gegenstandes, um das Gegenteil von demjenigen behaupten zu können, was der Satz von diesem Gegenstande vorgibt" ( e b d . ) . Der skeptische Einwand, der die beiden einander entgegengesetzten Posi-
Auflösung
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tionen als nichtig erweisen w i l l und zwischen ihnen hin- und hergeht, ist darin versteckterweise dogmatisch, daß er unausdrücklich oder ausdrücklich behauptet, von dem Streitgegenstand sei nichts Endgültiges zu erkennen; die wechselseitige Aufhebung der entgegengesetzten Positionen ist dem skeptischen Einwand ein sicheres Indiz für die letztliche U n e r k e n n b a r k e i t dieses Gegenstandes. Dieser Einwand " s t e l l e t Satz und Gegensatz wechselseitig gegen einander, als Einwürfe von gleicher Erheblichkeit, einen jeden derselben wechselweise a l s Dogma und den ändern als dessen E i n w u r f , ist also auf zwei entgegengesetzten Seiten dem Scheine nach dogmatisch, um alles Urteil über den Gegenstand g ä n z l i c h zu vernichten. Der dogmatische also so wohl, als skeptische Einwurf, müssen beide so viel Einsicht ihres Gegenstandes vorgeben, als nötig ist, etwas von ihm bejahend oder verneinend zu behaupten" ( K r . d . r . V . , A 3 8 8 f . ) . Der skeptische Einwand behauptet - wenn er sich selbst ernstnimmt gegen die dogmatischen Positionen, über den Gegenstand das eine zu wissen, daß er letztlich nicht zu erkennen sei. Beiden Arten von Einwänden steht der kritische Einwand gegenüber, der nicht selber eine weitere Behauptung über den Gegenstand a u f s t e l l t , sondern gleichsam vorgegenständlich bleibt und bloß "wider den Beweis eines Satzes gerichtet ist" {Kr.d. r . v . , A 3 8 8 ) . Der kritische Einwand greift nicht den Inhalt der entgegengesetzten dogmatischen Sätze, sondern deren Grundlage an, indem er die Voraussetzung p r ü f t , die im jeweiligen Beweis eines Satzes eingeschlossen ist. Dieser Einwand "bedarf gar nicht", um diese P r ü f u n g durchzuführen, "den Gegenstand besser zu kennen, oder sich einer besseren Kenntnis desselben anzumaßen; er zeigt nur, daß die Behauptung grundlos, nicht, daß sie unrichtig sei" ( e b d . ) , denn er kann sich darauf berufen, daß den Verfechtern der dogmatischen Behauptungen der Streitgegenstand (der in der Antinomik die Erscheinungswelt ist) ebensowenig im Ganzen zur Erkenntnis gegeben ist. Der Nachweis der Unrichtigkeit einer der dogmatischen Behauptungen würde dagegen verlangen, daß der Widerlegende das U n z u t r e f f e n de der Behauptung am Gegenstand selbst, also aus einer materialen Kenntnis der "Erscheinungswelt" im Ganzen, zeigen könnte.
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Hingegen ist die Grundlosigkeit der dogmatischen Behauptung nachgewiesen, wenn gezeigt wird, daß die Voraussetzung des zugehörigen Beweises falsch ist, - wenn also gezeigt wird, "man nehme zum Behuf seiner Behauptung etwas an, was nichtig und bloß eingebildet ist" ( K r . d . r . V . , A 3 8 9 ) . Das Verfahren, das Kant zur Auflösung des "Widerstreits der V e r n u n f t " ( K r . d . r . V . , B 435/A 408) entwickelt, ist demnach erstens insofern kritisch, als es unterscheidet zwischen dem transzendenten Gegenstand dieses Widerstreits und der subjektiven Voraussetzung, die in den Beweisen der streitenden Parteien in bezug auf diesen in der Idee vorgestellten Gegenstand gemacht wird. Dieses Verfahren ist aber zweitens kritisch insofern, als es - im Gegensatz zum Skeptizismus - diesen Streit zu e n t s c h e i d e n unternimmt, ohne doch eine materiale Kenntnis des transzendenten Gegenstandes vorzutäuschen. Daher bringt Kant eine "Kritische Entscheidung des kosmologischen Streits der Vernunft mit sich selbst" { K r . d . r . V . , B 525/A 497, Überschrift} . Der Weg ( / ) , den Kant einschlägt, um zu dieser Entscheidung zu gelangen, ist die "skeptische Methode", die mit dem Skeptizismus (und dessen Einwand gegen dogmatische Sätze) nichts zu tun hat, "einem Grundsatze einer kunstmäßigen und szientifischen Unwissenheit, welcher die Grundlagen aller Erkenntnis untergräbt" ( K r . d . r . V . , B 451/A 4 2 4 ) . Hiergegen steht: " . . . die skeptische Methode geht auf Gewißheit . . . " ( e b d . ) . Wahrend die Einstellung des Skeptizismus die Entscheidbarkeit- des kosmologischen Streites zugunsten der einen oder der anderen dogmatischen Partei bestreiten muß, da sie den Streitgegenstand für unerkennbar hält, ist die skeptische Methode gerade ein Mittel, eine Entscheidung in diesem Streit herbeizuführen. In der Tat fäl1t die Entscheidung im Falle der beiden ersten Antinomien bekanntlich so aus, daß die Behauptungen beider Parteien unbegründet, im Falle der beiden letzten Antinomien so, daß die Behauptungen beider Parteien in gewisser Weise begründet sind.
Auflösung
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Die skeptische Methode ist deshalb ein geeignetes Mittel, eine Entscheidung des kosmologisehen Streites vorzubereiten, weil der Streitgegenstand transzendent ist. Transzendenz des Streitgegenstandes bedeutet: 1. Eine Exhibition dieses Gegenstandes in reiner sinnlicher Anschauung, wie die Mathematik sie leistet, ist nicht möglich, mithin kann der Begriff dieses Gegenstandes nicht konstruiert werden. Die V e r n u n f t vermag es hier nicht, den Gegenstand in reiner sinnlicher Anschauung zu geben, vielmehr muß sie ihren Begriff nach dem v o r g e g e b e n e n Gegenstand bilden. 2. Der Gegenstand ist jenseits der E r f a h r u n g , m i t h i n kann von ihm empirisch nichts ausgemacht werden. Wenn demnach weder reine Vernunft den Gegenstand des kosmologischen Streites ursprünglich bestimmen, noch Erfahrung ihn nachträglich erkennen kann, wenn also der Gegenstand selbst als entscheidende Instanz a u s f ä l l t , so ist es angebracht, die Möglichkeit "des freien und ungehinderten Wettstreits" der dogmatischen Behauptungen ( K r . d . r . V . , B 453/A 4 2 5 ) zu e r ö f f n e n . Der "kritische E i n w u r f " , der sich der "skeptischen Methode" bedient, begegnet den gegeneinander stehenden dogmatischen Thesen nicht mit einer Widerlegung oder Bestätigung a u f g r u n d eines ostensiv-direkten Beweises, denn dazu müßte er eine materiale Kenntnis des transzendenten Streitgegenstandes behaupten und damit selber dogmatisch werden. Da überdies die dogmatischen Thesen nicht in sich selbst widersprüchlich sind und also nicht formallogisch zurückgewiesen werden können, tut man, um den "kritischen Einw u r f " sinnvoll vortragen zu können, gut daran, "die transzendentalen Behauptungen" (ebd.) mit ihren Beweisversuchen in "skeptischer Methode" nebeneinander zu stellen und auf die Voraussetzung zu achten, die je in einem Beweisversuch liegt. Demnach geht es in der Antinomik weniger darum, den streitenden dogmatischen Thesen entgegenzutreten, als vielmehr darum, gegen den Streit selbst einzuschreiten durch Prüfung der Vorausset1 Es "sind die transzendentalen Behauptungen ... weder in dem Falle, daß ihre abstrakte Synthesis in irgend einer Anschauung a priori könnte gegeben, noch so beschaffen, daß der Mißverstand vermittelst irgend einer Erfahrung entdeckt werden könnte." ( K r . d . r . V . , B 453/A 425).
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zung, auf welcher er beruht. Kant w i l l mittels der "skeptischen Methode" "untersuchen, ob der Gegenstand", um den gestritten wird, "nicht vielleicht ein bloßes Blendwerk sei" B 451/A 4 2 3 } .
(Kr.d.r.V.,
C. Die "kritische Entscheidung des kosraologischen Streits" Dasjenige, was die Voraussetzung der ira Streit b e f i n d l i c h e n dogmatischen Thesen erschließt und die Falschheit dieser Vor» aussetzung a u f d e c k t , ist der transzendentale I d e a l i s m u s . Daher lautet die Ü b e r s c h r i f t eines Abschnitts i n n e r h a l b der Antinomik: "Der transzendentale Idealism, als der Schlüssel zu Auflösung der kosmologischen D i a l e k t i k " { K r . d . r . V . , B 518/A 4 9 0 ) . Unter "transzendentaler "daß
Idealismus" versteht Kant die Lehre,
a l l e s , was im Räume oder der Zeit angeschauet w i r d , mit-
hin a l l e Gegenstände einer uns möglichen Erfahrung, n i c h t s als Erscheinungen, d . i . bloße Vorstellungen sind, die, so wie sie vorgestellt werden, als ausgedehnte Wesen, oder Reihen von Veränderungen, außer unseren Gedanken keine an sich gegründete Existenz haben" ( K r . d . r . V . , B 518f./A 4 9 0 f . } . Damit vertritt Kant, so ist zunächst negativ zu bemerken, keinen empirischen psychologischen Idealismus, für welchen die außerhalb des Bewußtseins b e f i n d l i c h e n Dinge in ihrem Vorgestelltsein aufgehen. In einer in der zweiten A u f l a g e hinzugekommenen Anmerkung stellt Kant dies k l a r , indem er den transzendentalen
Idealismus
als
"formalen I d e a l i s m " bezeichnet, "um ihn von dem materialen, d.i. dem gemeinen, der die Existenz äußerer Dinge selbst bez w e i f e l t oder leugnet, zu unterscheiden" ( K r . d . r . V . , B 5 2 0 , Anm. * ) . Für Kant sind Dinge im Raum ebenso wirklich wie das Bewußtsein selbst (vgl. K r . d . r . V . , A 3 7 0 f . J . Nicht schlechthin in ihrer W i r k l i c h k e i t , sondern in ihrer Form, in ihrem Erscheinungscharakter, hängen Gegenstände möglicher E r f a h r u n g vom Subjekt ab, und deshalb hieß es an der zitierten Stelle, daß Erscheinungen "so w i e sie vorgestellt werden, als susgedehnte Wesen, oder Reihen von Veränderungen, außer unseren Gedanken keine an sich gegründete Existenz haben" (Hervorh. v. m i r ) . Räumlichsein und Zeitlichsein der Dinge, so kann positiv gesagt werden, sind vom S u b j e k t bedingt und kommen m i t h i n den Dingen nicht als solchen zu. Kant d e f i n i e r t an anderer S t e l l e den transzendentalen Idealismus als
"den L e h r b e g r i f f , nach wel-
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Erste und Zweite Antinomie
ehern wir sie /seil, die Erscheinungen/ insgesamt als bloße Vorstellungen, und nicht als Dinge an sich selbst, ansehen, und dem gemäß Zeit und Raum nur sinnliche Formen unserer Anschauung,
nicht aber vor sich gegebene Bestimmungen, oder Bedingun-
gen der Objekte, als Dinge an sich selbst sind"
(Kr.d.r.V.,
A 369) . Die Transzendentale Ästhetik - so hatte unsere Interpretation zu zeigen versucht - erbringt den Nachweis, daß Raum und Zeit nicht mit den reinen Verstandesbegriffen der Relation oder des Akzidenz oder der Substanz gleichgesetzt werden dürfen, als die sie von Dingen als solchen gelten würden, sondern subjektive Formen sind, unter denen Dinge sinnlich angeschaut werden. Dieser Nachweis ist die Begründung des transzendentalen Idealismus. Das Verfahren zur Aufhebung des kosmologischen Streites ist demnach nicht nur k r i t i s c h in dem zwiefachen Sinn, daß es zwischen dem Streitgegenstand und der subjektiven Voraussetzung der V e r n u n f t in bezug auf diesen Gegenstand unterscheidet und den Streit selber entscheiden w i l l . Dieses V e r f a h r e n ist zuvörderst kritisch, weil es die transzendental-idealistische Lehre von dem Unterschied zwischen Ding an sich und Erscheinung bzw. zwischen reinem Verstandesbegriff und sinnlicher Anschauung als den Schlüssel verwendet, um die falsche Voraussetzung der streitenden Parteien aufzudecken und den Streit zu beenden. In dem Abschnitt,
der die "kritische Entscheidung des kosmo-
