Teilnahme und Spiegelung: Festschrift für Horst Rüdiger [Reprint 2018 ed.] 9783110830217, 9783110040135


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German Pages 688 Year 1975

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Table of contents :
VORWORT DER HERAUSGEBER
INHALT
Literarische Wetterlagen
Jupiter Tonans Zur Tradition des Bildes vom numinosen Donnergott
Der Gott von Delphi im Ion des Euripides
Metamorphose in Raum und Zeit Vergleichende Untersuchungen zu Rodin und Ovid
Die Rezeption der Antike in der neueren katalanischen Literatur
Das biblische Zitat im Volksmund der Germanen und Romanen
Bemerkungen zum Heilsgedanken in Chretiens Perceval und Wolframs Parzival
Gold, Glas und Ziegel Über einige Vergleiche in mittelhochdeutschen Dichtungen
Petrus oder Johannes? Über den Jüngerlauf im europäischen Drama des Mittelalters
Spiegelungen Hamlets im Roman und im Drama Goethe, Innes, Bresan
Der Poet und die Maschine Zum Verhältnis von Literatur und Technik in der Renaissance und im Barock
Komparatistische Barockforschung mit besonderer Berücksichtigung Dänemarks
Cokain, Ovid, and the Vampire Theme
Eine Metzer Edition der Lettres sur les Anglois et les Frangois et sur les Voiages von Beat Ludwig von Muralt
Intrige und Mesalliance Bemerkungen zur Rezeption der Mme de L a Pommeraye-Episode aus Diderots Jacques le fataliste durch Schiller, Sternheim und Sardou
Schillers Wallenstein Antiker Mythos und moderne Geschichte. Zur Begründung der klassischen Tragödie um 1800
Mikrologisches zu Goethe
Goethe und Heine als Europäer
August Wilhelm Schlegels Beitrag zur Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung. Mit einem unveröffentlichten Brief Schlegels
Zum Begriff der Romantik in den südosteuropäischen Literaturen. Versuch einer regionalen komparatistischen Identifikation
Wilhelm Meister oder Waverley? Zur Bedeutung Scotts für das deutsche Romanverständnis der frühen Restaurationszeit
Die doppelte Ästhetik Victor Hugos
Wandlungen des Geschmacks und der dramatischen Konventionen im biedermeierlichen Wien
Spuren Ibsens in Gerhart Hauptmanns frühen Dramen
Weltliteratur zwischen Vulgäridealismus und Repräsentation Der Nobelpreis für Literatur in der Belle Epoque
Saint-Simon in Prousts Roman
Die Stufen des Bewußtseins bei Schopenhauer und den Buddenbrooks
Le Vide et le Plein Sur une metaphore du lyrisme de R. M. Rilke
Kafkas Kleine Fabel
Max Kommerell as Critic of Literature
The Uses of American English in Modern German Drama and Poetry Brecht, Benn, Bachmann
L'ltalia e gli italiani nella letteratura tedesca contemporanea
Father Brown und Rabbi Small
Bernhard nella critica di Fröhlich: un nuovo Machiavelli?
Influences and Parallels The Place and Function of Analogy Studies in Comparative Literature
Generative Sprachwissenschaft in deutscher Sprache Zur ,Performanz' und zur,Kompetenz' der Übersetzer
Zum Problem der Bibelübersetzung im 18. Jahrhundert Eine Rezension der Hiob-Übersetzung von J. D. Michaelis in den Schleswigschen Literaturbriefen
Walter Benjamin als Ubersetzer Baudelaires
Translation as Homecoming
Verzeichnis der Schriften HORST RÜDIGERS
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Teilnahme und Spiegelung: Festschrift für Horst Rüdiger [Reprint 2018 ed.]
 9783110830217, 9783110040135

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Teilnahme und Spiegelung Festschrift für Horst Rüdiger

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Teilnahme und Spiegelung Festschrift für Horst Rüdiger

In Zusammenarbeit mit Dieter Gutzen Herausgegeben von Beda Allemann und Erwin Koppen

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1975

Die Herausgeber danken H e r r n Arno Kappler, Frau Maria Moog-Grünewald, Frau Irmgard Schramm, H e r r n Dr. Frithjof Stock und insbesondere Herrn Dr. Rüdiger von Tiedemann f ü r alle mühevolle Redaktions- und Korrekturarbeit.

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Teilnahme und Spiegelung: Festschrift f. Horst Rüdiger / in Zusammenarb. mit Dieter Gutzen. Hrsg. von Beda Allemann u. Erwin Koppen. ISBN 3-11-004013-1 NE: Rüdiger, Horst; Allemann, Beda [Hrsg.]; Gutzen, Dieter [Mitarb.]

(c) Copyright 1975 by Walter de Gruyter & Co., vorm. G. J . Göschensche Verlagshandlung, J. G u t t e n t a g , Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J . Trübner und Veit & C o m p . , Berlin 30. — Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten. Satz und Drude: Saladruck, Berlin Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin P r i n t e d in Germany

VORWORT DER HERAUSGEBER Eine jede Literatur ennuyiert sieb zuletzt in sich selbst, wenn sie nicht durch fremde Teilnahme wieder aufgefrischt wird. Welcher Naturforscher erfreut sich nicht der Wunderdinge, die er durch Spiegelung hervorgebracht sieht? So sagte 1828 der alte Goethe unter dem Titel Bezüge nach außen in Über Kunst und Altertum. Es handelt sich um eine der zahlreichen Überlegungen, die Goethe in jenen Jahren über den Begriff, die Möglichkeiten und die Grenzen einer Weltliteratur anstellte, hier gelegentlich eines Artikels, der zu diesem Thema in der Zeitschrift der französischen Romantiker, Le Globe, erschienen war. Die beiden Schlüsselwörter, Teilnahme und Spiegelung, scheinen uns Sinn und Aufgaben einer Vergleichenden Literaturbetrachtung nach dem Herzen H o r s t Rüdigers zu resümieren: fremde Teilnahme (in diesem Zusammenhange gleichbedeutend mit .Teilnahme am Fremden', das heißt der ausländischen Literatur) ist nötig, damit die eigene Literatur sich nicht in sich selbst ennuyiert, das heißt in provinzielle Langeweile versinkt; Spiegelung, weil sie Wunderdinge hervorbringt, das heißt Lichter auch in Bereiche zu werfen vermag, die ohne den Reflektor der fremden Literaturen in Dunkel getaucht blieben. H o r s t Rüdiger hat es o f t genug, wenn nicht in seinen Publikationen, so doch auf dem Katheder und im Kollegengespräch, als Aufgabe der Komparatistik bezeichnet, den Studenten und Erforscher der Literatur vor der provinziellen Enge, wie sie die Beschäftigung mit nur einer einzigen Nationalliteratur mit sich bringen könne, zu bewahren; er hat schließlich, die Spiegel der einzelnen Nationalliteraturen mit fast physikalischer Präzision richtend, immer wieder verblüffende Wirkungen erzielen können, die die von ihm gewählte komparatistische Optik in eindrucksvoller Weise rechtfertigten. Als wir Ihnen, lieber H e r r Rüdiger, die Festschrift am 20. September 1973 zu Ihrem 65. Geburtstag im Manuskript überreichten, trug sie noch keinen Titel. Wir verdanken ihn einem Ihrer kundigen Mitarbeiter. Eine Festschrift sollte im Idealfalle sowohl in den Themen ihrer einzelnen Beiträge wie auch als Gesamteorpus eine Perspektive öffnen, in deren Fluchtpunkt sich der Adressat in seiner besonderen wissenschaftlichen Silhouette abzuzeichnen hätte. Dies aber war in Ihrem Falle ein fast unlösbares Problem. Sie sind nicht aus Zufall Komparatist und haben nicht zufällig, nachdem Sie bereits in Mainz als solcher gelehrt hatten, Ihren germanistischen Lehrstuhl an der Universität Bonn wieder, ohne unserem Seminar untreu zu werden, mit einem neugeschaffenen Lehrstuhl f ü r Vergleichende Literaturwissenschaft vertauscht, den Sie bis zu Ihrer Emeritierung im Vorjahr betreuten. Durch die Weite Ihrer literarischen und wissenschaftlichen Interessen wurden Sie fast zwangsläufig zum Vertreter eines

VI

Vorwort der Herausgeber

Faches, dessen Gegenstand die Weltliteratur ist und das Sie durch Ihre Leistung wesentlich bereichtert haben, so daß Sie heute als einer seiner großen Repräsentanten vor uns stehen. Die thematische Geschlossenheit einer Ihnen dargebrachten Festschrift wurde dadurch unvermeidlicherweise ebenso in Frage gestellt wie durch die Tatsache, daß Sie in dreien der .traditionellen* Philologien Heimatrecht besitzen, der deutschen, der klassischen und romanischen. Die Herausgeber durften es nicht wagen, die Mitarbeiter bei der Wahl ihrer Themen in eine bestimmte Richtung zu dirigieren oder gar auf bestimmte Gebiete einzuschränken. Wir begnügten uns mit der Empfehlung, die Beiträge sollten in irgendeiner Weise erkennen lassen, daß es sich um eine komparatistische ,hommage' handele. So läßt die Festschrift, wie wir hoffen, wenigstens das eine mit hinreichender Deutlichkeit erkennen: daß sie einem Meister der Vergleichenden Literaturwissenschaft gewidmet ist. Aus Gründen, die sich unserer Einwirkung entzogen haben, erscheint sie mit einiger Verspätung im Druck. D a ß sie überhaupt in dieser Form und mehrsprachig erscheinen kann, verdanken wir dem großzügigen Entgegenkommen des Verlages de Gruyter, dem Sie durch die Zusammenarbeit in der Herausgabe der arcadia seit langem verbunden sind. Ad multos annos! Bonn, am 7. November 1974

Beda Allemann Erwin Koppen

INHALT Werner Ross: Literarische Wetterlagen

1

Manfred Beller: Jupiter Tonans — Zur Tradition des Bildes vom numinosen Donnergott

14

Hartmut Erbse: Der Gott von Delphi im Ion des Euripides

40

Michael von Albreclit: Metamorphose in Raum und Zeit — Vergleichende Untersuchungen zu Rodin und Ovid

55

Johannes Hösle: Die Rezeption der Antike in der neueren katalanischen Literatur

87

J . A l a n Pfeffer: Das biblische Zitat im Volksmund der Germanen und Romanen

99

Walter Johannes Schröder: Bemerkungen zum Heilsgedanken in Chretiens Perceval und Wolframs Parzival

112

Karl Stackmann: Gold, Glas und Ziegel — Uber einige Vergleiche in mittelhochdeutschen Dichtungen

120

Karl Konrad Polheim: Petrus oder Johannes? — Über den Jüngerlauf im europäischen Drama des Mittelalters

130

Vincent J . Günther: Spiegelungen Hamlets Goethes, Innes und Bresan

165

im Roman und im Drama —

Klaus Conermann: Der Poet und die Maschine — Zum Verhältnis von Literatur und Technik in der Renaissance und im Barock

173

Erik Lunding: Komparatistische Barockforschung mit besonderer Berücksichtigung Dänemarks

193

A. Owen Aldridge: Cokain, Ovid, and the Vampire Theme

217

Janos Riesz: Eine Metzer Edition der Lettres sur les Anglois Frangois et sur les Voiages von Beat Ludwig von Muralt

et les 226

Frithjof Stock: Intrige und Mesalliance — Bemerkungen zur Rezeption der Mme de la Pommeraye-Episode aus Diderots Jacques le fataliste durch Schiller, Sternheim und Sardou

248

Helmut Koopmann: Schillers Wallenstein — Antiker Mythos und moderne Geschichte. Zur Begründung der klassischen Tragödie um 1800

263

Hans-J. Weitz: Mikrologisches zu Goethe

276

Benno von Wiese: Goethe und Heine als Europäer

295

Gerhard Hay: August Wilhelm Schlegels Beitrag zur Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung. Mit einem unveröffentlichten Brief Schlegels Zoran Konstantinovic: Zum Begriff der Romantik in den südosteuro-

316

Inhalt

VIII

päisdien Literaturen — Versuch einer regionalen komparatistischen Identifikation

327

Hartmut Steinecke: Wilhelm Meister oder Waverley? — Zur Bedeutung Scotts für das deutsche Romanverständnis der frühen Restaurationszeit

340

W. Wolfgang Holdheim: Die doppelte Ästhetik Victor Hugos

360

Roger Bauer: Wandlungen des Geschmacks und der dramatischen Konventionen im biedermeierlichen Wien

381

Norbert Oellers: Spuren Ibsens in Gerhart Hauptmanns frühen Dramen

397

Erwin Koppen: Weltliteratur zwischen Vulgäridealismus und Repräsentation — Der Nobelpreis für Literatur in der Belle Epoque

415

Fritz Schalk: Saint-Simon in Prousts Roman

433

Peter Pütz: Die Stufen des Bewußtseins bei Schopenhauer und den Buddenbrooks

443

Claude David: Le Vide et le Plein — Sur une metaphore du lyrisme de R. M. Rilke Beda Allemann: Kafkas Kleine

453 Fabel

465

Rene Wellek: M a x Kommerell as Critic of Literature

485

Hans Galinsky:The Uses of American English in Modern German Drama and Poetry — Brecht, Benn, Bachmann

499

Hans Hinterhäuser: L'ltalia e gli italiani nella letteratura tedesca contemporanea

531

Volker Neuhaus: Father Brown und Rabbi Small

548

Mario Pensa ( f ) : Bernhard nella critica di Fröhlich: un nuovoMachiavelli?

570

Ulrich Weisstein: Influences and Parallels — The Place and Function of Analogy Studies in Comparative Literature

593

Hans Helmut Christmann: Generative Sprachwissenschaft in deutscher Sprache — Zur ,Performanz' und zur ,Kompetenz' der Übersetzer . .

610

Dieter Gutzen: Zum Problem der Bibelübersetzung im 18. Jahrhundert — Eine Rezension der Hiob-Übersetzung von J . D . Michaelis in den Schleswigschen Literaturbriefen

625

Willy R. Berger: Walter Benjamin als Übersetzer Baudelaires

634

George Steiner: Translation as Homecoming

664

Joachim Krause: Verzeichnis der Schriften Horst Rüdigers

670

WERNER ROSS

Literarische Wetterlagen I. .Wetter' ist kein ordnungsmäßiger Gegenstand literarwissenschaftlicher Forschung. Es wird, von Sonnenschein bis Regen, unter Naturerscheinungen' gebucht und wurde in der Philologie des XIX. Jahrhunderts in Verbindung mit ,Naturgefühl' behandelt, wenn etwa Liebesglück von Morgenrot umglänzt war. Erst jüngst, im Zuge einer neuen Germanistik, ist der Brauch durchbrochen worden. Der Held und sein Wetter heißt eine Dissertation, die 1971 in der von W. Höllerer herausgegebenen Reihe ,Literatur als Kunst' mit dem Untertitel Ein Kunstmittel und sein ideologischer Gebrauch im Roman des bürgerlichen Realismus erschienen ist. Ihr Autor, F. C. Delius, ist auch als Lyriker und Theoretiker der Neuen Linken hervorgetreten. Delius bezeichnet als Anlaß seiner Untersuchung ein Bonmot seines Lehrers E. Lämmert, das gute Wetter sei der beste Stimmungsmacher für schlechte Autoren. Wegen der in der Bundesrepublik herrschenden Beziehungslosigkeit zwischen literaturwissenschaftlichen Inhalten und gesellschaftlicher Wirklichkeit, so meint der Autor verächtlich, habe dieses snobistische Thema gestellt werden können; aber immerhin einmal auf die Bahn gesetzt, hat er etwa 60 Romane „und ihren Anteil fiktiven Wetters" untersucht. Seine These: „Das Wetter in der epischen Fiktion kann als eine von vielen Autoren geübte Realisierung eines ökonomischen Prinzips gesehen werden: Mit relativ wenig Aufwand (Aspekt der Produktion) wird eine relativ große Wirkung (Aspekt der Rezeption) erzielt. Dies ökonomische Prinzip wird noch begünstigt durch die Struktur und die Affektwirkungen der Fiktion und durch den emotional leicht besetzbaren Bereich der Natur." Die ideologiekritische Analyse führt dann zu Fragestellungen wie dieser: „Gibt es Beziehungen zwischen der Fähigkeit der Autoren zu differenzieren und zu kritisieren und ihrer Wetterverwendung, d. h. der Benutzung tendenziell trivialer Verknüpfungen? In welcher Weise ist die mit bestimmten Wetterstellen erreichte Eindeutigkeit als notwendiges ideologisches Konstrukt und als Produkt gesellschaftlicher Bedingungen zu erklären?" Das Verfahren wird etwa an Fontane (Unwiederbringlich) praktiziert. Dort bringt das schlechte Wetter die gute Gesellschaft noch näher zusammen, die ohnehin exklusiv und nur mit sich beschäftigt ist. Aber es reicht nicht aus für die Hauptpersonen: „ . . . eine Liebeserklärung oder gar ein Beischlaf adliger Personen ohne erhabene Gelegenheit und adäquate Kulissen bis hin zu denen des Wetters ist nach Fontanes Ideologie nicht zu denken." Holk und Ebba finden sich beim Schlittschuhlaufen.

2

Werner Ross

„Für diese literarischen Verfahren gibt es . . . einen objektiven, gesellschaftlichen Grund, die bürgerliche Verleugnung der erotischen Befriedigungsmöglichkeiten. Der Wunsch zur Vereinigung ließ sich, solange er nicht ehelich legitimiert war, nur außerhalb der Gesellschaft, also im Bereich der Natur realisieren" (68). Aber ausgerechnet bei Frost? So wie Lämmerts Bonmot für Delius, so war Delius' Dissertation für mich der Anlaß, dem literarischen Wetter nachzugehen. Delius freilich zweifelt an dem Nutzen seiner Arbeit, weil sie kaum dazu führe, „daß noch mehr Studenten und Absolventen dieses Fachs (sc. der Germanistik) es lernen, in Schule, Universität und in den publizistischen Medien aufklärend und agitatorisch in die politische Auseinandersetzung einzugreifen" (10). Mein Vorhaben ist weniger tumultuarisch: ein paar Lesefrüchte und ein paar Überlegungen dazu seien dem Jubilar auf die Schüssel gelegt. II. Das Lateinische hat kein Wort für Wetter, also für das Schwankende der meteorologischen Zustände, den Wechsel der atmosphärischen Bedingungen. N u r die Zeit, die dauerhaft-flüchtige, wird benannt; das Wechselnde sind die Zeiten, .tempora', Jahreszeiten und Tageszeiten. Die Nachfolgesprachen haben sich mit einem Zusatz geholfen: das Wetter ist ,le temps qu'il fait', also die geschehende, die aktualisierte Zeit. Der Wechsel vollzog sich im Wandel der Gestirne, in ihrer rhythmisch geregelten Ordnung. Die ,meteora', die ,hocherhobenen' ( = Himmelskörper), haben der Meteorologie ihren Namen gegegeben; .caelum' ist das geläufigste lateinische Wort für Klima, und auch ,klima' (,Neigung') ist der Fachsprache der Astronomen entnommen. Die Himmelszeichen bestimmen das gute und das schlechte Geschick, auch das günstige Wetter und das schädliche. Noch die Vögel gehören zu diesen ,phainomena', durch die die Götter sich kundtun, zur oberen Welt. Der a s t r o n o m i s c h e n Ordnung, wie sie Goethe kongenial noch einmal im Faust-Prolog nachgestaltet hat, entsprach die a g r o n o m i s c h e . Die Himmelszeichen bestimmten Blühen und Reifen, Aussaat und Ernte, von dem frühen Hesiod und seinen 'Werken und Tagen bis zu dem späten Aratos und seinen Himmelszeichen. Die Jahreszeiten bezeichneten nicht die Wetterperioden, sondern den Stand der Gestirne und den Stand der bäuerlichen Arbeit. Sie hatten — gegenüber dem tatsächlichen schnellen Wechsel, gegenüber dem Spiel der Hochs und Tiefs, der Regenfronten und Kaltluftströmungen, die ja auch die Mittelmeerwelt ohne viel Federlesens einbeziehen und auch zu des Homer Zeiten einbezogen haben — etwas Statisches und Statuarisches, und es ist kein Zufall, daß gerade die bildende Kunst hier eines ihrer zyklischen Themen gefunden hat. Auch an unserer illusionären Erinnerung, die Winter seien früher richtige Winter gewesen und die Sommer prächtige Sommer, hat diese bildnerische Fixierung der Jahreszeiten, ihre Ausstattung mit Assoziationen und Attributen, sicher Anteil. Dazu paßt das italienische Wort für die Jahreszeit ,stagione',,Station', kein Film, sondern ein lebendes Bild.

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Literarische Wetterlagen

Diese Ordnung wird von den göttlichen Kräften verkörpert und nur selten, im Zorn oder wegen bestimmter eigensüchtiger Ziele, gestört 1 : „Zeus ist zwar nach seinen Beiwörtern der Wettergott, aber er handelt — bei Homer — fast nur als der höchste Herr der Welt. Er braucht kein Wetter zu machen, denn immer strahlt klarer Sonnenschein über den Heeren; es sei denn, er wolle als Schrecknis und Ankündigung kommenden Unheils Blitze schleudern und blutigen Tau regnen lassen, oder die Kämpfenden in Wolken und Staub hüllen." Das ist wichtig für zweieinhalb Jahrtausende Literatur, die an Homer anschließen; sie kommen — es sei denn, ein Unwetter oder Regensturz werde aus Handlungsgründen gebraucht — ohne Wetter aus. Es gehört dagegen zu Homers Ordnungssystem, daß er den Wechsel der Tageszeiten wichtig nimmt: Morgen und Abend erlauben ihm Anfang und Abgesang, und die rosenfingrige, krokosgewandete Eos ist wie eine fleißige Bühnenassistentin immer zur Stelle, um den Vorhang aufzuziehen. Merkwürdig ist, wie es Homer mit den Winden hält, und mit ihm und nach ihm Griechen und Lateiner. Zeus donnert und regnet, er zerstört strafend und befruchtet im Zeugungsakt, aber er stürmt nicht. Die Winde, ihrerseits sorgfältig benamst und personifiziert, haben in Aiolos einen von Zeus beauftragten Wächter. Sie werden in der bekannten Erzählung der Odyssee in einen Sack gesperrt, und wenn Achilleus im 23. Gesang der Ilias Wind für die Verbrennung des Patroklos braucht, muß er erst umständlich dem Boreas und Zephyros ein Gelübde ablegen, die Götterbotin Iris macht sich dann auf den Weg, findet die Winde gemütlich bei Zephyros zu Tisch und bringt die Botschaft, und erst dann machen die beiden sich auf, rauschend mit wildem Getös'. Da darf man Ängste und Hoffnungen, Verschweigen und Beschwören des Seefahrervolks vermuten: das wäre zu schön, wenn man die Winde einsperren und festmachen könnte, diese einzigen Störer der göttlichen Ordnung, wie Kettenhunde. Was als jähes Unglück immer wieder die Phantasie beschäftigt (und als jähes Unglück immer präsent war), der Seesturm, braucht in der Erzählung umständliche Manöver, um in Gang gesetzt zu werden, Zorn- und Rachestimmung und diplomatisches Verhandeln mit dem Windkönig, den Homer als höchst sympathischen Kumpan beschreibt. Der Seesturm ist gewissermaßen der Gipfel dramatischen Katastrophengeschehens; so hat Vergil daraus eine der Glanzszenen der Aeneis gemacht, und Schiller hat seinerseits dieses Musterund Meisterstück mit allem brausenden Pathos übersetzt. Man muß gegen den Zeus, der sich im Iupiter Tonans und Iupiter Pluvius der Römer spiegelt, den Wotan der Germanen setzen, den wütenden Führer des wilden Heeres, das durch die Zwölf Nächte heult, um den Unterschied auszumachen zwischen der Sonne Homers und dem Kosmos der Alten auf der einen Seite und dem nordischen Schlechtwetter-System auf der anderen. Die Verbindungen ,Wind und Wetter' und .Donnerwetter', die Ableitungen ,Gewitter' und ,wittern' (den vom Wind hergetragenen Geruch aufnehmen) deuten noch darauf hin, daß .Wetter' in die Zone der atmosphärischen Störungen 1

H . F r a n k e l : Dichtung und Philos. des frühen Griechentums,

64 f.

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Werner Ross

gehört. Dagegen leiten sich franz. ,tempete' und ital. ,temporale* (Gewitter) von ,tempus' ab, euphemistisch oder verharmlosend, wie auch ,orage' (Gewitter) von dem sanften ,aura', Lufthauch, leichter Wind. Da ist im Norden neben dem Wettergott nur der Donnergott, wo ist der Sonnengott geblieben? Schon fällt einem König Lear auf der Heide ein, dazu die ossianischen Sturm- und NebelLandschaften, Goethes Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?, oder Her-

ders Shakespeare-Vision: Hoch auf einem. Felsengipfel sitzend! zu seinen Füßen Sturm, Ungewitter und Brausen des Meers; aber sein Haupt in den Strahlen des Himmels. ,Sturm und Drang' war erst nur ein Dramentitel, aber dann paßte er wie angegossen für die deutschen Literatur-Revolutionäre, die nichts mehr von der welschen Aufklärung wissen wollten, die ihrerseits eine säkularisierte Lichtbringer-Bewegung war, die sich vornahm, die Finsternis des Mittelalters zu erhellen.

III. Auf solchen Antithesen läßt sich munter herumreiten; man wird sie jeweils durch umfangreiche Materialien abstützen können, denn die Gegensätze bestehen ja auch in der Wirklichkeit der Sonnen- und Regenländer und bilden sich also literarisch nur ab, ihrerseits Klischees erzeugend, die selbsttätig weiterwirken, wie die brumes du Nord der Madame de Stael oder Schillers Sonne

Homers. Interessanter wird es da, wo die Fülle der Wirklichkeit mit den Klischees in Konflikt kommt oder sich unwillkürlich ihr Recht schafft, wo also unsere schöne Gegenüberstellung von Nord und Süd und antik und modern durch Spontanes und Sperriges gestört und durchkreuzt wird. Zunächst scheint die Behauptung, die antike Literatur habe nur mit der Schematik der Tages- und Jahreszeiten und den zugehörigen Topoi gearbeitet, durch eine erdrückende Menge von Belegen abgesichert. Diese Topoi sind inzwischen zum großen Teil dargestellt; ich verweise auf Ernst Robert Curtius' Kapitel über den Lustort, den ,locus amoenus', das so einschlug, daß der ,locus amoenus' nach allem auch noch ein Topos der Philologie wurde. Der Lustort ist, was sein Wetter angeht, entweder sommerlich oder frühlingshaft; er läßt sich mythologisch zu einem Elysium mit ewigem Frühling steigern. Mythologisch ist auch die Kombination der Jahreszeiten: gleichzeitig Blüte und Früchte. Die spätere Pedanterie, die den Dichtern nachrechnete, daß Veilchen und Rosen zu verschiedenen Zeiten blühen, muß vor diesen Idealkompositionen verstummen. Zur lustvollen Natur gehören Schatten, kühler Quell und Rasenkissen; das Wetter wird durch den sanften kühlenden Westwind auf die rechte Temperatur gebracht. Dieser Begriff selbst ist antik: er bezeichnet als ,temperies' die richtige Mischung, wie sie zum Beispiel durch warme Sonne und kühlenden Wind hergestellt wird. Wenn Horaz in der 16. Epistel des Ersten Buches sein Landgut überschwenglich schildert, beschreibt er es nach dem Modell des ,locus amoenus', aber gleichzeitig mit der Präzision

Literarische Wetterlagen

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des gewiegten Hausbesitzers: Tal-Lage, aber mit Morgen- und Abendsonne, temperiem laudes („du würdest das milde Klima loben"). In aestu temperies erfleht noch der liturgische Pfingsthymnus vom Heiligen Geist, der ja auch ein wehender Wind ist. Auf den Gegen-Topos, den Schlechtwetter-Topos, stoßen wir zuerst bei Alkaios (fr. 90 D). Der Himmel regnet, Sturm schickt uns Zeus herab, / zu Eis erstarrt vor Frost ist der Flüsse Lauf.. . und weiter: Vertreib die Kälte, schüre das Feuer nach, / und geiz nicht, wenn du heute den Trunk mir mischst / von süßem Wein, und in den Nacken j lege mir, Knabe, ein weiches Kissen. Das klingt ganz frisch, unmittelbar aus der Situation geschöpft, wie Storms: Der Nebel steigt, es fällt das Laub, schenk ein, den Wein, den holden, Anlaß oder Vorwand zum Trinken und zum Trinklied zugleich. Aber Alkaios braucht für den gleichen Zweck nicht nur die ungemütliche Winterkälte, sondern auch die Hitze der Hundstagzeit (fr. 94 D), und da ist seine höchst passende und packende Sommerbeschreibung Zug um Zug aus den Werken und Tagen Hesiods (582 ff.) übernommen. Da rührt sich kein Lüftchen, alles dürstet und lechzt matt in der Glut, die Frauen sind heiß, und schlaff die Männer, schwer ist ihnen der Kopf, und die Knie sind von der Glut des Sirius gedörrt. Noch immer sind den Italienern die Hundstage, das heißt eine Sternkonstellation, als wetterbestimmend geläufig. Horaz hat das Wintergedicht des Alkaios, wie die Altphilologen sagen, als ,Vorlage* benutzt, in der berühmten Ode (I 9), die mit dem Winterfrischen Bild des schneebedeckten Soracte beginnt, das nun wirklich bei keinem Griedien auszuleihen war. Da mag das folgende, der unter der Schneelast seufzende Wald und der frostgebannte Fluß, ruhig stereotyp sein, der Dichter hat's neu gesehen und neu gemacht, wie im gleichen Gedicht die Ruhe nach dem Wintersturm, wenn nec cupressi / nec veteres agitantur orni. Geht man die Carmina auf Wetterbilder durch, so fällt ihre erstaunliche Menge auf. Sie geben, vom Frühlingssäuseln bis zum klirrenden Frost und heulenden Sturm, Pathos her, wenn etwa in dem Geleitgedicht für den seefahrenden Vergil (I 3) alle Stürme aufgeboten werden, um die Unerschütterlichkeit des Schiffers auf seinem gebrechlichen Boot um so effektvoller zu demonstrieren. Mit Hagel und Schnee fängt I 2 an, das Friedenslied für Octavian, und mit Vom Eise befreit sind Strom und Bäche I 4, das den Sestius zu raschem Lebensgenuß ermuntert. Meeresstille und glückliche Fahrt verknüpft 1 1 2 mit den Dioskuren, und 1 1 4 schildert — wiederum Alkaios nachbildend — das Staatsschiff in Sturmgefahr. Das ist sicher Requisitenpoesie, wenn auch sprachlich kräftig, nicht ohne anschauliche Kraft. Aber Horaz gibt erfreulicherweise auch Gelegenheit, die Poesie an der Wirklichkeit zu messen, sie mit dem Alltag zu konfrontieren, der mit genüßlich ausgekosteter Unbefangenheit in den Satiren und Episteln zu Wort kommt. Da herrscht nicht mehr die kunstvoll variierte JahreszeitenSymbolik und -Metaphorik, sondern das, was uns alle plagt und erquickt, das Wetter. Es wird nun präzisiert: bei der Reise nach Apulien leiden alle unter dem schrecklichen Schirokko (sat. I 5), und wenn Horaz auf seinem Landgut

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Werner Ross

bleiben kann, braucht ihn weder der Ehrgeiz zu quälen noch der bleierne Südwind und der drückende Herbst, in dem die Leichengöttin am liebsten ihren Tribut kassiert {Sat. II 6). Zu Hause ist es so schön kühl, daß man nicht einmal unter der Septemberschwüle leidet (ep. 116). Vor allem aber: es ist nicht nur das Wetter präsent, als Faktum und als Stimmung, sondern sogar das Banalste — das Wettergespräch. In der 6. Satire des II. Buches, die das heiter-bescheidene Leben auf dem Landgut beschreibt, ist auch von der Freundschaft zum großmächtigen Mäcenas die Rede. WeißGott-welchen Einfluß schreiben die Freunde dem Dichter-Freund des Staatsmannes zu, und vertrauliche Informationen in Fülle. Das kontert Horaz, indem er treuherzig beschreibt, wie die Gespräche zwischen dem hohen Gönner und ihm wirklich ablaufen. Es sind nugae (Nichtigkeiten) des folgenden Schlages: höra quota est? (Wieviel Uhr ist es?), Thrax est Gallina Syro par? (Wird der Gallina aus Thrakien mit dem Syrer fertig?), schließlich: matutina parum cautus iam frigora mordent (Am Morgen ist es schon ziemlich kühl, man muß sich vorsehen). Zu diesen nugae und Natürlichkeiten des Horaz gehört auch das Bädergespräch, die Wahl des richtigen Kurorts, und — als poetische Fiktion — die Anfrage beim Freund Vala (ep. I 15). Quae sit hiems Veliae, quod caelum, Vala, Salerni, / quorum hominum regio et qualis via, mit diesen Erkundungsfragen fängt die Epistel an. „Wie ist der Winter in Velia, wie das Klima in Salernum, was für Leute gibt's da, wie kommt man am besten hin?", das ist perfektes Hexameter-Geplauder, musterhafte Ausnutzung der Vertraulichkeit des Briefstils zu Apercus und Kommentaren. Die Sorgen von damals: Baiae, die heißen Bäder, kommen aus der Mode; Antonius Musa, der Modearzt, der den Augustus mit einer Kaltwasserkur geheilt hat, empfiehlt Schwimmen im Meer und Abduschen in der Quelle. Aber dann drängen sich wichtigere Fragen vor: Wie ist die Küche? Was für Fische? Was für Weine? Und zum Schluß das rührende Selbstbekenntnis: Ja, wenn er nichts anderes hat, lobt er sein Landgut und seine häusliche Genügsamkeit. Aber sobald er Besseres und Saftigeres bekommt, dann kann er nicht umhin zu bemerken: vos sapere et solos aio bene vivere, quorum / conspicitur nitidis fundata pecunia villis (Nur ihr versteht richtig zu leben, deren Geld in stattlichen Villen wohlangelegt ist).

IV. Ein kräftiger Sprung von dem Homer und Alkaios lesenden Horaz zu dem Homer und Horaz lesenden Goethe! Darf man so viel überschlagen? Walther, der nicht mehr den Hornung an den Zehen zu fürchten braucht, und Villon, der nachfragt, wo der Schnee vom vorigen Jahr geblieben ist, und Dantes präzise Visionen, und Shakespeares Sommer und Winter und Nebel — Heide und Sturm, und den Reif, der in der Frühlingsnacht fiel, und die schöne Sommerzeit des Barockliedes, den Reichtum an Volksweisheit und Spruchwahrheiten, den der Artikel ,wetter' im Grimmschen Wörterbuch aufdeckt, oder

Literarische Wetterlagen

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eine so wunderbare Sprachprägung wie das Wort .wetterwendisch', das sich zum erstenmal bei Luther findet, schließlich die genau buchenden Beschreibungen der Dichter des XVIII. Jahrhunderts, an der Spitze den wackeren Barthold Heinrich Brockes mit seinem Irdischen Vergnügen in Gott? Bei diesem letzteren freilich lohnt sich ein kurzer Zwischenaufenthalt. Er hat schließlich alles gesehen, genannt, beschrieben, nicht nur das Firmament, die Bewegung der Sterne, die Sonne, sondern jeweils in eigenen Poemata auch das Nordlicht, den Regen, den Wolken- und Luft-Himmel, die auf ein starkes Ungewitter erfolgte Stille und sogar — so wörtlidi — Ein neblichtes und schlackrichtes Wetter. Der scharfäugige Hamburger Ratsherr geht mit der Lupe audi an dieses: Des nassen Wandrers Fuß beklebte; Oft löst er sich mit Müh', wie sehr er sich bestrebte, dem Sumpf sieb zu entziehn. Umsonst, wenn sein nicht fester Schritt Ihm glitscht' und wieder dahin glitt, wo er ihn kurtz vorher mit Müh' herausgezogen. Wodurch denn aus der Spur, von der gepressten Fluth, Die, seit sie sich darin vereint, noch nicht geruht, Viel kleine Tropfen zischend flogen. Da haben wir's, das Wetter, u n s e r Wetter, und wie es scheint, nicht einmal poetisch verbrämt. Brockes liefert auch die zugehörigen Empfindungen: Bey dieser widrigen Gestalt der Welt Empfindet man jedoch ein Etwas, das uns eben Nicht mißgefällt, Und das uns, durch die Haut, sanft an die Nerven

geht.

Das Regenwetter verschafft uns, so Brockes, ein schaudrichtes Vergnügen, vor allem allerdings, fügt er beinah Wilhelm-Busch-humorig hinzu, wenn man im trocknen steht, und zumahl wenn etwan er ein Pfeifchen angezündet. Das schaudrichte Vergnügen besteht in der Entdeckung von Lichtglanz und Widerschein auf jedem Stein und Holz und in jeder Pfütze, und schon gelingt dem frommen Autor der Aufschwung aus dem schlackrichten Wetter dorthin, wo er regelmäßig seine erbaulichen Gedichte zielen läßt: zu Gott und seinem Sonnenlicht. Psalm- und Prophetenverse bilden jeweils den Ausgangspunkt, das Meditationsthema, des Jesaias Satz Gott kleidet den Himmel mit Dunkel ist dem Schlackerwetter vorangestellt. Aber — das ist der neue Geist des Zeitalters — in das Die Himmel rühmen mischt sich die exakte Beobachtung, die wissenschaftliche Neugier, und in ein langes Gedicht wie das über die Luft sind auch die letzten physikalischen Experimente mit eingepackt. Das Gewittergedicht ist ein Musterbeispiel für Brockes' Mittelstellung zwischen einer alten poetischen und einer neuen Beobachtungs-Methode. Wie der Wind die Zweige schüttelt,

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das beschreibt Brockes akribisch genau, aber die Stürme fechten untereinander noch mythologisch wie zu den Zeiten Vergils: Der Ost-Wind rast' indeß mit unsichtbarer Macht; Dem stürmte, voller Wuth, der strenge West entgegen. Es stieß der Süd-Wind sich, gehüllt in dickem Regen, Mit dem erzürnten Geist der frost'gen Mitter-Nacht. Was dem Barthold Heinrich Brockes trotz aller Sorgfalt — oder wegen ihrer — nicht gelingt, das schafft dann eine Generation später der große neue Barde, Klopstock: nicht mehr das reflektierte schaudrichte Vergnügen, sondern den Schauer vor der göttlichen Majestät der Naturerscheinung Gewitter, verbunden mit einer genauen Nachempfindung der Phasen des großen Schauspiels, so eindrucksvoll, daß zwei poetisch angehauchte junge Leute beim Anblick eines Gewitters, um das Einverständnis ihrer Gefühle und Empfindungen auszudrücken, nichts mehr auszusprechen brauchen als den Namen dieses Dichters. Die Oden Klopstocks sind 1771 erschienen (die Frühlingsfeier stammt freilich schon aus dem Jahr 1759), Werther und Lotte, Goethe und Charlotte, begegnen einander im folgenden Jahr in Wetzlar. So springt Literatur in Leben über, und Leben wird Literatur. Das Gewitter wird eines der großen Themen der kommenden Sturm- und Drang-Literatur. Ein anderes ist die Luft. Die Geschichte der Luft zwischen Mythos, Dichtung und Wissenschaft wäre ein schönes Thema. Hier dazu nur — noch einmal v o r Goethe — ein kurzer Seitenblick auf den stärksten Anreger des neuen Natur-Erlebens vor Goethe, auf Rousseau. Rousseau ist, bei allem neuen Blick für malerische Naturkulissen, für Berg- und Fels-Landschaften, bei aller Botanikerleidenschaft für Pflanzen und Blumen, als Erzähler noch durchaus konventionell. Die Nouvelle Heloise (1761) kommt, wie die anderen großen zeitgenössischen Romane, Fieldings Tom Jones (1749) oder Sternes Tristram Shandy (1768), weitgehend ohne Wetter aus, nur die Jahreszeiten sind markiert, und selbst ein so uralt-ehrwürdiger Topos wie der vom Ideal-Ausgleich der Jahreszeiten taucht bei der berühmten Beschreibung der Reise ins Wallis im X X I I I . Brief des Ersten Teils wieder auf: La nature semblait encore prendre plaisir a s'y mettre en opposition avec elle-meme; tant on la trouvait differente en un meme lieu sous divers aspects! Au levant les fleurs du printemps, au midi les fruits de l'automne, au nord les glaces de l'hiver: eile reunissait toutes les saisons dans le meme instant, tous les climats dans le meme lieu ... Aber an der gleichen Stelle erweist sich Rousseau auch als Entdecker. Ein unerklärlicher Seelenfriede hat ihn auf den Bergeshöhen ergriffen, und indem er nachdenkt, findet er die Ursache: Ce fut lä que je demelai sensiblement dans la purete de l'air oü je me trouvais la verkable cause du changement de mon humeur, et du retour de cette paix interieure que j'avais perdue depuis si longtemps. Im Hochgebirge, wo die Luft leichter und feiner ist, atmet man leichter, wird der Körper schwereloser, der Geist heiterer; die Leidenschaften dämpfen sich,

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das Nachdenken nimmt je ne sais quel caractere grand et sublime an, als ob man den Berg ersteigend alles Irdisch-Niedrige hinter sich lasse und in der N ä h e der Ätherregionen etwas von ihrer unveränderlichen Reinheit annehme. Es klingt wirklich prophetisch, wenn Rousseau fortfährt, er könne sich durchaus vorstellen, d a ß die vapeurs (die Dünste, die man sich damals als Krankheitserreger vorstellte) einem längeren Aufenthalt in den Bergen nicht widerstehen könnten, und er wundere sich geradezu, daß des bains de l'air salutaire et bienfaisant des montagnes noch nicht als medizinisch-moralische Heilmittel verordnet würden. Aber als ob er selbst vor der Kühnheit dieses Luftbadegedankens erschräke, zieht er sich schnell auf ein paar passende Petrarca-Verse zurück. Das Nachdenken über die Luft lag in der Luft. Der wissenschaftliche Begriff der Atmosphäre kam ins Gespräch. 1775 entdeckte Lavoisier die Zusammensetzung der Luft, und 1783 stieg die Montgolfi£re, der erste Freiballon, auf. Die moderne Meteorologie zeichnete sich als neue Wissenschaft ab, keine Gestirnlehre mehr, sondern Wissenschaft von der Atmosphäre. Rousseau plante, wie er im 8. Buch der Confessions erzählt, eine morale sensitive, in der les climats, les saisons, les sons, les couleurs, l'obscurite, la lumiere, les elements, les aliments, le bruit, le silence, le mouvement, le repos in ihrem Einfluß auf unsere ,Maschine' und auf unsere Seele behandelt werden sollten. Ein neuer Menschentyp kündigt sich an, nicht nur sentimentaler, sondern auch sensibler, und sein Prototyp, der in ganz Europa Furore macht, heißt Werther. D a ist er nun, der Held und sein Wetter; aufs minuziöseste sind sie miteinander abgestimmt. Die Daten der Briefe zeigen Seelenzustände und Wetterzustände an: vom strahlenden 4. Mai, an dem Werther von seinem paradiesischen' Lustort berichtet, dem Garten des Grafen von M., über den 30. November, als alles öde war, ein naßkalter Abendwind blies vom Berge, und die grauen Regenwolken zogen das Tal hinein (Werther trifft den blumensuchenden Wahnsinnigen, den Schreiber von Lottes Vater, der aus Liebe zu ihr rasend wurde), bis zum Abschiedsbrief an den Freund vom 12. Dezember: Gestern abend mußte ich hinaus. Es war plötzlich Tauwetter eingefallen, ich hatte gehört, der Fluß sei übergetreten, alle Bäche geschwollen . . . Dazwischen eben jenes Gewitter, das Werther und Lotte im Zeichen des Gewitter-Dichters Klopstock vereint. Auch hier fällt nicht nur der dramaturgische Zweck ins Auge, sondern die Präzision der Beschreibung: Die Sonne war noch eine Viertelstunde vom Gebirge, als wir vor dem Hoftore anfuhren. Es war sehr schwül, und die Frauenzimmer äußerten ihre Besorgnis wegen eines Gewitters, das sich in weißgrauen dumpfichten Wölkchen rings am Horizonte zusammen zu ziehen schien. U n d nun folgt ein Satz, der durchaus autobiographisch rückbezogen werden k a n n : Ich täuschte ihre Furcht mit anmaßlicher Wetterkunde... A n Realismus der Darstellung gewöhnt, überraschen uns der naßkalte Abendwind oder die weißgrauen dumpfichten Wölkchen nicht mehr. Die Autoren haben inzwischen die Lektion gelernt. Damals war sie eine Eroberung. Auch der beschreibungssüchtige Brockes hat dergleichen nicht zustandegebracht, geschweige denn die Romanverfasser der Epoche. Der den Werther schrieb, war

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zwar kein Wetterprophet, und wenn er die Frauenzimmer beruhigte, tat er es nur gegen bessere Ahnung, aber er war wettererprobt, nicht mehr nur ein promeneur solitaire wie Rousseau, der gern im gepflegten Wald spazierenging, sondern ein wilder Wanderer durch dick und dünn, durch Schnee und Regen, dem Sturm entgegen. Das alles ist oft beschrieben; neue Haltung, neue Pose auch, Prometheus-Trotz und Ganymed-Frühlingshimmelfahrten, es vererbt sich auf Beethoven und den Beethoven-Mythos, es erzeugt Tonnen von Naturlyrik und ruft mehr als hundert Jahre später historische Bewegungen wie die des ,Wandervogel' hervor. Um so mehr kommt es darauf an, den genauen Ursprung zu bezeichnen. Mehr als jemals war ich gegen offene Welt und freie Natur gerichtet, berichtet der alte Goethe im 12. Buch von Dichtung und Wahrheit. Unterwegs sang ich mir seltsame Hymnen und Dithyramben, wovon noch eine, unter dem Titel ,Wanderers Sturmlied', übrig ist. Ich sang diesen Halbunsinn leidenschaftlich vor mich hin, da mich ein schreckliches Wetter unterwegs traf, dem id) entgegengehen mußte. Das, was Goethe mit dem ironischen understatement des Alters seinen Halbunsinn nennt, ist seitdem fast zu Tode kommentiert worden. Goethe selbst hat, als er das Gedicht am 31. August 1774 Jacobi sandte, dazu bemerkt: Hier eine Ode, zu der Melodie und Kommentar nur der Wanderer in der Not erfindet; dazu wiederum Emil Staiger in seinem Kommentar 2 : da Kommentare in der Regel nicht in der Not, sondern am Schreibtisch erfunden würden, brauche man sich über den Mangel einer in allen Teilen überzeugenden Deutung nicht zu wundern. Hält man sich an Goethes Rezept, so ist der Schlüssel zum Gedicht — und darin besteht gleichzeitig seine Kühnheit gegenüber der literarischen Schleditwetter-Tradition seit Alkaios —, daß es mitten in Sturm und Wolkenbruch konzipiert, improvisiert, sozusagen gegen das Unwetter angesungen ist. Darum wohnt dem hochfliegenden Hymnus auch ein komisches Element inne, das halb schwungvoll, halb parodistisch auf die höchste, die mythische Ebene gehoben wird, wie in der Umschreibung des Marsches durch Dreck und Regen über den (sc. den Schlamm) ich wandle göttergleich evident wird. In der realistischen Schlußpointe tritt das ,richtige' Verbum an die Stelle von wandeln und schweben: waten — durch das schlackrichte Wetter, wie Senator Brockes gesagt haben würde, wenn er sich jemals so weit nach draußen vorgewagt hätte. Besonders die letzte Strophe ist wichtig: Da kommt es viel weniger auf Pindar an als auf das, was er besingt: den sportlichen Wettkampf der Gespanne: HOCH FLOG / siegdurchglühter Jünglinge / Peitschenknall, / und sich Staub wälzt', / wie vom Gebirg herab / Kieselwetter ins Tal. Gegen diese Gefahren und diesen Mut ist die Mutprobe ,Schlamm und schlechtes Wetter' wahrhaftig bescheiden. Und so reduziert sich das Pathos der Pindargesänge zur stockenden Frage: Glühte? und zum mitleidigen Ausruf: Armes Herz! Man muß als Hintergrund dazu die ,polizierte' Welt des Rokoko sehen, eine behagliche Bürgerlichkeit ohne Abenteuer. Da war wenigstens das Regen-Chaos 2

Goethes Gedichte II, Zürich 1949, 351.

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ein Ersatz, so wie die Besteigung des Brocken im Winter und wie später, beim Großherzog, das wilde Reiten und Kampieren im Freien. Immerhin, das Schlamm-Waten hat ein Ziel: die Hütte. Ich muß Ihnen schreiben, liebe Lotte, hier in der Stube einer geringen Bauernherberge, in die ich mich vor einem schweren Wetter geflüchtet habe, schreibt Werther am 20. Januar, . . . und jetzt in dieser Hütte, dieser Einsamkeit, in dieser Einschränkung, da Schnee und Schloß wider mein Fensterchen wüten, hier waren Sie mein erster Gedanke. Das Hütten-Motiv gehört dazu, es ist die Verteidigungsstellung gegen die Elementargewalten: mußt mir meine Hütte doch lassen stehen, fordert Prometheus den Donnerer heraus. Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt, / die Riesenfichte, stürzend, Nachbaräste und Nachbarstämme quetschend niederstreift, j und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert, dann führt der Erdgeist Faust zur sicheren Höhle, und meiner eignen Brust I geheime tiefe Wunder öffnen sich. Im zweiten Nachtlied des Wanderers ist die schützende Hütte auf dem Gickelhahn bei Ilmenau ja historisch geworden. Das Thema läßt sich weiterspinnen: Faust nennt sich selbst auch den Unbehausten, und Gretchen ist symbolisiert im Hüttchen auf dem kleinen Alpenfeld, das der Sturzbach Faust in die Tiefe reißt. Vom Werther bis zum Faust, das war der Anfang: Wetter als ein Stück unmittelbarer Erfahrung immer präsent, als Gegenstand, als Metapher gar, wie in der Anrufung an Iupiter Pluvius, als Inspirationsquelle. Wie es weiterging, hat Albrecht Schöne auf den 22 Seiten seiner Abhandlung Über Goethes Wolkenlehre3 eindringlich geschildert: das ständige Aufmerken des ,ambulanten Wetterbeobachters', dann 1815 der Auftrag des Großherzogs an Goethe, sidi der Howardschen Wolkenbildungslehre anzunehmen, 1816/17 unter Goethes Oberaufsicht die Einrichtung einer meteorologischen Station auf dem Ettersberg, Goethes Gedicht Howards Ehrengedächtnis, seine wechselnden Theorien, bis hin zu seiner letzten ,Schrift zur Wolkenlehre': der Bergschluchten-Szene des Faust II. So feierlich beginnt der Versuch einer Witterungslehre von 1826, den Goethe nicht mehr veröffentlicht hat: Das Wahre, mit dem Göttlichen identisch, läßt sich niemals von uns direkt erkennen, wir schauen es nur im Abglanz, im Beispiel, Symbol, in einzelnen und verwandten Erscheinungen; wir werden es gewahr als unbegreifliches Leben und können dem Wunsd) nicht entsagen, es dennoch zu begreifen. V. Nun müßte man wieder in die Breite gehen: das Wetter hat seinen ordnungsmäßigen Platz in der Wirklichkeit erobert und wird ein fast obligates Beschreibungselement, etwa so: Au commencement du mois d'avril 1813, il y eut un dimanche dont la matinee promettait un de ces beaux jours oü les Parisiens voient pour la premiere fois de l'annee leurs paves sans boue et leur ciel sans nuages. Das ist der Anfang von Balzacs Femme de trente ans. Das 3

Jb. Ak. Wiss. Göttingen,

1968.

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Klischee kehrt zu Beginn der eigentlichen Erzählung bei großen und kleinen Autoren mit ebensolcher Regelmäßigkeit wieder, wie es in den Romanen des XVIII. Jahrhunderts fast regelmäßig fehlt: eine Errungenschaft. Natürlich können die Autoren ihr Wetter nach Lust und Laune machen, zu Nutz und Frommen ihrer Handlungsabläufe. Es stellt sich aber auch heraus, daß sie Wetter-Vorlieben haben: Gottfried Keller braucht goldenen Sonnenschein, Eichendorff operiert gern mit heranziehenden Gewittern, Jean Paul ist ein Meister der Wolkenspiele und Himmels-Beleuchtungseffekte, kann aber audi zwei Liebende, wie im Hesperus (34. Hundsposttag) durch einen Perlen- und Goldsand-Regen vereinen. Zu den Entdeckungen des X I X . Jahrhunderts gehören die Zwischenjahreszeiten vom Vorfrühling bis zum Nachsommer, die Monatsphysiognomien von September, Oktober, November, die Stimmungen die sich mit bestimmten Wetterlagen, zum Beispiel lang anhaltendem Regen, verbinden. So alt-ehrwürdig der Vergleich zwischen Regen und Tränen ist, so scheint mir der Stimmungsgehalt von Verlaines II pleut dans la ville, comme il pleure dans mon coeur eher neugefühlt. Im XX. Jahrhundert wird dann die Theater-Dramaturgie, die es seit Vorzeiten donnern und blitzen lassen konnte, die aber mit dem Regenmachen Schwierigkeiten hatte, durch den Film abgelöst, bei dem Regen und Nebel wichtigste Kunstmittel getönten und gedämpften Photographierens und lastender oder rätselvoller Atmosphäre werden. F. C. Delius, der unschuldige Veranlasser dieses literarischen Streifzuges durch die Jahrhunderte, hat — ohne sich von seiner schwerfälligen Theorie allzusehr an die Hand nehmen zu lassen — vielerlei Interessantes zur Praxis des X I X . Jahrhunderts zusammengetragen, zum Teil unter anregenden Überschriften wie im Raabe-Kapitel „Die antisemitische Sonne", „Der Wind als Kuppler", „Kapitalismus, Dreckwetter und Rettung daraus". Für unsere Betrachtungsweise ist besonders nützlich, was er zum Verschleiß des Wetterklischees und zur Ironisierung der überhandnehmenden Wetterbeschreibungen notiert. Ich verweise auf seine Beispiele von Raabe bis Fontane und Tolstoi (100 ff.). Was seine Theorie angeht, so gibt es gute Gründe für sie, sobald man auf eine zu abstrakte Ideologie verzichtet, nutzlose marxistische Klischees wie das von der bürgerlichen Kultur auf sich beruhen läßt und empirisch an die Texte herangeht. Dann zeigt sich tatsächlich, was zu demonstrieren war: die gesellschaftliche Implikation oder Dimension als bei aller Literatur Mit-Gegebenes. Das Winter-Trinklied des Alkaios setzt Herren-Dasein voraus, und sein Lied vom Seesturm meint politische Tatbestände. Das wenige, was von Horaz in dieser Skizze zu sagen war, zeigt ihn eingespannt zwischen der gemütlichepikureischen Kleinwelt seines Gutes und den politischen Ambitionen der Großen, denen er widerwillig bis zu den Alpen oder dem unwirtlichen Kaukasus zu folgen bereit ist. Selbst das horazische Wettergespräch, das oben zitiert wurde, hat ja eine politische Alibi-Funktion. Und so fort und so fort, bis zu dem letzten Beispiel, mit dem diese Kollektion abgeschlossen werden soll. Wieder handelt es sich um ein Wettergespräch, und wir lassen die in feinen Kreisen vor allem Großbritanniens gern diskutierte Frage, ob ein Gentleman,

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außer über die Politik, audi über das Wetter n i c h t sprechen dürfe, beiseite. Selbst wenn es unschicklich sein sollte, ist das Wettergespräch doch so unerhört praktisch, daß auch die gehobene Gesellschaft es nicht ganz entbehren kann. So offensichtlich in Shaws Pygmalion (1913), wo Professor Higgins aus dem Proletariermädchen Liza Doolittle ein gesellschaftsfähiges Wesen machen will und der ängstlidien Frau Higgins beruhigend mitteilt, er habe Liza so gut unterrichtet, daß sie in sechs Monaten für eine Herzogin gelten könne. Er habe ihr eingeschärft, sich für die Konversation auf zwei Themen zu beschränken, Wetter und Gesundheit. Wie die Sache im dritten Akt weitergeht, ist denen, die Pygmalion nicht gesehen haben, durch das Musical My Fair Lady bekannt. Liza bedient sich in ungezwungener Naivität des Wetterberichts, unter vollem Einsatz ihres Cockney-Vokalismus. Natürlich fällt Liza aus der Rolle, kommt zwanglos auf ihre vermutlich .abgemurkste' Tante zu sprechen, entsetzt ihre Zuhörer und wird am Ende doch von Professor Higgins geheiratet, nach dem alten Komödienrezept, wonach der Klassenkampf durch Eheschließung aus der Welt geräumt wird. Und was das Wetter anlangt: Pygmalion ist eines der wenigen Theaterstücke, die mit Platzregen anfangen, und der erste Satz heißt: Ich werde naß bis auf die Haut.

MANFRED BELLER

Jupiter Tonans Zur Tradition des Bildes vom numinosen Donnergott BLITZ, eine natürliche Funkentladung großen Ausmaßes zwischen verschieden geladenen Wolken oder zwischen Wolke und Erde. DONNER, das dem Blitz folgende rollende oder krachende Geräusch, das durch die plötzliche Ausdehnung der vom Blitz erhitzten Luft entsteht. (.Brockhaus 1967/68)

Der Enzyklopädist ist sich seiner Sache so sicher, daß er im Artikel „Gewitter" im festen Vertrauen auf den unaufhaltsamen Fortschritt experimentalwissenschaftlicher Erkenntnis exakt und gelassen eingestehen kann, „die theoretische Erklärung der Gewitterelektrizität ist noch umstritten". Und in der Tat weichen die Aussagen der Nachschlagewerke, auch nachdem Benjamin Franklin schon 1752 den ersten Blitzableiter gesetzt hat, in beträchtlichem Maße voneinander ab. Der fragende Menschengeist hat freilich nicht auf die Lösung der letzten mechanistischen Streitpunkte gewartet, sondern von alters her aus der Beobachtung der Natur seine eigenen Schlüsse gezogen und dem jeweiligen religiösen und politischen Weltbild eingepaßt. Die realistischste, d. h. auf der Höhe der naturwissenschaftlichen Erkenntnis ihrer Zeit stehende, literarische Beschreibung von Donner und Blitz ist ein Dialogstück aus den Wolken. Aristophanes setzt an die Stelle der Götter die Wolken als Urheber der sonst Zeus' Attributen zugeschriebenen Naturerscheinungen, womit er die dialektische Methode der sophistischen Modephilosophie bloßstellen will. Da es nie aus heiterem Himmel regne, gebe es auch keinen Zeus, der als verursachender Wettergott ja von Wolken und Gewitter unabhängig sein müßte. Der neureiche Bauer Strepsiades will aber doch genauer wissen, wer denn den Donner mache, und Sokrates erklärt ihm dessen Zustandekommen durch die Wolken (v. 376—378): οταν έμπλησθώσ' ύδατος πολλοί) κάναγκασθώσι φέρεσθαι κατακριμνάμεναι πλήρεις ομβρου δι ανάγκην, είτα βαρεΐαι εις άλλήλας έμπίπτουσαι ρήγνυνται και παταγοϋσιν. (Deutsche Übersetzung nach Seeger-Newiger, Darmstadt 1970): Wenn in reichlichem Maße mit Wasser gefüllt, sie von innen getrieben dahinziehn, Erdwärts durch die Schwere des Regens gedrückt, dann stürzen die wogenden Wasser

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Sich übereinander und bersten entzwei und krachen und poltern im Platzen. Obendrein läßt sich Aristophanes die Gelegenheit nicht entgehen, in komödiantisch derben, .bäurischen' Vergleichen das Donnergepolter mit dem Furzen von Strepsiades' überfressenem Leib und den Blitz mit den heißen zischenden Fettspritzern aufplatzender Bratwürste anschaulich zu erläutern. Zur wissenschaftlichen Erklärung des Blitzes deutet Sokrates abermals auf die Wolken (v. 404—407): δταν είς ταύτας άνεμος ξηρός μετεωρισθείς κατακλεισθη, ενδοΌεν αντάς ώσπερ κύστιν φυσφ, καπειθ' ύπ' ανάγκης ρήξας αΰτάς εξω φέρεται σοβαρός δια τήν πυκνότητα, υπό τοΰ ροίβδου και της ρύμης αΰτός εαυτόν κατακάων. Wenn in diesen ein trockener Wind sich verfängt, der empor in die Lüfte gewirbelt, Dann schwellt er sie auf, wie Blasen, und fest zusammengepreßt durch die Spannung, Zersprengt er sie plötzlich und drängt mit Gewalt sich heraus aus der platzenden Masse, Und vom Stoß und der heftigen Reibung entflammt, mit Sausen und Zischen verglüht er. Die fatalerweise dem Sokrates in den Mund gelegten Äußerungen hat Aristophanes aus den Theorien der seit etwa 600 vor Christus aufeinanderfolgenden Generationen der jonischen Naturphilosophen, vor allem aus Anaximander, Heraklit und Anaxagoras zusammengestellt. Abgesehen von der Unkenntnis der elektrischen Ursachen und Wirkungen des Blitzes kann die sophistische Entmythologisierung der geheiligten Zeus-Attribute jedoch heute noch bestehen, und zwar aufgrund der gleichen aufklärerischen Intentionen, die audi den modernen Enzyklopädismus bewegen. Naturwissenschaftliche Erkenntnis und Aufklärung einerseits und poetische Einbildungskraft mitsamt der mythenschaffenden Phantasie anderseits folgen zwei verschiedenen, gleichwohl parallelen Straßen: ab und zu ein spöttischer Seitenhieb von der einen, eine pathetische Replik von der anderen Seite — jedoch aller technokratischen Ideologie wie zum Trotz vergewissert sich der Mensch um so lieber seiner in langem kulturellem Prozeß gewachsenen Symbole, um die Gewalt des Inkommensurablen und Ubermächtigen in Worten und Bildern begreifbar machen zu können. Die eigentliche literarische Geschichte des Jupiter tonans beginnt ungeachtet des naturmagischen mythischen Ursprunges erst innerhalb des hellenistischlateinischen Kulturkreises und ist in den Köpfen der Poeten bis auf den heutigen Tag lebendig geblieben. Aus der ursprünglich religiösen Vorstellung leitet sich das Bild des schicksalsmächtigen, Orakel erteilenden, die Götterordnung und die Heiligkeit von Verträgen und Eidschwüren garantierenden Jupiter ab. Der patriarchalische Obergott wird in der Phase der Konsolidierung des

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römischen Kaisertums und dadurdi für alle nachfolgenden abendländischen Reichsbildungen zum religionspolitischen und hierarchischen Bezugspunkt. Sowohl diese repräsentative Funktion des Götterbildes als auch seine durch Jupiters Allmacht provozierte aufklärerische, satirische und sogar poetologische Relativierung verweisen auf umfassendere historische und thematische Zusammenhänge. Als Vorstudie stehe hier eine Untersuchung des Bildes vom n u m i n o s e n Donnergott, in dem sich wesentliche Züge des Jupiter fulgurans et tonans-Mythologems mit der Vorstellung vom christlichen Vater- und Herrschergott verbinden. *

αλλά και δς δείδοικε Διός μεγάλοιο κεραυνόν δεινήν τε βροντήν δτ' απ' ούρανόθεν σμαραγήστ). "(Homer llias X X I 198 f.) Vnd der HERR donnerte im Himel / Vnd der Höbest lies seinen donner ans / mit hagel vnd blitzen. (David-Luther Psalm 18.14) Apres tout, dit Jupiter ä Jehovah:

Tu n'as pas invente la

joudrel

(Val6ry Melange;

1939)

Der Vater der Götter und Menschen ist ein thronender Herrscher mit dem Szepter im Arm. Doch weit eindrucksvoller ist das Bild des Zeus als ausschreitender Kämpferfigur mit dem Donnerkeil in der erhobenen Rechten und der Aigis oder dem Adler über der vorgestreckten linken Hand. Er ist der blitzeschleudernde Verteidiger seines Olymps und der rächende Wächter über Gesetze und Eidschwur, wie Pausanias (V 22—24) einige seiner Statuen in der Altis von Olympia beschreibt und ihn am elegantesten die Bronzestatuette aus Dodona im Berliner Museum (nach 500 v. Chr.) darstellt. Mit seinem Blitzstrahl besteht Zeus die Schlachten der Olympier gegen Titanen, Giganten und den hundertköpfigen Typhoeus, zerschmettert den Blitz- und Donnerimitator Salmoneus und verbrennt selbst die eigene Geliebte und Mutter des Dionysos, Semele. Hinter dem Kult der Griechen und den Mythen ihrer Dichter verbirgt sich ein archaischer Wettergott, dessen Doppelnatur als Herrscher des heiteren Himmels wie auch der von Gewitterwolken verhangenen Berggipfel Arthur Bernhard Cook (Zeus — Α Study in Ancient Religion I — I I I , 1914/25/40) umfassend behandelt hat. Seine Machtsymbole hat der griechische Zeus noch mit anderen Donnergöttern gemeinsam, ζ. B. dem babylonischen Adad und dem biblisdien Jehovah, dem indischen Indra und dem germanischen Donar. Von Zeus sind schließlich auch die Mythen und Qualitäten für den römischen Jupiter entlehnt. Der „Iuppiter tonans" ist nun allerdings weder eine religionsgeschichtliche Übertragung noch eine Ubersetzung des άστραπαιος, κεραυνόβολος oder

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βρονταΐος und βροντών. Dieses Mythologem haben vielmehr die Dichter zur Zeit der Errichtung von Octavians Prinzipat in Mode gebracht, als die religiöse Abdankung des klassischen Göttervaters bereits nahe bevorstand. Jedoch der restaurativen Religionspolitik des Augustus und späterer Caesaren, besonders der Flavier, kamen die Erneuerungen des wiederholt vom Blitz eingeäscherten Tempels des kapitolinischen Jupiter Optimus Maximus recht gelegen, um mit der Restaurierung des zentralen Staatskultes an der Machtsymbolik des repräsentativen Jupiter-Bildes, das nach Livius (XXII 1.17) seit 217 v. Chr. ein fünfzig Pfund schweres goldenes fulmen in der rechten Hand hielt, teilzuhaben — und alsbald wurde Jupiter tonans zu einem beliebten Topos der lateinischen Kaiser-Enkomiastik. Diese Klarstellung des Titels war angesichts der philologisch umwölkten Stirn der strengen Wissenschaft vorwegzunehmen. Die Geschichte des Donnergott-Motives erweist sich jedoch gemessen an dem deutlich abgrenzbaren historischen Fixpunkt als eine ununterbrochene Kette fruchtbarer Mißverständnisse. Das ist leicht erklärlich; denn das Phänomen übermächtiger Naturgewalten ist eine von jedem Menschen und zu allen Zeiten wiederholte Erfahrung, und außerdem steht die nachantike literarische Tradition ja im Zeidien jenes anderen Gottes, der sein Gesetz bereits mit Donnerstimme vom Sinai herab verkündet und dessen Kriegsgewitter schon der Psalm Davids gefeiert hatte. Klassische und alttestamentarische Vorstellungen beherrschen wechselweise das Bild vom numinosen Donnergott. Im Lichte der Mythenforschung, die auch die Parallelen und Einflüsse aus dem Kulturkreis des Vorderen Orients berücksichtigt, ist sogar schon der klassische Göttervater der griechischen und lateinischen Dichtung ein ,Mißverständnis'; denn sein Bild ist einer zunehmenden Stilisierung durch die selektive literarische Tradition unterworfen. Ein Endprodukt dieses Prozesses ist das Jupiter tonans-Mythologem, das nun seinerseits eine weiterführende Tradition auslöst. Schon an den Waffen des Wettergottes ist diese Entwicklung deutlich ablesbar. Hesiod erwähnt kurz (Theog. 140 f., 504), daß die Kyklopen Brontes, Steropes und Arges zum Dank für ihre Befreiung aus dem Tartaros dem Zeus Blitze und Donner schmieden. Die Details der Blitzschmiede beschreibt Vergil, als Vulkan auf Bitten der Venus in den Ätna hinabsteigt, und er achtet darauf, daß alle Gewitteringredienzen, Hagel, Wolkenbruch und Sturm, jeweils in dreifacher Ausführung zum klassischen Strahlenbündel zusammengeschmiedet werden (Aen. VIII 426—432): his information manibus iam parte polita fulmen erat, toto genitor quae plurima caelo deicit in terras, pars inperfecta manebat. tris imbris torti raios, tris nubis aquosae addiderant, rutili tris ignis et alitis austri: fulgores nunc terrificos sonitumque metumque miscebant operi flammisque sequacibus iras.

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So gerüstet waltet das Götterbild seines Amtes, zunächst als allmächtiger Herrscher, der seine Feinde zerschmettert und Götter und Menschen erschreckt. In den diesem Kapitel Vorangesetzen //i Ebd. 51. m Ebd. 80. 51 Ibsen: Werke, IV 403. 58 Ebd. 372. «» Ebd. 402. 44

Spuren Ibsens in Gerhart Hauptmanns frühen Dramen

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keit der Handlung und Unentschiedenheit des Autors. Nicht anders als mit Handlung und Dialog verhält es sich mit den Bühnenanweisungen, durch die Hauptmann sehr viel stärker als Ibsen — doch zweifellos auch von ihm angeregt — den Interpretationsspielraum für Regisseure, Bühnenbildner und Schauspieler auf ein Minimum einschränkt. Exakt wie Ibsen beschreibt Hauptmann die Orte der Handlung bis zum teilweise belanglosen Inventar der Wohnräume. Darüber hinaus liefert er, was bei Ibsen höchstens angedeutet ist: Beschreibung aller auftretenden Personen im Detail (Größe, ungefähres Alter, Knochenbau, Farbe der Augen, Gesichtsausdruck etc.) und Angaben über jede Art von sichtbarer Lebensäußerung (wie Helene mit brennenden Augen beobachtet, wie sie durch einen drohenden Blick etwas erreicht54, wie ihr Vater sie mit laszivem Blicke fixiert 55 , wie sich Schimmelpfennig verbeugt [ein wenig linkisch5e], wie Hoffmann Entrüstung heuchelt57 etc.). Die Einengung des Spielraums, die Hauptmann als für das naturalistische Theater notwendig erachtet haben mag, geht zwar über Ansätze bei Ibsen hinaus, bedeutet aber keine positive Weiterentwicklung dieser Ansätze. Die versuchte Illusionsperfektion scheitert — wie auch bei den von Holz und Schlaf gelieferten Beispielen für Kunstnaturalismus — an den Mitteln, die für die Produktion (als vermeintliche Reproduktion der Wirklichkeit) und die Reproduktion (als geforderte Re-Reproduktion) zur Verfügung stehen, außerdem an der Imagination und dem Denkvermögen von Rezipienten, die nicht mit einfachen Kunstgriffen zum Verzicht auf ihre Selbständigkeit gebracht werden können. Hauptmanns Zuviel im Vergleich mit Ibsen wird durch ein Zuwenig ergänzt: Die Technik des analytischen Dramas, also der Enthüllung einer Vorgeschichte, die das Dramengeschehen nicht nur erklärt, sondern es begründet, die nicht nur einleitet, sondern an Höhepunkt und Schluß heranreicht, — diese Technik, mit der Ibsen virtuos zu spielen verstand (auch in den Gespenstern und der Wildente), wird von Hauptmann in Vor Sonnenaufgang nur mäßig gehandhabt, keineswegs beherrscht: Weder das Lebensschicksal Loths noch das Helenes oder einer anderen Person kann auf die Aufmerksamkeit Anspruch machen, die ihm entsprechend dem Gewicht der Ereignisse, die sich in der Gegenwart abspielen, zukommen müßte. Die These von der den Menschen determinierenden Macht vergangener Ereignisse wird nicht einmal deutlich, geschweige denn glaubwürdig veranschaulicht oder gar bewiesen. So kann sich die Liebesepisode verselbständigen und die Absichten Hauptmanns durchkreuzen; denn entweder erscheint ihre Initiation und Entwicklung als von Zufälligkeiten bestimmt oder ihr Ende verdrießt, weil es nicht genügend motiviert ist. Liebesverhältnisse lassen sich nicht kurzerhand ohne Schuld eines Beteiligten annullieren. Die Vorväter-Schuld ragt in diesen Bereich nicht hinein und kann nicht als Alibi benutzt werden. 64

Vgl. CA, I 37. " Ebd. 40. M Ebd. 54. 57 Vgl. ebd. 57.

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Hauptmanns Drama Das Friedensfest, entstanden Ende 1889 und am 1. Juni 1890 in der Freien Bühne uraufgeführt, von Ibsen als eigenartige Dichtung angesehen58 und von Fontane mit eingeschränktem Lob bedacht 59 , bedeutet unter verschiedenen Gesichtspunkten sicher einen Fortschritt gegenüber Vor Sonnenaufgang. Daß die Spuren Ibsens deutlicher hervortreten, ist natürlich kein Beweis für den Fortschritt, hängt aber eng mit ihm zusammen. Die Aufführung der Gespenster am 29. September 1889 hatte auf Hauptmann einen so starken Eindruck gemacht 590 , daß er in den folgenden Wochen bei der Ausarbeitung des Friedensfestes bemüht sein mußte, der Versuchung zur Nachahmung mit einer eigenen Konzeption zu begegnen: Dem Familiendrama Ibsens stellt er eine Familienkatastrophe gegenüber, wobei er allerdings statt einer Schlußkatastrophe, wie sie Ibsen bietet, einen offenen Sdiluß, der erfreuliche Entwicklungen immerhin denkbar erscheinen läßt, bevorzugt: Ida Buchner, die verspätete Gegenspielerin Loths, nimmt sich des erblich belasteten psychopathischen Freundes an, um ihn durch Liebe zu heilen. Daß die Erbkrankheit in der Familie Scholz eine andere ist als in der Familie Alving (nämlich Neurasthenie und Zwangsvorstellung), daß die beiden Familien trotz auffallenden Gemeinsamkeiten (sozialer Stand, künstlerische Neigung der Söhne Osvald und Wilhelm) durch ganz eigene Schicksale gekennzeichnet sind und daß schließlich die Figurenkonstellationen der beiden Dramen nur auf Umwegen, also ohne zureichenden Grund als Parallelkonstruktionen angesehen werden können, zeigt Hauptmanns Fähigkeit der souveränen Behandlung eines Stoffes, der — gleichgültig, ob irgendwie erfunden oder irgendwo gefunden — keinen Eigenwert hat, sondern nur im Dienste einer Idee, einer deutlich ausgesprochenen Tendenz funktioniert. Anders wäre es nicht zu erklären, daß die vordergründigen Unterschiede der beiden Stücke dem Urteil Rosmarie Zanders nicht im Wege standen, Hauptmann sei mit seinem Friedensfest „kaum über eine schwache Nachahmung der Ibsenschen G e s p e n s t e r hinausgelangt." 60 Dieses Urteil ist nicht haltbar, aber auch nicht aus der Luft gegriffen. Denn nicht zu bestreiten ist Hauptmanns Übereinstimmung mit Ibsen in dem Punkt, der für beide zentrale Bedeutung hatte: Der Darstellung eines kausalgesetzlich ablaufenden Zerstörungsprozesses innerhalb von Familien, die durch Lieblosigkeit, Zynismus und Lüge im Mark erschüttert sind. (Hauptmanns Versuch einer Durchbrechung des Kausalnexus durch die am Schluß eröffnete positive Wende, die mit der angekündigten ,Katastrophe' unvorteilhaft kontrastiert, hat im Zusammenhang des ganzen Stückes keine rechte Überzeugungskraft; es sei dahingestellt, ob der Einfall durch Hauptmanns Wunsch, sich gegenüber Ibsen zu profilieren, hervorgerufen wurde.) Brief Ibsens an Hauptmann vom 16. Mai 1890 (zit. nach: Hauptmann — Leben und Werk, 62). 5 9 Vgl. Hauptmann — Leben und Werk, 62. 5»o Vgl. Die Kunst des Dramas, 196 (aus Hauptmanns Tagebuchaufzeichnungen): Unter ganz ungeheurem Staunen ließ ich die Vorstellungen der,Gespenster' auf mich wirken, mit Bewunderung verfolgte id) daheim den unbegreiflich feinen und natürlichen Dialog. 6 0 Rosmarie Zander (vgl. Anm. 19), 75. 58

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Gespenster bevölkern das Landhaus bei Erkner, den Schauplatz des Friedensfest-Gesdiehens, genauso unheimlich wie das Landhaus in Norwegen, in dem Ibsen die Tragödie der Familie Alving enthüllt: Sie sind die Geister der Vergangenheit, die mit der Heimkehr verlorener Söhne 61 Einzug halten in die Häuser. Die Rückkehr Osvalds und Wilhelms nach langer Abwesenheit — zur Teilnahme an christlichen Feiern! — führt in beiden Fällen sehr schnell zur Frage nach dem Grund ihrer Absenz. Die Antwort ist das Thema der Stücke: Die Ehen der Eltern werden als schauerliche Abgründe sichtbar. Die Väter hatten geistig oder körperlich an ihren Frauen nicht genug und demütigten sie, solange sie bei ihnen blieben, und wurden selbst tyrannisiert durch Duldung und Unterwerfung der Gedemütigten. Die Probleme werden nicht dadurch aus der Welt geschafft, daß Alving stirbt und Scholz sein Haus verläßt: Kranke Kinder und verzweifelte Frauen bleiben zurück, die Spuren des Geschehenen lassen sich nicht auslöschen; neues Unheil kündigt sidi an, als Osvald, der von der Paralyse Gezeichnete, Regine, die lebenslustige Tochter seines lebenslustigen Vaters, begehrt und Robert Scholz an der Braut seines Bruders Gefallen findet. Die Gegenwart der Väter dokumentiert sich aber noch deutlicher: Der Hauptmann und Kammerherr Alving lebt sichtbar in einer Stiftung fort, für die seine hinterlassenen Barschaften verwendet worden sind und deren wichtigster Teil ein kurz vor der Einweihung stehendes Asyl ist. Der Arzt Fritz Scholz kehrt leibhaftig zurück, unerwartet und unheilbringend. Was in der Gegenwart geschieht und von der Vergangenheit berichtet wird, ist im einzelnen bei Hauptmann ganz anders als bei Ibsen, aber gemeinsam ist beiden Stücken die drückende Atmosphäre, die von Haß, Selbstsucht, Angst, roher Sinnlichkeit und Schuldbewußtsein geladen ist. In beiden Dramen vermögen defekte Menschen die Klammer des Schicksals nicht aufzubrechen. Vergleichbar ist noch dies: Bevor der Vorhang am Ende des 2. Akts fällt, verschwinden die Väter. Alvings Asyl brennt ab, Fritz Scholz stirbt. Die Spuren der Gespenster haben sich in Das Friedensfest auch deshalb eingegraben, weil Hauptmanns Beschäftigung mit der dramatischen Technik Ibsens in diesem Stück deutlichere Folgen gezeitigt hat als in Vor Sonnenaufgang. Das Bühnengeschehen wird auf 3 Akte verteilt, die Vorgeschichte in Dialogen mit wechselnden Partnern langsam enthüllt, wobei Andeutungen verschiedenster Art die mehr auf die vollständige Analyse des Vergangenen alsi auf die Veränderung der Gegenwartssituation gerichtete Spannung wachhält oder steigert. (Etwa: Das ungewöhnliche Verhalten der auftretenden Personen provoziert das Interesse an den Ursachen dieses Verhaltens; Andeutungen wie die Wilhelms: Die Vergangenheit kommt einem so nah — so aufdringlich nah; — man kann sich . . . förmlich wehrlos ist man62, steigern dieses Interesse, das dann sukzessive befriedigt wird.) Nicht so deutlich wie bei Ibsen, aber für das Verständnis des Grundproblems deutlich genug, wird bei Hauptmann die erinnerte Vergangenheit als Gegenwart lebendig und setzt sich bruchlos fort auf •l Vgl. Ibsen: Werke, IV 117. 62 CA, I 125.