logischen Streits" bringt, zeigt Kant, wie reine Vernunft bei der Bildung der Ideen vom kosmologisch Unbedingten Erscheinungen für Dinge an sich hält oder, mit anderen Worten, einen bloßen Verstandesbegriff ohne Einschränkung auf die Erscheinungswelt anwendet. Die Grundvoraussetzung, von welcher die vier Ideen vom kosmologisch Unbedingten getragen werden und welche das Gegeneinander von Thesis und Antithesis mit Bezug auf jede Idee ermöglicht,
war der hypothetische V e r n u n f t s c h l u ß : "Wenn
das Bedingte gegeben ist, so ist auch die ganze Reihe aller Bedingungen desselben gegeben; nun sind uns Gegenstände der Sinne als bedingt gegeben, f o l g l i c h etc." ( K r . d . r . V . , B 525/ A 4 9 7 ) . Hier t r i f f t Kant die entscheidende Unterscheidung: Der Schluß der reinen V e r n u n f t , daß mit dem Bedingten, das gegeben
Entscheidung
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ist, zugleich die vollständige Reihe seiner Bedingungen {entweder als unendliche Reihe oder als von einem unbedingten Glied ausgehende Reihe) gegeben sei, g i l t nur von Dingen an sich oder, mit anderen Worten, gilt nur von Dingen, bei welchen man von der Weise ihres Gegebenseins absehen darf ; so werden in diesem Vern u n f t s c h l u ß das Bedingte und a l l e seine Bedingungen ohne Rücksicht auf die Bedingung der Zeit betrachtet und "an sich, als zugleich gegeben, vorausgesetzt" ( K r . d . r , V . , B 528/A 5 0 0 ) . Im Unterschied dazu darf bei Dingen, sofern sie Erscheinungen sind und also von Weisen des Gegebenseins und des Vorgestelltwerdens (hier: von der Zeit- und der Raumform}abhängen, nicht ohne weiteres vom Gegebensein des Bedingten auf das Gegebensein a l l e r Bedingungen (also des Unbedingten)geschlossen werden. Vielmehr unterliegt der fortdauernde empirische Regreß von einem Bedingten zur jeweiligen Bedingung, die in einer Reihe von Bedingungen stehen, der Bedingung der Zeit, denn diese ist ja "die formale Bedingung a l l e r Reihen" ( K r . d . r . V . , B 4 3 8 / A 411); ein Zugleich des Gegebenseins von Bedingtem und Unbedingtem ist im Bereich der Erscheinungen daher nicht anzunehmen. Das bloße Hinzudenken aller Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten ist "eine Synthesis des bloßen Verstandes, welcher die Dinge vorstellt, wie sie sind, ohne darauf zu achten, ob, u n d w i e w i r zur Kenntnis derselben gelangen können" { K r . d . r . V . , B 5 2 6 f . / A 4 9 8 ) . Von diesem bloßen Hinzudenken ist der in der Zeit geschehende Regreß in der Reihe der Bedingungen zu unterscheiden, durch welche die jeweilige Bedingung allererst erbracht wird; diese empirische Synthesis von Bedingtem und Bedingung "findet allererst im Regressus, und niemals ohne denselben, statt" { K r . d . r . V . , B 5 2 7 / A 4 9 9 ) . Deshalb können im Bereich der Erscheinungen, die nur unter subjektseigenen Formen des Vorstellens gegeben sind, Bedingungen eines gegebenen Bedingten nicht durch bloße Vernunft erschlossen werden; sie müssen vielmehr durch (empirischen) Regreß eigens vorgewiesen werden, und so ist der Regreß als Aufgabe anzusehen. (Zum Ganzen vgl. K r . d . r . V . , B 5 2 6 f . / A 4 9 8 f . ) "... der S a t z , daß zu allem Bedingten ein schlechthin Unbedingtes müsse gegeben seyn, gilt als Grundsatz von allen Dingen, so wie ihre Verbindung durch reine V e r n u n f t , d . i . als die der Dinge an sich selbstt gedacht w i r d . " ( F o r t s c h r . , XX 290, Hervorh. v. m i r ) .
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Erste und Zweite Antinomie
Der hypothetische V e r n u n f t s c h l u ß , die Grundlage der kosmologischen Ideen, behandelt demnach die Erscheinungswelt wie ein Ding an sich, d . h . so, als ob sie dem Denken unvermittelt (ohne Bedingung) gegeben wäre, und kann als Trugschluß, nämlich als ein sophisma f i g u r a e dictionis , ü b e r f ü h r t werden. Dies ist nach dem von Jäsche herausgegebenen Logik-Handbuch ein Trugschluß, "worin der medius terminus in verschiedener Bedeutung genommen wird" (Logik, IX 135). Derjenige terminus, der im Vern u n f t s c h l u ß vom Bedingten auf das Unbedingte in verschiedener Weise a u f g e f a ß t wird, ist "das Bedingte", denn der V e r n u n f t schluß lautete ja: "Wenn das Bedingte gegeben ist, so ist auch die ganze Reihe a l l e r Bedingungen desselben gegeben; nun sind uns Gegenstände der Sinne als bedingt gegeben, folglich etc." ( K r . d . r . V . , B 525/A 4 9 7 ) . Es zeigt sich, "daß der Obersatz des kosmologischen Vernunftschlusses das Bedingte in transzendentaler Bedeutung einer reinen Kategorie, der Untersatz aber in empirischer Bedeutung eines auf bloße Erscheinungen angewandten Verstandesbegriffes nehmen" ( K r . d . r . V . , B 527/A 4 9 9 ) . Die Kategorie, die im Obersatz rein (ohne Bedingung) und in v o l l s t ä n d i ger Iteration bis hin zum Unbedingten angewandt w i r d , ist die der Relation; Bedingung und Bedingtes bilden eine Relation. Im Untersatz jedoch wird die Kategorie der Relation nicht von Bedingtem überhaupt, sondern von Erscheinungen, von Bestandstücken einer Welt in Raum und Zeit, ausgesagt. Also findet die Subsumtion des Begriffs eines Dinges, das in Raum und Zeit vorkommt und so qualitativ bestimmt ist, unter den B e g r i f f eines Dinges bloß als solchen statt, wie es ohne q u a l i t a t i v e Einschränkung im Denken vorgestellt wird. Demnach wird im Untersatz der Fehler begangen, "Erscheinungen als Dinge an sich und eben sowohl dem bloßen'Verstande gegebene Gegenstände anzusehen, wie es im Obersatze geschah, da ich von allen Bedin) Zum sophisita f igurae d i c t i o n i s , das AristoteHsc^ zünden Trugschlüssen lV gehört und als TrugschluB 7 "l oy/tua bezeichnet w i r d , vgl. H . W . B , Joseph, An Introduction to Logic, Oxford M 9 I 6 , p. 584f. Jedoch liegt beim hypothetischen V e r n u n f t s c h l u ß der rationalen Kosmologie streng genommen kein auf die bloße Hortgestalt bezogener Fehler, sondern eine Äquivokst ion vor. Kant verwendet die Bezeichnung "sophisma f i g u r a e dictionis" o f f e n b a r in einem weiteren Sinn.
Entscheidung
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gungen der Anschauung, unter denen a l l e i n Gegenstände gegeben werden können, abstrahierte" ( K r . d . r . V . , B 528/A 5 0 0 ) . Dieser Fehler f ü h r t dann zu dem trügerischen Schluß, daß mit dem Bedingten in der Erscheinung auch das transzendente Unbedingte (als dessen abschließende Bedingung) gegeben sei. Im folgenden sind drei Voraussetzungen zu unterscheiden: 1. die Grundvoraussetzung der V e r n u n f t , die in dem ganzen oben angeführten hypothetischen V e r n u n f t s c h l u ß besteht; 2. die erste Prämisse dieses V e r n u n f t s c h l u s s e s , die besagt, daß das Bedingte überhaupt nur a u f g r u n d des Gegebenseins a l l e r seiner Bedingungen gegeben sein k a n n ; 3. die zweite Prämisse des Vernunftschlusses, die ohne Einschränkung sagt, daß Dinge in Raum und Zeit Bedingtes im Sinne der ersten Prämisse sind. Die Grundvoraussetzung der bloßen V e r n u n f t , der die B i l d u n g der vier kosmologischen Ideen und der Streit um das kosmologisch Unbedingte folgen, schließt somit ihrerseits die falsche Voraussetzung ein, die dahin lautet, "daß Erscheinungen oder eine Sin-! nenwelt, die sie insgesamt in sich b e g r e i f t , Dinge an sich selbst wären" { K r . d . r . V . , B 535/A 5 0 7 ) ; womit diese Voraussetzung schon in der Sprache der "Kritik der reinen Vernunft", nämlich in Rücksicht auf die fundamentale Unterscheidung des transzendentalen Idealismus, f o r m u l i e r t ist. Sowohl der jeweilige Beweis f ü r die Thesis, als auch der jeweilige Beweis für die Antithesis einer Antinomie machen sich einer Verwechslung des Subjektiven mit dem Objektiven schuldig, indem sie voraussetzen, die subjektive Voraussetzung, wonach das Bedingte nur a u f g r u n d a l l e r seiner Bedingungen gegeben sein kann, gelte uneingeschränkt auch von dem kosmologischen Streitgegenstand, der "Erscheinungswelt" im Ganzen. In einem Bereich aber, in welchem Subjektives m i t Objektivem verwechselt werden kann - wie es im Bereich der rationalen Kosmologie möglich ist - bleiben apagogische Beweise, wie gesagt wurde, unwirksam, in einem solchen Bereich ist nämlich erstens der indirekte S c h l u ß von der Falschheit der einen dogmatischen Behauptung auf die Wahrheit der entgegengesetzten dogmatischen Behauptung deshalb nicht zulässig, weil der (vermeintliche) Gegenstand, um den gestritten wird, eine bloß subjektive Vorstel-
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Erste und Zweite Antinomie
lung und also auch die Gegenbehauptung falsch sein könnte. Dies ist der Fall der beiden ersten Antinomien, In einem solchen Bereich ist zweitens die apagogische Beweisart selbst unzulässig, weil der Gegenstand, um den gestritten wird, in zwei verschiedenartigen subjektiven Vorstellungen präsent sein und also die eine wie die andere Vorstellung z u t r e f f e n d sein kann. Dies ist der F a l l der beiden letzten Antinomien. In dynamischer Hinsicht kann man die Welt der Erscheinungen einmal so auffassen, wie sie in dem auf mögliche Erfahrung eingeschränkten Verstandesbegriff vorgestellt wird, und dann ist sie eine unabsehbar weit reichende Reihe von stets wieder bedingten Bedingungen; zum ändern kann man die Welt der Erscheinungen so a u f f a s s e n , wie sie im bloßen Vernunftbegriff vorgestellt wird, und dann ist ein von der Reihe der Bedingungen verschiedenes (transzendentes) und doch auf sie bezogenes Unbedingtes denkbar, und zwar als "die unbedingte Kausalität" {Dritte Antinomie) oder als "die unbedingte Existenz der Substanz selbst" (Vierte Antinomie) { K r . d . r . V . , B 587/A 5 5 9 3 . Hier wird "die Reihe der Bedingungen in zweyerley verschiedener Art, nämlich als Object der Sinnlichkeit oder der bloßen Vernunft betrachtet" (Fortschr,, XX 3 2 8 ) . Somit f i n d e t sich in den apagogischen Beweisen von Thesis und Antithesis der Dritten und der Vierten Antinomie folgende Verwechslung des Subjektiven mit dem objektiven.· Der Beweis der Thesis geht je von der Reihe der Bedingungen aus, wie sie Gegenstand des auf mögliche Erfahrung eingeschränkten Verstandesbegriffs ist ("Erscheinung"), und macht diese Reihe sodann zum Gegenstand des bloßen Vernunftbegriffs ("Ding an sich"), so daß die Annahme eines Unbedingten, von welchem die Reihe abhängt, unausweichlich wird. Der Beweis der Antithesis geht je von der Reihe der Bedingungen aus, wie sie Gegenstand des bloßen Vern u n f t b e g r i f f s ist ("Ding an s i c h " ) , und macht diese Reihe sodann zum Gegenstand des auf mögliche Erfahrung eingeschränkten Verstandesbegriffs {"Erscheinung"), so daß die Annahme einer Unbegrenztheit der Reihe unausweichlich wird. Bei den Beweisen innerhalb der Dritten und der Vierten Antinomie sucht demnach einmal der bloße V e r n u n f t b e g r i f f auf den Gegenstand des in mög-
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l icher Erfahrung verbleibenden Verstandesbegriffs, hinwiederum dieser Verstandesbegriff auf den Gegenstand des bloßen Vernunftb e g r i f f s gleichsam ü b e r z u g r e i f e n , Die "Erscheinungswelt" als ganze und als die einzige anzunehmen, d.h. eine in Raum und Zeit ganz gegebene Welt und die raumzeitliche Welt als die einzige anzunehmen, ist je eine bloß subjektive Vorstellung, die sich reine Vernunft mittels ihrer Grundvoraussetzung und der darin enthaltenen falschen Voraussetzung (der Nicht-Verschiedenheit oder bloß graduellen Verschiedenheit von sensibilia und i n t e l l i g i b i l i a ) bildet. Eine W e l t in Raum und Zeit ist zwiefach ergänzbar: Sie ist zum einen nie ganz gegeben, sondern nur so weit, wie der empirische Regreß in der Reihe der Bedingungen reicht; sie ist zum ändern nie so gegeben, daß es nicht etwas von ihr Verschiedenes (ihr gegenüber Transzendentes) geben könnte, von dem sie abhängt. So kann von den gegeneinander stehenden Parteien einer jeden Antinomie, wenn auch in verschiedener Weise, gesagt werden, "daß sie um nichts streiten" ( K r . d . r . V . , B 529/A 501). Die jeweiligen Parteien der beiden ersten Antinomien streiten deshalb "um nichts", weil gar kein Gegenstand vorliegt, der an ihm selbst entweder eine selber unbedingte Reihe von Bedingungen oder eine durch ein unbedingtes erstes Glied begrenzte Reihe ausmacht. Die jeweiligen Parteien der beiden letzten Antinomien streiten deshalb "um nichts", weil sie den Gegenstand (die "Erscheinungswelt" als Reihe von Bedingungen) in zwei verschiedenartigen und also durchaus zu vereinbarenden Vorstellungen fassen, nämlich einmal im bloßen V e r n u n f t b e g r i f f , zum ändern in dem auf mögliche Erfahrung eingeschränkten Verstandesbegriff, · Kant macht mittels der terminologischen Unterscheidung aller Entgegensetzung von Urteilen in "dialektische" und "analytische Opposition" ( K r . d . r . V . , B 532/A 504) auf den formallogischen Charakter von Thesis von Antithesis in den beiden ersten b z w . in den beiden letzten Antinomien aufmerksam. Eine "analytische Opposition" liegt vor, wenn zwei Sätze einander kontradiktorisch entgegengesetzt sind, der eine also A, der andere non A
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Erste und Zweite Antinomie
behauptet. Diese Entgegensetzung hat Kant offenbar deshalb "analytisch" genannt, weil bloß nach dem Widerspruchsprinzip f o l g t , daß zu einem gegebenen A das v ö l l i g unbestimmte Gegenteil non A ist. (Ebenso war Dichotomie eines jeden Begriffs als "analytisch" bezeichnet worden.) Demgegenüber gibt es zwei Arten der "dialektischen Opposition". Die eine findet statt, wenn in der verneinenden Behauptung mehr liegt, als zum bloßen Widerspruch gehört; die andere, wenn in der verneinenden Behauptung w e n i g e r liegt, als zum bloßen Widerspruch gehört. In beiden F ä l l e n liegt also kein echter Widerspruch vor, keine bloß logische Entgegensetzung. Gegenüber der "analytischen Opposition" spricht Kant in der Schrift über die "Fortschritte der Metaphysik" von einer "synthetischen Opposition" (Fortschr., XX 2 9 1 ) . Die erste Art von "dialektischer Opposition" ist, wie Kant in dein von Jäsche herausgegebenen Logik-Handbuch ausführt, diejenige der konträren Urteile, die zweite Art diejenige der subkonträren Urteile ("iudicia contrarie opposita", bzw. "iudicia subcontrarie opposita") {vgl. Logik, §§ 49 u. 50, IX 117), In der Ersten und der Zweiten Antinomie stehen Thesis und Antithesis je konträr zueinander, nicht kontradiktorisch. Kant nimmt als Beispiel den zweiten Teil der Thesis und der Antithesis der Ersten Antinomie, wobei er die Antithesis hier als Thesis und die Thesis als deren Gegenbehauptung behandelt. Damit w i l l er offenbar zeigen, daß die Thesis auch als Antithesis zur vorherigen Antithesis und diese als neue Thesis auftreten kann, also die Aufeinanderfolge von Thesis und Antithesis umkehrbar ist. S t e l l t man die beiden folgenden urteile nebeneinander: "die Welt ist dem Räume nach entweder unendlich, oder sie ist nicht u n e n d l i c h (non est i n f i n i t u s ) , so muß, wenn der erstere Satz f a l s c h ist, sein kontradiktorisches Gegenteil: die Welt ist nicht unendlich, wahr sein. Dadurch würde ich nur eine unendliche Welt aufheben, ohne eine andere, nämlich die endliche, zu s e t z e n . " ( K r . d . r . V . , B 531/A 5 0 3 ) , Hier handelt es sich um einen bloßen Widerspruch zweier Urteile, um "ächte, reine Opposition" (Logik, IX 116), bei welcher die Wahrheit des einen U r t e i l s aus der Falschheit des anderen folgt, und umgekehrt. Thesis und Antithesis der Ersten (und auch der Zweiten)
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Antinomie stehen aber konträr zueinander, denn dem "infinitus" wird jetzt kein bloßes "non est i n f i n i t u s " , sondern ein "est n o n - i n f i n i t u s " entgegengehalten. Bei konträren Urteilen g i l t aber: "Da nun eines derselben mehr aussagt, als das andre, und in dem Ü b e r f l ü s s i g e n , das es außer der bloßen Verneinung des ändern noch mehr aussagt, die Falschheit liegen kann: so können sie zwar nicht beide w a h r , aber sie können beide f a l s c h sein." (Logik, IX 117). Daher: "Hieße es aber: die Welt ist entweder u n e n d l i c h , oder endlich ( n i c h t u n e n d l i c h ) , so könnten beide f a l s c h sein." ( K r . d . r . V . , B 532/A 5 0 4 ) . Die konträren dogmatischen Behauptungen der Ersten wie auch der Zweiten Antinomie sind in der Tat beide je f a l s c h oder unbegründet, denn in diesen Behauptungen wird jedesmal fälschlicherweise die zeitliche Welt dem bloßen, ohne Rücksicht auf die Zeitbedingung vorgehenden V e r n u n f t s c h l u ß vom Bedingten auf das Unbedingte u n t e r w o r f e n . Und so gilt für die dogmatischen Thesen der beiden ersten Antinomien: "Wenn zwei einander entgegengesetzte Urteile eine u n s t a t t h a f t e Bedingung voraussetzen, so f a l l e n sie, unerachtet ihres Widerstreits (der gleichwohl kein eigentlicher Widerspruch i s t ) , a l l e beide weg, weil die Bedingung w e g f ä l l t , unter der a l l e i n jeder dieser Sätze gelten s o l l t e . " ( K r . d . r . V , , B 531/A 5 0 2 f . ) . In der Dritten und der Vierten Antinomie stehen Thesis und Antithesis hingegen subkonträr zueinander, wiederum nicht kontradiktorisch. Bei dieser Art der "dialektischen Opposition" zweier U r t e i l e g i l t , daß "sie beide w a h r , aber nicht beide f a l s c h sein können" (Logik, IX 117). In der Tat haben bei diesen Antinomien Thesis und Antithesis eine je andere, eigene Berechtigung, denn in den Theseis und den ihnen zugehörigen Beweisen ist
die Reihe der Bedingungen, als die man die Welt hier
a u f f a ß t , Gegenstand der bloßen V e r n u n f t , während sie in den Antitheseis und den ihnen zugehörigen Beweisen Gegenstand des Verstandes ist, insofern er auf mögliche Erfahrung eingeschränkt bleibt. So können der Gedanke eines t r a n s z e n d e n t e n Unbedingten, von dem die Reihe der Bedingungen in Zeit und Raum abhängt, und der Gedanke einer immanent durchgängig bedingten
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Erste und Zweite Antinomie
Welt in Zeit und Raum nebeneinander bestehen. (Zum Ganzen vgl. Fortschr., XX 2 9 0 f f . , 3 2 7 f f . ) Die von Kant verwandte "skeptische Methode", die darin besteht, Thesis und Antithesis einer jeden Antinomie einander gegenübertreten und wechselweise durch apagogische Beweise widerlegen zu lassen, gestattet es nicht n u r , die Falschheit der Voraussetzung, die in beiden dogmatischen Behauptungen liegt, einzusehen, sondern zudem, in Form eines Vernunftschlusses einen indirekten Beweis für die transzendentale Idealität von Raum und Zeit oder für "die transzendentale Idealität der Erscheinungen" ( K r . d . r . V . , B 534/A 5 0 6 ) zu l i e f e r n , und dies noch vor der eigentlichen Auflösung der Antinomien. Die Transzendentale Ästhetik enthält, wie in Kapitel IV zu zeigen war, den Nachweis, daß Raum und Zeit keine reinen Verstandesbegriffe, oder daß, m i t anderen Worten, Dinge in Raum und Zeit nicht Dinge an sich unabhängig von jeder Gegebenheits- und Vorstellungsweise sind; positiv gewendet; daß Raum und Zeit (reine) sinnliche Anschauungen, oder daß, mit anderen Worten, Dinge in Raum und Zeit bloße Erscheinungen sind. Der indirekte Beweis nun, den Kant im Abschnitt über die "kritische Entscheidung des kosmologischen Streits" vorträgt, besteht in einem "Dilemma" ( e b d . ) . Dies ist, wie in dem von Jäsche herausgegebenen Logik-Handbuch dargelegt ist, ein hypothetischer Vernunftschluß, in dessen Obersatz das Consequens ein disjunktives Urteil ist. Im Untersatz dieses Schlusses wird die Falschheit des Consequens in a l l e n seinen Gliedern ausgesagt, und die Conclusio folgert daraus die Falschheit des Antecedens im Obersatz, gemäß dem Grundsatz: "A remotione consequentis ad negationem antecedentis valet consequentia" (Logik, g 79, IX13Qf. ).Im Obersatz macht Kant zum Antecedens die Voraussetzung der reinen Vern u n f t , daß die Welt in Raum und Zeit eine an sich, d . h . unabhängig von einer subjektseigenen Vorstellungsart, gegebene Reihe von Bedingungen sei, und nimmt als Glieder des Consequens die dogmatischen Behauptungen der Ersten Antinomie: "Wenn die Welt ein an sich existierendes Ganzes ist: so ist sie entweder endlich, oder u n e n d l i c h . " ( K r . d . r . V . , B 534/A 5 0 6 ) . Unter jener Voraussetzung ist diese Disjunktion des Consequens voll-
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ständig. Der Untersatz sagt: "Nun ist das erstere sowohl als das zweite falsch (laut der oben angeführten Beweise der Antithesis, einer, und der Thesis, anderer S e i t s } , " ( K r . d . r . V , , B 534/A 5 0 6 ) , Wiederum unter jener Voraussetzung im Obersatz heben Thesis und Antithesis einander a u f . Die Konklusion lautet dann: "Also ist es auch f a l s c h , daß die Welt (der Inbegriff aller Erscheinungen) ein an sich existierendes Ganzes sei." ( K r . d . r . V . , B 5 3 4 f . / A 5 0 6 f , ) . Das Antecedens im Obersatz muß falsch sein, wenn a l l e daraus möglichen Folgen falsch sind. Aus diesem Dilemma zieht Kant den positiven Schluß; "Woraus denn folgt daß Erscheinungen überhaupt außer unseren Vorstellungen nichts sind ..." ( e b d . ) . Auch hier ist nicht gemeint, daß Dinge außerhalb des empirischen Bewußtseins eigentlich nicht existierten und a l l e i n in Vorstellungen Wirklichkeit hätten, sondern vielmehr, daß die Form, unter welcher Dinge erscheinen, von der dem Subjekt zugehörigen Vorstellungsart bedingt ist. Wie vollzieht sich nun die Auflösung derjenigen Fragen, die sich aus den beiden ersten kosmologischen Ideen ergeben, also aus der "Idee von der Totalität der Zusammensetzung der Erscheinungen zu einem Weltganzen" sowie aus der "Idee von der Totalität der Teilung eines gegebenen Ganzen in der Anschauung" { K r . d . r . V . , B 545/A 517 bzw. B 551/A 523, Ü b e r s c h r i f t e n ) ? Vorgegeben sind die Antworten auf die Fragen, ob die Welt als solche der Zeit und dem Raum nach endlich oder u n e n d l i c h ist, bzw. ob ein materielles Weltstück als solches aus letzten einfachen Bausteinen oder aus unendlich vielen, stets wieder teilbaren Bausteinen besteht. Die Antworten f a l l e n so aus: Die Welt und ein materielles Weltstück (Körper) sind als solche, d . h . unabhängig von einer subjektiven Weise des Vorstellens, gar nicht gegeben; die Welt und ein materielles Weltstück als je subjektsunabhängig v o r g e g e b e n e , entweder von einem absolut ersten Glied ausgehende oder unendliche Reihen sind bloße Ideen. Die raumzeitliche Welt selbst und ein Körper in ihr sind nicht als schlechthin endlich oder unendlich gegeben. Bezüglich des materiellen Dinges, der "Substanz im Räume" ( K r . d . r . V . , B 553/ t Verbesserung des ursprünglichen "von" in "zu" nach Akademie-Ausgabe.