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dem Weg zur Katastrophe; eingeschobene retardierende Ereignisse wie die rührenden Versöhnungsszenen verstärken die Wirkung der Präzipitation. Hauptmann begnügt sich auch im Friedensfest nicht mit einer anscheinend objektiven Schilderung von tragischen Verflechtungen und unlösbaren Verkettungen, sondern er stellt wieder — anders als Ibsen — Schuldige und Unschuldige, Kranke und Gesunde, schwarze Böcke und weiße Schafe einander gegenüber, um eindeutige Urteile über die Akteure und ihr Tun zu ermöglichen. Marie Buchner und ihre Tochter Ida werden daher mit Kränzen geschmückt, die den Vortrefflichen gebühren. — Dieser Hang zur Entschiedenheit, zum Entweder/Oder-Standpunkt zeigt sich auch wieder in Hauptmanns minuziösen Bühnenanweisungen, die jedes Mienenspiel und jede Handbewegung regeln. In diesem Punkt bleibt sich Hauptmann auch in seinem nächsten Drama treu. *

Einsame Menschen hat Hauptmann selbst für das beste seiner frühen Dramen gehalten 63 . Das Stück, das in der zweiten Hälfte 1890 geschrieben und am 11. Januar 1891 in der Freien Bühne uraufgeführt wurde, verarbeitet stärker als Das Friedensfest persönliche Erlebnisse Hauptmanns, über die er in seinen autobiographischen Aufzeichnungen berichtet hat 84 . Das Scheitern der Ehe seines Bruders Carl — nicht hervorgerufen, aber deutlich geworden und beschleunigt durch die Bekanntschaft mit einer in Zürich studierenden Polin namens Anna Krzyzanowska*5 — ist der dramatische Rohstoff, der im Stück verarbeitet ist. Freilich will Hauptmann in der Hauptfigur kein bloßes Abbild des Bruders sehen: Johannes Vockerat gehabt sich wie Carl, und doch bin ich im Fühlen, Sprechen und Handeln weit mehr als er Johannes Vockerat.™ Von dem Selbstporträt erinnern einige Spuren an dramatische Vorbilder: Der Advokat Helmer, Hausherr des ,Puppenheims', und der gewesene Oberpfarrer Johannes Rosmer, Eigentümer von Rosmersholm, haben offenbar auf den egozentrischen Grübler eingewirkt. Einsame Menschen ist ein Ehedrama wie Ibsens Puppenheim (Nora), ein Liebesdrama wie Ibsens Rosmersholm und wie dieses und jenes Stück ein Drama aktueller politischer und weltanschaulicher Auseinandersetzungen. Acht Jahre benötigt Nora, Helmers heißgeliebte Nora67, seine kleine Lerche*8, sein entzückendes, reizendes Weibchenββ, um einzusehen, daß sie ihrem 6 3 Vgl. Eberhard Hilsdier: Gerhart Hauptmann, Berlin 1969, 114. •4 Vgl. Gerhart Hauptmann: Die großen Beichten, Berlin 1966, 6 6 6 — 6 6 9 . (Aus: Das zweite Vierteljahrhundert.) ' 5 Gerhart Hauptmann: Die großen Beichten, Berlin 1966, 666. — An den Vornamen hat sich Hauptmann nicht richtig erinnert: Die Freundin seines Bruders hieß Josepha Krzyzanowska. Vgl. Karl Musiol: Carl Hauptmann und Josepha Kodis, in: DVJS 34 (1960), 2 5 7 — 2 6 3 . · · Gerhart Hauptmann: Die großen Beichten, Berlin 1966, 668. •7 Ibsen: Werke, I V 49. «» Ebd. 67. Ebd. 76.

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Mann nicht mehr war und ist als eine Puppenfrau. Er war in sie verliebt, ohne sie zu lieben 70 ; nach der Stärke und dem Wert i h r e r Liebe hat er wenig gefragt. Als er seine Karriere bedroht sieht, weil Nora vor Jahren, um sein Leben zu retten, die Unterschrift ihres gerade gestorbenen Vaters gefälscht hat, gerät seine Welt ins Wanken: Mein ganzes Glück hast Du zerstört.n — Aus der schmerzlichen Einsicht zieht Nora die Konsequenz: Sie verläßt den Mann, der sie nur gebrauchte, aber nicht verstand. Johannes Vockerat hat seine Frau Käthe nie geliebt, weil er zu sehr mit sich selbst beschäftigt war. Schon bevor er sich von Anna Mahr faszinieren läßt, ist die junge Ehe gescheitert: Johannes verlangt nach Applaus für sein wissenschaftliches Werk, das er selbst am höchsten schätzt (Zwölf Seiten Quellenangaben allein72); er ist süchtig nach Anerkennung seiner geistigen Qualitäten und läßt seine Frau wissen, daß er diese Anerkennung von ihr nicht erwarten könne, weil sie die dafür erforderlichen Bildungsvoraussetzungen nidit erfülle. Zwar ist ihre Bemühung rührend, aber sie bestätigt nur, daß sie kein Urteil haben kann13. Weil Käthe seine Arbeit — Sie kommt zuerst und zuzweit und zudritt74 — nicht zu beurteilen in der Lage ist, kann Johannes sagen, was eigentlich nie fraglich war: Nein — Käthe! — wir passen wirklich nicht zusammen!75 Schrecklicher noch als Noras Los ist das Käthes, weil diese sich nicht aus dem unwürdigen Zustand befreien kann, sondern bis zum Schluß die nur Leidende bleibt; der Freitod des Mannes wird ihr Leben noch mehr verdunkeln. Johannes Vockerat ist so sehr in sich befangen, daß er kaum zur Liebe gegenüber einem anderen Menschen befähigt erscheint. Doch Hauptmann hat sein Verhältnis zu Anna Mahr, der in Zürich studierenden Russin, als ein Liebesverhältnis besonderer Art, als eine auf geistiger Verwandtschaft beruhende innige Freundschaft76 dargestellt und damit eine dramatische Situation geschaffen, wie sie ihm aus Rosmersholm vertraut war. Daß er diesem Drama wichtige Anregungen verdankte, hat Hauptmann nicht zu verbergen gesucht. Die Fülle eigener Erlebnisse und Überzeugungen, die seinem Drama zugrundeliegen, gestattete im Gegenteil den durch betonte Übernahme von Einzelheiten gegebenen Hinweis auf Parallelen zum Drama Ibsens. Johannes heißt der Held bei Hauptmann wie bei Ibsen (daß an die Gestalt des biblischen Johannes, des Vorläufers Jesu, dabei gedacht war, ist wohl nicht so selbstverständlich, wie Rosmarie Zander glaubt 77 ); das Geschehen 70 71

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Vgl. ebd. 88. Ebd. 83. CA, I 180. Ebd. 206. Ebd. 209. Ebd. Vgl. ebd. 229. Vgl. Rosmarie Zander (vgl. Anm. 19), 112: „Da ist zuerst die Gleichheit der Namen der beiden Helden: Johannes. Hauptmann hat ihn gewiß nidit von Ibsen übernommen, weil ihm kein anderer eingefallen wäre. Ihm muß klar gewesen sein, daß diese Namengebung etwas über die Person des Helden aussagen sollte. Ist

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spielt sich in einsamen Landhäusern, die nahe an schicksalsträchtigen Wassern liegen, ab; in dem großzügigen Wohnraum Rosmers hängen Porträts von Geistlichen, Offizieren und Beamten in Uniform19, in Vockerats nicht weniger großzügigem Wohnraum Bildnisse — Photographie und Holzschnitt — moderner Gelehrten (auch Theologen), unter ihnen Darwin und Haeckel79. Das Geschehen in beiden Dramen, das bei Ibsen im wesentlichen als vergangenes enthüllt, bei Hauptmann als gegenwärtiges vorgeführt wird, ist ganz ähnlich: Eine Ehe erweist sich als unzureichend fundiert, weil der Mann sich in seinen geistigen Bestrebungen nicht verstanden fühlt und seiner Frau grollt; eine von außen hinzutretende Frau erscheint dem Mann als Verkörperung eines Ideals, das Sehnsucht weckt und Erfüllung verheißt; die Ehe zerbricht, eine neue wird aber nicht geschlossen, weil der Mann sich für den Tod durch Ertrinken entscheidet. Neben den Gemeinsamkeiten im äußeren Handlungsablauf gibt es zahlreiche Differenzen, die für die Wirkung der Stücke — das heißt auch für die Einschätzung des Geschehens und die Kritik an den Figuren — nicht ohne Bedeutung sind. Besonders auffallend ist der Unterschied zwischen Rebekka West und Anna Mahr: Diese ist überlegen und liebenswert sanft; sie verbindet Klugheit mit Bescheidenheit; Vockerats Ehe zu zerstören, um an Käthes Stelle treten zu können, erschiene ihr frevelhaft. Jene ist einfallsreich und dämonisch; um Rosmer ganz zu besitzen, treibt sie seine Frau Beate in den Tod; im Umgang mit Rosmer wandelt sie sich, bereut ihre Schuld schließlich und sühnt sie. Wenigstens in einem Fall hat Rosmer sein Ziel, Adelsmenschen zu erziehen80, erreicht. Das Hauptproblem der Ibsenschen Nora: wie kann eine Frau die Ansprüche ihres Herzens und ihres Verstandes, die Ansprüche auf gesellschaftliche Respektierung ihrer Leistungsfähigkeit und auf private Anerkennung ihrer freien Verfügungsgewalt im eigenen Lebensbereich durchsetzen? — dieses Problem wird auch von Hauptmann in den Einsamen Menschen aufgegriffen. Aber die gedemütigte Frau findet keine überzeugende Antwort; es wird der Nebenbuhlerin überlassen, durch ihr Auftreten den Glanz einer schon emanzipierten Frau zu verbreiten. Käthes Not, die audi die Not Noras war, wird so freilich nicht behoben. Hauptmann hat auch das Problem des Ibsenschen Johannes aufgegriffen, das sich um die Frage bewegt: in welcher Richtung liegt die politische und

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Johannes im Neuen Testament der Vorbote des Messias, der seine Ankunft und damit die Erlösung und ein besseres Leben verheißt, so wird auch der Ibsensdie Johannes der hellsichtige Künder einer neuen Weltauffassung, dessen Aufgabe auf Erden nicht darin bestehen konnte, Ibsens Idealbild der Zukunftsmenschen, die freudigen Adelsmenschen, zu verwirklichen, sondern nur sie anzusagen. Wenn sich Hauptmann gleichfalls zum symbolhaften Namen Johannes entschließt, muß er damit die Absicht verbunden haben, auch seinem Johannes Vockerath etwas von dem Sendboten einer neuen Zeit zu verleihen." Ibsen: Werke, IV 423. CA, I 169. Vgl. Ibsen: Werke, IV 446.

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weltanschauliche Entwicklung der Welt und des einzelnen, die den Fortschritt zum Besseren im menschlichen Zusammenleben garantieren kann? Johannes Vockerat sieht freilich das Heil nicht wie Johannes Rosmer in einem neuen Menschen, der sich unabhängig vom herrschenden Zeitgeist und unabhängig von streitenden Parteien verwirklichen muß 8 1 , sondern in dem Sieg einer Partei über eine andere: Die Wissenschaft triumphiere über die Religion, die sich selbst bestimmende freie Persönlichkeit breche aus der Fron konventioneller Ordnungsvorstellungen aus. Hauptmanns Johannes scheitert aber nicht, weil das Überlebte zu stark ist, auch nicht — wie Ibsens Johannes — weil die Welt (in ihr die eine Partei so gut wie die andere) in kleinlichem Egoismus befangen ist, sondern weil er zu schwach ist, um sich durchzusetzen. Sein Pathos ist stärker als sein Wille; er bedeckt seine Ohnmacht mit Worten. Hauptmann brauchte zum Verständnis des Gegenwartsgeschehens keine Vorgeschichte aufzurollen (wie es bei Ibsens Rosmersholm im spannungsreichen Nacheinander, mit schlaglichtartigen Enthüllungen, gezielten Andeutungen und beunruhigenden Retardationen geschieht); die Dreiecksgeschichte beginnt auf der Bühne und geht dort ihrem Ende zu. Lebhafte Handlungen, in deren Verlauf Konfliktsteigerungen oder entscheidende Positionsverschiebungen für dramatische Spannung im herkömmlichen Sinne sorgen könnten, fehlen; die vorgetragenen Meinungen, die von ferne an Praktiken des epischen Theaters erinnern könnten, sind für die meisten Zuschauer und Leser kein befriedigender Handlungsersatz. — Bei der ersten öffentlichen Aufführung der Einsamen Menschen nahm der Regisseur einen Eingriff vor, der dem ahnungslosen Publikum nicht bewußt wurde, da er den Zusammenhang des Stückes nicht zerstörte: E r strich den ganzen 3. Akt 8 2 . Das Drama bestand damit nur noch aus 4 Akten — wie Rosmersholm. *

Hauptmann war weder ein gelehriger Schüler noch ein Epigone Ibsens. Seine frühen Dramen sind Spiegelungen seiner erlebten Welt, seiner Empfindungen, Überzeugungen und Pläne. D a ß die Begegnung mit Ibsen für den Menschen Gerhart Hauptmann und damit für sein Werk beträchtliche Folgen hatte, ist allerdings offenkundig und auch für die Jahre nach 1891 leicht nachweisbar 8 3 . Den Spuren Ibsens zu folgen, kann dazu beitragen, die Eigentümlichkeit Gerhart Hauptmanns, besonders seine Unverwechselbarkeit, seine betonte Individualität, die schon für den jungen Dramatiker kennzeichnend ist, zu erkennen und zu schätzen. — D a ß Hauptmann Ibsens Kunst der dramatischen 81 82 83

Vgl. ebd. Vgl. Hanstein: Das jüngste Deutschland, 222. Rosmarie Zander ist in ihrer Dissertation (vgl. Anm. 19) noch auf die folgenden Dramen Hauptmanns (unterschiedlich gründlich) eingegangen: Kollege Crampton, Hanneies Himmelfahrt, Die versunkene Glocke, Michael Kramer, Und Pippa tanzt und Gabriel Schillings Flucht.

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Handlungsführung, Charakterzeichnung und Dialogsteuerung nicht erreicht hat, läßt sich nicht damit erklären, daß er die Muster nicht genügend studiert habe, sondern damit, daß er keinen Mustern mit Fleiß nachstrebte. Auch läßt sich Hauptmann nicht vorwerfen, er habe Ibsens Idealismus zu einem plakativen Irrationalismus planiert und Erhabenes in Sentimentales gewandelt: Hauptmann ließ Ibsens Idealismus unangetastet; und er hatte seine eigene Meinung über das, was rühren und erheben kann. Die Erörterung dieser Meinung und anderer Spezialitäten Hauptmanns würde von Ibsens Spuren weit abführen.

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Weltliteratur zwischen Vulgäridealismus und Repräsentation Der Nobelpreis für Literatur in der Belle Epoque Der Mensch, durchtrieben und gescheit, Bemerkte schon seit langer Zeit, Daß ihm hienieden allerlei Verdrießlich und zuwider sei. Nicht so der Dichter. Kaum mißfällt Ihm diese altgebackne Welt, So knetet er aus weicher Kleie Für sich privatim eine neue Und zieht als freier Musensohn In die Poetendimension. Wilhelm Busdi: Balduin

Bählamm

„It's still the most respected prize on earth," said Craig. „Of course it is. You know whyf Because most of the democratic world has abolished titles and all that crap. But men are human. They yearn for titles, for an elite, for an upper class. The peasants have their equality, but there is the old nostalgia for royalty. So along comes the Nobel Prize, at the right time, at the turn of the century when everything is drab and dull. The masses were waiting for it. They made it the new knighthood. That's why it's respected and popular." Irving Wallace: The Prize Wie die anderen literarischen Auszeichnungen, ja mehr noch als diese, bietet der Nobelpreis 1 allherbstlich den professionellen wie nichtprofessionellen, 1

Der größte und wertvollste Teil der Publikationen zu diesem Thema geht mittelbar oder unmittelbar auf die Nobelpreisstiftung zurück, so Henrik Sdiück — Ragnar Sohlmann: Nobel, dt. Ausg. Leipzig 1928 [zit.: Schück-Sohlmann]; Anders österling: The Lit. Prize — Alfred Nobel and Lit., in: Nobel — The Man and His Prizes, ed. by the Nobel-Foundation, Stockholm 1950 [zit.: österling]. Besondere Erwähnung verdient die seit Ende der sechziger Jahre im Zürcher Coron-Verlag unter der Schirmherrschaft der Nobelpreisstiftung erscheinende große Sammlung Nobelpreis für Lit., die jedem Preisträger einen Band widmet. Sie ist weniger der dort publizierten, in der Regel auch anderwärts zugänglichen Texte halber als vielmehr wegen der diesen Texten vorangestellten Materialien für den Forscher von Interesse. Sie umfassen neben Biographien und Bibliographien (von unterschiedlichem Wert) eine stets lesenswerte, sich auf bisher der Öffentlichkeit nicht bekannte Dokumente und Interna stützende, in der Regel sehr kritische Vorgeschichte der einzelnen Verleihungen, schließlich auch die in unserem Zusammenhang besonders

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den wahren wie den falschen Freunden der Literatur Gelegenheit zu überraschtem Stirnrunzeln, befremdetem Kopfschütteln und resigniertem Zungeschnalzen. Häufig genug werden die Argumentationen und Polemiken überschattet von politischen Emotionen, die regelmäßig dann hochquellen, wenn ein Mann der anderen Couleur, ein Ungläubiger, den Preis erhalten hat, heiße er nun Sartre, Pasternak, Solschenizyn oder Boll. Es gibt aber neben dieser aktuellen journalistischen, sich jeweils auf die Person eines Preisträgers (oder eines Übergangenen) beziehenden Polemik noch eine weniger zeitgebundene, grundsätzlichere, weiter ausgreifende Kritik, die sich nicht nur im Feuilleton, sondern auch in der Literatur bis hin zu den Publikationen der Stiftung selbst niedergeschlagen hat 2 . Insbesondere die folgenden sich einander oft überschneidenden, oft gegenläufigen Vorwürfe werden immer wieder erhoben: das Preisgericht bevorzuge bestimmte Literaturen (die skandinavischen und deutschsprachigen, die französische) und benachteilige andere (die russische und amerikanische), es nehme zu viele politische Rücksichten, vernachlässige in dem Bestreben, möglichst viele Nationalliteraturen mit einem Preis zu bedenken, die literarische Qualität, das Durchschnittsalter der bedachten Autoren (wie auch das der über die Preisverleihung wachenden Instanzen) sei zu hoch, biederen Epigonen würden größere Chancen eingeräumt als rebellischen Talenten. Dies alles mündet schließlich in die große Generalanklage: die Liste der preisgekrönten Autoren in ihrer bunten Mischung aus einer Minderheit wahrhaft preiswürdiger und für die Literaturgeschichte des X X . Jahrhunderts charakteristischer Autoren (Hauptmann, Hamsun, France, Shaw, Thomas Mann, Pirandello, O'Neill, Gide, Faulkner, Hemingway, Camus) mit einer Mehrheit zweitrangiger oder zumindest für die Literatur der Zeit nicht gerade repräsentativer Autoren (der Verfasser möchte sich Beispiele für diese Gruppe versagen) und schließlich einer gewissen Anzahl undiskutabler Außenseiter (darunter der erste Nobelpreisträger, Sully-Prudhomme, ferner Echegaray, Eucken, Pontopiddan, Karlfeldt, Sillanpää) stelle alles andere als ein Spiegelbild der großen literarischen Leistungen dieses Jahrhunderts dar. Immer wieder fallen die

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wichtigen Texte der Verleihungsreden (Laudatio durdi Akademiesekretär, Rede des Preisträgers). Diese sind auch publiziert in: Nobel Lectures. Lit. 1901—1967, ed. by Horst Frenz, Amsterdam 1969. Bei einer weiteren Gruppe von Publikationen zum Nobelpreis handelt es sich um bio-bibliographische Zusammenstellungen, meist mit Abdruck kürzerer Texte und weiteren — in der Regel nur einführenden — Informationen: Willy H a a s : Nobelpreisträger der Lit. — Ein Kap. Weltlit. des XX. Jh.s, München 2 1964 [zit.: H a a s ] ; Armin Herrmann u . a . : Dt. Nobelpreisträger, München 1968; Ruhm und Ehre. Die Nobelpreisträger für Lit., hg. v. Rolf Hochhuth und Herbert Reinoß, Gütersloh o. J. (1970) [zit.: R E ] , darin Vorwort von Martin Walser: Nobel und die Nobelpreisträger [zit.: Walser]; Dt. Nobelgalerie von Theodor Mommsen bis Heinrich Boll — Deutschlands Litpreisträger aus siebzig Jahren, hg. v. Werner Höfer, Percha 1972. S. auch Anm. 44. Unter den zahlreichen Kritiken zur Verleihungspraxis vgl. vor allem 'Österling 133: „The history of the Nobel Prize in Literature is also a history of inexpiable sins of omissions" (österling war Sekretär der Schwedischen Akademie!); ferner Haas passim; Walser 7 ; Ernst Meier: Alfred Nobel — Nobelstiftung — Nobelpreise, Berlin 1950, 88 f. [zit.: Meier].

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Namen der großen Übergangenen: Zola, Proust, Joyce, Strindberg, Ibsen, Brecht, Gorki, dazu häufig noch ein Name aus der vom Nobelpreiskomitee besonders mißhandelten spanischen Literatur 3 . Der Kanon der Namen der von der Nobelpreisstiftung Geehrten deckt sich also keineswegs mit dem (auf seine Art freilich auch höchst problematischen und im übrigen nicht exakt festlegbaren) Kanon großer Schriftsteller, wie er sich in der Meinung des gebildeten lesenden Publikums und nicht zuletzt der Kritiker und Spezialisten herausgebildet hat. Wenn Horst Rüdiger 1959 in seiner Mainzer Antrittsvorlesung Literarische Klassik und Kanonbildung die Frage nach einer „kritischen Instanz" stellte, die „gleichsam ex cathedra über einen ästhetischen Kanon zu befinden habe, welcher als klassisch in bezug auf alle Sprachen oder mindestens auf diejenigen des europäischen Kulturkreises zu gelten hätte" 4 , so hat er dabei gewiß nicht an die Schwedische Akademie gedacht. In der Tat: wer Echegaray, Pontopiddan oder Sillanpää kraft eines Festaktes und eines nicht unbedeutenden Schecks als Große der Weltliteratur unseres Jahrhunderts kanonisiert, kann nicht beanspruchen, ein kanonbildendes Gremium zu sein. Natürlich kann man die Dinge auch unter einem anderen Blickwinkel sehen. Durchmustert man die Verzeichnisse der Nobelpreisträger für Literatur, so stellt man fest, daß doch, zumal in den letzten Jahrzehnten, es eine große Anzahl von Laureaten gegeben hat, die das Gesicht der Literatur des X X . Jahrhunderts bestimmt haben. Die Zahl der Fehlverleihungen ist zwar hoch, hält sich aber — vor allem verglichen mit anderen Literaturpreisen — noch in Grenzen. Ein Blick auf diese Verzeichnisse lehrt aber auch etwas anderes: die Verleihungspraxis des ersten Jahrzehnts war derartig katastrophal, daß man sich fragt, wie der Preis in den Augen der Öffentlichkeit sein Ansehen wahren konnte. August Strindberg hatte nicht so Unrecht, als er 1903 gegen den Gerichtshof über Weltliteratur polemisierte, von Parteilichkeit und Willkür sprach und der Schwedischen Akademie androhte: Fährt sie aber fort, den literarischen Nobelpreis in der selben Art wie bisher zu verleihen, dann wird sie Schande über unser Land bringen5. Heute, nach siebzig Jahren, sind Polemik und Besserwisserei höchst unangebracht. Dennoch erscheint uns die Tatsache, 3

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Es wurden ausgezeichnet der epigonale, auch in Spanien heute nur noch Spezialisten bekannte Dramatiker Jose Echegaray, ferner der in Spanien (nicht im Ausland) bekanntere, aber keinesfalls hervorragende Dramatiker J a c i n t o Benavente, schließlich J u a n R a m o n Jimenez, der in der Geschichte der modernen spanischen Lyrik gewiß seinen P l a t z hat, der aber noch nicht einmal der eines primus inter pares ist. Hingegen blieben sämtliche großen Vertreter der spanischen Literatur dieses Jahrhunderts ohne Preis (Unamuno, Ortega y Gasset, G a r c i a L o r c a ; in Frage gekommen wären auch noch Perez Galdos, Baroja, Azorin, Machado). Veröff. unter dem Titel Lit. ohne ,Klassiker'? Tradition und Kanonbildung, in: Wort und Wahrheit, 14 (1959), 7 7 1 — 7 8 4 , Zitat 779. Überarbeiteter N d r . unter dem Titel: Klassik und Kanonbildung. Zur Frage der Wertung in der Komparatistik, in: Komparatistik: Aufgaben und Methoden, hg. v. H . Rüdiger, Stuttgart 1973. Strindbergs Polemik erschien noch im gleichen J a h r in Hardens Zukunft. Die schlechthin mörderische Attacke Schloß mit den W o r t e n : Achtzehn unliterarische Räthe und nicht ein kompetenter Richter. Das ist kein Gerichtshof! Das ist nichts! (.Die Zukunft, 1903, 106).

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daß in jenen Jahren ein Sully-Prudhomme, ein Björnson, ein Echegaray, ein Sienkiewicz, ein Kipling, ein Eucken und ein Heyse ausgezeichnet werden konnten, während ein Tolstoi, ein Zola, ein Unamuno, ein Ibsen, ein Strindberg oder Mark Twain, ein Swinburne (von jüngeren Vertretern der zeitgenössischen Literatur wie etwa Hofmannsthal, Ruben Dario oder Paul Valery, von den erst viel später ausgezeichneten Thomas Mann, Gide oder Pirandello ganz zu schweigen) leer ausgingen, ein Rätsel, das in historischer wie in theoretischer Hinsicht der Lösung harrt. Die bisherige Literatur hat sich damit begnügt, das Phänomen zu konstatieren, dagegen zu polemisieren, hat aber nicht versucht, es zu erklären. Eine solche Erklärung sei im Folgenden versucht. Da ein Literaturpreis kein ausschließlich literarisches Phänomen ist, sondern neben historischen und soziologischen Implikationen auch juristische Aspekte hat, erscheint es uns als vernünftig, mit einer Untersuchung der rechtlichen Grundlagen der Verleihung des Nobelpreises zu beginnen. Wie die anderen Nobelpreise, so geht auch der für Literatur auf das Testament zurück, das „der größte Rüstungsindustrielle seiner Zeit" 6 , der schwedische Unternehmer und Erfinder Alfred Nobel, etwa ein Jahr vor seinem Tode im Beisein mehrerer Zeugen in Paris abgefaßt hat. Getreu einem Prinzip des von ihm vertretenen ,ethischen Sozialismus', nach dem große Vermögen nicht vererbt werden sollten7, hatte der schwedische Großindustrielle seine riesige Hinterlassenschaft nur zum kleinsten Teil seinen Verwandten vermacht, während mit der Hauptmasse des Vermögens folgendermaßen verfahren werden sollte 8 : Das von den Ν achlaßp flegern in sicheren Wertpapieren anzulegende Kapital soll einen Fonds bilden, dessen Zinsen alljährlich als Preise unter diejenigen zu verteilen sind, die im verflossenen Jahre der Menschheit zum größten Nutzen gereicht haben. Die Zinsen sind in fünf gleiche Teile zu teilen und folgendermaßen zu vergeben: einen Teil erhält derjenige, welcher die wichtigste Entdeckung oder Erfindung auf dem Gebiete der Physik gemacht hat; einen Teil derjenige, welcher die wichtigste chemische Erfindung oder Verbesserung gemacht hat; einen Teil derjenige, welcher die wichtigste Entdeckung im Bereich der Physiologie oder Medizin gemacht hat; einen Teil derjenige, welcher das Vorzüglichste in idealistischer Richtung auf dem Gebiete der Literatur geleistet hat — {en del den som inom literaturen har produceret det utmarkteste i idealistik rigtning)... Der fünfte Teil sollte bekanntlich der Völkerverbrüderung und Friedensidee dienen. Ferner bestimmte Nobel die Institutionen, welche die Preise zu vergeben hätten (der für Literatur von der Schwedischen Akademie 0

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Meier 51. Zu den Problemen des Testaments vgl. im übrigen Schück-Sohlmann, 236 ff.; österling, 90 ff.; Erik Bergengren: Alfred Nobel — The Man and His Work, engl. Ausg. London 1962, 140 ff., 205 ff. Nobel am 2 9 . 9 . 1896 vor Zeugen: Ich bin durch und durch Sozialdemokrat, jedoch mit Mäßigung. Besonders halte ich große ererbte Vermögen für ein Unglück, das nur dazu beiträgt, die Menschen stumpfsinniger zu machen. Zit. nach SdiückSohlmann 239 f. Originalfassung des Testaments im Faksimile bei Schück-Sohlmann 240, deutsche Fassung zitiert nach Meier 56 f.

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zu Stockholm), und legte schließlich fest, daß bei der Preisverleihung keinerlei Rücksicht auf die Nationalität genommen werden darf, so daß also nur der Würdigste den Preis erhält, er sei ein Skandinavier oder nicht. Zwei der hier f ü r den Literaturpreis gegebenen Weisungen wurden bis auf den heutigen Tag getreulich befolgt: der Preis wird von der Schwedischen Akademie vergeben, und die Nationalität des Bewerbers spielt (wenigstens im Prinzip) keine Rolle. Hingegen wurde die ganz eindeutige Bestimmung, daß der Preis f ü r eine Leistung des vergangenen Jahres zu vergeben sei, von Anfang an ignoriert, wodurch die Verleihung einen ganz anderen Charakter erhielt, als es der Stifter beabsichtigte. Es darf nicht nur als sicher gelten, daß der Nobelpreis — ähnlich dem Prix Goncourt — f ü r ein bestimmtes Werk verliehen werden sollte, sondern auch, daß er als Förderung f ü r begabten aber mittellosen literarischen Nachwuchs konzipiert war, wie aus späteren mündlichen Kommentaren des Stifters deutlich wurde 9 . Diese hatten natürlich keinerlei rechtliche Relevanz und blieben mithin unbeachtet. Wieso aber auch die im Text des Testaments enthaltene Bestimmung, ein Werk des vergangenen Jahres sei auszuzeichnen, einfach vom Tisch gefegt werden konnte, bleibt für einen Nichtjuristen (möglicherweise aber auch dem Fachmann) unverständlich. Die offizielle und halboffizielle Nobelpreisliteratur geht über diesen Umstand mit verdächtiger Eile hinweg und liefert — wenn überhaupt — Begründungen, die nicht überzeugen, österling etwa vermerkt lakonisch, f ü r die Schwedische Akademie wäre die Einhaltung dieser Bestimmung „most difficult" gewesen 10 . Allerdings boten die von der schwedischen Regierung am 29. Juli 1900 genehmigten Statuten der Nobelstiftung, welche die Ausführungsbestimmungen des Testaments enthielten, bereits ein kleines, wenngleich mehr als enges juristisches Schlupfloch, wenn sie die Worte „Leistung des verflossenen Jahres" so interpretierten, daß der Preis für die jüngsten Leistungen auf den im Testament genannten Gebieten der Kultur verliehen werden soll, für ältere Werke nur dann, wenn ihre Bedeutung erst kürzlich erkannt worden ist11. Aber bereits das Lebensalter der ersten Nobelpreisträger f ü r Literatur machte deutlich, daß die Schwedische Akademie schon von Anfang an nicht gesonnen war, den Preis f ü r kürzlich erschienene Werke zu verleihen, sondern daß sie ein Lebenswerk krönen wollte: Sully-Prudhomme war 68, als er den Preis erhielt, Theodor Mommsen gar 85, Björnson 71, Echegaray 72, Mistral 74, Sienkiewicz 59, Carducci 71. Im Jahre 1907 erhielt mit dem 42jährigen Rudyard Kipling ein Autor den Preis, der noch nicht an oder jenseits der Schwelle des Greisenalters stand, aber auch er bereits damals ein weltberühmter Schriftsteller, wie die Verleihungsformel pedantisch vermerkte 1 2 . Die Schwedische Akademie hatte 9 10

11 12

Vgl. Schüdc-Sohlmann 244. österling 93. Meier, übrigens kein Angehöriger der Nobelstiftung oder der Akademie, verteidigt ebenfalls die Umgehung der Bestimmung mit dem Argument, die von Nobel geforderten hervorragenden Leistungen könnten nur „das Ergebnis der Arbeit von Jahren und Jahrzehnten" sein (78). Vgl. österling 93. Vgl. RE 91. Die bisherige Geschichte des Nobelpreises für Literatur kennt keinen einzigen Preisträger unter 40 Jahren, nur fünf Preisträger unter 50 Jahren, aber 16,

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also den Preis von Anbeginn regelrecht .umfunktioniert* und ihn zu dem gemacht, was er bis heute geblieben ist: eine Auszeichnung für die großen Namen der Weltliteratur. Hätte man sich an das Konzept des Stifters gehalten, so wäre die Zahl der Fehlverleihungen gewiß nicht geringer gewesen (die Geschichte des Prix Goncourt zeigt, wie schwierig und im Grunde unmöglich es ist, anhand einer literarischen Jahresproduktion preiswürdige Talente zu entdecken), aber die Mißgriife hätten im einzelnen Falle nur wenig Gewicht gehabt. So aber trat die Schwedische Akademie, ob sie wollte oder nicht, mit dem Anspruch auf, ein Gerichtshof über Weltliteratur zu sein, eine Instanz, die für die Schaffung einer Art literarischen Weltadels zuständig war. Unseres Wissens hat man übrigens nie ernsthaft dagegen protestiert, daß Nobels Testament in diesem entscheidenden Punkt verändert wurde, ein Zeichen dafür, daß sich die Akademie wenigstens in diesem Fall im Einklang mit der literarischen Öffentlichkeit befand. Und so sehr man später die einzelnen Entscheidungen der preisverleihenden Gremien kritisierte, auch der von den Statuten festgelegte und mit unwesentlichen Änderungen noch heute praktizierte Mechanismus des Auswahlverfahrens wurde akzeptiert: Die offiziell eingereichten Kandidaturen werden von einer besonderen Kommission der Schwedischen Akademie geprüft und einer der Kandidaten als Preisträger vorgeschlagen. Die endgültige Wahl des Preisträgers erfolgt dann durch das Plenum der Akademie. Das offizielle Vorschlagsrecht besitzen nicht nur die Mitglieder der Schwedischen sondern auch die anderer Akademien und entsprechender Vereinigungen, sowie die Universitätsprofessoren der Sprach- und Literaturwissenschaften, die früheren Nobelpreisträger sowie die Präsidenten von Schriftstellerverbänden, soweit diese für ihr Heimatland repräsentativ sind. Nur die von diesen Gremien und Personen eingereichten Kandidaturen dürfen in der Kommission diskutiert werden. Wenn weder die folgenreiche Umdeutung des Nobel-Testaments noch der Verleihungsmodus beanstandet wurden, dann vor allem weil diese beiden Faktoren an den spektakulären Mißgriffen, mit denen die Schwedische Akademie ihre Preisverleihungen eröffnete, keine Schuld trugen. Dennoch gibt es auch einen juristischen Faktor, der bei diesen Fehlverleihungen eine große, wenn nicht entscheidende Rolle gespielt haben dürfte; nämlich die Klausel des Testaments, derzufolge die auszuzeichnende Literatur eine ,idealistische' Tendenz haben müsse. Leider hat Nobel weder schriftlich noch mündlich jemals den Sinn dieser Forderung umschrieben. Wer heute das Testament im Zusammenhang liest, wird unschwer eine Verbindung zwischen dieser Bestimmung und der vorangehenden allgemeineren ziehen können, daß Leistungen preiszukrönen seien, die der Menschheit großen Nutzen gebracht hätten. Wir schließen uns also den Auslegungen an, die im Jahre 1950 der Sekretär der Schwedischen

die jenseits des 70. Lebensjahres standen! Das Durchschnittsalter aller Preisträger hat Martin Walser 1969 auf 62 Jahre berechnet (vgl. Walser 7). Die naturwissenschaftlichen Disziplinen haben mehr jüngere Laureaten aufzuweisen, darunter William L. Bragg, der 1915 als 25jähriger den Preis für Physik erhielt!

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Akademie, Anders ö s t e r l i n g , der umstrittenen Stelle gab 1 3 : „ W h a t he [d. i. N o b e l ] really meant b y this term was probably w o r k s of a h u m a n i t a r i a n and constructive character, which, like scientific discoveries, could be regarded as of benefit to m a n k i n d . " Die auszuzeichnenden W e r k e sollten also weder bloße literarische H a n d e l s w a r e darstellen noch ein ästhetizistisches L ' a r t pour l'art kultivieren, vielmehr in jedem Falle den Willen der Verfasser erkennen lassen, sich mittelbar oder unmittelbar mit den die ,Menschheit' bedrängenden Problemen auseinanderzusetzen. So hatte es auch Anatole France a u f g e f a ß t , als er 1903 der Schwedischen Akademie die K a n d i d a t u r von Georg Brandes mit folgender Begründung vorschlug 1 4 : Auf eine game Generation hat sich Georg Brandes mit seinen Schriften ausgewirkt und einen wesentlichen, fruchtbaren und an vielfältigen Aspekten reichen Einfluß auf das kulturelle Leben seiner Zeitgenossen ausgeübt, indem er sie, je nach der individuellen Veranlagung derer, die er ansprach, mitunter unmittelbar anregte, mindestens aber zum Nachdenken und zur Entgegnung zwang. Eine derartige literarische Ausstrahlung entspricht wahrscheinlich dem, was der Stifter unter dem Begriff ,Idealist' verstand. Allerdings erreichte France mit dieser Begründung n u r das Gegenteil des angestrebten Effektes, denn, wie G u n n a r Ahlström in diesem Zusammenhang sarkastisch anmerkt 1 5 , „ein Idealist dieses Schlages konnte bei der Schwedischen Akademie k a u m Sympathien wecken". In der T a t hatte die Schwedische Akademie Nobels Testament ein weiteres M a l recht freizügig ausgelegt — diesmal mit direkten u n d ernsten Folgen f ü r die Verleihungspraxis. Sie verstand unter ,Idealismus' etwas ganz anderes, wie sich im folgenden zeigen dürfte. Expressis verbis, d. h. nach dem W o r t l a u t der jede Preisverleihung begleitenden Begründungsformel, haben zwischen 1901 u n d 1911 folgende Preisträger die Auszeichnung ihrem ,Idealismus' zu v e r d a n k e n : Sully-Prudhomme, Selma Lagerlöf, P a u l H e y s e u n d v o r allem der 1908 preisgekrönte deutsche ,Lebensphilosoph' Rudolf Christoph Eucken, ohne jeden Zweifel der mit A b stand unbedeutendste aller bisherigen Nobelpreisträger. D i e Verleihung des Preises an Eucken h a t schon bei den Zeitgenossen peinliches Aufsehen, E m p ö r u n g u n d Gelächter provoziert. D a ß ein Philosoph ausgezeichnet wurde, störte wenig: die N o b e l s t i f t u n g h a t t e ausdrücklich auch die Vergabe des Preises an nicht-belletristische Autoren vorgesehen (schon der zweite Preisträger, Theodor Mommsen, gehörte nicht der L i t e r a t u r im engeren Sinne an, ebensowenig wie die späteren Preisträger H e n r i Bergson, Bertrand Russell oder Winston Churchill). Hingegen beschäftigte m a n sich „ v e r w u n d e r t mit dem Problem, ob dieser Professor aus J e n a wirklich u n d w a h r h a f t i g N o b e l f o r m a t habe" 1 ®. I n der T a t erhielt Eucken seinen Preis (als K o m p r o m i ß k a n d i d a t zwischen Selma 13 14

15 16

österling 90. Zit. nach Gunnar Ahlström: Kleine Gesch. der Zuerkennung des Nobelpreises an Björnstjerne Björnson, in: B. Björnson: Meisternovellen, Zürich o. J., 11 [zit.: Björnson], Ebd. Gunnar Ahlström: Kleine Gesch. der Zuerkennung des Nobelpreises an Rudolf Eucken, in: Rudolf Eucken: Philos. Sehr., Zürich o. J., 9 [zit.: Eucken].

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Lagerlöf und Charles Algernon Swinburne) nur auf Grund der Tatsache, daß er als idealistischer' Philosoph galt, noch dazu in der Tradition jener deutschen Philosophie stehend, die das schwedische Geistesleben des X I X . Jahrhunderts zutiefst beeindruckt und beeinflußt hatte. Harald Hjärne, der die Laudatio, die sogenannte ,Verleihungsrede' hielt, glaubte, es der Festversammlung schuldig zu sein, bei dieser Gelegenheit näher zu erläutern, was es mit diesem Idealismus, den das Nobelkomitee zu einem wichtigen, und in diesem Falle zum alleinigen, Verleihungsmaßstab gemacht hatte, eigentlich für eine Bewandtnis habe. Er verwies zunächst auf die Person des Stifters, der genau gewußt habe, wie unerläßlich ein leitendes Ideal für das Streben der Menschen, für die zum Nutzen aller von der Zivilisation geschaffenen und unterhaltenen Projekte ist, damit die Kultur sich einen Weg durch finsteren Streit zu einer höheren Geistigkeit und zum Frieden bahne. Literatur im Sinne Alfred Nobels, so fuhr Hjärne fort, sei überall dort anzutreffen, wo sich Ideen fänden, welche die Menschen in ihrem edlen Streben stützten und bestärkten, wo ein Dichter, Denker, Historiker, Forscher oder Schriftsteller sich das Ideal für seine Freiheit und Unabhängigkeit zum leitenden Gedanken mache. Die Literatur aber leistet gerade dadurch ,der Menschheit die größten Dienste', daß sie die ideale "Wahrheit ohne berechnende Hintergedanken spiegelt17. Hinter der wolkigen, pathetischfesttäglichen Diktion des Redners läßt sich doch recht genau ausmachen, welche Art von Idealismus hier gemeint ist: es ist ein Idealismus, der das Ideal im rein geistigen oder ästhetischen Bezirk sucht und zu verwirklichen strebt, dem berechnende, d. h. die Wirklichkeit einkalkulierende Hintergedanken fremd sind, der sich also hoheitsvoll von dieser Realität und ihren menschlichen, gesellschaftlichen und politischen Unzulänglichkeiten abwendet. Diese Konzeption unterstreicht Hjärne dann im weiteren Verlauf seines Vortrags noch einmal mit einem Zitat aus Eucken, demzufolge geistige Aktivität als autonomes Ziel behandelt werden müsse18. Andererseits darf man diesen ,Idealismus' nicht auf die philosophische Goldwaage legen. Der erste und ausdrücklich als ,Idealist' ausgezeichnete Nobelpreisträger, Sully-Prudhomme, war, Ubersetzer und Verehrer des Lukrez, in philosophischer Hinsicht alles andere als Idealist. Dafür war seine Lyrik von jener wirklichkeitsentrückten Reinheit und Unberührbarkeit, die für die meisten Akademiemitglieder offensichtlich als Quintessenz eines literarischen Idealismus galt. — Für viele war ,Idealismus' wohl auch nur ein antinaturalistischer Slogan. So flüsterte man sich unter vorgehaltener Hand zu, Nobel habe mit seiner Forderung nach Idealismus ein antinaturalistisches Fanal setzen wollen, insbesondere (den von ihm in der Tat wenig geschätzten) Zola von vornherein aus dem Kreis der Preisträger ausschließen wollen. Der eigentümliche Idealismusbegriff der Akademie erklärt auch, warum der bedeutendste schwedische Autor seiner Zeit, August Strindberg, a limine von der Preisverleihung ausgeschlossen wurde. Genau diese Art von offiziellem (oder wie er es

17 18

Verleihungsrede von H. Hjärne anläßlich der Überreichung des Nobelpreises Lit. an Rudolf Eucken, in: Eucken 22. Ebd. 29.

für

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nannte, professionellem') Idealismus war Strindberg aus ganzer Seele verhaßt 1 9 . Es war den preisverleihenden Instanzen also gelungen, eine Schwierigkeit juristischer Art, die Forderung nach .Idealismus', literaturtheoretisch zu überspielen. Natürlich dürften Wort und Begriff der ,Literaturtheorie' diesen Gremien noch fremd gewesen sein, doch gingen sie bei ihren Verleihungen — mehr unbewußt als überlegt — doch von bestimmten literaturtheoretischen Prämissen aus, d. h. sie hatten bestimmte Vorstellungen davon, was Literatur sei, welche Funktion sie auszuüben habe und wie sie idealiter beschaffen sein müsse. Diese Vorstellungen sind näherer Betrachtung wert. Sie wurden zwar nie systematisch schriftlich fixiert, doch die die Preisverleihungen begleitenden Begründungsformeln und insbesondere die Laudationes lassen sehr wohl eine bestimmte Konzeption von Literatur rekonstruieren. In e i n e m Punkt freilich, und einem sehr wichtigen, war die Theorie nicht den Köpfen der Preisrichter entsprungen. So wie sich nämlich in der Frage des ,Idealismus' die Testamentsbestimmungen nach der Literaturtheorie der Mitglieder der preisverleihenden Gremien richten mußten, so standen diese in einer anderen H i n sicht ihrerseits unter einer Art von literaturtheoretischem Octroi seitens des Rechts. Es gab in den Statuten der Nobelstiftung einen Paragraphen, der eine wichtige, auch heute heiß diskutierte Frage in einem bestimmten Sinne beantwortete, nämlich die, was eigentlich als ,Literatur' zu gelten habe. Das Problem wurde in dem Sinne gelöst, daß der Literaturpreis nicht allein für belletristische Werke sondern auch für andere Schriftsteller verliehen werden sollte, sofern diese nach Form und Darstellung literarischen Wert besitzen20. Dies dürfte wohl das erste und einzige Mal in der Literaturgeschichte gewesen sein, daß einer literarischen Vereinigung ein Literaturbegriff durch den Wortlaut eines zivilrechtlichen Paragraphen vorgeschrieben wurde. Die hier getroffene Definition wirkt außerordentlich ,modern' und könnte auch bei dem Stande der heutigen Diskussion bestehen. Wem sie zu verdanken ist, kann im einzelnen nicht festgestellt werden. Die Statuten wurden von einem Gremium ausgearbeitet, in dem neben den für die Preisverleihung zuständigen Instanzen auch zwei Juristen sowie Angehörige der Familie Nobel vertreten waren. Vermutlich dürften weniger theoretische Hintergedanken als das Argument den Ausschlag gegeben haben, daß Alfred Nobel in seinem Testament keine Preise f ü r geisteswissenschaftliche Disziplinen, nicht einmal für Philosophie und Geschichtswissenschaft vorgesehen hatte, eine Lücke, die mit der Erweiterung des Literaturbegriffes wenigstens notdürftig geschlossen werden konnte. Wie dem auch sei, dieser Literaturbegriff eilte seiner Zeit weit voraus und muß f ü r die schwedische Akademie eine recht harte N u ß gewesen sein. Wie wenig man im Grunde mit diesem Paragraphen des Nobelstatuts anzufangen wußte, zeigte sich, als der Preis — übrigens bereits im zweiten Jahr seiner Existenz — zum ersten Mal an einen nichtbelletristischen Autor verliehen wurde: Theodor Mommsen. Die 10 20

Hierzu vgl. Ahlström: Kleine Gesch...., in: Eucken 22. Zit. nadi Meier 61.

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Preisrede hielt wie üblich der ständige Sekretär der Akademie, Carl David af Wirsen, dem sich damit die Gelegenheit bot, über die Frage zu sprechen, wieso ein Literaturpreis an einen Historiker verliehen werden könne. Indessen hatte der sonst so eloquente Wirs6n zum Thema der Einbeziehung nicht-belletristisdher Werke in der Literatur nichts anderes zu sagen, als daß er zu Beginn seiner Rede in dürren Worten auf den entsprechenden Paragraphen der Nobelpreisstatuten verwies. Im übrigen versuchte er in seiner anschließenden Laudatio darzulegen, daß Mommsen bei all seinen wissenschaftlichen Verdiensten doch wohl in erster Linie Künstler gigantisches

Werk

musischer

und seine Römische Schöpferkraft21

Geschichte

nicht zuletzt ein

sei. Demnach wäre also Mommsen

weniger als Historiker denn als heimlicher Dichter oder Schriftsteller

aus-

gezeichnet worden. Jedenfalls war das Problem, ob und wieweit auch nichtbelletristisches Schrifttum ,Literatur' sein könne, damit

geschickt

umgangen

(falls es überhaupt diagnostiziert worden war). Das Unbehagen Wirsens angesichts dieser Frage zeigte sidi auch später bei der Preisverleihung an Eucken. Zum ersten Mal in der Geschichte des Nobelpreises überließ er das Geschäft der Verleihungsrede klugerweise jemand anderem. E r wurde damit nicht nur der Verlegenheit enthoben, einen von ihm nicht vollen Herzens gebilligten Preisträger loben zu müssen, sondern es blieb ihm auch erspart, sich Gedanken darüber zu machen, inwiefern das preisgekrönte W e r k ,Literatur' war. Das ist insofern bedauerlich, als Wirsens Verleihungsreden kostbare Dokumente für die die Akademie dominierenden

literatur-

theoretischen Vorstellungen darstellen. Denn seine Bedeutung erschöpfte sich nicht nur in seiner Stellung als ständiger Sekretär der Akademie, so einflußreich diese auch schon sein mochte. Der über sechzigjährige, als Lyriker nicht mehr (falls überhaupt je) ernst genommene, als Literaturkritiker einer großen konservativen Zeitung aber allseits gefürchtete W i ^ n

war

der

eigentliche

Konstrukteur und Ingenieur jener Maschinerie, die sich alljährlich zur Vergabe des literarischen Nobelpreises in Bewegung setzte. Bis zu seinem Tode im J a h r e 1 9 1 2 , einem Wendepunkt in der Geschichte des Preises, w a r er der wahre spiritus rector der Schwedischen Akademie und ihrer N o b e l - J u r y , ihr authentisches Sprachrohr 2 2 . A n seinen Laudationes läßt sich recht genau ablesen, wie seine —

und der Akademie — Konzeption dessen aussah, was er für Literatur,

besser gesagt: für wünschenswerte Literatur hielt. Man braucht nur zu verfolgen, was er an den einzelnen Preisträgern lobte. A n Sully-Prudhomme etwa w a r es die mehr nach innen gewendete,

sensible

und zarte Natur

zu anderen Dichtern, deren Einbildungskraft nur das Leben sie uns umgeben,

widerspiegelt23.

seine Werke durchwegs 21

22 23

von

im Gegensatz

und die Welt,

wie

Bei Björnson kann er erfreut feststellen, daß

selten

zu beobachtender

Reinheit

sind,

daß

sein

Verleihungsrede gehalten von Dr. C. D. af Wirsen bei der Überreichung des Nobelpreises für Lit. an Theodor Mommsen [die Verleihungsreden auf die anderen Preisträger werden im ff. in der Kurzfassung: W i ^ n : Verleihungsrede zitiert], in: Theodor Mommsen: Römische Gesch., Zürich o. J., 19. Über Wirsen vgl. österling 91, 95 f., 102 ff. Wirsin: Verleihungsrede, in: Sully-Prudhomme: Intimes Tagebuch, Zürich o. J., 24.

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Genie im Grunde zum Bejahen neigt und das Negative meidet. Keine Spur von Trübem beschmutzt sein Werk, das Sittlichkeit mit einer gesunden dichterischen Frische24 vereinige. Ähnliches gibt es bei Sienkiewicz zu loben, der zwar peinlicherweise ein Bestsellerautor ist, doch läßt der Erfolg im vorliegenden Fall gar keine andere Erklärung als den hohen Wert eines Werkes zu, das nie auf die niederen Instinkte der Menschen spekuliert. Im Gegenteil, Sienkiewicz hat unverfälschtes Empfinden zu bieten, seine Romane zeichnen sich durch Bilder reiner Anmut aus, auch er verfügt über poetische Frische25, und Frische war etwas, was der ständige Sekretär offensichtlich besonders schätzte, denn er preist die frische Lebendigkeit seiner dichterischen Inspiration26 auch bei Frederic Mistral. Der Wiedererwedker der provenzalischen Literatur, dessen große Zeit freilich aucii schon um vier Jahrzehnte zurücklag, war überhaupt so recht ein Dichter nach dem Herzen Wirsens, derart, daß dessen Stimme bebte, als er die Laudatio vortrug 27 und von der hohen Gesinnung kündete, mit der Mistral von der Veredelung des Menschen in seinen Prüfungen handele. Als Zeichen dieser hohen Gesinnung nannte Wirsen an anderer Stelle der Rede 28 : Die Quelle, aus der Mistral geschöpft hat, ist nicht die Psychologie, sondern die Natur; der Mensch selbst wird von ihm durch und durch als Kind der Natur behandelt. Anderen Dichtern mag überlassen bleiben, die Abgründe der menschlichen Seele auszuloten! Etwas kritischer und zurückhaltender äußerte er sich drei Jahre später über Rudyard Kipling 29 : Man hat Kipling manchmal vorgeworfen, seine Sprache bewege sich am Rande der Schnoddrigkeit, er gebrauche in den meisten seiner Lieder und Balladen den Soldatenjargon, der hart ans Vulgäre grenze. Und tatsächlich, so fährt der ständige Sekretär fort, sei an diesen Vorwürfen etwas Wahres. Glücklicherweise verfüge Kipling über Eigenschaften, die diese Mängel aufwögen, nämlich Frische [!], Spontaneität und moralische Energie. Und trotz Kiplings manchmal tierhaft brutaler Energie sei bei ihm Zärtlichkeit und Zartheit in der Behandlung des Stoffes anzutreffen, schwingen erhabene Saiten in seiner Seele. Der nach Mommsen zweite deutsche Preisträger für Literatur, Paul Heyse, wurde von Wirsin mit Worten bedacht, die bereits im zeitgenössischen Deutschland Kopfschütteln hervorgerufen haben dürften. Zwar wagte er es nicht, coram publico auszusprechen, was die meisten Akademiemitglieder empfanden, nämlich, „daß Deutschland seit Goethe keinen so großen

24 25

20

27

28 28

Wirsen: Verleihungsrede, in: Björnson 21. Wirsen: Verleihungsrede, in: Henryk Sienkiewicz: Quo vadis?, Zürich o. J., 25, 21, 27, 28. Wirsen: Verleihungsrede, in: Frederic Mistral: Mireille — Meine Welt, Zürich o. J., 14 [zit.: Mistral]. Gunnar Ahlström: Kleine Gesch. der Zuerkennung des Nobelpreises an Frederic Mistral, in: Mistral 14. Wirsen: Verleihungsrede, in: Mistral 19. Wirsen: Verleihungsrede, in: Rudyard Kipling: Die Dschungelbücher, Zürich o. J., 24, 25.

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Künstler gehabt hatte wie diesen" 30 , aber er stellte ihn der Öffentlichkeit als den größten lebenden Lyriker Deutschlands vor, und das zu einem Zeitpunkt (1910), als es nicht nur Rilke, George und Hofmannsthal, sondern audi so manchen anderen gab, der f ü r die zeitgenössische deutsche Lyrik repräsentativer war als der ehrwürdige Greis. Freilich war es selbst Wirsen klar, daß Heyse eine umstrittene Erscheinung war 3 1 : Heyse war zu ausgewogen, allzu begeistert für jene, die ihn um jeden Preis herabzusetzen suchten und immer neue sensationelle Effekte und Gelegenheiten zu nackten Schilderungen der Wirklichkeit heraufbeschworen. Schon vorher hatte Wirsen darauf hingewiesen, daß sich Heyse beharrlich jeder naturalistischen Wiedergabe des Niedrigen, Gemeinen und Leichtfertigen widersetzt habe, und an anderer Stelle betonte er erneut: die Kunst soll einen befreienden und stärkenden Einftuß üben; sie soll nicht herabwürdigen und sklavisch imitieren. Vornehme Einfachheit muß ihr Ziel sein. Bei der letzten Verleihungsrede, die Wirsen zu halten hatte (1911), war mit Maurice Maeterlinck erneut ein Autor zu loben, der, anders als Mistral und Heyse, nicht die uneingeschränkte Zustimmung des Sekretärs finden konnte. So mußte dieser, wie auch schon bei Kipling, immer wieder zu Argumenten ex negativo greifen, um die Wahl des Preisträgers wohl mehr vor sich selbst als vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. In den meisten seiner schönen Bühnenstücke ist Maurice Maeterlinck Symbolist und Agnostiker. Doch wäre es grundfalsch, ihn deshalb für einen Materialisten zu halten. [. ..] Ein stärkerer Deismus wäre seinem dramatischen Werk von Nutzen gewesen [. . .] So wie Spinoza und Hegel zwar keine Deisten aber große Denker waren, so ist auch Maeterlinck ein großer Dichter, obwohl seine Anschauung von den Dingen und dem Leben nicht im Entferntesten die eines Deisten ist. Sein Agnostizismus sei mithin entschuldbar. Darüber hinaus besaß Maeterlinck bestimmte Eigenschaften, die ihn auch Wirsen durchaus reizvoll erscheinen ließen: die Kraft eines Sehers, den Geist fast eines Schlafwandlers, eines Erleuchteten, der aber die Präzision des vollkommenen Künstlers besitzt. Uns so heißt es dann gegen Ende der Festrede, das Werk des Dichters sei schön und edel, sein Schöpfer ein Auserwählter32. Unsere Blütenlese aus den Verleihungsreden Carl David af Wirsens ist, dafür möchten wir bürgen, keine einseitige oder böswillige Zusammenstellung. Selbstverständlich sind die Zitate jeweils einem Zusammenhang entnommen, ihm aber nicht auf gut Glück entrissen. Allenfalls mag die deutsche Übersetzung des mir nicht zugänglichen schwedischen Originals hier und da einiges vergröbert oder simplifiziert haben. D a ß wir mit unserer Zitatenmontage bezeichnende und wesentliche Merkmale einer Konzeption von Literatur herausgegriffen haben, die nicht nur f ü r Wirsen, sondern f ü r die Mehrheit der 50

81 32

Gunnar Ahlström: Kleine Gesch. der Zuerkennung des Nobelpreises an Paul Heyse, in: Paul Heyse: Ital. Novellen, Zürich o. J., 17 [zit.: Heyse]. Wirsen: Verleihungsrede, in: Heyse 25, 26, 27. Wirsen: Verleihungsrede, in: Maurice Maeterlinck: Termiten — Ameisen, Zürich o. J., 28, 25, 35.

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schwedischen Akademie galt, mögen einige der Begründungsformeln zeigen, die die Verleihung des Preises begleiten und auf der Urkunde festgehalten werden. So erhielt Sully-Prudhomme den Preis in Anerkennung seiner Dichtungen, die hohen Idealismus, künstlerische Vollendung und eine seltene Einheit von Herz und Intellekt bezeugen, Björnstjerne Björnson in Würdigung seines edlen, wunderbaren, vielseitigen dichterischen Werkes, das sich immer durch Frische der Eingebung und ungewöhnliche Reinheit der Seele ausgezeichnet hat, Frederic Mistral für die Frische, Ursprünglichkeit und das Geniale seines Dichtens, Giosu£ Carducci [ . . . ] vor allem als Würdigung seines schöpferischen Vermögens, der Frische des Stils und der lyrischen Kraft, die seine poetischen Meisterwerke kennzeichnen, Selma Lagerlöf in Würdigung des hohen Idealismus, der lebendigen Einbildungskraft und der Geistigkeit ihrer Haltung, wodurch sich ihre Werke auszeichnen, Paul Heyse schließlich in Anerkennung der vollendeten, von Idealismus durchleuchteten Kunst, für die er während langer fruchtbarer Jahre als Lyriker, Dramatiker, Romancier und Verfasser von weltberühmten Novellen Beweise gegeben hat 33 . Die Theorie einer idealen Literatur, die sich hinter den Nobelpreisverleihungen der ersten zehn Jahre abzeichnet, ließe sich also in etwa folgendermaßen umschreiben: Zunächst weist der von Nobel geforderte ,Idealismus' in der Interpretation der Akademie die — vom Stifter freilich nicht beabsichtigte — Richtung. Literatur ist in der Konzeption der Schwedischen Akademie jenes Jahrzehnts gewiß kein L'art pour l'art, aber wenn sie schon dem Heil der Menschheit dienen soll, dann doch in einem abstrakten Raum, der sorgfältig vom Schmutz der Realität isoliert ist. Denn Literatur ist etwas Uberirdisches, Göttliches, auch wenn sie unter den Händen Irdischer entstanden ist, die, wie Sully-Prudhomme oder Maeterlinck Materialisten oder Agnostiker sind. Aber der ideale Dichter ist eo ipso dem Lärm und dem Getriebe dieser Welt entrückt, er ist ein Seher wie Maeterlinck, er besitzt Reinheit der Seele wie Björnson, seine Haltung ist von Geistigkeit gekennzeichnet (Selma Lagerlöf). Wie aber kann ein solcher Parsifal, der sich nackter Schilderungen der Wirklichkeit ebenso zu enthalten hat wie der psychologischen Auslotung der finsteren Seiten des Menschen, überhaupt das horazische utile realisieren, so wie es Nobel in seinem Testament verlangt hatte? Dieses Problem wurde mit gleicher Geschicklichkeit und im gleichen Sinne gelöst wie das des ,Idealismus': der ,Nutzen' der Literatur besteht darin, daß sie den Menschen durch hohe Gesinnung, vornehme Haltung, reine Anmut usw. .veredelt'. Dies also wären die Grundzüge der ,Literaturtheorie', die in dem Gremium dominierte, das die ersten Nobelpreise zu vergeben hatte. Es ist, wie sich unschwer feststellen läßt, eine in hohem Maße idealistische Theorie, die sich mit Vehemenz, wenn auch nur ausnahmsweise expressis verbis, gegen die zu jener Zeit munter kursierenden positivistischen und naturalistischen Literaturtheorien eines Taine, eines Zola, auch eines Georg Brandes wendet, ohne indessen von dem Notiz zu nehmen, was die zeitgenössische idealistische Philo" Die Formeln zit. nach Haas 74 f.

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sophie in Gestalt von Vertretern wie H a r t m a n n oder Croce auf dem Gebiet der Ästhetik im allgemeinen u n d dem der Literaturtheorie im besonderen geleistet hatten. Eher scheinen die Vorstellungen, an denen sich Wirsen u n d seine Akademie orientierten, der deutschen Klassik u n d R o m a n t i k u n d der sie begleitenden idealistischen Philosophie zu entstammen b z w . deren ausländischen V o r l ä u f e r n (Shaftesbury) oder Gefolgsleuten (Mme. de Stael, Victor Cousin, Alexandre Vinet). Dies k a n n jedoch n u r in einem ganz vagen u n d pauschalen Sinne gelten: Weder ist es möglich, einen bestimmten A u t o r oder ein bestimmtes System als V o r l ä u f e r der hier in Frage stehenden Literaturtheorie nachzuweisen, noch läßt sich das System gleidisam in einzelne Teile zerlegen, die d a n n auf den Einfluß einzelner Schriftsteller oder Philosophen zurückzuführen wären. Vielmehr haben wir es hier mit einem ästhetischen Eklektizismus zu tun, der nicht so leicht zu entwirren ist. So weiß man etwa nicht recht, was mit der v o n Wirsen u n d seiner Akademie immer wieder als höchste literarästhetische Q u a l i t ä t gepriesenen ,Frische' anzufangen ist. H a t sie mit dem ,Enthusiasmus' oder der .Originalität' zu tun, die in den literarischen Theorien der zweiten H ä l f t e des X V I I I . u n d des beginnenden X I X . J a h r h u n d e r t s v o n E d w a r d Young bis Mme. de Stael so hoch im K u r s standen? W i r möchten es vermuten, denn von ,Frische' im alltäglichen Verständnis ist in den Werken der Preisträger der ersten J a h r z e h n t e nun w a h r h a f t i g ü b e r h a u p t nichts zu spüren. U n d im übrigen w a r e n über h u n d e r t J a h r e nicht spurlos an den vorromantischen u n d idealistischen Theorien vorübergegangen. Deren Edelmetall w a r längst schon zu Kleingeld ausgeprägt, u n d auch diese Scheidemünzen, die ja jahrzehntelang von Schul- u n d Universitätskathedern, von Festrednern u n d Feuilletonisten unter die Masse der Gebildeten gestreut wurden, waren mittlerweile bis zur Unkenntlichkeit abgegriffen. Es w ä r e also nicht ganz korrekt, die idealistische G r u n d k o n z e p t i o n dieser Theorie, derzufolge Literatur u n d Dichtung in einer besonderen, aller M a t e r i a lität entrückten Dimension des Geistes anzusiedeln seien, als G e d a n k e n Kants, Schillers oder Cousins zu betrachten; mit gleichem oder größerem Recht ließen sich hier jene Verse Wilhelm Büschs aus dem Balduin Bählamm zitieren, die wir diesen Untersuchungen vorangestellt haben 8 4 . W a s d o r t in ironischer Verk ü r z u n g umrissen wird, ist eben jene Auffassung v o n Dichtung, die in der zweiten H ä l f t e des X I X . J a h r h u n d e r t s f ü r den konservativen Teil des Bürgertums in ganz E u r o p a typisch ist: Literatur u n d Dichtung gehören ins Reich der Idee, der Dichter ist ein v o n höheren Mächten begnadeter Musensohn, u n d die K u n s t habe sich dem ,Wahren, Schönen, G u t e n ' mit dem Ziel einer Veredelung der Menschheit zu widmen. Es ist eine ausgesprochene literarische Laienästhetik, die sich da herausgebildet u n d später im K a m p f gegen die positivistischen u n d materialistischen Literaturtheorien verfestigt hat. Eben wegen dieser Laienhaftigkeit, wegen ihrer epigonalen Verkommenheit ist diese K o n z e p t i o n z w a r o f t verspottet u n d angegriffen worden, als literarhistorisches P h ä n o m e n aber weder gewürdigt noch b e n a n n t w o r d e n . Dieser ,Vulgäridealismus', wie wir ihn 34

Wilhelm Busch: Balduin Bählamm, Kap. I v. 3—6, 25—30.

Weltliteratur zwischen Vulgäridealismus und Repräsentation

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nennen wollen, bedarf ohne Zweifel nodi eingehender literaturtheoretischer wie literatursoziologischer Untersuchungen, die selbstverständlich nur von einer komparatistischen Basis aus erfolgen könnten. Er war es, der zweifellos bei der Verleihung der ersten Nobelpreise für Literatur Pate stand, und wenn es damals zu einer eindrucksvollen Serie von Fehlverleihungen kam, so nicht zuletzt deshalb, weil angesichts der literarischen Aktualität diese ,Theorie' schon damals nicht nur intellektuell unzureichend, sondern auch völlig anachronistisch war. Es wäre allerdings verfehlt, wollte man nun jene ebenso altväterliche wie primitive Konzeption der Akademiemitglieder allein für die Fehlverleihungen verantwortlich machen. Es gab da ein weiteres Handicap, eine Schwierigkeit in engerem Sinne gesellschaftlicher Art, die aber wahrscheinlich nicht als Schwierigkeit angesehen, möglicherweise überhaupt nicht wahrgenommen wurde. Der Nobelpreis war fest eingebettet in die großbürgerlich-aristokratische haute 5οαέίέ der Belle epoque. Seine Verleihung war alles andere als ein ,innerliterarisches' Ereignis, sie brachte dem Ausgezeichneten nicht nur literarisdien Ruhm sondern auch gesellschaftlichen Glanz, ja eine Erhöhung in eine Art geistigen Adelsstands. Daß die Nobelpreisträger (nicht nur die literarischen) in der Tat so etwas wie einen Adel des Geistes bilden sollten, läßt sich schlüssig nachweisen: seit 1903 taucht der Nobelpreis in einem Anhang zum Adelshandbuch Almanack de Gotha auf — nach einer Intervention des schwedischen Außenministeriums 35 . Dementsprechend feierlich war (und ist) auch das Verleihungszeremoniell 36 : Dieser Saal ist ungewöhnlich in seinen Dimensionen und im Gefühl der Weite, das er einem gibt. Heute ist er voll besetzt und ganz mit Blumen geschmückt. Hunderte von Frauen in schwarzen Kleidern mit blitzenden Perlen und glitzernden Diamanten behangen, Hunderte von Männern, an deren Brust Orden, Sterne, vielfarbene Bänder und andere Rangzeichen prangen. Um zehn vor fünf sitzen schon der Ministerrat, das Diplomatische Korps, die Schwedische Akademie, die Mitglieder des Nobelkomitees und die ganze Menge der Eingeladenen schweigend auf ihren Plätzen. Punkt fünf blasen die Herolde auf dem Podium einen Tusch, um das Erscheinen des Monarchen zu melden. Der Preis, verliehen von der Nobel-Stiftung, wurde (und wird) im Rahmen der Zeremonie von einem veritablen König überreicht, denn nur ein solcher konnte den Adel verleihen, den dieser Preis implizierte. Die auszuzeichnenden Autoren mußten also auch in gesellschaftlicher Hinsicht würdig sein. So ,idealistisch* ihre Kunst auch zu sein hatte, die Akademie hielt es wohl für selbstverständlich, daß die Preisträger doch so viel gesunden Kontakt zur Realität pflegten, daß sie sich in materiellen Verhältnissen befanden, die audi nach großbürgerlichen Maßstäben als gesichert galten, und daß sie innerhalb der Gesellschaft eine feste und angesehene Position einnehmen mußten. Balduin Bählamm hätte selbst dann den Nobelpreis nicht erhalten, wenn er das Vor-

35

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Vgl. Gunnar Ahlström: Kleine Gesch. der Zuerkennung Björnstjerne Björnson, in: Björnson 9. Iwan Bunin: Die Tage des Nobelpreises, in: RE 14 f.

des

Nobelpreises

an

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züglichste in idealistischer Richtung vorgelegt hätte, und audi Spitzwegs armer Poet entsprach kaum dem Leitbild, das die Schwedische Akademie von einem f ü r den Gotha geeigneten Schriftsteller hatte. Gustav Aschenbach hingegen {oder von Aschenbach, wie seit seinem fünfzigsten Geburtstag amtlich sein Name lautete37) wäre für den Nobelpreis geradezu prädestiniert gewesen — und dies nicht nur durch sein Werk. Die Erzählung ,Ein Elender', die einer ganzen dankbaren Jugend die Möglichkeit sittlicher Entschlossenheit jenseits der tiefsten Erkenntnis zeigte, oder gar die leidenschaftliche Abhandlung über ,Geist und Kunst', deren ordnende Kraft und antithetische Beredsamkeit ernste Beurteiler vermochte, sie unmittelbar neben Schillers Raisonnement über naive und sentimentalische Dichtung zu stellen, wären durchaus nach dem Geschmack der Akademie gewesen. Aber eine ebenso große Rolle hätte gespielt, daß es sich bei dem Novellenhelden um einen Autor von hohem gesellschaftlichen Ansehen gehandelt hätte, der es verstand, von seinem Schreibtisch aus zu repräsentieren, seinen Ruhm zu verwalten [ . . .] 38 In dieser Hinsicht wenigstens waren die ersten Nobelpreisträger alle vom Schlage Aschenbachs: SullyPrudhomme, dem seine überaus großzügigen Vermögensverhältnise es gestatteten, in einem Schloß zu residieren, und der 1901, zum Zeitpunkt der Verleihung, bereits seit zwanzig Jahren Mitglied der Academie franjaise war; der in seiner Charlottenburger Villa residierende Emeritus Theodor Mommsen, ehemaliger Reichstagsabgeordneter und Sekretär der Preußischen Akademie der Wissenschaften; Frederic Mistral, oftmals preisgekrönter Patriarch des Felibrige, „acquereur d'une grande maison [ . . .] recevant courrier, cadeaux et visites de France et de nombreux pays" 3 9 ; Jose Echegaray, Minister a. D., sehr vermögender Gründer des Banco de Espafia, Mitglied der spanischen Akademie; Henryk Sienkiewicz, der literarische Nationalheilige seines Volkes, das ihm dank einer nationalen Sammelspende das ehemalige Stammschloß seiner Familie zum Geschenk machte — diese ersten Nobelpreisträger bildeten einen illustren Herrenclub, in dem audi noch Carducci, Kipling und Heyse eine gute Figur machten. In ihrer Art waren auch sie repräsentativ, eine Elite besonderer Art, Weltliteratur im Frack.

Epilog Andrew Craig, ein amerikanischer Nobelpreisträger f ü r Literatur der sediziger Jahre, erhält den Preis in vergleichsweise jugendlichem Alter, mit 39 Jahren. Seit Jahren unproduktiv und hemmungsloser Trunksucht verfallen, hat er sich in ein kleines Nest des Mittleren Westens zurückgezogen, wo er recht ärmlich in einer gesellschaftlichen Außenseiterposition lebt. Er hätte 37 38 39

Thomas Mann: Der Tod in Venedig, in: Ges. W. VIII, Frankfurt a. M. 1960, 450. Ebd. Jacques Boudet: Frederic Mistral, in: Laffont-Bompiani: Diet, biogr. des auteurs II, Paris 1958, 226.

Weltliteratur zwischen Vulgäridealismus und Repräsentation

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schlecht in die Belle epoque des Nobelpreises gepaßt, andererseits ist auch Craig ein zweitrangiger Autor, der den Preis nur auf Grund einer glücklichen politischen Konstellation erhält, laut Begründungsformel aber in Anerkennung der kraftvollen und bedeutenden Literaturwerke zur Verteidigung humanitärer Ideale40. Carl David af Wirsen läßt grüßen . . . Glücklicherweise ist die Formel fiktiv, denn Andrew Craig ist eine ebenso imaginäre Gestalt wie Balduin Bählamm oder Gustav Aschenbach. Er ist das Geschöpf eines hierzulande kaum bekannten, in der Neuen Welt aber in Millionenauflagen gelesenen Bestsellerautors, Irving Wallace. In dessen 1962 erschienenen Roman The Prize wird der Nobelpreis zum literarischen Thema. Die Helden dieses Romans, welche die üblichen erotischen Wechselfälle zu durchleben haben und zum Teil gar in eine politische Agentensache hineingezogen werden, sind sechs Vertreter eines Nobelpreisjahrgangs, unter ihnen als zentrale Figur Andrew Craig. Auch Ort und Zeit des Romans sind durch das Thema determiniert: bis auf den einleitenden Teil spielen sich alle Geschehnisse in Stockholm während der ersten Dezemberwoche ab, die alljährlich im Zeichen des Nobelpreises steht41. Daß dieser Preis vor noch nicht allzulanger Zeit von einem Routinier der Unterhaltungsbranche dazu ausersehen wurde, das Sujet eines Bestsellers zu bilden, und daß diese Rechnung dann auch aufging, kann nicht verwundern. Noch immer ist der Preis von einem Glanz umstrahlt, der nicht allein von der wissenschaftlichen oder literarischen Leistung der Laureaten ausgeht. Der gesellschaftliche glamour einer Verleihungszeremonie erscheint durchaus geeignet, auch die Liebhaber Hollywoods zufriedenzustellen. Noch immer ist der Nobelpreis auch ein Ereignis der haute societe, wovon sich die Fernsehzuschauer alljährlich überzeugen können (inzwischen sind die Nobelpreisträger auch Figuren der Nachrichtenwelt, Mediagötter42 geworden), etwa im Dezember 1972, als der Literaturpreis an Heinrich Boll, dem im ungewohnten Frack offensichtlich nicht ganz wohl war, überreicht wurde. Die Repräsentation ist also geblieben — als Schein, der glücklicherweise täuscht. Denn inzwischen könnte Craig in der Tat den Preis erhalten, übrigens, auch ohne humanitäre Ideale gefördert zu haben. Denn das Leitbild des repräsentativen Schriftstellers gehört ebenso wie die vulgäridealistische Literarästhetik einer vergangenen 40

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In recognition of your powerful and significant writings in support of humanitarian ideals . . ., Irving Wallace: The Prize, New York (Signet Books) 1962, 61. Im übrigen kommt in diesem Roman die Information über Geschichte und Problematik des Preises nicht zu kurz. Wallace schreibt in seinem Nachwort (702 ff.), er habe vor Niederschrift des Buches über diesen Gegenstand lange und sorgfältige Recherchen angestellt. In der T a t bietet das Buch erstaunlich reichhaltiges, zum größten Teil gewiß zuverlässiges Material zum Thema Nobelpreis. Dennoch ist es als Quelle oder Referenzwerk nur mit äußerster Vorsicht zu benutzen, da dieses Material in oft undurchschaubarer und unauflösbarer Verfilzung mit romanesken Elementen und einer unkontrollierbaren chronique scandaleuse auftritt. Dies ist um so bedauerlicher, als man aus dem Roman weitaus mehr über den Nobelpreis erfährt als beispielsweise aus österling, Schüdc-Sohlmann, Meier oder Haas. Walser 11.

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Epoche an 4 3 , deren wahren literarischen Glanz der Nobelpreis nicht zu reflektieren vermochte 4 4 .

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Möglicherweise ist dieser Ausblick zu optimistisch. Ein Jahr nach Absdiluß dieses Aufsatzes hielt der Vf. im Sommersemester 1974 ein Oberseminar über das Thema Der Nobelpreis für Lit. In den Referaten und Diskussionsbeiträgen einiger Teilnehmer wurde deutlich, daß die von ihm in der Frühzeit des Nobelpreises beobachteten Phänomene in abgeschwächter Form bis heute nachwirken. Da aber der Vf. mit den vorliegenden Untersuchungen nicht nur einen Beitrag zur Problematik des lit. Nobelpreises, sondern auch zur Geistesgesdiichte der ,Belle epoque' leisten wollte, kann er auf die weitere Entwicklung der Verleihungspraxis nicht mit der gebotenen Gründlichkeit eingehen. Sicher ist soviel, daß mit dem Tode Wirsens (1912) in dieser Praxis eine spürbare Liberalisierung und Entkrampfung eintrat und von nun an die krassen Fehlverleihungen seltener, schließlich gar zur Ausnahme wurden. Ebenso sicher aber ist, daß — einmal ganz abgesehen von unserem Thema — der Vulgäridealismus in der Literaturkritik bis in die Gegenwart fortlebt und vor noch nicht allzu langer Zeit im ,Zürcher Literaturstreit' seine letzte große Schlacht lieferte. Bibliographischer Nachtrag: Horst Frenz: What Prize Story, in: Yearb. of Comb, and General Lit. 23 (1974), 42—46 (konnte nicht mehr berücksichtigt werden).

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Saint-Simon in Prousts Roman Die Auffassungsweisen von Saint-Simon umgrenzen einen Bereich von Erfahrung und Darstellungsmöglichkeiten, führen zur Bildung von Typen und Gestalten, in denen die Gesellschaft des X V I I . Jahrhunderts sich wiederfinden konnte. Sie behandeln die besonderen Schicksale, die Entwicklung eines Einzelnen oder eines begrenzten Personenkreises und machen die umfassende Einheit einer Zeit sichtbar, die Verwicklungen der Politik, die Macht von Ehrgeiz und Habsucht. In dem Strom von Handlung und Erscheinung wird der komplizierten Organisation der Gesellschaft des X V I I . Jahrhunderts eine künstlerische des Abbilds gegenübergestellt, deren visionäre Kraft der Wirklichkeit gewachsen war und sie sogar übertreffen konnte. Denn Saint-Simons kritischer Blick wußte sich durch die Schichten der höfischen Gesellschaft Bahn zu brechen, nichts widersetzte sich der Klarheit seiner Beobachtung, und dank der Mannigfaltigkeit seiner Tonarten, dank der Fähigkeit zur karikaturalen Zuspitzung konnte er nadi vielen Seiten um sich greifen. Eine ironische Ader trat überall zu Tage, und die Bewegung, die das größte Memoirenwerk der französischen Literatur erregt hat, ist noch nicht zur Ruhe gekommen, sein Geist konnte überspringen auf spätere Zeiten und seine erweckende Kraft in Forschung und Dichtung betätigen. Auch in der des X X . Jahrhunderts. In Prousts A la recherche du temps perdu können auseinanderliegende Zeiten wie das X V I I . Jahrhundert und die Gegenwart sich in der Einbildungskraft des Autors zusammenfinden und eine neue Wirklichkeit ausbilden. Dann betritt der Erzähler das Gebiet der Historie, der alten Sprache wird Spielraum gegönnt, als bedürfte die Romanhandlung zu ihren Gestalten und Gedanken des Hintergrunds einer anderen Zeit, des Reizes der Opposition. In dem Hineinspielen der Memoiren in Prousts Roman sieht man, wie Saint-Simon eine Fackel angezündet hat, deren Funken weithin flogen, denn die Memoiren werfen ihre hellen und scharfen Strahlen immer wieder auf den Schauplatz des Romans. Und zwar schon im ersten Band Du cote de chez Swann. Hier trifft sich die Familie Marcels im Garten des Hauses und erwartet die Ankunft von Swann, und zwar diesmal mit besonderer Spannung, da der Figaro einen Artikel über ein Gemälde von Corot gebracht hatte, das aus der Swannschen Sammlung stammte. . . . Und dann hatte man erfahren, daß Swann einer der plus fideles habitues du dejeuner du dimanche chez le due de X. sei. Der Großvater Marcels, den die Epoche von Louis-Philippe und zugleich die Politik überhaupt interessierte, nimmt sich vor, Marcel über die mondäne Welt des

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Faubourg Saint-Germain zu befragen, als hoffte er, Ähnlichkeiten zu andern Zeiten zu entdecken, unerwartete Verwandtschaften aufzuspüren und dem Bericht geheime Beweggründe entlocken zu können. Die Großtanten hingegen freuen sich auf Swanns Besuch, um ihm für eine Kiste Asti-Wein, die er ihnen gespendet hatte, danken zu können. Und nun antwortet Swann auf die Fragen, die man ihm stellt 1 : „Tenez, dit Swann ä mon grand-pere, ce que je vais vous dire a plus de rapports que cela n'en a pas I'air avec ce que vous me demandiez, car sur certains points les choses n'ont pas enormement change. Je relisais ce matin dans Saint-Simon quelque chose qui vous aurait amuse. C'est dans le volume sur son ambassade d'Espagne; ce n'est pas un des meilleurs, ce n'est guere qu'un journal, mais du moins un journal merveilleusement ecrit, ce qui fait dejä une premiere difference avec les assommants journaux que nous nous croyons obliges de lire matin et soir". — „Je ne suis pas de votre avis, il y α des jours ou la lecture des journaux me semble fort agreable .. interrompit ma tante Flora, pour montrer qu'elle avait lu la phrase sur le Corot de Swann dans le Figaro. „Quand ils parlent de choses ou de gens qui nous Interessent!" encherit ma tante Celine. „Je ne dis pas non", repondit Swann etonne. Ce que je reproche aux journaux, c'est de nous faire faire attention tous les jours ά des choses insignifiantes, tandis que nous lisons trois ou quatre fois dans notre vie des livres ou il y α des choses essentielles. Du moment que nous dechirons fievreusement chaque matin la bände du journal, alors on devrait changer les choses et mettre dans le journal, moi je ne sais pas, les... Pensees de Pascal! (il detacha ce mot d'un ton d'emphase ironique pour ne pas avoir I'air pedant). Et c'est dans le volume dore sur tranches que nous n'ouvrons qu'une fois tous les dix ans", ajouta-t-il en temoignant pour les choses mondaines ce dedain qu'affectent certains hommes du monde, que nous Urions que la reine de Grece est allee a Cannes ou que la princesse de Leon a donne un bal costume. Comme cela la juste proportion serait retablie. Mais regrettant de s'etre laisse aller ä parier meme legerement de choses serieuses: „Nous avons une bien belle conversation", dit-il ironiquement, „je ne sais pas pourquoi nous abordons ces ,sommets', et se tournant vers mon grand-pere: „Done Saint-Simon raconte que Maulevrier avait eu l'audace de tendre la main a ses fils. Vous savez, c'est ce Maulevrier dont il dit: „Jamais je ne vis dans cette epaisse bouteille que de l'humeur, de la grossierete et des sottises." — „Epaisses ou non, je connais des bouteilles ou il y a tout autre chose", dit vivement Flora, qui tenait a avoir remercie Swann eile aussi, car le present de vin d'Asti s'adressait aux deux. Celine se mit a rire. Swann interloque reprit: „Je ne sais si ce fut ignorance ou panneau, ecrit Saint-Simon, il voulut donner la main a mes enfants. Je m'en apergus assez tot pour I'en empecher. Mon grand-pere s'extasiait dejä sur ignorance ou panneau", mais Mile Celine, chez qui le nom de Saint-Simon — un litterateur — avait empeche I'anesthesie complete

1

A la recherche du temps perdu, 1954, I 25 ff. [zit.: Recherche],

I — I I I , ed. P. Clarac / A. Ferre (Pleiade), Paris

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des facultes auditives, s'indignait dejä: „Comment? vous admirez cela? Eh bien! c'est du joli! Mais qu'est-ce que cela peut vouloir dire; est-ce qu'un homme n'est pas autant qu'un autre? Que'est-ce que cela peut faire qu'il soit due ou cocher, s'il α de l'intelligence et du cceurf 11 avait une belle maniere d'elever ses enfants, votre Saint-Simon, s'il ne leur disait pas de donner la main a tous les honnetes gens. Mais c'est abominable, tout simplement. Et vous osez citer celaf" Die Stelle offenbart zunächst die Fähigkeit des Erzählers, Swann Figuren hinstellen zu lassen, die er selbst gesehen, Sitten schildern zu lassen, in denen er selbst verkehrt hat, und durch den Dialog flüssig zu machen; Swann versäumt nicht, sich als Kenner von Saint-Germain in Erinnerung zu bringen, ehe er die Anekdote aus Saint-Simon erzählt. Aber dann scheint ein Wort das andere zu locken, ein Begriff — journal — den andern — journal in der Bedeutung des X X . Jahrhunderts (Presse) — zu rufen, und die Digression über die flüchtigen Leser von heute scheint ebenso abzulenken vom Thema Saint-Simon wie die weiteren Fragen, die man Swann stellt. Nebenvorstellungen drängen sich vor, wenn von der Bildersammlung gesprochen wird und die Rede zögert. Aber plötzlich gibt der Autor das retardierende Verfahren auf und läßt Swann zu Saint-Simon zurückkehren. Doch während der Großvater und Swann sofort die Lebensstimmung erkennen, die über der Anekdote den Gesichtskreis der durch Rang und Etikette bestimmten höfischen Gesellschaft eröffnen, mißverstehen die am Gespräch teilnehmenden Damen den Zusammenhang. Denn indem sie einzelne Wörter nicht aus ihrem Kontext zu erklären imstande sind, verwischen sie den Sinn von Saint-Simon, lösdien den Anlaß aus und sehen nur die ihres Kerns entleerte Schale. Die Erzählung war so angelegt, daß der Leser förmlich aufgefordert war, die Fäden zu sondern, aus denen sie gewebt zu sein schien. Auseinanderliegende Extreme, Mißverständnis und Bereitschaft des Geistes binden die verschiedenen Teile dieser Konversation zu einem Ganzen zusammen und sichern die komische Wirkung. Aber Swanns Bemerkung: Sur certains points les choses n'ont pas enormement change, offenbart ein mit den Mitteln der Analogie arbeitendes Geschichtsverständnis. Die vielen Stimmen aus Saint-Simon entsprachen Stimmungen seiner Seele, in seiner Beziehung zur Aristokratie f a n d Swann eine Erhöhung seines Lebensgefühls — einen appui de lui-meme —, in den einander durchdringenden Formen ihrer Etikette schien ihm eine Fülle von möglichen Gestaltungen und Äußerungen geborgen zu sein 2 : .. . il y eprouvait.. . le plaisir desinteresse qu'il aurait pris a un roman ou a un tableau ou sont peints les divertissements d'une classe oisive, comme, chez lui, il se complaisait ä considerer le fonetionnement de sa vie domestique, l'elegance de sa garde-robe et de sa livree, le bon placement de ses valeurs, de la meme fagon qu'a lire dans Saint-Simon, qui etait un de ses auteurs favoris, la mecanique des journees, le menu des repas de Mme de Maintenon, ou l'avarice avisee et le grand train de Lulli. 2

Redierche I 309.

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In dem Leben der Aristokratie, das eine Folge von divertissements und plaisirs ist, ist jedes Element nur Organ einer alles ergreifenden Einheit, und der Einzelne sieht sich mitlebend in einem System von Anschauungen, an denen er sich zu messen hat. Die alltägliche Wirklichkeit sinkt zum feindseligen Gegenspiel herab, jene alltägliche Welt, in der Wahrheit und Irrtum tausendfältig ineinander verflochten sind, die aber blind ist für die stilbildende Kraft von Saint-Simon. In einer von allem Zwang, von aller ökonomischen Abhängigkeit befreiten Lebensweise erblickt Swann die lebendige Repräsentation der in ihrem Bestände gefährdeten Überlieferung und in der Etikette eine Ordnung nach Linien zum Ästhetischen, eine dem Kunstwerk gleiche Offenbarung, eine tief bezogene Oberfläche. Was ihn bindet an diese Welt, fand er zugleich in den Memoiren von Saint-Simon, denn wenn die Verhältnisse sich seit dem XVII. Jahrhundert nicht so sehr geändert haben und der Bedeutungskern der Memoiren sich erhalten hat, so wird dem Heute der Hintergrund des Damals verliehen, beide sind aufeinander abgestimmt, spiegeln sich ineinander und scheinen der Vergänglichkeit nicht zu unterliegen. Aber Swann, der die aristokratische Gesellschaft seiner Zeit in Analogie zu den Memoiren sehen will, entgeht nicht der Gefahr, in die Rolle des Ästheten zu fallen, der in der Geselligkeit aristokratischer Lebenskreise, im Austausch und Ausgleich gesellschaftlicher Formen, in der Fixierung auf ihre Vorstellungen umschlossen bleibt von einer fremden Welt, aber abgeschnürt von der Totalität des Lebens. Dem Vorbild antwortet nur das Echo — eines geschmackvollen Liebhabers — eines oft snobistischen Liebhabers—, der durch die Lektüre der Memoiren, durch den Umgang mit den Aristokraten der Gegenwart in eine fiktive Welt hineingenommen ist, deren Rahmen die umgebende Wirklichkeit von sich ausschließt. Proust kann jedoch die Deutung der heutigen Gesellschaft ironisch zurückverweisen lassen auf das XVII. Jahrhundert, und beide auf einen Nenner bringen. So wenn Charlus Saint-Simon zu Hilfe ruft, um die Bedeutung seines Rangs, den inneren Zusammenhang mit dem Adel des XVII. Jahrhunderts fühlbar zu machen, als ob das Schicksal, eine so bedeutende Vergangenheit zu haben, seinem Lebensrhythmus eine besondere Würde geben könnte 3 : „Vous me faisiez penser, en voulant que je prisse votre place, a un monsieur qui m'a envoye ce matin une lettre en l'adressant: „A son Altesse le Baron de Charlus" et qui la commengait par: ,Monseigneur' — En effet, votre correspondant exagerait un peu, repondit M. de Cambremer en se livrant ä une discrete hilarite. M. de Charlus l'avait provoquee; il ne la partagea pas. „Mais dans le fond, mon eher, dit-il, remarquez, que, heraldiquement parlant, e'est lui qui est dans le vrai; je n'en fais pas une question de personne, vous pensez bien. J'en parle comme s'il s'agissait d'un autre. Mais que voulez-vous, l'histoire est l'histoire, nous n'y pouvons rien et il ne depend pas de nous de la refaire ... qu'en 3

Du reste, tout cela n'a rien a voir avec ce que je voulais dire, ä savoir Allemagne, princes mediatises, nous sommes Durchlaucht, et qu'en

Recherche II 946 ff.

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France notre rang d'Altesse etait publiquement reconnu. Saint-Simon pretend que nous I'avions pris par abtis, ce en quoi il se trompe parfaitement. La raison qu'il en donne, a savoir que Louis XIV nous fit faire defense de l'appeler le Roi tres Chretien, et nous ordonna de l'appeler le Roi tout court, prouve simplement que nous relevions de lui et nullement que nous n'avions pas la qualite de prince. Sans quoi, il aurait fallu la denier au due de Lorraine et a combien d'autres. Analogien des heutigen zu einem verflossenen Augenblick können verschiedene Funktionen haben. Man erkennt, was der Zeit entzogen ist, eine außerzeitliche Identität gleichsam, denn wenn die Erinnerung an eine Epoche, die wiederkehren kann, ein Glück für Swann bedeutete, so wahrt der Erzähler kritisch Abstand von einer Welt erstarrter Formen, deren Attitüden sozial, aber nicht moralisch relevant sind. Die Personen des Romans — Swann wie Baron de Charlus — glauben im vorgeformten Stoff der Memoiren den Typus zu finden, dem sie selber angehören und den sie zu bestätigen meinen, ihnen ist die Aufmerksamkeit auf die eigene Person und auf die Memoiren eigen, deren Themen immer von neuem zu Durchblicken und Perspektiven führen. Charlus meint, daß in seine Gefühle die alten Kräfte der Ahnen einfließen, deren Glanz sein eingebildetes Wesen trifft. Die Hinwendung zu dieser Sphäre ist ihm so eigentümlich, daß die eigene Wichtigkeit sich im Bewußtsein einer Genealogie bestätigt, der seine Zeit keine Bedeutung mehr beimißt. In rückwärtsgewandten Illusionen möchte er mitschwimmen in Strömungen des X V I I . Jahrhunderts. Er stellt sich in Gebärden der Vergangenheit dar, verblichenen Adelsansprüchen nachhängend und unberechtigte Ansprüche gegen die Mitwelt kehrend. So wird er lächerlich, da er nicht versteht, daß die Zeit in ein Stadium eingetreten war, in dem neue Momente der geschichtlichen Entwicklung Geltung erlangt haben. Im bürgerlichen Salon der Mme Verdurin erhebt er sidi, während Dr. Morel und Doktor Cottard am Spieltisch stehen, nicht von seinem Fauteuil — eingedenk der Prärogativen von Rang und Etikette des X V I I . Jahrhunderts —, als die Hausherrin eintritt und das Gespräch in Gang kommt 4 : „Ii joue Charlus, du reste, Verdurin. sociales, la meme 4

bien aux cartes, il fait tout bien, il est si intelligent", dit M. de tout en regardant les jeux, afin de conseiller Morel. Ce n'etait pas, sa seule raison de ne pas se soulever de son fauteuil devant Mme Avec le singulier amalgame qu'il avait fait de ses conceptions a la fois de grand seigneur et d'amateur d'art, au lieu d'etre poli de maniere qu'un homme de son monde l'eüt ete, il se faisait, d'apres

Recherche II 967 — dazu cf. Saint-Simon: CEuvres (Grands Ecriv. XI 40s.): Le portrait du marechal d'Huxelles: il ressembloit tout a fait ä ces gros hrutaux de marchands de boeuj; paresseux, voluptueux a I'exces en toutes sortes de commodates, de chere exquise, grande, journaliere, en choix de compagnie, en debauches grecques, dont il ne prenoit pas la peine de se cacher et accrochoit de jeunes officiers, qu'il adomestiquoit, outre de jeunes valets tres bien faits, et cela sans voile, a l'armee et a Strasbourg; glorieux jusqu'avec ses generaux et ses camarades et ce qu'il y avoit de plus distingue, pour qui, par un air de paresse, il ne se levoit pas de son siege.

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Saint-Simon, des especes de tableaux vivants; et, en ce moment, s'amusait ä figurer le marechal d'Huxelles, lequel interessait par d'autres cotes encore et dont il est dit qu'il etait glorieux jusqu'ä ne pas se lever de son siege par un atr de paresse, devant ce qu'il y avait de plus distingue α la Cour. Hier versucht Charlus, sich über das kontinuierliche Fortschreiten der Zeit hinwegsetzend, nach Gelesenem zu leben. Als könnte die Zeit sich wiederholen, stellt er sich in eine Überlieferungsreihe, im adeligen Dünkel sich verirrend, meint er den Punkt gefunden zu haben, von dem aus in der modernen Welt noch einmal Regeln und Normen wie am H o f Ludwigs X I V . gelten könnten. Diesen Versuch, in den Memoiren Saint-Simons zugleich ein literarisches Werk und eine Art Familienchronik zu sehen, wertet der Erzähler ironisch ab, indem er von dem singulier amalgame qu'il avait fait de ses conceptions sociales, a la fois de grand seigneur et d'amateur d'art spricht. Diese doppelte Richtung seines Interesses war aber auf der Ebene der objektiven Gegebenheiten der modernen Gesellschaft nicht zu verwirklichen, Charlus spürt die geschichtliche Bewegung der eigenen Zeit nicht, wenn er glaubt, in unbedachtem Gegensatz zu ihr sich mit der Welt des X V I I . Jahrhunderts zu identifizieren. Und dabei übersieht er, daß Saint-Simon, der sein gültiges Vorbild darzustellen schien, bei aller Bindung an die Feudalität, doch nicht versucht, sich in Sehnsuchtsbilder hinüberzuretten. Seine aufs Verzerrte hin angeschaute Umwelt trägt die Signatur der Vergänglichkeit, so daß die Mannigfaltigkeit seiner karikaturalen und satirischen Bilder, die in Wechselwirkung zueinander gesetzt werden, durchdrungen und zusammengehalten ist durch ein über den Erscheinungen stehendes Gesetz — alle Vorstellungsinhalte, alle zeitlichgeschichtlichen Bedingungen erscheinen in ihrer ganzen Größe und in ihrer ganzen schließlichen Nichtigkeit. Denn will man, so sagt Saint-Simon, Geschichte schreiben, so heißt das 5 : .. .se montrer a soi-meme pied de ses deshs, de ses esperances, vaux; c'est se convaincre du de toutes ces choses et de la vie que nul des heureux du monde quillite ne peut se trouver ici-bas

a pied le neant du monde, de ses craintes, de ses disgraces, de ses fortunes, de ses trarien de tout par la courte et rapide duree des hommes, c'est se rappeler un vif souvenir ne l'a ete, et que la felicite, ni meme la tran...

Die Darstellung lebt von der Spannung zwischen Diesseits und Jenseits, sie weiß so genau von der Vergänglichkeit der menschlichen Wirklichkeit, daß sie über diese hinausstrebt, sie läuft wie ein Strom zwischen zwei Ufern, fasziniert von allem, was auf dem Schauplatz der Welt sich abspielt, und ist doch zugleich, der Zeit entrückt, fähig, in einem Jenseits der Gegenwart sich zu halten. Prousts Werk als ein sich ruhender Kosmos erlaubt keine Projizie-

5

CEuvres, op. cit., VIII 385. S. zu dem Thema audi die weiterführende Darstellung von Yves Coirault: L'optique de Saint-Simon, Essai sur les formes de son imagination et de sa sensibilite d'apres les „Memoires", Paris 1965.

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rung auf eine überirdische Ordnung, die Gegenbild seines vollendeten ästhetischen Kosmos wäre6. Schon aus der Analyse einzelner Episoden war deutlich geworden, daß die Memoiren Saint-Simons das Blut des geistigen Lebens von Proust nähren und tragen. Aber das Wechselspiel mit ihnen wird nicht nur in einem berühmten Pastiche7, sondern in den verschiedenen Teilen von A la recherche du temps perdu je länger, je mehr zum drängenden Bedürfnis. Im Licht der Affinitäten von Stil 8 und Motivationen 9 zeichnet sich immer wieder das Profil von SaintSimon ab. Die Spuren, die der Stil Saint-Simons bei Proust hinterlassen hat, sind zahlreich. Saint-Simon ist das leitende Gestirn, das wie ein Strahl aus der Welt des X V I I . Jahrhunderts den Zusammenhang von Du cote de Guermantes ordnet. Die charakteristische Perspektive Saint-Simons verteilt sich auf die verschiedenen Bände und verleiht vielen Stellen eine besondere Prägung. Der Einfluß Saint-Simons stellt sich in den mannigfachsten Vermittlungen und Brechungen konkreter Verhältnisse dar, sie empfangen eine wechselnde Beleuchtung je nach der Art, in der sie zu dem Phänomen der Memoiren gesetzt werden. Denn durch die häufige Kreuzung der Linien des Romans und der Memoiren wird ein eigenes Koordinatenschema geschaffen, das sich auf verschiedene Teile des Werkes überträgt und sich in dieser Übertragung differenziert. Proust meinte einmal, daß man sich nicht in den Bahnen bewegen dürfe, die durch die Natur eines bewunderten Autors vorgezeichnet sind 10 : Et c'est settlement si on la suit qu'on se trouve parfois rencontrer ce qu'on a abandonne et avoir ecrit, en les oubliant, les „Contes arabes" ou les „Memoires de SaintSimon" d'une autre epoque. Hier sieht man, wie Verknüpfung und Trennung nicht zwei besondere Akte bilden, sondern wie es ein und derselbe Prozeß ist, in dem sich Beides, die Entgegensetzung zu einem überspringenden Einfluß und die Zusammenfassung zur poetischen Einheit, vollzieht. Mag es auch Prousts Absicht gewesen sein, sich zeitweise von Saint-Simon zu lösen — dieser ist doch im ganzen Werk unmittelbar gegenwärtig und wirkt in ihm — ein Moment, das stets in Prousts Gedankenkreis lag. Denn bestimmte Elemente aristokratischer Anschauung Saint-Simons erweisen sich als grundlegend, als * Cf. George Strambolian: Marcel Proust and the creative Encounter, Chicago/ London 1972, und Barbara J. Bucknall: The Religion of Art in Proust, Illinois St. in Language and Lit. 60, Urbana/Chicago/London 1969. 7 Zum Problem des Pastiche s. jetzt: L'äff aire Lemoine von Marcel Proust, Komm, und Interpretationen, hg. v. W. Pabst und L. Schräder, Berlin 1973. 8 Proust hat an vielen Stellen des Romans und der Korrespondenz den Stil SaintSimons gepriesen, z . B . : II est difficile de faire la part entre le moral et le physique dans un grand portrait Saint-Simonien; l'eblouissant coup de pinceau, s'il en exalte le relief et le mouvement, traduit surtout „l'esprit" meme de cette physionomie (Recherche I 551). 9 Dazu s. die schöne Untersuchung von H. de Ley: Proust et le due de Saint-Simon, Urbana/London 1966 (Illinois St. in Language and Lit. 57). 10 Recherche (III 1044).

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das Gerüst, das den Bau von A la recherche du temps perdu mitträgt. Andere erhalten eine geringere Bedeutung zugemessen und sind auf einen engeren Umkreis beschränkt. Proust hat sehr oft Personen aus seinem Bekanntenkreis mit dem Dekor der Vergangenheit ausgestattet und in der mondänen Welt seiner Zeit Charaktere und Gewohnheiten des X V I I . Jahrhunderts wiedergefunden. Sie leben gleichsam in seiner Atmosphäre, besitzen eine gemeinsame Tönung, vermöge deren sie sich aus der Zeit herausheben; sie können wie Graf und Gräfin d'Haussonville in den Chroniques wie Überlebende des Ancien Regime wirken. Proust bemüht sich stets, Aspekte der Memoiren von Saint-Simon aufleben zu lassen und sie mit seinen geistigen Bedeutungs- und Wertnuancen zu durchdringen. Ludwig X I V . gewinnt daher nicht nur in den Memoiren einen auszeichnenden Charakter, er fällt auch in die Blickrichtung des Romans, weil eine charakteristische Figur in Du cöte de Guermantes an seinen — freilich nicht nur an seinen — Merkmalen Anteil gewinnt. Denn der Herzog leitet ein seit der Merowingerzeit berühmtes Geschlecht, das zur Zeit Ludwigs X I V . auf der Höhe seines Ruhmes steht. In vieler Hinsicht erweist sich durch das Medium von Saint-Simon die Welt Ludwigs X I V . als form- und sinngebend, denn indem viele Begebenheiten auf das X V I I . Jahrhundert projiziert werden, gewinnen sie in dieser Projektion einen neuen Gehalt. Indem die Etikette im Haus des Protagonisten in Combray erscheint als plus grave qu'ä la cour de Louis XIV le „Monseigneur", werden auch alle bei Saint-Simon stets sorgfältig beobachteten gesellschaftlichen Spielregeln in den Mittelpunkt vieler Charakteristiken gerückt, sie besitzen ihr Korrelat in den über alle Bände von A la Recherche du temps perdu verbreiteten Deutungen. Die Persönlichkeit des Königs erscheint auf mannigfache Weise — wie alles, was aus seiner Zeit erzählt und von Proust um- und weitergebildet wurde. Immer bleibt als fester Kern des königlichen Wesens der Eindruck des Außergewöhnlichen, einer nach Regeln der Etikette verlaufenden Welt der Aristokratie, die der Schicht des in gewohnten Bahnen verlaufenden Lebens eine andere gegenüberstellt, die sich von ihr deutlich abhebt. Das Geschlecht der Guermantes wird zur Kristallisation; in ihm und in seinen Ahnen stellt sich der Akzent dar, der auf die Vergangenheit gelegt wird. Unter Ludwig X I V . , sagt Proust einmal, wären die Guermantes quasi royaux, faisant plus grande figure qu'aujourd'hui — ähnlich läßt Saint-Simon die Feudalität des Mittelalters in eine Spannung zur Aristokratie des Hofes von Ludwig X I V . geraten. Diese Bewertung und Akzentuierung der Aristokratie, die sich in beiden Werken ausspricht und fortschreitend immer neue Gebiete ergreift, zeigt, daß zwischen Memoiren und Roman eine unverkennbare Analogie besteht. Überall treten uns Konventionen in genauer Durchbildung entgegen, jede derselben hat eine bestimmte Farbe, ein bestimmtes Element in einem Ganzen von Beziehungen, die unter beherrschenden Gesetzen stehen. In dem Stufenbau der Bedeutungen wird den verschiedenen Formen der Liebe ihr Platz zugewiesen — Saint-Loup, Rachel, Morel —, an ihnen wie an vielen Personen wird die dialektische Bewegung des Denkens sichtbar, in

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dem die Trennungslinien zwischen Liebe und H a ß , Genuß und Leiden oft verschwimmen. Es sind Gegenbilder zu dem Due d'Orleans, zu Monsieur le Prince und Pontchartrin aus den Memoiren. In ihrer Gefühlswelt laufen wie auf der Bühne des politischen Lebens Krieg und Frieden unkenntlich durcheinander. Auch hier fließt oft der Reichtum von Saint-Simons Anschauung in die Welt von Proust, die, unendlich offen, in steter Bewegung und Erweiterung erscheint. In beiden Werken wird der Prozeß des Geschehens, der sich in einer Mehrheit von Stufen auseinanderfaltet, mit ähnlichen Ausdrücken benannt und im Wechsel der Erscheinungen das Moment der Variabilität, des Entstehens und Vergehens und Verfließens aller zeitlichen Gestaltungen beschrieben. Wenn Proust einmal schreibt 11 : Ainsi change la figure des eboses de ce monde; ainsi le centre des empires, et le cadastre des fortunes, et la charte des situations, tout ce qui semblait definitif est-il perpetuellement remanie, et les yeux d'un komme qui a vecu peuvent-ils contempler le changement le plus complet la oü justement il lui paraissait le plus impossible, und vom royaume du neant spricht, so hat er den Punkt erreicht, an dem seine Anschauung sich mit der religiösen von Saint-Simon verknüpfen läßt. Denn auch Saint-Simon erkennt le neant des plus desirables fortunes, und er beschreibt das periodische Auf und Ab aller Kräfte so eindringlich, daß Prousts Worte wie ein Nachklang der seinen wirken. H . de Ley hat gezeigt, daß das, was die Welt von Saint-Simon und Proust verbindet, sie von Balzac trennt. In dieser war alles erscheinende Sein auf eine bestimmte Zeit bezogen — auf die Jahre 1822 oder 1830 oder auf das Ancien Regime oder auf das Empire. Gerade diese stete Beziehung stellt den Zusammenhang zwischen den Typen her und prägt alles Zufällige in die Form einer geschichtlichen Notwendigkeit um. Hingegen schreitet der Prozeß der Personendarstellung bei Saint-Simon wie bei Proust in einer anderen Richtung fort. Sind in dem e i n e n Rastignac oder Lucien de Rubempre alle Züge vereint, die Balzac ihnen geben wollte, so haben in den letzten Bänden der Memoires die dem Leser vertrauten wiederkehrenden Namen — der Due de Chevreux, der Due de Mortemart, Madame la Princesse oder der König — eine andere Bedeutung gewonnen. Was sich jetzt an ihnen offenbart, führt ein relevantes Dasein für neue Generationen, und hat damit eine veränderte Bedeutung gewonnen. Die Ereignisse der Welt von Versailles werden — wie die Dreyfus-Affäre bei Proust — in den Anschauungskreis verschiedener Personen bezogen, sie strahlen nach verschiedenen Richtungen aus, und dank der wechselnden Auffassung durch Einzelne wird jedes Ereignis mit verschiedenen Wertakzenten versehen. Der Deutung eröffnet sich ein unbegrenzter Spielraum. Daher erkennt man bei Saint-Simon wie bei Proust eine verwandte Linienführung. Beide sind der Welt, die sie überlebt haben, verbunden und notwendig mit ihr verknüpft. Die Spannweite der Darstellung liegt darin, daß wir in ununterbrochenem Zusammenhang von Gestaltungen von einem Extrem zum andern geführt werden, und zwar innerhalb einer stets sich erneuernden 11

Zit. bei H. de Ley, loc. cit. 87.

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Welt, in der ein beständiger Übergang von Formen stattfindet. Dies ermöglidite es Proust, immer wieder an Saint-Simon anzuknüpfen, in dessen Werk sich die vielfältig nuancierte Beschreibung der Feudalität und des Hofes zu einer besonderen Höhe entwickelt hat. Beide Autoren begegnen sich daher in einem Stil, der Spiegel beweglichen Lebens ist, so daß es zu einer Kristallisation und Mischung von Formen kam, weil sie inhaltlich und systematisch in vielen Motiven und Tendenzen übereinstimmten.

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Die Stufen des Bewußtseins bei Schopenhauer und den Buddenbrooks Daß in den Buddenbrooks Verfall und Verfeinerung zusammenhängen, ja daß sie zwei Seiten ein und desselben Vorgangs sind, konnte bisher niemandem entgehen. Mit chronologischen Angaben wohlversorgt, überblickt der Leser einen Zeitraum von etwa vierzig Jahren und sieht Vertreter aus vier Generationen nicht nur fortschreitend kränker, sondern audi komplizierter und feiner werden. Er verfolgt vom Urgroßvater bis zum Urenkel die Zunahme an Phantasie, Differenziertheit und psychologischer Hellsichtigkeit, aber audi die Verringerung von Vitalität und Lebensalter. Der alte Johann Buddenbrook hatte noch als betagter Mann das Zeitliche gesegnet, Hanno stirbt im Knabenalter. Nicht unbemerkt blieb weiterhin, daß zusammen mit Firma und Familie Buddenbrook ein Typ — oder soll man sagen: eine Art oder Klasse? — bürgerlicher Kaufmannsfamilien verfällt 1 . Gilt diese Gemeinsamkeit aber auch für die Verfeinerung? Was den Verfall betrifft, so degenerieren die Buddenbrooks offenbar nicht allein, sondern mit ihnen die Krögers, Döhlmanns, Kistenmakers und wie sie alle heißen. Diese verkommen sogar auf eine viel kläglichere Weise als die Buddenbrooks, da sie im Unterschied zu denen aus der Meng- und Breitestraße keinen Zusammenhang von Vitalitätszerfall und intellektuell-musischer Verfeinerung erkennen lassen. Daß es mit den Buddenbrooks trotz mancher Parallelen zu anderen Familien eine besondere Bewandtnis hat und daß sie nicht nur beliebige Repräsentanten einer ganzen untergehenden Klasse sind, geht aus ihrer exzeptionellen Verbindung von Verfall und Aufstieg, von Krankheit und Kultur hervor. Die Degeneration der Buddenbrooks ist — was sich von den übrigen Familien nicht eindeutig sagen läßt — zugleich fortschreitende Sublimierung ihres Empfindungs- und Denkvermögens. Mit dieser Besonderheit hängen weitere Eigentümlichkeiten zusammen. Während der Niedergang der Krögers und Döhlmanns eindeutig materiell begründet ist (die Gattin Krögers muß ihr letztes Silberzeug verkaufen, und Konsul Peter Döhlmann hat sein ganzes Vermögen verfrühstückt2), sind bei den Buddenbrooks andere Kräfte am Werk. Ein lebender Thomas Buddenbrook hätte sein Geschäft vermutlich noch lange nicht liquidieren müssen. Zah1 Vgl. Georg Lukacs: Thomas Mann, Berlin 1950 [zit.: Lukacs: Mann]. * Thomas Mann: Ges. W. in zwölf Bdn., Frankfurt 1960, I 694 [zit.: Mann: W.].

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len belegen das: Sein Großvater besaß neunhunderttausend Mark 3 , Thomas übernahm von dessen Sohn 750.000 4 ; und er hinterläßt sechsmalhundertundfünzigtausend5. Das sind nur 100.000 weniger als er geerbt hat, und wenn man bedenkt, daß für diese Summe das neue Haus erworben wurde, so besitzt er am Ende ebensoviel wie sein Vater. Als Senator und rechte Hand des Bürgermeisters hat er sich außerdem eine politische Stellung erkämpft, die keiner seiner Vorfahren je erreicht hat. Die ökonomische und soziale Lage der Buddenbrooks ist also keineswegs schlecht. Die Geschäfte florieren nicht eben, doch trotz empfindlicher Verluste hat Thomas sein Vermögen erhalten können. Die Ursachen des Verfalls liegen daher offensichtlich tiefer. Georg Lukäcs sieht die Gründe in der Entwicklung vom deutschen Bürger zum Bourgeois, eine Wandlung, die Thomas Mann zwar eigenen Äußerungen nach verschlafen haben will, die sich aber für Lukacs trotzdem im Roman objektiv niederschlägt. Die Untergehenden könnten und wollten sich an neue Wirtschafts- und Handelsformen nicht anpassen, wollten Bürger bleiben und müßten den Hagenströms, den Bourgeois, das Feld räumen®. Dagegen ist folgendes einzuwenden: Nicht alle, die im Roman Bankerott machen, sind Bürger, sondern viele unter ihnen sind selber Bourgeois und fallieren aus verschiedensten Ursachen. Nur die Buddenbrooks, die aus oben genannten Gründen nicht repräsentativ für eine ganze Klasse sind, grenzen sich entschieden von der Skrupellosigkeit des Bourgeois ab, und sie fahren dabei finanziell nicht einmal schlecht, denn wenn sich Thomas ausnahmsweise einmal in die neue Entwicklung einschaltet, dann verhagelt die Ernte. Die ökonomischen Gegebenheiten erklären daher den Verfall der Familie nur zu einem Teil. Noch unbefriedigender bleibt eine biologische Begründung der Degeneration. Diese resultiert keineswegs aus einer fortgesetzten Blutmischung innerhalb eines begrenzten Personenkreises, in dem alle mit allen verwandt wären. Der Verfall schreitet vielmehr um so unaufhaltsamer fort, je weiter sich die Familienmitglieder von ihrer Heimatstadt entfernen, um draußen ihre Partner zu finden, während die Alten ihre Frauen noch unter den Patriziern Lübecks gesucht hatten; bei den Hagenströms heiraten jetzt noch Vettern und Cousinen untereinander 7 . Wenn die Buddenbrooks dagegen versuchen, sich auszuweiten, scheitern sie jedesmal: Christian treibt sich in der halben Welt herum und kehrt erfolglos zurück. Tony bemüht sich in zwei Ehen vergeblich, auswärts Fuß zu fassen. Clara stirbt beizeiten im fernen Ostpreußen, und ihr Erbe geht der Familie verloren. Alles fällt buchstäblich auf die Familie zurück, und die Weggehenden und erfolglos Zurückkehrenden helfen den Untergang beschleunigen. Es ist, als ob die äußeren Glieder zuerst abstürben, um die Krankheit nach innen fortzupflanzen. Audi Thomas sucht sein Glück in der Ferne, ohne daß es ihm beschert wird. Gerdas Fremdheit und Kälte, die er in Gesprächen 3 4 5

Ebd. 256. Ebd. Ebd. 696.

• Vgl. Lukics: Mann 18 f. 7

Vgl. Mann: W. I 603.

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mit Tony andeutet, sowie der lebensuntüchtige Sohn, den sie ihm gebiert, zerstören sein Selbstbewußtsein und seine Hoffnung. All das zeigt, daß der fortschreitende Verfall der Buddenbrooks nicht aufzuhalten ist, weder durch Verlassen der Heimat noch durch Hereinnahme fremder belebender Elemente. Eine dritte Erklärung des Verfalls bietet Arthur Laudien an. Er stützt sidi auf ein Buch des Irrenarztes Fr. Lange und meint, die Buddenbrooks hätten sich durch allzu üppiges Essen ruiniert: „Manns Roman ist eine Geschichte der urinsauren Diathese durch vier Generationen. Das als Eingangsszene so ausführlich beschriebene Festessen und die auch sonst erwähnte überreiche schwere Kost bei sitzender Lebensweise bedeutet den Beginn und das treibende Moment des ganzen Verfalls" 8 . Wollte man sich mit dieser These überhaupt ernsthaft auseinandersetzen und könnte sie tatsächlich einen Hinweis auf den physiologisdien Verfall geben, wie erklärte sie dann die Sensibilisierung und den intellektuellen Aufstieg der Buddenbrooks? Auch in dieser Beziehung nehmen sie eine Sonderstellung ein, denn vornehmlich in anderen Familien geschieht es, daß einer sich zu Tode trinkt oder daß ein Diabetiker an Kuchen erstickt. Andererseits bleibt die unermüdlich essende Klothilde bis zum Ende gesund und dumm. Weder ökonomische noch erbbiologische, noch physiologische Vorgänge sind alleinige Ursachen des Niedergangs, viel weniger nodi der Sublimierung 9 . Die Verfallserscheinungen sind selbst nur Symptome einer Krankheit, deren Erreger nicht erkennbar ist. Wer hier von Fatum, Geschick oder dergleichen spricht, zeigt ebenfalls nur seine Hilflosigkeit, das Ganze durch ein Einzelnes fixieren zu wollen. Es scheint, als walte ein irreduzibler geheimer Wille, der die vielfältigen Erscheinungen mit fast organischer Notwendigkeit aus sich entläßt, ohne selbst voll in Erscheinung zu treten und Objekt zu werden. Die Erscheinungen sind die sichtbaren Gegebenheiten: ökonomische, biologische, physiologische usw. Der Wille dagegen ist die organisierende Kraft, die aus dem vielen Einzelnen das Ganze macht und den Gesamtzusammenhang herstellt. Ohne den Willen würden die Erscheinungen diffus bleiben, sich überdecken, widerstreben, aufheben und einen indifferenten Zustand zurücklassen. Daß sie sich aber vereinen und insgesamt Verfall und Verfeinerung verursachen, das macht der Wille. Er ist nicht bloß im additiven Sinne die Summe alles Einzelnen, sondern wirkt als Organisator wie ein Magnet auf ein Feld von Kraftlinien. Mit der grundsätzlichen Trennung von Wille und Erscheinung stehen wir fast unvermerkt mitten im spekulativen System Schopenhauers. Dessen Bedeutung für Thomas Buddenbrooks Lektüre im Gartenhaus ist offenkundig und wird in den meisten Interpretationen ausgiebig erörtert. Uber das Schopen-

8

Arthur Laudien: Ein Schlüssel zu Manns ,Buddenbrooks', in: Euphorion 23 (1921), 100. * Über Thomas Manns konsequente Verweigerung von Einsinnigkeit vgl.: Eberhard Lämmert: Thomas Mann — Buddenbrooks, in: Der dt. Roman II, hg. v. B. von Wiese, Düsseldorf 1963, 190—233 [zit.: Lämmert: Buddenbrooks].

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hauer-Kapitel hinausgehend, haben Erich Heller 1 0 und andere auf Zusammenhänge zwischen dem Philosophen und der Gesamtkomposition des Romans hingewiesen. Die bisherigen Arbeiten darüber behandeln den Tod, den Pessimismus, den Zusammenhang von Dekadenz und Sublimierung und — wie bei Kaufmann, Heller u .a. — die Übertragung des Gegensatzes von Wille und Vorstellung auf die verschiedenen Generationen der Kaufmannsfamilie. Wir wollen unsererseits die Aufmerksamkeit lenken auf die besondere Entwicklung oder — besser gesagt — Entfaltung des Willens zur Krankheit und Kultur. W i r werden dabei auf den Gang des Geistes in seinen einzelnen Phasen zu achten haben, da er nicht in Bahnen verläuft, wie sie etwa Hegel vorgezeichnet und vorgeschrieben hat. Dessen Ziel ist der absolute Begriffu, in dem die Phänomenologie des Geistes gipfelt und zugleich neu beginnt. Gegenüber der Wissenschaft des erscheinenden Wissens12, d. h. der Philosophie, haben andere menschliche Vermögen und Leistungen eine untergeordnete Stellung. In der Geschichte der Bewußtwerdung rangiert auch die Kunst nicht an bevorzugtem Platz. Sie muß der Philosophie die Vorrangstellung einräumen und sogar hinter der christlich offenbarten Auffassung von Wahrheit zurückstehen 13 . Ganz anders ist die Stufenordnung fortschreitender Erkenntnis bei Schopenhauer; hier bilden die Künste, und unter ihnen die Musik, den krönenden Abschluß. Damit diese These begründet wird, muß Schopenhauers Ansatz, zumindest grob und verkürzt, skizziert werden. Ausgehend von der Platonischen Zweiweltenlehre sowie von der Kantischen Dichotomie von Ding an sich und Erscheinung, betrachtet Schopenhauer 10

11

12 13

Vgl. Erich Heller: Thomas Mann — Der ironische Deutsche, F r a n k f u r t 1 9 5 9 , 9—60. A u f massiven Schopenhauer-Einfluß hatte v o r h e r bereits im Titel seines Buches angespielt: Fritz K a u f m a n n : Thomas Mann — The World as Will and Representation, Boston 1957. K r i t i k an Hellers These w a r unvermeidlich (vgl. Lämmert: Buddenbrooks, 438, A n m . 9), zumal Thomas Mann nach eigenen Ä u ß e rungen erst gegen Ende der Niederschrift des Romans auf Schopenhauer gestoßen sein will. Lehnert setzt eine Bekanntschaft mit dem Philosophen trotzdem früher an. Sie resultiere aus sekundären Quellen, so daß Grundgedanken Schopenhauers ihm bereits vertraut gewesen seien, ehe er den Text selbst gelesen habe. Lehnert sieht die spätere Schopenhauer-Lektüre eher einen „bestätigenden und erweiternden", nicht aber einen „begründenden" Einfluß ausüben. (Herbert Lehnert: Thomas Mann — Fiktion, Mythos, Religion, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1 9 6 5 , 36.) Dergleichen deckt sich auch mit Thomas Manns eigenen Vorstellungen v o n Rezeption und Wirkung, wenn er der Kontemporaneität und geistigen A f f i n i t ä t im allgemeinen mehr Bedeutung beimißt als philologisch nachprüfbaren Lesefrüchten. Über Schopenhauers anhaltende untergründige Wirkung, v o r allem auf Thomas Manns Spätwerk, aber auch schon auf Zauberberg und Buddenbrooks, vgl. Helmut K o o p mann: Thomas Mann und Schopenhauer, in: Thomas Mann und die Tradition, hg. v . P . P ü t z , F r a n k f u r t 1 9 7 1 , 1 8 0 — 2 0 0 , v o r allem 1 9 9 [zit.: K o o p m a n n : Mann und Schopenhauer]. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes: SW V, hg. v . J. Hoffmeister, Hamburg «1952, 564. Ebd. Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Ästhetik, hg. v . F. Bassenge, Berlin und Weimar 1965, 1 21.

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die Welt in zwei Hinsichten: einmal als Vorstellung, d. h. als Vielheit empirischer, individueller Erscheinungen, die alle raum-zeitlich bedingt und dem Satz vom Grunde unterworfen sind, — zum anderen als Wille, als Ding an sich, das rationaler Erkenntnis nicht zugänglich ist. Da der Wille außerhalb von Raum und Zeit existiert und nicht der Kategorie der Kausalität unterliegt, kann er selbst niemals Objekt, also nicht erkannt werden. Selbst eins und ungeteilt, bringt er sich jedoch in den Erscheinungen zur Darstellung; er objektiviert sich in ihnen. Bei diesem Übergang in die empirisch-reale Welt der Vorstellungen begibt er sich unter die Herrschaft des raum-zeitlichen Individuationsprinzips 14 : Denn Zeit und Raum allein sind es, mittelst welcher das dem Wesen und dem Begriff nach Gleiche und Eine doch als verschieden, als Vielheit nebenund nacheinander erscheint: sie sind folglich das principium individuationis. Der ursprünglich ungeteilte Wille verkörpert sich mit seinem Eintritt in die Realsphäre in verschiedenen Formen, auf verschiedenen Stufen und bestimmt deren unterschiedliche Bewußtseinsgrade. Er artikuliert sich im Stein undeutlicher als in der Pflanze oder im Tier. Jeder dieser gradmäßig abgestuften Objektivationen steht im Dienste des Willens, den Schopenhauer als Willen zum Leben begreift. Unterliegt auch der Mensch diesem Willen ganz und gar, so muß sich seine Vernunft für immer am Gängelband der Triebe und Begierden führen lassen. Nun aber geschieht es, daß sich im Menschen, und zwar abgestuft nach seinen Bewußtseinsgraden, die Erkenntnis vom Dienst des Willens loszureißen vermag und eigene Wege geht. Das kann aber nur dadurch geschehen, daß der Erkennende aufhört, ein bloß individuelles Subjekt zu sein. Er hat seinen Willen zu verneinen und muß in begierdeloser Anschauung Spiegel des Objektes werden. Das gelingt auf verschiedenen Stufen in ungleich hohem Maße. Im Zustand der Naivität herrscht weitgehend der pure Wille, in der Religion projiziert der Mensch die Erfüllung seiner Bedürfnisse in einen, wie auch immer verstandenen, höheren Zustand, in Wissenschaft und Philosophie operiert er bereits mit dem Satz vom Grunde, doch damit erfaßt er vorerst nur Einzelobjekte. Erst in der Kunst geht er über singuläre Erscheinungen hinaus und betrachtet die zugrundeliegenden Ideen, d. h. das jeweilige Wesen bestimmter Objektivationsstufen. So erfaßt die Baukunst die Idee des Anorganischen, die Gartenkunst die der Pflanzengattungen, das Drama die Idee des Menschen in Aktion und Geschichte und so fort. Während alle diese Kunstarten die Ideen des Willens auf zunehmend höheren Stufen erfassen, erkennt die Musik als die höchste der Künste den Willen unmittelbar selbst. Aus dieser Kunstmetaphysik resultiert eine zwiespältige Auffassung vom Künstler; denn je höher die Vorstellungen von der Kunst sind, um so gefährdeter ist die Künstlerexistenz. Einerseits ist sie erhaben über die gewöhnlichen Menschen, die für Schopenhauer bloße Fabrikware der Natur15 sind und die alle Einzeldinge nur in ihren internen Relationen und in ihrer Beziehung zum 14

15

Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung·. hg. v. M. Frischeisen-Köhler, Berlin o. J., II 143 f. Ebd. 222.

Schopenhauers

SW,

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eigenen Willen sehen können, während das Auge des Genies auf die Idee gerichtet ist. Andererseits führen Interesselosigkeit und Preisgabe des individuellen Willens beim Künstler notwendig zur Vernachlässigung vitaler Lebensbedürfnisse. Das Genie ist, selbst wenn es nicht fortwährend im Zustand der Ideenschau verharrt, weitaus bedrohter als der gewöhnliche Mensch16: Danach möchte es scheinen, daß jede Steigerung des Intellekts über das gewöhnliche Maß hinaus, als eine Abnormität, schon zum Wahnsinn disponiert. Mit dem Künstler-Genie ist eine äußerste Möglichkeit des erkennenden Menschen markiert, doch man braucht Fortschritt und Verfall gar nicht so weit zu treiben, um zu sehen, daß alle Menschen schon aufgrund ihres intelligiblen Anteils sowohl in ihrer Erkenntnis- als audi Leidensfähigkeit den niedrigeren Objektivationsformen des Willens voraus sind. Selbst innerhalb der Menschengattung erkennt Schopenhauer beträchtliche Abstufungen, so daß es nicht nur Unterschiede zwischen Genie und Nicht-Genie gibt, sondern auch schon zwischen mehr oder weniger Erkenntnisfähigen. Der Grad der Bewußtheit schwankt sogar bei ein und derselben Person. Wie die Geschichte der Menschheit aus Dumpfheit, Aberglauben und Ahnung zur höchsten leidvollen Erkenntnis aufsteigt, so audi einzelne Menschen, wir fügen hinzu: einzelne Gruppen oder Familien. Blicken wir von Schopenhauers metaphysischem System der Welt als Wille und Vorstellung, das Thomas Mann in seinem späteren Essay eine viersätzige Symphonie17 nannte, auf die vier Generationen der Buddenbrooks, so zeichnet sich im Roman eine deutliche Entwicklung der Bewußtheit parallel zur zunehmenden Verneinung des Willens ab. Dabei ist weniger der Prozeß als solcher untersuchenswert, da er offen zu Tage liegt und von Erich Heller und anderen ausführlich behandelt worden ist, sondern interessant ist vielmehr, in welchen Abstufungen sich der Prozeß vollzieht und welche besonderen Formen von Geistigkeit und Niedergang er produziert. Es genügt nicht zu sehen, wie die Buddenbrooks in ihren vier Hauptvertretern immer kränker, sensibler und hellsichtiger werden, sondern wichtiger ist, welche geistigen Fähigkeiten sie dabei nacheinander entwickeln und in welcher Reihenfolge diese ausgebildet werden. Dabei wird sich zeigen, daß nicht etwa Hegels Gang des Geistes, sondern Schopenhauers Weg des Willens mit seinen spezifischen Abstufungen maßgebend ist. Am Anfang des Romans lernen wir den alten Buddenbrook als einen weltmännisch-klugen, doch alles in allem unreflektierten und gesunden Kaufmann kennen. Er bleibt ganz im Banne der Vorstellungswelt und hat nur Sinn für Einzelerscheinungen, die dem Satz vom Grunde unterliegen. So haßt er seinen Sohn Gotthold, weil dessen Geburt den Tod seiner ersten Frau herbeiführte. Ereignisse stehen für ihn also in stets faßbaren kausalen Relationen, was er ebenfalls bei dem Gespräch über den Untergang der Familie Dietrich Ratenkamp erkennen läßt, wenn er nach einer konkreten Ursache sucht, die 18 17

Ebd. 226. Mann: W. I X 558.

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bei nötiger Umsicht hätte vermieden werden können. Stets nur beschäftigt mit singulären Vorstellungen, fehlt ihm der Sinn für größere, nicht berechenbare Zusammenhänge, für Ideen und Notwendigkeiten. Anders dagegen sein Sohn. Für ihn liegt die Ursache des Untergangs außerhalb der kausalbedingten Vorstellungswelt; er ahnt hier einen Ausdruck des Urwillens, der den Zusammenbruch lenkte, und so erwidert er seinem Vater 1 8 : Aber ich glaube, daß Dietrich Ratenkamp sich notwendig und unvermeidlich mit Geelmaack verbinden mußte, damit das Schicksal erfüllt würde... Er muß unter dem Druck einer unerbittlichen Notwendigkeit gehandelt haben. Die ausgedehnte Unterhaltung bei Tisch hat unter anderem die wichtige Funktion, Unterschiede, Abstufungen zwischen Vater und Sohn herauszuarbeiten. In der Sache Ratenkamp steht Pragmatiker gegen Fatalist; in der Politik verteidigt Johann Buddenbrook Napoleon, Jean dagegen Louis Philipp, der eine mehr für Ordnung, der andere mehr für Freiheit eintretend. Derselbe Unterschied zeigt sich auf anderer Ebene bei der Beurteilung des verwilderten Gartens. Der Vater beklagt die dort herrschende Unordnung und wünscht sich das Gras gepflegt, die Bäume hübsch kegel- und würfelförmig beschnitten19. Seinem Geschmack entspricht demnach der französische Garten, wie ihm überhaupt das Französische behagt, auch dessen Sprache, deren er sich gerne bedient. Sein Sohn dagegen, der kurz zuvor aus christlichem Herzen und mit schwärmerischem Ausdruck20 Napoleon verurteilt hat und der sich von seinem Vater hat sagen lassen müssen, daß er schwärmt21, gerät geradezu in Verzückung, wenn er die frei wuchernde Natur des Gartens verteidigt. Wie ehemals ein anderer Schwärmer, nämlich Werther, den Garten pries, zu dem nicht ein wissenschaftlicher Gärtner, sondern ein fühlendes Herz den Plan gezeichnet22 hat, so begeistert sich Jean Buddenbrook für den englischen Garten. Es ist wohl mehr als ein Zufall, daß er mit unüberhörbarem Anklang an Werthers Worte ausruft 23 : wenn ich dort im hohen Grase unter dem wuchernden Gebüsch liege. Werther schrieb am 10. Mai 2 4 : Wenn . . . ich dann im hohen Grase am fallenden Bache liege. Wurzelt Johann Buddenbrooks Rationalismus noch ganz im Zeitalter des X V I I I . Jh.s, so steht Jean mit seiner empfindsamen Schwärmerei an der Schwelle zur Romantik. Aber noch ist sein Glaube nicht ästhetischer, sondern christlicher Prägung, und er spricht, den Kopf ein wenig auf die Seite gelegt, mit derart religiöser Inbrunst, daß dem Erzähler scheint, als lächelten sich der Vater und Pastor Wunderlich leise zu 25 . Die religiösen Züge treten mit zu18 19 211 21 22 23 21 25

Mann: W. I 25. Ebd. 32. Ebd. 30. Ebd. Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke, JA [ = Jubiläumsausg., Stuttgart und Berlin o. J.], XVI 5 [zit.: Goethe: JA.]. Mann: W. I 32. Goethe: JA XVI 5 f. Vgl. Mann: W. I 30.

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nehmendem Alter des Konsuls immer deutlicher hervor, und in seinem seligen Angedenken wird sein Haus später zum Treffpunkt eines pietistischen Zirkels. Die Religion hat Bewußtsein und Phantasie des jüngeren Buddenbrook in Dimensionen ausgeweitet, die dem Alten verschlossen waren und denen er mißtraute, denn die pietistische Ergriffenheit des Sohnes signalisiert zugleich ein Bedürfnis, das, durch schwindende Naivität und Festigkeit entstanden, nadi einer geistig-geistlichen Stütze sucht. Religion ist Bewußtseinssteigerung und zugleich Ursache, Indiz und Surrogat für Vitalitätszerfall. Der Prozeß der Bewußtwerdung und des Vitalitätsschwundes geht über die Stufe der Religion hinaus, erfaßt die nächsten Generationen und treibt sie weitab von der großväterlichen Welt der Aufklärung tief in die Problematik des XIX. Jh.s. Thomas stößt auf Schopenhauer, und Hannos Musikrausch gipfelt im Erlebnis Wagners. Insofern ist die Entwicklung der Buddenbrooks kein nur vereinzeltes, privates Phänomen, sondern sie spiegelt den romantischen Bewußtseinsprozeß von Werther bis Wagner. Thomas, der Sohn des Pietisten, schreitet über den christlichen Glauben hinweg und sucht Trost in einer Metaphysik des Todes; an die Stelle der Religion tritt die Philosophie. Der letzte Sproß der Buddenbrooks schließlich geht den äußersten Schritt: In völliger Hingabe an die Musik versinkt er in totale Passivität, sein Wille ist gelähmt, und es ist gut schopenhauerisch gedacht, daß nicht der Freund Kai, der angehende Künstler des Wortes, sondern ein der Musik Verfallener den Lebenswillen am meisten verleugnet. N a i v i t ä t — R e l i g i o n — P h i l o s o p h i e — K u n s t : das sind die vier Bewußtseinsstufen im Verfall und Aufstieg einer Familie, dargestellt an vier Repräsentanten der Buddenbrooks. Naivität — Religion — Philosophie — Kunst: das sind aber zugleich Bewußtseins- und Kulturstufen der Menschheit, so daß sich im Verlauf von vier Generationen ein geschichtlicher Urwille noch einmal abbildet und wiederholt. Der Niedergang der Buddenbrooks ist damit kein vereinzeltes Faktum, erklärbar aus ungünstiger Konstellation bestimmter Umstände, sondern er ist die notwendige Entfaltung eines Willens, und zwar in Stufen, wie sie nicht von Hegel, sondern von Schopenhauer gedacht worden sind. Die Emanation des Willens vollzieht sich im Roman wie eh und je, diesmal am Beispiel einer Bewußtseinsentwicklung im XIX. Jh. (Romantik — Wagner), dargestellt am Prozeß einer verfallenden und feiner werdenden Familie. Im Schicksal der Buddenbrooks feiert das Gesetz der ewigen Wiederkunft des Gleichen seine Bestätigung 28 . Daß sich das mythische Modell der Weltalter im Roman wiederholen könnte, ist gelegentlich angedeutet worden und wird durch Hannos Schullektüre nahegelegt, handelt es sich doch ausgerechnet um Ovids Verse über das 26

H e l m u t K o o p m a n n hat Schopenhauers fortwirkende Philosophie des nunc stans hauptsächlich in Thomas Manns Spätwerk, im Joseph und Felix Krull, herausgearbeitet ( K o o p m a n n : Mann und Schopenhauer, 188—198). Dasselbe mythische Modell der Wiederholung, das Nietzsche nach Schopenhauer ewige Wiederkunft des Gleichen nannte, prägt, wie wir gesehen haben, bereits den Gesdiehensablauf in den Buddenbrooks.

Die Stufen des Bewußtseins bei Schopenhauer

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Goldene Zeitalter 27 . Dessen glückhafter Zustand kontrasiert nicht nur offensichtlich zu dem gegenwärtigen des leidenden Schülers, sondern auch Thomas empfindet bereits Sehnsucht nach der großen Einfachheit, wenn er wünscht, sein Sohn möge werden wie der alte Buddenbrook 28 . Deutlicher aber als die Weltalter versinnbildlichen die im Roman vorkommenden Jahreszeiten den Zyklus des Aufblühens und Verwelkens. Paul Scherrer hat aus dem Zürcher Archivmaterial Vorarbeiten zu den Buddenbrooks ausgewertet und einen detaillierten Zeitplan für alle wichtigen Vorgänge innerhalb des Romans mitgeteilt. Daraus gehen die Jahreszahlen, nicht aber die jeweiligen Jahreszeiten hervor, in denen Entscheidendes geschieht29. Im Roman dagegen nehmen die Darstellungen jahreszeitlicher Erscheinungen (Temperaturen, Wetterlage, Vegetation, Gerüche, Atmosphäre usw.) breiten Raum ein. Abgesehen von einer ausführlichen Beschreibung des Meeres macht sich Natur im weitesten Sinne fast nur in ihrem Wechsel der Jahreszeiten bemerkbar. Laue Frühlingstage, warme Sommernachmittage, nasse Herbstabende und vor allem Weihnachten sind die eindringlich erzählten Phasen eines stetigen Kreislaufs. Dabei erhalten die Jahreszeiten immer dann eine besondere Bedeutung, wenn Mitglieder der Familie sterben: Den Konsul ereilt der Tod nach einem Gewitter, dessen vorausgehende Schwüle lange auf der Stadt gelastet hat. Thomas verläßt an einem Wintertag vorzeitig den Senat, bricht zusammen und bleibt im Schneewasser liegen. Nicht von ungefähr ist schließlich auch, daß Johann im Frühjahr, Jean im Spätsommer, Thomas im Winter und Hanno wieder in einem Frühjahr stirbt. Damit hat sich der Zyklus auch in jahreszeitlicher Hinsicht geschlossen. Bei aller Affinität zur Schopenhauerschen Philosophie des nunc stans ist der Roman kein bloß erzählerisch umranktes spekulatives System. Er ist vielmehr weit entfernt von einer schematischen Rekonstruktion, in der Die "Welt als Wille und Vorstellung mit Figuren unterlegt und wie in einem Puppenspiel aufgeführt werden soll. Davor bewahrt Thomas Mann nicht allein seine Kunstfertigkeit, sondern mehr noch seine Distanz zum Schopenhauerschen System. Dieses kennt zwar ebenso den notwendigen Zusammenhang von gesteigerter Erkenntnisfähigkeit und zunehmender Krankheit, doch beides wird nicht in gleicher Weise bewertet. Der Erkennende kann sich zwar — wie bei Thomas Mann — nur durch q u ä l e n d e Auszeichnung über die Fabrikware der Natur erheben, doch angesichts des hohen Wertes der Erkenntnis verblaßt die Bedeutung des negativen Korrelates; die Qual wird gerechtfertigt und gelindert. Während somit der Gegensatz von Verfall und Verfeinerung für Schopenhauer im System geschwächt wird, hält Thomas Mann der Antinomie mit größerem Ernst für beide Seiten stand. Daß die Buddenbrooks ihre Sublimierung mit ihrem Untergang erkaufen müssen, ist für Thomas Mann kein gern 27

Vgl. Willy R. Berger: Thomas Mann und die antike Lit., in: Thomas Mann und die Tradition, hg. v. P. Pütz, Frankfurt 1971, 52 f. 28 Vgl. Mann: W. I 522. 2 * Vgl. Paul Sdierrer: Aus Thomas Manns Vorarbeiten zu den ,Buddenbrooks' — Z«r Chronologie des Romans, in: Quellenkrit. St. zum Werk Thomas Manns, hg. v. P. Scherrer / H . Wysling, Bern und München 1967, 7—22.

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bezahlter Preis, sondern macht, daß er dem Geiste mißtraut, ohne diesen andererseits der Gesundheit zu opfern. Gesteigerte Erkenntnisfähigkeit erzeugt für ihn keine Heiligen, wie für Schopenhauer, sondern Menschen mit schmerzhaft kranken Körpern und Seelen, deren Zerfall ebenso entsetzlich wie ihre Verfeinerung wertvoll ist. Eine solche skeptisch-ironische Offenheit konnte der systematisierende Philosoph nicht ertragen und darstellen, wohl aber der Erzähler. Daher ist die Philosophie im Roman selbst nur eine Stufe, über die der Romancier hinwegschreitet. Bezeichnenderweise legt Thomas Buddenbrook das aufrührerisch-tröstliche Schopenhauer-Buch sehr bald beiseite. Wenige Tage später ist die Episode vergessen 30 , und Hanno kann sich erst recht nicht mehr an der metaphysischen Zuversicht erbauen, den Tod als Aufhebung der qualvollen Individuation begrüßen zu dürfen, um jenseits des Lebens in einem Allgemeinen schmerzlos fortzudauern. Das Angebot philosophischer Spekulation ist überholt, die Diskrepanz von Verfall und Verfeinerung kann nicht mehr erklärt, sondern nur noch erzählt werden. Damit scheint sich der Roman weit von Schopenhauer entfernt zu haben. In Wirklichkeit jedoch trifft das nur auf einen seiner Inhalte, auf die kurzlebige Todesmetaphysik, nicht aber auf seine Erkenntnisleistung und seinen Stellenwert im Stufengang der Bewußtwerdung zu. D a ß die Kunst die Philosophie fortsetzt und überhöht — was sie allerdings ohne die Philosophie niemals wissen könnte — ist ein Gedanke, den Schopenhauer den Musen opfert. Indem deren Sohn durch erzählende Darstellung über den Philosophen hinausgeht, bestätigt er gerade dadurch dessen Auffassung, daß sich Wahrheit — wenn überhaupt — eher im Kunstwerk als im spekulativen System offenbart.

30

Auf den episodenhaften und bloß affektiven Charakter des Schopenhauererlebnisses haben hingewiesen: R. A. Nicholls: Nietzsche in the Early Works of Thomas Mann, Berkeley and Los Angeles 1955, 18 f. Henry Walter Brann: Thomas Mann und Schopenhauer, in: Sd)openhauer-]h. X L I I I , hg. v. A. Hübscher (1962), 119.

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Le Vide et le Plein Sur une metaphore du lyrisme de R. M. Rilke Cher Rilke, qui me paraissiez enferme dans le temps pur, je craignais pour vous cette transparence d'une vie trop egale, qui, ä travers les jours identiques, laisse distinetement voir la mart. Que j'etais simple de vous plaindre, cependant que voire pensee faisait des merveilles de ce vide et rendait mere la duree. Le vide dont parle Paul Valery dans cet hommage n^crologique, est celui de la vie de Rilke, tel qu'il avait pu l'apercevoir, en 1924 & Muzot et, une seconde fois, trois mois avant la mort du pc^te: la solitude dans laquelle il s'enfermait, la totale inactivit£, qu'il pratiquait comme une hygiJne. Mais le vide est aussi une impression qui occupe souvent l'esprit du po£te, un thfeme metaphorique qu'on peut poursuivre d'un bout i l'autre de son lyrisme. Et, de meme qu'au dire de Valery il savait faire surgir des merveilles du vide de son existence, de meme un de ses projets les plus constants est d'operer, par le moyen du vers, la transmutation du vide, tel qu'il le vit, en une plenitude, qu'il imagine. On voudrait ici, sans souci d'etre exhaustif, et pour marquer seulement quelques jalons, analyser quelques-unes de ces metaphores du vide. La plupart des exemples seront empruntes aux Neue Gedichte, parce que le ,Dinggedidit' se prete plus particuli^rement & l'illustration de ce thfeme. Mais les images du vide ne sont pas attachees ä une pέrίode seulement: elles sillonnent l'ceuvre enti£re. Voici par exemple Der Platz: la place de Fumes largement ouverte et diserte; les petites maisons de la ville se pressent autour d'elle, comme une foule au spectacle, dressee sur la pointe des pieds; mais il n'y a rien d'autre \ voir que le vide; le cort£ge imaginaire qui s'assemble sur la place n'est fait que d'absence: ladet der Platz zum Einzug seiner Weite die fernen Fenster unaufhörlich ein, während sich das Gefolge und Geleite der Leere langsam an den Handelsreihn verteilt und ordnet. Ou bien voici une route (Römische Campagna): e'est la voie Appienne, qui mene aux tombeaux. Lk aussi, comme dans la petite ville de Belgique, les fenetres de Rome, dans le lointain, la suivent du regard, comme avec le

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mauvais ceil; on dirait que la route a häte de les fuir, comme pour savourer son propre vide: Und er hat sie immer im Genick, wenn er hingeht, rechts und links zerstörend, bis er draußen atemlos beschwörend seine Leere zu den Himmeln hebt. Et au vide de la route repond le vide du ciel, plus immuable encore et d e s t i ^ ä l u i survivre: geben ihm die Himmel für die seine ihre Leere, die ihn überlebt. La basilique St Marc a son tour, est decrite comme une cavite oü sont pr£servees les tenebres de la Republique, ä l'abri du jour trompeur du dehors; In diesem Innern, das wie ausgehöhlt sich wölbt [...] ward dieses Staates Dunkelheit gehalten und heimlich aufgehäuft, als Gleichgewicht des Lichtes ... L'eglise est un creux, bombe comme ce luth que decrit un des po£mes suivants, ce vide d'oü une musique va surgir, cette obscurite incomprehensiblement feconde: Ich bin die Laute. Willst du meinen Leib beschreiben, seine schön gewölbten Streifen [...] übertreib das Dunkel, das du in mir siehst. L'image de St Marc, d'autre part, ne fait que reprendre le tl^me du clocher de Furnes {Der Turm), Fopposition de l'obscurite interieure et de la lumi^re, avec cette variation seulement que, dans Der Turm, la decouverte de la lumi£re, apr£s ce long cheminement dans les profondeurs de la terre, est eprouvee comme une delivrance, tandis que, dans le ροέπιε venitien, la reapparition de la lumi^re, comme au bout d'une galerie de mine, est ressentie dans un melange de soulagement et de regret: und du erkennst die heile Helle des Ausblicks: aber irgendwie wehmütig messend ihre müde Weile ... Ainsi se dessine un peu partout une forme en creux, une sorte de moulage ou d'empreinte. On pense iL la description de la maison detruite, dans les Cahiers de Malte·, non la maison vivante, t o u r ^ e vers l'utile et le coh£rent, mais son negatif, sa trace, son vestige, son envers. Et c'est dans ce monde ä. l'envers que la verite, d'ordinaire masquee par l'habitude, ou par l'exc^s de lumiere, ou par 1'apparence fonctionnelle, tout ä. coup se revMe. Devant, ce n'etait que theatre ou qu'illusion; mais la νέπΐέ est dans la coulisse. La meme image est reprise de fajon frappante dans Die Brandstätte (Neue Ge-

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didite 592): la maison a bru!6 avec son enclos de tilleuls; une realite nouvelle s'est substitute a eile, ein Neues, Leeres. Et quand le fils vient fouiller avec une perche, extraire de l'amas de poutrelles et de cendres encore chaudes, un chaudron ou quelque ustensile, ce qui n'est plus ressurgit soudain, plus vrai que s'il etait reel: Denn seit es nicht mehr war, schien es ihm so seltsam: phantastischer als Pharao. Und er war anders. Wie aus fernem Land. L'objet banal se transfigure dans sa verite; arrache ä l'usage quotidien, il prend des couleurs de legende. II a fallu, pour cela, qu'apparaisse, en meme temps que lui, le neant qui le menace et dont sans cesse il emerge. Ce n'est que sur cet arri£re-plan de vide qu'il trouve son sens. Et c'est grace ä cette menace toujours latente et pressentie que les Nene Gedichte de Rilke sont autre chose que ce mus£e de choses mortes qu'on a voulu quelquefois y decouvrir. Α cause du vide qui le cerne, ce monde a une profondeur. Et il r£gne dans ces po£mes une vibration, un path£tique contenu qui leur donne leur vie et leur raison d'etre. II faut se demander toutefois quelle est la fonction de ce vide, et ä quel usage la poesie de Rilke le destine. Car ce lyrisme denue de tout romantisme ne veut pas du tout suggerer qu'il y a plus de richesse dans la nuit que dans le jour, plus de sens dans la mort que dans la vie, plus de profondeur dans le vide que dans le plein. Il veut, en realite, le contraire de cela. II veut sauver de cette menace toujours pr6sente, qui est l'existence meme, la plus grande quantity possible de reel. C'est un des sens que Rilke prete au mot Ding, et sans doute le principal. Parlant des sculpteurs des cathedrales, il ecrit dans sa monographie sur Rodin: Aus der Angst vor den unsichtbaren Gerichten eines schweren Glaubens hatte man sich zu diesem Sichtbaren gerettet, vor dem Ungewissen flüchtete man zu dieser Verwirklichung (v. 145). Dans la peinture, il reste encore une part d'illusion et de tromperie; mais la chose sculptee est lä, comme pour braver l'invisible et l'incertain; eile est un refuge, qui permet pour un temps d'oublier la peur. Dejä. dans l'Antiquite et meme au delä, aux epoques immtmoriales, a tous les tournants anxieux de l'existence, la ,chose' fabriquee, sortie de la main de l'artisan, etait l'abri par excellence contre toutes les menaces. De meme dans la conference sur Rodin de 1907: ä partir du monde humain et du monde animal, on parvient ä creer quelque chose, qui ne nous accompagnera pas dans la mort, ein Dauerndes, ein Nächsthöheres: ein Ding (v. 210). La qualite supreme que Rilke souligne dans les sculptures de Rodin, c'est qu'on n'y trouve aucun fragment de surface oü rien ne se passe: Es gab keine Leere (v. 149). La lettre a Lou Andreas Salomt du 8 aout 1903 exprimait dejä des idees toute semblables: le probteme du sculpteur est d'instrer les choses dans l'espace, dans „le monde moins menace de l'espace", afin qu'elles „ne bougent plus": das Modell scheint, das Kunstding ist.

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Ainsi, l'art a pour premi£re fonction de masquer ce vide, qu'il ne denonce et qu'il n'explore que pour mieux le nier. Rien n'est apparemment mieux design^ pour combler le vide ou le cacher, que la forme plastique, teile qu'elle sort des mains du sculpteur et c'est la raison pour laquelle Rilke considere la statuaire comme l'art supreme. Mais la fonction de la poesie n'est pas fondamentalement differente, et Rilke l'explique des le premier ροέπιβ des Neue Gedichte, Früher Apollo. De meme qu'une matinee de la fin de l'hiver peut faire pressentir le printemps, de meme cet eph£be annonce deja celui qu'il sera; pour l'instant, cependant, il semble ignorer encore la pesanteur et l'angoisse. II jette sur le monde un regard candide et sans mefiance. Une belle image de la jeunesse. Mais Rilke prete a sa poesie une autre aura de signification. Cette statue archai'que est comme anterieure k la naissance de l'art; le laurier d'Apollon serait trop pesant pour son front 1 , seul le soleil du midi le fera plus tard verdir. II y a dans cette simplicite extreme une audace qui effraie: so ist in seinem Haupte nichts was verhindern könnte, daß der Glanz aller Gedichte uns fast tödlich träfe. Voici que s'introduit de f a j o n abrupte et inattendue Ι ^ έ ε de la poesie; la poesie, quand on l'aborde sans protection, peut porter des blessures mortelles, ou „presque" mortelles (de meme que les Anges, dans le debut bien connu de la 2® Elegie, sont dits „presque" meurtriers). Dans la candeur desarmee de l'epl^be archai'que, on dirait qu'une v£rite £t peine supportable nous affronte. Cet Apollon encore sans laurier n'a pas non plus commence k chanter: sa bouche, dit le ροέπιε, est encore silencieuse. Plus tard, quand il sera adulte et que les traits de son visage se seront accuses, les petales de rose tomberont un ä un sur ses tevres, comme pour en apaiser le tremblement. Plus tard, semble dire Rilke, quand ce jeune Apollon usera du langage, les mots seront 14 pour endormir l'angoisse. C'est maintenant, dans cette p r e n d r e jeunesse, dans l'en-de5a du langage, que la poesie apparait sous son aspect terrifiant. La fonction des mots sera de masquer l'epouvante, d'acclimater l'angoisse, de la rendre tolerable. Dans un ροέπιβ du Stern des Bundes, Stefan George professe une conception de la ροέ5Ϊβ qui n'est pas dloignee de celle-lä: le pofete est celui qui regarde la verite en face pour epargner aux autres d'avoir k le faire; il descend jusqu'aux enfers pour y chercher le talisman capable de rendre tolerable aux mortels le spectacle du monde. La fonction de la poesie, pour George comme pour Rilke, est de masquer le vide, d'edifier un (kran protecteur, de distraire de l'angoisse.

1

Rilke, ici comme si souvent, ne resiste pas au plaisir du jeu de mots: de l'idee du sommeil innocent et encore ignorant du desir et de la passion (,Schlaf' ici curieusement employi au pluriel), on passe aux tempes, destines 4 porter plus tard la couronne de laurier.

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Les poesies oü figurent les metaphores du vide et du creux font souvent intervenir une perspective historique. Ainsi, dans le poeme sur la place de Furnes, la place est vide aujourd'hui, mais l'imagination la peuple des spectacles colores du passe, des temps de grande vitalite et de belle cruaute: von das von und und

Wut und Aufruhr, von dem Kunterbunt die Verurteilten zu Tod begleitet, Buden, von der Jahrmarktsrufer Mund, von dem Herzog der vorüberreitet von dem Hochmut von Burgund . . .

C'est le meme paysage historique que celui de la derniere partie de Malte, avec le meme goüt de la violence, des supplices, des luttes sans merci; une inhumanite par laquelle s'exprime, chez ce po£te doux, le ressentiment de la faiblesse. Cette reference au passe est un theme constant: eile seule eclaire le present, en fait ressortir la misere et la vacuite. Auf allen Seiten Hintergrund, est-il dit dans le meme texte. Le sentiment du vide, qui hante le ροέΐβ d'aujourd'hui, se trouve ainsi justifie par une interpretation conventionnelle de l'histoire. Les gens d'autrefois vivaient dans la plenitude; il ne nous reste plus que la pauvrete et que la mort. C'est dejä le theme principal du Stundenbuch. Le temps des palais et des jardins n'est plus, ni des patriciens de la Hanse, ni des cheiks du desert, ni des rois pasteurs de l'Ancien Testament (I 355): Das waren Reiche, die das Leben zwangen unendlich weit zu sein und schwer und warm. Aber der Reichen Tage sind vergangen, und keiner wird sie dir zurückverlangen .. . C'est maintenant le temps de la misere sans gloire, des villes sordides, des blessures et de la folie: Die Zeit ist mir mein tiefstes Weh, so legte ich in ihre Schale: das wache Weib, die Wundenmale, den reichen Tod (daß er sie zahle), der Städte bange Bacchanale, den Wahnsinn und die Könige. Les rois, qu'evoque le dernier vers, sont la pour faire regner la terreur, pour punir et detruire (I 289): Den Königen sei Grausamkeit. Sie ist der Engel vor der Liebe, und ohne diesen Bogen bliebe mir keine Brücke in die Zeit.