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Erste und Zweite Antinomie
A 5 2 5 ) , betont Kant eigens, daß es nicht - im Sinne der Thesis der Zweiten Antinomie - letzte Bausteine enthalte und so jedweder Zusammensetzung (als einer äußeren Relation dieser Bausteine) zugrunde liege, daß es f o l g l i c h anders b e s c h a f f e n sei, "als man es wohl von einem Dinge an sich selbst durch reinen Verstandesbegriff denken würde"; die Substanz in der Erscheinung "ist nicht absolutes Subjekt, sondern ... nichts als Anschauung, in der überall nichts Unbedingtes a n g e t r o f f e n wird" {Kr.d.r.V., B 553f./A 525f.). Wir haben diese beiden Antworten: Einem gegebenen Zustand bzw. einem gegebenen Teil der raumzeitlichen Welt sind weder eine endliche noch eine unendliche Reihe von Bedingungen subjektsunabhängig vorgegeben, und: Ein Körper in der raumzeitlichen Welt besteht weder aus endlich noch aus unendlich vielen subjektsunabhängig vorgegebenen Teilen. Aufgrund dieser Antworten muß der Streit, in den jeweils die dogmatischen Behauptungen der beiden ersten Antinomien verwickelt sind, von Grund a u f , d . h . wegen der in ihnen liegenden falschen Voraussetzung der bloßen V e r n u n f t in bezug auf die Welt der Erscheinungen, " a b g e w i e s e n " werden ( K r . d . r . V , , B 557/A 5 2 9 ) . Die kategoriale Synthesis, auf welcher die beiden ersten kosmologischen Ideen beruhen, ist "eine Synthesis des Gleichartigen" ( K r . d . r . V . , B 55S/A 5 3 0 ) : Hier sind die Bedingungen - von dem unbedingten ersten Glied der Reihe abgesehen - mit dem Bedingten von einer Art, nämlich stets wieder quanta. Die Reihe der Bedingungen kann hier nur - vom Unbedingten abgesehen - weitimmanent sein, und deshalb nannte Kant die beiden ersten kosmologischen Ideen "in engerer Bedeutung W e l t b e g r i f f e " . Demgegenüber kann der Streit, in den jeweils die dogmatischen Behauptungen der beiden letzten Antinomien verwickelt sind, wegen der verschiedenen Weise, wie diese Behauptungen die Welt der Erscheinungen betrachten, "zu beider Teile Genugtuung verglichen, werden" ( K r . d . r . V . , B 558/A 5 3 0 ) . Die kategoriale Synthesis, auf welcher die beiden letzten kosmologischen Ideen beruhen, also die "Kausalverbindung" und die Verbindung "des Notwendigen mit dem Z u f ä l l i g e n " , ist eine Synthesis "des ungleichartigen" ( e b d . ) ; Hier ist die Bedingung - die Ursache bzw. das
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bedingende Seiende - nicht von der gleichen Art wie das Bedingte - die Wirkung b z w . das bedingte Seiende -. Die Bedingungen können hier eine weit immanente Reihe ausmachen, und doch kann die Reihe insgesamt von einem welt transzendenten Unbedingten abhängen. Bezüglich der beiden ersten kosmologischen Ideen halten wir fest: Gegeben sind die Welt und die Teile des m a t e r i e l l e n Dinges in ihr nur a u f g r u n d und in der Form des empirischen Regresses vom Bedingten zur Bedingung (nicht durch den bloßen Begriff einer v o l l s t ä n d i g e n Reihe von Bedingungen des Bedingten), d . h . nur aufgrund und in der Form der Komposition von e r f ü l l t e n Zeit- und Raumteilen bzw. der Dekomposition eines e r f ü l l t e n Raumteils ( v g l . die Übersicht S. 2 6 4 ) . Für Komposition und Dekomposition im Bereich möglicher E r f a h r u n g g i l t aber der Grundsatz, "daß im empirischen Regressus keine Erfahrung von e i n e r absoluten Grenze, mithin von keiner Bedingung, als einer solchen, die empirisch schlechthin unbedingt sei, angetroffen werden könne" { K r . d . r . V . , B 545/A 5 1 7 ) . Die Möglichkeit der Wahrnehmung einer "Begrenzung der Erscheinungen durch Nichts, oder das Leere", ist nicht anzunehmen ( e b d . ) ; das völlige Fehlen alles erfahrbaren Seienden - dieses Fehlen wird eben durch den Ausdruck "Nichts" angezeigt - bedeutet zugleich das Nichtstattfinden von E r f a h r u n g ; das Nichts an E r f a h r b a r e m ist (wenn diese Ausdrucksweise e r l a u b t ist) das Nicht der E r f a h r u n g . Was Kant vom leeren Raum sagt, gilt auch von der leeren Zeit: "Der leere Raum ist nicht ein für sich bestehendes Correlatum der Dinge ..." { K r . d . r . V . , B 515/A 4 8 7 ) . Ein Nichtseiendes in Zeit und Raum - dies wäre eine Beschreibung der leeren Zeit und des leeren Raumes - kann als solches nicht Grenze der in Zeit und Raum vorgehenden Komposition und Dekomposition sein, denn als Grenze wäre es nicht Nichtseiendes. Mit H i l f e der am Ende der Transzendentalen Analytik stehenden Tafel zur "Einteilung des B e g r i f f s von Nichts" ( K r . d . r . V . , B 348/A 291) können leere Zeit und leerer Raum als entia rationis bestimmt werden. Sie sind je "leerer Begriff ohne Gegenstand" ( K r . d . r . V . , B 348/A 2 9 2 ? ohne dortige H e r v o r h . ) , d.h. ein B e g r i f f , der deshalb leer ist, weil zu ihm (durch Anschau-
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Erste und Zweite Antinomie
ung) kein Gegenstand gegeben werden k a n n . Leere Zeit und leerer Raum sind so je "Gegenstand eines B e g r i f f s , dem gar keine anzugebende Anschauung korrespondiert" { K r . d . r . V , , B 347/ A 2 9 0 ) . Im Unterschied dazu sind Zeit und Raum, insofern sie reine Formen des Anschauens sind, als entia imaginaria zu bestimmen: Sie sind je "leere Anschauung ohne Gegenstand" (Kr.d. r . V . , B 348/A 292; ohne dortige Hervorh.}, enthalten also keine Gegenstände und sind "selbst keine Gegenstände . , . , die angeschauet werden" ( K r . d . r . V . , B 347/A 2 9 1 ) , machen jedoch das Worin a l l e r Gegenstände möglicher Erfahrung (oder, mit anderen Worten, die Weisen des Gegebenseins aller erfahrbaren Gegenstände) aus. Reine zeit und reiner Raum sind als Formen der sinnlichen Anschauung subjektseigene Bedingungen von Gegenständen ( a l s Erscheinungen), J e e r e Z e i t und J e e r e r Raum wären - wenn man sie annimmt - Objekte einer Wahrnehmung, in denen keine erfahrbaren Gegenstände enthalten sind. Aus dem oben angeführten Grundsatz, daß das Nicht-Erfahrbare (dasjenige, was keine erfahrbaren Dinge e n t h ä l t ) nicht Grenze des E r f a h r b a r e n sein kann, folgt ohne weiteres als "regulatives Prinzip der V e r n u n f t " der "Grundsatz der größtmöglichen Fortsetzung und Erweiterung der Erfahrung" ( K r . d . r . V . , B 537/ A 5 0 9 ) . Der Grundsatz der reinen V e r n u n f t , wonach mit dem Bedingten auch das Unbedingte gegeben ist, verwandelt sich gleichsam in die Regel der V e r n u n f t , wonach im Bereich möglicher Erfahrung stets von einem Bedingten auf eine Bedingung zurückzugehen ist. Jener Grundsatz der reinen Vernunft spricht von Dingen überhaupt, ohne Unterscheidung von "Ding an sich" und "Erscheinung", und ist kollektiv, d . h . nimmt das Bedingte und alle Bedingungen zu einem Ganzen zusammen. Die Regel der Vern u n f t dagegen spricht von Erscheinungen und ist distributiv, d.h. bezieht sich auf jeden einzelnen Fall eines Verhältnisses von Bedingtem und Bedingung. Aus der Regel der V e r n u n f t , daß der Regreß im Bereich möglicher Erfahrung ohne Ende zum je Gegebenen die jeweilige Bedingung anzugeben hat, folgt wiederum ohne weiteres, daß dieser Regreß potentiell unendlich sein muß ( d . h . sich unabsehbar
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weit erstrecken m u ß ) . A k t u e l l e Unendlichkeit des empirischen Regresses ist
um so weniger anzunehmen, als sogar bei der
blo-
ßen V e r n u n f t - V o r a u s s e t z u n g einer gegebenen unendlichen Reihe von Bedingungen f e s t s t e h t : " . . .