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Le domaine de Rilke — on le savait depuis longtemps — est celui des itats negatifs. C'est tout au moins son point de depart, l'experience telle qu'il la vit, la m a t u r e premiere de la transmutation poetique. Les vues historiques, par lesquelles Rilke tente d'interpreter cette conscience du vide et de l'absence prennent une forme plus p r e i s e dans le cycle des cathedrales des Neue Gedichte et en particulier dans la serie de trois potimes intitulee Das Portal. Le portail de la cathedrale, avec ses figures de saints, est decrit a nouveau comme une forme en creux; il est c o m p a ^ au pavilion d'une oreille 2 : Jetzt fortgerückt ins Leere ihres Tores, waren sie einst die Muschel eines Ohres und fingen jedes Stöhnen dieser Stadt. Dans le ροέηιε precedent, Die Kathedrale, redige quelques jours plus tot, c'etait la ville, au contraire, qui semblait tendre l'oreille vers le message, devenu inintelligible a la foule, de la cathedrale: wie ein Jahrmarkt [...] der sie bemerkt hat plötzlich und, erschrocken, zu ihr hinaufhorcht aufgeregten Ohrs —

[...]

Les temps ne sont plus, ou cette cathedrale etait vivante et capable d'accueillir le gemissement de la ville. Ces statues de saints ne sont plus que le temoignage d'une epoque revolue. Le flot qui les a sculptes, comme la houle de la mer creuse le rivage, s'est retire. Eux restent dresses lä., comme des survivances, des vestiges: Da blieben sie . . . Dans le deuxi^me poeme de la serie, l'image du creux suscite une autre metaphore et entraine une etrange affabulation theologique. Le portail devient la coulisse d'une sc£ne; de meme que le vide de la coulisse suggäre la p^sence du monde, de meme ce creux reelle un sens infini: Sehr viel Weite ist gemeint damit: so wie mit den Kulissen einer Szene die Welt gemeint ist. De meme que d'ordinaire le heros s'avance sur la βΰέηβ, sur ce tl^ätre particulier, le seul acteur est fait d'absence et de t e ^ b r e s ; dans l'obscuriti du portail s'engage Taction d'une tragέdie: so tritt das Dunkel dieses Tores handelnd auf seiner Tiefe tragisches Theater. Puis s'annonce la troisi£me etape de cette metamorphose poetique: tandis qu'autrefois Dieu le ΡέΓβ manifestait sa presence par le moyen de son Fils, aujourd'hui que le message du Christ est devenu muet, les seuls temoins de la 2

L'interpretation de Th. Ziolkowski (PMLA LXXIV 300) „The church [ . . . ] is called metaphorically the ear (seil.: of God)" ne peut guere etre retenue.

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presence divine sont ceux que la vie a rejet£s, les aveugles, les fous, les victimes de toute esp£ce: Denn nur noch so entsteht (das wissen wir) aus Blinden, Fortgeworfenen und Tollen der Heiland wie ein einziger Akteur. C'est done aux si^cles de foi que la vie itait pleine. Maintenant que la foi est morte, ce n'est que par la negation, dans la privation et dans la souffrance, qu'un sens peut encore se manifester. Rilke cependant ajoute un troisieme ροέπιβ et revient a ces figures de saints qui, malgr£ la perte de la foi et la mis£re du monde, continuent k se dresser sur leur socle comme s'ils bravaient l'usure des si£cles. Au-dessous d'eux, sous les consoles, s'agitent des figures grimajantes d'animaux et de demons, comme pour mettre en peril leur equilibre et leur survie. Mais miracle! loin de les menacer, toute cette agitation semble au contraire les porter: weil die Gestalten dort wie Akrobaten sich nur so zuckend und so wild gebärden, damit der Stab auf ihrer Stirn nicht fällt. Comme si l'incoherence du monde, l'absurdite de la vie avaient besoin du contrepoids de ces figures aust£res et sereines. Le th£me de ce ΐΓοΪ8Ϊέιηε sonnet rejoint celui de Das Kapitäl (qui fut ecrit au meme moment): les plantes, les etres, les monstres furieusement enlaces dans les lianes du chapiteau portent tous ensemble la voüte de l'eglise; au-dessus du tumulte de la vie Poeuvre d'art s'el^ve sereinement. Car c'est vers cela que tendaient tous ces tatonnements du po£te: la foi qui a dresse les cathedrales n'existe plus, Dieu est mort; mais dans ce monde vide l'art subsiste; les cathedrales sont toujours la, comme pour braver Phistoire. L'artiste est le successeur legitime du pretre. Mais ce n'est pas assez dire: l'art n'est pas seulement un ,ersatz' de religion ni la poesie une forme attenuee de la foi. L'art est la metamorphose necessaire, par laquelle le negatif se change soudain en positif. C'est ce retournement ou ce renversement (.Umschlag') si souvent evoque par Rilke et explique par ses commentateurs. Ainsi l'un des derniers, Paul de Man, dans un des textes les plus profonds, mais aussi les plus sev£res, qu'on ait Berits sur Rilke, la preface it la traduction fran9aise de l'ceuvre po6tique 3 : „Les experiences negatives [ . . . ] doivent contenir en elles-memes, afin de pouvoir se transformer en figures, un creux, un manque. [ . . . ] D£s lors, toute une thematique de Ι'εχρέπεηεε negative va proliferer dans l'oeuvre de Rilke: le desir impossible ä assouvir, l'impuissance de l'amour, la mort prematur^e, la perte de l'enfance, l'alienation de la conscience — autant de tl^mes qui se pretent ä la rhetorique rilkeenne, non pas parce qu'ils sont l ' e x p r e s s i ο η de sa propre experience νέαιβ [ . . . ] , mais parce qu'ils ρossέdent la structure necessaire au fonetionnement de ses figures". II faut accepter l'inco3

Paris (Le Seuil) 1972, 37.

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herence, l'absence, l'absurde; refuser les compromis et les demi-mesures. Une fois cette asc£se admise, le po£te promet une metamorphose miraculeuse: il suffit de d i r e l'absence pour qu'elle se transforme en presence et en sens. II suffit, autrement dit, de l'oeuvre d'art pour que le monde soit ^habilite. On a vu se dessiner, dans le deuxi^me sonnet du Portail, la thematique qui supportera, une quinzaine d'annees plus tard, la quatriέme Elegie de Duino, qui formule la theorie et le programme du lyrisme tel que Rilke l'entend. Plutöt que ces faux heros qui encombrent la sc£ne, plutot le vide et l'absence: Wer saß nicht bang vor seines Herzens Vorhang? Der schlug sich auf: die Szenerie war Abschied. Nous ne pouvons nous connaitre nous-memes que dans la privation, nous ne pouvons connaitre le monde que comme une forme en creux: Da wird für eines Augenblickes Zeichnung ein Grund von Gegenteil bereitet, mühsam daß wir sie sähen; denn man ist sehr deutlich mit uns. Wir kennen den Kontur des Fühlens nicht: nur was ihn formt von außen. Mais quiconque sait supporter le vide et le courant d'air froid qui souffle de la coulisse, est finalement dedommage: Ich bleibe dennoch. Es giebt immer Zuschaun. Pour qui parvient ä reduire le monde ä un spectacle, pour qui s'astreint ä cette ascese contemplative, ä cet esth£tisme extreme, έ ce d^nombrement des objets du monde, qu'ils soient beaux ou laids, dechirants ou heureux, il y a une recompense: le vide se change en plein, l'absurde rejoit un sens. Que vaut cette metamorphose? La promesse du ροέΐε est-elle tenue? ou bien cette transfiguration n'est-elle qu'imaginaire? Nous ne reprendrons pas ici les propos de Paul de Man, pour qui tout se resoud chez Rilke en virtuosity verbale, en „passage au son", en „jeu linguistique", en „phonocentrisme absolu"; selon lui, l'objet ne se prete a la transmutation que parce que le po£te le vide d'abord de son contenu, le soumet k l'arbitraire de son regard et ne saisit, en fin de compte, que l'acte poitique lui-meme, que tous ces po^mes, quel qu'en soit le pretexte — un animal, une fleur, un etre imaginaire, un personnage mythologique — expriment et rep£tent ä satiete; la poesie ne trouverait finalement qu'elle-meme et non le monde, qu'elle avait entrepris de red^couvrir et de s a u ν e r. Et le dernier mot du lyrisme de Rilke serait, dans un des po^mes franjais de la fin, un aveu d'impuissance et de mensonge (Mensonges 516). Masquef Non. Tu es plus plein, mensonge, tu as des yeux sonores. Nous ne suivrons pas Paul de Man dans ces positions extremes. Son analyse neglige tout le pouvoir de suggestion sensuelle des Neue Gedichte. Ces poesies

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ne son'; pas seulement un jeu d'assonances calculees: dans beaucoup d'entre eux, la c h o s e est presente, renouvelee, rehabilitee avec un pouvoir d'evocation peu commun. II faut se demander seulement de quel prix se paie cette transfiguration poetique et sous quelle forme les c h ο s e s se retrouvent, dans cet e s p a c e i n t £ r i e u r , oü Rilke a decide de les engranger. Nous partirons de Die Treppe der Orangerie, une des reussites certaines des Neue Gedichte, mais un exemple aussi, qui semble donner raison aux analyses de Paul de Man: l'escalier de l'orangerie de Versailles n'est, en effet, ni dέcrit ni evoque; il n'est qu'un pretexte qui ram£ne Rilke a lui-meme et a son travail de ροέΐε; par le moyen de cet escalier, c'est l'acte poetique qui se saisit lui-meme, se definit comme programme et se justifie dans son apparente absence de finalite. Comme la place de Furnes, comme la route de la Campagne romaine, l'escalier de l'orangerie est vide; il semble meme interdire aux promeneurs et aux profanes de le fouler aux pieds: als ob sie allen Folgenden befahl zurückzubleiben, — so daß sie nicht wagen von ferne nachzugehen; nicht einmal die schwere Schleppe durfte einer tragen. L'escalier vide et comme abandonne est transfigure dans l'imaginaire; il se confond avec un cort£ge qui gravirait ses marches, mais ce cortege, comme dans Der Platz, n'existe pas. Et, comme dans les autres poemes, le spectacle present se double d'un autre spectacle, emprunt6 au passe. Jadis, c'etait Louis XIV qui montait les deg^s de cet escalier et les courtisans s'inclinaient a son passage. Le temps des rois n'est plus; l'escalier est abandonne aujourd'hui; il ne sert plus a rien; il n'est la que pour figurer, r£duit a lui-meme, gratuit: Wie Könige die schließlich nur noch schreiten fast ohne Ziel, nur um von Zeit zu Zeit sich den Verneigenden auf beiden Seiten zu zeigen in des Mantels Einsamkeit —: 50 steigt, allein zwischen den Balustraden, die sich verneigen schon seit Anbeginn die Treppe; langsam und von Gottes Gnaden und auf den Himmel zu und nirgends hin. Ainsi est le poeme: il monte vers le ciel et ne mfene nulle part. Si les rois ne sont plus, il reste au moins cet escalier abandonne, qui reprend ä. lui seul l'ancienne fonction royale, la fonction de representation. Prives de leur usage, replies dans leur solitude sterile, les objets exhibent solennellement leur inutilite; c'est parce qu'ils sont inutiles qu'ils peuvent devenir objets d'art; c'est parce qu'il y a du vide que l'art peut exister. L'entreprise de rehabilitation totale ä laquelle Rilke avait voulu se livrer, n'aboutit pas. Les spectacles sordides qu'il decrit ne sont pas magnifies par le traitement poetique qu'il leur fait subir: ni les fous ni les aveugles ni

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les stylites. Que reste-t-il? Une collection d'objets rares et pr^cieux, de vieilleries et de grandes ceuvres d'art, un bout de dentelle et la cathedrale de Chartres, un daguerreotype fane et un Apollon archa'ique, Venise et Capri, Versailles et Bruges. L'histoire avance vite; la machine aura tot fait de detruire les dernieres traces du passe. Les Sonnets d Orphee ne cessent pas de le dire: Sieh die Maschine: wie sie sich wälzt und rächt und uns entstellt und schwächt. (I 18) Knaben, ο werft den Mut nicht in die Schnelligkeit, nicht in den Flugversuch. (I 22) Wandelt sich rasch auch die Welt wie Wolkengestalten, alles Vollendete fällt heim zum Uralten. (I 19) II est temps que le ροέΐε depose dans un musee imaginaire quelques temoins des temps d'autrefois. C'est le programme de la 7eme et de la 9eme Elegies: dire les pylones des temples egyptiens et Chartres, das strebende Stemmen, grau aus vergehender Stadt oder aus fremder, des Doms. Dans une Strophe qui imite Goethe, Rilke se fixe pour objet de retrouver la permanence au milieu du changement (Sonette an Orpheus I 22). Alles das Eilende wird schon vorüber sein; denn das Verweilende erst weiht uns ein. En fait, c'est moins „l'eternel" qu'il sauve (ce mot a-t-il encore un sens au XX® si£cle?) que quelques survivances du passe, une collection de vestiges. Dejä au temps du Stundenbuch, Rilke developpait l'image de l'heritier. Dans le Livre du Pelerinage, c'est Dieu qu'il qualifie ainsi; mais ce n'est lä. qu'un artifice de langage, car ce qu'il nomme Dieu alors ne se distingue en rien de sa propre activite de poke. „Dieu" done h^rite des merveilles du monde (I 314): Du erbst Venedig und Kasan und Rom, Florenz wird dein sein, der Pisaner Dom, die Troitzka Lawra und das Monastir ... Et les poStes ne sont rien d'autre que des collectionneurs d'images (I 315): Für dich nur schließen sich die Dichter ein und sammeln Bilder, rauschende und reiche ...

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D£s ses premiers ecrits, Rilke a le sentiment d'etre un tard-venu. Le destin l'a fait vivre au tournant des temps, k l'approche du declin. II accepte cette condition de ροέίβ alexandrin. II essaie de sauver ce qui n'est pas encore tout k fait compromis. II denombre ä l'Ange — ou aux temps futurs — les reussites, qui demain seront devenues i tout jamais impossibles. Le musee ou Rilke accumule ces tresors est denomme par lui l'espace interieur. Pour y avoir acces, il faut que les choses portent deja les premiers stigmates du declin. Ainsi les deux Hortensias: le bleu, dont les couleurs commencent a faner, le rose, dont la teinte semble s'evanouir dans les airs, pour etre recueillie, qui sait?, par les anges. Une somptuosite de nuances accompagne la fragilite du temps et la menace de la mort, tout l'eclat d'une image impressionniste, sensible au caractere unique de l'instant. Mais, pour se muer en „figure", il faut que Pobjet perde ces allures chatoyantes, et se fige. Derri^re le temps trompeur de la „Vergänglichkeit", il y a le temps immobile, que mesure le cadran de l'Ange du meridien, qui vit au-dela de la menace de la degradation, dans une fixite qui ressemble & celle de la mort. C'est dans la demeure des morts que le poete porte ses presents (Sonette an Orpheus I 7): Er ist einer der bleibenden Boten, der noch weit in die Türen der Toten Schalen mit rühmlichen Früchten hält. Dans l'espace interieur, le mouvement de la vie, sans cesser tout ä. fait, s'apaise, se referme sur lui-meme ä l'abri des avatars du destin, semblable aux Anges de la 2eme Elegie·. Spiegel: die die entströmte eigene Schönheit wiederschöpfen zurück in das eigene Antlitz, ou semblable a la fontaine des jardins Borghese, qui, comme dans la description de C. F. Meyer, concilie ä tout moment le mouvement et le repos, la vie et la mort: Und jede nimmt und gibt zugleich Und strömt und ruht. Vers la fin de la premiere partie des Neue Gedichte on trouve, sous le titre Die Insel, l'evocation d'une de ces lies de sable de la mer du Nord, ou vivent ä l'^cart du monde quelques mis£rables families de pecheurs. Le ροέηιε n'est pas une des grandes reussites du recueil, mais sa gaucherie meme fait peutetre ressortir plus naüvement les premisses de ce lyrisme; le soir, on reste assis dans les maisons, a contempler dans le miroir le reflet des vieux objets etranges, qui sont posis sur les commodes. L'ile est comme un astre trop petit, qui serait oublie par l'espace: Die Insel ist wie ein zu kleiner Stern welchen der Raum nicht merkt...

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D e r r i e r e la p r o t e c t i o n de leurs digues, ils i g n o r e n t presque t o u t ce qui se passe en dehors de l ' f l e ; ils p a r l e n t p e u ; le l a n g a g e ne leur sert plus guere qu'it ensevelir les messages qui leur a r r i v e n t du l o i n t a i n et qu'ils ne c o m p r e n n e n t presque p l u s : Und jeder Satz ist wie ein für etwas Angeschwemmtes,

Epitaph Unbekanntes

. . .

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K a f k a s Kleine Fabel Verfremdung und Reduktion sind die Strukturprinzipien, die dem eigentümlichen Sachverhalt zugrundeliegen, daß Tiergestalten und Tiergeschichten in Kafkas Erzählprosa eine bedeutende Rolle spielen, was sich auf Anhieb wohl kaum von selbst versteht. Der komplexen und hintergründigen Natur von Kafkas Erzählverfahren scheint es vielmehr zu widersprechen, daß Tiere als Handlungsträger auftreten oder gar, wie im Bericht für eine Akademie und den Forschungen eines Hundes, die Rolle des Erzählers übernehmen. Gemeinhin signalisieren Tiere in der Literatur eine volkstümliche, auch dem kindlichen Gemüt angepaßte Darstellungsweise. Das trifft jedenfalls auf die populärsten Formen der Tierdichtung, das Tiermärchen und die Tierfabel, zu. Die Fabel erscheint zudem als das Paradepferdchen einer didaktischen Tendenz, die es als die Aufgabe und Zweckbestimmung der Dichtung ansieht, mit Gellerts bekannten Versen 1 : Dem, der nicht viel Verstand besitzt, / Die Wahrheit, durch ein Bild, zu sagen. Darüber hinaus reicht die Spannweite solcher Tierpoesie allenfalls bis zur allegorischen Funktion, wie sie Adler, Schlange und Löwe in Nietzsches Zarathustra aufweisen. Nun sind die ,Tiergeschichten' in Kafkas Werk, von der Verwandlung bis zu Josefine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse gewiß auch gar keine Tiergeschichten im üblichen Sinn des Wortes. Der skurril-unheimliche Vorgang, daß Gregor Samsa eines frühen Morgens beim Erwachen sich als unförmigen Käfer wiederfindet, hat mit dem Märchenmotiv der in Tiere verwandelten Prinzen und Prinzessinnen, wenn überhaupt, nur noch einen sehr entfernten Zusammenhang, und das Volk der Mäuse setzt der schlichten Allegorese bestimmte Verständnisschwierigkeiten entgegen. Der forschende Hund wie der emanzipierte Affe Rotpeter sind an Reflexionskraft dem Durchschnittsmenschen überlegen. Das schließt nicht aus, daß mit den sprechenden und vernunftbegabten Tierfiguren auch in die Prosa Kafkas ein Hauch von kindlicher Spielfreude, Märchen- und Wundergläubigkeit hineinkommt. Der damit verbundene Widerspruch erweist sich als produktiv. Es ist ein im besten Sinn ,naives' Prinzip, das in den Tiererzählungen Kafkas die Erwartung des Lesers wie von selbst mitbestimmt und eine konstruktive Spannung zur hintergründigen Absicht des Autors herstellt. Es spricht vieles dafür, daß in diesem Punkt geradezu 1

Christian Fürditegott Geliert: Fabeln und Erzählungen, hist.-krit. Ausg., bearbeitet v. S. Scheibe [ = Ndr. dt. Lit.werke N F XVII], Tübingen 1966, 53.

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eine allgemeine literarische Gesetzmäßigkeit zur Auswirkung k o m m t : eine Dichtung von der strukturellen Komplexion der Kafkaschen ist kaum vorstellbar ohne ein Element von bewußter Naivität, das ihre Sagbarkeit, in diesem Fall Erzählbarkeit gegen die unaufhaltsame Neigung der Reflexion, auch der poetischen, zur Selbstverstrickung gewährleistet. Die Tiere Kafkas sind nicht ohne weiteres ausdeutbar, und man hat sich vor einer allzu fixen Festlegung zu hüten, die auch hier nichts anderes als eine Spielart der schon von der Aesopischen Fabel her vertrauten Anthropomorphisierungstendenz sehen möchte, wie H e r d e r sie als Deutungsprinzip der Tierfabel unterlegte. Aber es kommt mit dem Rekurs aufs Animalische auch bei K a f k a , bei aller Verfremdung und Reduktion, etwas Unumstößliches und n a t u r h a f t Vorgegebenes in den Blick, das durch die vitale Fraglosigkeit seines Soseins fasziniert — paradigmatisch ist es im Bild des jungen Panthers am Schluß der Hungerkünstler-Erzählung demonstriert 2 : nicht einmal die Freiheit schien er zu vermissen; dieser edle, mit allem Nötigen bis knapp zum Zerreissen ausgestattete Körper schien auch die Freiheit mit sich herumzutragen; irgendwo im Gebiß schien sie zu stecken; und die Freude am Leben kam mit derart starker Glut aus seinem Rachen, daß es für die Zuschauer nicht leicht war, ihr standzuhalten. Gewiß, auch dieses Bild der ungebrochenen Lebensfülle und der von ihr ausgehenden Faszination, das als kontrapunktisch eingesetztes Gegenbild zu dem des langsam schrumpfenden und im faulenden Stroh seines Käfigs verschwindenden Hungerkünstlers die Erzählung formal abschließt, trägt noch seinen kaum angedeuteten ironischen Vorbehalt in sich, der deutlicher wird, wenn man sich vergegenwärtigt, daß K a f k a in einer Variante beim Ausarbeiten seiner Erzählung versucht hatte, als Gegenbild zu dem des Hunger-Künstlers das seines Jugendfreundes, eines fantastischen Menschen-Fressers, einzuführen 3 . U n d wie prekär es um die Freiheit auch des Tieres bestellt ist, wenn es einmal in den Fangblick des Menschen und der Literatur geraten ist, zeigt der Bericht für eine Akademie. Der poetologische Sinn der thematischen Einführung der Tiergestalt in das Erzählen bleibt davon indes unberührt. Es lassen sich mit ihrer Hilfe Geschichten erzählen, die sonst vielleicht unerzählt blieben. Dieser hier nur skizzierte Sachverhalt muß dort punktuell besonders klar hervortreten, wo K a f k a sich gegen seine Gewohnheit auf eine stark konventionalisierte Form der Tierdichtung einläßt. Gemeint ist wieder die Fabel. Es gibt dafür in seinem Werk nur ein einziges wirklich eindeutiges Beispiel, und es gehört zu den erst aus dem Nachlaß edierten Texten 4 . 2

3

4

Franz K a f k a : Sämtl. Erzählungen, hg. v. P. Raabe [ = Fischer-Bücherei 1078], F r a n k f u r t a. M. / H a m b u r g 1970, 171 [zit.: S £ ] , Vgl. J. M. S. Pasley: Asceticism and Cannibalism: Notes on an Unpubl. Kafka Text, in: Oxford German St. 1 (1966), 105 f. Kleine Fabel, SE 320; Hs. im „Konvolut B" der Bodleian Libr.; Erstdruck: Beim Bau der chines. Mauer — Ungedruckte Erzählungen und Prosa aus dem Nachlaß, hg. v. M. Brod und H . J. Schoeps, [Berlin] 1931. Entstanden vermutlich im Spätherbst 1920 (vgl. Kafka-Symposion, Berlin 1965, 83). Der von Raabe in SE 405 als „Variante" zum vorliegenden bezeichnete Text aus dem „Blauen Q u a r t h e f t " (Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande und andere Prosa aus dem Nachlaß,

K a f k a s Kleine

Fabel

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Die folgende Analyse kann deshalb von vornherein nicht zur Aufgabe haben, eine bestimmte Untergattung Kafkascher Erzählungen abzugrenzen und zu bestimmen. Sie ist nicht vom Ehrgeiz getrieben, den von der Forschung vorgeschlagenen und zum Teil geläufig gewordnen terminologischen Klassifizierungen des Kafkaschen Erzähl-Korpus — Betrachtung, Anti-Märchen, Bericht, Parabel etc. — eine weitere hinzuzufügen. Wohl aber will sie versuchen, an einem signifikanten Einzelfall Kafkas Bezug auf eine schematisch vorgegebene literarische Form zu erläutern. Wenn alles gut geht, kann das im Nebeneffekt zum Ausblick in eine Grundfrage auch der komparatistischen Literaturwissenschaft führen. Der Titel der Kleinen Fabel stammt nicht von K a f k a . Max Brod hat ihn bei der Erstpublikation dem Text beigefügt 5 . Es ist schwer, hinterher so zu tun, als wäre man der Suggestion durch diesen Titel nie ausgesetzt gewesen. Immerhin läßt sich mit einiger Sicherheit sagen, daß im vorliegenden Fall auch ein weniger versierter Kafka-Kenner als Max Brod — und vielleicht gerade ein solcher — fast von selbst hätte auf den Einfall kommen können, den Text als ,Fabel' zu bezeichnen. Die ,natürliche' Lesererwartung wird schon durch die ersten Worte, „Ach", sagte die Maus, in diese Richtung gelenkt, und sie sieht sich durch die Beschränkung des Personals auf Katze und Maus, die gnomische Knappheit des Dialogs und die Kürze des Textes bestätigt. Mindestens im deutschen Sprachbereich und seit Lessing, teilweise aber schon seit Aesop, sind das recht eindeutige Bestimmungsmerkmale der Tierfabel. Enttäuscht wird die Erwartung allenfalls durch das Ausbleiben einer Moral. Zwar liebte es wiederum schon Lessing, die Nutzanwendung dem Leser zu überlassen, die Moral also nicht auszuformulieren, wie der eine halbe Generation ältere Geliert es noch regelmäßig und mit Zierlichkeit tat, und wie es übrigens auch Friedrich II. nicht anders von ihm erwartete (DER KÖNIG. Und die Moral? GELLERT. Gleich Ihro Majestät)6. Aber K a f k a geht weiter, er formuliert nicht nur keine Nutzanwendung, sondern läßt den Leser förmlich auf der Geschichte sitzen. Unternähme dieser dennoch den heroischen Versuch, das fehlende Epimythion nachzuformulieren, so käme er zunächst etwa zu dem Satz: Der Schwächere tut gut daran, nicht auf den R a t des Stärkeren zu hören, zumal wenn dieser sein natürlicher Feind ist. Damit wäre er zwar streng nach den Regeln der Kleinkunst verfahren, aber die Intention des Kafkaschen Textes hätte er schwerlich getroffen. Es überrascht denn auch nicht, daß Brod seiner Titel-Erfindung ein Adjektiv mitgab, und mit der Formulierung ,Kleine Fabel' wollte er offenbar nicht, überflüssigerweise, auf die besondere Kürze des Textes hinweisen, sondern a priori einen ironischen Akzent setzen.

5 6

Frankfurt am Main 1953, 294 [zit.: Η ] ) bildet in Wirklichkeit ein unabhängiges, w e n n audi thematisch ( K a t z e - M a u s - D i a l o g ) v e r w a n d t e s Fragment, das hier zunächst außer Betracht bleiben kann. Vgl. SE 405. Gottlieb Wilhelm Rabeners Satiren. Dritter Theil. Mit einigen Briefen, von Herrn Geliert und Rabener vermehrt. Neueste Auflage, Frankfurt/Leipzig 1764, 296 [zit.: Rabeners Satiren].

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„Ach", sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe." — „Du mußt nur die Laufrichtung ändern", sagte die Katze und fraß sie. Die Thematik des Textes, sowohl dem Inhalt wie der Form nach, ist faßlich. Die Form der (Prosa-)Fabel ist gewahrt: das gilt selbst dann, wenn man sich nicht mit den sehr allgemeinen formalen Bestimmungen der Tierfabel begnügen will, die wir eben schon angeführt haben, sondern die analytische Kontrolle in Richtung auf die einst vielberufene ,innere Form' des Textes fortsetzt. Ein solches Vorgehen könnte sich ohne weiteres auf die fabeltheoretischen Untersuchungen Lessings abstützen, der mit seiner Praxis der nicht ausformulierten Moral immerhin von allen denkbaren Referenzen der bei K a f k a vorliegenden Gestalt der Fabel noch am nächsten kommt. Wenn man neuerdings versucht hat, die Eigenart der Lessingsdien Fabeln genauer zu definieren, indem man ihn den „intellektualistische(n) Fabeldichter des 18. Jh.s" genannt hat 7 und das mit „Auflösung der Handlung, Verdrängung der Erzählung und Ersatz durch eine Situation" 8 begründete, so trifft dieser Befund mutatis mutandis auch noch auf Kafkas Fabel zu. Man könnte sich unmittelbar auf Lessings theoretische Beschreibung der Fabel und seine Forderungen an den Fabeldichter beziehen und würde auch von hier aus bei K a f k a zunächst kaum eine Abweichung von der dort entwickelten Norm entdecken können. Wenn f ü r Lessing die allgemein bekannte Bestandheit der Charaktere9 eine wichtige Voraussetzung ist, die es dem Fabeldichter erlaubt, sich kurz zu fassen und auf wortreiche Ausschmückungen bei der Einführung seines Personals zu verzichten, wenn Lessing in diesem Zusammenhang die Kürze und Präzision der Aesopischen Fabel rühmt und sich scharf gegen Batteux und dessen Empfehlung des rhetorischpoetischen Zierats auch f ü r die Fabel wendet, so wissen wir zwar nicht, wie K a f k a sich zu der literaturtheoretischen Argumentation Lessings und seiner auch hier sichtbar werdenden Voreingenommenheit gegen die Prinzipien des französischen Klassizismus gestellt hätte 10 , aber die Kafkasche Praxis in der 7

Erwin Leibfried: Fabel [ = Samml. Metzler 66], Stuttgart z 1973, 89 [zit.: Leibfried: Fabel]. 8 Leibfried: Fabel 88. ° Gotthold Ephraim Lessing: W., hg. v. H . G. Göpfert, München 1970 ίί., V 389 [zit.: Lessing: W.]. Die Formel ist bei Lessing typographisch hervorgehoben. 10 Auffälligerweise findet sich weder in Kafkas Tagebüchern noch in seinen Briefen eine direkte Auseinandersetzung mit Lessing. Aus dem Januar 1914 stammen die stichwortartige Tagebucheintragung Nicolai, Literaturbriefe und ein Satz über Tellheim, der aus Diltheys Das Erlebnis und die Dichtung exzerpiert ist; in dem Brief an Feiice vom 29. September 1916 formuliert Kafka seine Bedenken gegenüber einer (durch Feiice im Jüdischen Volksheim Berlin mit 11—15jährigen Mädchen zu veranstaltenden) Lesung der Minna von Barnhelm, zweifelnd, ob denn so kleine Mädchen überhaupt der Auffassung eines kompliziert Dramatischen fähig seien, und in den Briefen vom 9. und 16. Oktober 1916 äußert er sich, als ,Pädagoge', knapp

Kafkas Kleine Fabel

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Kleinen Fabel entspricht aufs genaueste den Lessingschen Forderungen. Katze und Maus werden kommentarlos eingeführt, dem Leser bleibt also gar nichts anderes übrig, als in ihnen die aus der Tradition der Tierfabel bekannten sprachbegabten Fabel-Tiere zu sehen, und ihr Verhalten widerspricht den literarisch (allerdings gerade bei diesen Tieren, verglichen etwa mit Löwe, Fuchs etc., nur bedingt) vorgeprägten Charakterrollen nicht: die Maus erweist sich als ängstlich und hilflos, die Katze als rabiat und zynisch (wenn man ,zynisch' von einer Katze sagen darf). Die Situation ist somit die aus zahllosen Tierfabeln vertraute einer K o n frontation des Schwächeren mit dem Stärkeren. Der Dialog, aus dem der Text fast ausschließlich besteht, ist so k n a p p formuliert wie nur denkbar. Der lakonischen .Antwort' der Katze geht eine Klage der Maus voran, die ein Musterbeispiel poetischer Abbreviatur darstellt. Eine zunächst ganz allgemein gehaltene Bemerkung über die Beschaffenheit der Welt im ganzen wird rapide zugespitzt in Richtung auf das konkrete Bild der in der Ecke wartenden Falle. Die einzige Metapher des Textes ist usuell: die Mauern eilen [...] aufeinander zu. Allerdings wird sie nach dem bewährten Kafkaschen Verfahren wörtlicher genommen als es einem abgeschliffen-unreflektierten Gebrauch entspräche — durch das einfache und unauffällige Mittel des Einschubs der adverbiellen Bestimmung so schnell. Die Mauern werden, was immer sie .eigentlich' bedeuten mögen, zu Chiffren des Welt-Laufs überhaupt, der zudem in unmittelbarster Interdependenz mit dem (Lebens-)Lauf der Maus steht 11 . Was zunächst bloß als ein perspektivischer Effekt nach dem optischen Gesetz der Fluchtlinien vom momentanen Blickpunkt der Maus her interpretiert werden könnte, das Zusammenlaufen der Mauern in einem Fluchtpunkt, erweist sich als die reale Existenz-Perspektive der Maus, und der Fluchtpunkt als die Todesfalle, in die sie läuft. Auch hier also wieder, jetzt in umfassenderem Sinn, ein WörtlichNehmen des scheinbar Selbstverständlichen, wodurch dieses seine Unverfänglichkeit radikal einbüßt, so daß auf kürzestem Weg eine Grenzsituation erreicht wird. Das ist das eigentümliche Verfahren Kafkas, das wir vorläufig als ,poetische Abbreviatur' bezeichnet haben, das aber gewiß mehr ist als ein bloßer Kunstgriff, ein im üblichen Sinn abgekürztes Verfahren oder gar ein schlichter

11

zum Scheitern jenes Projekts; nochmals bekräftigt er dabei, wie sehr er Lessings Stück schätze. Uber einen Hinweis auf die zitierten Tagebuchstellen hinaus hat auch Max Brod in seiner Kafka-Biographie nichts Konkretes zur Beziehung K a f k a — Lessing mitzuteilen. Es läßt sich jedoch wenigstens vermuten, d a ß das Stilideal der Lückenlosigkeit, das im Tagebuch von 1911 mehrfach — wenn auch meist per negationem als Klage über die .Lückenhaftigkeit' der eigenen Schreibversuche — erscheint, nicht ohne Bezug auf das Lessingsche Ideal der Kürze und Präzision ist; denn Lückenlosigkeit besagt, in konventionellere Ausdrudesweise übertragen, hier soviel wie .gedrängte Fülle'. Es liegt hier eine f ü r K a f k a spezifische Sehweise vor, wonach eine Bewegung das, was nach geläufiger Anschauung feststeht und w o r a n sie entlangführt, gleichsam mitnimmt, so d a ß der Effekt einer stillstehenden Bewegung bzw. eines bewegten Stillstands eintritt. Das evidenteste Beispiel d a f ü r bietet das Fragment Η 358 f., w o die auf einem Waldweg voraneilende Mensdiengruppe ihre unmittelbare Umgebung mit sich f ü h r t .

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unlogischer Kurzschluß, der zu Lasten einer naiven Maus ginge. Es sind hier die eingangs berührten Strukturprinzipien von Verfremdung und Reduktion im Spiel 1 2 . Die Maus wird dadurch zum spezifischen Helden im Sinne K a f k a s — in ihrer Art so typisch wie die Hauptfigur Josef K . Kein Zweifel, daß K a f k a trotzdem und eben deshalb, rein thematisch betrachtet, der Lessingschen Forderung nach Präzision und Kürze auf hervorragende Weise gerecht wird. Das gilt auch unabhängig von dem historischen Kontext, in den Lessing seine Fabeltheorie stellte. Die anfängliche Entscheidung der Lessingschen Praxis zugunsten der versifizierten Fabel, die dann einem um so entschiedeneren Plädoyer für die Prosa-Fabel weicht, wie überhaupt die Alternative zwischen Vers- und Prosa-Fabel, die Lessing noch beunruhigt, ist für K a f k a von vornherein irrelevant. Die Vers-Fabel besitzt für ihn offensichtlich keine historische Fälligkeit oder audi nur Möglichkeit mehr. E r hat sich damit unausdrücklich, aber aus den Bedingungen seiner eigenen historischen Position und seines eigenen Werkansatzes heraus, bereits für Lessing entschieden — gegen Lafontaine und dessen Gefolgsleute, zu denen mit einigen Einschränkungen auch die Wiederbegründer der Fabel-Tradition in der deutschen Literatur des X V I I I . Jahrhunderts, Hagedorn und Geliert, gehören. V o m Lessingschen Standpunkt aus gesehen, hätte er sich damit aber auch, da es der Strategie des Theoretikers Lessing entspricht, hier genauso wie im Bereich der TragödienTheorie, für die ursprüngliche griechische Gattungsbestimmung gegen die späteren Abweichler, vor allem die Franzosen und ihre ,doctrine classique', im Fall der Fabel aber auch schon gegen die ersten Aufweichungserscheinungen

bei

Phaedrus, Stellung zu nehmen, für die Rückkehr zum aesopischen Vorbild und U r t y p entschieden. Dagegen ist kaum etwas einzuwenden, jedenfalls nicht aus dem H o r i z o n t der thematischen Analyse, auf die wir uns bisher beschränkt haben, und wieder unter dem Vorbehalt, daß von K a f k a auch in bezug auf die Aesopische Fabel kein Beleg für eine direkte Auseinandersetzung vorliegt. Allerdings ist bei einer solchen historischen Konstruktion auf den Spuren Lessings zu beachten, daß Lessing selber nicht primär als Literar-Historiker, sondern als Theoretiker argumentiert, der seinen Standpunkt gleichsam nachträglich historisch-philologisch zu begründen sucht. Andrerseits würde es im vorliegenden Zusammenhang nicht weiterführen, unabhängig von Lessing eine historische Analyse der Aesopischen Fabel — sei es im engern oder weitern, typologischen Sinn dieses Begriffes — vorzunehmen, um das Ergebnis mit dem Befund bei K a f k a zu vergleichen. Das hieße einer methodologischen Versuchung erliegen, auf deren Problematik in den Schlußbemerkungen zurückzukommen sein wird. Für den Augenblick genügt es festzuhalten, daß K a f k a , wenn die Praxis der Fabeldichtung, sei es bei Lessing, sei es im Bereich der Aesopischen Fabel, für ihn einen eigentlichen Vorbild-Charakter besessen haben sollte (was sensu 12

Vgl. Klaus Ramm: Reduktion als Erzählprinzip bei Kafka [ = Lit. und Reflexion 6 ] , Frankfurt am Main 1971.

Kafkas Kleine Fabel

471

stricto nidit belegbar ist), zweifellos das Vorbild einer grundlegenden Transformation unterzogen hätte. Das ist unausdrücklich in den ersten Schritten einer thematischen Analyse der Kleinen Fabel immer schon sichtbar geworden. Es läßt sich aber auch aus dem Verfahren erschließen, das K a f k a in seinem übrigen Werk stets dann anwendet, wenn er Stoffe aus der literarischen oder mythologischen Tradition aufgreift. Es geht dabei zwar nicht wie im Fall der Kleinen Fabel um die Aneignung und Anverwandlung einer bestimmten GattungsTradition, sondern nur um die (übrigens zeittypische) produktive Neu-Interpretation weltliterarisch bekannter Motive — oft aus dem Alten Testament oder der klassischen Mythologie —, aber die Grundzüge des Verfahrens sind dieselben. Ein Paradigma dafür bietet der kurze Prosatext Die Wahrheit über Sancho Pansa13. K a f k a nimmt die Überlieferung einerseits wörtlicher und ,realer' als sie es aufgrund ihres Charakters als ,bloß' literarische Überlieferung scheinbar beanspruchen könnte. Für ihn ist Sancho Pansa keine literarische Figur, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut — oder genauer gesagt: seine Wahrheit über Sancho Pansa geht von der (erzählerisch-,fiktiven') Voraussetzung aus, daß es so sei. Audi hier treffen wir wieder auf eine spezifische Ausprägung des Wörtlich-Nehmens. Andrerseits bietet gerade diese scheinbar naive Einstellung zum Überlieferten eine ideale Absprungbasis für seine radikale Umdeutung. Nicht Cervantes ist der Autor des Don Quijote, sondern Sancho Pansa hat den Ritter von der traurigen Gestalt erfunden, um sich von seinem eignen Teufel zu befreien, oder genauer: die später von Sancho mit Don Quijote benannte Gestalt ist nichts anderes als der Teufel, den Sancho durch Beistellung einer Menge Ritter- und Räuberromane in den Abend- und Nachtstunden von sich selber abzulenken vermochte. Diese abenteuerlich anmutende Umdeutung erweist sich als dem konstruktiven Vorwand durchaus ebenbürtig, unter dem Cervantes seinen Helden und dessen Phantastik exponiert, weil sie ihn mit seinen eignen Mitteln und Argumenten (zu reichliche Lektüre von Ritterromanen) noch übertrumpft und zugleich der naiven Existenz Sanchos eine zusätzliche Dimension und Begründung gibt. Darin liegt die innere Konsequenz der Umdeutung, die auf einen ersten Blick als rein spielerisch und willkürlich erscheinen könnte. Wir haben damit zu rechnen, daß K a f k a in dem zunächst ganz anders gelagerten Fall seiner Fabel-Adaption grundsätzlich genauso verfährt. Er nimmt hier nicht ein berühmtes Gestaltenpaar oder mythologisches Motiv aus der Weltliteratur, wohl aber eine weltliterarisch ruhmvoll bezeugte Gattung so ernst wie nur denkbar — möglicherweise ernster als ihre historisch bezeugten Autoren sie jemals verstanden haben. Indem er die Gesetze der Gattung, um es so auszudrücken, wörtlidi zitiert, und zwar nach der strengsten Observanz, wie sie in den Forderungen Lessings an eine Tierfabel des aesopischen Typs vorliegt, gewinnt er die Basis einer Umdeutung, die sich nun allerdings — und damit potenziert sie sich gegenüber dem Sancho Pansa-Paradigma noch ein-

13

SE 304 (Titel von Max Brod).

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mal — mit H i l f e einer thematischen Analyse gar nicht mehr fassen läßt. Einfacher, aber auch mißverständlidier gesagt: er ironisiert das Fabel-Schema. Eine solche Ironisierung, recht verstanden, ist kein thematischer Vorgang mehr. Das spezielle strukturanalytische Interesse, das die Erscheinung der literarischen Ironie für sich in Anspruch nehmen darf, gründet eben darin, daß sie als Phänomen genau am Übergang von der Thematik zur Struktur von Texten zu lokalisieren ist. Wie ironisch ein T e x t zu verstehen sei, das läßt sich von seiner Thematik her niemals mit Sicherheit bestimmen. Gewiß, es werden in ironisch intendierten Texten in der Regel mehr oder weniger auffällige IronieSignale gesetzt. Unentbehrlich und notwendig sind sie nicht 1 4 . K a f k a s Kleine

Fabel

kommt ohne sie aus und verkörpert damit einen

Idealtyp ironisdien Erzählens. Wenn M a x Brod sich gedrängt fühlte, mit seinem Titel ein solches Signal zu setzen, so mag das scheinbar in seinem editorischen Ermessensspielraum liegen. E r hat damit zwar, oberflächlich betrachtet, der ironischen Struktur des Textes entsprochen, nicht aber dem Brauch K a f k a s in den von ihm selbst publizierten Erzählungen: dort wird auf

Eselsbrücken

dieser Art verzichtet. Genau betrachtet, und das heißt hier: mit Kafkascher Skrupulosität in Stil- und Strukturfragen, zerstört der Brodsche Titel

den

T e x t , weil er ihm durch voreilige Ironisierung jene Voraussetzungsbasis des absoluten Ernstnehmens der Überlieferung entzieht. Aus demselben Grund ist es auch für die literaturkritische Analyse eines K a f k a - T e x t e s nicht unbedenklich, lauthals von Ironisierung zu sprechen. Jedenfalls bedarf es dabei der genauesten Differenzierung. Zu diesem Zweck mag es nützlich sein, als Gegenprobe kurz ein Beispiel bloß thematischer Ironisierung des Fabel-Prinzips anzuführen. Bei Lessing findet es sich nicht, denn Lessing hat, unbeschadet des ironischen Vergnügens, das auch er beim Erfinden und Modifizieren von Fabeln empfunden haben mag, mindestens als Theoretiker nur im höchsten Ernst von ihr gesprochen, und zwar so sehr, daß er Batteux vorwirft, die Fabel unter dem Aspekt der Belustigung anstatt wie er selber nur von ihrem Nutzen

verstanden zu haben,

zu sprechen. Anders verfuhr sein

Zeitgenosse Rabener, der in seinem satirischen Beytrag buche

(1745) unter dem Artikel Fabel

ordentlicher Gedicht,

Weise,

über

das noch etwas mag

noch

doch

das, was

und besonders

welchem

so trocken,

unvernünftige

der Name

dümmer ein solcher Bestie

nach dem Begriffe eines

Thieres,

ist als der Verfasser. noch

noch

so abgeschmackt, Fabeldichter allemal

zum deutseben

Wörter-

zu vermelden w e i ß 1 5 : Eine oder

Neuern,

sonst

solches

eines Dinges

steht,

Die Ausführung

noch

so undeutlich

genug

seines

Thiers

gesprochen.

ist,

ein

[...]

im Namen klug

einiger

Fabel

der seyn:

sagt,

für

Fabel so

ist eine

Lessing hat sich

durch eine solch muntere Attacke auf die damals gerade erst seit wenigen Jahren in Deutschland wieder in Mode gekommene Gattung und ihre Autoren nicht von einer fast pedantischen Beschäftigung mit ihr abhalten lassen, und es

14

Vgl. meinen Essay Ironie als lit. Prinzip, in: Ironie und Dichtung, hg. v. A. Sdiaefer

15

Rabeners Satiren. Zweyter

[ = Beck'sche Schwarze Reihe 6 6 ] , Mündien 1970, 11—37.

Theil 145.

Kafkas Kleine

Fabel

473

ist überflüssig zu betonen, daß wir auch in bezug auf Kafka ein ganz anderes Verfahren als das satirisch-ironische Rabeners im Auge haben, wenn wir von einer Ironisierung der Fabel sprechen. Denn Kafka übertrifft zunächst und in gewisser Hinsicht sogar noch Lessing im Ernstnehmen der Fabel. Lessing erlaubt es sich immerhin gelegentlich, wenn nicht die Fabel und ihr Prinzip, so doch ihr Tierpersonal unmittelbar zu ironisieren. So in der Fabel über eine philosophische Maus19, die naiverweise die gütige Natur dafür preist, daß sie gegen eine mögliche Vertilgung des Mäusegeschlechts dadurch Vorsorge getroffen habe, daß sie die eine Hälfte davon mit Flügeln ausstattete, so daß, wenn wir hier unten auch alle von den Katzen ausgerottet würden, sie doch mit leichter Mühe aus den Fledermäusen unser ausgerottetes Geschlecht wieder herstellen könnte. Zwar möchte es vielleicht eben noch hingehen, auch die Maus Kafkas als eine philosophische zu bezeichnen, die ihre natürliche Schwäche und Hilflosigkeit gegenüber dem Feind ihres Geschlechts durch eine eigentümlich hochgestochene Reflexion zu kompensieren sucht, obwohl die Maus Kafkas im Gegensatz zu derjenigen Lessings von vornherein resigniert hat. Aber man braucht nur die Lehre zu zitieren, die Lessing in diesem Fall seiner Fabel ausdrücklich mitgibt, um die ganze Differenz zu erkennen: Die gute Maus wußte ni Ges. W„ X 943—949; 23* (this annotation refers to Shelley's The Mask of Anarchy as ,model'). As for date and place of composition of Brecht's poem cf. Martin Esslin: Brecht, das Paradox des politischen Dichters, F r a n k f u r t a. Μ. 1962, 128—131, 134.

American English in Modern German Drama and Poetry

513

value in an agent noun derived from a lexicalized phrase (,blade market') by means of a handy suffix (-eer)24 (X 946). Und der schwarze Marketier Sagt, befraget: Ich marschier Auf Gedeih (und auf Verderb) Für den Freien Wettbewerb. Derivation of ,black marketeer' may have been facilitated by the existence of ,marketeer', without derogatory tinge, though, in American English ever since 182 3 25 . The admission of ,black marketeer' into British English was probably promoted by its popular semantic neighbor ,profiteer', first evidenced for 191326. Perhaps stimulated by .Musketier' und ,Grenadier', German transfers from military French, Brecht took over ,black marketeer', translating ,black', the adjectival part of the primary, phrasal, constituent ,black market', retaining its nominal part ,market' in its English shape, and substituting Frenchborrowed but phonologically adapted German -ier for English -eer. In preferring the phrasal loanblend schwarze Marketier to the normal German compound ,Schwarzmarkthändler' Brecht was motivated by the fact that the native word lacks brevity in the expression of the agent (— händler: -eer). Moreover, der schwarze Marketier illustrates the union of borrowed brevity with acquired tone. To the German ear the term sounds foreign, not so much, though, on account of its suffix -ier and its French tinge as on the strength of the difference, slight but jarring, between Market- and its German cognate, ,Markt'. This foreign ring is skillfully played against the economic slogan Für den Freien Wettbewerb. Der schwarze Marketier serves as a parody on the system. Another novel feature, although foreshadowed in Brecht's earlier handling of Anglo-American speech items, turns up in a manner well-known to any bilingual speaker of English and German. Since German ,Bank', meaning ,bench', seat' or ,bank', is near-homophonous with English ,bank', a nonGerman meaning of English ,bank', namely ,river bank', may easily creep into the vocabulary of a German speaker of English. That's exactly what happens in Brecht's poem. The whole procession of vices (X 947) . . . kam, berstend vor Gestank Endlich an die Isarbank. ,Isar-Ufer' would have been authentic German. No matter, whether this extreme instance of semantic extension is due to a slip of the poetic tongue or to a deliberate choice, this example of language mixture does fit into a poem 24

25 20

Hans Marchand: The Categories and Types of Present-Day English Word-Formation: A Synchronic-Diachronic Approach, Munich 1969, 122, 123. lb. 269—270. The World Book Encyclop. Diet., N e w York 1963, I 200; H. L. Mendken: The American Language, one-vol. abridged ed. by R. McDavid, Jr., N e w York 1963, 224. For ,black marketeer' as Americanism cf. ib.

514

Hans Galinsky

which satirizes cultural mixture, i. e. the blending of what, according to Brecht, is vicious in both, the German and the Western World. Thus ,le faux ami' has eventually arrived on the scene. His forerunner might be identifiable in tappten... an die Arme, that debatable phrase we came across in the New York poem of 1930. Our premonition based on the high school student's preference for the translation of a whole phrase by way of cognates (,over the sea': über der See) has come true. There is a second good reason to remember the Augsburg high school student and his poem of 1916 at this point. His technique of montage as exemplified by the integration of parts of an American song into his original German poem recurs in the poem of 1947. This time, however, montage assists parody (X 948): Hängend überm Wagenbord Mit dem Arm, fährt vor der Mord. Wohlig räkelt sich das Vieh Singt: Sweet dream of liberty. Brecht does nothing less than parody the second line of Samuel Francis Smith's hymn America21·. My country, 'tis of thee, Sweet land of liberty, Of thee I sing; liberty has lost its American habitat and been reduced to a dream. The revised hymn is sung by murder personified. Related to this verse, the poem's alternative title Freiheit und Democracy, deliberately English in its second part, reveals its full import. The Freiheit referred to is but a dream imported from the land of liberty. As the tune of this American „patriotic hymn" „is the British ,God Save the King"' 2 8 , the reader of Brecht's poem need not wonder that this very hymn, Britain's national anthem, forms part of the montage, the opening of the Marseillaise completing the pattern of the ,Western Powers' re-educating Western Germany (X 944): Vornweg schritt Und er sang aus »Allons, enfants, Und den Dollar,

ein Sattelkopf vollem Kröpf: god save the king kling, kling, kling.«·

As so often in Brecht's works sneer pairs with tenderness, no matter how dissonant the effect produced. The emotional range of linguistic borrowing 27

28

Appended to The New Testament, American Bible Soc., podset ed. for the use of American soldiers in World War II, p. XVI. The Oxford Companion to American Lit., ed. James D. Hart, N e w York 4 1965, 24.

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515

includes this note of tenderness in the poem under discussion. Its opening stanza contains a queer specimen of semantic interference (X 943): Frühling ward's in deutschem Land Uher Asch und Trümmerwand Flog ein erstes Birkengrün Probweis, delikat und kühn. Ein delikat(es) Birkengrün seems to be modeled on ,a delicate green', ,zart* being the common German equivalent. Once again semantic extension proceeds on the basis of a German cognate, although this time not of native, but foreign origin (Latin .delicatus'). We examined only four poems29. Nevertheless did they reveal three uses of specific Americanisms and general Anglicisms typical of Brecht's poetry: (1) a use providing American color of settings and figures, (2) a use conveying tone, (3) a multiple use, combining brevity with tone and an expressiveness increased by connotation and montage-based allusiveness. — Will these observations on Brecht the poet be confirmed by Brecht the playwright? II 5 This question is particularly pertinent as in the 1920's Brecht chose for several of his plays American figures and American settings, in one case a Canadian setting 30 . All this is common knowledge. Admittedly, it was much later than the 1920's, it was in 1953 that Brecht, in his essay Über reimlose Lyrik mit unregelmäßigen Rhythmen (first version publ. in 1939) demanded that Die Sprache sollte ganz dem Gestus der sprechenden Person folgen31. However, this demand had, in practice, already to be faced by the young playwright the same moment he was creating figures for American settings. The question of what the nature of this peculiar America as imagined by 29

A study aiming at completeness is highly desirable. Preliminary research in the poems included in Ges. W. VIII ( = Gedichte I) and covering the period from 1913 to 1933 but excluding Lieder Gedichte Chöre (included in X 425—488) had to consider that around 17 poems would seem to thematically relate to America either completely or predominantly, with around 13 relating at least in part. The AngloAmerican world as a whole occurs in around 3 poems. Poems connected with Britain and what then was the British Empire number around 10. Inter-continental relations figure in around 6 poems. Poems using Anglicisms, Briticisms and/or Americanisms incidentally, that is to say, without reference to the four areas mentioned, number around 32. Taking in both words and names, Anglicisms, i. e. borrowings of items common to Britain and America, and, mostly to the Englishspeaking world as a whole, number around 212 (transfers: 168; loan translations and renditions: 21; loan blends: 23). Briticisms amount to 9 (transfers: 6; loan translations and renditions: 1; loan blends: 2). Americanisms yield 71 items (60 : 10 : 1). Figures are approximative only.

30

Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny. Versuche, Η. 12, Berlin 1953, 144. Repr. of the whole essay in Ges. W. 395—403. Nachtrag, ib. 403 f.

J1

XIX

516

Hans Galinsky

Brecht really is, has been debated frequently. It may receive at least a partial answer from studying the ways one essential element of this America, American speech, is handled. One trend which its treatment follows in such plays as Im Dickicb* der Städte (,Ιη the Jungle of Cities') and Die heilige Johanna der Schlachthöfe (,Saint Joan of the Stockyards') is obvious at once. As it did in Das Lied der Eisenbahntruppe von Fort Donald and in Kohlen für Mike, it conveys Americanness of setting first of all by names. Their range has become more extensive. It now takes in names of streets, buildings, newspapers and cocktails in addition to such already familiar items as names of states, lakes and places. Lexical borrowings like the boss and the sheriff, and, of course, popular curse words are not missing either. All this is usual, and usual too is the alternation between outright transfer of some American names (Westinghouse Building, 6, Mulberry Street)32, and the translation of others, e. g. die Chicagoer Tribüne, rendering ,Chicago Tribune' for the benefit of German monolingual playgoers 33 . Any author, any travelbook writer, when dealing with foreign settings, will stick to this middle-of-the-road policy. Limited and familiar as this handling of toponyms may be, it can be put to effective uses. Fontane's line Von Detroit fliegt sie nach Buffalo was meant to indicate the spaciousness of Lake Erie, mentioning as it did points of extreme distance. With Brecht the same device develops from suggesting the spaciousness of a lake to conveying the spaciousness of a continent. With both authors the space sense of the reader or listener is mobilized in the literal sense of the word in that things in motion, products of transportation technology, are presented to the imagination. Fontane made use of the steamboat (Die »Schwalbe« fliegt über den Erie-See), Brecht the dramatist can appeal to both the senses and the imagination of theatergoers by reproducing the rumble of trains. Oben Zugrollen Das ist der Pazifik. sein wollen?

New York! — Wird er

halsstarrig

The stage direction and the dialog passage are taken from the ,Quarry' scene Im Steinbruch, the second scene of Brecht's first Chicago play Im Dickicht (1922), the forerunner of Im Dickicht der Städte (1927) 3 4 . On the level of setting, the toponyms are suggestive of the total expanse of the United States, with Chicago standing for the Middle West, with the Pacific and New York representing the West and East coasts of a country spanning a continent. A facet of American empiric reality, Chicago's importance as a

32

33 34

Die heilige Johanna der Schlachthöfe, ed. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 3 1968, 9 7 ; Im Dickicht der Städte, in: Bertolt Brecht: Frühe Stücke, dtv ed., München 1962, 195. Die heilige Johanna 11. Im Dickicht, in: Im Dickicht der Städte, Erstfassung und Materialien, ed. Gisela E. Bahr, ed. suhrkamp, Frankfurt a. M. 1968, 23.

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517

railroad center, the city in which the New York Central a n d the Union Pacific meet, has not been lost sight of by Brecht's imagination at w o r k . O n the level of figures a n d their psychology the lure of distance promising freedom to young George G a r g a is set against the ,Halsstarrigkeit' of his enemy sticking t o Chicago, the place of his commercial rise. So f a r a novel use of an old device, foreign toponyms, has come u p for discussion of Brecht the p l a y w r i g h t . But there is no lack of new devices. O n e of them is the use of phonetic a n d morphological phenomena t h a t are American not b y origin but b y more frequent occurrence in common speech. T h e cast of Im Dickicht includes a figure called M a n k y b o d d l e . It is the second rather t h a n the first constituent of the name t h a t merits attention for phonetic a n d morphological reasons. The first simply preserves the English spelling, excepting t h a t of the t w o vowels; / a / (M a nky) reflects the common G e r m a n substitution of [ a ] for [A], while [y] (Man k y) simplifies the English spelling [-e γ J of Monkey. The second constituent (-boddle) reveals a trend t o w a r d blending, a t y p e of w o r d f o r m a t i o n particularly p o p u l a r w i t h American English; -boddle w o u l d seem to blend ,body' and ,boddle', the latter rendering the typical pronunciation of ,bottle' in the American vernacular. Semantically, the blend suggests an .Affenmensch mit H a n g zur Flasche', an interpretation supported by a later scene (Im Rupfen: Schnapssalon in der Kohlenbar. . . rechts sitzt trinkend Manky)z5. For its creation the blend depended on Brecht's awareness of [ t ] being devoiced to [ d ] when functioning as initial consonant of an unstressed syllable in American English. ,Buddel' might have served as a helpful reminder of a L o w - G e r m a n cognate 3 6 . Phonetic, graphic, semantic a n d morphological aspects unite at this point. O n l y the morphological one is involved in the following features. Brecht the p l a y w r i g h t incorporates into his stage dialog three preferences which are even more characteristic of American t h a n British English: (1) f o r brief agent nouns in -er ( M a u l e r , Examiner, Lyncher)31 (2) f o r reduplicated coinages of the ga-ga type 3 8 , (3) for clipped first names of persons. A m o n g examples of the last category ]oe for John is a transfer 3 9 , whereas Ma for Marie and Pav for Pavian (,baboon' in English) are Brecht-made clippings modeled on American usages 40 . Even G e r m a n syntax acquires an American coloring. Wir sind aus, echoing ,We are out', occurs in Die heilige Johanna der Schlachthöfe41. ,Es ist aus mit uns' w o u l d be n o r m a l German. Admittedly, the same idiom shows u p in

35 36 37 38 39 40 41

lb. 45. For its use by Brecht cf. mit einer Buddel / Grünem Schnaps in his poem Uber den Schnapsgenuß in: Ges. W. VIII 63. Die heilige Johanna 6; Im Dickicht der Städte, in: Frühe Stücke 267; ib. 268. Of plays composed or at least completed in the United States, Der gute Mensch von Sezuan includes gaga, the German transfer of an American Gallicism. Stücke für das Theater am Schiffbauerdamm, Berlin 1955, I 181. Im Dickicht der Städte, in: Frühe Stücke 222, 55. Die heilige Johanna 49: Mauler, dann sind wir aus; cf. 24.

518

Hans Galinsky

German children's games, yet there is no reference made to them in that particular scene. Such syntactic traits as the frequent use of the ,tun + verb' construction in the speech of Moti Gui, a clerk {Im Dickicht), rank only as doubtful specimens of Anglo-American interference 42 . The construction is by no means foreign to German social dialects. Even an affirmation tag like Ich bin sicher persisting from Im Dickicht to Der gute Mensch von Sezuan, a play composed or at least completed in the United States, cannot, with absolute certainty, be pinned down to ,1 am sure* for source 43 . The existence of two book versions of Brecht's first Chicago play, the earlier version available in two, Munich and Berlin, stage versions, enables us to examine whether Americanisms and/or Anglicisms increase or decrease in the process of revision. As for names of figures it is interesting to note that Anglicisation progresses, and this along two lines. East Asian exotism as suggested by Moti Gui is thoroughly anglicised, the clerk returning as Skinny. French or American-French flavor imparted by the name, though already hybrid, of Jane Montpassier was eliminated as well, Jane Larry being the result. Thus the inter-continental character of the play, raising the Chicago of Im Dickicht to a meeting ground and boxing ring of American natives, Asian immigrants and European immigrants (or American-French in-migrants) is toned down in the later version. Americanization has become more distinct, reducing the implicitly inter-continental features to the explicitly interethnic ones. The increasingly Anglo-American trend of revision asserts itself in other light touches. Figures that formerly went by animal names only, e. g. Der Pavian or Der Wurm, reappear as Collie Couch, genannt der Pavian and /. Finnay, genannt der Wurm. The trend incurs a minor setback, though. A realistic detail, the rank of Major assigned to the Salvation Army officer, disappears. Ein Geistlicher takes the major's place. On the inter-continental level of the play empirical reality can be seen to shrink in a similar detail. In the opening, lending-library, scene of Im Dickicht Cooks Reisebesdoreibungen are expressly mentioned 44 . Its Pacific, especially Tahiti, associations prepare for the Tahiti motif which, varying with two American motifs of escape (the South and San Francisco), permeates the whole play. Im Dickicht der Städte, however, only Reisebeschreibungen remain. The explicit reference to James Cook, and with it the foreshadowing of the Tahiti motif, are lost 45 . On the whole, however, the 1927 revision substitutes or introduces afresh American or Anglo-American features. The queer use enjoyed by British currency terms 42 43 41

45

Im Dickicht 13 f., 16, 19. Der gute Mensch von Sezuan, in: Spectaculum, Frankfurt a. M . 1956, I 40. F o r the background of the Garga family cf. Im Dickicht 9 (einer eingewanderten Familie französischer Abkunft), 15 (Ihre Familie, die aus dem flachen Lande kam...), 28 (Wir sind im flachen Lande aufgewachsen), 39 (Wir sind im flachen Land daheim gewesen), 50 (Wir sind in eine Stadt verschlagen mit den Gesichtern des flachen Landes), 61 (Marie Garga, geboren... auf dem Flachland), 89 (Die Mutter, Mae Garga, geboren 1872 in den Südstaaten), 99 (Ihre gesamte Familie aus den Alleghani-Gebirgen, dreiköpfig, im flachen Land aufgeopfert.. .). Im Dickicht 13; cf. Im Dickicht der Städte, in: Frühe Stücke 195.

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like pound, shilling and pence along with the dollar in Mr. Maynes' Chicago lending library now gives way to the uniform rule of dollar and cent. Young Garga's sumup on Chicago scenery Grau. Wolken. Staub is replaced by realistic Vierundneunzig Grad im Schatten4β. On the surface all this looks like our old friend, the local or rather national color realism conveyed by American, common English, and, occasionally, British borrowings in Bredit's poetry. Suspicion is aroused, however, by the observation that at the same time American English serves Brecht as a delightful reservoir not only of really existing names but also of highly suggestive materials for the creative imagination to play with. This borderland between American empiric reality and German literary fancy is entered via concocted proper names rich in associations. Although, perhaps, harking back to the Manke brothers of Trommeln in der Nacht, to Piccadillybarmanke blending British, common English, and North German elements, and to Zibebenmanke combining North and South German ingredients, Brecht's Mankyboddle (Im Dickicht) is easily associated with the body of a monkey. Bulltrotter, ein Zeitungskolporteur (Trommeln in der Nacht), apparently a blend of ,bullc and ,globetrotter' or, more probably, an analogous formation on the model of popular ,fox trot' plus -er suffix 47 , foreshadows the animal kingdom to come in the theatrical world of Brecht's making. In Die heilige Johanna der Schlachthöfe Mauler, the Chicago meat king, obviously invites association with an animal ,mauling' another. Characters such as the Chicago Malay Shi ink, spelled with an initial shl, or Gloomb, a workman, spelled with a final mb, suggest slink and gloom, but are not authentically American 48 . The associational power of American words, which Brecht the poet tapped rarely and late, as in der schwarze Marketier of the 1947 poem, is given full play in fairly early dramas like Im Dickicht, Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny and Die heilige Johanna der Schlachthöfe. Such is the language of that no man's land, call it Poet's land, situated somewhere midway between America and Germany. Verfremdung ^alienation') was the name which Brecht, a decade later, in 1936, was to give to the poetic technique of which his dramatic treatment of Anglo-American speech items forms a part 49 . It stands to reason whether the wish to alienate or the desire to exploit the metaphorical nature of American names, especially nicknames, is the stronger motive behind such Brechtian coinages as / . Finnay, Collie Couth or Pat Mankyboddle (Im Dickicht; Pat Manky in Im Dickicht der Städte) for proper names. Names for animals or for attributes of animals predominate, and this not by mere chance. Together with many animal images they point up the brutalization of human life in the .jungle of cities'. A final aspect of Brecht's handling of American-English elements once again concerns tone and brevity combined. This time, however, it is not the 46 47 48 49

Im Dickicht 15; cf. Im Dickicht der Städte, ib. 199. Frühe Studie 112. Im Dickicht; Die heilige Johanna der Scblachthöfe. For its clearest definition cf. Ges. W. XVI 553.

520

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tone of mockery or sneer or outright contempt as in the political poems of 1930 and 1947, but the profounder tone of the shockingly grotesque, nay, even macabre. Death enters the scene or rather the ring, and a man's end is stated twice, the second time in terms of clipped boxing lingo. The following passage is taken from the opera Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (II 540): Joe sinkt zu Boden. Schiedsrichter: Der Mann ist tot. Großes anhaltendes Gelächter. Die Menge verläuft sich. Die Männer im Abgehen: K. o. ist k. o. Er vertrug nichts Saures. N o t a full word, merely a clipping is borrowed. So little suffices to articulate one's responses to a fellow-being's death. A clipped life is matched by a clipped word. In my opinion this is the climax in Brecht's dramatic art of using American English for stylistic purposes. It was readied around 1928—29, about thirteen years before he came to stay in America as a refugee 50 . II 6 Comparing the Americanisms in his plays to those in his poems, we naturally find their larger number in the plays. Also the variety of linguistic types of borrowing is larger on the dramatic side. The difference is not exclusively a matter of quantity, but also of intensity. Combining terseness of expression with variety of tone and richness of connotation is considerably more intense in the plays. In point of quality it is only the plays that profit from the sensuous, metaphorical, nature of American English and put American elements to excellent use in the game of alienation. It is a game played for the higher glory of modern drama as parable of the human condition in the 20th century. The linguistic contribution to this game was considerably more frequent and more competent before, and not after, Brecht's imagination came into contact with the American reality of life and speech. It is in the plays that the spectator or the reader comes across specimens of a lyrical-narrative form type, the Song, that are uniformly written in 50

The oratorio-type Der Ozeanflug, Kurt Weill, Happy End — Komödie mit Musik in 3 Akten von Dorothy Lane, Texte von Bertolt Brecht, and Der unaufhaltsame Aufstieg des Arturo Vi might deserve a special study in the use and non-use of Americanisms. So might three dramatic fragments with American settings, Joe Fleischhacker in Chikago, Dan Drew oder die Eriebahn, and Der Brotladen. Cf. Ernst Schumacher: Die dramatischen Versuche Bertolt Brechts 1918—1933, Berlin 1955. For other aspects of Brecht's relations with America, esp. his image of American life and his knowledge and use of American and German-American literature, cf. Hans Galinsky: Amerik.-dt. Sprach- und Lit.beziehungen 28, 29, 42, 51, 57, 63, 68—72, 85, 102, and the bibliographical survey on p. 192 f. Add Helfried W. Seliger: Das Amerikabild Bertolt Brechts, Bonn 1974.

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English 51 . The Benares Song and the Alabama-Song have become known all over the world. The playgoer should not forget, though, that they were published first as parts of Bertolt Brechts Hauspostille. Their earliest forerunner among the works selected for this essay was Johnny über der See. Though not written in English, it proved to be based on My Bonnie is over the ocean, My Bonnie is over the sea. The Song linking Brecht the dramatic user of American and world-wide English speech elements with Brecht the young experimenter on the poetic uses of foreign borrowings has taken us back to where we came f r o m : Das Lied der Eisenbahntruppe von Fort Donald.

III With Gottfried Benn we go behind Brecht and reach back into the preWorld W a r I period. Consequently we shall have to expect a ground layer of British English, with American English gradually being added during the first t w o main waves of American influence, the 1920's and the time f r o m the late 1940's through the early 1950's. Since Benn's mother Caroline Jequier was Franco-Swiss, and the son knew French poetry, particularly of the 19th century, much better than British or American poetry, we would anticipate that the Gallicisms in his work surpass the Americanisms by far. But just the reverse happens. It is only in rhyming position that borrowings f r o m French outweigh those f r o m English. In one case the French 19th century symbolists even served as mediators between Benn and American poetry. They showed him the way to Edgar Allan Poe, their American father. Thus an Americanism not by origin, but by the artistic accomplishment of use, Poe's famous nevermore, came to be integrated into the rhyme scheme of three Benn poems. I am selecting two of them, first Spuk (1922) 52 (III 64 f.): Spuk. Alle Skalen toset die Seele bei Nacht, Griff und Kuß und die fahlen Fratzen, wenn man erwacht. Bruch, und ach deine Züge alle funkelnd von Flor, Marechal Niel der Lüge — never-, ο nevermore. The second example (publ. in 1933), one of the preliminary studies for the oratorio Das Unaufhörliche (publ. in 1931), integrates nevermore into

51

52

H e i n z Kunert: Zur Rolle des Songs im Werk von Bertolt Brecht, NDL 11.1 (1963), 77 f. References are to Gottfried Benn: Ges. W. in vier Bin., ed. Dieter Wellershoff, Wiesbaden 1959—1963. Volume and page numbers are given in the text. For change of title cf. Ges. W. I l l 545.

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three farewell formulas of the Western world, German, English, Italian. The pronunciation of nevermore now becomes partly Germanized 53 (III 149 f.): Lebe wohl Lebe wohl farewell, und nevermore —: aller Sprachen Schmerz- und Schattenlaut sind dem Herzen, sind dem Ohre unaufhörlich tief vertraut. Lebe wohl, good bye, felice notte und was sonst noch heißt, daß es nicht bleibt, alles Ruf vom unbekannten Gotte, der uns unaufhörlich treibt. To Benn foreign borrowings are important inasmuch as they extend the scope of rhyme and create new esthetic effects. In this respect Benn is quite dissimilar from Brecht. What feast for the sensitive ears new rhyming words adopted from English have meant to Benn, can be gathered from the following lines taken from different poems. I am quoting an early piece first. Its date is 192654 (III 92 f.): er stieg mit festen Schritten in seinen Sleeping-car und schon war er inmitten von Rom und Sansibar. A later, post-1945, example was published in 195355 (III 284): Berlin in Klammern und Banden, sechs Meilen eng die Town und keine Klipper landen, wenn so die Nebel braun. N o particular tone emanates from the foreign words as such, although they are fitted into larger wholes which are quite different as to tone. The 53

54 55

The third cause of Benn's use of nevermore occurs in his poem Bolschewik (Ges. W. III 51), first publ. in 1922 (cf. ib. 536, 543). As early as here the nexus good bye — nevermore makes its appearance. The nexus is given prominence by diagonal arrangement. Cf. first word of stanza 4 and last word of stanza 5. Its title is Fürst Kraft. The poem is entitled Bar.

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mildly comic nonchalance of the cosmopolitan traveler prevails in the former poem. The latter conveys the depressing isolation of West Berlin with its precarious dependence on its airlines as life lines. In this second example it is not only the unusual rhyming effect of English town and German braun, but also Berlin color, Berlin reality, furnished by the borrowed Klipper that determines the choice of this very word. Klipper recalls and symbolizes the American protection given the Western part of the city during the months of the .blockade'. A good many American or generally English words which Benn took over either as rhymes or within the line have one feature in common: brevity. It is not the early but the mature poet who begins to sense this stylistic value of transfers, particularly when he can make them reverberate against a German context rich in polysyllabic compounds. A stanza of the poem Zerstörungen (first publ. in 1951) will illustrate this point. A professional recitationist would excel in conveying this contrast running through the syllabic, hence prosodic, patterning (III 335): Zerstörungen — ο graues Siebenschläferwort mit Wolken, Schauern, Laubverdunkeltheiten, gesichert für lange Zeit — wo Sommer sein sollte mit Fruchtgetränken, Eisbechern, beschlagenen, und Partys zu heller Nacht am Strande. Short, disyllabic Partys is played against sudi polysyllabic coinages as Siebenschläferwort, Laubverdunkeltheiten, and Fruchtgetränken. One could sort out a whole group of similar brief terms as Partys, brief in this case meaning not absolute brevity, but brevity relative to German semantic equivalents. Party, sex-appeal, clinch, gang, and k. o., recalling its use in Brecht's opera Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, would sit in the front rows of Benn's delightful lexical assembly. K. o. marks the point where lexical brevity is due to morphological type. Benn got hold of yet another kind of morphological conciseness in modern American English, the so-called initial letter compound. One of them, radar, an internationally accepted Americanism, became the title of one of Benn's late poems56. When re-reading the enumeration of some of Brecht's lexical borrowings quoted above, a list including those five words party, sex-appeal, clinch, gang, k. o., one may sense at work a principle additional to that of brevity. As to their sphere of reference, all of these words point bade to a society presented as a network of human routine relations or resembling the aggressiveness of a boxing matdi or suggesting an underworld of gangsterdom. 58

Ges. Ψ. III 448. Date uncertain. Cf. I l l 591.

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Hans Galinsky

While we were watching the attractiveness of Anglo-American brevity in operation, the gulf, created between Brecht and Benn by the latter's esthetic appreciation of certain American rhyming effects, may have appeared less wide. When re-examining the semantic content of those Anglo-Americanisms taken over for their brevity, we shall have found the gulf shrinking still further. In both, Brecht and Benn selection of borrowings combines brevity with tone, that is to say, critical tone. With Brecht this critical function of Anglo-American linguistic interference had been active in the 1920's already, with Benn it does not come to the fore until the late 1940's and the 1950's. There are some slight indications of its existence in the 1920's, though (III 102)«: Es ist in Sommertagen ein Glück in jedem Mund, man fährt im Buickwagen

nur einer schweigt im betäubten Wissen von ihrem Irrn. The America-imported ,car', the blend of Buick with the German rendition of car as -wagen, symbolizes the deceptive luxury of the ,Golden Twenties' between 1924, the first year after the German currency reform, and 1930, the beginning of the German repercussions of the American ,Depression'. As with Brecht, it is Americanized Germany that has become Benn's target. Once again the mixture of cultures is represented by the mixing of languages. Americanisms in the language reflect Americanization of the culture. The device is applied more fully after 1945. In a poem written in 1953, a piece with the telling title Bar, this mingling is described on the level of cheap eroticism, chiefly in the form of an American-German sexy song inserted in the poem (III 284) 58 : Flieder in langen Vasen, Ampeln, gedämpftes Licht und die Amis rasen, wenn die Sängerin spricht: Because of you (ich denke) romance had its start (ich dein) because of you (ich lenke zu dir und du bist mein).

"

58

Einzelheiten (1925). The typescript is dated 13/1 53.