der Regressus in ihr aber ist
niemals vollendet, und kann nur potentialiter u n e n d l i c h genannt werden" ( K r . d . r . V . , B 4 4 5 / A 418). Es b l e i b t indessen zu fragen, wie dieser potentiell unendliche Regreß im Bereich möglicher E r f a h r u n g aussieht: ob es ein regressus in i n f i n i t u m oder ein regressus in i n d e f i n i t u m ist;
"ob" - wie es bei der
A u f l ö s u n g der die erste kosmologisehe Idee b e t r e f f e n d e n Fragen heißt - "in dem Regressus zu der unbedingten Größe des Weltganzen (der Z e i t und dem Räume nach} dieses niemals begrenzte Aufsteigen ein Rückgang ins Unendliche heißen könne, oder nur ein unbestimmbar fortgesetzter
Regressus ( i n i n d e f i n i t u m } "
( K r . d . r . V . , B 546/A 518). Bevor auf Kants Beantwortung dieser die beiden ersten kosmologischen Ideen betreffenden
Frage eingegangen wird, sei darauf
hingewiesen, wie sich die F r a g e nach Endlichkeit oder Unendlich keit der Reihe von Bedingungen eines Gegebenen vom Bereich des bloßen Denkens in den Bereich möglicher Erfahrung
verschoben
hat. In dem u r s p r ü n g l i c h e n Streit der j e w e i l i g e n Parteien innerhalb der Ersten und der Zweiten Antinomie wurde - ohne Rücksicht auf Zeit und Raum als Weisen des Gegebenseins von Bedingungen in einer W e l t der Erscheinungen - danach g e f r a g t , ob die Welt als solche z e i t l i c h und räumlich begrenzt oder unbegrenzt ist, bzw. ob ein Weltstück als solches in seinem Innern räumlich begrenzt oder unbegrenzt ist. Hier wurden die Welt als in a l l e n ihren verflossenen Zuständen bzw. Teilen und das Weltstück als in a l l e n seinen Teilen g e g e b e n angesehen, unabhängig v o n einem Regreß z u diesen oder z u j e n e n . M i t d e r T h e s i s wurde jeweils ein absoluter " W e l t a n f a n g " b z w , eine absolute "Weltgrenze 1 ', oder das absolut "Einfache" ( K r . d . r . V . , B 4 4 6 / A 418; ohne dortige H e r v o r h . ) behauptet, gleichgültig ob der Regreß einen der drei Endpunkte erreichen würde oder n i c h t . Damit behaupteten die Theseis das Ende von Zeit und Raum selbst ( a l s Behältnissen des mundus sensibilis) an diesen absoluten termini, nicht das Enthaltensein der Welt in einer leeren Zeit
298 bzw.
Erste und Zweite Antinomie in einem leeren Raum und nicht das E n t h a l t e n s e i n eines
lee-
ren Raumes im E i n f a c h e n . Dagegen kann i n n e r h a l b möglicher Erfahrung als das B e g r e n z e n d e der W e l t a l l e i n die leere Z e i t vor ihr bzw. der leere Raum um sie h e r u m , als
das innerlich Begrenzen-
de eines W e l t s t ü c k s a l l e i n der leere Raum in ihm gedacht werden. Hier gilt n u n , daß das N i c h t - E r f a h r b a r e den empirischen Regreß nicht begrenzen k a n n . - M i t d e n A n t i t h e s e i s
der
bei-
den ersten Antinomien h i n w i e d e r u m wurde die j e w e i l i g e Reihe von Bedingungen als
"a parte priori ohne Grenzen (ohne A n f a n g ) , d . i .
u n e n d l i c h und gleichwohl ganz gegeben" angenommen ( K r . d . r . V . , B 4 4 5 / A 4 1 7 f . ) , g l e i c h g ü l t i g wie weit der Regreß in der Reihe gelangen m o c h t e . Damit behaupteten die A n t i t h e s e i s die a k t u e l l e U n e n d l i c h k e i t der W e l t in Zeit und Raum. Dagegen g i l t i n n e r h a l b möglicher Erfahrung,
1. daß die W e l t nicht als u n e n d l i c h e bzw.
die Teile eines W e l t s t ü c k s nicht als unendlich v i e l e vorgegeben sondern nur so weit gegeben sind, wie der empirische Regreß reicht; 2. daß die Art des U n e n d l i c h s e i n s der W e l t bzw. der Menge von Teilen eines W e l t s t ü c k s von der Art des empirischen Regresses abhängen , I Der libergang des Fragens aus dem Bereich des bloßen Denkens in den Bereich möglicher E r f a h r u n g wird in der Schrift über die "Fortschritte der Metaphysik" deutlich, und zwar in b e t r e f f der Ersten A n t i n o m i e , In Thesis und A n t i t h e s i s dieser Antinomie nimmt die bloße V e r n u n f t , wenn auch in verschiedener Weise, alle Bedingungen in der r a u m z e i t l i e h e n W e l t r e i h e als vollständig und damit das Unbedingte s e l b s t als gegeben an. Dabei läßt die V e r n u n f t die Weise außer a c h t , in welcher diese Bedingungen in Zeit und Raum gegeben sind: Was in Zeit und Raum vorkommt (Zustände bzw. Teile der W e l t ) , ist stets wieder b e d i n g t , und also ist die V o l l s t ä n d i g k e i t ( U n b e d i n g t h e i t ) der Reihe der Bedingungen in Zeit und Raum gar nicht denkbar, denn damit würde die Unbedingtheit e i n e r Reihe aus bloß bedingten Gliedern gedacht (was w i d e r s p r ü c h l i c h ist). "Der Satz; Das Ganze aller Bedingung in Zeit und Raunt ist unbedingt, ist f a l s c h . Denn wenn alles in Raum und Zeit bedingt ist ( i n n e r h a l b ) , so ist kein Ganzes derselben möglich." ( F o r t s c h r , , XX 288, Anm. *). "Den B e g r i f f eines absoluten Ganzen von lauter Bedingtem sich als unbedingt zu denken, e n t h ä l t einen W i d e r spruch ..." ( F o r t s c h r . , XX 287; "Den" s t a t t "Der" nach A k a d . - A u s g , ) . "Die also, welche ein absolutes Ganze von lauter bedingten Bedingungen annehmen, widersprechen sich s e l b s t , sie mögen es als begrenzt ( e n d l i c h ) oder unbegrenzt (unendlich) annehmen ..." ( F o r t s c h r . , XX 288, Anm. * ) . - Wenn aber die Frage nach Endlichkeit oder U n e n d l i c h k e i t der Welt in Zeit und Raum n i c h t von der b l o ß e n Vernunft beantwortet werden k a n n , weil eine Reihe von Bedingungen in Zeit und Raum eine solche von s t e t s bedingten Bedingungen ist und daher n i c h t selber u n b e d i n g t , weder als endliche noch als u n e n d l i c h e , sein kann, - so muß gefragt werden, ob nicht die Länge der Reihe der Bedingungen in Zeit und Raum von der W e i t e des empirischen Regresses a b h ä n g t .
Entscheidung Demgemäß darf
299
aus dem G r u n d s a t z , daß das N i c h t - E r f a h r b a r e
den empirischen Regreß nicht begrenzen kann, nicht gegenständl i c h das Unendlichsein der W e l t bzw. der Menge von Teilen eines W e l t s t ü c k s gefolgert werden. Vielmehr werden verflossene Zustände bzw. Teile der Welt oder Teile eines W e l t s t ü c k s erst durch den empirischen Regreß gegeben, und dieser Regreß steht unter der Regel der V e r n u n f t , die, "als Regel, p o s t u l i e r t , was von uns im Regressus geschehen soll, und nicht antizipiert, was im Objekte vor a l l e m Regressus an sich gegeben ist"
(Kr.d.r.V.,
B 537/Ä 5 0 9 ) . Oben war die Frage gestellt worden, ob der potentiell unendliche Regreß im Bereich möglicher E r f a h r u n g ein regressus in i n f i n i t u m oder in i n d e f i n i t u m ist. Um es vorwegzunehmen: Der komponierende Regreß erweist sich als ein solcher in i n d e f i n i tum, der dekomponierende Regreß hingegen als ein solcher in inf i n i t u m . Dieser Unterschied im Regreß zu den Bedingungen
er-
klärt sich je aus der Eigenart des Bedingten, von welchem der Regreß ausgeht. Der komponierende Regreß setzt in zeitlicher Hinsicht bei einem Z u s t a n d der Welt, in räumlicher Hinsicht bei einem Teil der W e l t ein,
die je als Glied des Weltganzen a u f -
gefaßt werden; in der Zusammensetzung soll dieses W e l t g a n z e allererst erbracht werden. Der dekomponierende Regreß setzt dagegen bei einem in empirischer Anschauung gegebenen, in feste Grenzen eingeschlossenen Ganzen (einem Ding im Raum) ein und strebt - in umgekehrter Richtung gegenüber der Komposition den Teilen, den Teilen dieser Teile usw. zu. In ersterem Fall ist ein Glied vorgegeben und das Ganze gesucht, in letzterem Fall ist das Ganze vorgegeben und der Teil gesucht. In ersterem F a l l sind die verflossenen Zustände der K e l t z e i t und die umgebenden Teile des W e l t r a u m s die ä u ß e r e n Bedingungen des gegebenen Zustandes bzw. des gegebenen Teils. In letzterem F a l l sind die Teile die inneren Bedingungen des gegebenen HeltkÖrpers. In ersterem Fall gilt, daß "das Weltganze jederzeit nur im B e g r i f f e , keinesweges gegenwärtig ist
aber {als Ganzes) in der Anschauung"
{ K r . d . r . V . , B 5 4 6 f . / A 5 1 8 f . ) . In letzterem
Fall gilt, daß "alle Teile in der Anschauung des Ganzen enthalten sind" ( K r . d . r . V . , B 552/A 5 2 4 ) .