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In a poem published in 1950 the critical function of Anglo-American adoptions has its area of operation extended from Germany to the whole Western world. German, French, Italian, Dutch, American transfers, recalling the American, British and French transfers in Brecht's 1947 poem Der anachronistische "Lug oder Freiheit und Democracy, serve as indicators of a presumably all-Western phenomenon, a sense of emptiness. The transfers are in part assimilated to the German inflectional and the French phonemic system (III 327) 59 : Bahnhofstraßen und Ruen, Boulevards, Lidos, Laan — Selbst auf den Fifth Avenuen fällt Sie die Leere an — In yet another poem critical tone by means of linguistic borrowing seems to aim at America, but this time America is in reality merely a prototype of the whole West. Poignantly similar to Brecht's Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny the poem introduces the motif of death in the tone of the grotesque. The scene shifts from Klondike-like Mahagonny City to Benn's Los Angeles. The public death of a boxer changes into the funeral of Hearst, the press tycoon, and publicity is provided as well, this time by T V and its agent, the telecamera, or, less likely, by telescopic camera (III 332) 60 : Little old lady — in a big red room little old lady — summt Marion Davies, während Hearst, ihr Freund seit dreißig Jahren, in schwerem Kupfersarg unter dem Schutz einer starken Eskorte und gefolgt von zweiundzwanzig Limousinen vor dem Marmormausoleum eintrifft, leise surren die Fernkameras. Berlin city dialect and medical jargon had helped younger Benn to alienate and, with it, render more poignant his vision of a glamor world rotten underneath. The older poet has come to grasp the alienating potentialities of borrowings, mainly outright transfers, from English. The ,montage' of American songs experimented on by young Brecht and refined by the mature craftsman returns with Benn in this poem published in 1951. As so often in European literary myths of America, the vision of corruption lives side by side with the evangel of hope. Benn's articulation of the latter adopts terms from music and the dance. The Apollonian critic turning Dionysian discovers the noble primitive in the shape of the American Negro. Jazz, Swing, Negerspirituals, Boogie-Woogie, Jitterbug form the core vocabulary of Reisen, first publ. Dec 23, 1950. ·» Spät IV. 59

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this category of Americanisms in Benn's poetry 61 . Readers of his essays will remember how profoundly touched he was by an All-Negro movie, shown in Berlin, and displaying scenes of religious ecstasy62. The orgiastic as archetypal is praised in the following lines (III 185)63: Die Welten trinken und tränken sich Rausch zu neuem Raum

Komm — laß sie sinken und steigen, die Zyklen brechen hervor: uralte Sphinxe, Geigen und von Babylon ein Tor, ein Jazz vom Rio del Grande, ein Swing und ein Gebet — an sinkenden Feuern, vom Rande, wo alles zu Asche verweht. The placement of lexical Americanisms at or near the beginning of the line and the assignment of a toponym (Rio Grande turned into Rio del Grande) to last place and pre-pause position follow strategies adopted by Brecht as well. The sensitive craftsman, the sober portray er, the critic, the believer: the many-faceted picture of Benn the poet was brought home to us in the mirror of his Americanisms and Anglicisms. They are the more impressive as the son of Caroline Jequier had but a smattering of English, which he never learned properly, much to his regret in later years. It was the language whose American speech area he had come to know but briefly during a short leave from aboard the ship on which he served as the ship's doctor. Der dichtet wie vor hundert Jahren, kein Krieg, kein Planck, kein USA. These objections of ,the young people', which Benn articulated in the poem Den jungen Leuten (publ. in 1953, III 456)64, are refuted by the present study — in full appreciation of Benn's sense of humor. — Both, distance from, and closeness to, Brecht have become apparent 65 . 61

62 63 64 65

Ges. W. I l l 185: Quartär II (typescript dated 1946, first publ. 1948); III 243: Du übersiehst dich nicht mehr — (first publ. 1951); III 246: Fragmente (first publ. 1951); III 314: Nur noch flüchtig alles (first publ. 1951); III 332: Spät IV (first publ. 1951). Ges. W. I 332: Provoziertes Leben. Quartär I und II. Typescript dated 23 X 46. Typescript dated 29/12 52. For Benn's experience and image of America, his knowledge of, and attitude toward, American literature, his use of Americanisms and Anglicisms, and scholarly interest in his borrowings from foreign languages cf. Galinsky: Amerik.-dt.

American English in Modern German Drama and Poetry

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IV With Ingeborg Bachmann the poet as writer of radio plays takes over and brings our survey to its close. Heavily relying on previous research o f m y own, I would only like to illustrate how the radio play makes it possible to test the German stylistic potentialities of Americanisms at an extreme point, e. g. in a form depending exclusively on human voices, on various sounds and noises, and on music. Der gute Gott von Manhattan was broadcast in 1958 f o r the first time®6. Its N e w Y o r k setting can be gathered from the title. I t draws on impressions collected by its author during a visit to the United States. Some of the figures of the play are American, one is European. Others such as the ,good god' or the .squirrels' are metaphysical powers or their agents. In radio drama it is primarily not the setting but the characters whose reality has to be conveyed and made plausible to the listener. I n Miss Bachmann's play this is effected by light touches of American color provided by Americanized German. The reader rather than the listener will gradually realize their subtle distribution across the whole play. Its dramatic conflict might be defined as fate-determined love vs. the ego. O n the whole, the speech o f the European visitor, whose name ]an suggests a Dutchman, a Flemish-speaking Belgian or a N o r t h German, adjusts much less to English than Jennifer, the American college girl, does to non-native speech. I t is the stylistic triumph of the play that the linguistic behavior of heroine and hero clearly correspond to their different adaptability in love. With Brecht and Benn, the men-writers, American-German blends, juxtapositions or contrasts symbolized American-German cultural relations, mainly o f the imitative sort. With Bachmann, the woman-writer, the beautifully timed moments of one language reaching out to another symbolize the reaching out of the two young people to one another in love. O n thei European visitor's part love, at the end, proves unable to make him break away from a life of routine. The American girl, in her turn, becomes the victim of a bomb laid by fate alias the Good G o d of Manhattan. Naturally, even in this tragic framework the function o f impressing American atmosphere on the German listener's mind will be basic to the Americanisms o f the play. Hence the Boston University background o f the woman student, the N e w Y o r k subway system, Greenwich Village, a hotel room up on the 57th floor, a barroom, an office in a courthouse, all o f these facets of the American setting are suggested on various levels o f linguistic interference. T h e lowest, so-called zero influence, is represented by Jennifer talking about a Tanzfest in der Universität*1. A t this point ,Party', one of the most popular transfers from English, a transfer we have come across in

66 87

Sprach- und Lit.beziehungen 28, 29, 43, 51, 195. Gerhild Wahl's pilot study stands in need of expansion. So does P.B.Wessels: Sprachzertrümmerung und Sprachschöpfung in der Lyrik Gottfried Benns, in: ZDPh 87 (1968), 457—469. Munich '1958; quotations are from the 1960 ed. Op. cit. 15.

528

Hans Galinsky

Benn's poetry, is evaded. Medium-strength interference enters with Barmädchenβ8. It seems to be deliberately modeled on ,barmaid'. It is closer to the foreign setting than normal German Barfräulein or Bardame. Maximal interference is exemplified by the transfer of Cafeteria and Village, a clipping standing for Greenwich Village 69 . One must admit, though, that owing to the popularity which .Cafeteria' has aquired during the last years its use will surely have much milder effects on the listener or reader of 1973 than it had in 1958. All of these lexical borrowings hardly amount to a dozen. Arranged according to spheres of reference, they pertain to eating and drinking places {Barmädchen, Cafeteria), to Manhattan streets and neighborhoods (Block70, Village), and ironically sentimental love ( k ü ß t mich zur guten Nacht rendering ,kisses me good night' 71 ). Linguistic interference, as little as it did in Brecht's plays and Benn's poetry, stops short of death. Miss Bachmann's radio play presents death as grotesquely manipulated by funeral directors, with German Trauerhäuser reproducing American .funeral homes 72 . In this way the native term undergoes an extension of meaning that many Germans will not grasp at first hearing. Nature comfortably manipulated by technology (Luftmaschine trying to render American English ,air conditioner'), and life as a whole manipulated by a sense of stoical humor (Grins und ertrag es translating ,grin and bear it' 73 ) furnish the widest spheres of reference which Miss Bachmann's Americanisms point to. With admirable economy, borrowings have been made use of to subtly communicate a poet's sense of the Americanness of setting, characters and atmosphere. A final example is meant to illustrate the operation not of a specific Americanism but a general Anglicism in the radio play. The Good God of Manhattan says 74 : Die Rhapsoden in den großen Druckereien griffen in die Setzmaschinen, kündeten die Geschehnisse und annoncierten Künftiges. The collocation of kündeten und annoncierten discloses a fairly hidden case of stylistic motivation for language borrowing: the wish to vary expression. Normally French-borrowed German .annoncieren' means .advertize'. In the radio play, however, annoncierten renders English ,announced', its cognate. The journalistic flavor of the phrase annoncierten Künftiges intensifies the tone of irony emerging from the stylistic contrast of Greek-borrowed Rhapsoden, technical German Setzmaschinen and solemn German kündeten. Two stylistic uses of linguistic interference, the one facilitating variation of expression, the other conveying tone, have coalesced. The use of German cognates and their semantic extensions, a theme sounded for the first time in our discussion of Brecht's poetry, recurs in our analysis of Miss Bachmann's radio play 75 .

ββ 69 70 71 72 73 74

Op. Op. Op. Op. Op. Op. Op.

cit. cit. cit. cit. cit. cit. cit.

36. 31, 32, 37, 45. 83. 23. 31. 34, 76. 31.

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V What will the kinds and uses of American English be in these three periods? Will there be extreme fluctuations dictated by individual temperament or will basic agreement prevail? Raised at the beginning of this essay, both questions can at this point be answered very briefly. With all of our three B's, Brecht, Benn and Bachmann, the American vocabulary, not infrequently combined with the general English vocabulary, was the richest mine of exploitation. Transfer of toponyms proved to be popular. Morphology was made most use of by Brecht, with Benn coming in a fair second. American syntactic features did not show up. It was the syntax of common English that Brecht, and he alone, took over sparingly. Final proof is still lacking, though. The same applies to the only case of phonetic interference that we came across in the plays of Brecht. As regards the esthetic functions of these adoptions, two would always recur: the functions of providing American color, mainly of settings, and of conveying tone, chiefly comic. Beyond that differences would emerge. To Benn, the sensitive craftsman, the artist of the auditory type, the rhymeenhancing qualities of English were most attractive. With Brecht, the economic and political implications of comical tone, largely of the sarcastic sort, mattered greatly. Admittedly, this essay confined itself to selected borrowings of a few selected 20th century authors. Yet they are by no means unique users of German literary borrowings from American English. Thomas Mann, Frisch, Johnson, and Artmann have already been mentioned at the outset to throw into relief the German, Swiss and Austrian dimensions of this stylistic phenomenon. Other names could at once be added to this list, which, by the way, would have to include Kafka and the fragment Max Brod has entitled Amerika. Moreover, it would take in many contemporaries like Hilde Domin, Marianne Eichholz, Friederike Mayröcker, and Christa Reinig, Wolf Biermann, Hans Magnus Enzensberger, Rudolf Hagelstange, Walter Höllerer, Ernst Jandl, Günter Kunert, Peter Rühmkorf, Wolfdietrich Schnurre, and many more. A bilingual French-German poet such as the late Ivan Göll is no mean example of American linguistic interference and its stylistic uses either. All of these writers reveal basically the same attitude. To them American English is not a fashionable toy, something to show off with. Rather is it a new linguistic tool to be handled with care, to be saved up for particular stylistic effects, a device to present, criticize and illuminate 20th century reality. Considered in this context, the way our three poets and drama75

Interest in the American and world-wide English ingredients of Ingeborg Badimann's style seems to be rare with scholars and critics. Cf. Werner Weber: Der gute Gott von Manhattan, in: Ingeborg Bachmann — Eine Einführung, Munich 1968. Her narrative work, e.g. Das dreißigste Jahr, in: Ingeborg Bachmann: Gedichte, Erzählungen, Hörspiele, Essays, Munich 1964, 67—100, esp. the international farewell formula recalling Benn's, op. cit. 94, and the essay Die blinden Passagiere, op. cit. 252—261, reminiscent as they are of Frisch's Zürich-Transit, would repay closer study.

H a n s Galinsky

530

tists w e r e seen t o p r a c t i s e l i n g u i s t i c b o r r o w i n g as a f i n e a r t m i g h t c o n t r i b u t e t o a p r o f o u n d e r u n d e r s t a n d i n g of b i - n a t i o n a l a n d m u l t i - n a t i o n a l l i t e r a r y r e l a t i o n s . I t m i g h t s e r v e as a t i m e l y r e m i n d e r of t h e o l d t r u t h t h a t t h e y r i g h t f u l l y i n c l u d e ,national mirages' and, o f t e n u n d e r l y i n g them, linguistic relations a n d stylistic

uses. A m e r i c a n - G e r m a n

currents

and

cross-currents,

both

their

literary

a n d linguistic, d e s e r v e t o r a n k a m o n g t h e s u b j e c t s r e c e i v i n g c o n s t a n t a t t e n t i o n of A m e r i c a n a n d G e r m a n c o m p a r a t i s t s . T h e choice of s u b j e c t f o r t h e p r e s e n t contribution w a s geared to this need76.

76

Scholars interested in the study of stylistic functions of linguistic borrowings will profitably consult H a n s Bachmann: Das engl. Sprachgut in den Romanen Jules Vernes, Greifswald Univ. diss. 1916; Siegfried Bork: Mißbrauch der Sprache: Tendenzen nat.sozialistischer Sprachregelung, Munich/Berne 1970 (of special interest is the last section entitled „Heterogene Stilelcmente: Slang — F r e m d w ö r t e r " ) ; H a n s Bungert: Zum Einfluß des Engl, auf die dt. Sprache seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in: JEGP 62 (1963), 703—717; Erik Eremätsä: Engl. Lehnprägungen in der dt. Empfindsamkeit des 18. Jh., in: Ann. Ac. Scientiarum Fennicae, 5er. B, T. 98, 1, Helsinki 1956: H e i n z Fischer: Sprachliche Tendenzen bei Heinrich Boll und Günter Grass, in: G Q 40 (1967), 372—383, esp. 377; Reinhold G r i m m : Montierte Lyrik, in: Heinz O t t o Burger and Reinhold G r i m m : Evokation und Montage. Drei Beiträge zum Verständnis moderner dt. Lyrik, Göttingen 1961, 44—68, esp. 49—52; Susan H u b b a r d : The Stylistic Function of Americanisms in Modern German Lit., Μ. A. thesis, Univ. of N C a r o l i n a , Chapel Hill 1972; K. Liick: Das franz. Fremdwort bei Oscar Wilde als stilistisches Kunstmittel, Greifswald Univ. diss. 1927; John Crowe Ransom: On Shakespeare's Language, in: Sewanee Rev. (Spring 1947), repr. in: Poems and Essays [Vintage Books, K-24], N Y 1955, 118—134; Leo Spitzer: Sprachmengung als Stilmittel und als Ausdruck der Klangphantasie, in: Stilst., 2. T.: Stilsprachen, Munich 2 1961, 84—124; A n o n y m : Americanization (review of Jürgen Becker: Bilder, Häuser, Hausfreunde), in: TLS 1970,9; Stephen U l i m a n n : Les anglicismes dans la poesie de Musset, in: Le Frangais Moderne 17 (1949), 25—32, The Stylistic Role of Anglicisms in Vigny, in: French St. 4 (1950), 1—15, Couleur locale anglaise et theatre frangais, in: Melanges A. Dauzat (1951), 339—350. For the etymological aspects of linguistic interference and its stylistic uses cf. Κ . K. R u t h v e n : The Poet as Etymologist, in: Crit. Qu. 11 (1969), 9—37. As to multilingual problems cf. Leonard Forster: The Poet's Tongues: Multilingualism in Literature, London 1970.

HANS

HINTERHÄUSER

L'ltalia e gli italiani nella letteratura tedesca contemporanea * Nell'introduzione a un'antologia a cura di K . A. Wolken, tratta da opere in prosa e lirica su nuove esperienze romane di scrittori tedeschi, Feditore confessa di aver sperato in origine di poter mettere insieme „prosa critica e lirica critica, ma non le ha potute trovare, non ha trovato

praticamente

nulla . . ." „Aveva sperato che una generazione di scrittori che si sforza cosi energicamente di staccarsi dai suoi predecessori, avrebbe cominciato a negare anche quell'immagine tradizionale di una R o m a festiva e solenne: il poeta tedesco, affascinato dal Sud, sulle orme degli antichi Dei, sulPAppia antica, al Foro, nelle antiche chiese, sopraffatto da profondo rispetto e venerazione . . Pero anche nei piü giovani, Wolken ha ritrovato „quel tono ossequioso ed entusiasta . . . , che da molto tempo distingue l'immagine tedesca di R o m a e che significa non giä una revisione dell'antica immagine, ma piuttosto una sua conferma, pur con mezzi diversi e in forme (neppur sempre) nuove" 1 . Cosi K . A. Wolken, a cui noi replichiamo: tanto giusto e il suo schizzo del vecchio e, come sembra, inestirpabile cliche italiano uscito da penne tedesche a riposo e attive, altrettanto incompleta dev'essere stata la sua ricerca di nuovi motivi italiani nella letteratura tedesca del dopoguerra. II contenuto

della

nostra conferenza sara appunto cio di cui Wolken ha sentito la mancanza ο che non ha potuto trovare: l'illuminazione, assolutamente inedita, in cui appaiono l'ltalia e gPitaliani in alcune opere della letteratura tedesca contemporanea. II che per altro non significa che i vecchi luoghi comuni non s'insinuino di nuovo, entrando magari dalla porta di servizio 2 . Innanzitutto dobbiamo precisare che, se vogliamo essere chiari, siamo costretti a una scelta fra le molte opere in questione. Questa scelta comprende diari, saggi, romanzi. Per lo studioso di letteratura, probabilmente nessuna di queste opere sara nuova: alcune sono state tradotte gia da anni in italiano, e

1

2

Offro all'Illustre Festeggiato il testo di una conferenza, colla quale ho fatto il giro dei Centri di cultura tedesca in Italia — un anno dopo di lui (febbraio 1973), e con un tema che parzialmente proietta il suo nell'etä contemporanea. Blick auf Rom. Neue Variationen über ein altes Thema, hg. ν. Κ. A. Wolken, Gütersloh 1968, 5. Per la storia di questi luoghi comuni v. Horst Rüdiger: Lit. Klischee und lebendige Erfahrung. Über das Bild der Deutschen in der ital. Lit. und des Italieners in dei dt. Lit., Fraternitas, Düsseldorf s. a. — Traduzione italiana di Enzo Calani: I tedeschi nella lett. ital. e gli italiani in quella tedesca. Luoghi comuni ed esperienza vissuta, Assoc. di cultura italo-tedesca, Verona 1972.

532

H a n s Hinterhäuser

tutte in Germania, in Italia quelle tradotte, sono passate attraverso il filtro delle recensioni. Una parte degli autori e nota, se non altro, per nome e, del resto, la maggior parte di essi non si e limitata ad un unico libro a sfondo italiano, ma ne ha scritti parecchi; ed anche cio restera al di fuori delle nostre considerazioni. La nostra conferenza non contiene dunque alcun dato nuovo in se, o, per lo meno, ne contiene pochi; ma presenta ciö che vuole presentare da una prospettiva che, per quanto mi έ dato di sapere, non e stata ancora mai trattata in una visione d'insieme. Quello che per noi significa il presente italo-tedesco, comincia nell'ultima fase, nella fase antifascista della seconda guerra mondiale 3 . E' da questo periodo che prendiamo il nostro primo esempio, un diario italiano del 1943—44 di Gerhard Nebel, intitolato Su terra ausonia4. L'autore έ un professore di ginnasio allora quarantenne che prestava servizio in aviazione, prima come interprete d'inglese, poi d'italiano, e come factotum nelle retrovie. E' filologo classico, conoscitore di Platone ma anche di letteratura moderna, e in quest'ultimo campo έ soprattutto Ernst Jünger che rappresenta per lui, non solo l'autore incondizionatamente venerato, ma anche il suo ideale e la sua guida nelle questioni esistenziali. Spunti jüngeriani sono in Nebel: la predilezione per 1 'elementare, l'antirazionalismo, l'ostilita al progresso, la fede nel ritorno dei miti, le meditazioni sul demone della potenza (lo stato come Leviathan), la concezione della guerra moderna come guerra civile (in cui si pu6 finire nella parte sbagliata, anzi, con una struttura mentale e psichica alia Nebel vi si deve finire) e, alia fine, il dono di avere sogni simbolici e di saperli adeguatamente interpretare. Altre particolaritä, invece, che Nebel attribuisce a se stesso, lo allontanano da Jünger. Cos! per esempio, pretende di essersi smarrito intorno al 1930 nel comunismo; e antimilitarista incondizionato, senza malinconici ricordi di passati eroismi; parla spesso dei suoi istinti anarchici, per cui sente un' af finita con gli italiani; costretto a fare il sol da to, έ deciso ad avere un ruolo a parte usando astuzia e simulazione e scansando ogni responsabilitä. Caratterizza se stesso come uomo del sole e del caldo e si da, ad ogni occasione, a forti libagioni, perche, sostiene, I'ebbrezza mi umanizza (p. 29). Fin qui il nostro diagramma di Nebel, per quanto se ne puo dedurre dall'autoritratto dei suoi diari. Era necessario presentare il tipo Nebel nei suoi contorni essenziali, come introduzione alle osservazioni e ai giudizi che da questa parte si affacceranno. Dietro gli aspetti variopinti del paesaggio italiano, il nostro „promeneur" in divisa scorge sempre e immediatamente l'essenziale. La vista della Piazza 3

4

Dicendo questo, ci si rende improvvisamente conto dell'enorme trasformazione che si έ verificata nei due paesi in quest'ultimo trentennio — trasformazione die sembra respingere buona parte dei fenomeni e delle opinioni di cui in seguito si parlera, in un quasi lontano passato; eppure gli anni 1943/45 f o r m a n o senza dubbio una importante, e comunque la piu recente cesura storica. Auf ausonischer Erde. Ital. Tagebuch 1943/44, W u p p e r t a l 1949. — La traduzione delle citazioni e sempre nostra ed e f f e t t u a t a sui testi originali, anche nei casi in cui esiste un'edizione italiana.

L'ltalia e gli italiani nella letteratura tedesca contemporanea

533

di Spagna lo porta a meditare saW'idea della piazza, un acquedotto sull'idea della pietra, il cipresso viene accoppiato con l'essenza della Toscana e, di conseguenza, degli Etruschi, che, piü di qualsiasi altra razza europea, erano rivolti alia vita ultraterrena. Ma il cipresso, continua, pud venir considerate anche simbolo dell'Italia, se si pensa che questo paese appartiene at morti, i quali sono qui piü veri, piü ,esistenti' dei vivi; che il suo proprio essere si adempie nel passato, nort nel presente, e che non solo straripa di rovine, ma e esso stesso un'unica grande rovina . . . (p. 25). Cosi, dunque, il mito romantico e neoromantico deU'„Italia terra dei morti", continua a vivere intatto e non sottoposto a critica in questo moderno diario. Nelle prime cinquanta pagine, lo scrittore ritorna sempre su questo punto, si vede come dev'essere stato orgoglioso della sua scoperta. Lo sguardo fugace che ho potuto gettare su Pompei, continuava ad operare in me .. . Mi si e presentata come un simbolo dell'Italia, e di colpo ho compreso che la penisola vive metafisicamente di Pompei (p. 30). Ε non soltanto i paesaggi di rovine, ma anche le scene naturali gli confermano l'esattezza del suo giudizio: Anche in questa asprezza desertica (dell'Appennino meridionale) si percepisce la morte sublime che e il destino della penisola . . . (p. 38). Alia fine, cioe dopo un paio di mesi, questa concezione si dinamizza al punto da rifarsi direttamente al culto dei morti e delle tombe, che Barrls aveva preconizzato intorno alia fine dell'ultimo secolo. La tomba come poro verso la trascendenza . . . i morti sono piü vivi di quanta si creda, e indubbiamente riempiono i dintorni delle loro tombe con presenza e movimenti particolari. Cio vale anche per Roma . . . (p. 154). Prendendo conoscenza delle dichiarazioni politiche del diario di Nebel, ci si cliiede se l'autore sia veramente andato in giro per ,,1'Ausonia" con dei fogli cosl pericolosi nello zaino, ο se si sia creato una scrittura segreta, oppure se questi passaggi siano stati redatti solo al momento della pubblicazione nell'anno 1949, cosa questa che, naturalmente, diminuirebbe di molto la loro autenticita. In ogni caso merita di venir ricordata un'osservazione introduttiva sui rapporti italo-tedeschi nell'anno 1943: La propaganda politica non e riuscita a raggiungere una cosa: non ha avvicinato i tedeschi agli italiani e neppure questi a quelli. La politica dell'asse che, su un largo piano di contatti ha avvicinato due nazioni, ha ottenuto I'inaspettato risultato di portare i due popoli a un tale fastidio e disgusto reciproco, come raramente era successo nella storia europea (p. 9). Si puö, dopo tanta letteratura sul Fascismo, scacciare ancora lo sbadiglio di qualcuno leggendo un ritratto di Mussolini? Penso di si, se un tale ritratto έ cosl stravagante come quello die traccia Nebel, dopo la caduta del dittatore: A volte Mussolini mi fa I'impressione di essere stato inventato da Gabriele d'Annunzio, e questo e quanto di peggio si possa dire di una persona. Eppure, piü tardi, si dovra pur riconoscere che questa figura di un ampolloso pseudoRinascimento ha avuto i suoi lati positivi e, per l'ltalia, sotto certi aspetti, fecondi. Penso spesso in questi giorni al tentativo di Sorel di mettere sotto un denominatore comune Lenin e Mussolini, per il fatto che ambedue hanno tentato di europeizzare due popolazioni marginali, cioe di disciplinarle, burocra-

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tizzarle, tecnicizzarle e, in questo campo, Mussolini ha avuto indubbiamente successo . . . Ma poi si legge, rimanendo senza parole: Stendere la vernice della scervellata civilizzazione europea sulle essenziali rovine italiane e trasformare contadini e lazzaroni felici in operai infelici, non e per me un miglioramento, bensi un impoverimento e, dunque, la mia principale obiezione a Mussolini e meno di carattere morale e politico, che di natura estetica. Mi e antipatico, perch? voleva dividere la bellezza dell'Italia in due parti, confinundo I'una nella >ioia dei musei e del monumentale, e costringendo I'altra nella bruttezza della meccanica moderna . . . (p. 61). — Nella letteratura vi sono dei passi che improvvisamente aprono un orizzonte storico, rendendo il lettore consapevole della velocitä di i;n processo storico e del punto in cui egli di voita in volta si trova. II pjsso ora citato e uno di questi: ci da l'inecuivoca consapevolezz? che stiamo vivcndo in un'epoca di apertura sociale. Difticumente oggi qualcuno manifesterebbe un atteggiamento di un cosi cinico egotismo; per lo meno sotto la pressione ,,atmos!~erica" a cui e sottoposto, tenterebbe di motivarlo. Cio che nel diario di Nebel e relativamente attraente, e osservare come l'autore, nel corso dei mesi, si converta in amico dell'Italia (per quanto un tipo come Nebel possa essere amico di qualcuno). Cio spicca soprattutto nelle sue osservazioni sugl'italiani e nelle sue interpretazioni del carattere italiano. Al principio lo irrita, f r a molte altre cose, la paura della popolazione durante gli allarmi aerei; nelle lamentevoli grida di terrore della morte crede di riconoscere un'espressione specifica del carattere nazionale (p. 110). Un'altra volta riflette sulla posizione sociale della donna: le ragazze e le donne italiane (A. D. 1943) gli sembrano bestiole spaventate, tenute in gabbia dai genitori ο dai mariti (p. 127). Si diverte alia vista dei corrazzieri, prigionieri di guerra: Figure alte, ma senza forza: gli uomini alti di una razza piccola sogliono essere fiacchi (p. 168). Pero, a poco a poco, si fanno strada giudizi piu positivi — sempre condizionati dalla particolare facoltä di osservazione e deduzione di Nebel. Ho l'impressione, scrive, che le donne italiane siano, in media, piu diritte e piü proporzionate delle altre donne europee. II compito delle sarte, qui, non e, come altrove, di nascondere, ma di mettere in rilievo (p. 198). Su un tema classico del viaggiatore centro-europeo nel Sud — il tema della sporcizia — Nebel si esprime cosi (si tratta di una strada di un paese abruzzese): Se si vuol dare un giudizio su questo, bisogna pensare che l'uomo e per natura piü sporco della maggior parte dei mammiferi. La pulizia moderna e un prodotto della civilta moderna e percio si trova la, dove si vive delle miniere, dove si costruiscono macchinari e dove si ossequia la magia battericida. L'italiano meridionale non ha partecipato a questi eventi, e rimasto alio stato naturale e percio nella sporcizia (p. 386). Bisogna rammentarsi della tradizionale antipatia tedesco-conservatrice di fronte alia cosiddetta „civilizzazione occidentale" 5 , per capire che le frasi sopra citate rappresentano, incidentalmente, un omaggio. 5

Si pensi, per fare un esempio raaggiore e piü impegnativo, a Considerazioni di un impolitico di Thomas Mann (trad. ital. con saggio introduttivo e n. di M. Marianelli, Bari 1967).

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Ma arrivera il momento in cui l'omaggio si tramutera in aperta dichiarazione d'amore, per esempio qui: Con profondo senso di gioia ho preso coscienza dell'intima e concorde familiaritä che mi lega alia terra ausonia . . . (p. 233). Dunque alia fine anche lo snobistico „abstracteur d'idees" Gerhard Nebel soggiace alia seduzione del Sud, soprattutto alle sue forze ctonie. Ed ora e maturo per una situazione archetipica di quei tempi: un'ausonia (sicuramente „ben proporzionata") s'invaghisce di lui e lo esorta, vista la sua concezione della guerra come guerra civile, a passare dalla parte dei partigiani: Tentazione immensa! Un'ebbrezza di liberta mi dava le vertigini. . . Nebel vede se stesso al bivio della libera decisione, ma poi: Eppure devo rifiutare. Ν on posso, nascosto dietro una siepe, sparare su fratelli tedeschi, e neppure posso dare il mio appoggio a tali azioni. L'astuzia vile dei partigiani rispecchia la bassezza di Hitler; ambedue sono momenti del medesimo mondo, e I'una dipende dall'ultra come la negazione dall'afjermazione (p. 429). Cos! facile, dunque, puo rendersi anche un pensatore provetto una grave decisione politica e morale. La diserzione come problema s'incontra in molti libri tedeschi che trattano argomenti italiani negli anni dal 1943 al 1945. Con la stessa facilita con cui abbiamo visto Nebel votare per lo status quo, Alfred Andersch sembra essersi deciso per la soluzione opposta: in Umbria, sui primi dell'estate 1944, passi) dalla parte degli americani e piü tardi scrisse un saggio autobiografico Le ciliege della libertae, in cui ,,1'atto della liberta" da lui compiuto, era spiegato mediante una specie di filosofia esistenzialistica del disertore. Cio che in Nebel appare come uno fra gli altri temi e in Andersch έ sviluppato fino in fondo, diventa, nel romanzo II muro di Mallare di Hans Joachim Lange, destino vissuto. E' chiaro che Lange in questo libro, uscito per la prima volta nel 1952 e ripresentato in una forma piü concisa nel 1964, ha stilizzato, in una narrazione cauta e senza pretese, le proprie esperienze di guerra 7 . II risultato non e certo grande letteratura, ma una testimonianza onesta e, esteticamente, quasi irreprensibile. Un'unitä italo-tedesca nella lotta anti-partigiana nella provincia di Savona; tensioni crescenti e pause difficili nel dialogo italo-tedesco. Ci si disprezza reciprocamente: gl'italiani i tedeschi per la loro cocciutaggine, i tedeschi gli italiani, perche questi, astutamente, cercano di evitare responsabilita impegnative. Del resto, militarmente parlando, si tratta per ambedue le parti, di ultime e disperate truppe di riserva. Fra questa gente, la tentazione di scappare diventa sempre piü ossessionante, ma chi vi cede e viene acchiappato, e fucilato, come un giovane italiano, secondo la legge marziale, al muro del cimitero di Mallare, a meno che, col suicidio, come un giovane tedesco, non si sottragga all'ultima conseguenza. Ognuno arrivava a un punto in cui doveva andar via e si poteva anche disertare rimanendo sul ' Die Kirschen der Freiheit. Ein Bericht, ed. nuova, Zürich 1971. — Trad. ital. di E. Pocar, Milano 1958. 7 Die Mauer von Mailare, Dt. Taschenbuchverlag Nr. 199. Questo romanzo έ rimasto il „liber unicus" dell'autore, cosa caratteristica (anche in Italia) per molti libri di guerra.

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luogo. Qualcosa di falso si era infiltrato in tutta questa vita, qualcosa di nuovo che complicava tutto . . . (p. 169). Queste frasi sono parte di un monologo interiore, per cui il protagonista, nella situazione confusa in cui lui stesso e la sua unitä si trovano, spera di arrivare alia chiarezza. II tenente Clausen vive a labbra serrate il paradosso di questi ultimi mesi e settimane di guerra: Cid che jacevano qui, era assurdita completa. Ma fare altro, era altrettanto assurdo (p. 175). Clausen soffre con le vittime che devono morire proprio ora, ma un ethos, che lui stesso non saprebbe piü definire, gl'impone di tacere. Anche per lui viene la grande tentazione nella persona di una ragazza che ha avuto occasione di conoscere e stimare, in un momento critico, la sua umanita. Perche non la fa finita? . .. Dio mio Clausen, lei e un uomo strano! — Non sono strano, sono come tutti gli altri... — Clausen, la faccia finita . . . sara brutto per tutti voi... Io posso aiutarla, conosco molta gente . . . — Clausen sentl I'improvviso calore nel suo petto . . . Lentamente si alzo e si avvicino a lei. Di colpo, come in una visione, ebbe la certezza che aveva puntato tutto sul cavallo sbagliato . . . Ci penserö, disse, e si spavento delle proprie parole (pp. 143—6). La citazione, pur abbreviata, dimostra che la tentazione morale, a cui Clausen e esposto, coincide con la tentazione, per l'autore, di scivolare nel romanzo d'appendice. Clausen ne esce vincitore, Lange non completamente. Piü pura gli e riuscita la figura del maresciallo Rossi: questi έ un sottufficiale siciliano; quattordici anni di servizio, campagna d'Africa, e ora appartenente a questa funesta unita, mentre gli Alleati hanno occupato giä da molto tempo il suo paese. E ' chiaro che Lange ha avuto bisogno di questo soldato fedele fino all'ultimo, come figura di contrasto per la sua narrazione. Tuttavia il maresciallo Rossi έ umanamente vero, dei poveri diavoli come lui ci sono stati, 10 sappiamo tutti. Se voi credete che io me ne vada, dice Rossi in un colloquio con i partigiani, vi sbagliate. Io sono un soldato (p. 33). Ε rimane fedele, fino alia fine amara, a ci0 che per lui έ correttezza e dovere. La tragedia incombe su di lui con la caduta del fronte tedesco al Sud, e si compie davanti a un ponte sul Po. Deve andare con i tedesdii al Nord ο deve passare il fronte verso il Sud? Perche non sei rimasto a Mallare?, gli chiede, freddo, Clausen. Allora, in un grido, esplode tutta l'angoscia di questa creatura tormentata: Perche non sono un traditore, perche conosco il mio dovere. Io non vi ho traditi, ed ora sto qui. Lo sapevo che era pazzia restare con voi... (p. 207). Il destino di Rossi si compie, quando quel cane d'un traditore viene preso e fucilato dai partigiani. II libro di Lange si chiude con gesti di conciliazione fra i partigiani (che al momento giusto hanno fatto capire di essere anticomunisti) e il prigioniero Clausen, e con un timido omaggio del protagonista (dell'autore) all'Italia: Tutto era diverso in questo paese, e mat si poteva sapere con esattezza come veramente era . . . (p. 220). Questo, certo, έ il giudizio piü intelligente die uno straniero (die non abbia una preparazione speciale) possa dare sull'Italia. Ed h, nello stesso tempo, una formula per l'agnosticismo che impronta, in generale, 11 quasi-romanzo di Lange: impronta I'ideologia delle sue figure, la loro

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psicologia, le motivazioni delle loro azioni, e perfino la descrizione dei combattimenti, presentati non come sequenze razionali ma, modernamenta, come avvenimenti caotici. Un „parti pris" di modestia, che torna a vantaggio umano e artistico del libro. Cambiamo ora la scena, cambiamo tematica e relativa forma letteraria. Ci sono, se non dimentico nulla, due romanzi tedeschi dei primi anni del dopoguerra die introducono personaggi esclusivamente italiani, e sono tutti e due ambientati (per caso?) nel Napoletano. San Silverio h la prima opera di Heinz von Cramer e si svolge sull'isola di questo nome 8 . Cavaliere di giustizia ha Napoli e Positano come luoghi d'azione, e, come autore, Stefan Andres 9 . II romanzo di Andres έ per il nostro scopo piü appropriato, dato che tratta di storia contemporanea e di critica sociale, mentre quello di Cramer racconta il destino di una vecchia donna, sola, in mezzo a un paesaggio solitario. D'altronde, Andres ha diritto, nel nostro panorama, ad una nicchia particolare. H a vissuto dal 1937 al 1949 a Positano in un volontario mezzo-esilio, ed έ diventato, per cosi dire, l'Omero di questa cittadina (die lui chiama dannunzianamente, non so perche, cittä morta). In: Positano — Storie di una cittä sul mare10 si rituffa nel periodo pre-turistico e vanta il suo rifugio come un bastione della contemplazione estatica, abitato da un consorzio internazionale di eremiti, di cui uno per6 — l'autore stesso — si sente al margine del mondo e, come scrittore, soffre del silenzio senza eco a cui la sua decisione politicomorale 1'ha condannato; a Positano, Andres pone le premesse politiche della sua trilogia II diluvio; e, infine, έ a Positano, che ambienta il romanzo autobiografico La torre delle colombe11 — storia di un sinologo tedesco che vive \k nascosto con la sua famiglia e che, grazie alia sua fermezza morale, riesce a dominare le ristrettezze, i dubbi e i pericoli della sua situazione, fino alParrivo dei liberatori americani. In tutte queste opere di Andres, a cui si potrebbero aggiungere altri romanzi italiani, appaiono, in un paesaggio poeticamente trasfigurato, molti personaggi italiani, la cui sostanza, veramente, non va mai oltre la simpatica „macchietta". In Cavaliere di giustizia, invece, Andres ha osato prendere i personaggi sia principali die secondari dall'arsenale italiano. L'eroe del titolo h un vecchio cavaliere dell'ordine di Malta, investito del grado di „cavaliere di giustizia". Vivendo nel passato, porta la rassegnazione degli ultimi anni di vita nel suo palazzo napoletano, maestoso, ma tetro, non ricordandosi piü degl'ideali della sua gioventu, scettico di fronte al pensiero di un cambiamento dello stato attuale: uno scetticismo che si basa in parte su una filosofia, in parte su ragioni locali: Siamo a Napoli. . . tutto e senza rimedio, non solo a Napoli... (p. 31). 8

San Silverio,

11

Ritter

10

11

Romane, Positano.

der

Köln/Berlin 1955. Gerechtigkeit,

München 1965. Gesch. aus einer

1957. Der Taubenturm.

Zürich 1948; le citazioni sono tratte da St. Α.:

Stadt

am Meer.

Ital.

Mit 16 Zeichnungen des Vf., München

Dt. Taschenbudiverlag N r . 635 (1970).

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H a n s Hinterhäuser

La sua coscienza sociale che una volta l'aveva spinto a fondare un inimmaginabile partito „socialista-conservatore" 12 , si puo ancora manifestare in qualche osservazione al suo sarto: Per molti anni vi abbiamo fatto patire la fame, noi, a cui voi baciate la mano (p. 105); ma queste sono ormai reminiscenze passive: la posizione del cavaliere di giustizia e principe di A. si esaurisce nella malinconia di una vuota distinzione. Fa parte, rispetto all'evoluzione dell'Italia contemporanea, di una generazione di falliti. Chi giudica cosi, e il ventenne studente di medicina Fabio Casani. Anch'egli e, senza titolo ma nella sostanza, un cavaliere di giustizia, e io credo che la mancanza dell'articolo nel titolo tedesco del romanzo, vuole lasciare apposta in sospeso il numero grammaticale. Fabio vive profondamente il contrasto di generazione. Disprezza la generazione dei padri, il loro opportunismo politico, il loro esclusivo orientamento verso i valori del denaro e del rango sociale; disprezza particolarmente il proprio padre, l'avvocato Casani che, ideologicamente, e avvocato dello stato e della societa borghese. Fabio non puo amare lo Stato che, per lui, e il risultato del peccato del mondo, e il mondo borghese e una cloaca. Osserva, prima a Napoli, poi a Positano, la pesante ingiustizia sociale del suo ambiente, un'ingiustizia messa ancora piü in evidenza dalla situazione particolare dell'anno 1943. Ε alia fine sfida la classe dei privilegiati nella persona del Podesta di Positano (fascista prima, democristiano poi) apertamente sulla piazza della Chiesa. In tutto cio Fabio, pero, non ha una posizione politica definibile. H a studiato e tradotto i primi socialisti tedeschi, legge la Vie de Jesus di Renan; a cio corrisponde, nel profilo di Andres, da una parte una coscienza sensibilissima per i problemi eticosociali, dall'altra un idealismo cristiano ad alto volo. Fabio cerca il Regno di Dio, lo cerca in una maniera critica, ma non rivoluzionaria; lo cerca entro le categorie delicate dc\\'umanesimo cristiano. Un attivo rivoluzionario, invece, e il secondo giovane del romanzo e terzo cavaliere di giustizia, Dino Falconieri, nipote del vecchio cavaliere dell'ordine di Malta. Un arresto per una ragione futile fa esplodere la crisi che un'educazione sbagliata aveva preparato. Dino e da ora in poi un desperado, un rinnegato della sua classe, una sfida alla societa. II suo rifiuto dello stato e del cristianesimo non e di natura critico-idealistica, come quello di Fabio, ma nichilista-distruttivo. La Chiesa e per lui la comunita di jede dei ricchi; di fronte alio Stato confessa di essere un anarchico, che non vuole jar valere null'altro che se stesso (p. 143). Fonda la banda dei Cavalieri del cavallo bianco ed esercita, dalle montagne dell'Italia meridionale, la violenza come terapia sociale. Nella concezione di queste tre figure si deve riconoscere Fispirazione originaria del romanzo; dalla loro fusione risultano la sua azione e il suo senso. 12

L'idea e probabilmente derivata dal celebre o x y m o r o n della „konservative R e v o l u tion", coniato originariamente da H u g o v. H o f m a n n s t h a l nella sua conferenza all'Universitä di M o n a c o : La lett. come spazio spirituale della nazione (Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation)., 1927, e che e stato in Germania, per alcuni decenni, ricco di suggestion! d'ogni specie.

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In questa combinazione Fabio ha la parte della cerniera e, in quanto al significato, puo essere considerato il porta-voce dell'autore. Egli frequenta il principe, vorrebbe trovare in lui un oggetto del suo bisogno di venerazione, ma gli gira le spalle, quando il principe, alia vista del suo palazzo distrutto dalle bombe e del saccheggio della sua raccolta d'arte, perde il controllo di sb. E' amico di Dino, ma la sua trasformazione in brigante lo addolora; si sottrae al suo abbraccio imperioso, ma, malgrado la proibizione paterna, lo tiene una notte presso di se. Ε alia fine ritrova il principe (mentre Dino va verso l'inevitabile destino di ribelle) a Napoli nell'ospedale degli Incurabili, in abnegazione, espiazione, morte e trasfigurazione. Ii mondo e di nuovo in ordine; riformarlo e questione di un cristianesimo ben compreso e vissuto fino alle ultime conseguenze. Ε che ne e dell'italianita di questi personaggi? II cosiddetto Podestä di Positano dice una volta di Fabio: Non e un vero italiano. E' un romantico (p. 142). A parte il fatto che ancora qui vige un cliche dell'italiano (che tutto puo essere, eccetto un romantico) e, questa, una caratterizzazione che un lettore, versato nella letteratura italiana contemporanea, volentieri fara propria. Infatti, che differenza col napoletanismo letterario all'italiana, quello di Carlo Bernari, Domenico Rea, Eduardo de Filippo, Giuseppe Marotta ecc.! Andres, al principio del suo romanzo, da un eccellente panorama della cittä di Napoli e alia fine una buona descrizione della Napoli apocalittica dopo 1'eruzione del Vesuvio, ai primi del 1944. Dissemina, in piccolissime porzioni, elementi linguistici italiani; a volte traduce in tedesco modi di dire italiani; ritrae, ben osservato, il gesticolare napoletano. Ma la sostanza rimane quella data dalla lingua e mentalita tedesche, e la problematica h una volta di piu quella tipica dell'autore. Ε forse i lettori italiani, riconoscenti a Andres per questo tentativo di un'amichevole incursione nel loro regno, non osserveranno, se non sono specialisti, che qui, per quanto riguarda i mezzi artistici, e stato all'opera uno degli ultimi maestri della „vecchia scuola", rimasto fedele ai canoni epici dell'Ottocento. Cio che in questo senso il lettore odierno non trova in Andres, lo realizza con molta bravura il suo coetaneo Wolfgang Koeppen nei suoi tre romanzi Colombe sull'erba (1951), La serra (1953), e La morte α Roma (1954) 13 . Qui non si narra piü pacificamente, punto per punto come nel romanzo di Andres, ma l'azione e disintegrata in vari frammenti ο quadri che sono intrecciati in un disordine concertato. Non c'e piü la tranquilla convivenza tra descrizione obiettiva e dialogo, ma discorso rivissuto e monologo interiore servono a caratterizzare le persone e a motivare le loro azioni, con, intercalati, dei residui di rappresentazione obiettiva, e tutto cio arrangiato in trapassi quasi impercettibili. Vi sono catene di associazioni verbali ricche di fantasia e d'arte, e in questo Koeppen έ particolarmente abile; troviamo il fenomeno quasi musicale

13

Oggi riuniti nel v o l u m e Drei Romane,

Frankfurt 1972.

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di un'alterna concentrazione e dilatazione del ritmo della frase 1 4 ; e infine, nella descrizione di fisionomie, paesaggi e citta si ha una prova come negli ultimi decenni le facolta percettive dello scrittore si siano anche in Germania, enormemente raffinate. Mi permetto di aggiungere die considero Koeppen uno dei pochi scrittori significativi che la Repubblica Federale Tedesca ha dato dalla fine della seconda guerra mondiale a questi giorni. II primo di questa trilogia di romanzi di storia contemporanea si svolge a Monaco, il secondo a Bonn, il terzo, come dice il titolo, a R o m a 1 5 . Perch£ Koeppen ha trasportato a R o m a un racconto che doveva attirare l'attenzione su un problema tedesco, su un pericolo tedesco? E ' piu che probabile che abbia avuto Fintenzione di creare un „pendant" attuale a La

morte

a

Venezia,

la novella-liberty di Thomas Mann. Mentre questo scelse come scenario di un naufragio individuale la Venezia dell'antico mito della citta morta, Koeppen evidentemente, ha voluto che il suo racconto, pregno di storia, si svolgesse su un terreno intriso del sangue di innumerevoli personaggi storici, gladiatori, martiri, tiranni, papi, condottieri, artisti e cortigiane 1 6 . Roma

era

costmita

sugli uccisi, le stesse Chiese stavano su terra stillante sangue, nessun tempio, nessuna basilica, nessun Duomo era concepibile senza sangue sparse . . . Ma, si conclude poi serenamente: Roma

ammiriamo

I'eredita della potenza,

e meravigliosa,

l'amiamo

i tempi

sono

meravigliosi:

dopo che i potenti sono

morti

(p. 129). Queste sono note marginali di un Cicerone distanziato (e infatti Koeppen ha scritto un paio d'anni dopo un Nuovo morte

a Roma,

Cicerone

romano);

dal romanzo La

invece, ogni serenita έ bandita. Le dramatis personae, tutte

tedesche, ad eccezione di una figura femminile secondaria, sono prese dalle due famiglie P f a f f r a t h e Judejahn. II capofamiglia dei P f a f f r a t h era stato un alto funzionario nazista e ora e borgomastro di una cittä della Germania occidentale; Judejahn era stato generale delle SS e adesso ä istruttore militare in un paese arabo. Siamo al principio del miracolo economico tedesco, la tedesca

capacitä

b di nuovo riconosciuta internazionalmente, il borghese tedesco pu6

camminare di nuovo a testa alta; e ci si domanda, se, per uno come Judejahn, non e ora di tornare, per non perdere la prossima guerra; poich£ la guerra

doveva

venire,

pensa questa brava gente, lo estgeva

la giustizia

prossima (p. 85).

Per tali fantasie, R o m a era appunto lo scenario piu suggestivo: Quando

Roma

dorme, si sente il frastuono di lontane battaglie . . . (p. 74). Ci si έ ritrovati qui, come per magica coincidenza: i P f a f f r a t h

come

turisti avvantaggiati dal nuovo benessere, Judejahn per comprare armi, un figlio P f a f f r a t h perch£ qui, ad un congresso musicale, verra eseguita la sua sinfonia, il figlio Judejahn con un gruppo di preti, in visita al Santo Padre. 14

15

16

A questo proposito v. Johannes Mittenzwei: Das Musikalische in der Lit., Halle 1962, cap.: Die musikalische Kompositionstechnik des inneren Monologs in Koeppens Roman ,Der Tod in Rom,'. Citiamo dall'ed. Fischer Bücherei Nr. 537, Frankfurt 1963. La trad, ital., a cura di L. Fuchs Vidotto, e uscita da Einaudi, Torino 1959. Questa serie di nominativi h tolta dal testo stesso di Koeppen, p. 75.

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Questi due figli portano nomi fatali: Siegfried si chiama il musicista, Adolfo il diacono; ma ambedue hanno fatto di tutto, come gia rivela la scelta della loro professione, per staccarsi dal clan maledetto. Solo die non sono dei ribelli sfolgoranti, ma degli spaventati e dei senza fede: l'educazione nazista li ha spezzati e li ha resi incapaci di trovare la strada di una vita compiuta e serena. Α che scopo, a the scopo, si chiede il diacono Adolfo, e in mezzo alia schiera dei suoi preti, si domanda con piü precisione se Dio aveva eletto gli altri, se Dio li ha mandati. . . e ne dubitava, chiedendosi perche Dio non aveva fatto di piü, perche i suoi servitori non facevano di piü e in modo piü decisive contro I'infelice corso del mondo? Adolfo era, andato a loro dopo una grande disgrazia, e poiche ora gli sembrava di non poter evitare una seconda disgrazia, neanche nella sua qualitä di prete, anzi, poiche non era neppur certo di poter rimanere estraneo nell'inattaccabile equita del fariseo, si domandava se era veramente chiamato, come erano chiamati gli altri. Ε non trovo risposta . . . (p. 78). Siegfried Pfaffrath sarebbe, se la nostra supposizione b giusta, il pendant dell'eroe di Thomas Mann, Gustav von Aschenbach. Ma, a parte le loro tendenze omosessuali (spiegate in Siegfried con le abitudini dei collegi nazisti) non poi molto die li unisca. Certo sono ambedue artisti, ma Siegfried έ solo all'inizio e chissa se riuscira a imporsi come artista. Ad ogni modo, al contrario di Aschenbach, non ha da perdere ne dignita, ηέ coscienza del proprio valore, ne rappresentanza alcuna: Non sono senza coraggio, dice una volta, ma non ho bisogno di coraggio. Forse ho bisogno di fede. Veramente credo, ma credo che tutto e assurdo ... La mia musica e assurda, ma potrebbe non esserlo, se avessi solo un po' di fede. Μα α che cosa devo crederef... (p. 88). Un'altra volta: Per paura, per disperazione, per visioni angosciose ho scritto musica, ho cercato di capire, ho posto questioni, ma non sapevo cosa rispondere, non avevo una risposta, non potevo dare una risposta... (p. 105). Ε la sua sinfonia viene cosi caratterizzata da un'ascoltatrice spietata, la moglie del direttore d'orchestra, un'ebrea, cacciata „allora" dalla cittä dei Pfaffrath: Cera troppa morte in questi suoni, e una morte senza le serene danze di morte sugli antichi sarcofaghi... La musica spasimava, gridava, era la paura della morte, una danza nordica della morte . . . Dentro vi era nebbia lugubre, il perverso abbandono alia morte . . . (p. 120). Vediamo ο intuiamo: anche qui (come nella novella di Mann) c'h il leitmotiv riccamente orchestrato della morte, unito, come la, alia leggenda degli antichi Dei, dell'inferno e delPAde; per0 non έ Siegfried che deve morire, ma il vecchio Judejahn, dopo che ha „liquidato" la moglie del direttore d'orchestra. E' stato l'ultimo assassinio di ebrei, oppure il primo nuovo? In un tempo di nuova saturazione e nuova irriflessione, Koeppen si era sentito chiamato a fare la parte della Cassandra e a mostrare a dito i fantasmi ancora in giro. Questa parte, moralmente, non pu6 essere abbastanza apprezzata. Grazie al „Weltgeist", i timori di Koeppen si sono dimostrati infondati; i fantasmi, di cui parla, non esistono piu, per lo meno biologicamente; i semafori, oggi, sembrano dar via libera a piu socialismo, anziehe ad un revanscismo anacronistico. Il romanzo di Koeppen, diciannove anni fa un „Zeitroman", έ

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oggi un romanzo storico, e come tale certo di permanente valore sia documentario che artistico. Ma come la generazione dei trentenni giudichi oggi l'autore e il suo libro, appare chiaro dalla seguente citazione, che credo rappresentativa: „II tenore di questo libro e . . . la rassegnazione di un autore die, contrariamente ad ogni speranza originaria, vide come l'ereditä tedesco-conservatrice si ristabiliva nel dopoguerra; di cio tuttavia lo stesso Koeppen ha una parte di colpa, poiche, come epigono dell'era borghese, sottrasse la sua parola conduttrice, umanita, all'alternativa di diversi concetti sociali e non rimase fedele all'idea generatrice del suo romanzo II muro vacilla: che cioe la terra non era riposo, ma storia .. ."17. II romanzo di Alfred Andersch La Rossa (1960), scritto e uscito alcuni anni piü tardi, fa parte dello stesso giro d'ispirazione storico-politica della trilogia di Koeppen 18 . Piu volte Andersch sembra accennare ad una possibile datazione della sua azione romanzesca compressa entro soli quattro giorni: una volta nel corso della stessa azione romanzesca partendo da un terminus post quem 1944; poi alludendo alia visita ufficiale del presidente Gronchi a Venezia, che avviene durante i giorni in cui si svolge il romanzo; e, per ultimo, accennando alia fine della coalizione democristiana, comunista e socialista della giunta di Venezia. Tuttavia, avvicinando le date, risulta che queste non si lasciano concordare. II tempo storico, in ogni caso, e quello dell'ormai attivo conflitto tra l'oriente e l'occidente: Al posto delle idee si alzarono i blocchi di potenza, i due grandi apparati nichilisti, di fronte ai quali impallidivano tutte le idee, perche la loro lotta, se prendeva la forma estrema, lasciava prevedere la fine dei tempi: l'apocalissi. Quando Fabio ebbe capito questo, usci dal partito comunista . . . (p. 141). Questo Fabio Crepaz e una creatura genuina di Andersch, imparentata con lo stesso autore e con altri personaggi di altre sue opere. Un rivoluzionario rassegnato. Era egli rassegnato perche aveva quasi cinquant'anni, perche non era sposato, perche era tomato sconfitto da alcune azioni rivoluzionarie, dalla guerra di Spagna, dalla lotta partigiana, era ritornato a Venezia, era rassegnato perche si era dileguato nella sua professione, un violinista nell'orchestra della Fenice, lui, ex-comandante nella brigata internazionale ,Matteotti', capo del movimento partigiano nella regione di San Dona di Piave, ed ora un uomo che non prendeva piu parte a nulla . . . che viveva solo, in due stanze che aveva subaffittato da una vedova . . . (p. 20), e questo precisamente nel ghetto di Venezia, poiche lo scenario della piu terribile sconfitta del secolo era il posto giusto per un uomo della rivoluzione perduta (p. 34). Si era arrivati al punto, leggiamo piu avanti, che persone che avevano aspirato ad un cambiamento rivoluzionario della situazione, non potevano piü farsi intendere in alcun modo (p. 21). Di fronte a una situazione cosi disperata, Fabio Crepaz ha scelto la 17 18

St. Reinhart: Politik und Resignation. Anm. zu Koeppens Romanen, in: Text und Kritik 34, April 1972, 45. Die Rote, Olten/Freiburg. Trad. ital. di E. Pocar, Milano 1961.

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via della emigrazione individuale, nell'esercizio, spesso svogliato, dell'arte. Come figura di romanzo e un uomo con passato, forse senza futuro, ma un uomo che ha tirato le conseguenze dal suo passato (p. 87). Senza futuro? Nel momento in cui Fabio formula questo pensiero, il futuro, chiamato dall'autore, e gia sulla strada verso di lui: viene nella persona di una giovane tedesca, dai capelli rossi, di nome Franziska. Questa Franziska, originariamente, e una tipica rappresentante del miracolo economico tedesco: versatile segretaria ed interprete, sposata con un rappresentante industriale della ricca Dortmund e, nello stesso tempo, amante dello chef del marito. Ma ecco che si e disgustata di questa situazione triangolare, dei possessori di cheques, del centro-Europa senza segreti; no, cost non pud continuare; abbandona bruscamente il marito nella Galleria di Milano, e parte, priva di ogni bagaglio, per Venezia. Con questa decisione Franziska ha preso una vera decisione alia Andersch. (Ripensiamo alle Ciliegie della liberta di cui abbiamo parlato sopra.) Si e svelata come donna libera che non voleva vivere nella bugia (p. 239). N a t u r a l mente, nella gelida, irrigidita Venezia invernale, e piü volte tentata di tornare indietro, al di la dei monti, alia sua professione sicura, in un delizioso piccolo appartamento di Monaco. Ma l'autore la conduce fermamente per mano, e, irresistibilmente, la porta verso il suo alter ego, Fabio Crepaz, che dimostra di essere in tutto e per tutto l'uomo virile, generoso, quale fin da principio era stato tracciato. Alia fine ritroviamo Franziska, incinta del ex-marito, alia periferia di Mestre, nella casa proletaria dei genitori di Fabio, sotto la protezione della madre e della sorella di Fabio, e operaia in una fabbrica di sapone: E' quella di Fabio (p. 293), cosi l'ha presentata la sorella di Fabio alle colleghe di lavoro; e queste sembrano ben disposte ad accogliere nel loro nido, con qualche meraviglia, ma con amicizia, questo strano uccello migratore dal paese dei miracoli economici. Questo romanzo e gia stato tanto e cosi irrefutabilmente criticato (in Germania particolarmente dal critico Reich-Ranicki, in Italia dal germanista Giuliano Bajoni 1 9 ), che e inutile voler infierire ancora dopo tanti anni. La falsita di questo destino di segretaria, dalla sua partenza verso la liberta fino al suo inserimento f r a le proletarie di Mestre, έ non meno evidente che l'irrompere del Kitsch in non pochi particolari 2 0 , specialmente nella lunga storia criminale (con una figura centrale della Stirpe Judejahn), attraverso la quale Franziska deve passare prima di potersi attaccare al braccio di Fabio, in cerca d'aiuto. N o n c'e dubbio: qui c'e un autore che conosce molto bene gli uomini e l'ambiente italiano, che si sentiva politicamente vicino a Elio Vitto-

lfl

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M. Reich-Ranicki: Alfred Andersch, ein geschlagener Revolutionär, in: Dt. Lit. zwischen Ost und West. Prosa seit 1945, München 1967. G. Baioni, recensione in: II Verri. Riv. di lett., Aprile 1961. Bisogna ammettere pero (me ne sono accorto per la prima volta leggendo La Rossa), che colla tecnica del monologo inferiore (largamente adoperata in questo romanzo), le responsabilita estetiche possono diventare stranamente incerte.

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rini 21 , ma che troppo incautamente si e lasciato traviare dal neorealismo alia moda — in questo, per altro, uno dei pochissimi rappresentanti della letteratura tedesca contemporanea. (Proprio ora, nel 1972, Andersch ha presentato La Rossa in una nuova versione 22 , dove ha eliminato il capitolo finale a Mestre, sicche il romanzo adesso ha una „fine aperta"; ma non e stato soltanto questo finale la causa delle critiche.) Tuttavia credo die proprio entro la prospettiva della nostra conferenza, nel romanzo di Andersch si debba tener positivamente conto di due cose: delle sue splendide vedute della Venezia invernale (la vista della Piazza dalle finestre del Caffe Quadri, il gioco di colori sulla laguna in una chiara, ventosa mattina di gennaio, ed altre simili); e poi del fatto die, con la figura di Fabio Crepaz, ha saputo dare un volto umano alia tragedia di una generazione — la tragedia dei vissuti fra fascismo e postfascismo, di coloro che nella gioventü si consumarono, nella maturita non vennero ascoltati, e oggi dai piü giovani sono messi sdegnosamente da parte. Qui si delinea un filone secondario del nostro tema, al quale non si pu0 fare a meno di accennare: il „calvario" dello scrittore tedesco contemporaneo (con paralleli precisi in Italia), il suo disorientamento sempre piü acuto di fronte a problemi, a paradossi che in apparenza non έ piü possibile risolvere con mezzi intellettuali e tan to meno letterari; e di fronte ai quali non ci pu0 essere die il grido ο (come nel caso di Koeppen) il silenzio. Gerhard Zwerenz rappresenta un esempio particolarmente drammatico di questo destino dei contemporanei. Cresciuto ed educato nella Repubblica Democratica Tedesca, caduto poi in disgrazia e fuggito, i suoi legami col mondo di la sono ancora cosi forti, che in „occidente" non riesce a sentirsi a casa sua. E' deluso del socialismo (nella Variante della R . D. T.) ed έ altrettanto intransigente di fronte alia cultura borghese delle R . F. T. che a lui, nato proletario, e insopportabile. Un operaio capitato fra gli intellettuali borghesi, con cui non sa arrangiarsi. Che reazione έ possibile di fronte a questo dilemma? Zwerenz reagisce con un'esplosione nichilista: Quest'ordine deve sparire; non lo voglio ne salvare, ne riformare, ne rivoluzionare . . . (p. 224). E' chiaro che si tratta dell'ordine sia di la die di qua (forse un po' meno dell'ordine di lä.). Da questo desiderio di distruzione Zwerenz non esclude neanche se stesso, e lo mette in pratica fino al limite della sopportazione fisica al Lido di Jesolo, in due capitoli che costituiscono il finale della sua autobiografia Testa e pancia (1971) 2 3 . L'ltalia, piu precisamente la Venezia di Zwerenz h un paradiso di orgie sessuali; con questo particolare, egli si riallaccia all'antico mito puritano

21

22 2:1

V. la prefazione di Andersch al Diario in pubblico Olten/Freiburg 1959. Diogenes Verlag, Zürich. Kopf und Bauch. Die Gesch. eines Intellektuellen, ist, Frankfurt 1971.

(Offenes

Tagebuch

1929—1959),

der unter die Arbeiter

gefallen

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e piü t a r d i edonistico di Venezia quale seat of dissoluteness24. M a Zwerenz non έ un animatore ingenuo ο moraleggiante di questo venerando mito; lo riprende e ripristina perch£ fa presa in un'epoca come la nostra, affascinata dalla „sessualita". (Che Zwerenz, come altri rappresentanti dell'attuale sinistra tedesca, sappia s f r u t t a r e questa corrente, lo dimostra il f a t t o die ha curato, negli ultimi anni, una collana pornografica.) In breve, Zwerenz scopre a Jesolo, in mezzo a sfrenate compatriote adoratrici del sole, una voluttuosa pianta della palude lagunare, e la festa dei sensi non ha fine. Eppure, quest'attivita non ha mai per l'autore uno scopo p u r a m e n t e fisico; dietro c'e u n a concezione d'origine marcusiana che Zwerenz vede come possibile movente di una nuova letteratura socialista: La liberazione del marxismo verso il piacere, con ben concreti diritti di liberazione per l'individuo. Ε se la rappresentazione dettagliata di questi „nuovi" piaceri rompe tutte le barriere del gusto borghese, anche questo ha un significato politico: l'osceno h la risposta a un'antica schiavitü, e la pornografia scuote le radici della societd di classe (p. 254). Alia fine lo scrittore lascia trasparire l'intenzione di rimanere a Venezia come „emigrante" e di fondarvi lo stato di un uomo solo. Proprio nella Venezia notturna in procinto di affogare, egli capisce che noi tutti eravamo alia fine . . . Venezia appartiene alle ricche meretrici, ai politici stupidi, ammalati di malvagitä, ai guardiani salariati dei monumenti. Venezia appartiene alle pantegane, ai milionari di passaggio, all'Adriatico che s'infiltra. Venezia e il regno della putredine, dunque Venezia e il regno del futuro . . . (p. 261). I n f i n e viene concessa al n a r r a t o r e una specie di „grazia" (Zwerenz ci permetta questa metafora). Sdraiato su un letto di un hotel veneziano, ha la visione dell'isola lagunare che si stacca dalla terra ferma e si allontana verso l'incerto, verso il „ N i r v a n a " . Concediamogli pure questo N i r v a n a e non glielo diminuiamo, facendo seguire alia zattera del nulla i nostri giudizi. Pero vogliamo f a r seguire a questa conferenza, p r i m a che si allontani sul mare dell'oblio, alcune osservazioni riassuntive. All'inizio ho assicurato die le opere che avrei presentato qui, sarebbero solo una scelta limitata di t u t t o quello che oggi si scrive da autori tedeschi sull'Italia; e ho annunciato che questa scelta avrebbe compreso esclusivamente quelle opere che, invece di proporsi ulteriori omaggi alia felice n a t u r a meridionale e alia gigantesca ereditä culturale italiana, pretendono di cogliere in Italia i problemi del nostro presente ο trasportarveli. Abbiamo p o t u t o stabilire quali sono questi problemi. N e i diari, saggi e romanzi da noi esaminati, si t r a t t a v a : di t r a d i m e n t o ο fedelta sullo sfondo degli avvenimenti di guerra; di rivoluzione ο r i f o r m a di f r o n t e a un ordine sociale patentemente insufficiente; di preoccupazione e disgusto di f r o n t e alia restaurazione nei primi anni del dopoguerra; di rassegnazione ο accusa quali possibili risposte a questa situazione; di un accrescimento del 24

Su questo mito v. Walter Pabst: Satan und die alten Götter in Venedig, in: Euphorion 49 (1955). P. cita anche dal secondo diario italiano di G. Nebel: Unter Partisanen und Kreuzfahrern, Stuttgart 1950.

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socialismo e dell'apertura di questo socialismo a favore del principio edonistico; e sempre e dovunque appariva, chiaro sintomo del nostro tempo, il problema delle generazioni. Da certe costanti, propriamente psicopatiche da una parte, e dalPaggravarsi progressivo di certi problemi dall'altra, si pu6 rilevare, nelle nostre opere, la patologia di quest'epoca. L'ambiente e rappresentato da diverse regioni italiane, tra la Liguria e Napoli. II paese e i suoi abitanti vengono ritratti, secondo il caso, ο come risultato di esperienze dirette, o, mediatamente in opere narrative, e entro quest'ultima soluzione, abbiamo osservato la Variante Andres (l'ltalia agPitaliani), la Variante Koeppen (Roma per i tedeschi) e la Variante Andersch (il connubio promettente di una tedesca e di un italiano). Che cosa sapevano questi scrittori dell'Italia e degli italiani? In che rapporti erano con loro, che valore conoscitivo hanno le loro testimonianze? Sono piu solide e piü giuste di quelle emesse da Pietro Sissa ο da Carlo Levi sulla Germania? 25 Offrono un complemento notevole a quello che io, anni fa, in un mio libro sull'Italia, ho chiamato letteratura italiana d'introspezione e d'antocritica2e? Mi pare che a queste domande si possa rispondere solo in modo condizionatamente positivo. Nel giudizio su importanti complessi geofisici ed etnici entrano in gioco sempre tre fattori: i presupposti culturali del giudice (di cui fanno poi parte i cliche prefabbricati); la sua esperienza vissuta soggettivamente; la preoccupazione del „destinatario" e delPeffetto (forse tendenzioso) che si vuole ottenere dall'ascoltatore ο dal lettore. Ma quando si tratta di un „work of fiction", a tutto questo si aggiunge l'influenza del contesto e il gioco delle funzioni nel complesso delPopera. Sono questi diversi elementi che in vario rapporto si associano dando luogo a cii> che poi spavaldamente si chiama „osservazione" ο „giudizio". Ε chi poi giudica i giudizi soggiace, da parte sua, per lo meno ai primi due dei suddetti fattori. Quid est Veritas, in questo gioco infinito di rispecchiamenti? C'e bisogno, per giungervi, anche e soprattutto della „Caritas", come insegna il noto passo di S. Agostino (caro ai fautori di un' ermeneutica intuizionistica)? Ε sarebbe capace, questa „Caritas", di fondere tutti gli altri presupposti in una solida sintesi? Ma qui non vogliamo continuare con domande cosi incalzanti; vogliamo accontentarci della constatazione che ai sette autori di cui si e parlato (anche a questi sette, in mezzo a tutto un coro di osannanti), non έ certo mancata la simpatia e l'amore per l'ltalia e i suoi abitanti. (Alia „voluptas" di Zwerenz 2r

' Pietro Sissa: La banda di Döhren, Torino 2 1951. Carlo Levi: La doppia notte dei tigli, Torino 1959. 28 Lit. der Selbstbesinnung in Italien, in: Italien zwischen Schwarz und Rot, Stuttgart 1956. — II testo di questa conferenza e stato redatto nel gennaio del 1972. Nel 73 e uscito un altro racconto tedesco di (parziale) ambientazione italiana: Peter Schneider: Lenz, Rotbuchverlag Berlin, 90 pp. II protagonista, contestatore berlinese, fa un viaggio in Italia, conosce la, snobiety' die Roma e si trattiene, finche non viene espulso dalla polizia, fra gli studenti di sociologia dell' Universitä di Trento; piü che al suo omonimo patologico nel racconto di Büchner, il Lenz di Schneider e vicino al Meursault dell' Etranger di Camus.

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sia concesso un posto a parte). Ma il piu bello e osservare come (nel caso di Lange e soprattutto di Nebel) questa simpatia, dopo parecchi giudizi storti ο assurdi, prevalga alia fine di un processo di formazione. Questo significa (se significa qualche cosa) che l'ltalia a noialtri ha ancora molto da dire, malgrado il progressivo livellamento europeo, e perfino astraendo parzialmente dalla copiosa eredita storica. Ebbene, di questo, noi mitteleuropei, dovremmo saperci rallegrare nella nostra qualitä di felici e grati utenti.

VOLKER

NEUHAUS

Father Brown und Rabbi Small There are is perhaps horror of because he

two ways of renouncing the devil, and the difference the deepest chasm in modern religion. One is to have a him because he is so far o f f ; and the other to have it is so near1.

Unter den vielen Amateur- und Privatdetektiven der Detektivromane heben sich Father Brown und Rabbi Small durch ihren eigentümlichen Hauptberuf heraus: Beide sind bestallte Diener ehrwürdiger Religionen. Während andere erfolgreiche Amateure der Verbrechensbekämpfung eher dazu neigen, ihren Broterwerb zu vernachlässigen, oder über Einkünfte verfügen, die einen eigentlichen Beruf überflüssig machen, ist es dem Priester Brown wie dem Rabbi Small gelungen, beides so miteinander zu verbinden, daß ihre detektivischen Fähigkeiten auf dem geistlichen Amt beruhen und ihr detektivisches Tun zugleich die Fortsetzung ihrer religiösen Funktion mit anderen Mitteln ist 2 . Gerade diese Verschmelzung der scheinbar so grundverschiedenen Tätigkeiten aber erwies sich als missionarisch: Beide haben ihre Leser auch jenseits der Liebhaberkreise von Detektivgeschichten einerseits und der katholischen Kirche oder der jüdischen Gemeinde andererseits gefunden und ihrer Religion wie der Gattung Detektivgeschichte neue Achtung und neue Freunde verschafft, gerade bei den Gebildeten unter ihren Verächtern. Zugleich aber hat die Verschmelzung von Priestertum und Detektion bei Chesterton und von Rabbinat und Detektion bei Kemelman die daraus entstandenen Erzählungen und Romane charakteristisch geprägt, und die unterschiedlichen Traditionen des katholischen Priesters und des jüdischen Rabbis führten zu klar unterschiedenen Varianten der Detektivgeschichte. 1

2

Gilbert K e i t h Chesterton: The Father Brown Omnibus, N e w a n d R e v i s e d Ed., N e w Y o r k o. J . (zit.: Omnibus), 809. Andere geistliche D e t e k t i v e werden in beiden Funktionen nicht recht deutlich. Bei dem anglikanischen parish priest aus K e n t , Marcus O b a d i a h , dessen erstes Abenteuer 1971 erschienen ist (Richard T a t e : The Dead Travel Fast, Sphere B o o k s L o n d o n that 1972), ist das eigentliche A m t bislang ebenso Accessoire wie der umbrella looked like a parasol (100), den er v o n B r o w n geerbt hat. Als D e t e k t i v zeichnet er sich weder durch D e n k e n noch durch H a n d e l n aus. Der katholische Father Bredder in L e o n a r d H o l t o n s R o m a n e n (deutsch in der Herder-Bücherei: Der Tote, der einen Mord beging [ 1 6 4 ] , Mord im Beichtstuhl [ 2 4 1 ] , Father Bredder weiß zuviel [ 2 8 8 ] ) ist Beichtvater an einer kalifornischen Internatsschule und stolpert nebenbei a b und zu durch schlecht konstruierte Detektivabenteuer nach dem fernen V o r b i l d der ,amerikanischen Schule'. D a ß er Priester ist, merkt man vor allem an seinen vielen f r o m m e n Auslassungen.

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I. Chestertons,orthodoxe' Detektivgeschichten Wir sind aus Chestertons Autobiographie genau darüber unterrichtet, wie er dazu kam, Detektivgeschichten um einen Priester zu schreiben. Er berichtet im letzten und entscheidenden Kapitel, das die Geschichte seiner religiösen Überzeugungen enthält, von einem Gespräch mit Father John O'Connor, den er einige Zeit zuvor kennengelernt hatte 3 : I mentioned to the priest in conversation that I proposed to support in print a certain proposal, it matters not what, in connection with some rather sordid questions of vice and crime. On this particular point he thought I was in error, or rather in ignorance; as indeed I was. And, merely as a necessary duty and to prevent me from falling into a mare's nest, he told me certain facts he knew about perverted practices, which I certainly shall not set down or discuss here. I have confessed on an earlier page that in my own youth I had imagined for myself any amount of iniquity; and it was a curious experience to find that this quiet and pleasant celibate had plumbed those abysses far deeper than I. I had not imagined that the world could hold such horrors. Damit aber war der entscheidende Punkt in Chestertons Leben und Denken berührt: die Erfahrung des Bösen, oder, ins Individuelle gewandt, der Sünde. The objective solidity of Sin war ihm certitude (ebd. 80), und dieser Fixpunkt seiner Philosophie wurde zum Ausgangspunkt seiner Theologie. Die Allgemeinheit und Unausweichlichkeit der Sünde ist ihm die „sichere Tatsache", die er zur Basis seines religiösen Hauptwerks Orthodoxie machte 4 . Die Erbsünde ist das einzige in der ganzen christlichen Theologie, was sich wirklich beweisen läßt (ebd. S. 9, ähnlich Heretiker5 79). Believing in the devil, ja, korrekter, knowing the devil (Autobiography 81) geht dem Glauben an Gott voraus, so wie im Alptraum (so der Untertitel) des Werks The Man Who Was Thursday, lange bevor Gott aus dem anfänglichen undurchdringlichen Dunkel heraustritt, sein Widerspieler im vollen Sonnenschein sichtbar ist. My wife) when asked who converted her to Catholicism, always answers ,the Devil' (Autobiography 103). Der intellektuellen Gewißheit, daß das Böse nicht lediglich ein Mangel an Gutem, sondern eine positive Größe ist, liegt eine unwiderlegbare schmerzliche moralische Erfahrung zugrunde: On this one matter, a man may well be intellectually right only through being morally wrong (Autobiography 81). D a ß sich nun ausgerechnet a mild and pleasant celibate als Experte f ü r das Böse erweist, beeindruckt Chesterton tief: That the Catholic Church knew more about good than I did was easy to believe. That she knew more about evil than I did seemed incredible (ebd. 328). So gehen auf dieses zufällige Gespräch mit Father O ' C o n n o r zwei entscheidende Tatsachen zurück: die Beschäfitgung mit den Lehren der katholischen Kirche, die schließlich zu Chestertons Konversion führte, und the vague idea o f . . . constructing a

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Autobiography, London 1969, 326. Übers, v. Annette Kolb und Franz Blei, München 1909, 8. Obers, v. G. Kolb-Stockley, Mündien/Leipzig 1912.

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comedy in which α priest should appear to know nothing and in fact know more about crime than the criminals (ebd. 327). Die Father-Brown-Geschichten und die Konversion zur katholischen Kirche haben so beide ihre Wurzel in dem denkwürdigen Gespräch mit Father O'Connor und ihren Wurzelgrund in Chestertons Überzeugung, die ihm wie keine andere die Welt auf Schloß6: One sentimental fashion may assume there are no cannibals; another optimistic fashion that there are no devil-worshippers — or no devils. But there are. That is the fact of experience that is the key to many mysteries, including the mysterious policy of the Roman Catholic Church. Diese Erfahrung von der Existenz der devils und von der generellen Sündhaftigkeit aller Menschen ist für Chesterton aber audi der Schlüssel zu den mysteries im engeren Sinne, zur Gattung der Detektivgeschichte: The ordinary detective story has one deep quality in common with Christianity; it brings home the crime in a quarter that is unsuspected. In any good detective story the last shall be the first and the first shall be the last. The judgment at the end of any silly sensational story is like the judgment at the end of the world; it is unexpected. As the sensational story always makes the apparently blameless banker, the seemingly spotless aristocrat, the author of the incomprehensible crime, so the author of Christianity told us that in the end the bolt would fall with a brutal novelty, and he that exalted himself would be abased (Reading the Riddle, ebd. S. 63). So ergab sich zwangsläufig, daß aus der geplanten comedy in which α priest should appear to know nothing and in fact know more about crime than the criminals (Autobiography 327) The Blue Cross wurde, die erste einer langen Reihe von Detektivgeschichten um den katholischen Priester Brown. Father O'Connor, das Urbild, wurde in seinem Äußeren gründlich verändert (ebd. 322), wobei zugleich, wie Klaus Günther Just gezeigt hat 7 , ein „Gegen-Bild" zum von Chesterton bewunderten Sherlock Holmes entstand. Browns geistige Ausstattung aber hat viele Züge mit der anderer Amateurdetektive gemeinsam: He could not help, even unconsciously, asking himself all the questions that there were to be asked, and answering as many of them as he could; all that went on like his breathing or circulation (Omnibus 386). His courage, which was considerable, was perhaps even less strong a part of him than his curiosity. All his life he had been led by an intellectual hunger for the truth, even of trifles. He often controlled it in the name of proportion; but it was always there (ebd. 442). Befriedigt werden Neugier und Wahrheitshunger wie bei seinen Kollegen durch scharfe Beobachtung und den richtigen Gebrauch der Vernunft, wobei auch er Denkanstöße durch Inspiration und instinktive Einsichten nicht verschmäht. Die logische Schulung seines Verstandes war eine wichtige Grundlage seiner theologischen Ausbildung — I dare say I read old books of logic (ebd. 852) —, und die hohe Schule des theologischen Denkens ist zugleich die des logisdien Denkens: I used to be fairly good at 6 7

The Common Man, London — New York 21951, 95. Edgar Allan Poe und die Folgen, in: Der Kriminalroman I, hg. v. J. Vogt, München 1971, 251.