300
Erste und Zweite Antinomie
Demnach gibt es einen bedeutsamen Unterschied zwischen der Gegebenheitsweise des Ganzen, dem die Komposition in Zeit und Raum zustrebt, und der Gegebenheitsweise des Ganzen, von dem die Dekomposition im Raum ausgeht. Das in der Komposition zu erbringende raumzeitliche Weltganze ist ein bloßer B e g r i f f , dem keine Anschauung entspricht. (Dieser bloße B e g r i f f des zu erbringenden raumzeitlichen Weltganzen ist verschieden von der ursprünglichen kosmologischen Idee der vollständig gegebenen W e l t r e i h e . ) Das Ding im Raum ist Gegenstand einer e m p i r i s c h e n Anschauung. Die Komposition in Zeit und Raum sucht durch fortgesetzte empirische Anschauung jenem bloßen Begriff beizukommen und ihn so zu rechtfertigen. Der Begriff eines einzelnen Dinges im Raum hingegen ist durch die ihm entsprechende Anschauung des Ganzen dieses Dinges schon gerechtfertigt und gleichsam versinnlicht; die Dekomposition im Raum geht durch fortgesetzte empirische Anschauung auf die Bestandteile des Ganzen zurück. Z i e l der anschaulichen Komposition ist es, den bloßen unbestimmten Begriff des raumzeitlichen Weltganzen in einen bestimmten Begriff der Größe dieses Ganzen zu verwandeln, ihn durch die sinnliche Erkenntnisk r a f t a u s z u f ü h r e n { " . . . hanc notionem generalem . .. exsequi per facultatem cognoscendi sensitivam . . . ", Diss. I, §1, II 3 8 7 ) . Ziel der anschaulichen Dekomposition ist es, den Begriff des wohl umgrenz ten Dinges im Raum in Hinsicht auf die Anzahl der in diesem Ganzen enthaltenen Teile zu bestimmen. So zielt die anschauliche Komposition auf die zahlenmäßige Bestimmung (genaue Angabe der Größe mittels eines w i l l k ü r l i c h e n Maßes) des W e l t g a n z e n in seiner zeitlichen und räumlichen Erstreckung, die anschauliche Dekomposition auf die zahlenmäßige Bestimmung des Ganzen eines Weltkörpers hinsichtlich der Vielheit der in ihm enthaltenen Teile. Wenn das raumzeitliche Weltganze zunächst in einem bloßen unbestimmten Begriff gegenwärtig ist, so f o l g t : "Also kann ich nicht von seiner j/scil. des Weltganzen/ Größe auf die Größe des Regressus schließen, und diese jener gemäß bestimmen, sondern ich muß mir allererst einen Begriff von der Weltgröße durch die Größe des empirischen Regressus machen." ( K r . d . r . V . , B 547/A 519}. Der empirische Regreß aber (hier: die anschauliche Komposition), welcher gemäß dem mehrmals angeführten
Entscheidung
301
Grundsatz nicht auf eine absolute Grenze ( a u f N i c h t - E r f a h r b a res)
stoßen kann und deshalb dem "regulativen P r i n z i p der Ver-
n u n f t " untersteht, soll an keiner Stelle in der (verflossenen) Zeit oder im Raum haltmachen. Hängt die Angabe der Größe des Weltganzen von einem unbegrenzbaren empirischen Regreß ab ( u n d nicht die Weite des Regresses von einer schon feststehenden Große des W e l t g a n z e n ) , so kann die Größe des Weltganzen gar nicht abschließend bestimmt, kann die Welt in ihrer Totalität gar nicht e r f a ß t werden. Damit ist es nicht nur ausgeschlossen, daß die raumzeitliche W e l t ( a u f g r u n d eines endlichen Regresses) als endlich, sondern auch, daß sie als f a k t i s c h unendlich angesehen würde. Der Regreß ist also nicht einmal eine nie vollendbare Annäherung an ein als unendlich gegebenes W e l t g a n z e s . A u s der N icht-Begrenzbarkei t des empirischen Regresses folgt die Unbegrenztheit der Melt und damit die Unbestimmbarkeit ihrer Größe in Zeit und fiaum, und nicht aus einer vorgegebenen U n e n d l i c h k e i t der Welt die Unbegrenztheit des empirischen Regresses in i h r . Liegt aber dem unbegrenzbaren empirischen Regreß keine in ihrer Unendlichkeit gegebene W e l t voraus, so geht er nicht ins Unbegrenzte l in infinitum), sondern bloß ins Unbeg rertzbare (in indefin i turn} {vgl. insgesamt K r . d . r . V . , B 547f./A 519f,). So wenig Zeit und Raum selbst eine äußere Grenze haben - Grenzen sind stets i n Z e i t und Raum -, so wenig ist dem empirischen Regreß eine äußere Grenze vorgegeben, zeit und Raum sind die Prinzipien der Unbegrenzharkei t des empirischen Regresses der Komposition, So unbegrenzbar der empirische R e g r e ß , so unbegrenzbar und ergänzbar die W e l t in Zeit und Raum. Jeder bestimmte B e g r i f f
einer begrenzten Größe d e s raumzeitlichen Welt-
ganzen kann durch empirische Anschauung überschritten und dadurch widerlegt werden. Der bloße, aber bestimmte B e g r i f f der gegebenen Unendlichkeit (Unausmeßbarkeit) des r a u m z e i t l i c h e n Weltganzen kann durch keine empirische Anschauung eingeholt, also gar nicht anschaulich ausgewiesen werden. Dem empirischen Regreß ist keine f ü r sich bestehende Größe des Weltganzen vorgegeben, weder eine durch empirische Anschauung überschreitbare noch eine durch empirische Anschauung nie ausweisbare Größe;
302
Erste und Zweite Antinomie
der Regreß der a n s c h a u l i c h e n Komposition "besteht ... immer nur im Bestimmen der Größe, und gibt also keinen b e s t i m m t e n B e g r i f f , also auch keinen Begriff von einer Größe, die in Ansehung eines gewissen Maßes u n e n d l i c h w ä r e , geht also nicht ins unendliche (gleichsam g e g e b e n e ) , sondern in unbestimmte Weite" ( K r . d . r . V . , B 551/A 5 2 3 ) . Die raumzeitliche Welt ist
stets so
weit gegeben, wie der empirische Regreß reicht. Der Regreß der anschaulichen Dekomposition geht hingegen von dem in empirischer Anschauung gegebenen Ganzen eines Weltkörpers aus. So wenig der Raum eine innere Grenze hat, so wenig ist der T e i l u n g des Ganzen im Raum, d . h . dem A u f w e i s seiner inneren Bedingungen, eine Grenze vorgegeben. Rsum ist das Prinzip der önbegrenzbarkeit der Teilung eines Heltkörpeis:
"Die
Teilbarkeit" eines Körpers "gründet sich auf die Teilbarkeit des Raumes, der die Möglichkeit des Körpers, als eines ausgedehnten Ganzen, a u s m a c h t . " [ K r . d . r . V . , B 553/A 5 2 5 ) , Vom Regreß der anschaulichen Dekomposition g i l t nun zweierlei: 1. Er ist ein regressus in infinitun», nicht bloß in indef i n i t u r a , "weil die Bedingungen (die Teile) in dem Bedingten selbst e n t h a l t e n sind, u n d , da dieses in einer zwischen seinen Grenzen eingeschlossenen Anschauung ganz gegeben ist, insgesamt auch mit gegeben sind" ( K r . d . r . V . , B 5 5 1 f . / A 5 2 3 f . ) . Die Bedingungen treten hier nicht, wie bei der Komposition in Richtung auf das W e l t g a n z e von außen zum Bedingten h i n z u , sie sind Bestandteile des Bedingten selbst. Mit dem Ganzen eines Dinges im Raum sind a l l e dessen mögliche Teile gegeben. Wenn der Dekoinpo-sition a l l e s im Ganzen des Dinges Enthaltene vorgegeben ist - nur als Aggregat seiner Bestandteile ist es ein Ganzes -, und wenn dieses Ganze nicht i n n e r l i c h begrenzt sein kann kein Teil im Raum ist u n t e i l b a r -, dann kann die Dekomposition nur ins Unbegrenzte gehen. 2. A l l e s , was irn räumlichen Ding e n t h a l t e n ist,
ist
in ihm
bloß als möglicher Teil enthalten, also nicht schon als Teil vor der Teilung gegeben. Aus der u n e n d l i c h e n Teilbarkeit und E i n t e i l b a r k e i t des Ganzen eines Weltkörpers f o l g t nicht dessen Eingeteiltsein in unendlich viele T e i l e . "Annehmen, daß in je-
Entscheidung
303
dem gegliederten ( o r g a n i s i e r t e n ) Ganzen ein j e d e r Teil wiederum gegliedert s e i , u n d daß man auf solche A r t , bei Zerlegung der Teile ins unendliche,
immer neue K u n s t t e i l e a n t r e f f e , mit
einem Worte, daß das Ganze ins U n e n d l i c h e gegliedert sei, w i l l sich gar nicht denken lassen . . . "
( K r . d . r . V . , B 554/A 526; vgl,
M e t . A n f , d . N . , IV 5 0 7 } . Die Teile des Ganzen werden als solche allererst durch die Teilung erbracht, und z u g l e i c h damit die A r t i k u l a t i o n des G a n z e n . Der U n b e g r e n z t h e i t des Regresses der Teilung, den das S u b j e k t v o l l z i e h e n k a n n , entspricht auf der Seite des O b j e k t s a l s o b l o ß eine Menge von unbestimmt vielen möglichen T e i l e n . Überdies ist die V o r s t e l l u n g , das Ganze eines räumlichen Dinges bestehe aus u n e n d l i c h v i e l e n und der Teilung v o r a u f l i e g e n d e n Teilen, in sich w i d e r s p r ü c h l i c h . Denn als unendlich viele müssen die T e i l e eine nie a b z u s c h l i e ß e n d e Reihe ausmachen, als
in einem Ganzen e n t h a l t e n muß die Reihe der
T e i l e aber v o l l s t ä n d i g sein ( v g l . K r . d . r . V , , B 555/A 5 2 7 ; M e t . A n f . d . N . , IV 5 0 6 ) . Von der Komposition in R i c h t u n g auf das r a u m z e i t l i c h e
Welt-
ganze und der Dekomposition in Richtung auf eine vollständige A r t i k u l a t i o n eines r ä u m l i c h e n Dinges l a ß t sich zusammenfassend sagen: "In k e i n e m von beiden F ä l l e n , sowohl dem regressus in i n f i n i t u m , als dem in i n d e f i n i t u m , wird die Reihe der Bedingungen als unendlich im Objekt gegeben angesehen."
(Kr.d.
r . V . , B 5 4 2 / A 5 1 4 ) . Im Gegensatz zu dem Schluß der bloßen Vern u n f t vom Bedingten auf das Unbedingte macht die Regel der V e r n u n f t , wie betont wurde, keine Aussage von den Dingen selbst ohne Rücksicht auf die Eigenart des empirischen
Regres-
ses zu den Bedingungen, sondern schreibt bloß diesen Regreß des Subjekts
als einen potentiell unendlichen vor. Neben die-
ser Gemeinsamkeit von Komposition und Dekomposition ist
aber
auch deren Unterschied noch einmal h e r v o r z u h e b e n : "Wenn das Ganze empirisch gegeben worden, so ist es möglich, ins Unendliche in der Reihe seiner inneren Bedingungen zurück zu gehen. Ist
jenes aber n i c h t gegeben,
sondern soll durch empirischen
Regressus a l l e r e r s t gegeben werden, so k a n n ich nur sagen: es ist
ins Unendliche möglich, zu noch höheren Bedingungen der
Reihe f o r t z u g e h e n , "
( K r . d . r . V . , B 5 4 2 / A 5 1 4 ) . Sind die Bedin-
304
Erste und Zweite Antinomie
gungen schon mit dem Bedingten in empirischer Anschauung gegeben, so besteht die Möglichkeit des unendlichen Regresses in der Anschauung; die Dekomposition ist daher ein anbegrenzter Regreß. Sind die Bedingungen dem Bedingten äußerlich, so besteht die unendliche Möglichkeit des Regresses in der Anschauung? die Komposition ist daher durch Unbegrenzbarkeit eines Regresses zu charakterisieren. Der Dekomposition liegt eine Anschauung des Ganzen zugrunde; der Komposition liegt ein bloß e r B e g r i f f d e s Weltganzen vorauf. Die Paragraphen 25 bis 29 der Dissertation von 1770 bilden eine Vorstufe zur Transzendentalen Dialektik der " K r i t i k der reinen Vernunft". In der Dissertation erblickt Kant, so wurde gesagt, den Grund unhaltbarer ontologischer Sätze darin, daß i n t e l l e k t u e l l e und sinnliche Begriffe in ein- und demselben Satz miteinander verbunden werden. In § 28 f ü h r t Kant als eines der axiomata subrepticia {der erschlichenen Grundsätze) den Satz an, daß jede wirkliche Menge durch eine Zahl gegeben werden könne ( " . . . omais multitude a c t u a l - i s est dabilis numero . . . " , Diss. V, § 28, II 4 1 5 ) . Aus diesem axioma subrepticium ergeben sich drei unhaltbare (kosmologische) Annahmen, die auf die raumzeitliche Welt bezogen sind. Diese drei Annahmen fallen in den Bereich der beiden ersten kosmologischen Ideen, wie sie in der Antinomik der "Kritik der reinen Vernunft" vorgestellt werden ( v g l . K r . d . r . V . , B 438-440/A 411-413): Die Annahmen betreffen den Anfang (initium) der Welt in Zeit und Raum sowie die einfachen Bausteine ( s i m p l i c i a ) eines jeden Weltkörpers; sie sind zu unterscheiden von einer Annahme über den Ursprung (principium) der raumzeitlichen Welt. Nach der schon erwähnten Voraussetzung, die Kant 1770 noch nicht in Zweifel zieht, nämlich daß reine Vernunft ein objektives Vermögen sei und über Dinge überhaupt ohne Rücksicht auf die Art ihres Gegebenseins u r t e i l e n könne, steht zum voraus fest; Wird die Welt im bloßen Denken vorgestellt, so muß ihre Größe begrenzt, ein Körper in ihr aus einfachen Bestand-
Entscheidung
305
teilen zusammengesetzt sein, und sie muß einen Ursprung haben. Kant macht zunächst auf den Unterschied zwischen A n f a n g und Ursprung der Welt aufmerksam: "Anfang" ist der Ausgangspunkt einer Reihe von gleichgeordneten Gliedern ("series coordinator u m " ) , "Ursprung" der Ausgangspunkt einer Reihe von bewirkten Sachverhalten ("series causatorum"); "Anfang" b e t r i f f t die Meßbarkeit der Reihe ("mensarabil itatsnt s e r i e i " ) , "Ursprung" die Abhängigkeit der ganzen Reihe ("dependentiam totius") (Diss. V, § 28, II 4 1 5 ) . Gleichgeordnete Glieder ergänzen einander zu einem Ganzen, sie stehen zueinander in einem wechselseitigen und homonymen Verhältnis: ein Glied ist dem anderen g l e i c h a r t i g . Ursache und Verursachtes stehen zueinander in einem Verh ä l t n i s der Unterordnung, in einem einsinnigen und heteronymen Verhältnis: das eine Glied ist mit dem anderen nicht von glei2 eher Art. Im gleichen Sinn s t e l l t Kant in einer Nachlaß-Ref l e x i o n f e s t , daß die in einem Ganzen enthaltenen Glieder einander gleichgeordnet, nicht untergeordnet sind, und zieht daraus den Schluß, daß Grund und Folge (die in einem Unterordnungsverhältnis stehen) kein Ganzes bilden können. In der "Kritik der reinen V e r n u n f t " wird Kant dann das Verhältnis von Ursache und Wirkung als ein "dynamisches" kennzeichnen, zum Unterschied von dem quantitativen Verhältnis zwischen einem ersten Glied ( " A n f a n g " ) und den folgenden Gliedern einer zeitlichen Reihe. Von einer Reihe gleichgeordneter Glieder ("series coordinatorum") liegt ein deutlicher Verstandesbegriff ("conceptus intellectual is") nur dann vor, wenn a l l e Glieder dieser Reihe in einer einzigen V o r s t e l l u n g zusammengefaßt werden können. Das 1 "Quad itaque quantum mundanum sit l i m i t a t u m (non maximum), quod agnoscat sui principium, quod corpora constent eimplicibus, sub rationis signo utique certo cognosci potest." (Diss. V, § 28, II 4 1 6 ) , 2 " Coorcf in a t a enim se invicem respiciunt ut complement a ad totum, subordinata ut causatum et causa, s. generatim ut principium et principiatum. Prior relatio est reciproca et homonyma, its, ut quodlibet correlatum a l t e r u m respiciat ut determinans, simulque ut determinatum, posterior est heteronyma, nempe ab una part« nonnisi dependentiae, ab altera causalitat i s . " (Diss. I, § 2, II 390). 3 "In omni toto plura sunt coordinate, rton subordinate; ideo ratio et rationatum non faciunt t o t u m . " ( R e f l . 4062, XVII 4 0 1 ) .
306
Erste und Zweite Antinomie
Zusammennehmen von gleichgeordneten G l i e d e r n ist
im Falle der
v e r f l o s s e n e n Zustände und der Teile der Welt ein "progresses a partibus ad totum" oder eine quantitative Synthesis, im Falle der Teile eines Weltkörpers ein " r e g r e s s u s a toto ad partes dabiles" oder eine q u a n t i t a t i v e A n a l y s i s . ( Q u a l i t a t i v e Synthesis ist
der ProgreS vom Grund zur Folge, qualitative Analysis
der Regreß von der Folge zum G r u n d . ) (Vgl. Diss. I, § l mit n l, II 388,} Das Zusammennehmen der jeweiligen gleichgeordneten Glieder unterliegt aber stets der Bedingung der Z e i t . Sind nun die drei Reihen gleichgeordneter Glieder je grenzenlos, dann
ist
das Zusammennehmen der Glieder nicht in endlicher Zeit zu leisten oder vielmehr überhaupt nicht vollendbar. In der Tat erf o l g t für Kant das Zusammennehmen der verflossenen Zustände und der Teile der Welt "in i n f i n i t o " , das Zusammennehmen der Teile eines Weltkörpers "in guanto continue", und weder das i n f i n i t u m noch das quantum continuum weisen Grenzen a u f . Daher die Folgerung, daß das jeweilige Zusammennehmen nach den Gesetzen der Anschauung ("secundura leges i n t u i t u s " ) nicht abgeschlossen werden kann (Diss. I, § l, II 3 8 8 ) . Die V o r s t e l l u n g , in welcher alle gleichgeordneten Glieder einer Reihe sollten zusammengefaßt werden können, ist
Anschauung; die Bedingungen
oder Gesetze ( " l e g e s " ) , denen sinnliche Anschauung unterliegt, sind die der z e i t , Kann aber eine in der Zeit gegebene unendliche Reihe von gleichgeordneten Gliedern ("infinita series coordinatoruin") nicht in einer Anschauung zusammengefaßt w e r d e n , so gibt es - n a c h - d e r obigen Voraussetzung - keinen deutlichen Verstandesbegriff von einer solchen R e i h e . Die V e r s t a n d e s b e g r i f f e der Reihe der verflossenen Zustande der W e l t , der Reihe der W e l t t e i l e und der Reihe der Teile eines Weltkörpers können ans c h a u l i c h nicht ausgewiesen ( n i c h t durch anschauliches Zusammennehmen der G l i e d e r "nachvollzogen") werden und bleiben insof e r n undeutlich. l "Inde e s t , quod infinita series coordinatorum secundum i n c e l l e c t u s n o s t r i limites d i s t i n c t e comprehend! non possit ..." ( D i s s . V , § 28, II 4 1 5 ) .
Entscheidung
307
Indessen warnt K a n t vor einer voreiligen Gleichsetzung des anschaulich Unausweisbaren oder U n d a r s t e l l b a r e n
("irrepraesen-
tabile"} mit dem schlechthin Unmöglichen ( " i m p o s s i b i l e " ) (Diss. I, § l, II 3 8 8 ) , worauf schon eingegangen wurde ( s . o . , Kap. I V ) . D a r a u s , daß der B e g r i f f e i n e r Reihe von gleichgeordneten Gliedern n i c h t in der Anschauung ausgewiesen werden k a n n , darf nicht auf die Unmöglichkeit einer solchen Reihe geschlossen werden? dieser Schluß geschähe "per vitium subreptionis" (Diss. V, § 28, II 4 1 5 ) . Auf dieser E r s c h l e i c h u n g , die das (in der Anschauung) U n d a r s t e l l b a r e für unmöglich ausgibt, beruhen die drei ( u n h a l t b a r e n ) Annahmen, die Masse der Welt sei räumlich begrenzt, das A l t e r der Welt meßbar, die Z a h l der e i n f a chen Bausteine eines W e l t k ö r p e r s wohlbestiinmt - drei Annahmen, die nach Kant von der N a t u r der sinnlichen Erkenntnis herstammen. In a l l e n drei Annahmen wird die A b z ä h l b a r k e i t (oder die in endlicher Zeit d u r c h f ü h r b a r e Z ä h l u n g ) der Glieder der jeweiligen Reihe behauptet. A l l e drei Annahmen, die kosmologischen Charakters sind, gehen z u r ü c k auf das schon a n g e f ü h r t e axioma subrepticium, daß jede w i r k l i c h e Menge durch eine Zahl bestimmt werden könne. Dieses axioma heißt deshalb "subrepticium", weil schon in ihm die Erschleichung liegt, die die Unasrste11 barks i t einer wirklichen unendlichen Reihe als Unmöglichkeit erscheinen läßt , Der Fehler dieses G r u n d s a t z e s des b l o ß e n Verstandes liegt in seinem u n i v e r s a l e n Anspruch: "omnis m u l t i t u d e a c t u a l i s est dab i l i s numero" (Hervorh, von m i r ) . Für den Verstand ist - so sieht Kant es 1770 - eine Reihe gleichgeordneter Glieder nur dann begreifbar, wenn a l l e ihre Glieder mit einem Mal u m g r i f f e n werden können, und diese Forderung macht er auch an eine in der Z e i t oder im Raunt gegebene Reihe. Der Verstand h ä l t eine Reihe, die w i r k l i c h (gegeben) und doch zugleich u n e n d l i c h (in ihren Gliedern u n a b z ä h l b a r ) ist,
für unmöglich. Hierbei kann
sich der Verstand eben darauf berufen, daß eine unendliche I "Quod autem Universum, quoad molem, sit mathematice f i n i t u m , quod aetas ipsius transacts sit ad mensuram d a b i l i s , quod simplicium, quodlibet corpus constituentium, sit d e f i n i t u s numerus, sunt p r o p o s i t i o n e s , quae aperte ortutn suum e n a t u r a cognitionis sensitivae l o q u u n t u r . . . " ( D i s s . V, 5 28, II 4 1 6 ) .
308
Erste und Zweite Antinomie
Reihe gar nicht in der Anschauung dargestellt werden könnte. Also sind fiir den Verstand die Reihen der Weltzustände, der Weltteile und der Teile eines We 11körpers, deren Glieder gegeben sind, endlich. Damit überträgt der Verstand die Bedingung, unter der allein er eine Reihe gleichgeordneter Glieder begreifen kann, auf e i n e in der Zeit oder im Raum gegebene Reihe von solcher Art. In jenem Grundsatz des bloßen Verstandes wird demnach ein intellektuelles Prädikat, das die notwendige und zugleich h i n reichende Bedingung der Begreifbarkeit einer series coordinatoruro angibt: "dabilis numero", mit einem Subjektsbegriff "omnis multitude actualis", verbunden, der auch sinnlich Gegebenes, nämlich zeitliche oder räumliche series coordinatorum, enthält. Diese Verbindung ist nach der Dissertation von 1770 der Grund der Unhaltbarkeit jener drei kosmologischen Annahmen. Vergleicht man die Darstellung in § 28 der Dissertation, die nach meinem D a f ü r h a l t e n als eine Vorstufe der Antinomik in der " K r i t i k der reinen V e r n u n f t " gelten kann, mit der Antinomik selbst, so f ä l l t a u f : Die Rolle der Thesis, die innerhalb der Ersten Antinomie die Endlichkeit der Welt in 2eit und Raum und i n n e r h a l b der Zweiten Antinomie das Zusammengesetztsein der Weltkörper aus einfachen Elementen behauptet, übernimmt in der Dissertation der Verstand; die R o l l e der Antithesis, die innerhalb der Ersten Antinomie die Unendlichkeit der Welt in Zeit und Raum und innerhalb der Zweiten Antinomie das Zusammengesetztsein der Weltkörper aus stets wieder teilbaren Elementen behauptet, übernimmt in der Dissertation die Sinnlichkeit. Für den bloßen Verstand, so war gesagt worden, ist die Größe der raumzeitlichen Welt begrenzt und ein Körper in ihr aus endlich vielen einfachen Elementen aufgebaut. Vom Standpunkt der Sinnlichkeit aus betrachtet, befinden sich die Zustände und die Teile der raumzeitlichen Welt im Unendlichen ( " i n infinito") und die Teile eines Weltkörpers in einer kontinuierlichen Größe ( " i n quanto c o n t i n u e " ) ; die Reihen der Weltzustände und der Weltteile sowie die Reihe der Teile eines Weltkörpers werden als unendlich angesehen. Dieser Gegensatz zwischen dem Begreifen der Welt durch den bloßen Verstand und der Vorstellung der Welt in der Sinnlichkeit
Entscheidung
309
wird in der Schrift von 1770 nicht aufgehoben. Es wird bloß abgelehnt, daß die Bedingung der Begreifbarkeit des mundus sensibilis als einer Reihe die Bedingung der Möglichkeit dieser Weltreihe sei. Daher besteht der Fortschritt der Antinomik gegenüber § 78 der Dissertation z u n ä c h s t einmal d a r i n , daß hier eine A u f l ö s u n g des Gegensatzes der j e w e i l i g e n Annahmen versucht wird. Außerdem t r i t t die Behauptung einer als unendlich gegebenen Reihe von Gliedern in der Antinomik nicht mehr als bloß sinnliche A u f f a s s u n g s w e i s e einer solchen Reihe a u f , sondern als eine Position ( n ä m l i c h als Antithesis) im Streit der reinen V e r n u n f t mit sich selbst. Die Behauptung der Endlichkeit der Weltzustände und der W e l t t e i l e sowie der Elemente eines Weltkörpers und die Behauptung ihrer U n e n d l i c h k e i t stehen gleichsam auf einem Niveau. Weiterhin nimmt Kant 1781 die Reihen der W e l t z u s t ä n d e , der Weltteile und der Teile eines Weltkörpers nicht mehr als series coordinatorum, sondern als series subordinatorum. Ein Glied wird je als Bedingung des anderen b e t r a c h t e t . Den kosrnologischen Ideen liegen diejenigen Kategorien z u g r u n d e ,
"in
welchen die Synthesis eine Reihe ausmacht, und zwar der einander untergeordneten (nicht beigeordneten) Bedingungen zu einem Bedingten" ( K r . d . r . V . , B 436/A 4 0 9 ; ohne dortige Herv o r h . ) . Das Durchgehen durch die Reihen der Weltzustände und der Weltteile heißt daher nicht mehr "progressus", sondern wird, wie bei den übrigen Reihen von Bedingungen, als ein Regreß a u f g e f a ß t . Wird aber in einer jeden kosmologischen Idee eine Reihe einander untergeordneter Bedingungen als vollständig gegeben gedacht, so fragt es sich, was die Idee der vollständigen Reihe der Weltzustände und die Idee der vollständigen Reihe der Ursachen in der Welt voneinander unterscheidet. Der Unterschied zwischen nicht nur diesen beiden Ideen, sondern zwischen den beiden Paaren kosmologiseher Ideen l i e g t , wie gesagt wurde, in der Verschiedenheit der beiden Weisen kategorialer Synthesis, die den kosmologisehen Ideen zugrunde liegen.