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thinking. I could paraphrase any page in Aquinas once (ebd. 41 ) 8 . Vor allem aber verdankt Father Brown dem Priesterberuf eine einzigartige Vertrautheit mit allem Bösen und allen Lastern dieser Welt, eine Vertrautheit, die sogar einen Berufsverbrecher erschüttert: „How in blazes do you know all these horrorsf „Oh, by being a celibate simpleton, I suppose. Has it never struck you that a man who does next to nothing but hear men's real sins is not likely to be wholly unaware of human evil?" (Omnibus 23). „We can't help, being priests. People come and tell us these things" (ebd. 21 f.). Diese Illusionslosigkeit über den menschlichen Charakter, diese Haltung des I am never surprised at any work of hell (ebd. 375), hat in ähnlicher Form audi Miss Marple. H a t bei Brown die Erkenntnis der menschlichen N a t u r in der Beichte hierzu beigetragen, so bei Miss Marple die Kenntnisse aus dem Dorfklatsch, die ausnahmslos alle menschlichen Schattenseiten ausleuchten 9 : „I'm afraid that observing human nature for as long as I have done, one gets not to expect very much from it. I dare say the idle tittle-tattle is very wrong and unkind, but it is so often true, isn't itf" So hat das ständig errötende alte Fräulein sogar ausgebreitete Kenntnisse auf geschlechtlichem Gebiet 1 0 : In the course of her duties in a country parish, Jane Marple had acquired quite a comprehensive knowledge of the facts of rural life. She had no urge to talk about them, far less to write about them — but she knew them. Plenty of sex, natural and unnatural. Rape, incest, perversion of all kinds. (Some kinds, indeed, that even the clever young men from Oxford who wrote books didn't seem to have heard about.) Die Konsequenz ist f ü r Miss Marple ein generelles Mißtrauen gegen jedermann: The great thing to avoid is having in any way a trustful mind... I always believe the worst. What is so sad is that one is usually justified in doing so, ist ihre ständige Maxime 1 1 . Father Brown und Miss Marple haben aufgrund dieser Vertrautheit mit der Sünde des Nächsten und den Sünden der Nachbarn beide geradezu einen körperlichen Sinn f ü r die Präsenz des Bösen entwickelt, auch wenn es noch völlig verborgen ist — a strong sense of the smell of evil (Omnibus 442, ähnlich 52, 122, 856), wie es von Brown, a sense of evil, wie es von Miss Marple heißt 1 2 . Die Konsequenzen, die beide aus ihrer Weitsicht ziehen, sind jedoch grundverschieden. Miss Marple sieht ihre Aufgabe darin, in enger Zusammenarbeit mit der Polizei das verborgene Unrecht ans Licht zu bringen und den Täter seiner Strafe zuzuführen. Sie begreift sich als Nemesis, wie sie sich am Schluß von A Caribbean Mystery nennt und wie ihr bislang letztes Abenteuer überschrieben ist. Entsprechend ist 8

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Das hat seine Parallele in einer Anekdote aus Thomas' Leben, die Chesterton in seiner Aquin-Biographie mitteilt: Als er gefragt wurde, wofür er Gott am meisten dankte, antwortete er schlicht: ,Ich habe jede Seite verstanden, die ich jemals gelesen habe' (Thomas von Aquin, übers, v. E. Kaufmann, Heidelberg 2 1957, 13). The Murder at the Vicarage, Fontana Books β 1969, 16. A Caribbean Mystery, Fontana Books "1972, 8. Z . B . A Pocket Full of Rye, Pocket Books 5 1970, 164; A Murder Is Announced, Fontana Books 7 1969, 78. Nemesis, Fontana Books 1972, 99.

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ihre Funktion, Verletzungen der θέμις zu ahnden. Sie kann Bedauern für den Täter empfinden (Nemesis 186 f.), sogar pity (A Murder Is Announced 210); ja, ihr letzter Satz kann sein: May God have mercy on her soul13 — aber das sagt der Richter bei der Verkündung des Todesurteils auch, und in The Body in the Library kommen noch Züge des Henkers hinzu: Really, I feel quite pleased to think of him being hangedu. That old lady gives me the creeps, so gentle — and so ruthless, the most frightening woman I ever met, sind die Kommentare eines Gefängnisdirektors, des Assistant Commissioner von Scotland Yard und des Home Secretary zu ihrer jüngsten Aktivität (Nemesis, 187). Auch zu Browns selbstgestellten Aufgaben gehört es, verborgenes Unrecht aufzudecken, auch er ist ja Detektiv. Was für Miss Marple aber das Ziel ist, ist für ihn nur der erste Schritt auf dem eigentlichen Weg; die Tätigkeit als Detektiv, der Sünden aufdeckt, ist die Vorbereitung auf das Tun des Priesters, der Vergebung schenkt: The gift is given at a price, and is conditioned by a confession. In other words, the name of the price is Truth, which may also be called Reality; but it is facing the reality about oneself. When the process is only applied to other people, it is called Realism (Autobiography 330). Auch Miss Marples Realism in bezug auf den Menschen ist christlichen Ursprungs: Bei ihr ist jedoch vom göttlichen Heilsplan nur noch die menschliche Erlösungsbedürftigkeit als Basis übriggeblieben, während die Möglichkeit der Erlösung vor der innerweltlichen Strafe in den Hintergrund getreten ist. Für Brown erhebt sich aber gerade auf diesem Fundament der gewaltige Bau seiner Kirche; denn Christus wählte . . . zu seinem Eckstein .. . einen Ausreißer, einen Großtuer und Feigling, kurz einen Menschen (Heretiker S. 66). Nur von der Sündhaftigkeit aller Menschen her wird Browns ureigenste priesterliche Aufgabe, Sünden zu vergeben, verständlich. Chesterton zitiert in seiner Autobiographie die Worte des Penny Catechism: The two sins against Hope are presumption and despair (330). Beide haben zur Folge the extreme evil (which is merely the unpardonable sin of not wishing to be pardoned) (ebd. 103). Ähnlich spricht Father Brown von the one spiritual disease . . . thinking one is quite well (Omnibus 177). Es ist deshalb die einzige Krankheit, weil die von ihr Befallenen eine Heilung nicht wollen, da sie sie für unnötig halten. Die erste Aufgabe Browns ist es daher, als Detektiv die verborgene Krankheit aufzudecken. Hierfür kann sich sein geistiger Vater der Gattung der ,orthodoxen' oder klassischen Detektivgeschichte bedienen, in deren Form nach Chestertons eigenem Wort ja die Botschaft verschlüsselt ist: He that exalted himself would be abased. Damit endet die Aufgabe des herkömmlichen Detektivs. Was für diesen ein Letztes ist, ist für Brown nur Vor-· letztes, über das seine Aufgabe als Priester hinausführt: Das Jesus-Wort Matth. 23,12 geht nämlich weiter: He that humbles himself shall be exalted. Dem Gedemütigten kann der Priester Brown die Sünde vergeben, den Kranken, der 13

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At Bertram's Hotel, Fontana Books 4 1969, 192, ähnlich The Mirror Side to Side, Fontana Books "1971, 192. Pan Books ' I 9 6 0 , 155.

Crack'd

from

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seine Krankheit erkannt hat, kann er heilen. Dies entspricht genau der reformatorischen Unterscheidung von Gottes opus alienum und Gottes opus proprium, von mortificatio durchs Gesetz und vivificatio durchs Evangelium von der Sündenvergebung. Überhaupt scheint Chesterton in seiner Sündenlehre näher beim non posse non peccare Augustins und der Reformatoren zu stehen als bei der Scholastik. Der Lehre der Reformatoren ist er aber nie begegnet, der Protestantismus, den er in seinen Schriften schildert und von dem er sich abwandte, war ein matter Liberalismus, und so ist das, was Chesterton als spezifisch katholisch ansieht, meist der den großen Konfessionen gemeinsame Grund. Im Abschnitt X I I der Apologia Confessionis Augustanae, De Poenitentia, heißt es: Alienum opus Dei vocat, cum t err et, quia Dei proprium opus est vivificare et consolari. Verum ideo terret, inquit, ut sit locus consolationi et vivificationi, quia secura corda et non sententia iram Dei fastidiunt consolationem (51). Haec enim sunt duo praecipua opera Dei in hominibus, perterrefacere, et justificare ac vivificare perterrefactos . . . Altera pars lex est, quae ostendit, arguit et condemnat peccata. Altera pars evangelium, hoc est, promissio gratiae in Christo donatae . . . (53). Browns Tun als Detektiv ist geradezu in diesen Worten Melanchthons beschrieben: Ostendit, arguit et condemnat peccata. Das tut er aber nur, um danach als Priester seines Amtes walten zu können, ut sit locus consolationi et vivificationi. Wenn Father Brown als Detektiv dem ,Gesetz' dient, ist immer der νόμος als παιδαγωγός εις Χριστόν (Gal. 3,24) gemeint, nie das Strafgesetzbuch. I've never had anything to do with setting police machinery at work, or running down criminals, or anything like that (Omnibus 845). Brown hat es nicht wie seine Detektivkollegen mit dem bürgerlichen ,skeleton in the cupboard' zu tun, sondern mit seiner christlichen Entsprechung, den „übertünchten Gräbern, welche auswendig hübsch scheinen, aber inwendig sind sie voller Totengebeine" von Matth. 23,27. Entsprechend unterscheiden sich seine Maßstäbe auch deutlich von denen weltlicher Strafverfolgung: Pride ist the vice that perpetuates all vices (Omnibus 578), an egoist ist something very much worse than a murderess (ebd. 720) und Being bad inside has very little to do with committing crimes outside. The worst criminals have committed no crimes (ebd. 932). Chestertons Paradigma f ü r dieses doppelte Wirken Browns als Detektiv und Priester ist die Gestalt Flambeaus, die uns von der ersten bis zur letzten Geschichte um Father Brown immer wieder begegnet. Er betritt die Bühne als great criminal (ebd. 3), colossus of crime .. . keeping the world in turmoil (ebd. 3, 20), king of thieves (ebd. 137), Rot des Apaches (ebd. 129), the most famous criminal in France (ebd. 633). Dreimal überführt ihn Brown, ostendit, arguit et condemnat peccata: „I do want to threaten you", said Father Brown, in a voice like a rolling drum, „I want to threaten you with the worm that dieth not, and the fire that is not quenched" (ebd. 54). Flambeau bereut, und ihm wird vergeben, er fällt zurück, wird wieder überführt, bereut aufs neue, ihm wird aufs neue vergeben, und er lebt gewandelt weiter. Der Pariser Polizeichef Valentin aber, der ihm in der ersten Geschichte auf der Spur ist, one of the most powerful intellects in Europe, the most famous investigator of

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the world (ebd. 3), stirbt, von Brown eines Mordes überführt, von eigener H a n d . Er hat die Vergebung nicht gewollt, und auf dem Gesicht des Selbstmörders liegt more than the pride of Cato (ebd. 45) — der Stolz Luzifers. So bereitet Brown als Detektiv seiner eigentlichen Arbeit als Priester den Boden, entlarvt den Täter in der Hoffnung, hinter der Larve den reuigen Menschen zu finden, deckt die verborgene Missetat auf, um die offenbare zu vergeben. In der göttlichen Einsetzung zum fisher of men (ebd. 61) ist f ü r Brown das ,Fangen' des Detektivs eingeschlossen und aufgehoben: „Did you catch this manf „Yes, I caught him, with an unseen hook and an invisible line which is long enough to let him wander to the ends of the world, and still to bring him back with a twitch upon the thread" (ebd. 61). Immer wieder bieten die Father-Brown-Geschichten die Konstellation vom Pharisäer und vom Zöllner, und immer erweist Brown den Pharisäer als den Schuldigen: Nicht der seltsame H i n d u und nicht der verkommene Verwandte, der geachtete Arzt ist der Mörder (The Wrong Shape); nicht das Italien der Operettenräuber ist The Paradise of Thieves, sondern die kapitalistische Geschäftswelt, und deren R ä u ber sind Bankiers. Nicht der angeklagte Ausländer mit opinions . . . of a nihilistic and destructive sort (ebd. 652) ist der Mörder, sondern der ihn anklagende Staatsanwalt (The Mirror of the Magistrate); nicht der Mörder, der Ermordete ist schuldig (The Vanishing of Vaudrey). U n d so geht es weiter, und bezeichnenderweise ist auch ein anglikanischer Geistlicher in der Reihe der mordenden Ärzte, Manager, Rechts- und Staatsanwälte zu finden, während sonst echte Geistliche der großen Konfessionen bei den Autoren von Detektivromanen nicht zu Morden zugelassen sind 15 . The Crime of the Communist, der allen suspekt ist, ist das Verbrechen des Kapitalisten, dem alle vertrauten (dieselbe Konstellation Kommunisten-Kapitalisten mit derselben Lösung in The Ghost of Gideon Wise und The Point of a Pin). It is not the revolutionary man, but the respectable man who would commit any crime — to save his respectability (Omnibus 806). Die Rettung, um die es Brown geht, liegt aber gerade in der Aufgabe der respectability. Only a convicted thief has ever in this world heard that assurance: This night shalt thou be with Me in Paradise" (ebd. 679), während so many who are rich and secure remain hard and frivolous (ebd. 61). Dem Pharisäer, der sich als Zöllner erkennt, kann vergeben werden, auch f ü r den Ersten gilt, wenn er zum Letzten geworden ist, die Verheißung: die Letzten werden die Ersten sein. Father Brown will und kann sich selbst natürlich von dieser göttlichen Regel nicht ausnehmen. Die Untersuchung der geheimen Verbrechen der anderen ist ihm immer zugleich Aufdecken der geheimsten eigenen Verbrechen, die noch in seinem Herzen verborgen sind. Wie alle Menschen ist auch er der Erbsünde unterworfen: I am a man and therefore have all devils in my heart (ebd. 174). So ist der Weg nach außen in die Welt des Verbrechens zunächst ein Weg nach innen, ins eigene Herz. Das ist The Secret of Father Brown, das so 15

Selbst in Edmund Crispins Holy Disorders, das ausschließlich unter den Angehörigen des Domkapitels von Tolnbridge spielt, ist die Hauptschuldige eine Pfarrerstochter.

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sehr sein innerstes Selbst betrifft, daß er es am liebsten verschweigen möchte: You see, I had murdered them all myself. So, of course, I knew how it was done (ebd. 637). I mean that I really did see myself, and my real self, committing the murder... I mean that I thought and thought about how a man might come to be like that, until I realised that I really was like that, in everything except actual final consent to the action (ebd. 638). Die Überführung der anderen ist immer zugleich die Überführung seiner selbst: It's so real a religious exercise that I'd rather not have said anything about it. . . No man's really any good till he knows how bad he is, or might be; till he's realised exactly how much right he has to all this snobbery, and sneering, and talking about criminals', as if they were apes in a forest ten thousand miles away; till he's got rid of all the dirty self-deception of talking about low types and deficient skulls; till he's squeezed out of his soul the last drop of the oil of the Pharisees; till his only hope is somehow or other to have captured one criminal, and kept him safe and sane under his own hat (ebd. 640). Die detektivischen Abenteuer Father Browns bewirken so in ihm selbst eine Katharsis eigener Art: sie reinigen ihn nicht von Leidenschaften, sondern von der Täuschung, frei davon zu sein, überführen ihn des ,Schmutzes' und machen ihn so bereit, eine endgültige Katharsis nicht bei sich, sondern bei Gott zu suchen. Der Detektiv vertritt in der Detektivgeschichte aber zugleich die Leser 16 , und indem Brown sich überführt, überführt er die Leser. So mündet jedes kleine mystery im großen mystery of iniquity von 2. Thess. 2,7, das in angelsächsischen Detektivromanen so häufig zitiert wird, im großen Rätsel des Bösen, das zu lösen ihn immer wieder aufs neue verlockte, wie es von Dürrenmatts Kommissar Bärlach heißt 17 . Mit diesem Rätsel schließt denn auch die letzte der Father-Brown-Geschichten, The Insoluble Problem: Like a garland of unfading flames, like the sun of our mortal midnight, the great monstrance blazed against the darkness of the vaulted shadows, as it blazes against the black enigma of the universe. For some are convinced that this enigma also is an Insoluble Problem. And others have equal certitude that it has but one solution (Omnibus 974). Auf das mystery of iniquity antwortet das Geheimnis des Glaubens — a sublime detective story. Only it is not set to detect why a man is dead; but the darker secret of why he is alive18.

II. The ,unorthodox* mystery novels featuring Rabbi David Small Chestertons Medium, in dem er diese Erfahrung immer wieder an Exempeln durchspielte, war die Detektiv-Kurzgeschichte. Er hat diese Ausschließlich16

17

18

S. dazu Richard Alewyn: Anatomie des Detektivromans, in: Der Kriminalroman II, hg. v. J. Vogt, München 1971, 384 f. Der Richter und sein Henker, rororo 150, Hamburg 1955, 33. The Wrong Problem, von John Dickson Carr in deutlichem Chesterton-Ton verfaßt, schließt mit der Frage: Is there no rational pattern in the scheme of things, and no answer to the bedeviled on earth? (The Third Bullet And Other Stories, Bantam Books 1965, 136). The Thing, London 1957, 78.

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keit audi in seinem Essay On Detective Novels19 in engem Zusammenhang mit der für ihn entscheidenden demaskierenden entlarvenden Funktion der Gattung theoretisch begründet: The chief difficulty is that the detective story is, after all, a drama of masks and not of faces. It depends on men's false characters rather than their real characters. The author cannot tell us until the last chapter any of the most interesting things about the most interesting people. It is a masquerade ball in which everybody is disguised as somebody else, and there is no true personal interest until the clock strikes twelve. That is, as I have said, we cannot really get at the psychology and philosophy, the morals and the religion, of the thing until we have read the last chapter. Therefore, I think it is best of all when the first chapter is also the last chapter. The length of a short story is about the legitimate length for this particular drama of the mere misunderstanding of fact (14). Ein weiterer mehr praktischer Grund ist die notwendige Einfachheit der Lösung: The whole point of a sensational story is that the secret should be simple. The whole story exists for the moment of surprise; and it should be a moment. It should not be something that it takes twenty minutes to explain, and twentyfour hours to learn by heart, for fear of forgetting it (ebd. 12). Genau diese Ansicht hat auch Harry Kemelman zur Form der DetekrivKurzgeschichte geführt und lange dabei bleiben lassen. Im Vorwort zur 1968 erschienenen Sammlung der Nicky-Welt-Stories, mit denen er seit 1947 seinen Ruhm bei Kennern begründete, schreibt er 2 0 : I felt that the classic tale of detection was essentially a short story — the primary interest on the problem, with characters and setting emerging as adjuncts. Hence to stretch such a story to novel length would call for either engulfing the reader in a tedious recital of every little step that led the hero to his solution — many of these, necessarily, steps in the wrong direction — or posing a problem so complex that the reader would be as puzzled at the end as he was in the beginning. So gab es, trotz eifriger Verlegernachfrage, so wenig einen Nicky-Welt-Roman, wie es einen Roman um Father Brown gibt. That problem of the full-length mystery novel (ebd. 11) löste sich für Kemelman ganz unerwartet, wie er im zitierten Vorwort schreibt: Er hatte sich an einem Roman, The Building of a Temple, versucht, der the sociological situation of the Jew in Suburbia (ebd. 10) behandelte, sich aber leider nach dem übereinstimmenden Urteil verschiedener Verlage als unsaleable erwies. Im Gespräch mit einem Verleger ergab sich dann die Lösung: Why not incorporate my detective stories with my novel of the Jewish suburban community? . . . The murder would provide only one thread, albeit an important one, of a larger narrative. That would be the story of the entire community in which the murder occurs and which affects everyone involved. The result, of course, was the creation of the ,unorthodox' mystery novel featuring Rabbi David Small (ebd. 11).

19 20

In: Generally Speaking, Tauchnitz, Leipzig 1929, 9—14. Introduction to The Nine Mile Walk And Other Stories,

mondsworth 1971, 10.

Penguin Books, Har-

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Der Einfall, Gesellschaftsroman und Detektivgeschichte zu verbinden, ist als solcher weder neu noch ,unorthodox', wie natürlich auch der EnglischProfessor Kemelman als einer der vielen poetae docti und poetriae doctae dieses Genres weiß. Der ,orthodoxe' Detektivroman als Romangattung verdankt vielmehr seine Entstehung gerade dieser Synthese, wie sie Armand Lanoux auf die Formel gebracht hat 2 1 : „Le feuilleton + Dupin = Gaboriau". „Comme ses confreres, il a fabrique un feuilleton ou l'on retrouve l'habituel conflit des riches et des pauvres, les substitutions d'heritiers, les preteurs a gages, les nourrices infideles, les courtisanes devorantes. C'est le cheptel de Balzac" (ebd. 7). Hiermit aber hat Gaboriau das Schema von Geheimnis und Aufklärung verbunden, wie es die Detektivgeschichte bot, und das Ergebnis war der Detektivroman als „oeuvre de longue dimension, qui a le temps de refleter la vie, de baigner en eile" (ebd. 10), eben the full-length mystery novel, von der Kemelman spricht. Nicht im ,daß', sondern im ,wie' der Verbindung muß also das Neue und ,Unorthodoxe' liegen. Um es zu finden, ist daher zunächst der ,orthodoxe' Gebrauch der mystery novel zu untersuchen. Man verfehlt notwendig Gaboriaus Intentionen und seine Leistung, wenn man sein Werk, wie es meist geschieht, nur vom späteren klassischen Detektivroman aus beurteilt und die stark sozialkritische Komponente, das Erbe Balzacs und Sues, außer Betracht läßt 22 — am krassesten etwa in der Bearbeitung von L'affaire Lerouge in der Reihe Heyne Crime Classics23, die Gaboriaus Text .behutsam' auf ein Drittel kürzt und alles Gesellschaftsbezogene wegläßt. Beginnend mit L'affaire Lerouge (1863, als Buch 1866) und endend mit dem postum 1874 erschienenen L'argent des autres versucht Gaboriau eine Art Comedie Humaine des Zweiten Kaiserreichs und der frühen Dritten Republik — a society which deems its organization too perfect to consent to modify it24. Im Gegensatz zu Balzac und später zu Zola aber ist die Entlarvung der Gesellschaft, der Blick hinter die Fassaden auf the corruption of the age (ebd. 358) dem Leser nicht von vornherein gestattet, sondern Ergebnis eines Detektionsprozesses. Der Autor läßt das gesellschaftliche Drama nicht unmittelbar vor uns ablaufen, sondern vermittelt durch Detektive wie Tabaret und Lecoq, bisweilen audi durch anonymes Teamwork. Lecoq erklärt: My theatre is — society. My actors laugh honestly, or weep with genuine tears. A crime is committed — that 21 22 23

24

Preface de Gaboriau: L'affaire Lerouge, Le livre de poche, Paris 1968, 11. Ζ. Β. bei Edgar Marsch: Die Kriminalerzählung, München 1972, 176. So verdienstvoll der Gedanke der Reihe ist, so wenig brauchbar ist die Verwirklichung. Die Obersetzungen sind bisweilen grobschlächtige Bearbeitungen, ohne daß darauf hingewiesen würde. S. S. van Dine: The Bishop Murder Case, das erste und beste aller Nursery Rhyme Mysteries, w u r d e als Mordsache Bischof bei der ,Übersetzung' aus einer Ich-Erzählung aus der Watson-Perspektive in eine personale Erzählung umgewandelt und zugleich um einen kompletten Mord gekürzt. Other Peoples' Money, N e w York 1900, 269. L'argent des autres und Le crime d'Orcival (The Mystery of Orcival, N e w York 1900) standen mir leider nur in der amerikanischen Übersetzung zur Verfügung, die allerdings ein Kenner wie W. H . Wright (alias S. S. v a n Dine) als „excellent edition . . . well translated into English" bezeichnet (Introduction to The World's Great Detective Stories, N e w York o. J., 14).

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is the prologue; I reach the scene, the first act begins. I seize at a glance the minutest shades of the scenery. Then I try to penetrate the motives, I group the characters, I link the episodes to the central fact, I bind in a bundle all the circumstances. The action soon reaches the crisis, the thread of my inductions conducts me to the guilty person; I divine him, arrest him, deliver him up. Then comes the great scene; the accused struggles, tries tricks, splits straws; but the judge, armed with the arms I have forged for him, overwhelms the wretch; he does not confess, but he is confounded. And how many secondary personages, accomplices, friends, enemies, witnesses are grouped about the principal criminal! Some are terrible, frightful, gloomy — others grotesque. And you know not what the ludicrous in the horrible is (The Mystery of Orcival 118 £.). Tabarets Leitsatz se defter surtout des apparences25, den er an Lecoq weiter-* gegeben hat und der in allen Geheimnisromanen Gaboriaus wiederkehrt, hat stets einen gesellschaftskritischen Impetus, stets ist auch der Anschein, den man sich gibt, der Schein, den es zu wahren gilt, das falsche Ansehen, die hohle Würde, die gesellschaftliche Prätension und die unverdiente soziale Stellung gemeint. Folgerichtig ist sein Werk auf die ,angesehenen* Klassen beschränkt. Deren Geheimnisse bringt keine reguläre Polizei und kein Gericht an den Tag, sie zu enthüllen bedarf es des genialen Detektivs und des Romans, der seine

Taten festhält. On ne voit au grand jour de la „Gazette des Tribunaux" que les melodrames sanglants de la vie, et les acteurs, d'immondes scelerats, sont laches comme le couteau ou betes comme le poison qu'ils emploient. C'est dans l'ombre des families, souvent ä l'abri du code que s'agite le drame vrai, le drame poignant de notre epoque; les traitres y ont des gants, les coquins s'y drapent de consideration, et les victimes meurent desesperees, le sourire aux levres, sagt Lecoq in Le Dossier No. 1132S, und in fast jedem Roman heißt es ähnlich. Gaboriau beginnt seine Enthüllungen in der Welt des reaktionären Hochadels, bei Gestalten wie dem Comte de Commarin: Ii aspirait, lui, α des

choses positives, au pouvoir, par exemple, sincerement persuade que son parti pouvait encore le ressaisir et le garder, et reconquerir sourdement et lentement, mais sürement, tous ses privileges perdus (L'affaire Lerouge 175). Macht und Einfluß dieser Leute kann nur brechen, wer hinter ihre Geheimnisse kommt:

der erste Teil des Monsieur Lecoq schließt: Le pere Tabaret leva les bras au ciel avec tous les signes de la plus terrible agitation. „Malheureux, s'ecria-t-il, aurais-tu la pensee d'aller arreter le due de Sairmeuse! . . . Pauvre Lecoq! . . . Libre, cet komme, et presque tout-puissant, et toi, infime agent de la Sürete, tu serais brise comme verre! Prends garde, 6 mon fils! Ne t'attaque pas au due, je ne repondrais merne pas de la vie." Le jeune policier hocha la tete. „Oh!. . . Je ne m'abuse pas, dit-il, je sais qu'en ce moment le due est hors de mes atteintes .. . Mais je le tiendrai le jour ou j'aurai penetre son secret. . . Oui, je me tiendrai dans l'ombre jusqu'au jour oü j'aurai souleve le voile de cette tenebreuse affaire . . . alors j'apparaitrai. . . J'aurai ma revanche" (153 f.). Wissen

25 20

Ζ. B. Monsieur Lecoq III, Paris/Naumbourg s. S. 1869, 132. Paris 1963 (10/18), 328.

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bedeutet auch hier Macht, und so ist die Detektion, das Erlangen des Wissens, bei Gaboriau auch immer zugleich Entmachtung der herrschenden Klassen. Die Geheimnisse, in deren Besitz es zu gelangen gilt, liegen stets tief in der Vergangenheit: II faut remonter dans le passe pour trouver les causes premieres d'un crime (Le Dossier No. 113 327) ist Lecoqs Leitsatz. Diese causes premieres sind bei Gaboriau nun stets Konkretisationen gesellschaftlicher Konflikte. Wo sie sich nicht aus dem Zusammenstoß zwischen adliger und bürgerlicher Welt ergeben (ζ. B. L'affaire Lerouge), sind sie fast immer durch dem Adel eigentümliche Ideale und Verhaltensweisen bestimmt: standesgemäße Ehen, Rücksichten auf l'honneur du nom (Monsieur Lecoq, La corde au cou, Le Dossier No. 113), die Auffassung que l'aine d'une maison noble doit heriter tous les biens (Le Dossier No. 113 212), das Verhalten der zurückkehrenden Emigranten unmittelbar vor und nach den Cent Jours (Monsieur Lecoq), die Ausrichtung der Erziehung an leer und inhaltslos gewordenen Adelsidealen (Le Crime d'Orcival). Die Täter sind immer zugleich auch die Opfer dieser Verhältnisse, und wichtiger als die Entdeckung des Täters ist Gaboriau die Aufdeckung der Verhältnisse, die ihn zur Tat trieben 27 . Die letzten Worte des des Mordes überführten illegitimen Sohnes zu seinem Vater, dem Comte de Commarin, sind: Adieu, mon pere! en tout ceci vous etes le vrai coupable, seul vous ne serez pas puni. Le Ciel n'est pas juste. Je vous maudisl (L'affaire Lerouge 425 f.). Das Gericht vermag diese causes premieres d'un crime nicht zu erfassen, der im Roman geschilderte Detektionsprozeß aber legt sie offen und stellt sie bloß. Daß es Gaboriau tatsächlich um Aufdeckung verbrecherischer Verhältnisse und nicht lediglich um die Detektion rätselhafter Verbrechen geht, macht sein letzter Roman L'argent des autres deutlich. Er behandelt, 17 Jahre vor Zolas L'argent, die Welt der Börse und der Banken. Bereits 1867 in Le Dossier No. 113 war die Finanzaristokratie im Zusammenstoß mit der Adelswelt dargestellt worden. Lecoq verhindert, daß ein Bankier und sein Hauptkassierer durch adlige Machenschaften zugrunde gerichtet werden. Der spätere Roman nun trägt in einem ähnlichen Konfliktfall den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen Rechnung; denn jetzt wird ein Adliger durch einen Bankier und seinen Kassierer runiert. Schon in Le Dossier No. 113 zeichnete sich dieser 27

Die langen auktorial nachgeholten Vorgeschichten kurz vor der Lösung durch den Detektiv, die die Struktur vieler Gaboriau-Romane bestimmen (Le crime d'Orcival, Monsieur Lecoq, Le Dossier No 113, Caught in the Net [ N e w York 1913] mit dem rückgreifenden 2. Teil The Mystery of Champdoce und etwas modifiziert L'argent des autres), machen dies äußerlich sichtbar, was die Kritiker meist übersehen (zuletzt 2denko Skreb: Die neue Gattung, in: Der wohltemperierte Mord, hg. v. V. 2megac, Frankfurt a. M. 1971, 67). D a ß nicht etwa lediglich Gaboriaus Unvermögen schuld ist, wird daraus deutlich, daß sein erster Detektivroman, L'affaire Lerouge, auf die nachgeholte Vorgeschichte verzichtet. Doyle hat dieses Bauschema nicht nur in seinem ersten Holmes-Roman Α Study in Scarlet (so Skreb, a. a. O. 67), sondern auch im dritten, The Valley of Fear, übernommen. Durch die Anwendung auf die für Doyles Leser exotischen Verhältnisse bei amerikanischen Mormonen und Freimaurern um die Jahrhundertmitte ist dabei jedoch die sozialkritische Funktion verlorengegangen.

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Wandel ab: Le reve de Louis, le but de son ambition et de tous ses efforts, etait de prendre rang parmi les grands industriels de France. II faisait sonner tres haut, bien plus baut que son titre de marquis, sa qualite de maitre de forges. Pour l'avoir experimente α ses depens, il savait que notre siecle peu romanesque n'attache de prix a des armoiries qu'autant que leur possesseur les peut etaler sur une belle voiture (292). In L'argent des autres ist der Wechsel vollendet, the high barons of financial feudality sind an die Stelle der old aristocracy getreten (9), und nun sind es ihre Praktiken, die der Detektionsprozeß offenlegt. An die Stelle des Mordes tritt das ,white-collar crime', Betrug und Wirtschaftskriminalität größten Stils mit Machenschaften, die zu geschickt getarnt und verschleiert werden, als daß die reguläre Justiz und die Polizei sie ahnden könnten, und die bis heute aktuell geblieben sind, wie der Blick in den Wirtschaftsteil einer Tageszeitung lehrt. So nimmt Gaboriau einmal Emma Lathens Detektivromane aus der Wall-Street-Atmosphäre um fast ein Jahrhundert vorweg, zugleich aber wird die Entlarvung der verschiedensten betrügerischen Praktiken geradezu brechtisch überhöht. In der Dreigroschenoper heißt es: Wir kleinen bürgerlichen Handwerker, die wir mit dem biederen Brecheisen an den Nickelkassen der kleinen Ladenbesitzer arbeiten, werden von den Großunternehmern verschlungen, hinter denen die Banken stehen. Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Bei Gaboriau lesen wir: And yet it is not those who simply aim to steal your portemonnai who are either the most dishonest or the most formidable. To stand at the corner of some dark street, and rush upon the first man that comes along, demanding, ,Your money or your life', is but a poor business, devoid of all prestige, and long since given up to chivalrous natures. A man must be something worse than a simpleton to still ply his trade on the highroads, exposed to all sorts of annoyances on the part of the gensdarmes, when manufacturing and financial enterprises offer such a magnificently fertile field to the activity of imaginative people (337). Das Geld, das an der Börse verdient wird, ist für Gaboriau per definitionem l'argent des autres — wie ein Leitmotiv zieht sich der Titel durch das Buch. Zugleich aber sind diese Betrüger großen Stils vor jedem Zugriff sicher: Having succeeded, they are absolved (160). Das öffentliche Interesse schützt sie, da ein Vorgehen gegen sie ihre Gesellschaften gefährden und damit ihre Aktionäre mitbestrafen würde (350). Fast dieselben Worte, mit denen Tabaret Lecoq vor dem Herzog von Sairmeuse warnte, gelten nun einem Finanzaristokraten: You have no idea of the occult influences of which a man can dispose who handles millions .. . you never can reach M. de Thaller, henceforth backed by this stockholders. You will only succeed in making an enemy whose hostility will weigh upon your whole life (351). Indem es dem Marquis de Tregars, der in diesem an sich detektivlosen Roman die Rolle des Detektivs vertritt, gelingt, hinter das zentrale verbrecherische Geheimnis des Barons de Thaller und seiner Frau zu kommen, kann er sie zur Rechenschaft ziehen. Das Urteil fällt dennoch höchst milde aus: As in most of these financial affairs, justice, whilst exposing the most audacious

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frauds, was not able to unravel the true secret (532). Zudem ist de Tregars' Sieg ein winziger Teilerfolg, die Entlarvung eines Schurken unter Hunderten, im Großen aber vollzieht sich weiterhin das Spiel of those numerous companies which have absorbed, in the past twenty years, according to some statistics, twelve hundred millions, and, according to others, two thousand millions, of the public fortune (404). Sogar die Mutual Credit Society, die Baron de Thaller eigens für seine Betrügereien gegründet hat, arbeitet weiter, und der letzte Satz des Börsenromans ist eine Börsennotiz: Mutual Credit is quoted at 467.25! (533). So ist der Ausgang seines letzten Buches der pessimistischste unter den vielen pessimistischen Schlüssen Gaboriaus. Stets ziehen sich die Akteure, Schuldige wie Unschuldige, Mittäter wie Opfer, angeschlagen, getroffen, versehrti zurück; nie steht am Ende die ,heile Welt', der „friedliche Zustand nach der Festnahme", die „wahre Unschuld", die Auden für das Ende des Detektivromans postuliert 28 . Zu viel ist ans Licht gekommen, zu viele Illusionen sind zerstört, zu viele secondary personages, accomplices, friends, enemies, witnesses sind bloßgestellt worden, als daß die Welt durch den Selbstmord oder die Verhaftung eines Schuldigen wieder ,heil* werden könnte: Si Mme de Claudieuse etait coupable, ce serait ä desesperer de l'humanite, et ä ne plus croire a rien au monde29. Der Detektionsprozeß aber erweist sie als schuldig und führt so zum desesperer de l'humanite, zum ne plus coire ä rien au monde, das ja auch für Father Brown das pädagogische Ziel seines detektivischen Tuns war, weil es bei ihm den Weg für die Hoffnung auf und den Glauben an Gott freimachte. Für solche Entlarvung, Desillusionierung, Bloßstellung, Enthüllung und Verunsicherung stellt der ,orthodoxe' Detektivroman das Schema, das technische Gerüst zur Verfügung 30 . Worauf es angewandt wird, was mit Hilfe dieser speziellen Erzähltechnik entlarvt und enthüllt wird, kann wechseln. Waren es bei Gaboriau die Korruption des französischen Hochadels und der Kapitalisten seiner Zeit, so sind es im klassischen englischen Detektivroman meist die Skelette in den Schränken der englischen Oberschicht. In dieser Schule tritt aber zugleich das Interesse am Inhalt der Enthüllung fast völlig zurück, und das Schwergewicht liegt beim Detektionsprozeß selbst, der möglichst kongenial das zuvor vom Täter genial Verdeckte herausfindet. Aus gegebenem Anlaß können aber auch Autoren dieser Schule das Gattungsschema auf aktuelle Sachverhalte anwenden. So hat ζ. B. John Dickson Carr in der Kurzgeschichte The Proverbial Murder31 seinen Beitrag zur Verteidigung Englands im Zweiten Weltkrieg 26

29 30

31

Das verbrecherische Pfarrhaus, in: Der wohltemperierte Mord 134; ähnlich Hans Daiber: Nachahmung der Vorsehung, in: Der Kriminalroman I I 4 2 1 — 4 3 6 ; stark übersteigert Günter Waldmann: Kriminalroman — Antikriminalroman, in: Der Kriminalroman I 2 0 6 — 2 2 7 , vor allem 2 0 6 — 2 1 0 . La corde au cou, Marabout Geant, Verviers 1958, 283. Vgl. dazu vor allem Ernst Bloch: Philos. Ansicht des Detektivromans, jetzt in: Der Kriminalroman I I 322—-343, und Richard Alewyn: Anatomie des Detektivromans, ebd. 3 7 2 — 4 0 4 , vor allem 390 ffI n : The Third Bullet, 137—153.

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geleistet: Bei einem Spionagefall in Devonshire entlarvt D r . Fell eine Engländerin, die sich heimlich zur Nazi-Ideologie bekennt, als die Schuldige, während alle anderen einige dort lebende Deutsche verdächtigten: You fly your own

colours and present yourself for what you are ... But she's English — ... that's what makes her so dangerous... The alien we can deal with. But the hypnotized zealot among ourselves, the bat and the owl and the mole who would ruin us with the best intentions, is another thing ... It is what we have to fear; and, by the grace of God,

all

we have to fear! (S. 152 f.). In wieder anderer

Weise hat Julian Symons das traditionelle Schema durch Anwendung auf neue

Inhalte aktualisiert 32 : Das, was mich am meisten in unserer Zeit beunruhigt,

ist

die Gewalttätigkeit hinter respektablen, ehrenwerten Gesichtern, ist der Beamte, der sich überlegt, wie man Juden am wirkungsvollsten und schnellsten tötet, der Richter, der mit Leidenschaft die Notwendigkeit der Todesstrafe vertritt, der stille, gehorsame Junge, der nur so zum Spaß tötet... Wenn man diese Gewalttätigkeit zeigen will, die hinter den glatten, sanften Gesichtern schlummert: Welches Mittel wäre dazu besser geeignet als der Kriminalroman? Als eine solche inhaltliche Aktualisierung des ,orthodoxen* Sdiemas versteht R a y m o n d Chandler in The Simple Art of Murder die ,amerikanische Schule', wie Hammett und andere sie begründeten. Sie setzten an Stelle der Schauplätze, des Personals und der Motive, die eine für sie ferne und vergangene Gesellschaft geprägt hatte, die eigene Welt und deren Doppelbödigkeit, and wie Chandler sie für sein W e r k beschreibt 3 3 : a world... in which hotels

apartment houses and celebrated restaurants are owned by men who made their money out of brothels, in which a screen star can be the finger man for a mob, and the nice man down the hall is a boss of the numbers racket; a world where a judge with a cellar full of bootleg liquor can send a man to jail for having a pint in his pocket, where the mayor of your town may have condoned

murder

as an instrument

of money-making...

Ans Licht gebracht

wird diese hidden truth (ebd. 21) durch das klassische Schema des Detektivromans; was Chandler von Hammett sagt, gilt auch für seine eigenen R o m a n e :

With all this he did not wreck the formal detective story. Nobody duction demands a form that can be produced (ebd. 17).

can; pro-

W o sich audi außerhalb der eigentlichen Schul- und Gattungstradition Autoren dieser Form bedienen, geht es um das darin bereitgestellte Schema der Enthüllung. Bergengruen verfährt in Der Großtyrann und das Gericht, wie es

in der Präambel heißt, auf eine solche Art, daß unser Glaube an die menschliche Vollkommenheit

eine Einbuße

erfahre,

eben in der Art des orthodoxen Detek-

tivromans. Das Ziel ist wie bei Chesterton die Uberführung eines jeden, die

Enthüllung der Schuld aller Menschen und somit die Hinführung zum

Glauben

an des Menschen Unvollkommenheit; denn in nichts anderem kann ja unsere Vollkommenheit bestehen, als in eben diesem Glauben. Zit. in: Julian Symons: Am Anfang war der Mord, übers, v. F. A. Hofschuster, München 1972, 187. S·1 The Simple Art of Murder, Ballantine Books, N e w York 1972, 19. 32

Father Brown und Rabbi Small

563

In Wassermanns Fall Maurizius^ hingegen ist diese Uberführung und Entlarvung eingeengt auf eine bestimmte Generation und Gesellschaftsschicht. Indem Etzel Andergast als Sherlock Holmes in Taschenformat (140) oder als Mister Nobody (314), wie er nach Robert Krafts populärem Sensationsdetektiv] einmal genannt wird, die wahren Hintergründe der lange zurückliegenden Affäre aufdeckt, entdeckt er zugleich die Abgründe unter der Welt des Vaters und enthüllt die tönernen Füße an seinem Bild. Gleich die ersten flüchtigen Begegnungen mit dem alten Maurizius geben Etzel ein fortwährend, anwachsendes Mißtrauen (19) gegen den Vater, seine Generation und die von ihm vertretenen Ordnungen (101), als trügen die Mauern nicht mehr verläßlich das Dach, als seien penetrante Giftstoffe in den Schränken aufbewahrt, als brenne im Keller eine Zündschnur, die demnächst eine Kiste Dynamit zur Explosion bringen mußte (19 f.). Sein Vater ist ihm immer wie ein Turm erschienen, der keinen Zugang hat, keine Türen, keine Fenster, der nur gewaltig ragt und von unten bis oben Geheimnisse birgt (34). Der Fall Maurizius wird ihm nun zum Hebel, mit dem er sich Zugang zur Wahrheit durch Aufdeckung der Geheimnisse verschaffen kann (129). Auch sein Vater spürt, wie Etzels detektivische Blendlaterne zugleich mit dem vergangenen Verbrechen sein Gesicht... vollkommen durchleuchtet, als ob Haut und Knochen aus Gelatine bestünden und solcherart das Gehirn bloßgelegt würde, auf welches das Blendlicht hauptsächlich gerichtet war (216). Beide Detektionsprozesse haben dasselbe Ende: mit der Aufdeckung des Justizirrtums bricht Andergasts auf Gesetz und Recht aufgebaute Welt zusammen, das Werk eines Lebens wird unter makabren Zweifel gesetzt, wie Getreide, das in der Scheune fault (566). Dem Zusammenbruch seiner Welt folgt der Zusammenbruch seiner Person: Aus der Gestalt, in der für Etzel immer Gott und Vater zusammengefallen waren (ζ. B. 34, 42, 191), der er Allmacht und Allwissenheit zugebilligt hatte (150) und die er in seinen Gedanken Er wie den Gott der Bibel nannte (507), wird eine andere. . ., die gleichsam ein paar Treppen tiefer stand als man selber, zu der man sich sogar ein wenig herabbeugen mußte, um sie zu erkennen. Nicht mehr rätselhaft, nicht mehr Wahrer und Wisser von Geheimnissen, nicht mehr Regent dunkler Schicksale, nicht mehr Trismegistos, sondern niedergebrochener, schuldiger Mensch (577). Symbolisch zerschlägt Etzel die gläsernen Wände (15), die ihn gefangen hielten (576), und beginnt sein eigenes Leben. Kemelmans Rabbi-Romane35 setzen nun an die Stelle dieser ,orthodoxen* Verschmelzung von Gesellschafts- und Detektivroman die Addition beider Formen — eine Addition, die theoretisch durch eine Subtraktion wieder rückgängig gemacht werden kann, wie es ein Kritiker andeutet 36 : „Ohne Leiche wäre das ein ausgezeichneter Gesellschaftsroman. So ist's ein Krimi — einer von 34 35

30

Berlin 1928. Friday the Rabbi Slept Late, A Fawcett Crest Book, Greenwich, Conn. o. J. (zit.: Friday)·, Saturday the Rabbi Went Hungry, Penguin Books, Harmondsworth 1969 (zit.: Saturday)·, Sunday the Rabbi Stayed Home, A Fawcett Crest Book, Greenwich, Conn. 1970 (zit.: Sunday). Christian Ferber in: Die Welt der Lit., zit. in rororo thriller 2090 und 2125.

564

Volker Neuhaus

den besten". W a r bei den bisher behandelten Beispielen die Entlarvung das integrierende Moment, so ist es für Kemelman die Zentralgestalt des Rabbi, die einmal im Umgang mit seiner Gemeinde, zum andern in Auseinandersetzung mit einem Mordfall gezeigt werden kann. In der schon zitierten Introduction zu The Nine Mile Walk schreibt Kemelman: The traditional function of the rabbi, as opposed to the priest or minister, is as a judge, interpreter of the Law, rather than as a religious leader. How better show this than by getting him involved in a murder mystery and having him work his way out of itf (11). Eigentliches Ziel Kemelmans ist also nicht die Auflösung eines murder mystery, sondern die Darlegung der besonderen Funktionen des Rabbis in einer jüdischen Gemeinde, die sich deutlich von denen eines katholischen Priesters oder eines evangelischen Pfarrers untersdieiden. Rabbi David Small hat dies nach innen wie nach außen zu demonstrieren; denn seine Gemeinde in Barnard's Crossing, Mass., hat sich erst kürzlich aus jüdischen Familien gebildet, die wegen der schönen Lage am Meer in der N ä h e Bostons hierher gezogen sind. Ihre Vorstellungen sind stärker von ihrer ,heidnisch'-cliristlichen Umwelt bestimmt als von der jüdischen Tradition, und so richtet sich ihr Bild von den Funktionen eines Rabbis audi stark an den Geistlichen der christlichen Konfessionen aus, was immer wieder zu Spannungen f ü h r t : The tendency seems to be to emphasize our likeness to other denominations, whereas the whole weight of our tradition is to emphasize our differences. We are not merely another sect with minor peculiarities; we are a nation of priests, dedicated to God because He chose us (Friday 42). Solchen Mut to emphasize our differences gilt es nicht nur die eigene Gemeinde zu lehren, sondern auch gegenüber einer ablehnenden oder bestenfalls neutralen Umwelt zu vertreten. Zur inneren Mission tritt so die äußere, die auch die Leser der Romane einbezieht. Immer wieder ergibt sich die Situation, daß der Rabbi einem Gesprächspartner ausführliche Erläuterungen jüdischer Glaubensvorstellungen, ethischer Normen, Riten, Gebräuche und Feste gibt 37 : dem Stadtverordnetenvorsteher Macomber (Friday 145—148), dem protestantischen Geistlichen Peter Dodge (Saturday 140—144), dem katholischen Priester Father Bennett ( S u n d a y 39—46), bisweilen auch der eigenen Frau, die selbst aus einer Rabbi-Familie stammt, so daß des Rabbis Erläuterungen ein wenig an Robert Neumanns Eschstruth-Parodie erinnern: Dein Vater, der wohlhabende Kommerzienrat, dessen — wie du weißt — einzige Tochter du bist... Vor allem aber nutzt Kemelman immer wieder die Gespräche des Rabbis mit Polizeichef Lanigan, um religiös-folkloristische Informationen zu geben. Zwischen beiden hat sich, wie im orthodoxen Detektivroman bei Philo Vance und D. A. Markham oder Lord Wimsey und Parker, eine Freundschaft entwickelt. Wie in diesen ,orthodoxen' Fällen rechtfertigt sie die Zuziehung des Amateurs; zugleich aber gibt sie dem Rabbi Gelegenheit, dem Katholiken Lanigan ausführlich das Judentum zu erklären. Er hat hierbei eine alle Romane durchlaufende message von der besonderen Bedeutung des 37

Solche Stellen sind in den von mir verglichenen deutschen Ubersetzungen der ersten beiden Romane (rororo thriller 2090 und 2125) meist erheblich gekürzt, ohne daß das irgendwo gesagt würde.

Father Brown und Rabbi Small

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Judentums in einer säkularisierten Welt, die ein Zuhörer so zusammenfaßt: The point of his talk . . . was that the modern civilized world was finally coming around to the positions that the synagogue had been preaching for a couple of thousand years or more — social justice, civil rights, rights of women, importance of learning. His idea was that finally, after nearly two thousand years the Jewish religion was coming into style (Sunday 111, ähnlich Friday 102 f., Saturday 144). Der Vorzug des Judentums ist, daß es eine umfassende Ethik mit einem Minimum an Metaphysik verbindet, der Glaube nahezu völlig hinter dem Gesetz zurücktritt: Basically, our thinking is in line with the passage from Micah: „What doth the Lord require of thee but to walk in His way?" . .. You can walk in his way and still have doubts of His existence (Sunday 43). Die Befolgung des Gesetzes geschieht dabei nicht um jenseitigen Lohnes oder jenseitiger Strafe willen, sondern zur Bewältigung dieses Lebens: Our people have only the one chance. Our good deeds must be done on this earth, in this life . . . virtue really does carry its own reward and evil its own punishment. Because evil is always essentially small and petty and mean and depraved, and in a limited life it represents a portion worsted, misused, and that can never be regained (Friday 102 f.) 3 8 . Allein vom Gesetz her versteht daher auch der Rabbi seine Aufgaben, wie er immer wieder darlegt. So ist er in erster Linie scholar, der das Gesetz als den Willen Gottes und dessen traditionelle Auslegung erforscht, sodann ist er teacher, der das Ergebnis seiner Forschungen seine Gemeinde lehrt, endlich ist er judge oder lawyer, der die Einzelnen in schwierigen Fragen des Gesetzesverständnisses berät oder für sie entscheidet. Diese letzte Funktion, auf die Small besonders stolz ist, ist im modernen Amerika natürlich zurückgetreten, während gleichzeitig andere Aufgaben hinzukamen, largely because of the example set by . .. priests and ministers (Friday 102). In den vom jüdischen Gesetz geprägten Gettos Europas war der Rabbi hingegen von der Zivilgemeinde geradezu als Richter angestellt, to sit in judgment on cases that were brought to him, and to pass on questions of law (Friday 9). Hierfür wurde audi noch Rabbi Small durch das Studium des Talmud ausgebildet, wenn es für ihn auch weniger um die materielle Seite des Gesetzes ging, als um das damit verbundene formale mental exercise (Friday 122) des pilpul: arguments .. ., objections . . ., hairsplitting distinctions and twists of logic39 (Friday 122), durch das er sich dann auch als Detektiv auszeichnete.

311

"

In seiner Leugnung einer Auferstehung der Toten (deutlich Friday 103) stimmt der Rabbi zwar mit dem Alten Testament überein, ist aber in bezug auf die moderne jüdische Lehre heterodox: „Nach der Zerstörung Jerusalems. . . wurde die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten zum Bekenntnis, das jeder Jude zu bejahen h a t . . . Ganz Israel wird an der zukünftigen Auferstehung teilhaben" (E. Lohse: Auferstehung IV, in: RGG3, I, Sp. 694). Dieses Pilpul war schon in der Antike so ausgebildet, daß bereits im III. Jahrhundert n. Chr. gefordert wurde, nur der dürfe ins Synhedrion, der das im 3. Mose 11 ausdrücklich als ,unrein' bezeichnete ,Gewürm* durch Pilpul aus der Tora selbst als ,rein' erweisen könne (E. L. Dietridi: Jüd. Kasuistik, in: RGG3, III, Sp. 1167).

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Volker Neuhaus

Äußerlich berührt sich hier Rabbi Small mit seinem berühmten Vorgänger Father Brown, der ja auch die theologische Denkschulung in seine Tätigkeit als Detektiv einbrachte. Zugleich liegt aber hier der Kern ihrer grundsätzlichen Differenz: Für den Rabbi Small ist die Tora und ihre rechte Auslegung einzige Richtschnur des Handelns, der exklusive Weg zum Guten, f ü r den Priester Brown haben die göttlichen Gesetze lediglich Hilfsfunktion: sie führen zur Erkenntnis des Bösen und zur Einsicht in die eigene völlige Verlorenheit vor Gott und machen so zum Empfang der Gnade bereit. Für Small ist das Gesetz partikular von Gott seinem auserwählten Volk gegeben, und seine Aufgabe als Rabbi ist die rechte Auslegung für die Juden von Barnard's Crossing. Die Gnade, die Brown verkündet, ist hingegen universal, und die Tatsache, daß allein ein rundes Dutzend verschiedene Wirkungsplätze in den Geschichten namentlich genannt werden, veranschaulicht, daß seine Gemeinde die Welt ist. Smalls Adressaten sind die Gerechten, denen er den Weg weist, nicht durch Ermahnungen, sondern durch die Erklärung des Gesetzes (Saturday 47). Den Sündern kann er nicht helfen, there is no one to share the burden with them or to intercede for them (Friday 102). Brown hingegen ist als Priester gesandt, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. Wo der Rabbi sagt: I just didn't want to be indebted to a murderer for the birth of my child (Saturday 207), sagt Brown: We have to touch such men, not with a barge pole, buth with a benediction . . . We alone are left to deliver them from despair when your human charity deserts them . . . To console those who really need consolation; who do things really indefensible, things that neither the world nor they themselves can defend; and none but a priest will pardon. Leave us with the men who commit the mean and revolting and real crimes; mean as St. Peter when the cock crew, and yet the dawn came (Omnibus 803). In der Tradition des Feiglings und Verräters Petrus und des Zöllners Matthäus steht das Priestertum Browns, während das Rabbinat Smalls aus den Pharisäern der neutestamentlichen Zeit hervorgegangen ist 40 . Dieses f ü r Rabbi und Priester grundverschiedene theologische Verständnis des Gesetzes ist es auch, das die grundverschiedenen Ausprägungen der Form des Detektivromans bei Chesterton und Kemelman bedingt: Chestertons mysteries dringen symbolisch auf den Grund des mystery of iniquity, nur durch die Erfahrung des Bösen führt der Weg zu Gott. Als Chesterton einmal 40

S. E. L. Dietrich: Pharisäer, in: RGG3, V, Sp. 326 f. Etwas v o n dem „Abgesondertsein" (so die Etymologie) dieser Gruppe zeigt auch Rabbi Small, w i e seine G e meinde beklagt: He acts as though he's too good for the likes of us... Some People say he keeps to himself a lot and they don't like a rabbi to be so standoffish (Saturday 111). Über seinen mit der Orientierung am Gesetz zusammenhängenden auffallenden Mange an Liebe (im Sinne v o n ά γ ά π η ) klagt sogar seine unmittelbar vor der Entbindung stehende Frau: It was all I could do to make him stop at the taxicab office to arrange for transportation in case our car wouldn't start. But for the rest he thinks it's enough to examine his conscience and make sure he isn't doing anything he thinks wrong (Saturday 180). So hat sie auch den Verdacht, daß er über der Diskussion religiöser Fragen selbst ihre Wehen vergessen würde (vgl. ebd. 181).

Father Brown und Rabbi Small

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gefragt wurde, „warum er sich mit Verbrechen, mit der Hölle des Lebens literarisch beschäftige, antwortete er mit einer Zeile aus Marlowes ,Urfaust' (gemeint ist Dr. Faustus) — ,Nur in der Hölle wird Gottes Antlitz offenbar'" 4 1 . Für den Rabbi hingegen ist das Gesetz das Primäre, die Sünde rein negativ die Nichtbefolgung des Gesetzes, sie zu vermeiden ist durchaus möglich. Sein detektivisches Tun ist frei von tieferen theologischen Implikationen. Das mystery, mit dem er es jeweils zu tun hat, ist eine konkrete Störung der Ordnung, die beseitigt wird, indem er sie aufklärt. Das aber ist eine Nebenfunktion seines real job — interpreting and applying the law — like a lawyer or a judge (Sunday 78). Aus dieser Aufgabe als Rechtsberater des auserwählten Volkes in Barnard's Crossing ergibt sich sein Tun als Detektiv — ähnlich wie im Bereich des weltlichen Rechts bei Perry Mason. Immer handelt es sich um Fälle, die seine Gemeinde äußerlich betreffen, nie um solche, die aus ihren starken inneren Spannungen hervorgingen. Der Stoffbereich, der Kemelman primär interessierte, the sociological situation of the Jew in suburbia (Nine Mile Walk 10), ist säuberlich von dem Mord und seinen Ursachen geschieden. Wenn die Polizei hier bisweilen Zusammenhänge annimmt, wird der Rabbi als Anwalt seiner Gemeinde tätig, und seine abschließende Antwort auf die Frage Whodunit („Wer war's?") entkräftet solche Verdächtigungen. Den Leser hat Kemelman sogar bewußt aus diesem Verdachtsspiel herausgehalten: Er weiß — im Gegensatz zur Polizei und zum Rabbi —, daß der Verdächtigte Bronstein kein Verhältnis mit Elspeth Bleech hatte (Friday), weiß, daß Meyer Paff das Mordhaus nie betrat (Sunday). Für ihn wird somit das von Kemelman gewählte Verfahren der Addition von Detektiv- und Gesellschaftsroman besonders deutlich, wie der Autor selbst es mit incorporate (Nine Mile Walk 11) bezeichnet: Es ist, als habe man Chestertons Father Brown und Henry Morton Robinsons Stephen Fermoyle in Personalunion vereint und sodann The Cardinal und The Father Brown Omnibus kapitelweise ineinandergeschoben. In Friday the Rabbi Slept Late wird ein junges Mädchen erwürgt auf dem Synagogengelände gefunden, der Rabbi selbst und ein weiterer nicht zur Gemeinde gehörender Jude sind die Hauptverdächtigen. Immer wieder geht der Rabbi mit schärfster talmudischer Logik mit dem Polizeichef das Beweismaterial durch, wobei er auch stets zu überzeugenden Teilerhellungen kommt. Unterdes hat der „Synagogenmord" bei manchen Teilen der Bevölkerung von Barnard's Crossing antisemitische Reaktionen ausgelöst, mittelalterliche Ritualmordvorwürfe leben wieder auf (148). Als der Rabbi an seiner eigenen Haustür ein mit roter Farbe gemaltes Hakenkreuz findet (149), stellt er zum ersten und einzigen Male selbst Recherchen an und findet die Lösung: Ein Streifenpolizist hatte das Verhältnis mit dem Mädchen, das seinem Fortkommen hinderlich wurde, gewaltsam beendet 42 . Mit seinem Tun als Detektiv aber hat der Rabbi zugleich 41 42

Zit. bei Karl Anders: Der Kriminalroman, in: Der Kriminalroman II 539. Im ,orthodoxen' Detektivroman wäre diese Überführung eines Täters Below Suspicion (so der Titel eines Romans von John Dickson Carr) ausgeschlossen (vgl. die Regel 11 von S. S. van Dine, in: Der Kriminalroman I 144); er beschränkt sich auf Mörder „beyond suspicion".

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seiner eigenen Gemeinde gegenüber die Richtigkeit seiner Amtsauffassung demonstriert, die Vertragsverlängerung, die von einer starken Gruppe bek ä m p f t worden war, wird einstimmig beschlossen. Dieses Schema wiederholt sich, in den anderen Romanen: in Saturday the Rabbi Went Hungry sind der Vorsitzende des Friedhofskomitees und der Sohn des größten Gemeindemäzens des Mordes verdächtig, der Rabbi findet den nichtjüdischen Schuldigen und behält seine Stelle, die er wegen schwerer Differenzen mit dem Gemeindepräsidenten, die den größten Teil des Buches einnehmen, schon aufgeben wollte. In Sunday the Rabbi Stayed Home droht die Gemeinde sich in eine konservative und eine progressive Richtung zu spalten, und der Rabbi sitzt zwischen den Stühlen. In den hinzukommenden Mordfall sind zufällig der präsumtive Präsident der orthodoxen Richtung und die Kinder der Fortschrittspartei verwickelt, und der Rabbi fungiert für beide Gruppen als Anwalt und entlastet sie. Kemelman scheint dabei selbst Anstoß an dem Verfahren genommen zu haben, den Mordfall dadurch aus der Welt zu bringen, daß der Rabbi ihn aus der Gemeinde schafft. Als Polizeichef Lanigan als neuen Verdächtigen einen jungen Farbigen aus N e w York präsentiert, begehrt der Rabbi auf gegen diese vermeintliche Tendenz der Polizei, to focus first and foremost on the outsider, the stranger (181). Doch ist dies nur ein Intermezzo; denn der Schuldige, den der Rabbi dann beibringt, ist ebenfalls a kind of outsider (181), wie Lanigan bemerkt. So ist wieder das Schema gewahrt, die Angehörigen der Gemeinde sind endgültig vom Verdacht gereinigt. Gleichzeitig einigen sich die Parteien, und der Rabbi bleibt im Amt 4 3 . Die Verhältnisse des klassischen Detektivromans sind so geradezu verkehrt: kommt dort der Detektiv von außen und entlarvt ein exponiertes Mitglied einer bestimmten Gruppe als Mörder und alle ihre Mitglieder als Lügner 44 , so steht bei Kemelman der Mörder stets außerhalb der betroffenen Gemeinschaft, während der Detektiv ihr Repräsentant ist und durch die Überführung des Mörders die von ihm vertretene Gemeinschaft entsühnt und befestigt. Wo Father Brown als ,orthodoxer' Detektiv symbolisch demonstriert, das Böse in der eigenen Seele zu suchen, lehrt der Rabbi, es aus der Mitte des

43

44

Selbst in dem neuesten Rabbi-Roman Monday the Rabbi Took Off (A Fawcett Crest Book, Greenwich, Conn. 1973), der mir erst nach Abschluß des Manuskripts zugänglich wurde, kann Kemelman diesem Schema nicht entrinnen, obwohl er den Rabbi drei Monate nach Israel schickt: Während ein neuer Gemeindevorstand Small schon durch seinen Vertreter Rabbi Deutch ersetzen will, befreit er in Israel dessen Schwager und Neffen von einem Mordverdacht. Rabbi Deutch lehnt es daraufhin ab, Small zu verdrängen, und der Rabbi behält wieder einmal seine Stelle. Der Mord und seine Aufklärung treten in diesem Roman völlig zurück hinter Informationen über die religiöse, soziale, politisdie und militärische Situation Israels. Vgl. Richard Alewyn, a. a. O. 385. Nur Miss Marple löst bisweilen Fälle in der kleinen Dorfgemeinschaft von St. Mary Mead (Murder in the Vicarage, The Body in the Library, The Mirror Crack'd from Side to Side). Ihre Vertrautheit mit den lokalen Gegebenheiten steht dabei aber den Enthüllungen nicht etwa im Wege, sondern befördert sie eher.

Father Brown und Rabbi Small

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erwählten Volkes fernzuhalten. Verglichen mit dem ,orthodoxen' Detektivroman als „Gleichnis der Zerstörung einer heilen Welt" 4 5 ist das eine Häresie, vielleicht auch eine Reformation — auf jeden Fall sind sie unorthodox — the unorthodox' mystery novels featuring Rabbi David, Small.

" Richard Alewyn, a. a. O. 397.

MARIO PENSA

Bernhard nella critica di Fröhlich: un nuovo Machiavelli? Nel 1967 il giovane scrittore austriaco Thomas Bernhard, residente a Ohlsdorf in Austria Superiore, gia noto per altre opere di poesia e di prosa, pubblicö il suo secondo romanzo intitolato V erStörung1, sconvolgimento. In esso ν'έ un filo conduttore: il figlio di un medico di campagna della Stiria riferisce semplicemente le visite nelle quali un giorno egli ha accompagnato suo padre. La cornice entro cui esse si inquadrano, αοέ la situazione di famiglia del medico, imposta e condiziona il senso della serie di visite che sfilerä sotto gli occhi del lettore. Ii medico crede che tutto sia krank und traurig (16): la moglie h morta, ma giä tutta la vita era compenetrata di morte; con i suoi figli, una ragazza ed il maschio che racconta, non ha nessun contatto spirituale ηέ tutti e tre si conoscono fra loro, cos! che il loro rapporto h das schwierigste, das chaotischste (24). La ragazza vive solitaria ed ha giä tentato di suicidarsi; il maschio, che ora fa il giro con lui, vive lontano da casa a Leoben ove studia ed έ venuto ora in famiglia solo per qualche giorno di vacanza. Egli stesso, il medico, kommt mit immer mehr Menschen zusammen, um immer mehr allein zu sein (31) e vorrebbe spesso farsi accompagnare dai figli nelle visite per mostrar loro come tutto sia krank. Con un solo uomo ha dimestichezza: un ebreo Bloch, inviso a tutti, che gli presta da leggere i Prolegomena di Kant, la dissertazione di Marx Über die Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie, le lezioni di Nietzsche Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten, i Pensees di Pascal e la Mystification di Diderot. Ma una sua particolare occupazione mentale έ l'idea del suicidio, che b anche l'occupazione principale della figlia la quale vive alternativamente fra pensieri e tentativi di suicidio. I casi che ora il figlio ci racconta di aver conosciuti in questo giro di visite sono: una padrona di osteria uccisa da un brutale avventore; la vedova di un insegnante elementare, ottimo disegnatore di un mondo surreale, che rifä. la storia della sua famiglia soffermandosi specialmente sul figlio; tutto corpo senza cervello, che a morte sua distruggerä la casa e il resto; un industriale diabetico che vive con una sorellastra in una casa di caccia, spoglia di ogni mobile che non sia strettamente necessario a loro due, perch£ egli possa riempirla mit nur phantastischen Gegenständen (54), ove egli lavora giorno e notte ad un und durch philosophisches Thema (50) distruggendo sempre di 1

Thomas Bernhard: Verstörung,

Frankfurt a. M. 1967.

Bernhard nella critica di Fröhlidi

571

nuovo ci0 che sempre di nuovo scrive, affinch£ egli stesso non venga distrutto dal suo lavoro; un mulino in fondo ad una gola buia dove avevano ammazzato nel modo piu strano numerosi uccelli rari allevati dal mugnaio, per farli tacere per sempre; un giovane storpio putrescente fisicamente e spiritualmente in un fondo di letto, che suona diversi strumenti producendo una musica terribile e la cui vista esercita sui parenti eine zum Lachen reizende Faszination (89); e finalmente un principe, der Fürst, altrettanto folle quanto ricco, padrone di un castello posto su un'altura quasi inaccessibile in mezzo ad una vasta tenuta da cui egli domina tutto il paesaggio intorno. Appunto questo principe Saurau, chiamato semplicemente der Fürst, b il protagonista dell'episodio piu importante del libro, consistente in un lungo dialogo-monologo di quest'uomo singolare col medico e con suo figlio, che in realta ascolta soltanto. La sua residenza, Hochgobernitz, έ oscurata da lui in der Perfektion der Erschöpfungsmöglichkeiten (123); la sua famiglia b diese ununterbrochen infame Geistesamputation (123), la cui vita quotidiana έ fatta von Hunderten und Tausenden von bestürzenden Geisteskleptomanien (123), in mezzo a cui egli ode, anzi vede e sente nella sua testa certi rumori che sono come Risse, die sich vergrößern, ein idealer Zersetzungsprozeß der Natur (124). — Die ungeheure ,Gefühls- und Gesteinsgeschichte' fühle er oft ,ineinanderstürzen zu völlig neuen Substanzen', wodurch für ihn ein Prozeß sei, in dem ,alles vernichtet wird, um dann endgültig zu sein' (124). Sicche i rumori nel suo cervello potrebbero indicare eine Verwandlung dessen, was ist, in ein anderes, das sein wird (124). Descrivendo il paesaggio a valle sommerso pochi giorni prima da un'alluvione che aveva tutto devastato, egli conclude: Hier in meinem Kopf handelt es sich tatsächlich um eine unvorstellbare Verwüstung (125). Ε se parla coi suoi famigliari, la conversazione diventa ein naturphilosophisches Zusammensitzen (132). Del resto: die Gesprächskunst ist eine Diffamierungskunst (167), perch£ l'interlocutore cerca sempre di attirare l'altro nel proprio abisso e: die Selbstgesprächskunst ist die grauenhafteste Diffamierungskunst (167). — Die Dummheit, sich der deutschen Sprache anzuvertrauen, mein lieber Doktor, absurd! denke ich, und nicht nur der deutschen, aber vor allem der deutschen! (119). Die einzige Poesie [...] ist die Natur, die einzige Natur die Poesie. Der einzige durchgesetzte Begriff (174). — Das ganze 'Wortinstrumentarium, das wir gebrauchen, existiert nicht mehr (176). Egli infatti adopera per tutto il giorno una sola parola: una volta έ Liniengewirr (176), arabesco, un altra volta rimane sospeso al chiodo di un certo Körperliches, corporeo, e sempre parla con rapide assoziazioni a catena come Begriff der Natur (137), Begriff der Antikörper in der Natur, Antikörpernaturbegriff. Die Wahrheit ist Tradition, nicht die Wahrheit (199). — Jeder Gegenstand ist für uns ein solcher, der die Form der Welt hat (203). — Auch die Begriffe [...] haben für uns die Form der Welt [. . .] Wir haben die Welt in unserem Denken noch nicht überwunden. Weiter kommen wir dann, wenn in

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Mario Pensa f

unserem Denken die Welt völlig zurückgelassen ist (204). Bisogna spingersi nel regno della fantasia piu avanti che sia possibile, come fa lui sin dall'infanzia. Das Denken aber kann man nicht darstellen. Mir ist mein Denken: Geschwindigkeiten, die ich nicht sehen kann (210). Die Menschen sind nichts anderes als eine in die Milliarden gehende ungeheure auf die fünf Kontinente verteilte Sterbensgemeinschaft (164). — Die Welt ist die Schule des Todes. Zuerst ist die Welt die Elementarschule des Todes, dann die Mittelschule des Todes, dann, für die wenigsten [. ..] die Hochschule des Todes. — Das einzig erreichbare Lernziel [. ..] ist der Tod (165). Anche lui ha un figlio che studia a Londra e di cui egli immagina lettere che non riceve e finge presenze che non ci sono. Ma ad ogni modo una cosa e sicura, che non appena egli sarä morto, ovviamente per suicidio, suo figlio vendera Hochgobernitz e disperderä tutti i suoi averi. Egli attende sempre di comparire davanti ad un tribunale supremo che pronunzierä contro di lui una condanna non mite, ma la pena di morte gli sembra troppo ridicola per la vita. Denken in Selbstmordmöglichkeiten als eine unterwirft (227). Ad Wissenschaft, [. . .] die sich die Naturwissenschaften Hochgobernitz si rappresenta uno spettacolo in cui tutto έ congelato. In diesem Schauspiel herrschen erfrorene Geistesverfassungen, Phantasien, Philosopheme, Idiotien, ein auf seinem Höhepunkt erstarrter Maskenwahnsinn (215). L'autore che ha scritto queste parole pronuncii) anche un discorso di ringraziamento per il conferimento del premio Nazionale Austriaco 1967 in cui f r a l'altro dice: Non v'e nulla da lodare, nulla da condannare, nulla da accusare, ma v'e molto di ridicolo [. ..] Lo Stato e una struttura continuamente condannata a fallire, ed il popolo un'altra ininterrottamente condannata all'infamia ed alla stupiditä. La vita e un disperare α cui si appoggiano le filosofie e in cui alia fine tutto deve ammattire. [...] Mezzi al fine del declino, creature dell'agonia, a noi cosi tutto si rivela, e noi nulla comprendiamo [...] Non ci occorre vergognarci, ma noi non siamo neanche nulla e non meritiamo altro che il caos. Ed in un altro discorso preparato ma non tenuto per il conferimento del Premio Wildgans dell'Associazione Industriali Austriaci 1968 si accingeva a dire f r a l'altro: Ιο accenno alla vita e parlo della morte [. ..] io non parlo della storia dello spirito ma della morte, non delle approssimazioni fisiologiche ο psicologiche, ma della morte [...] non degli ordini di grandezza, dei fatti sconvolgenti, di genio e di martirio, di idiozia e sofistica, di gerarchia e risentimento, α tutto cid io accenno soltanto e parlo della morte [.. .] Io potrei raccontarvi anche una storiella, ho un paio di storielle in mente, oppure una favola come ,La favola della bella Austria quando era ancora qualcosa', oppure ,La favola della bella cittä di Vienna quando era ancora qualcosa', oppure ,La favola degli Austriaci quando erano ancora qualcosa' [...] oppure, La favola della marina mercantile che non rende piu; La favola dell'allevamento suini che non rende piu; La favola della formula magica del MEC' [. ..] oppure anche della letteratura che non vale piu la pena, dell'arte che non vale piu la pena, della vita che non vale piu la pena [...] La morte e il mio tema come anche il vostro tema e la morte.

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Si pu0 anche premettere che Bernhard si ammal0 nella prima giovinezza di polmonite per cui vagi) di ospedale in ospedale proprio nel momento in cui cominciava a scrivere con la morte sempre davanti agli occhi. Ma έ anche indubbio che nel suo nichilismo si riflette il tramonto della monarchia absburgica rimasta a sopravvivere come dolorante nostalgia nei cinquanta anni di repubblica austriaca 2 . II motivo dello Stato che tanto vivamente έ presente nella coscienza del Fürst ed έ intimamente legato all'ossessione della prossima rovina di Hochgobernitz, e addirittura del mondo intero, tradisce una profonda tradizione storica a cui il principe Saurau (e l'autore) si volgono indietro a guardare. Dai pochi pensieri culminanti che abbiamo riferiti del Fürst risulta che egli e un mostro di riflessione in cui il mondo e divenuto un „concetto che in a sua volta contiene infiniti altri concetti" e la vita ha oltrepassato se stessa cristallizzandosi (o congelandosi) in un giudizio concettuale e contraddittorio: das Lächerliche in den Menschen ist [...] tatsächlich ihre totale Unfähigkeit, lächerlich zu sein (211) e die Todesstrafe erscheint [. ..] doch zu lächerlich für das Leben (194); per cui quello che ancora esiste e ein auf seinem Höhepunkt erstarrter Maskenwahnsinn (215), ossia una spoglia di apparenza svuotata del suo contenuto essenziale, che έ il pensiero fattosi autonomo. Siamo dunque molto al di la di Kafka: la vita come assurdo fattuale e trapassata nel pensiero come a s s u r d o c o n c e t t u a l e . Di Machiavelli dice De Sanctis nella Storia della letteratura italiana: „In lui comincia veramente la prosa, αοέ a dire la coscienza e l a r i f l e s s i o n e della vita", riferendosi evidentemente all'intento ed al metodo storico del segretario fiorentino consistente nel ritirare le cose a' loro principi (Discorsi I I I 1). Ma gia Goethe, che possedeva nella sua biblioteca le Opere di Machiavelli in una edizione olandese del 1726 3 , sebbene poi di lui parli cosi poco nel corso della sua vita, una volta aveva fatto comparire in Kunst und Altertum, la rivista che dal 1816 lo accompagn6 sino alia fine dei suoi anni, la seguente Maxime: „Tutto cio che e spinoziano nella produzione poetica diventa machiavellismo nella riflessione." £ probabile che l'associazione dei due nomi gli sia venuta in mente ricordandosi della proposizione spinoziana ordo et connexio idearum idem est ac ordo et connexio rerum4. Altrove, in una lettera a Zelter del 4. 12. 1827, a proposito del Napoleon di Walter Scott, loda l'autore come „un onesto borghese" aggiungendo che „si guarda rigorosamente da ogni concezione 2

3 1

C. Magris: Il mito absburgico nella lett. austriaca moderna, Torino 1963, 261ss. Opere di Niccolo Machiavelli, cittadino e secretario Fiorentino . .. Nell'Haya 1726, in: Goethes Bibl. — Katalog, hg. v. Hans Ruppert, Weimar 1958, 239. Maximen und Reflexionen (Gedenkausg. der W., Briefe und Gespräche, hg. v. E. Beutler, Zürich/Stuttgart 21962, IX 533. Del resto, per il rapporto MachiavelliSpinoza cf. F. Pollock: Spinoza e le machiavelisme, in: Rev. Politique Internationale (1919); A. Rava: Spinoza e Machiavelli — Un contribute agli studi spinoziani, in: St. filos.-giuridici dedicati α Giorgio Del Vecchio II, Modena 1931, 199 ss.

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machiavellica senza cui ovviamente έ impossiblie impegnarsi nella storia mondiale". Sara stato il termine comune di riflessione f r a Bernhard e Machiavelli oppure semplicemente la seduzione del titolo cosl vistoso, II Principe, a richiamare l'attenzione del critico-scrittore amburghese Hans-Jürgen Fröhlich, certo e che di lui nel numero di maggio 1968 della rivista Viennese Neues Forum comparve un articolo, con riferimento al romanzo di cui sopra abbiamo parlato, intitolato Verstörung unten und oben — Der Fürst in Thomas Bernhards zweitem Roman und ein Seitenblick auf Macbiavellis II Principe (Eine metaliterarische Marginalie)5. Dopo aver rilevato alcune caratteristiche generali dell'opera in questione, come la caoticita del monologo del Fürst riducibile ad un „labirinto di cifre" in cui paranoia e filosofia, politica e natura, famiglia e Stato, Pascal e Rosa Luxemburg turbinano insieme in un tumultuoso e sgangherato discorso, si sofferma sull'improvviso affiorare di temi politico-sociali che richiamano a mente Machiavelli e si domanda (352): „Sollte Thomas Bernhard seinen Roman, zumindest dessen zweiten Teil, mit einem Seitenblick auf Machiavelli geschrieben haben?" Postosi questa domanda, egli si prova a confrontare Hochgobernitz, la residenza del Fürst, con Firenze ai tempi di Machiavelli, constatando che le due sedi, dopo un periodo culminante di prosperitä per potenza, ricchezze, arti e prestigio (Hochgobernitz sotto il governo degli avi dell'attuale principe Saurau e Firenze sotto Lorenzo de'Medici), si avviano rapidamente alla rovina (Hochgobernitz sarä presto distrutto dal figlio di Saurau e Firenze decade sotto i successori del primo Lorenzo, Piero e Lorenzo di Piero). Ii segretario fiorentino non e mai nominato in Verstörung; ma potrebbe ricondurci a lui un altro nome di cui il Fürst legge le Memorie, cioe il cardinale Retz di origine fiorentina, ma che nella Francia del Seicento puo ben essere considerato un ,machiavellico', e vi e inoltre quel Pensiero 206 di Pascal posto come motto in fronte al romanzo Das ewige Schweigen dieser unendlichen Räume macht mich schaudern — (Le silence eternel de ces espaces infinis m'effraie) che ci rimena da una parte alla considerazione della ,miseria delPuomo' tipica del barocco e dall'altra alla contraddittorietä dialettica ed alla permutabilita di ogni cosa esistente propria del manierismo dei tempi del Machiavelli. Passando alla considerazione dello Stato, il critico amburghese riprende il principio del capitolo X V dtW'Anti-Machiavel di Federico il Grande il quale dice 6 : Les Peintres et les Historiens ont cela de commun entr'eux, qu'ils doivent copier la Nature. Les premiers peignent les traits, et les coloris des hommes; les seconds leurs caracteres et leurs actions: il se trouvent des peintres singuliers qui n'ont peint que des Monstres et des Diables. Machiavel represente I'univers comme un enfer, et tous les hommes comme des damnes; on diroit 5 6

Neues Forum 15 (1968) 351—56. CEuvres Compl. de Frederic II Roi de Prusse, X X I I : L'Antimachiavel on examen du Prince de Machiavel, avec des notes hist, et politiques, Berlin 1972, 161 ss.

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que ce Politique a voulu calomnier tout le genre-humain par une haine particuliere, et qu'il ait pris α tache d'aneantir la vertu, peut-etre pour rendre tous les habitans de ce continent ses semblables. Fröhlich trova calzante questa caratterizzazione non solo per Madiiavelli ma anche per tutto il manierismo fiorentino del suo tempo, per il quale il mondo έ di volta in volta inferno ο teatro e gli uomini sono soltanto dei condannati a morte che „popolano il grande teatro del mondo come attori ο come spettatori". Ma piu interessante e die questa macabra visione della vita e dell'umanitä si estende anche alia natura (che in Madiiavelli appare piu confusa con la corruzione umana, mentre in Verstörung assume una fisionomia piu distinta come orchestrazione simultanea dell'esistenza umana) ed alio Stato, che sia da Madiiavelli come dal Fürst viene visto e trattato biologicamente come un corpo umano malato per l'uno e morsch (116), marcio, per l'altro, che dovrebbe sich entleiben (116), letteralmente disincorporarsi (per il Fürst). L'idea del suicidio dello Stato malato έ essenzialmente machiavelliana nel senso della sua assoluta autonomia ed autoconsapevolezza, per cui ogni sua malattia corrisponde a un deliberato suicidio. Ma al Fürst serve nella concatenazione dei fattori letali che a circolo chiuso dallo Stato alla natura e dalla natura all'individuo conducono irrimediabilmente al suicidio della sua famiglia e suo personale nella rovina universale di cui Hochgobernitz, come h un Höhepunkt seiner Geschichte in der Geschichte (214), un punto culminante della sua storia nella storia, έ il locus intellectualis. La visione della catastrofe mondiale non ha solo il significato politico del disastroso panorama machiavellico dell'Italia sanza capo, sanza ordine, battuta spogliata, lacera, corsa che ha supportato d'ogni sorte ruina, ma ha un senso piu disperatamente cosmico con tinte apocalittiche di sconvolta natura che sommerge cadaveri. Si tratta del suicidio del mondo nel cui centro non ν'έ poi in sostanza che il suicidio suo stesso: Selbstmord έ l'evento centrale di questa storia, ο meglio il c o n c e t t o centrale di questo dialogo-monologo. Selbstmord, che non έ un fatto presente, beninteso, ma passato e futuro: passato nella persona del padre del Fürst die si έ auf die bekannte grauenhafte Weise in seinem Zimmer erschossen, sparato nella sua stanza alia nota maniera raccapricciante, e futuro nella persona di lui che cosi si propone di morire, ροίοΐιέ Wir fürchten uns nicht mehr zu Tode, wir gehen zu Tode (228), noi non abbiamo piu paura da morire, noi andiamo (volontariamente) verso la morte. Fröhlich conclude questo articolo, che abbiamo riassunto con qualche aggiunta che non altera il senso, nel modo seguente (356): „Wir haben in dieser Marginalie Hypothesen aufgestellt, nicht um sie bündig zu beweisen, sondern um zu weiteren Denkspielen anzuregen. Wir sind von der Annahme ausgegangen, daß Zusammenhänge nicht behauptet, sondern suggeriert werden. Es schien uns, als seien in diesem Roman Zusammenhänge zu finden zwischen Florenz zur Zeit Macchiavellis und Hochgobernitz." Fröhlich oltre ad essere un critico b anche uno scrittore, ossia un poeta nel senso greco della parola. Le sue ipotesi non hanno alcun fondamento r e a l e perch£ Thomas Bernhard le ha demolite in una lettera privata del 30. 7.1969

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la quale dice: In una sola proposizione e subito detto die io mentre lavoravo a ,Verstörung' non ho mai pensato neanche un istante a Machiavelli, ma l'articolo [...] del Signor Fröhlich l'ho letto con gründe Interesse e la sua idea e stata hen per me stimolo ad una prolungata meditazione. Siamo quindi di fronte ad un brillante esempio di critica c r e a t i v a , ove non si tratta piü di una testuale ricerca di fonti, se ά ο έ II Principe di Machiavelli abbia servito ο no di modello al Fürst del giovane autore austriaco (ben informato per altro della letteratura italiana), ma di una questione ben piü importante che si pone in questi termini: se sono esatte le concordanze segnalate dal Fröhlich, e possibile intravedere una nuova prospettiva di interpretazione dell'opera di Machiavelli nel contesto storico-spirituale del nostro tempo? L a domanda e cosi importante che vale la pena, accogliendo l'invito del Fröhlich, di continuare ed approfondire il suo discorso anche fuori della linea tradizionale della critica tedesca machiavelliana, con sottolineature di quella componente etica che pur rinnegata esiste nel Principe e piu apertamente e con eguale drammaticita nel resto della sua opera. £ proprio vero che il luogo in cui ci troviamo nei due termini a confronto, e α ο έ Hochgobernitz nel romanzo austriaco e Firenze, hanno in comune la prima caratteristica di fondo, cioe di essere, como il Fröhlich felicemente chiama la residenza del Fürst, un locus intellectualis che lo stesso principe Saurau definisce ein Höhepunkt seiner Geschichte in der Geschichte. Curioso die di Firenze giä S. Bernardino da Siena, dunque nella I meta del Quattrocento, abbia detto che la Toscana „e la piu intellettiva parte d'Italia e Firenze la piü intellettiva cittä di Toscana" 7 . Α piü forte ragione questa definizione sara valida per la Firenze della prima meta del Cinquecento ed essa coincide stranamente con quella della residenza del Fürst. Sull'intellettualismo del principe Saurau dicevamo giä sopra che in lui l'aporia esistenziale (e qui possiamo aggiungere sia individuale che universale) έ trasferita dall'assurdo fattuale all'assurdo concettuale. Bastera qualche esempio a mostrarlo. Egli ha messo un annuncio nel giornale per cercare un nuovo amministratore dei suoi vasti possedimenti. Fra quelli che si presentano ν ' έ un certo Zehetmayer die suscita la sua curiosita ed egli gli domanda ρ e r c h έ s i e presentato. L'altro non sa rispondere, ed egli rimane ossessivamente inchiodato al suo warum a cui non ha risposta e die ripete molte volte al medico, come l'ha ripetuto alio smarrito Zehetmayer che ha dovuto andarsene con un rifiuto. Poi racconta che una volta andando a caccia con suo padre questi, dopo aver atnmazzato un fagiano posato sulla coda di un cinghiale, mentre il figlio correva a racattarlo, tiro un colpo in aria, e, interrogato da lui ρ e r c h h avesse sparato in aria, non seppe rispondere. Ora egli domanda ancora ossessionato al medico ed a se stesso: Warum il padre ha tirato allora un 7

G. Saitta: L'educazione dell'umanesimo in Italia, Venezia 1928, 154; J. Burdchardt: La civiltä del Rinascimento in Italia I, trad, di D. Valbusa, a cura di G. Zippel, Firenze 3 1927, 98: „. . . quest'unica Firenze [. ..] senza paragone fu la sede piu importante del moderno spirito italiano, anzi europeo." Non ci sembra che sia necessario insistare su questa realta storica.

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colpo in aria? Fatti banalissimi come questi si concettualizzano nel suo cervello trasformandosi nel movimento di una risonanza verbale (ecco perch£ egli definisce il suo pensiero Geschwindigkeiten) che pu0 in un momento riempire tutto il suo cervello e costituire la sua realta. Egli stesso dice: Ich bin ganz gegen die Wirklichkeit konstruiert (201) oppure: Die Wirklichkeit stellt sich mir immer als grausige Darstellung aller Begriffe dar (202). N o n solo la natura ma tutto il mondo per lui e un Universalsurrealismus (194) di cui ogni oggetto έ rappresentazione e noi dovremo progredire molto ancora nel regno della fantasia per dissolvervi il mondo ancora troppo contenuto in ogni concetto. Was wir einatmen, ist auch nichts anderes als Ziffern und Zahlen, von welchen wir nur noch annehmen, daß sie die Natur sind (203). — Wir müßten alles immer auf das Geometrische hin, von dem alles abhängt, anschauen (211). — Alles ist, denke ich, nur eine Geometrie der Zerwürfnisse, Zweifel, Leiden, schließlich der Qual (216). La c i f r a mentale sostituisce in lui completamente la realta e si proietta come Selbstmord nella sua vita da lui definita con un misterioso plurale stratigrafico Folgerichtige Existenzen (200), esistenze conseguenti. La sua vita in altri termini, che egli chiama anche una Naturgeschichte (200), dovrebbe coincidere con la matematica in quanto coerenza del pensiero con se stesso, ma invece non coincide, come risulta dalla negazione che accompagna sempre ogni sua affermazione (del tipo: weil die Ruhe vollkommen ist in Hochgobernitz, wirklich da ist, gibt es keine Ruhe mehr [136], ove e applicato alia lettera il Renversement continuel du pour ou contre di Pascal, Pensee 231). Di qui l'assurdo concettuale che, non approdando come in Pascal nel ,salto' della fede ο nella ,grazia' divina come in tutti i mistici cristiani ο nella ,passione' della Croce come in Kierkegaard ο in qualunque altra forma di ,Essere' come negli esistenzialisti laici ο infine nella suicida ,autocritica' come nei mistici marxisti, sfocia nell' a 11 e s a del suicidio. Nel Principe8 di Machiavelli non possiamo certo trovare la medesima forma di intellettualismo del Fürst, che presuppone tutta la filosofia europea da Cartesio ad Heidegger, ma e certo che visto sotto questa angolazione non siamo molto lontani dal poterlo definire un ,romanzo politico introspettivo', in cui ,politico' significa ,del governo di se stesso' e quindi anche ,autobiografico'. A questa accezione ci autorizza lo stesso autore a chiusura dalla Dedica al Magnifico Lorenzo, in cui dice: Se vostra Magnificenza dallo apice della sua altezza qualche volta volgera gli occhi in questi luoghi bassi, conoscerä quanto io indegnamente sopporti una grande e continua malignitä di fortuna. Sono le stesse parole che troviamo nella lettera a Vettori del 10. 12. 1513: La malignitä della mia parte, che tornano ancora, un po' variate, nel Prologo della Mandragola (v. 53 ss.):

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Citiamo da Tutte le Opere di Niccolo Machiavelli, I—II, a cura di F. Flora e C. Cordie, Milano 1949—50, 2 vol.; N. Machiavelli: II Principe, Introd. e note F. Chabod, Torino 1933; Ν. Machiavelli: Operette Satiricbe, Introd. e note L.F.Benedetto, Torino 1926; Ν. Machiavelli: Le Commedie, Introd. e note D. Guerri, Torino 1932.

di di di di

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Che gli e stato interciso Mostrar con altre imprese ultra virtute, Ν on sendo premio alle fatiche sue. Ε nel Capitolo

I, Dell'Ingratitudine

(v. 16 ss.):

Cantando adunque cerco dal cor torre Ε frenar quel dolor de'casi adversi, Che drieto all'almo mio furioso corre . . . e che imprimono sulla fronte del Principe l'impronta bruciante del suo sogno fallito e delle sue aspirazioni represse. Forse la piü esplicita dichiarazione di questa sua profonda insoddisfazione di se stesso l'abbiamo nei Discorsi II, Proemio: Ρ erche gli e ufficio d'uomo buono quel bene, che per la malignitä de'tempi e della fortuna non hat potuto sperare, insegnarlo ad altri acciocche, sendone molti capaci, alcuni di quelli piü amati dal cielo possa operarlo9. La stessa motivazione dava Sallustio della sua attivita di storico 10 : sed memoria rerum gestarum earn flammam egregiis viris in pectore crescere, neque prius sedari quam virtus eorum famam atque gloriam adaequaverit. Gia questo basta a porre l'opera non piu sul piano di un trattato ma su quello di un'autobiografia i d e a l e ο t e o r i c a in cui egli rimemora a se stesso la cognizione delle azioni degli uomini grandi, come dice nella Dedica, e si ripete tutto quello die avrebbe voluto fare e non ha fatto per il governo di se stesso e dell'Italia 11 . Di qui il tono sentenzioso che έ il segno della parola distaccata dalle cose, divenute autonoma ed eterna, fattasi veramente ,riflessione': Perche degli • Lo rivela anche il De Sanctis nella Storia della lett. ital. C. Sallustius Crispus: De hello lugurthino IV. 11 La definizione del Principe come „autobiografia ideale ο teorica" non contraddice al famoso passo del capitolo XV: mi e par so piü conveniente andare drieto alla verita ejjettuale della Cosa, che alla immaginazione di essa, che si riferisce a repubbliche e principati realmente esistenti e non immaginari. Alia nostra definizione si adatta meglio il seguito dello stesso brano che dice: perche egli e tanto discosto di come si vive a come si doverrebbe vivere, che colui che lascia quello che si doverrebbe fare impara piüttosto la rüina de la preservazione sua. £ appunto cio che egli ha sperimentato a proprie spese. II trauma morale e psicologico subito da Machiavelli dopo la rotta dei fiorentini del 29 agosto 1512 e, col ritorno dei Medici, la destituzione da ogni carica politica, interessavano insieme la propria persona e le sorti di Firenze (e d'Italia). Post res perditas e la datazione che egli usava (p. e. sul discorso Dell'ordinäre lo Stato di Firenze alle arme) per questa svolta tremenda della sua vita. Essa basterebbe a giustificare abbastanza la identificazione di se stesso col principe ideale ed il rammarico di non essere mai stato p. e. un Castruccio Castracani. Ma cio riguarda la biografia interiore di Machiavelli, che si puo ricavare, oltre che dalle Opere, dalle biografie di O. Tommasini: La vita e gli scritti di Niccolo Machiavelli, I—II, Roma 1883—1911; P. Villari: Niccolo Machiavelli e i suoi tempi, a cura di M. Scherillo, Milano 41927; L. Russo: Machiavelli, Bari 41957; R. Ridolfi: Vita di Niccolo Machiavelli, Roma 1954; 3 1969; E. Barincou: Machiavelli par lui-meme, Paris 1957; G. Prezzolini: Vita di Niccolo Machiavelli Fiorentino, Milano 1927. 10

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uomini si puo dire questo generalmente: che sieno ingrati, volubili, simulatori e dissimulatori, fuggitori de'pericoli, cupidi di guadagno; e mentre fai loro bene sono tutti tua, offeronti el sangue, la roba, la vita e figliuoli come di sopra dissi, quando il bisogno e discosto; ma quando ti si appressa e'si rivoltano {Ii Principe X V I I ) ; e ciö ripete nei Discorsi I 3: Come dimostrano tutti coloro che ragionano del vivere civile, e come ne e piena di esempli ogni istoria, e necessario a chi dispone una republica ed ordina leggi in quella presupporre tutti gli uomini rei, e che Ii abbiano sempre a usare la malignitä dello animo loro qualunque volta ne abbiano libera occasione. Cos! anche fa dire al Porco nell'Asino d'Oro, cap. V I I I (ν. 136 ss.): Vostr'e I'ambition, lussuria e'l pianto, Et l'avaritia, che genera scabbia Nel viver vostro, che stimate tanto. La sentenziosa categoricitä dell'accusa scagliata contro il genere umano di universale reita e il vero ,romanzo intellettuale' di Machiavelli sofferto nella „lunga esperienza delle cose moderne e una continua lezione delle antique" e con profonda amarezza distillato nella teoria di cio che egli non ha saputo essere. Guicciardini gli rimproverava questa inesatta generalizzazione „per regola" die non tiene conto dei caratteri distintivi che si imparano non certo dai libri ma dalla nostra diretta osservazione 13 : „Le cose del mondo sono si varie e dependono da tanti accidenti che . . . si vede per esperienza che quasi sempre le conietture de' savi sono fallaci." I giudizi di Machiavelli sono troppo assoluti, egli dice, e „bisogna starsene invece ai singoli casi". Ε questo rimprovero έ stato poi sempre ripetuto. Machiavelli parla sempre in termini di ,vulgo', .populo', ,li uomini', teorizza sempre assiomaticamente e gli esempi addotti, specialmente quelli antichi, spesso non sono esatti e calzanti 14 . II rimprovero έ giusto (ma non hanno lo stesso carattere sentenzioso proposizioni come quisque praesumitur bonus dell'antico diritto romano ed homo homini lupus di Hobbes e tutti i giudizi teorici con validita universale?), ma proprio da esso emerge la doppia caratteristica del Principe di essere ,romanzo* e ,teoria' nello stesso tempo: ,romanzo' nel senso autobiografico come si h detto, e ,teoria' in quanto assunzione della sua personale .esperienzia* e ,lezione' a norma generale con una trasposizione intellettualistica. 12

la

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Altri passi sulla scelleratezza degli uomini: II Pricipe I X ; X V I I ; X V I I I ; X X I I I ; Discorsi I 9 ; 2 6 ; 60, II 9 ecc. F. Guicciardini: Scritti politici e Ricordi, a cura di R. Palmarocchi, Bari 1933, 2 4 6 ; 2 8 5 ; 310; 326. — Ders.: Consideraziont intorno ai Discorsi del Machiavelli, 3 3 ; 41. ·— Cf. U. Spirito: Machiavelli e Guicciardini, Firenze 1944; F . G i l b e r t : Machiavelli and Guicciardini — Politics and Hist, in 16th Century Florence, Princeton 1965. Ders.: The Humanist Concept of the Prince and the „Prince" of Machiavelli, in: / . Modern Hist. 9 (1939), ora nel vol. Niccolo Machiavelli, trad, di A. De Caprariis, Bologna 1964, 109 ss. Oltre, naturalmente, alia vasta bibliografia italiana sull'argomento. Vedi le note di F. Chabod al Principe, Torino 1933.

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N o n c' έ bisogno neanche di invocare fonti antiche ο medievali al suo pessimismo antropologico 15 , perche esso e realmente proiezione delle sue conoscenze e del suo stato d'animo di fallito uomo politico, la cui amarezza solo in parte έ rivolta contro ,1a malignita della sorte', ma piu intimamente contro se stesso nella sua incapacita di dominare gli uomini ,rei* die appunto per questo egli vede ancora piu ,rei'. N e da questa architettura di norme generali e di raccomandazioni emerge chiaramente la figura ideale del Principe. Essa non e il duca Valentino, il cui elogio e limitato al non si poteva governare altrimenti (cap. V I I ) e da ci0 che dice a proposito di Agatocle: nonostante le azioni e virtu, di costui f . . . ] non si pud ancora chiamare virtu ammazzare li sua cittadini, tradire Ii amici, essere sanza fede, sanza pietä, sanza religione; li quali modi possono fare acquistare i m ρ e r i ο , ma non gloria, cost che la sua efferata crudeltä et inumanitä, con infinite sceleratezze, non consentono che sia infra li eccellentissimi uomini celebrato (cap. V I I I ) . Questa riserva, che contraddice al tono di ammirazione con cui narra le sceleratezze di Cesare Borgia e di Agatocle, fa subito intendere, con la netta distinzione f r a ,imperio' e ,gloria', quale sia il suo ideale, cioe la combinazione di entrambi. Ideale che egli sent! il bisogno qualche anno dopo il Principe di incarnare in una figura reale narrando La vita di Castruccio Castracani poiche gli parve aver trovato in essa molte cose, e quanto alia virtu e quanto alia fortuna, di grandissimo esempio 16 . Pare dunque che il suo ideale umano sia fuori del Principe, ove si direbbe che esso non e ancora maturo, ed ove egli si dibatte f r a la sceleratezza del genere umano, che e come dire le qualita negative della materia prima con cui egli ο altri dovrebbe formare lo Stato, ed il suo sogno di uomini migliori, raggiunga il perfetto e vero fine e una perfezione d'ordine (Discorsi I 2). D r a m m a insolubile nella costruzione intellettuale di questo Stato: concepito come opera di un uomo che deve servirsi per crearlo ο mantenerlo di 15

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E. Ellinger: Die antiken Quellen der Staatslehre Machiavellis, in: 2 5 . für die gesamte Staatswiss., Tübingen 1888; W. Dilthey: Weltanschauung und Analyse des Menschen seit Renaissance und Reformation, in: Ges. Sehr. II, Leipzig/Berlin 3 1923; Α. H . Gilbert: Machiavelli's Prince and its Forerunners — The Prince as a Typical Book „De Regimine Principum", D u r h a m 1938; H . H e x t e r Seyssel: Machiavelli and Polybius VII — The Mistery of the Missing Transl., in: St. Renaissance 3 (1956), 75 ss.; F. Mehmel: Machiavelli und die Antike, in: Antike und Abendland 3 (1948), 152 ss.; K . R e i n h a r d t : Thukydides und Machiavelli, in: Von Werken und Formen — Vorträge und Aufs., Godesberg 1948; G. P a r a z z o l i : Niccolo Machiavelli e la lezione liviana, Milano 1933; N e a l W o o d : Some Common Aspects of the Thought of Seneca and Machiavelli, in: Renaissance Qu., X X I 1 (Spring 1968), 11 ss.; S. Bertelli: Ancora su Lucrezio e Machiavelli, in: Riv. stor. ital. 76 (1964), 1 ss. N o n e strano die la critica abbia generalraente attribuito alia Vita di Castruccio il carattere di ,romanzo' storico e fantastico ο politico ο illustrativo del Principe e non l'abbia invece riconosciuto a quest'ultimo. In realta la Vita di Castruccio e un'opera integrativa del Principe come l'esempio pratico integra la norma ideale. Oltre al Tommasini, op. cit., ed al Villari, op. cit.; cf. anche A. Gerber: Niccolo Machiavelli — Die Hs., Ausg. und Übers, seiner W. im 16. und 17. Jh., I — I I I , Gotha 1912—13, I 101.

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qualita opposte a quelle che egli deve presupporre in se stesso e nei suoi sudditi perfid possa esistere e prosperare. Quindi uno Stato contraddittorio in se stesso che puo esistere solo con la violenza ο per un colpo di fortuna sul Crinale di un momento f r a l'abisso di sceleratezza del principe che lo crea e l'abisso delle insidie dei sudditi e dei vicini, e die quindi potra durare solo finche resiste questa posizione di equilibrio, per rovinare irrimediabilmente al primo urto 1 7 . Cioe Stato non e: e quindi il crollo delle speranze d'Italia di cui l'ultimo capitolo dell'opera e l'epicedio col patetico appello ad un impossibile avvenire che mai divento presente, rimanendo sospeso come a s p e t t a t i v a , che έ lo stato d'animo abortivo del fatto in caso di assurdo concettuale. La deduzione dello Stato dalla natura umana senza alcuna investitura trascendente, sia essa divina come nel caso del pontificato cristiano ο elettiva come nel caso del Sultano d'Egitto ο ereditaria come nel caso delle monarchie contemporanee 18 , conduce appunto inevitabilmente a questa conseguenza allorche la natura umana e stata giä aprioristicamente definita come fatta di ingrati, volubili, simulatori e dissimulators, fuggitori de' pericoli, cupidi di guadagno (Principe X V I I ) e cosi via, sino alla affermazione categorica tutti gli uomini sono rei (Discorsi I 3). Anche Vico due secoli dopo, affermando che questo mondo civile egli certamente e stato fatto dagli uomini, dedurra tutta la storia dalle modificazioni della nostra medesima mente umana; perö aggiungerä che la pietä [. . .] era dalla provvedenza ordinata a fondare le nazioni e die il t i m o r d e i e i l p u d o r s u i sono le molle di propulsione della vita civile. L'uomo, in altri termini, opera nell'ambito del volere della Provvidenza 1 9 . Data la contraddizione f r a natura ed intelletto (la stessa contraddizione che h nel Fürst austriaco) di cui egli stesso, Machiavelli, prendeva sempre piü coscienza nel corso dell'opera, non riuscendogli di eliminarla per Pimpossibilita 17

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Pietro Conte: L'errore logico del Machiavelli e i jondamenti metafisici della politica, Roma 2 1956, 15 ss., 132 ss.; vede l'errore logico del Μ. nel porre come fine dello Stato non la g i u s t i z i a e l a v e r i t ä , valori morali e trascendenti, ne il perfetto fine e la perfezione dell'ordine, ma l'onor del mondo e la gloria personale del principe. Ii ricorso alla natura umana come fonte del potere politico risale del resto a Marsilio da Padova che cosl pone fine alla concezione medievale dell'investitura divina e da l'avvio alla filosofia politica del Quattrocento e dell'eta moderna. Cf. F. Battaglia: Marsilio da Padova e la filosofia politica del Medioevo, Firenze 1928; ders.: St. sulla politica di Machiavelli, in: Nuovi st. di diritto economico e politico, I fasc. 6 (1928); II fasc. 1 (1928); C. Curcio: La politica ital. del 400, Firenze 1932. Naturalmente non e il caso di intervenire qui nel lungo dibattito sulla interpretazione della Prevvedenza vichiana apertosi con La filos. di Gian Battista Vico, Bari 1911, e studi successivi del Croce die l'avviö sul binario idealistico. Ad ogni modo per i rapporti Machiavelli — Vico e interessante la ricerca di affinit^ metodologica (ma die secondo noi ha una diversa impostazione nei due autori) di L.Berte De Besaucele: Les Cartesiens d' Italic, Paris 1920. Cf. anche C. Hilty: Machiavelli and Vico, in: Politisches Jb. der Schweizer Eidgenossenschaft, Berlin 1907; E. De Negri: Principi e popoli in Machiavelli e Vico, in: RF 52 (1938).

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di mutare la sua impostazione dello Stato, doveva per forza cadere in una serie continua di altre contraddizioni. Ammessa la criminality del fondatore dello Stato e la perfidia dei ,sua cittadini', com'£ possibile assicurarne l'esistenza? Se scopo del Principe fosse soltanto di fondare uno Stato, basterebbe soltanto la forza, ossia ,le buone arme', per conquistarlo e ordinarlo. Ma se si tratta di assicurarne la durata, poiche la vita di uno Stato non έ costituita solo dalle armi ma anche da altri numerosi fattori fra cui quelli morali e sentimentali, si presenta la necessita di presupporre negli uomini almeno una certa dose di buone qualitä da assumere come base di convivenza civile. Un Principe che possa commandare e sia uomo di core, poträ sempre contare sul favore del popolo, cosi die έ falso il proverbio chi fonda in sul populo, fonda in sul fango (cap. IX), e se si aiuta qualcuno a vincere, elli ha teco obligo, e vi e contratto I' am or e; e Ii uomini non s ono mat cost disonesti che con tanto esempio di ingratitudine ti oppressino; il vincitore ha sempre qualche respetto, e massime alia giustizia (cap. XXI). Ν έ d'altra parte un uomo, poniamo, come Caracalla potrebbe diventare odiosissimo a tutto il mondo se non ci fossero negli uomini forze morali capaci di reagire alle sue scelleratezze (cap. XIX). Ε con quale vigore egli distingue gli uomini buoni ed i cattivi, lo dice il seguente passo: Infra tutti gli uomini laudati, sono i laudatissimi quelli che sono stati capi e ordinatori delle religioni [...] A qualunque altro uomo, il numero de' quali e infinito, si attribuisce qualche parte di laude [...] sono pel contrario infami e detestabili gli uomini distruttori delle religioni, dissipatori de' regni e delle republiche, inimici delle virtu, delle lettere e d'ogni altra arte che arrechi utilita e onore alia umana generazione, come sono gl'impii, i violenti, gl'ignoranti, i dappochi, gli oziosi, i vili (Discorsi I 10). Sicche non b vero die sono tutti gli uomini rei, ma essi ο s o n o anche in parte buoni, ο p o s s o n o diventar buoni. Nel Principe non si parla del potere educativo delle leggi20, ma si parla piuttosto della necessita che pud costringere gli uomini ad astenersi dal male. Nel capitolo Dell'Ambizione invece (meta 1516) compare la legge accanto alia maggior forza che freni l'istinto naturale dell'uomo (se legge ο maggior forza non ci affrena, v. 81), e nelle altre opere se ne parla largamente 21 . Le buone leggi producono la buona educazione e la buona educazione produce li buoni esempli (Discorsi I 4.) Cosl ne viene assicurata la liberta: le leggi sono il nervo e la vita del vivere libera (Discorsi I 33). Gli ordini e le leggi sono dunque capaci di creare quella giustizia, die gli uomini altrimenti non saprebbero fondare 22 , pur scaturendo esse leggi da uno Stato costruito con la violenza e il delitto 23 . 2I)

21

22 M

11 Principe X I I : Ε perche non puo essere buone legge dove non sono buone arme, e dove sono buone arme conviene sieno buone legge, to lascero indrieto el ragionare delle legge e parlero delle arme. Discorsi I 5; 7; 37; 40; I I I 3; 49. Istorie Florentine I I 12; 17; I I I 1; 21; I V 1; 3; 14; 26; 28; V I I 12. C. Curcio: Dal Rinascimento alia Controriforma, Roma 1934, 64 ss. G. Ritter: Die Dämonie der Macht — Betrachtungen über Gesch. und Wesen des Machtproblems im politischen Denken der Neuzeit, München "1948, 40 cosi

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Dunque gli uomini possono essere educati ο per lo meno costretti dalla legge a non fare quel male che altrimenti farebbero. Ε non solo le leggi ma anche la religione ha lo stesso potere, qualunque essa sia, ροϊΛέ per Machiavelli tutte le religioni sono eguali essendo di origine umana e non divina. I capitoli dei Discorsi intitolati Deila religione de' Romani e Di quanta importanza sia tenere conto della Religione, e come la Italia, per esserne mancata mediante la Chiesa Romana, e rovinata (I 11; 12) fanno fede del potere determinante die egli attribuisce al paganesimo nella storia romana perch£ quelli cittadini temevano piü assai rompere il giuramento che le leggi come coloro che stimavano piü la potenza di Dio che quella degli uomini e come la osservanza del culto divino e cagione della grandezza delle republiche, cost il dispregio di quello e cagione della rovina di esse. Perche dove manca il timore di Dio, conviene ο che quel regno rovini ο che sia sostenuto dal timore di uno principe che sopperisca a' defetti della religione (I 11). Debbono adunque i principi d'una republica ο d'uno regno, i fondamenti della religione che loro tengono mantenergli; e fatto questo sarä loro facil cosa mantenere la loro republica religiosa, e per conseguente buona e unita. Essi debbono coltivare nei sudditi la fede nei miracoli che si celebrano nelle religioni eziandio false come quei tanti die avvennero a Roma. Passando poi al cristianesimo dice: La quale religione se ne' principi della republica cristiana si fosse mantenuta secondo che dal datore d'essa ne fu ordinate, sarebbero gli stati e le republiche cristiane piü unite, piü felici assai che le non sono. La colpa della decadenza del cristianesimo h tutta della Chiesa romana che ha fatto perdere ogni devozione e ogni religione; il che si tira dietro infiniti inconvenienti e infiniti desordini. Per colpa dei preti noi italiani siamo diventati senza religione e cattivi (I 12) 2 4 . Le leggi e la religione, nelle sue forme esteriori di liturgia, culto, devozione, miracoli ecc., sono strumenti di governo per educare i sudditi. Ma come h possibile ciö se giudico il mondo essere stato ad uno medesimo modo, ed in quello essere stato tanto di buono quanto di cattivo (Discorsi II, Proemio) e se gli uomini, comme nella prefazione nostra si disse, nacquero, vissero e morirono, sempre in uno medesimo ordine? Ed egli insiste anche su questa perennitä ed immutabilita del bene e del male negli uomini condannando la falsa opinione che gli esempli delli antiqui non siano imitabili come se il cielo, il sole, Ii elementi, Ii uomini, fussino variati di moto, di ordine e di potenza da quello che gli erano antiquamente (Discorsi I, Proemio). In altro capitolo dei

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commenta: „Ohne Zweifel ein logischer Saltomortale, aber sachlich durchaus konsequent: die natürliche und notwendige Folge eben des Dämonisch-Zweideutigen aller Politik ( 3 4 ) ! " C f . andie G. Q u a d r i : Niccolo Machiavelli e la costruzione della coscienza morale, Firenze 1948. Cf. anche Discorsi I, Proemio e 2 ; I I I 1; 2 9 ; Lauri Huovinen: Das Bild vom Menschen im politischen Denken Niccolo Machiavellis, Helsinki 1951, 134 ss. Interessante la tesi di influssi svizzeri nella concezione etica machiavelliana dello Stato, sostenuta da W . K a e g i : Vom Glauben Macchiavellis, in: Hist. Meditationen (1942); E. Walder: Machiavelli und die virtii der Schweizer, i n : Schweizer Beiträge zur allgemeinen Gesch. 2 ( 1 9 4 4 ) ; L. von Muralt: Machiavellis Staatsgedanke, Basel 1945.

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Discorsi intitolato Che gli uomini che nascono in una provincia osservino per tutti i tempi quasi quella medesima natura afferma che tutte le cose del mondo in ogni tempo hanno il proprio riscontro con gli antichi tempi. Ii che nasce perche essendo quelle operate dagli uomini, che fanno ed ebbono sempre le medesime passioni, conviene di necessitä che le sortischino il medesimo effetto (Discorsi I I 43). Anzi e persino dell'opinione che in f o n d o tutti gli uomini siano eguali ed abbiano quelli medesimi desideri e quellt medesimi umori (Discorsi I 39). Se dunque gli uomini ed i popoli sono immurabili nelle loro passioni e nel tenere i medesimi costumi, έ difficile ammettere che le buone leggi ed i buoni ordini e la religione possano mutarli in modo da educarli veramente, ma potranno soltanto mediante la paura (timor dei ο principis ο legum) costringerli transitoriamente ad assumere un certo atteggiamento. La immutabilitä del carattere che egli attribuisce al genere umano proviene appunto dalla visione universale inscindibile dal suo intellettualismo, a differenza del Guicciardini per il quale e grande errore parlare delle cose del mondo indistintamente e assolutamente e per dir cost, per regola; perche quasi tutte hanno distinzione e eccezione [. . .] e queste distinzioni e eccezioni non si trovano scritte in su' libri, ma bisogna lo insegni la discrezione [. . .] (Ricordi politici e civili VI). Nulla di piu opposto che l'universale di Machiavelli ed il ,particulare' di Guicciardini. Ma proprio questo universale, diverso da quello aristotelicoscolastico dichiaratamente etico-teologico, applicato alla natura umana in quanto matrice dello Stato, e espressione del suo intellettualismo e sede del drammatico conflitto natura — intelletto in cui si inscrivono ad arabesco le molteplici contraddizioni e le oscure polivalenze. Di esse si potrebbe stendere una lunga lista, come del resto έ stato giä fatto 2 5 . La invariabilita del carattere umano έ contraddetta anche dall'ammissione della mutevolezza dei tempi: Credo ancora che sia felice quello che riscontra il modo del procedere suo con le qualita de' tempi; e similmente sia infelice quello che con il procedere suo si discordano e' tempi; se si mutasse di natura con Ii tempi e con le cose, non si muterebbe fortuna (Principe X X V ) . Ii famoso concetto di virtü tanto discusso dalla critica, ha una sconcertante polivalenza se alia Santitd di papa Leone (X) si attribuiscono la bontä et infinite altre sua virtü (Principe X I ) associandolo ad Agatocle il quale accompagno le sue scelleratezze con tanta virtü d'animo e di corpo (Principe V I I I ) ed a Cesare Borgia in cui erano tanta ferocia e tanta virtü (Principe VII) 2 e . La 25 28

Leo Strauss: Thoughts on Machiavelli, Glencoe, 111. 1958, 36 ss. Ε. W. Mayer: Machiavellis Gesch.auf fassung und sein Begriff der virtü, Mündien/ Berlin 1912. Qualche altra indicazione bibliografica: F.Gilbert: On Machiavellis Idea of virtü, in: Renaissance News 4 (1951); J . H . W h i t f i e l d : The Anatomy of Virtus, in: Modern Language Rev. 38 (1943), 222 ss.; R. D e Mattei: Fortuna e virtü dal Machiavelli al Sottini, Todi 1938; L. H u o v i n e n : Virtü-aateesta Niccolo Machiavellis (Über die Virtu bei N . M . , in: Historallinen Aikakauskirja 2 [1914]), Helsinki 1944; per il concetto di „necessitä" vedi l'accurato studio di K. Kluxen: Politik und menschliche Existenz bei Machiavelli — Dargestellt am Begriff der necessitä, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1967.

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stessa parola principe significa monarca e anche uno dei capi della repubblica; populo έ la societa repubblicana o p p u r e la massa in generale sinonimo di vulgo; Cielo puo indicare la P r o v v i d e n z a oppure il caso ο una meta desiderata ο u n a causa di catastrofe; lo stesso noi ha una latitudine semantica che ne dissolve il senso nell'indeterminato; provincia va da territorio a nazione. Ε la lista potrebbe continuare 2 7 . A questa ambiguitä bisogna poi aggiungere i casi di frau.de intenzionale che egli dichiara apertamente essere un mezzo necessario di successo q u a n d o la violenza non basta 2 8 . Allorche una volta per scusarsi di non saper spiegare certi prodigi che annunciano il f u t u r o dice che bisognerebbe interrogare qualcuno che ctbbia notizia delle cose naturali e soprannaturali, il che non abbiamo not (Discorsi I 56) egli, poich£ p r i m a p a r l a di fulmini e fenomeni eterei a v r a inteso per cose naturali la vita degli elementi, e q u a n t o alle soprannaturali gli crediamo senz'altro. La parola Dio e usata nel Principe una dozzina di volte, ma quale significato abbia nel contesto storico non si p u 0 dire con precisione. P a r l a n d o una volta della falsa opinione che crede le cose del m o n d o governate dalla fortuna e da Dio, egli la corregge cosi: perche il nostro libero arbitrio non sia spento, iudico poter esser vero che la fortuna sia arbitra della meta delle azioni nostre, ma che etiam lei ne laset governare I'altra meta, ο presso a noi (Principe X X V ) . Sicch£ chi governa le cose del m o n d o sono la f o r t u n a e noi, e di D i o non si parla piü. U n ' a l t r a volta nei Discorsi p a r l a n d o del regno di D a v i d , riferisce a lui la fräse che nel Magnificat di M a r i a (Luca I 53) viene riferita a D i o qui esaurientes implevit bonis et divites dimisit inanes (del resto la sola citazione biblica che ricorre sia nel Principe che nei Discorsi29 e piü avanti commenta: Sono questi modi crudelissimi e nemici d'ogni vivere non solamente cristiano ma umano, e debbegli qualunque uomo fuggire, e volere piuttosto vivere private che re con tanta rovina degli uomini (Discorsi I 26). Cos! egli giudica i modi di governo di D a v i d che sono, secondo la Bibbia, gli stessi modi del Signore. U n ' a l t r a volta ricorda quelli che d i v e n t a r o n o principi per propria virtü e οϊοέ Moise, Ciro, Romulo, Teseo e simili e, dopo aver accantonato Mos£ per essere stato uno mero esecutore delle cose che Ii erano ordinate da Dio, dice che le azioni degli altri non differiscono a f f a t t o da quelle di lui che ebbe si gran precettore, mostrando infatti che Mose ebbe bisogno per agire delle medesime occasioni come gli altri (Principe V I ; X X V I ) . Q u a n t o alia religione, abbiamo giä ricordato die essa, qualunque sia, έ di origine u m a n a . Cosi egli p a r l a anche di quella cristiana che successe alia gentile, a f f e r m a n d o die queste sette in cinque ο seimila anni variano due ο tre volte e di loro si perde la memoria ο, se ne resta alcun segno, si considera come cosa favolosa a cui non si presta piü fede (Discorsi I I 5). Del resto, accennando 27 28 29

Utile l'analisi di Fredi Chiappclli: Studi sul linguaggio di Machiavelli, 1952. Lettera a Guicciardini del 17. 5. 1521; Discorsi II 13; III 40—42. L. Strauss, op. cit. (n. 25) 49.

Firenze

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brevemente alle due teorie dell'eternitä ο della creazione del mondo, egli si pronuncia per quest'ultima solo formalmente, con la fiacca argomentazione die se il mondo fosse eterno ne avremmo piü memoria: si capisce come in realtä egli invece propenda per la prima teoria, anche per quanto dice dopo circa le religioni (Discorsi II 5). Ne nel Principe ηέ nei Discorsi ricorre alcun cenno di distinzione fra questo mondo e un altro, fra vita terrena e ultraterrena, ηέ mai si fa cenno all'inferno, pur essendo nominati il Cielo e persino il Paradiso, ηέ mai fa capolino il diavolo, ηέ finalmente έ ricordata l'esistenza dell'anima (si parla sempre di animo). Aggirandosi nelle argomentazioni di queste due opere, al lettore non viene neanche in mente che possa esistere una credenza nell'al di Ii. Eppure nel Principe di fronte a tanti delitti ed a tanto male potrebbe facilmente affacciarsi questo pensiero. Vero έ che, essendo argomento del libro soltanto la tecnica del potere, έ difficile far posto a considerazioni religiose die aprano lo spiraglio alla prospettiva di un altro mondo e di una vita ultraterrena in cui le azioni compiute in terra a fine politico vengano giudicate molto diversamente da come le giudica chi le compie ο chi le consiglia. Ma tuttavia, come nel Principe vi sono anche considerazioni morali, potrebbero esservi sentori di una religione e di una fede non solo formali. Dice uno studioso molto sensibile, Fr. Schilling30: „II Medioevo, immaginando il peccato originale, (aveva) visto in ίέ l'uomo altrettanto pessimisticamente (quanto Machiavelli), ma dietro il peccaminoso al di qua per il quale valeva questo giudizio, brillava un regno celeste di purezza e beatitudine donde balenava alla caduta di Adamo una resurrezione e cosl per il qua scendeva nell'ombra tanto piü quanto piü luminoso splendeva il gaudio eterno. Ma nella teoria di Machiavelli la vecchia immagine dell'uomo rimane, mentre έ distrutto il luminoso al di la, ed ora il mondo έ cresciuto." „La teoria madiiavelliana della storia fa risuonare nel rinnovamento spirituale del Rinascimento e dell'Umanesimo, che cosl promettenti avviano alla speculazione sull'uomo dell'eti illuminata con la sua filosofia dell'evoluzione, il bemolle di una filosofia del declino con una legge cosi terribile che in tutte le piü recenti teorie meti naturalistiche et meta metafisiche sulla fine del mondo, questo offre ancora un bello spettacolo." „Distruzione [ . . . ] έ il nome dell'evento." La diagnosi έ esatta: una volta posto come punto di partenza il presupporre tutti gli uomini rei ma senza speranza di redenzione, non ne pui> scaturire die una visione apocalittica del mondo. Presupponendo l'uomo naturalmente buono di Piatone ed Aristotele si pui> costruire un mondo idealmente migliore anche se utopico, come nel caso di Piatone, ο razionalmente piü possibile come nel caso di Aristotele, pur mancando ogni idea religiosa di redenzione. Ma partendo dalla premessa di un'umaniti cattiva, non si puö piü pretendere di costruire uno Stato se non come violenza istituzionalizzata da un principe che so

Grundzüge von Niccolo in: Geist und Gesellsdoaft,

Macbiavellis gesch- und gesellschaftsphilos. FS Breysig, Breslau 1927, I I I 113; 114; 102.

Auffassung,

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sia uno ferocissimo leone et una astutissima volpe, oppure, con maggior coerenza, si deve giungere alia piü logica conclusione del desiderio della morte e del suicidio, come nel caso di Seneca, abbia egli ο no prestato molti motivi a Machiavelli 31 . Ma le due cose, lo Stato di violenza ed il suicidio, non solo non sono molto diverse ma il secondo e addirittura conseguenza del primo, salvo die la concezione machiavelliana e molto peggiore di quella senechiana. Quest'ultima era pagana e considerava la caduta dell'uomo come ignoranza della virtus e della sapientia stoiche, pur sempre rimediabile mediante l'amor fraterno e l'educazione (per cui si έ creduto ad influssi cristiani). Mentre la concezione machiavelliana έ senz'altro cristiana 32 e considera il bene e il male secondo la tradizione biblica senza perö la redenzione, lasciando quindi sulla fronte degli uomini il marchio di Caino. N e scaturisce immediatamente la visione apocalittica del mondo 33 , una volta die lo Stato, il solo che per mezzo delle leggi e 51 32

33

Ci riferiamo al'[l'] op. cit. di Neal Wood (cf. n. 15). Negare il presupposto cristiano nella interpretazione di Machiavelli per un presunto paganesimo significa, a nostro parere, appiattirlo ad un puro tecnico del potere ο al massimo ad uno statalogo e forse storiografo, sminuendone l'importanza e la drammaticitä in quanto annunciatore di un nuovo tipo di homo politicus (cio che governa se stesso e i popoli) con la sua interna dialettica di bene e di male. Dopo l'attribuzione di ateismo e diabolicidl di Federico il Grande (Antimachiavel 1739, ma pubblicato nel testo originale nell'ottobre 1740 e poi solo nel 1847 a cura di Preuss) ed i rapidi accenni (ma di carattere letterario) di J.N.Meinhard: Versuch über den Charakter und die Werke der besten ital. Dichter, I—II, Braunschweig 1763—64; 21774; G. E. Lessing: Briefe, die neueste Litt, betreffend, Brief 332, ebbe successo l'attribuzione di paganesimo di J.G.Fichte: Machiavell, krit. Ausg. von H. Schulz, Leipzig 21919, p. XXXII ed 1—65, in: W., Erster Ergänzungsbd.: Staatsphilos. Sehr.; cf. anche H. Frey er: Über Fichtes Machiavell-Aufs., in: Berichte über Verh. sächsischen Ak. Wiss. Leipzig 88, Nr. 1, Leipzig 1936, seguito da Fr. Schlegel: Gesch. der alten und neuen Lit. 1812; Krit. Neuausg. VI, hg. v. H. Eichner, Paderborn 1961, da Hegel (a cui perö importava di piu la visuale dello spirito assoluto): Die Verfassung des dt. Reichs — Eine politische Flugschr., aus dem Nachlaß hg. v. G. Mollat, Stuttgart 1935, e da una serie di altri autori, fra cui, oltre a Nietzsche, W. Dilthey, op. cit. (n. 15), e Fr. Meinecke: Die Idee der Staatsräson in der neueren Gesch., München 1924, rist. in: W. I, München 21960, trad. ital. di D. Scolari, vol. I, Firenze 1942. Sulla base di una piu vasta lettura di testi, inquadrata nella cornice di tutto il Rinascimento: J. Burckhardt: Die Kultur der Renaissance in Italien, 1860, trad. ital. di D. Valbusa, 3. ed. a cura di G. Zippel, Firenze 1927; cf. specialmente II 344, tratteggia bene l'atteggiamento religioso del Machiavelli, seguito da altri autori fra cui, con decisa convinzione, L. Huovinen, op. cit. (n. 24) 148 ss. II Bruckhardt vede un Machiavelli non diverso dai suoi contemporanei nell'avversione contro la Chiesa romana, nel considerare le forme del culto alla pari di qualunque altra forma di vita civile e nella riduzione del cristianesimo ad un puro e semplice teismo. V'h poi un'altra corrente di studiosi che riconoscono in Machiavelli l'uomo cristiano decaduto il cui profondo pessimismo proviene appunto dal fondo etico-psicologico cristiano smentito dall'esperienza e quindi rinnegato. Fra costoro sono H. von Treitschke: Politik I, Leipzig 1899, seguito da E. W. Mayer, op. cit. (n. 26); K. Heyer: Der Machiavellismus, Berlin 1918; Fr. Schilling, op. cit. (n. 30), e G. Ritter, op. cit. (n. 23). Oltre a Fr. Schilling, op. cit., ed a Rene König: Z«r Krisenanalyse einer Zeitwende, Erlenbach/Zürich 1941; W. Rehm: Der Untergang Roms im abendländischen Den-

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dei buoni ordini potrebbe inibire la malignita degli uomini, e una proiezione delle loro stesse qualita. Per questo Machiavelli, pur supponendo il benefico influsso delle leggi, della religione e dei buoni esempi, Ii subordina tuttavia sempre al solo mezzo di ordine in cui egli veramente creda, είοέ le buone armi: dunque forza e violenza. Terra di Nod e veramente il mondo che noi vediamo rappresentato nel Principe, se leggiamo come vengono caratterizzati i rapporti umani: anche se non sia del tutto vera la ironica accusa che Traiano Boccalini fa muovere a Machiavelli nel Ragguaglio L X X X I X di essersi ingegnato ad accomodare in bocca alle pecore i denti posticci di cane, e pur vera Tamara celebrazione del Foscolo che egli [....] temprando lo scettro a' regnatori Gli allor ne sfronda, ed alle genti svela Di che lacrime grondi e di che sangue. (/ Sepolcri

v. 156 ss.)

Si prenda p. e. dal capitolo X V I I De crudelitate et pietate; et an sit melius amari quam timeri, vel e contra la pagina seguente: Perche delli uomini si puo dire questo generalmente: che sieno ingrati, volubili, simulatori, fuggitori de' pericoli, cupidi di guadagno; [. ..] e quel principe che si e tutto fondato in sulle parole loro, trovandosi nudo di altre preparazioni, rovina; perche le amicizie che si acquistano col prezzo e non con grandezza e nobiltä di animo, si meritano, ma eile non si hanno, et a' tempi non si possono spendere. Ε Ii uomini hanno meno respetto ad offendere uno che si facci amare, che uno che si facci temere; perche l'amore e tenuto da uno vinculo di obbligo, il quale, per essere Ii uomini tristi, da ogni occasione per propria utilitä e rotto; ma il timore e tenuto da una paura di pena che non abbandona mai. Oppure dal capitolo X I V : Perche da uno armato a uno disarmato non e proporzione alcuna; e non e ragionevole che chi e armato obedisca volentieri a chi e disarmato, e che il disarmato stia sicuro intra servitori armati. Perche, sendo nell'uno sdegno e nell'altro sospetto, non e possibili operino bene insieme. Oppure dalla Lettera Famiiiare CXXXIV: Giova a dare reputazione a un dominatore nuovo la crudelta, perfidia et irreligione in quella provincia dove l'humanitä, jede et religione e lungo tempo abbandonata (al che si obietta: e l'ufficio educativo dello Stato?). E' ovvio che da questi rapporti umani derivino scene come questa: Ε, presa sopr'a questo occasione, lo fece a Cesena mettere una mattina, in dua pezzi in sulla piazza, con uno pezzo di legno et uno coltello sanguinoso a canto. La ferocita del quale spettaculo fece quellt populi in uno tempo rimanere satisfatti e stupiti. (Principe V I I ; l'autore del delitto b Cesare Borgia, la vittima έ il suo luogotenente generale in Romagna, Ramiro de Lorqua).

ken, Leipzig 1930, rist. Darmstadt 1966, vede nell'opera di Machiavelli una impietosa ed accorata rappresentazione di decadenza e disfacimento della tradizione romana (che si deduce del resto di un semplice confronto dei Discorsi col Principe!).

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Nei Capitoli, e particolarmente in quello Dell'Ambizione, troviamo il panorama completo di questo mondo (v. 148—59): Di sangue son le fosse e l'acque sozze, Piene di teschi, di gambe e di mani Ε d'altre membra laniate e mozze. Rapaci uccei, jere silvestri, cani Son poi le lor paterne sepolture: Ο sepulcri crudei, feroci e strani! Sempre son le lor faccie orride e scure A guisa d'uom che sbigottito ammiri Per nuovi danni ο sübite paure. Dovunche gli occhi tu rivolti, miri Di lacrime la terra e sangue pregna, Ε l'aria d'urla, singulti e sospiri. II chiaro riecheggiamento dell'Inferno dantesco implica la definizione machiavelliana del mondo come inferno. Ma al di sopra dell'Inferno dantesco v'era un altro luogo che splendeva, άοέ il Paradiso. Mentre da questo .inferno' machiavellico che e questo mondo degli uomini, non v'e altra liberazione che la metamorfosi in bestie: ed ecco L'Asino d'oro, il cui ultimo capitolo ci presenta questo personaggio: Alzo quel Porco al giunger nostro il grifo Tutto vergato di mota e di loto; Talche mi venne nel guardarlo a schijo. II quale personaggio si rifiuta di ridiventare uomo chiudendo il suo lungo confronto fra i vizi e le miserie degli uomini con i privilegi e le virtu del suo stato suino con queste parole (v. 145—51): Pens'hor, come tu vuoi ch'io ritorni uomo, Sendo di tutte le miserie privo, Ch'io sopportava mentre che fui uomo. Ε s'alcuno infra gli uomini ti par divo, Felice e lieto, non gli creder molto, Che 'n questo fango piu felice vivo, Dove sanza pensier mi bagno e volto. In questo contesto acquista una carica di disperata ironia il commento die Ligurio fa tra se del comportamento di Callimaco nella Mandragola: Che gente e questaf Or per I'allegrezza, or per dolore, costui vuol morire in ogni modo. Naturalmente Callimaco non muore ne di mano altrui ne propria, e neanche Machiavelli si suicido. Ma egli fa sul serio quando dipinge il mondo come inferno oppure fa della ,letteratura', dell'estetismo decadentistico pre-barocco? Si sa che questa domanda se la pongono molti 34 . Certamente egli fa sul serio sul piano autobio34

R. König,

Commedie.

op. cit. 234 ss., vede l'estetismo di Madiiavelli

specialmente

nelle

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grafico sotteso al mordente pessimismo, ma c'h anche dell'estetismo nella sua statologia e storiografia. Un indizio di ciö potrebbe essere quel suo scherzare sull'inferno anche negli ultimi giorni di sua vita quando, raccontando il suo presunto sogno dei poveri cenciosi che aveva visti in Paradiso e degli illustri saggi die aveva visti nell'Inferno, diceva di voler andare in quest'ultimo per continuare coi saggi i nobili conversari. Ma έ stato anche detto che in punto di morte volle uno suo redentore e lasciossi confessare le sue peccata da frate Matteo35. Comunque, nella figurazione machiavelliana del mondo ci troviamo in atmosfera non di esecuzione del suicidio ma di a 11 e s a del suicidio. Che non έ tanto quell'estetismo della morte che si pu0 intravedere in certi accenni di massacri nel Principe, nella Descrizione del modo tenuto dal duca Valentino nello ammazzare Vitellozzo Vitelli ecc. (che έ tutto un racconto teso verso la raccapricciante fine), in quel vagheggiamento di oltretomba dantesco nell'Asino d'oro e nell'evocazione dei diavoli nei Canti Carnascialeschi e in Belfagor: questo aspetto έ secondario, per quanto interessante nelle sue affinita con l'arte die si evolveva nella I metä del Cinquecento fiorentino verso il manierismo pre-barocco, rispetto al movente di fondo die έ l'assurdo insolubile delFuomo triste che aspira ad un'esistenza buona dedotta dalle sue stesse qualita. Quest'aspirazione si configura civilmente nel concetto di Stato die, dovendo scaturire dalle stesse qualita dell'uomo, non pui) essere che volontä di potenza e quindi concentrazione di tutto il suo potere per imporsi sul non-stato. Giungiamo cosl al paradosso che poi sviluppö Nietzsche nell'abbozzo Der Wille zur Macht scritto il 17. 3. 1887 a Nizza, Libro II 2, Critica della morale, aforismo 304: Vom Ideal des Moralisten. — Dieser Traktat handelt von der großen Politik der Tugend. "Wir haben ihn denen zum Nutzen bestimmt, welchen daran liegen muß, zu lernen, nicht wie man tugendhaft wird, sondern wie man tugendhaft macht — wie man die Tugend zur Herrschaft bringt. Ich will sogar beweisen, daß, um dies eine zu wollen — die Herrschaft der Tugend — man grundsätzlich das andere nicht wollen darf; eben damit verzichtet man darauf, tugendhaft zu werden. Dies Opfer ist groß: aber ein solches Ziel lohnt vielleicht solch ein Opfer. Und selbst noch größere! [.. .] Und einige von den berühmtesten Moralisten haben so viel riskiert. Von diesen nämlich wurde bereits die Wahrheit erkannt und vorweggenommen, welche mit diesem Traktat zum ersten Male gelehrt werden soll: daß man die Herrschaft der Tugend schlechterdings nur durch dieselben Mittel erreichen kann, mit denen man überhaupt eine Herrschaft erreicht, jedenfalls nicht durch die Tugend [.. .] Dieser Traktat handelt, wie gesagt, von der Politik der Tugend: er setzt ein Ideal dieser Politik an, er beschreibt sie so, wie sie sein müßte, wenn etwas 35

R. R i d o l f i : Vata di Niccolo Machiavelli, R o m a 1954, 376 s. Questa notizia e dovuta ad una lettera del figlio Piero falsificata nel 700. Tuttavia se non vera e verosimile per la preoccupazione di Machiavelli di mantener distinti la sua fede religiosa ed il suo giudizio politico sulla Chiesa romana.

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auf dieser Erde vollkommen sein könnte. Nun wird kein Philosoph darüber in Zweifel sein, was der Typus der Vollkommenheit in der Politik ist; nämlich der Macchiavellismus. Aber der Macchiavellismus, pur s an s melange, cru, vert, dans tonte sa force, dans taute son aprete ist übermenschlich, göttlich, transzendent, er wird von Menschen nie erreicht, höchstens gestreift. Nessun moralista infatti sinora, neanche Piatone, έ riuscito a tanto perch£ tutti hanno compiuto l'errore di voler essere essi stessi virtuosi, mentre il moralista deve essere come tale Immoralist der Tat, solo che non deve sembrarlo, appartenendo al suo canone il rinnegare se stesso e fingere. Freiheit von

der Moral, auch von der Wahrheit, um jenes Zieles willen, das jedes Opfer aufwiegt: um der Herrschaft der Moral willen — so lautet jener Kanon. Die Moralisten haben die Attitüde der Tugend nötig, auch die Attitüde der Wahrheit; ihr Fehler beginnt erst, wo sie der Tugend nachgeben, wo sie die Herrschaft über die Tugend verlieren, wo sie selbst moralisch werden, wahr werden. Ein großer Moralist ist, unter anderem, notwendig auch ein großer Schauspieler; seine Gefahr ist, daß seine Verstellung unversehens Natur wird, wie es sein Ideal ist, sein esse und sein ο ρ er ar i auf eine göttliche Weise auseinanderzuhalten; alles, was er tut, muß er sub specie b on i tun — ein hohes, fernes, anspruchsvolles Ideal! Ein göttliches Ideal! Und in der Tat geht die Rede, daß der Moralist damit kein geringeres Vorbild nachahmt, als Gott selbst: Gott, diesen größten Immoralisten der Tat, den es gibt, der aber nichtsdestoweniger zu bleiben versteht, was er ist, der gute Gott [...] L'aforismo 305 poi dice piü brevemente 36 : Mit der Tugend selbst

gründet

man nicht die Herrschaft der Tugend; mit der Tugend selbst verzichtet man auf Macht, verliert den Willen zur Madit.

Come si vede Nietzsche ha capito bene la lezione di Machiavelli sulla conquista del potere e ne ha percepito la profonda antinomia, die egli anzi ha acuito e portato al massimo di inconciliabilitä sostituendo alio Stato, come oggetto del potere, la Tugend, che b la virtu eticamente intesa; probabilmente la sostituzione proviene da un errore di interpretazione della virtu machiavelliana come Tugend tedesca. Ma ad ogni modo la forma che cosl assume la teoria machiavelliana della tecnica del potere έ semplicemente la forma t r a s c e n d e n t a l e della volontä di potenza nietzschiana. Abbiamo letto infatti nel testo sopra citato che „il machiavellismo [. . . ] έ sovrumano, divino, trascendente" e il moralista die volesse applicarlo integralmente ha per modello D i o. Fare il male sub specie boni, οίοέ per il trionfo della virtu, έ sovrumano, perch£ chi fa il male e cattivo e non poträ fondare il regno del bene, oltre al fatto die gli altri uomini sono simili a lui. Per conciliare perciö l'antitesi bene — male ci vuole una supervolonta di potenza, ossia bisogna impegnarsi nella

® Fr. Nietzsche: Sämtliche Werke in zwölf Bänden, hg. v. Peter Gast und Elisabeth Förster-Nietzsche, Stuttgart 1966, Bd. I X , 2 1 3 — 1 5 .

3

592

M a r i o Pensa f

gara con Dio. Quindi il Principe trascendentalmente έ il superamento dell'uomo proiettato verso il Dio-Io. Nietzsche fini folle, come il Fürst austriaco έ definito altrettanto folle quanto ricco. La lotta fra il bene e il male nella storia umana ο ammette una trascendenza giustificatrice e conciliatrice, e quindi anche una qualunque forma come p o s s i b i l i t a d i s u i c i d i o (si ricordino le parole del Fürst: Denken in Selbstmordmöglichkeiten als eine Wissenschaft). Per Machiavelli rimane nel Principe convenzionalmente come un patetico a u s ρ i c i ο rivolto all'avvenire, ma in realta nell'Asino d'oro si ipotizza satiricamente come metamorfosi dell'uomo in bestia. II confronto fra i Capitoli e 1 'Asino d'oro offre la chiave per la lettura del Principe. Poich£ l'uomo e fatto come lo rappresentano i Capitoli, cioe fornito di tutte le peggiori qualitä die mai l'etica cristiana possa collezionare, non c'e altra logica conclusione che la riduzione effettiva dell'uomo in bestia. Questa sarebbe la sua t r a s c e n d e n z a . Per Bernhard invece il Fürst rimane sospeso, come abbiamo visto, nell' a 11 e s a del suicidio. Ma l'assurdo concettuale nelle opere dei due autori distanti fra loro di quattro secoli e mezzo e lo stesso, e proviene in fondo da quel processo di secolarizzazione del cristianesimo di cui Machiavelli e Nietzsche sono pietre miliari nel cammino verso l'epoca contemporanea e die Vico forse non prevedeva, ne ne aveva l'intenzione, che si potesse esprimere con la definizione da lui trovata per la sua opera: teologia civile ragionata della provvedenza. Cos! Ii Principe diventa un romanzo di a u t o b i o g r a f i a ideale in cui si rispecchia la tragedia dell'uomo cristiano caduto che, non osando piu sollevare il volto al cielo in cerca di una luce di speranza, si rivolta contro la sua stessa natura e, pur maledicendola, cerca di inalzarla ad un blasfemico confronto con Dio, ricadendo poi piu in basso nel suo imbestiamento: la medesima tragedia che si riflette in tanta parte della cultura e della letteratura contemporanea (con largo contributo tedesco), di cui il romanzo di Thomas Bernhard non e che una delle tante voci. Percio ci sembra che dobbiamo essere grati al Bernhard ed al sui critico Fröhlich di averci offerto lo spunto a questa rilettura di Machiavelli in chiave piu attuale 37 . 37

P e r la critica machiavelliana

in G e r m a n i a

cf.:

Adolph

Gerber op. cit.

(n. 1 6 ) ;

A. Elkan: Die Entdeckung Machiavellis in Deutschland zu Beginn des XIX. Jahrhunderts, in: Hist. 2s. (1919); W. Preiser: Das Machiavelli-Bild der Gegenwart, in: Zs. für die ges. Staatswis. 108 (1952); Hanno Helbling: Machiavelli in Germania (conferenza tenuta a Firenze il 2 9 . 9. 1 9 6 9 al Congresso Internazionale II

politico

di Machiavelli

e la sua jortuna

nel mondo,

pensiero

alia quale dobbiamo alcuni

utili richiami). L a bibliografia d a noi c i t a t a e principalmente tedesca per m a n t e nerci nell'ambito della critica machiavelliana in Germania, ed entro questi confini abbiamo anche escluso le t r a t t a z i o n i statologidie e storiografiche per seguire il nostro indirizzo critico-psicologico dell'uomo politicus machiavelliano, indirizzo die possiamo anche esprimere con le parole di Erich B r a n d e n b u r g ( M a c h i a v e l l i und

sein Principe,

in: Berichte

über die Verhandlungen

der sächsischen

Akademie

Wissenschaft zu Leipzig, Bd. 9 8 , H . 4, Leipzig 1 9 3 7 1 4 ) : „Die w a h r e seiner Beweisführung ist seine Psychologie des politischen Menschen."

der

Grundlage

ULRICH

WEISSTEIN

Influences and Parallels The Place and Function of Analogy Studies in Comparative Literature He, who through vast immensity can pierce, See worlds on worlds compose one universe, Observe how system into system runs, What other planets circle other suns, What varied Being peoples ev'ry star, May tell why Heav'n has made us as we are. But of this frame the bearings, and the ties, The strong connections, nice dependencies, Gradations fust, has thy pervading soul Looked through? or can a part contain the whole? Is the great chain, that draws all to agree, And drawn supports, upheld by God, or thee? Pope: An Essay on Man . . . et Pangloss disait quelquefois a Candide: ,Tous les evenements sont enchaines dans le meilleur des mondes possibles; car enfin si vous n'aviez pas ete chasse d'un beau chateau a grands coups de pied pour l'amour de Mile Cunegonde, si vous n'aviez pas ete mis a I'Inquisition, si vous n'aviez pas couru I'Amerique a pied, si vous n'aviez pas donne un bon coup d'epee au baron, si vous n'aviez pas perdu tous vos moutons du bon pays d'Eldorado, vous ne mangeriez pas ici des cedrats confits et des pistaches.' — ,Cela est bien dit', repondit Candide, ,mais il faul cultiver notre jardin.' Voltaire: Candide Chapter Three of my Einführung in die Vergleichende Literaturwissenschaft opens with the apodictic statement 1 : „Als Schlüsselbegriff aller komparatistischen Forschung muß unbedingt derjenige des Einflusses gelten, da er, seiner Natur nach, das Vorhandensein zweier Produkte voraussetzt: des Werkes, von dem er ausgeht, und desjenigen, auf das er wirkt." This brash assertion rightly puzzled some reviewers; for as Henry Η . H . Remak points out, in a different context 2 , contemporary scholars seem „to have forgotten that the name of our discipline is ,comparative literature', not ,influential literature'." Thus perhaps I should have written: „Als Schlüsselbegriff aller komparatistischen Forschung

1

2

Stuttgart 1968, 88. An English version of the book, Comp. Lit. and Lit. Introd. and Survey, has been published by the Indiana University Press. Comp. Lit., Its Definition and Function, in: Comp. Lit. — Method and tive, ed. by N. P. Stallknecht and H. Frenz, 2 1972, 3.

Theory: Perspec-

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Ulrich Weisstein

muß unbedingt derjenige des Vergleichs gelten, da e r . . . das Vorhandensein zweier Entitäten voraussetzt, die aufeinander bezogen sind." Or, in order to clarify my point by placing the issue in its proper historical perspective, I should at least have inserted the phrase „im engeren Sinn" after „Forschung", thereby indicating that I did not necessarily subscribe to the orthodox French view regarding the matter. For, as my sporadic — sometimes favorable and sometimes critical — references to the so-called analogy studies in the body of the text reveal, I am by no means opposed to such endeavors (at least not in principle), provided that they entail a keen awareness of the attendant methodological problems. In point of fact, my statement was largely based on the impression gleaned from the lively and, at times, heated debate waged, in the late fifties and early sixties, by a number of American comparatists (A. O. Aldridge, Anna Balakian, Haskell M. Block, Claudio Guillen, Ihab Hassan and Joseph T. Shaw among them) who represent a broad spectrum of views ranging from a mildly conservative to a decidedly radical stance, i. e., from notions fairly close to the major tenets of the Sorbonne ,equipe' of the twenties and thirties (the line of descent from Baldensperger by way of Van Tieghem and Carre to Guyard) to opinions reflecting, though modifying, Croce's uncompromising stand. Thus, commenting on the ordinary conjunction which, much to her chagrin, graces the titles of so many books and essays in our field, Professor Balakian maintained that 3 „the flexible ,and' affords a most convenient ambiguity as it encompasses three different significations. The most obvious one is related to the discovery of real influences, and the most untenable one is the suggestion of vague and often far-fetched affinities. The latter objective seems a futile preoccupation for the comparatist, one more suited to impressionistic journalism than to scientifically oriented research." By contrast, Professor Guillen, seeking to devaluate the tangible evidence present in the finished product, shifted the focus of attention from the aesthetic to the psychological sphere by defining influence as a „recognizable and significant part of the genesis of a literary work of art" and as a phenomenon best described as genetic incitation. Hence his conviction „that an influence need not take the recognizable form of a parallelism, just as every parallelism does not proceed from an influence." In order to account for those measurable influences which do occur in the form of parallels, he has recourse to what are known as techniques, conventions and traditions — a .strategy whidi, perfectly suited for his purpose, amounts, in the final analysis, to an intellectual game of blind man's buff, which Harry Levin, Ihab Hassan and others would gladly join in. Guillen's move is quite evasive, for techniques, conventions and traditions also had to be conceived, instituted and developed or perfected by 3

4

From her contribution to the ACLA symposium The Concept of Influence in Comp. Lit., in: Comp. Lit. St., Special Advance Issue (1963), 146 f. The Aesthetics of Influence St., in: Comp. Lit. — Proc. Second Congress International Comp. Lit. Assoc. I, ed. W. P. Friederich, Chapel Hill 1959, 181 and 184 respectively.

Influences and Parallels

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individuals, even though in many instances the actual innovator (let us say, the inventor of the sonnet) can no longer be identified. Thus, while it is perfectly true that in order to write a Petrarchan sonnet a Renaissance poet did not have to be directly exposed to a sonnet written by Petrarch himself 5 , the above phenomena, being historical, gave rise to or resulted from influences, however dark and obscure these may seem from the vantage point of modern scholarship. Thus Guillen's test is a pragmatic, not a systematic one, since the presumed anonymity here at work is no more than an optical illusion and, in some instances, a poor excuse for breaking off historical research 6 . Having been alerted to the sin of omission I have been guilty of in my Einführung... (which should have included a chapter entitled „Parallelen, Analogien und Affinitäten"), I now wish to make partial amends by offering the following observations and considerations by w a y of a supplement aimed at rounding out the methodological survey. The illustrations I shall use are largely familiar ones seen from a different perspective. A systematically descriptive (not prescriptive) treatment of this thorny problem is overdue, since, so far, precious few attempts have been made to instill some sort of order into the chaos of what Francesco De Sanctis — implying that every work of art, being sui generis, is incomparable — scathingly referred to as „questa critica . . . a paralleli" 7 . In fact, the only extended discussion known to me comes from the pen of Michael Moriarty, whose dissertation The Uses of Analogy: An Essay in the Methodology of Comparative Literature8 is based on a thorough knowledge of the ancient and medieval use and usage of analogy as a tool of intellectual inquiry. The present essay, while indebted to Moriarty's study, has a much more practical orientation. In charting the course of the subsequent argument, I have earnestly sought to avoid the pitfalls constituted by the more extreme views, such as are offered, for example, by Jean-Marie Carre and Wolfgang Holdheim. While Carre, in his brief avant-propos to Guyard's manual, sought to divorce the critical from the historical approach by banishing „rhetorical" parallels for the sake of investigations dealing with actual „rapports de fait" 9 , Holdheim assigns See Guillen's contribution to the above symposium in Comp. Lit. St., Special A d v a n c e Issue (1963), 150. 6 In the modified version of the above contribution contained in his book Lit. as System — Essays Toward the Theory of Lit. Hist. (Princeton 1 9 7 1 ) , Guillen has p a r t l y acknowledged this fact by stating (60 f.): „It is true that one steals f r o m single works, not traditions. But it is equally true that certain poems incarnate traditions, condense and vitalize systems of conventions, and symbolize other poems. Similarly, when influences spread and amalgamate, when they become common premises or usages . . . then they ought to be called something like conventions." 7 Quoted f r o m De Sanctis' Saggi critici in Franco Simone's essay Benedetto Croce et la litt. comp, en Italie, in: RLC 27 (1953), 1 — 1 6 . 8 Submitted in 1971 to the Comparative Literature Program at Indiana University. See Dissertation Abstracts 32 (1972), 5 7 4 7 A . * „La litterature comparee n'est pas la comparaison litteraire. II ne s'agit pas de transposer simplement sur le plan des litteratures etrangeres les paralleles des 5

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Ulrich Weisstein

influence studies to an ancillary position by compartmentalizing them within a larger whole 10 : „Der Einfluß ist nichts als eine Spezialform der Analogie, der er lediglich einen Schuß positivistischer Uberredungskraft (also nichts Grundlegendes) hinzufügt." Disagreeing with both gentlemen, I should like to treat influences, parallels and analogies as being, roughly, equivalent, for the simple reason that, in the majority of cases, they either overlap or are dialectically related to each other, so that in focusing on the one must never cease to ponder the other. At least in this respect, I tend to agree with Dionyz Durisin, who states in a jargon still to be explained 11 : „Was uns also beim Vergleich literarischer Erscheinungen als typologische Analogie erscheint, kann auch durch entfernte Kontaktbeziehungen hervorgerufen sein. Daher ist es nicht richtig . . . sich grundsätzlich von der einen oder anderen Methode zu distanzieren, denn die Bestimmung genetischer Beziehungen setzt die Kenntnis typologischer Zusammenhänge voraus und umgekehrt." A far as the practice in Comparative Literature is concerned, Ihab Hassan has pointed his finger exactly at the sore spot by noting 12 that (I hasten to add: unfortunately and with doubtful results) „the concept of influence is obviously called upon to account for any relationship, running the gamut of incidence to causality, with a somewhat expansive range of intermediate correlations." Speaking in a similar vein, J. T. Shaw — substituting the broader but still unnecessarily limiting term „indebtedness" for „influence" — bemoans the terminological confusion with which comparatists are forced to cope 13 : „Curiously enough, there seems to be no readily available juxtaposition of the various terms which may indicate literary indebtedness with an attempt to define them and discriminate among them. The terms which most need such definition and discussion appear to be translations, imitations, stylizations, borrowings, sources, parallels and influence." If we attempted to classify these terms, and the literary phenomena which they designate, in view of the kind and degree of linking they suggest, we might come up with the following chart:

10 11

12

13

anciennes rhetoriques entre Corneille et Racine, Voltaire et Rousseau, etc. N o u s n'aimons pas beaucoup a nous attarder aux ressemblances et differences entre Tennyson et Musset, Dickens et Daudet, etc." (From the preface to Guyard's La Litt, comp., Paris 3 1961, 5). A similar v i e w is implied by the brevity of the section on Similarities and Contrasts in Baldensperger/Friederich's Bibliogr. of Comp. Lit., Chapel Hill 1950, and Friederich's comment (ib. p. x v i ) : „Another problem which often defied accurate interpretation dealt with the possibility that t w o authors may merely have been compared and that no tracings of influences were intended." Komparatistik und Lit.theorie, in: Arcadia 7 (1972), 303. Die wichtigsten Typen lit. Beziehungen und Zusammenhänge, in: Aktuelle Probleme der Vgl. Lit.forschung, ed. G. Ziegengeist, Berlin 1968, 56 f. The Problem of Influence in Lit. Hist. — Notes Towards a Definition, in: American J. Aesthetics Art Criticism 14 (1955), 67. Lit. Indebtedness and Comp. Lit. St., in: Comp. Lit. — Method and Perspective 87 f.