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Erste und Zweite Antinomie
In den Quantitätskategorien und den Qualitätskategorien wird je eine Synthesis gleichartiger Glieder gedacht, in den Relationskategorien und den Modalkategorien je eine Synthesis ungleichartiger Glieder. A u f e i n a n d e r f o l g e n d e Weltzustände sind von gleicher A r t , denn sie s t e l l e n quanta d a r ; Ursache und Wirkung sind ungleichartig, denn die eine bringt die andere allererst in die E x i s t e n z , Schon die Dissertation deutet auf diese Verschiedenheit h i n , wenn sie das V e r h ä l t n i s gleichgeordneter Glieder als homonym, das Verhältnis untergeordneter Glieder als heteronym bezeichnet. Einen weiteren F o r t s c h r i t t gegenüber § 28 der Dissertation e r z i e l t die Antinomik, indem sie Zeit und Raum deutlich als P r i n z i p i e n der ünbegrenztheit der Reihen der W e l t z u s t ä n d e , der Weltteile und der Bausteine eines Weltkörpers herausstellt. In der Dissertation von 1770 werden diese Reihen vom Standpunkt der S i n n l i c h k e i t aus als in ihrer U n e n d l i c h k e i t gegeben angenommen, und d a r a u f h i n wird g e f o l g e r t , daß die Glieder dieser Reihen nicht in endlicher Zeit durchgegangen und zusammengenommen werden können und also ein d e u t l i c h e r Verstandesbeg r i f f einer jeden dieser Reihen unmöglich ist. Nach der "Kritik der reinen V e r n u n f t " sind die drei Reihen dem empirischen Regreß nicht als u n e n d l i c h vorgegeben, sondern in ihrer Weite abhängig von der Weite des empirischen Regresses selbst, den das Subjekt d u r c h f ü h r t . Dieser Regreß aber ist ein solcher in Zeit und Raum, in denen die E r f a h r u n g einer absoluten Grenze {des W e l t a n f a n g s , der W e l t g r e n z e , des E i n f a c h e n ) nicht möglich ist. Hier sind Zeit und Raum b e g r i f f e n als P r i n z i p i e n der Unbegrenzbarkeit des empirischen Regresses und damit der Unbeg r e n z t h e i t der Reihen von Bedingungen, die dieser Regreß durchläuft. S c h l i e ß l i c h ist eine eher formale Verbesserung zu verzeichnen, die Kant gegenüber § 28 der Dissertation in der Antinomik vornimmt. Der Raum t r i t t als eigenes S i n n l i c h k e i t s p r i n z i p neben die Z e i t . War in jenem § 28 sowohl bezüglich der Reihe der W e l t z u s t ä n d e (in der Zeit) als auch bezüglich der Reihe der W e l t t e i l e (im Raum) von einem A n f a n g (initium) die Rede,
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so f ü h r t die Antinomik neben dem "Weltanfang" als dem ersten Glied der ersteren Reihe die "Weltgrenze" als das erste Glied der letzteren Reihe an {vgl. K r . d . r . V . , B 4 4 6 / A 418), wenngleich sie die Zeit als "die formale Bedingung aller Reihen" ( K r . d . r . V . , B 438/A 411) anerkennt; das D u r c h l a u f e n einer jeden Reihe {auch derjenigen der Raumteile) v o l l z i e h t sich im Nacheinander und ist insofern zeitlich. Jener terminologischen Hintansetzung des Raumes in § 28 entspricht in Sectio III der Dissertation die Voranstellung der Zeit-Argumente gegenüber den Raum-Argumenten.
Betrachten wir das Gesamtergebnis der Auflösung des Vernunftstreites innerhalb der Ersten und der Zweiten Antinomie! Die eigentliche Frage, die beiden Antinomien zugrunde liegt, lautet: Wie verhält sich die Welt (mundus sensibilis) zu Zeit und Raum? Hat die Welt absolute äußere Grenzen in Zeit und Raum, jenseits derer leere Zeit und leerer Raum anzunehmen wären, und hat ein Körper in der Welt eine absolute innere Grenze an seinen einfachen Bausteinen, jenseits derer wiederum leerer Raum anzunehmen wäre? Oder reicht die Welt äußerlich und ein Körper in ihr innerlich so weit wie Zeit und Raum selbst, also möglicherweise unendlich weit? Kant gibt seine Antwort in drei Sätzen: 1. "Aller Anfang ist in der Z e i t , und alle Grenze des Ausgedehnten im Räume." {Kr. d . r . V , , B 55Q/A 5 2 2 ) . Zeit selbst hat keinen Anfang, Raum selbst keine Grenze. Bei gegenteiliger Annahme ist man genötigt, eine Zeit vor dem Anfang der Zeit und einen Raum jenseits der Grenze des Raumes und damit zwei Zeiten und zwei Räume zuzugestehen. Es ist aber allein sinnvoll, nur die eine Zeit und den einen Raum anzunehmen, 2. "Raum und Zeit aber sind nur in der Sinnenwelt." (Kr.d. r . V . , B 550/A 5 2 2 ) . Dies bedeutet zum einen, daß die Vorstellung räumlicher oder zeitlicher Verhältnisse nicht auf Dinge überhaupt, sofern sie ohne Rücksicht auf die Weise ihres Gege-
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Erste und Zweite Antinomie
benseins und Vorgestelltwerdens bloß gedacht sind, übertragen werden d a r f . Positiv gewendet: Raum und Zeit sind Prinzipien der Vorstellungen von Dingen innerhalb des mundus sensibilis (von Erscheinungen) oder - gegenständlich ausgedrückt - Formen von Gegenständen der sinnlichen A n s c h a u u n g . R ä u m und Zeit bilden den Bereich möglicher Erfahrung,denn E r f a h r u n g ist Verstandeserkenntnis von in sinnlicher Anschauung Gegebenem, dessen Formen Raum und Ze.it sind. (Dieser Satz setzt allerdings den Nachweis voraus, daß objektiv gültige Verstandeserkenntnis nur im Bereich von Raum und Zeit möglich oder - anders ausgedrückt - "der bloß transzendentale Gebrauch ... der Kategorien ... gar kein Gebrauch" ist; K r . d . r . V . , B 304/A 2 4 7 . ) "Raum und Zeit" und "Bereich möglicher Erfahrung" sind Wechselbegriffe, d.h. solche, die bei inhaltlicher Verschiedenheit denselben Umfang haben; dieselben Dinge f a l l e n unter die beiden B e g r i f f e . Zum ändern bedeutet der oben zitierte Satz, daß von Raum und Zeit nicht angenommen werden soll, sie existierten außerhalb des mundus sensibilis, d . h . unabhängig von möglicher sinnlicher Anschauung. Nimmt man einen Raum und eine Zeit als unabhängig von aller möglichen sinnlichen Anschauung existierend an, so erhält man die Vorstellungen des leeren Raumes und der leeren Zeit (die per definitionem keine Gegenstände sinnlicher Anschauung e n t h a l t e n ) . Kant nennt "den leeren Raum außer und die leere Zeit vor der Welt" "zwei Undinge" ( K r . d . r . V . , B 4 6 l / A 4 3 3 ) . Raum und Zeit sind nur empirisch betrachtet real, unter transzendentalem Gesichtspunkt aber ideal ( z u dieser Unterscheidung s. Kap. I V ) . Empirische Realität von Raum und Zeit bedeutet: Sie sind Sachbeschaffenheiten aller Gegenstände, die in der E r f a h r u n g begegnen (durch sinnliche Anschauung gegeben werden) können. Raum und Zeit sind nicht Sachbeschaffenheiten von Nicht-Erfahrbarem, als welches man gleichsam den "Inhalt" eines leeren Raumes und einer leeren Zeit beschreiben müßte. Raum und Zeit außerhalb des mundus sensibilis sind bloße entia rationis und insofern nichts, und daher fügt sich den Begriffen l "Raum und Zeit gelten, als Bedingungen der Möglichkeit, wie uns Gegenstände gegeben werden können, nicht weiter, als für Gegenstände der Sinne ..." ( K r . d . r . V , , B 148).
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von Raum und Zeit und des Bereichs möglicher E r f a h r u n g als terer Wechselbegriff derjenige des mundus sensibilis an.
wei-
3. "Mithin sind nur Erscheinungen in der Helt bedingterweise, die Welt aber selbst weder bedingt, noch auf unbedingte Art begrenzt." ( K r . d . r . V . , B 550/A 5 2 2 ) . Der Ausdruck "Erscheinungen" (sensibilia,uouvou£va ) ist nur unter einer bestimmten Bedingung zu verwenden, nämlich nur mit Bezug auf Gegenstände innerhalb des mundus sensibilis (also mit Bezug auf Erfahrbares) ; der Ausdruck ist mithin nur zu verwenden unter der Bedingung des Gegebenseins von etwas in Raum und Zeit. Die Welt der Erscheinungen wäre auf B e d i n g t e W e i s e B e g r e n z t , wenn sie in Zeit und Raum endlich wäre, wenn es also eine leere Zeit vor ihr und einen leeren Raum um sie herum gäbe. Die Annahme einer extramundanen Zeit und eines extramundanen Raumes ist jedoch nicht s i n n v o l l , da sie die Möglichkeit des Erfahrene von Nicht-Erfahrbarem einschließt. Die Welt der Erscheinungen wäre auf unbedingte W e i s e begrenzt, wenn Zeit und Raum selbst endlich wären. Zeit und Raum aber sind P r i n z i p i e n des unbegrenzbaren Fortschreitens (der "Grenzenlosigkeit im Fortgange der Anschauung"; K r . d . r . V . , A 2 5 ) . Die Setzung einer Grenze der Zeit oder des Raumes f ü h r t bekanntlich zur Doppelung von Zeit oder Raum, so daß die beiden Zeiten wiederum als in einer umfassenden Zeit, die beiden Räume als in einem umfassenden Raum enthalten vorgestellt werden müssen und die Einheit der grenzenlosen Z e i t wie des grenzenlosen Raumes sich wiederherstellt. Die Kelt der Erscheinungen ist verschieden von dem Bereich bloß
nicht begrenzt durch, ah er gedachter Dinge, d . h .
von sol-
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).
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