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I: Borrowings (quotations; pastiche, ,cento') 14 II: Translations III: Adaptations I V : Imitations a) serious (including stylization 1 5 ) b) humorous/critical (including parody, travesty and burlesque) 16 V : Influences (,rapports de fait') 1 7 . I interrupt the process of enumeration at this point because, along the continuum, w e have reached a first crucial stage, namely that which marks the transition f r o m what in the language of Socialist/Marxist theoreticians are known as contactual relations to those which, emulating A. O. Aldridge, w e might designate as affinities 1 8 . In other words: when we leave the realm of ascertainable, tangible influences, we enter that of evident parallels or similarities no longer subject to strict ,Kausalgenetik'. This is the border where, in the scheme evolved by its conservative practitioners, Comparative Literature begins to shade over into ,litterature generale' which, in the words of Paul V a n Tieghem 19 , comprises „un ordre de recherches qui porte sur les faits communs a plusieurs literatures, consideres comme tels, soit dans leurs dipendances reciproques, soit dans leur coincidence." As V a n Tieghem's definition shows, the transition from causal relationships to affinities is rarely smooth, and uncertainty often prevails where a qualitative leap would be desirable. W e now penetrate into a twilight zone In the case of borrowing, a relationship of identity is maintained, the modification consisting in the displacement of the material drawn from a specific source, either by wrenching it out of context (quotation) or by recombining elements culled from one or several models (pastiche; ,cento'). As Pichois/Rousseau observe, perfect identity ,,ne se trouve qu'au niveau des ideologies . . . reductibles a des concepts et done ichangeables." See their book La Litt. Comp., Paris 1967, 95. 15 „Related to an imitation but perhaps best considered separately is a stylization, in which an author suggests for an artistic purpose another author or literary work, or even the style of an entire period, by a combination of style and materials." Shaw, op. cit. 89. 18 For a historical/critical definition of these terms see my essay Parody, Travesty, and Burlesque — Imitations with a Vengeance, in: Actes IVe Congres Assoc. Internationale Litt. Comp., ed. F. Jost, The Hague 1966, 802—811. 17 „An author may be considered to have been influenced by a foreign author when something from without can be demonstrated to have produced upon him and/or his artistic works an effect his native literary tradition and personal development do not explain. In contrast to imitation, influence shows the influenced author producing work which is essentially his own." (Shaw, op. cit. 91). The definition implies that, whereas the types I, II, III and IV of indebtedness entail a conscious relationship between the author and his source and a deliberate linking of the imitation with its model(s), type V suggests a more complicated pattern composed, most likely, of conscious and subconscious elements. As Shaw succinctly notes, influence by no means precludes originality. 18 „Affinity consists in resemblances in style, structure, mood or idea between two works which have no other necessary connection" (Comp. Lit. St., Special Advance Issue, 143). " La Litt. Comp., Paris 1946, 174. 14

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that must be traversed on the tortuous way that leads from influences to analogies. To begin with, the upper limit of factualist research is reached in dealing with similarities which are either so close or so extensive as to suggest contactual relations by their exclusiveness20: „In cases where there may be some question of the direct source of borrowings, because of comparable materials being present in several available works, a definite source may be determined when there are sufficient exclusive parallels." (In order to enhance the clarity of this statement, one could amend it by noting that such exclusive parallels may either point to a common source or to a contact unverifiable in a documentary way.) This is what the Swedish scholar Sven Linner calls the argument of improbability 21 : „The gap may be broad between those comparatists who require external evidence, well documented, and those who compare literary texts more or less in a vacuum. . . . Then what is the validity of the internal evidence I have just called indispensable? Whatever strength it has is based upon an implied argument of improbability. Thus it is highly improbable that two t e x t s . . . should be so much alike . . . purely by accident; we prefer to assume some causal connection between them. Such an argument of improbability is generally implied where literary texts are said to be causally related to each other: it is one of the fundamental arguments of the comparative method." Generally, our failure to verify suspected influences may simply result from the missing links in a chain taken to be continuous. The fragmentary state of .Überlieferung' (or our insufficient knowledge thereof), for instance, is a severe handicap in the study of ancient and medieval art; and that was one of the reasons why Van Tieghem and the other Popians at the Sorbonne said hands-off to pre-Renaissance literature 22 : „Conjue dans des termes aussi generaux [la ΙϊΐΐέΓαΐυΓβ comparee] comprendrait, a ne considerer que le monde occidental, les relations des literatures grecque et latine entre elles, puis la dette des literatures modernes, depuis le moyen age, envers les litteratures anciennes, enfin les rapports des litt£ratures modernes entre elles. Ce dernier ordre de questions, le plus itendu d'ailleurs et le plus complexe, est celui que se reserve la litterature comparee dans l'acception ordinaire de l'expression." In commenting on this stricture, Jean Frappier, addressing the Chapel Hill congress of the ICLA, stated the reasons responsible for this reductive definition 23 : „Si la l i ^ r a t u r e c o m p a r e se d£finit comme ,1'histoire des relations litteraires internationales', si elle doit s'attacher surtout a decouvrir et priciser les conditions dans lesquelles Pinfluence des auteurs, des oeuvres, des 20 21

22 23

Shaw, op. cit. 90. The Structure and Functions of Lit. Comparisons, in: American ]. Aesthetics Art Criticism 26 (1967/68), 176. Regarding this point, see also the warning sounded by Rene Wellek and Austin Warren on p. 270 of their Theory of Lit. ( N e w York 1949): „Parallels must be real parallels, not vague similarities assumed to turn, by mere multiplication, into proof. Forty zeroes still make zero." Van Tieghem, op. cit. 57 f. Litt. med. et litt. comp. — Problemes de recherche et de methode, in: Proc. Second Congress I, 26.

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idees, se repand au-dela des fronti£res linguistiques, un handicap trop connu des medievistes gene singuli£rement leurs recherches dans la plupart des cas: l'insuffisance de l'information, la rarete des documents, les incertitudes de la chronologie." A firm belief in the Leibnizian plenum and the Great Chain of causes and effects also prevailed in the case of Baldensperger's objection to thematology (and, by extension, genology) as a viable subdiscipline of Comparative Literature; for in his view, so forthrightly expressed in the first issue of the Revue de Litterature Comparee24, „tants de contacts interrompus laissaient incomplete la chaine a reconstituer, que trop souvent les rattachements de la Stoff geschickte, ignorant les intermediates oraux et indetermin&, satisfaisaient mal les esprits historiques, c'est-^-dire soucieux de series continue." With the reference to exclusive parallels on the one hand and ,chaines incompletes' on the other, we have reached the bottom of the list of comparable literary phenomena which, explicitly, implicitly or ex negativo, lend themselves to scrutiny from the aspect of contactual influence, whether real, probable or plausible. In the next subdivision of our previously mentioned twilight zone, parallels (i. e., sets of features inherent in two entities which are „closely similar or corresponding, as in purpose, tendency, time or essential parts") increasingly tend to give way to analogies proper (i. e., „similarities in some respects between things otherwise unlike or unrelated" 25 ). On this level, where parallels are no longer exclusive, common causes or sources are still taken for granted but the more obvious stylistic, structural, or even thematic, resemblances are gradually lost sight of. As they fade out of view, they are replaced by less tangible symptoms subsumed under the general headings of ,Zeitgeist' or ,Weltanschauung', and to be studied within the broader framework of ,Geistesgeschichte' and ,Problemgeschichte' (History of Ideas) respectively. We can save ourselves the trouble of delving into the theoretical undergrowth and pondering the methodological relevance of ,Problemgeschichte' since, as Croce tartly and pertinently observed, this mode of investigation primarily concerns facts that are not, senso strictu, literary and aesthetic but pertain to, or impinge upon, philosophy, theology and the sciences. In short, it deals with the non-poetic aspects of ,poesia'. ,Geistesgeschichte', on the other hand, is properly focused on cultural phenomena and on what the French tend to call ,courants communs'. It has the additional advantage of working synchronically rather than diadironically in its quest for tracing „strong connections [and] nice dependencies" between things which are, roughly, contemporary. (Kurt Wais scores an important point when he states that, if it is to be meaningful, ,Geistesgeschichte' must be ,Zeitgeistgeschichte' rather than ,Volks24 25

Litt. comp. — Le mot et la chose, in: RLC 1 (1921), 23. These definitions are based on models furnished by Webster's New Collegiate Diet, (thin paper ed., 1949). As will be shown, the difference between „unlike" and „unrelated" is significant.

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geistgeschichte' 26 .) Moreover, the wise practitioner of this „art" will know that, in order to be historically meaningful, his research must be geographically and temporally limited to a given ,Kulturkreis' or civilization; for, in the words of Julius Petersen 27 : „Eine zusammenfassende internationale Literaturgeschichte bestimmter Perioden ist nur möglich innerhalb einer Geschichte der geistigen Bewegungen, die von den in Kulturgemeinschaft stehenden Nationen gleichzeitig erlebt werden. Eine universelle Entwicklung der Weltliteratur ist dagegen wegen der zeitlichen und räumlichen Trennung der Kulturkreise und Weltperioden als geschichtlicher Vorgang nicht darstellbar." Thus the criticism which, in their Theory of Literature, Wellek and Warren level against ,Geistesgeschichte' („The method is largely a method of analogy: negative analogy, in so far as it tends to emphasize the differences between a given age and to forget the likenesses, and positive analogy, in so f a r as it tends to emphasize the likenesses among the happenings or productions of a particular period and to forget the differences" 2 8 ) is justified not so much with regard to its cautious and level-headed application as with respect to its excrescences. Thus the rigid schematization of cultural parallels based on the assumption that „die Tatsachen gleichzeitiger übereinstimmender Erscheinungen . . . sich nicht ausschließlich als gegenseitige Einwirkungen erklären [können], sondern aus innerer Gesetzmäßigkeit des schicksalsverbundenen parallelen Entwicklungsvorganges" 2 9 is particularly offensive because the notion of an underlying Gesetzmäßigkeit' suggests a dubious analogy with the natural sciences30. It is responsible, among other things, for the reductive treatment of historical periods along the lines suggested by Herbert Cysarz — the foolhardy attempt, that is to say, to set up patterns and paradigms such as the Gothic Man, the Renaissance man, etc. Regarding the use of ,Geistesgeschichte', it should be noted that, quite frequently, comparatists practice it without preaching it. Thus, when we talk about synchronic literary conventions (as opposed to diachronic traditions) we seem to acknowledge the presence of a mysterious force which governs the „lives" of stylistic features and controls their movement from one national context to another. (We have already noted the logical short-circuit implied

20

27 28

29 30

See Wais' essay Zeitgeist und Volksgeist in der vgl. Lit.gesch., in: GRM 22 (1934), 291—307, especially 305 f. Nationale oder vgl. Lit.gesch., in: DVJS 6 (1928), 60. Theory of Lit. 117 f. Julius Petersen: Nationale oder vgl. Lit.gesch., loc. cit. 51. It may be useful, at this point, to introduce a distinction that is common in biological studies but unfamiliar in the humanities, namely that between analogy and homology. In the words of T. W. Torrey, „truly equivalent parts, in the sense of having had a common ancestry and regardless of structure and function, are said to be homologous", whereas „parts having similar functions, whether homologous or not, are said to be analogous". (Morphogenesis of the Vertebrates, N e w York 2 1967, 9). Transferring these concepts t o the realm of cultural history, w e might say that ,Geistesgesdiidite' firmly believes in homologous relationships, whereas „rhetorical" criticism is strictly analogous.

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by this procedure.) More easily gauged in its relevance to ,Geistesgeschichte' is the manner of writing literary or art history according to generations. Here we must distinguish between the socio-historical meaning of that concept and its biological roots. Thus, Eduard Wechßler 3 1 used the term ,Altersgenossenschaft' primarily in the sense of ,Erlebnisgemeinschaft' when he defined the generation as „eine Gruppe von Jahrgängen einer Nation, die infolge ihrer annähernd gleichzeitigen Geburt und ähnlicher Kindheits- und Jugendeindrücke unter dem Druck einer bestimmten geistig-sittlichen Lage und staatlich-gesellschaftlicher Verhältnisse sich zu annähernd gemeinsamen Wünschen und Bemühungen verbinden." As he subsequently explains 3 2 : „Mehr als das Jahr der Geburt entscheidet über das Schicksal eines Menschen das J a h r seiner Jugend. Wir verstehen darunter den E r l e b n i s p u n k t . . . um welchen die neue Jugendreihe sich im gesamten Leben ihres Volkes hervorwagt, kundtut und zum Worte meldet." The art historian Wilhelm Pinder 3 3 , on the other hand, insisted on the „Priorität des Wachstums vor den Erfahrungen" and vigorously asserted that „das kunstgeschichtliche Leben . . . aus dem Zusammenwirken primär bestimmender Entelechien, die in geheimnisvollem Naturvorgange geboren werden, [entsteht]." What are the methodological implications of these views, and how can we relate them to our central problem, i. e., the integration and interpenetration of influences, parallels and analogies within the confines of Comparative Literature? Concerning Wechßler, whose definition applies to nationals of a single country („eine Gruppe von Jahrgängen einer Nation"), we might well discern two kinds of experiences, those which are of a purely domestic nature and those whose appeal is universal. The latter (global wars, large-scale economic crises, major discoveries or inventions) would, naturally, tend to spill over political and linguistic boundaries, thereby creating the basis for a subsequent comparative treatment of their repercussions in the literatures of the affected countries. However, such reflections are likely to be thematic rather than structural or stylistic. With Pinder, the emphasis is not so much on content as on form, so that his appeal is, clearly, to ,Geistesgeschichte' (rather than ,Problemgeschichte'), once the organicist metaphor has been discarded. Unlike Kurt Wais who, in the essay previously referred to, pitted a parochial ,Volksgeist' against a cosmopolitan ,Zeitgeist', Pinder used biological determinants not in an ethnic sense but appealed to an elusive entity, Mother Nature, which, still within the limits of a given ,Kulturkreis', produces dominant entelechies in a rhythmic but irregular sequence of ,Geburtenwürfe'. Thus he propels us far beyond the limits of scholarly investigation into a fabulous realm of art historical mysticism. Upon leaving the twilight zone of parallelisms which links and, concurrently, separates contactual and typological similarities, we reach the vast Die Generation als Jugendreihe und ihr Kampf um die Denkform, Leipzig 1930, 6. 3 2 Ib. 25. " Das Problem der Generation in der Kunstgesch. Europas, Cologne 4 1949, 145.

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domain of analogy studies, where our sole concern is with „comparable manifestations in form or content in different authors, literatures, and perhaps at different times, and with no demonstrable direct relationship to each other" 34 . Here, still supported by the Popians inured to an inherent .Gesetzmäßigkeit' in the unfolding of literary history, both national and international, we first address ourselves to theories of literary history which are, explicitly or implicitly, evolutionary. We shall not dwell on them at any length since the two most prominent examples, Bruneti£re's doctrine concerning the evolution of genres and Posnett's sociological thesis, are not particularly favorable to Comparative Literature. Thus Brunetiere — using the extrinsic analogy ad tertium (the comparison of two or more analogates to something external to both but which both somehow share) rather than the intrinsic analogy ad unum (the direct comparison of one analogate with another in order to determine what is common to both) — entirely limits himself to French examples (the ,tragέdie classique', lyrical poetry and the novel) 35 . And Posnett, who took literature to be a faithful mirror of „the orderly changes through which [the] relation [of the individual to the group] has passed" 38 , considered ,comparative' to mean exactly the same as ,historical' 37 : „What, then, is the method of Comparative Literature? What is the method of studying literary facts which leads us to recognise a literary science? It is a method for which no single name as yet exists. From the standpoint of time we call it ,historical', from other standpoints we call it .comparative*. The name ,comparative' is, on the whole, the better name; because we often find existing at the same time, and even in the same country, types of social and individual life ranging from very low to very high degrees of evolution. On this assumption, he scorned international literary traffic — the true meat for the cautious comparatist — on the grounds that 38 „external influences, carried beyond a certain point, may convert literature from the outgrowth of the group to which it belongs into a mere exotic, deserving of scientific study only as an artificial production indirectly dependent on social life." Proceeding in a manner similar to Posnett but with a decided preference for literary over social issues, Alexander Veselovsky, the pioneer of Comparative Literature in Russia, evolved a theory according to which actual contacts between various national or indigenous literatures are in no way needed to account for their parallel development, especially as regards the predetermined 34 35

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37 3S

J. T. Shaw, loc. cit. 90. See his book L'£t. des genres dans l'hist. de la litt., Paris 1890, „Lejon d'Ouverture", 13 f. Comp. Lit., London 1886, 86. The paragraph, concluding Part One of Posnett's book, ends with the sentence: „We therefore adopt, with a modification hereafter to be noticed, the gradual expansion of social life, from clan to city, from city to nation, from both of these to cosmopolitan humanity, as the proper order of our studies in comparative literature." I am quoting from the reprint edition published by the Johnson Repr. Corporation ( N e w York 1970). The Science of Comp. Lit., in: Contemporary Rev. 79 (1901), 864. Comp. Lit. 83.

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sequential appearance of the basic types corresponding to the epic, lyric and dramatic world views. In a paper read before the East Berlin Akademie der Wissenschaften, Werner Krauss has neatly summarized these views 39 : „In seiner Vergleichenden Poetik wollte Wesselowsky die Entwicklung aller Literaturen umfassen. Dabei rücken durch ihre innere Gesetzlichkeit, hinter der letzten Endes gemeinsame Voraussetzungen stehen, auch in der Zeit und im Raum unverbundene Erscheinungen zueinander. . . . Zur Ausführung seines gewaltigen Plans mußte sich W. eine Vorstellung von der Typik des Verlaufs der menschlichen Gesellschaftsentwicklung machen, und zu diesen einzelnen Stadien suchte er die dazugehörigen Darstellungen und Dichtungsformen." Unlike .Geistesgeschichte', which, as we have seen, aims at showing that roughly contemporary phenomena can be explained by reference to a body of fairly immediate causes, Posnett's theory of Comparative Literature and Veselovsky's Stadialism („parallel cyclical development without borrowing" 40 ) implies a belief in human (social, cultural, etc.) constants as well as in the ineluctable nature of historical change. But whereas Posnett spoke with the voice of a sociologist (as Bruneti£re had spoken with that of a biologist), his Russian confrere moved from a psychological to an anthropological basis. Relying on so vast and so vague a network of references Veselovsky went perhaps farther than any other comparatist in rendering analogy studies suspect to modern literary scholarship, and that even though, at heart, he remained a Popian believer in causality. Considering Veselovsky's bold abstractions from the living stream of history, it was only natural that, being dialectical materialists, his Marxist heirs should have taken exception to his views. In fact, in some instances (as in that of V. Kirpotin 41 ) they regarded them as anathema. Yet as early as the mid-thirties, Viktor Zhirmunsky, one of the towering figures of contemporary Russian scholarship, rehabilitated his predecessor by modifying his theories in such a way as to integrate them with traditional comparatism while, at the same time, aligning them with Marxist philosophy. Partly restoring the role of the actual historical process, he worked out a compromise (since raised to the status of quasi-official doctrine) aimed at fusing the contactual with the typological approach and dissolving the antiquated dichotomy of ,litterature comparee* and ,litt6rature gέnerale' 42 . The gist of his argument is contained 39

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42

Probleme der vgl. Lit.gesch., in: Sitzungsberichte Dt. Ak. Wiss. Berlin, Berlin 1963, Jg. 1963, Nr. 1, 13. This formulation appears in Gleb Struve's article Comp. Lit. in the Soviet Union, Today and Yesterday, in: Yearb. CL 4 (1955), 7. It is derived from V. Kirpotin. Kirpotin published an article entitled About Servility Before the Capitalist West, about Alexander Veselovsky, about his Followers and about Things that Matter most, in: Oktyabr' (Nr. 1, 1948). His arguments are summarized by Struve in the essay mentioned in footnote 40. „I regard such a dichotomy as the result of a study of literature which represents its history as a mere sum-total of empiric facts, not as the result of general laws and tendencies of historical and literary development." From Zhirmunsky's essay On the St. of Comp. Lit., in: Oxford Slavonic Papers 13 (1967), 12.

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in the following programmatic statement 4 3 : „Literary movements in general and literary facts in particular, considered as international phenomena, are partly based on similar historical developments in the social life of the respective peoples, and partly on the reciprocal cultural and literary intercourse between them. When considering international trends in the evolution of literature we must therefore distinguish between typological analogies and cultural importations or ,influences' which are themselves based on similarities of evolution." Thus, in the Marxist literary scholarship of our day, Comparative Literature is made to straddle the fence between conventional influence studies on the one hand and what, in spite of the underlying historical pretensions, most Western observers would regard as analogy studies on the other. While this is hardly the place to furnish a critical resume of the body of opinions and insights which have gone into the making of Zhirmunsky's construct (or, for that matter, to castigate its flaws), one or two particularly relevant quotations may add to our appreciation of this richly diversified method. Thus the Russian scholar tells us 44 that „in pre-class society influences played a minor p a r t " and that only in the modern age we can speak „of the international influence of individual authors, reflecting a new ideology and creating new trends in a r t . . . " And, in another essay, Zhirmunsky notes perceptively that „internationale literarische Wechselwirkungen [nicht] nur als Einflüsse fortschrittlicher literarischer und gesellschaftlicher Ideen auftreten", in so f a r as „reaktionäre Erscheinungen", too, may trigger such effects 45 . Among the literary theoreticians who have followed in the footsteps of this .Altmeister', none has been more insistent than Öurisin, who has attempted to systematize the whole range of contactual/typological phenomena in his book Problemy literarnej komparatistiky (now available in a German version) 46 and, more succinctly, in his essay Die wichtigsten Typen literarischer Beziehungen und Zusammenhänge, where visual aid is provided by a chart 47 . While discussing Veselovsky's Stadialism and its resurrection by Viktor Zhirmunsky, we have tacitly abandoned the distinction between literatures belonging to one and the same ,Kulturkreis' and those originating in different civilizations. (Zhirmunsky actually accused his predecessor and several West European scholars of not having sufficiently broadened the base of their researches so as to demonstrate „the universal character of the analogies « Ib. 1. 44 The first phrase is drawn from Zhirmunsky's essay Comp. Lit. and the Problem of Lit. Influences (in: Bull. Social Science Section Ac. Sciences U. S. S. R. [ I A N - O O N ] 1936, Nr. 3), as quoted in Struve's article (footnote 40 above), the second phrase from his essay in the Oxford Slavonic Papers (footnote 42 above), 11. 45 Methodologische Probleme der marxistischen hist.-vgl. Lit.forschung, in: Aktuelle Probleme der vgl. Lit.forschung, ed. G. Ziegengeist, Berlin 1968, 5. 46 Bratislava (Slovak Ac. Sciences) 1967. The German version of this book (Probleme der vgl. Lit.forschung) was published in 1972 by the Ak.-Verlag in East Berlin. 47 Contained in: Aktuelle Probleme (footnote 45 above), 47—58.

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observable in the epic literatures of many peoples who were never in direct contact with each other" 4 8 . In doing so, we have moved across another border into the unmapped and, essentially, unchartable territory where any and every literary object is fair game for the comparatist, and where the cynic Voltaire, defying Pope's admonition that all chance [is] direction which thou canst not see (Essay on Man I 290), mocks,Kausalgenetik' with his si... si.. .si. But even this everyman's land of „rhetorical" criticism has a fringe zone whose scholarly inhabitants, renouncing all historical pretensions, seek to establish a universal pattern, and that either on aesthetic or on anthropological grounds. To the first, poetological category belong the efforts of Rene Etiemble to determine, through a systematic confrontation of the works „produits par les civilisations les plus etrangeres aux notres", such ultimate criteria as ,,les invariants du genre romanesque" and „les conditions sine-qua-non du poeme" 49 — a goal which is as illusory as it is futile. For what, in the long run, can be gained from a knowledge of low common denominators which will, at best, take the form of arid cliches and trite inanities? From here, indeed, it is only one step to Emil Staiger's ,Fundamentalpoetik' 50 . The second class — that of anthropological constants — takes us clearly beyond the pale of literature studied for its own sake. Thus Etiemble, having illustrated a lecture on European ,preromantisme' with examples drawn from Chinese poetry of the pre-Christian era, exults in the thought 5 1 : „C'est evidemment qu'il existe des formes, des genres, des invariants, bref que l'homme existe, et la litterature." The tendency is even more pronounced in the case of Calvin S. Brown, who regards the fact that „substantially the same thing happened independently . . . in different ages and cultures" as „a guarantee that it is something a good deal more basic to humanity and more interesting than would be something merely done once and repeatedly imitated elsewhere" 52 . Here Comparative Literature commits an ideological and methodological suicide. 48

49 50

51 52

Oxford Slavonic Papers (footnote 42 above), 3. In the last f e w years, the nature of literary zones, intervening between national literatures and w o r l d literature, has been w i d e l y discussed in the socialist countries of Eastern Europe. (See especially the proc. of the recent Budapest Colloque Methodologique de Litt. Comp., in: Neohelicon — Acta Comparationis Litterarum Universarum 1/2 [ 1 9 7 3 ] , 115—173). In Öurisin's words, literary regions or zones are constituted by literatures, „die durch bestimmte ethnische, sprachliche oder andere V e r w a n d t schaftsbande miteinander verbunden sind". (Vgl. Lit.forschung 50). Comparaison n'est pas raison — La Crise de la litt, comp., Paris 1963, 99 and 102. I am referring to Staiger's use of the terms ,episch', ,lyrisch' and ,dramatisch' and his statement, at the end of the introduction to Grundbegriffe der Poetik (Munich 1971, 10): „Außerdem möchte diese Schrift freilich auch selbständige Geltung in Anspruch nehmen, insofern nämlich, als die Frage nach dem Wesen der Gattungsbegriffe aus eigenem Antrieb auf die Frage nach dem Wesen des Menschen führt. So w i r d aus der Fundamentalpoetik ein Beitrag der Literaturwissenschaft an [sie] die philosophische Anthropologie." Comparaison n'est pas raison 71. Comp. Lit., in: The Georgia Rev. 13 (1959), 180.

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As for those studies in which, according to Franjois Jost, „le critique litteraire ne doit gu£re prendre les relations cause-effet plus au sirieux que Voltaire ne les prit dans Candide"53, we need not waste too many words; for it is obvious that, qua critic, the comparatist, too, is a totally free agent who is not subject to any law other than his own, and who has the whole wide world of literature in which to roam at his pleasure. At his worst, he will indulge in that „jeu des souvenirs et des impressions, de similitudes qui peuvent tres bien n'etre que des points erratiques mis fugitivement en contact par une simple fantaisie de l'esprit" 54 which Baldensperger so heartily despised, while at his best he may engage in the meaningful „exploration of families of minds" 55 advocated by Henri Peyre, in the belief that there is some „cognitive value" even „in confronting and contrasting objects which are in no historical relationship" 56 . It remains only to be seen what scholarly value should be attached so such wilful (and, at times, capricious) exercises and what, if any, function we are to assign to them within the domain of Comparative Literature. Regarding the first point, who would deny that any systematic comparison of two or more analogous literary phenomena — especially if it takes into account the historical circumstances responsible for each of them taken by itself — must be regarded as bona fide scholarship? As for the second point, no agreement has been reached, or is ever likely to be readied, among the experts. And while the number of those comparatists who find no fault with analogy studies or even heartily endorse them is fairly large and constantly increasing, the opposing faction is well entrenched. It includes all historically minded individuals and schools, most prominently perhaps the entire Marxist branch of Comparative Literature 57 and the influential German team assembled around Arcadia, whose founder, our Jubilar' Horst Rüdiger, programmatically announced his editorial intention 58 , „die Erörterung aller ahistorischen, nur auf Vermutung beruhenden .Parallelen' [zu] vermeiden, die dem Ruf der Komparatistik im Zeitpunkt ihrer Konsolidierung schaden könnten." That the issue which hangs in the balance is not as novel as might appear is demonstrated by the fullscale attack which the Englishman G. Gregory Smith launched against Brunetiere and Gaston Paris, the principal speakers at the first Comparative Literature session of the Paris congress of historians in 1900. In fact, the case for literary criticism (and analogy studies) as a legitimate branch of Comparative Literature may never again have been as elo53

Essais de litt. comp. II: Europaeana, l e serie, Fribourg/Urbana, III. 1968, 337. RLC 1 (1921), 7. 55 A Glance at Comp. Lit. in America, in: Yearb. CL 1 (1952), 7. This sentiment is echoed by Haskell M. Block in Nouvelles Tendances en litt, comp., Paris 1970, 26. 58 Rene W e l l e k : The Concept of Comp. Lit., in: Yearb. CL 2 (1953), 3. 57 Thus Werner Krauss (op. cit. 15) decries the „Willkür der Fragestellung" apparent in many contributions to the periodical Comparative Literature by stating: „Es scheint, als ließen sich zwischen jedem beliebigen Punkt im R a u m und in der Zeit Beziehungen herstellen." 5 * Arcadia 1 (1966), 3 f. 54

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quently pleaded 59 : „While, on the one hand, the narrow view of the comparative method takes cognisance of a subject because there is a certain amount of evidence of reciprocity, on the other hand, the truer approach to this particular problem will be the conviction that a greater or less reciprocity is not the major premiss, and may be quite immaterial." With these considerations, we would seem to have readied the end of our methodological journey. But, as it turns out, we have not quite yet earned the right to ,call it quits'; for literature, being an art — or better: one of the arts — does not exist in an aesthetic vacuum. Thus a brief, cautionary glance at the methodological implications of the ,wechselseitige Erhellung der Künste' may offer an opportunity for scanning wider and more distant horizons. What concerns us primarily at this juncture is the change of medium which occurs when we move from literature to music and the plastic arts and which, naturally, calls for an adjustment in terminology. The more's the pity that both critics and scholars (not to mention the unsuspecting layman) often find it irresistible to transfer the technical terms from one art to another, in the hope of facilitating the intended comparison. In reality, such a strategy frequently renders their task more arduous since the analogous use of concepts sometimes causes them to see resemblances even where there are none. Let it be noted at the outset that here we are solely concerned with true analogies between works belonging to different spheres of art, not, however, with contactual relations such as exist in the case of ,Doppelbegabungen' or the actual linking of talents, whether in the form of collaboration (opera, film, the ballet and other varieties of the ,Gesamtkunstwerk') or complementation (the setting of texts, book illustrations, etc.). In short, our focus must be aimed at the last of the four categories which Calvin S. Brown enumerates in his introduction to a special issue of the periodical Comparative Literature60: „Finally, there would be a main heading for the analogies and parallels between the two arts when they are neither combined nor influenced directly by each other." Unlike Brown, however, I wish to exclude „the historical study of parallel or nonparallel developments in the two arts at any given period, and the whole related question of periodization and identifiable period styles and characteristics" from this realm since, as we have already noted, ,Geistesgeschichte' presupposes or, at least, suggests the possibility of contactual relations. Instances of the kind of .comparative arts' criticism corresponding to the „rhetorical" criticism scorned by Carre and Guyard abound in the secondary literature. They are often presented in the guise of ,Geistes'- or ,Stilgeschichte', as in the works of Wylie Sypher (notably From Rococo to Cubism in Art and Literature) and, more recently, in Mario Praz' Mnemosyne61. On the theoretical level, the issue has been variously raised in the last half-century. Thus, writing 59

Some Notes on the Comp. St. of Lit., in: Modern Language Rev. 1 (1905), 6. CL 22 (1970), 103. This special number is devoted to Music and Literature. " Sypher's book was published by Random House in N e w York (1960), Praz' (subtitled The Parallel between Lit. and the Visual Arts) by the Princeton Univ. Press (1970). 60

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as early as 1917, Oskar Walzel (reacting to recent attempts at making Shakespeare a representative of the Baroque) pointed out that Wölfflin's pairs of ,kunstgeschichtliche Grundbegriffe' do not necessarily lend themselves to literary application. Thus „Fläche und Tiefe sind im strengen Sinn des Wortes nur der Raumkunst eigen, nicht der Zeitkunst. Nur im übertragenen Sinne wäre von Fläche und Tiefe in der Dichtung etwas zu sagen" 62 . And the authors of the Theory of Literature remind us 63 : „ . . . t h e term ,sculpturesque', applied to poetry . . . is merely a vague metaphor, meaning that the poetry conveys an impression somehow similar to the effects of Greek sculpture: coolness, induced by white marble or plaster casts, stillness, repose, sharp outlines, clarity. But we must recognize that coolness in poetry is something very different from the tactual sensation of marble, or the imaginative reconstruction of that perception from whiteness: that stillness in poetry is something very different from stillness in sculpture." Still more recently, Steven P. Scher has questioned the use of the term „musical" in literary parlance justifying his skepticism by „the lack of a clearly defined critical terminology and [by] the predilection of some critics for a set of terms based on little more than metaphorical impressionism" 64 . As one can readily see, the comparatist drawing analogies between literary works on the one hand and paintings, sculptures and musical compositions on the other is even more prone to succumb to his own subjective bias than is the critic limiting himself to literary comparisons of this kind. As we have, at long last, reached the outer limits of what, in good conscience and by slightly stretching the scholarly imagination, we might regard as pertaining to Comparative Literature, it is high time to complete the chart which was left in abeyance at an earlier point. In keeping with the arguments presented in the second half of our survey, its bottom half would include the following categories: VI: Mutually exclusive parallels (suggesting influence) VII: Parallels (synchronic and within a given ,Kulturkreis'), as in ,Geistesgeschichte' V I I I : Analogies (historical), including the typological approach, as in Stadialism; within or without a given ,Kulturkreis' IX: Analogies (ahistorical, but systematic and/or teleological) a) searching for literary constants (Etiemble) b) searching for anthropological constants (Brown, Staiger) X : Analogies (ahistorical and non-systematic) a) within literature („rhetorical" criticism) b) exceeding the confines of literature (,wechselseitige Erhellung der Künste', with the exceptions noted above). 62

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Wechselseitige Erhellung der Künste — Ein Beitrag zur Würdigung kunstgesch. Begriffe, Berlin 1917, 58. See also W a l z e l ' s r e m a r k s a b o u t t h e p o l a r i t y of „ l i n e a r " a n d „malerisch" o n p. 60. Theory of Lit. 125. How Meaningful is ,Musical' in Lit. Criticismin: YCL 21 (1972), 52.

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Summarizing the views presented in our essay and codified in the chart, we note, once again, that the movement leading from I to X progresses from quasi-identical, by way of parallel, to analogous modes of relationship, and from comparisons guided by concrete evidence through comparisons where tangible evidence is either implied or suggested to those juxtapositions which are at the mercy of scholarly or critical discretion. The critical points on our scale are clearly those which mark the transition from influences to parallels, and from parallels to analogies. As I have initially stated, mine was to be a systematically descriptive rather than a dogmatically prescriptive overview. Thus the answer to the question as to whether the one or the other approach I have adumbrated is acceptable, questionable or inadmissible (and whether or not it is true that omnis analogia claudet) is left to the indulgent reader. Is it cowardice which keeps me from playing the arbiter or judge? I f it is, I can only appeal to the example furnished by Pichois and Rousseau who, after giving a broad definition of Comparative Literature, coolly remark 65 : „Chacun n'a plus qu'a retrancher de cette definition ce qui lui parait deplace ou superflu pour aboutir a son propre portrait." What, after all, would be the use of legislation in this matter? For there will always be those comparatists who condone only the argument from analogy (which demonstrates a fact not readily accessible by other means or devices), as well as those who extol the virtues of philosophical analogy (which aims at deepening the understanding of something without the help of factual demonstration) 66 , which is not the same as aquiescing in the laissez faire attitude suggested by Count Orlowsky in Die Fledermaus: „'s ist mal bei uns so Sitte: chacun ä son goüt."

65

La Litt. comp. 174.

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For the formulation of this difference, I am indebted to Moriarty's dissertation (see footnote 8 above).

HANS HELMUT

CHRISTMANN

Generative Sprachwissenschaft in deutscher Sprache Zur ,Performanz' und zur,Kompetenz' der Übersetzer 1.1. „Das Übersetzen gehört zu den Forschungsgegenständen der Vergleichenden Literaturwissenschaft", schreibt Horst Rüdiger in seinem Lexikonartikel ,Übersetzung' 1 . Dabei denkt er freilich an das Übersetzen literarischer Texte, mit dessen Problematik er sich ja selbst des öfteren beschäftigt hat 2 . Es bedarf daher — auch abgesehen von dem Wunsch, bei einer Ehrung Horst Rüdigers nicht fehlen zu wollen — doch wohl einer besonderen Rechtfertigung, wenn ich mir herausnehme, mich mit einem so wenig arkadischen Thema wie den deutschen Übersetzungen zur generativen Linguistik unter die literarische Gratulationscour zu mischen. Diese Rechtfertigung scheint mir zunächst einmal darin zu liegen, daß der Literaturwissenschaftler in Zukunft um die Auseinandersetzung mit sprachwissenschaftlichen Methoden und Begriffen kaum noch gänzlich herumkommen wird, schon deshalb nicht, weil es immer häufiger geschieht, daß studentische Seminarreferenten zum Schrecken des wehrlosen (weil ahnungslosen) Dozenten mit Fachausdrücken der Linguistik um sich werfen. Aber auch über modische Extravaganzen hinaus wird die Literaturwissenschaft immer wieder vor der Frage stehen, inwieweit die Sprachwissenschaft ihr helfen kann — weil das literarische Kunstwerk eben ein sprachliches Kunstwerk ist. Die Beschäftigung mit Begriffen und Termini der Linguistik, und damit heutzutage auch der generativen Linguistik, liegt also keineswegs prinzipiell außerhalb der Domäne des Literaturwissenschaftlers 3 . 1

2

3

In: Kleines literarisches Lexikon III, hg. v. W . Kayser, fortgeführt v. H . R ü d i g e r und E. Koppen, Bern 4 1966, 425. U . a . H . R ü d i g e r : Über das Übersetzen von Dichtung, in: Akzente 5 (1958), 1 7 4 — 1 9 1 ; Ein Versuch im Dienste der Weltlit.-Idee — Goethes Übers, von Manzonis Ode ,11 Cinque Maggio', in: St. in onore di Lorenzo Bianchi, Bologna 1960. S. das schon klassisch gewordene Referat von Roman Jakobson: Linguistics and Poetics, in: Style in Language, hg. v. Thomas A. Sebeok, Cambridge, Mass., 1960, 3 5 0 — 3 7 7 ; ferner Karl D . U i t t i : Linguistics and Lit. Theory, Englewood Cliffs, N . J . , 1969, und Jens Ihwe: Linguistik in der Lit.wiss., München 1972, sowie das Kapitel „Die Literatur als Gegenstand der modernen Sprachwissenschaft" bei Η . H. Christmann: Idealistische Philol. und moderne Sprachwiss., München 1974, 107—114. Spezifisch generativ orientiert sind Manfred Bierwisch: Poetik und Linguistik, in: Mathematik und Dichtung, hg. v. H . K r e u z e r / R. Gunzenhäuser, München 4 1971, 4 9 — 6 5 ; Klaus Baumgärtner: Formale Erklärung poetischer Texte, ebd. 6 7 — 8 4 ; Curtis W . H a y e s : Linguistics and Lit. — Prose and Poetry, in:

Generative Sprachwissenschaft in deutsdier Sprache

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Im übrigen dürfte die Problematik der Übersetzung nichtliterarischer, in unserem Fall sprachwissenschaftlicher, Texte auch deswegen gerade für den Komparatisten nicht uninteressant sein, weil hier bei aller grundsätzlichen Verschiedenheit eine Reihe ähnlicher Fragen wie für die literarische Übersetzung auftaucht. Das wird bestätigt durch einen Blick auf die Geschichte der theoretischen Beschäftigung mit dem Übersetzen4. Wie nicht anders zu erwarten, gilt sie seit Cicero der literarischen Ubersetzung, aber es bleibt dabei doch nicht aus, daß auch Probleme des Übersetzens nichtliterarischer, etwa philosophischer oder theologischer Texte anklingen oder mitbehandelt werden. 1.2. So unterscheidet, um einen — den Übersetzungstheoretikern übrigens kaum bekannten — Autor aus einer der großen Epochen des Übersetzens zu nennen, der spanische Humanist Juan Luis Vives 1533 drei Arten des Ubersetzens und bezieht offenbar die dritte auf literarische und die erste auf nichtliterarische Texte; zu dieser sagt er, es komme hier allein auf den Sinn an, und 5 : „Um den Sinn eines Textes richtig wiedergeben zu können, genüge es nicht, die entsprechenden Sprachen zu kennen; man müsse auch mit dem im Text behandelten Stoff bzw. Fachgebiet (ars) vertraut sein und die entsprechenden Fachsprachen oder gar den besonderen Sprachgebrauch des Verfassers der Vorlage kennen." Und wenn Schleiermacher für das Übersetzen die vielzitierte Alternative entwickelt (Entweder der Übersezer läßt den Schriftsteller möglichst in Ruhe, und bewegt den Leser ihm entgegen; oder er läßt den Leser möglichst in Ruhe und bewegt den Schriftsteller ihm entgegen), so begreift er dabei wissenschaftliche Texte mit ein 6 : Will also der Übersezer eines philosophischen Schriftstellers sich nicht entschließen die Sprache der Übersezung, soviel sich thun läßt, nach der Ursprache zu beugen, um das in dieser ausgebildete Begriffssystem möglichst ahnden zu lassen; will er vielmehr seinen Schriftsteller so reden lassen als hätte er Gedanken und Rede ursprünglich in einer anderen Sprache gebildet: was bleibt ihm übrig, bei der Unähnlichkeit der Elemente in beiden Sprachen, als entweder zu paraphrasiren... oder er muß die ganze Weisheit und Wissenschaft seines Mannes umbilden in das Begriffssystem der andern Sprache . .. 1.3. In den Äußerungen Vives' und Schleiermachers sind bereits wesentliche Probleme angesprochen, um die es bei der Übersetzung auch linguistischer Texte geht. Systematisch versucht diese Probleme sowohl für literarische als auch für nichtliterarische Texte die moderne ,Übersetzungswissenschaft' zu

4 5

6

Linguistics Today, hg. v. A . A . H i l l , New York 1969, 1 7 3 — 1 8 7 ; J. P. Thorne: Generative Grammar and Stylistic Analysis, in: New Horizons in Linguistics, hg. v. John Lyons, 1970 (Penguin Book), 185—197. S. Georges Mounin: Die Übers., München 1967, 2 2 — 4 7 . Eugenio Coseriu: Das Problem des Übersetzens bei Juan Luis Vives, in: Interlinguistica —- FS zum 60. Geburtstag von Mario Wandruszka, Tübingen 1971, 571—582, das Zitat 576 f. Friedrich Schleiermacher: Über die verschiedenen Methoden des Übersezens [ 1 8 1 3 ] , in: Das Problem des Übersetzens, hg. v. Hans Joachim Störig, Darmstadt 2 1969, 66 (das erste Zitat 47).

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H a n s Helmut Christmann

erfassen, v o n der man seit etwa einem Vierteljahrhundert sprechen k a n n 7 . Für sie ist charakteristisch die linguistische Orientierung, also das Bestreben, die beim Übersetzen a u f t r e t e n d e n Fragen durch Rekurs auf die Erkenntnisse u n d Methoden der (modernen) Sprachwissenschaft zu lösen. Das k a n n freilich dazu führen, d a ß der Obersetzungswissenschaftler seine spezifische A u f g a b e vergißt u n d in linguistischer P r o p ä d e u t i k aufgeht, wie m a n es in den einschlägigen Arbeiten nicht selten feststellt. Als wichtigstes allgemeines Ergebnis der Übersetzungswissenschaft sind die Versuche anzusehen, eine Typologie der Texte b z w . der Übersetzungsgattungen zu erstellen, wobei einerseits die junge Disziplin der Textlinguistik, andererseits wiederum die Literaturwissenschaft entscheidend mitzureden haben werden. Ein detailliertes Schema von Ubersetzungsgattungen hat R . W. J u m p e l t vorgelegt 8 ; in unserem Zusammenhang interessiert besonders, d a ß er die sprachwissenschaftliche Übersetzung als gesonderte R u b r i k neben den — teilweise noch stark untergliederten — Rubriken ästhetische (künstlerische) Übersetzung, religiöse Übersetzung, pragmatische Übersetzung, ethnographische Übersetzung u n d geisteswissenschaftliche Übersetzung a n f ü h r t . Eine solche A u f t e i l u n g gestattet es, die je nach der T e x t a r t f ü r das Übersetzen relevanten Gesichtspunkte wesentlich schärfer zu erfassen als die bloße Unterscheidung literarischer u n d nichtliterarischer Texte. Die b e k a n n t e F o r d e r u n g nach W a h r u n g der . I n v a r i a n z ' bzw. nach Erreichen der ,Äquivalenz' bedeutet dabei f ü r jede T e x t a r t etwas anderes. D e r Übersetzer hat sich also f ü r jede Textart, im Idealfall sogar f ü r jeden einzelnen Text, gesondert zu f r a g e n : Wieviel an signifie u n d an signifiant m u ß ich u n v e r ä n d e r t lassen, u m die Übersetzung mit gutem Gewissen als Äquivalent des Originals anbieten zu können? D a ß auch die Übersetzung nichtliterarischer Texte hier erhebliche, entsprechend der jeweiligen T e x t a r t recht verschiedene Schwierigkeiten macht, diese schon bei Vives u n d Schleiermacher angedeutete Erkenntnis hat die moderne Übersetzungswissenschaft also bestätigt u n d präzisiert. D e m g e m ä ß h a t sich die praktische Übersetzungskritik in den vergangenen Jahren, bei aller traditionellen Bevorzugung literarischer Texte, zunehmend auch anderen Texten z u g e w a n d t . Linguistische Texte hat sie jedoch bisher völlig außer acht gelassen. 7

D e n A n f a n g machte E u g e n e A . N i d a : Bible Translating, N e w York 1947; inz w i s c h e n erschienen N i d a : Toward α Science of Translating, L e i d e n 1964, u n d E u g e n e A . N i d a / Charles A . T a b e r : The Theory and Practice of Transl., Leiden 1969. Forschungsberidit: K l a u s Faiss: Übers, und Sprachwiss. — Eine Orientierung, in: IRAL (= International Rev. of Applied Linguistics in Language Teaching) 10 ( 1 9 7 2 ) , 1 — 2 0 . N e u e s t e u n d allseitige D a r s t e l l u n g der P r o b l e m a t i k an H a n d ausführlicher D i s k u s s i o n der v o r l i e g e n d e n Literatur: W e r n e r K o l l e r : Grundprobleme der Übers.theorie, B e r n 1972. B i b l i o g r a p h i e : K . - R i c h a r d B a u s d i / Josef K l e g r a f / W o l f r a m W i l s s : The Science of Transl. — An Analytical Bibliogr. (1962—1969), T ü b i n g e n 1970, I I : (1970—1971), 1972.

8

R u d o l f W a l t e r J u m p e l t : Die Übers, naturwiss. und technischer Lit., Berlin-Schöneberg 1961, 25. S. auch K a t h a r i n a R e i s s : Möglichkeiten und Grenzen der Übers.kritik, München 1971, 2 3 ff.

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2.1. Das ist um so erstaunlicher, als man auf einen Teil der modernen linguistischen Literatur in Deutschland fast das Urteil Heinrich Bolls anwenden kann, daß die deutsche Nachkriegsliteratur als Ganzes eine Literatur der Sprachfindung gewesen ist9. Es gilt dies auf jeden Fall für die generative Sprachwissenschaft, deren erste und entscheidende Arbeiten aus dem amerikanischen Englisch übersetzt sind. Das Phänomen gehört somit in den großen Zusammenhang der Einwirkung des amerikanischen Englisch auf das Deutsche nach 1945 1 0 , stellt aber insofern einen besonderen Fall dar, als es sich hier um ein zwar aus verschiedenen älteren Ansätzen entstandenes, in seiner inzwischen voll entfalteten Eigentümlichkeit aber doch prinzipiell neues Gebiet handelt, das aus dem Amerikanischen ins Deutsche zu übernehmen teilweise regelrechte sprachliche Pioniertaten erforderte. Bei aller Anerkennung der vorhandenen Schwierigkeiten möchten wir nun behaupten, daß man diese Ubersetzertätigkeit nicht selten leichtfertig, ja fahrlässig betrieben hat, daß also hier dem Eifer der .Performanz' die notwendige ,Kompetenz' abging. 2.2. Damit soll nicht gesagt sein, daß es keine guten und sorgfältigen Übersetzungen generativer Schriften gäbe. Es gibt sie durchaus, und man erkennt sie etwa daran, daß sie bestimmten Schlüsselwörtern die englische Originalbezeichnung oder eine Anmerkung beigeben 11 und daß sie ihrem Text ein Glossar folgen lassen 12 . In der Mehrzahl jedoch gilt für die aus dem Englischen übersetzten deutschen Texte zur generativen Linguistik 13 mindestens das, was 0 10

11

H . Boll: Frankfurter Vorlesungen, München 1968, 6 1 ; bei Koller a. a. O., 23 f. Dazu besonders Broder Carstensen: Amerik. Einflüsse auf die dt. Sprache, in: B. C. und Hans Galinsky: Amerikanismen der dt. Gegenwartssprache, Heidelberg 2 1967, 11—32, und Broder Carstensen: Engl. Einflüsse auf die dt. Sprache nach 1945, Heidelberg 1965. So Manfred Immler in seiner Übersetzung von John Lyons: Chomsky, Fontana 1970 unter dem Titel Noam Chomsky, München 1971, ζ. B. Entdeckungsoder Auffindungsverfahren (discovery procedures, 49), und die Anmerkungen zu den Begriffen Phrase (59, Anm. 1) und Menge (41, Anm. 11: Der Begriff Menge ist im folgenden regelmäßig eine Ubersetzung des englischen Terminus set und stammt aus der Mengenlehre . . .). Die Schwierigkeit der Übersetzung von deutsch Menge ins Spanische verwendet als Beispiel Jose Ortega y Gasset: Miseria y esplendor de la trad. [ 1 9 3 7 ] , dt. v. Gustav Küpper in der zweisprachigen Ed. LangewiescheBrandt, 1956, 14 f.

12

So ebenfalls M. Immler a . a . O . , 1 5 6 — 1 5 9 : Engl.-dt. Glossar linguistischer Fachausdrücke; ferner Leonhard Lipka in seiner Übersetzung von Uriel Weinreidi: Erkundungen zur Theorie der Semantik, Tübingen 1970, 1 1 4 — 1 1 7 : Terminologisches Glossar und Register. — S. auch das englisch-deutsch-russisch-estnische W ö r terverzeichnis von E. Lang, in: Problemy modelirovanija jazyka, 3.3 Keele modelleerimise prohleeme, Tartu 1969, 175—213, sowie J . Bechert / D. Clement / W. Thümmel / K . H . W a g n e r : Einführung in die generative Transformationsgrammatik, München 1970 ( 3 1973), 2 3 1 — 2 3 8 : Terminologischer Index (deutsch-englisch-französisch). — Von Ewald Lang gibt es auch einen Entwurf Terminologie der Generativen Grammatik, der demnächst in der Reihe St. Grammatica im Druck erscheinen soll, wie mir der Verfasser freundlicherweise mitteilt.

13

Es scheint dies eine deutsche Eigentümlichkeit zu sein. Die entsprechenden französischen Übersetzungen beispielsweise sind erheblich sorgfältiger, ähnlich wie es Walter Widmer: Fug und Unfug des Übersetzens, Köln 1959, 122 ff. für die literarischen Texte feststellt.

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Nida und Taber von Lehrbuchübersetzungen überhaupt sagen 14 : „Under the impact of the wholesale translation of textbooks . . a kind of translationese has arisen in many parts of the w o r l d . . . Since scholars have often had to read a good deal of such material, they come to accept it more and more as a kind of literary standard, not realizing that this banal and artificial form of language fails utterly to do justice to the rich resources of the receptor language." 2.3. Auf die zahlreichen Verstöße gegen Eleganz und Idiomatik des Ausdrucks15 wollen wir dabei nur am Rand aufmerksam machen, da wesentlich gröbere Versehen der verschiedensten Art uns genügend beschäftigen werden. Wir konzentrieren uns auf bekanntere und nicht allzu spezielle Schriften 16 , nicht nur im Interesse der Verständlichkeit, sondern auch, weil das translationese, das Obersetzerdeutsch, um so weniger auffällt, je spezieller der betreffende Text ist. Die Beispiele wählen wir so aus, daß sie möglichst typisch und repräsentativ sind. 3.1.1. Eine relativ problemlose Stelle aus Chomskys Language and Mind. (67) soll eine erste Vorstellung von dem Übersetzerdeutsch, aber auch von den selbst hier auftretenden Schwierigkeiten vermitteln: It is widely thought that the extensive modern studies of animal communication challenge this classical view; and it is almost universally taken for granted that there exists a problem of explaining the ,evolution' of human language from systems of animal communication. However, a careful look at 14 15

10

Nida/Taber a. a. O., 100. In der Art derjenigen, die Wolf Friederich: Technik des Übersetzens — Engl, und Dt., München 1969, behandelt. In der Hauptsache die folgenden: N o a m Chomsky: Aspects of the Theory of Syntax, Cambridge, Mass., 1965 [zit.: Chomsky: Aspects]; Aspekte der SyntaxTheorie, übers, und hg. v. einem Kollektiv unter der Leitung von Ewald Lang (Arbeitsstelle Strukturelle Grammatik, Deutsche Ak. der Wiss., Berlin), Frankfurt a. M. 1969. — N o a m Chomsky: Cartesian Linguistics, N e w York 1966; Cartesianiscbe Linguistik, übers, v. Richard Kruse, Tübingen 1971. — N o a m Chomsky: Language and Mind, N e w York 2 1972; Sprache und Geist, übers, v. Siegfried Kanngiesser / Gerd Lingrün / Ulrike Schwartz, Frankfurt a. M. 1970. — N o a m Chomsky: Deep Structure, Surface Structure and Semantic Interpretation, in: Grammar, The Hague 1972, 62—119 N . C.: St. on Semantics in Generative [zit.: Chomsky: Deep Structure]·, Tiefenstruktur, Oberflächenstruktur und semantisdie Interpretation [Auszug], übers, v. C. Kuci-Venegas, in: Aspekte der Semantik, hg. v. Laszlo Antal, Frankfurt a. M. 1972, 317—345. — Jerrold J. Katz: The Philos. of Language, N e w York 1966 [zit.: Katz: Philos.]; Philos. der Sprache, übers, v. Richard Kruse, Frankfurt a. M. 1969. — George Lakoff: Global Rules, in: Language 46 (1970), 627—639 [zit.: Lakoff]; Globale Regeln, übers, v. U d o Fries, in: Generative Semantik, hg. v. Werner Abraham / Robert I. Binnick, Frankfurt a. M. 1972, 73—91. — John Lyons: Introd. to Theoretical Linguistics, Cambridge 1968 ( 2 1969) [zit.: Lyons: Introd.]; Einführung in die moderne Linguistik, übers, v. W. u. G. Abraham, München 1971. — John Lyons: Chomsky, Fontana 1970; Noam Chomsky, übers, v. Manfred Immler, München 1971. — Robert D . K i n g : Hist. Linguistics and Generative Grammar, Englewood Cliffs, Ν . J., 1969 [zit.: King]; Hist. Linguistik und generative Grammatik, übers, v. Steffen Stelzer, Frankfurt a. Μ. 1971.

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recent studies of animal communication seems to me to provide little support for these assumptions. Rather, these studies simply bring out even more clearly the extent to which human language appears to be a unique phenomenon, without significant analogue in the animal world. Das könnte man etwa folgendermaßen wiedergeben: „Nach weitverbreiteter Auffassung stellen die ausgedehnten modernen Forschungen auf dem Gebiet der tierischen Kommunikation diese klassische Ansicht in Frage, und man sieht es fast generell als selbstverständlich an, daß es jetzt nur noch ein Problem zu lösen gilt, nämlich die ,Entwicklung' der menschlichen Sprache aus den Systemen tierischer Kommunikation zu erklären. Dagegen scheint mir, daß die jüngsten Untersuchungen auf dem Gebiet der tierischen Kommunikation bei genauerem Hinsehen nur wenig H a l t f ü r solche Vermutungen bieten. Es ist vielmehr ganz einfach so, daß diese Untersuchungen sogar noch deutlicher aufzeigen, in welchem Ausmaß die menschliche Sprache ein einmaliges Phänomen ist, das in der Tierwelt keinerlei nennenswertes Analogon hat." Demgegenüber lautet die gedruckte Übersetzung (111 f.): „Es wird weithin die Meinung vertreten, daß die extensive moderne Untersuchung der tierischen Kommunikation diese klassische Ansicht in Frage stelle, und es wird fast überall als selbstverständlich angesehen, daß ein Problem darin besteht, die ,Evolution' der menschlichen Sprache aus den Systemen der tierischen Kommunikation zu erklären. Jedoch scheint mir bei einer sorgfältigen Betrachtung der gegenwärtigen Untersuchungen wenig für diese Annahme zu sprechen. Vielmehr bringen diese Untersuchungen einfach sehr viel klarer zum Ausdruck, in welchem Ausmaß die menschliche Sprache ein einzigartiges Phänomen darstellt, das keine signifikante Analogie in der Tierwelt besitzt. 3.1.2. Das Beispiel mag f ü r sich sprechen; die Übersetzung soll keineswegs als schlecht, sondern nur als ungenau und unidiomatisch charakterisiert werden. Schlechtes Deutsch ist auch die typische Wiedergabe von „those" durch „jene" statt durch ,diejenigen': Transformations are essentially local derivational constraints, in that they filter out those pairs of successive trees which are transformationally related from those which are not — . . . jene Paare, . . . die transformationeil verwandt sind, gegenüber jenen, die es nicht sind (Lakoff 627 f. — Übers. 74). — Wörtliches Übersetzen kann neben der Eigenschaft der Unklarheit diejenige der ungewollten Komik haben, so, wenn the burden of 'justification nicht als ,die Beweislast der Begründung' erscheint, sondern: . . . it is questions of explanatory adequacy that must, quite often, bear the burden of justification — . . . so sind es dann oft Fragen der Erklärungsadäquatheit, die bei der Rechtfertigung die Verteidigungslasten zu tragen haben (Chomsky: Aspects 26 — Übers. 42). 3.2.1.1. Gravierender sind regelrechte Übersetzungsfehler. Falsches Verstehen eines einzelnen Wortes kann dazu führen, daß ein ganzer Gedankengang entstellt w i r d : . . . the cross-language generalizations in the theory of language have to be regarded as inductive extrapolations from the lowerlevel generalizations about the languages studied to those languages that have not been studied. Again, acquiring further evidence — this time in the form of

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sound generalizations about newly examined languages — confirms the generalizations if such evidence accords with their predictions (Katz: Philos. 12). Hier und im weiteren Zusammenhang ist durchweg von allen sprachlichen Bereichen die Rede (the pronunciation, syntax, and meaning, 11); sound generalizations kann also nur ,vernünftige, stichhaltige, korrekte Verallgemeinerungen' bedeuten17 und nicht lautliche Generalisierungen (Übers. 20). These rules [that provide a meaning for every sentence generated by the syntactic component] thus explicate the ability a speaker would have were he free of the psychological limitations that restrict him to finite performance (Katz: Philos. 152) meint natürlich, daß psychologische Faktoren den Sprecher e i n s c h r ä n k e n , ihm nur eine beschränkte Performanz erlauben. Die Übersetzung, überdies gleichzeitig ein weiteres Beispiel für translationese, verkehrt das ins Gegenteil: Diese Regeln explizieren somit die Fähigkeit, die ein Sprecher haben würde, wäre er frei von psychologischen Beschränkungen, die ihn an finiter Darbietung hindern (139). 3.2.1.2. Bekannt ist die Erscheinung der sog. faux amis (false friends, falsche Freunde)19. Auch sie kann den Sinn einer Argumentation verfälschen. So sprechen die Generativisten häufig von actual utterance ο. ä., dem tatsächlichen, manifesten Sprachgebilde, im Gegensatz zu den ihm zugrundeliegenden abstrakten Ketten. Das wird gern mit aktuell, gelegentlich auch mit aktual wiedergegeben19: We thus make a fundamental distinction between competence ... and performance (the actual use of language in concrete situations) —... der aktuelle Gebrauch der Sprache... (Chomsky: Aspects 4 — Übers. 14). — . . . ,surface structure': the superficial organization of units . . . which relates to the physical form of the actual utterance... — ... der aktuellen Äußerung . . . (Chomsky: Cartesian Linguistics 33 — Ubers. 47). — Observe that it is an abstract stress . . . The actual, phonetic stress ... is very weak... — Der aktuale phonetische Akzent... (Chomsky: Language and Mind 44 — Übers. 77). Ein principled descriptively adequate system ist ein bestimmten Prinzipien folgendes deskriptiv adäquates System', nicht ein prinzipiell deskriptiv adäquates System (Chomsky: Aspects, 27 — Übers. 43); ein category mistake ein ,Kategorienfehler', nicht ein kategorischer Fehler (ebd. 195, Anm. 5 — Übers. 244). Evidence ,Belegmaterial' durch Evidenz wiederzugeben, ist zumindest mißverständlich: Descriptions of particular languages are empirically 17

18

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Vgl. audi ebd. 11: 7/ further evidence continues to confirm the generalization, we have sound reason to keep the generalization, wo die Obers. (19) zutreffend guten Grund sagt. Allgemeinere Beispiele bei Fritz Güttinger: Zielsprache, Zürich 2 1963, 180. Beispiele aus dem Bereich unserer Texte sind etwa die Übersetzung von consistently ,konsequent' durch konsistent ( K a t z : Philosophy, 100 — Übers. 9 4 ) ; von to refer to ,sidi beziehen auf' durch referieren als (ebd. 131, Anm. 8 — Übers. 120 f., Anm. 8) oder durch referieren auf (Chomsky: Aspects 89 — Übers. 120). Nach Carstensen: Engl. Einflüsse, 216, kommt aktuell gelegentlich in der Bedeutung von englisch actual tatsächlich' vor; sein einziger Beleg (aus einer Zeitung) ist aber nicht eindeutig.

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confirmed if the linguistic evidence shows that the descriptions correctly differentiate one language from another... — .. .wenn die sprachwissenschaftliche Evidenz zeigt... (Katz: Philos. 10 — Ubers. 18); ähnlich: the evidence for the linguistic description — die für die Sprachbeschreibung evidenten Grundlagen (ebd. 109—Übers. 101). 3.2.2. Die Bedeutung eines Syntagmas ist nicht erfaßt, wenn in einer — sonst sehr sorgfältigen — Übersetzung 20 ein Superlativ als Elativ verstanden wird: It would be theoretically most satisfying if we could take the position that transformations never change meaning — Es wäre theoretisch höchst befriedigend, wenn ... (515—Übers. 261). — Der adversative Sinn einer Partizipialkonstruktion (,während es Aufgabe einer ganz anderen Art von Theorie wäre, die generierten Strukturen mit physikalischen Zeichen . . . in Verbindung zu setzen') und damit der ganze Argumentationszusammenhang ist im folgenden Beispiel verdunkelt: If one were to deny the existence of phonetic representation, he might argue that a generative grammar, strictly speaking, is a system of rules relating semantic representation, deep structure, and surface structure, some entirely new sort of theory relating the generated structures to physical signals... — ... da β eine generative Grammatik... ein System von Regeln ist. . e i n e völlig neue Art von Theorie, welche die generierten Strukturen in Relation zu physikalischen Zeichen . .. bringt (Chomsky: Deep Structure 68 — Übers. 323). 3.2.3. Eine elementare Regel der englischen Syntax, die besagt, daß ein auf zwei Attribute bezügliches Nomen im Plural steht, ist übersehen in the assumption that deep and surface structures are actually the same — ... Tiefen- und Oberflächenstrukturen seien wirklich dasselbe (Chomsky: Aspects 16 — Übers. 30); damit wird der Eindruck erweckt, es gebe mehrere Tiefen- und Oberflächenstrukturen anstatt nur je eine21. Desgleichen gibt es nur je eine lautliche und eine syntaktische Komponente: the phonological and syntactic components of a linguistic description — /mit dem Wesen der] phonologischen und syntaktischen Komponenten der Sprachbeschreibung (Katz: Philos. 119 — Übers. 110 f.). 3.3. Seltener sind Übersetzungsfehler, die auf mangelnder Kenntnis der Sprachwissenschaft beruhen. Hierher dürfte die Wiedergabe von methodology of field work in linguistics durch Methodologie bei der sprachwissenschaftlichen Feldanalyse (Katz: Philos. 13 —Übers. 20) gehören, was die Vorstellung des sprachlichen Feldes' hervorruft, während doch das am besten unübersetzt bleibende field work gemeint ist. Allgemein eingebürgert hat es sich, 20

21

Jerrold J. Katz / Jerry A. Fodor: The Structure of a Semantic Theory, in: Language 39 (1963), 170—210, unter dem Titel Die Struktur einer semantischen Theorie, übers, v. Gerd Wolfgang Weber, in: Vorschläge für eine struktur ale Grammatik des Deutschen, hg. v. Hugo Steger, Darmstadt 1970, 202—268. Zu bedauern ist nur, daß der Obersetzer nicht der an mehreren Stellen veränderten und erweiterten Fassung folgt, die in: The Structure of Language, hg. v. Fodor/Katz, Englewood Cliffs, Ν . J., 1964, 479—518, erschienen ist. Kurz vorher heißt es ausdrücklich: It might be supposed that surface structure and deep structure will always be identical.

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phonological in phonological component usw. mit phonologisch zu übersetzen22, obwohl ,lautlich' vorzuziehen wäre, da es dabei generell um das lautliche Element und nicht um Phonologisches im Sinne der (Prager) Phonologie geht23. Den Eindruck völliger Inkompetenz auf linguistischem Gebiet macht die Übersetzung des Buches von King. Verraten hier schon Ausdrücke wie Verner's Gesetz (Verner's Law, 48 — Ubers. 59) statt .Vernersches Gesetz', grammatischer Wandel (grammatical change, ebd.) statt grammatischer Wechsel' und Neugrammatiker (Neogrammarians, 2 — Übers. 2) statt Junggrammatiker' die Unvertrautheit mit der Fachterminologie, so zeigt die Wiedergabe von weak verbs ,schwache Verben' durch weiche Verben (King 75, 89 — Übers. 94, 113) 24 , daß der Übersetzer nicht einmal solche Grundbegriffe kennt, die wohl auch heute noch zum Schulpensum gehören25. Es verwundert denn audi nicht, daß er den linguistischen Sinn eines englischen Beispiels absurd entstellt, indem er Selbstgespräche eines Kindes wie big — pig, cat — bats, die mit Phonemen spielen und natürlich ans Englische gebunden sind, unbesehen und kommentarlos verdeutscht: groß — Sdowein, Katze — Fledermäuse (72, Übers. 90) 2e . 3.4.1. Die generative Sprachwissenschaft hat eine Reihe von englischen Wörtern aufgegriffen, um sie als spezifische Fachtermini zu verwenden. Die Bedeutung, die diese Ausdrücke auf solche Weise in der Linguistik gewonnen haben, steht dabei in engem Zusammenhang mit ihrer Bedeutung im normalen Sprachgebrauch. Die deutschen Übersetzungen verwenden hier in einigen Fällen verwandte deutsche Wörter 27 , ohne zu bedenken, daß diese im normalen Sprachgebrauch andere Bedeutungen haben als die entsprechenden englischen. Bei der Charakterisierung von Sätzen spielt die Frage ihrer Grammatikalität die zentrale Rolle. Grammatikalität schreibt man einem Satz zu, wenn er den generativen Regeln entspricht; einen solchen Satz bzw. eine solche Kette nennen die Generativisten well-formed. Statt ,korrekt gebildet' hat sich hier weitgehend das wörtliche wohlgeformt durchgesetzt (ζ. B. the well-formed 22 53

24

25

2e

27

S. die Wörterverzeichnisse von Lang a. a. O. und Bechert a. a. O. Die Unstimmigkeit wird deutlich in: whereas the phonological component provides a phonetic shape for a sentence — Während also die phonologische Komponente einem Satz eine phonetische Gestalt gibt ( K a t z : Philosophy 151 — Übers. 138). Denn deutsch phonologisch und phonetisch bezeichnen ganz verschiedene Dinge, während englisch phonological ,lautlich' der übergeordnete Begriff zu phonemic ,phonologisch' und phonetic ,phonetisch' ist. Vgl. auch all vowels under weak stress — alle Vokale mit weicher Betonung statt ,mit schwacher Betonung' (King 100 — Ubers. 128). Unter diesen Umständen verlohnt es nicht, darauf einzugehen, daß der Übersetzer häufig auch rein sprachlich den Sinn des englischen Textes nicht erfaßt. Auch King scheint unbekannt zu sein, daß eines dieser Wortspiele sdion bei Lewis Carroll erscheint: And here Alice began to get rather sleepy, and went on saying to herself, in a dreamy sort of way, ,Do cats eat bats? Do cats eat bats?' and sometimes, ,Do bats eat c a t s ? ' . . . (Alice's Adventures in Wonderland, Kap. I [Penguin Books], 26). Man kann hier von Lehnbedeutung sprechen, im Sinne von Carstensen: Engl. Einflüsse 2 1 6 : „Übertragung einer fremden Wortbedeutung auf ein heimisches Wort."

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strings, well-formedness — die wohlgeformten Ketten, Wohlgeformtheit [Chomsky: Aspects 3 — Ubers. 13]) 28 , das doch eine ästhetische Charakterisierung evoziert 29 . Beim Gegenteil ill-formed wird das vermieden, indem man hier u . a . mit abweichend übersetzt (ill-formed — abweichend [Lyons: Chomsky 48 — Übers. 59], ill-formedness — Nichtgrammatikalität [Lakoff 630 — Übers. 78]). Der allgemeine Regelapparat wird um so stärker entlastet, je mehr Eigenschaften man den einzelnen lexikalischen Einheiten jeweils für sich zuschreibt. Diese Eigenschaften heißen idiosyncratic — deutsch idiosynkratisch: The lexical entry of an item must specify just those properties that are idiosyncratic, that are not determined by linguistic rule — . . . die idiosynkratisch sind, die also nicht durch linguistische Regeln determiniert werden (Chomsky: Language and Mind 39 — Übers. 69) S0 . Während aber die englische Verwendung im Einklang mit dem sonstigen Gebrauch des Wortes im Englischen steht (,due to individual disposition or susceptibility', definiert das Oxforder Wörterbuch s. v. idiosyncratic), ist das f ü r deutsch idiosynkratisch nidit der Fall 31 . Die generative Grammatik unterscheidet Regeln, die allgemein gültig sind, d. h. nicht vom jeweiligen Kontext abhängen (kontextfreie Regeln) und solche, die kontextabhängig sind. Die letzteren werden englisch meist als contextsensitive bezeichnet und dies häufig mit kontextsensitiv wiedergegeben 32 . N u n entspricht aber das englische sensitive im Deutschen gerade nicht sensitiv, sondern sensibel83. — Zwei gleichartige Ketten können durch die Konjunktionstransformation (conjunction transformation, conjoining transformation) zusammengefaßt werden. Das zugehörige Verb lautet conjoin; als Übersetzung bietet sidi das im Deutschen vorhandene Verb ,konjungieren' an und nicht das etwas ganz anderes bezeichnende konjugieren: Both of the conjoined structures {assuming that only two underlying structures are involved in the operation of conjunction) . . . — Beide konjugierten Strukturen (wir gehen hier von der Annahme aus, daß der Konjugierung nur zwei Strukturen zugrunde liegen) . . . (Lyons: Introd. 266 — Übers. 270). Unglücklich, allerdings sehr schwer ersetzbar, erscheint auch die allgemein übliche Ausdrucksweise für das Vorhandensein eines Phänomens auf einer be2S

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32

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So audi im Glossar von Immler a. a. O. Dagegen sagt Hans Glinz: Deutsche Syntax, Stuttgart 1965 ( 3 1970), 94, „.grammatisch richtig' {well formed)". Ζ. Β. Ich habe oft Maler und Architekten gefragt: Warum ist ein Haus schön, warum ist ein Haus wohlgeformt? (Alice Herdan-Zuckmayer: Die Farm in den grünen Bergen, Frankfurt a. M. 1956, 20). Ebenso idiosyncratic — idiosynkratisch (Chomsky: Aspects 87 — Übers. 117); die französische Übersetzung Aspects de la theorie syntaxique von Jean-Claude Milner, Paris 1971, 124 hat individualisees. S. z . B . Gerhard Wahrig: Deutsches Wörterbuch s. v. idiosynkratisch, w o ,überempfindlich; von heftiger Abneigung erfüllt' angegeben wird. Ζ. B. im Terminologischen Index bei Bechert a. a. O. Dagegen context-sensitive — kontextabhängig bei Lyons: Introd. 235 — Übers. 239. Sensitiv definiert Wahrig .leicht reizbar, überempfindlich; feinnervig'. Die Verwendung von sensitiv statt sensibel ist freilich eine allgemeinere Erscheinung englischen Einflusses; s. Carstensen: Engl. Einflüsse 210.

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stimmten Stufe des generativen Regelapparats. D a s Englische h a t hier das bequeme represent (to be represented, representation)·, wollte m a n es a d ä q u a t u n d f ü r den A n f ä n g e r verständlich übersetzen, m ü ß t e m a n das je nach dem Zusammenhang auf recht verschiedene Weise tun. Z u m Beispiel: It seems clear that the ambiguity of 10 [gemeint ist der Satz I know a taller man than Bill] is not represented in the surface structure — ,daß die Doppeldeutigkeit von 10 in der Oberflächenstruktur nicht a u f t r i t t , nicht ausgedrückt w i r d ' statt da β die Ambiguität von 10 in der Oberflächenstruktur nicht repräsentiert ist (Chomsky: Language and Mind 34 — Ubers. 60). — It shows that for Chomsky the ,intuitions' of the speaker (that is to say, his mental representation of the grammar of the language), rather than the sentences themselves, are the true object of description — ,die „ I n t u i t i o n e n " des Sprechers (d. h. die Form, die die G r a m m a t i k der Sprache in seinem Geist h a t ) ' statt die Intuitionen' des Sprechers (d. h. die mentale Repräsentation der Grammatik der Sprache) (Lyons: Chomsky 87 — Übers. 108). — . . . the kinds of rules that can relate surface structure to phonetic representation — ,die Arten von Regeln, die in der Lage sind, die Ebene der abstrakten Oberflächenstruktur z u r Ebene der konkreten phonetischen Realisierung in Beziehung zu setzen' statt die Art der Regeln, die die Oberflächenstruktur mit einer phonetischen Repräsentation verbinden können (Chomsky: Language and Mind 38 — Ubers. 67) — Diese teilweise paraphrasierenden Wiedergaben sollen verdeutlichen, d a ß m a n mit d e m nichtssagenden Begriff Repräsentation den A n f ä n g e r überfordert. Will man ihn der Einheitlichkeit halber beibehalten, so m u ß m a n ihn bei seinem ersten V o r k o m m e n ausführlich erläutern. 3.4.2.1. Repräsentiert findet man häufig verbunden mit dem A d v e r b intern: ,grammar': the native speaker's internally represented ,theory of his language' — ,Grammatik': die im Sprecher intern repräsentierte ,Theorie seiner Sprache' ( C h o m s k y : Aspects 25 — Ubers. 4 0 ) ; . . . that the child has developed and internally represented a generative grammar — . . . daß das Kind eine . . . generative Grammatik entwickelt und intern repräsentiert hat (ebd.). D a s dem Uneingeweihten k a u m verständliche intern repräsentiert bedeutet hier etwa ,im Geist vorhanden' 8 4 . D a f ü r gibt es auch das häßliche internalisiert, ein Verb, das m a n gebildet hat, u m das — seinerseits aber im Englischen schon vorher bestehende — internalize wiederzugeben: The person who has acquired knowledge of a language has internalized a system of rules . . . — . . . hat ein System von Regeln i n t e r n a l i s i e r t . . . ( C h o m s k y : Language and Mind 26 — Ubers. 49); the internalized rules of English grammar — die internalisierten Regeln der Grammatik des Englischen (ebd. 32 — Ubers. 58). Statt internalisieren könnte man ,sich zu eigen machen' verwenden 3 5 , doch h a t internalisieren den Vorteil, auch in passiver Konstruktion wie in unserem zweiten Beispiel möglich zu sein. D a m i t sind wir z u m Problem der N e u s d i ö p f u n g im Deutschen übergegangen. Dieses V e r f a h r e n ist mitunter unumgänglich u n d v e r k r a m p f t e n oder 34

Vgl. Chomsky: Language and Mind. 25: the abstractness of those structures that are ,present to the mind' when an utterance is produced or understood. ® Das Funk-Kolleg Sprache I, Frankfurt a. M. 1973, 216, sagt verinnerlichen. 5

Generative Sprachwissenschaft in deutscher Sprache

621

mißverständlichen Umdeutungen vorhandener deutscher Wörter gewiß vorzuziehen. Das gilt auf jeden Fall für Performanz (englisch performance). Die weit über die generative Sprachwissenschaft hinaus populäre, aber auch für diese besonders wichtige Neubildung kreativ nach englisch creative bedeutet zwar dasselbe wie schöpferisch, hat jedoch den Vorteil des Anschlusses an das Substantiv Kreativität und dessen Komposita wie Kreativitätsforschung3e. Hingegen dürften Nachahmungen wie explanativ oder explanatorisch statt .erklärend' und optional statt fakultativ' überflüssig s e i n 3 7 : . . . the grammar proposed by the linguist is an explanatory theory; it suggests an explanation for the fact that... — ... eine explanative Theorie; sie gibt eine Erklärung für den Umstand, daß... (Chomsky: Language and Mind 27 — Übers. 49). — There is an optional morphophonemic rule... — Es gibt eine optionale morphonologische Regel.. . (Lakoff 630 — Ubers. 78). 3.4.2.2. Im Zusammenhang der Neuschöpfung wollen wir auch die Übersetzung von operate on {upon) behandeln, die zwar auf ältere Wörter zurückgreift, sie aber zur Bildung eines neuen Syntagmas verwendet. In dem Regelapparat der generativen Grammatik spielt es eine wichtige Rolle, an welcher Stelle des Regelsystems, also auf welche Ketten die einzelnen Regeln angewandt werden. Hierfür steht zunächst das Verb apply to zur Verfügung: In addition to rewriting rules that apply to category symbols.. ., there are rewriting rules .. . that apply to symbols for lexical categories ... — Zusätzlich zu solchen Ersetzungsregeln, die auf Kategoriensymbole angewandt werden . . . , benutzen wir Ersetzungsregeln ..., die auf Symbole für lexikalische Kategorien angewandt w e r d e n . . . (Chomsky: Aspects 84 — Übers. 113). Daneben wird act on, affect ,wirken auf' gebraucht. Am häufigsten findet man hier jedoch operate on. Entsprechend dem Gebrauch in der Mathematik ist es mit ,operieren auf' zu übersetzen, wie in: The same is true of the other rules that operate on complex symbols — Das gleiche gilt für die anderen Regeln, die auf komplexen Symbolen operieren (Chomsky: Aspects 82 — Übers. 111). Auch das genannte apply to kann man so wiedergeben: A grammatical transformation is ... a rule that applies to Phrase-markers rather than to strings... — Eine grammatische Transformation ist... eine Regel, die auf P-Markern und nicht auf Ketten . . . operiert (ebd. 89 — Übers. 120). Wenn jedoch daneben ein operieren über auftaucht, so ist das, von der hier ja maßgebenden Sprache der Mathematik her gesehen, nicht nur ungewöhnlich, sondern ganz irreführend; diese Übersetzung beruht offensichtlich darauf, daß englisch on, upon sowohl ,auf' als auch ,über' bedeuten k a n n : . . .that transformational rules are said to operate upon phrase markers rather than simply upon strings of elements — daß Transformationsregeln über P-Markern und nicht einfach über Ketten von Elementen operieren (Lyons: Chomsky 68 — Übers. 86). — Rule 4.1 operates on these lexical items ... — Regel 4.1 operiert über diesen lexikalischen Einheiten ... (King 81 — Übers. 102). — 36 3!

S. Carstensen: Engl. Einflüsse 144. Dagegen Erklärungsadäquatheit (für explanatory adequacy) bei Lang a. a. Ο. und Immler a. a. O.; fakultativ bei Lang a. a. O. und Bechert a. a. O.

622

Hans Helmut Christmann

... global operations on strings can be coded into complex category symbols ... — ... können umfassende Operationen über Ketten in komplexe Kategoriensymbole kodiert werden . . . (Chomsky: Aspects 89 — Übers. 121)38. Nun spricht man zwar im Sinne der Mengenlehre von Wörtern über einem Alphabet und meint damit, daß die Elemente dieser Wörter aus dem betreffenden Alphabet genommen sind 39 ; das ist aber etwas anderes als die Anwendung einer Regel an einer bestimmten Stelle. Operieren Uber wäre demnach allenfalls im folgenden Beispiel gerechtfertigt: Now, if the grammar is to consist of a finite set of rules operating upon a finite vocabulary ... — Wenn aber die Grammatik aus einer endlichen Menge von Regeln bestehen soll, die über einem endlichen Wortschatz operieren . . . (Lyons: Chomsky 49 — Übers. 61)4W. — Eine Verwechslung von auf mit über zeigt übrigens auch die folgende Stelle, wo es ,Betonung auf' heißen müßte: . . .of a rule lowering the stress on the auxiliary ,be' — ... einer Regel..., die die Betonung über dem Auxiliar ,be' senkt (Lakoff 632 — Übers. 81). 3.5. An die Grenzen der Übersetzbarkeit stößt man, wenn einem englischen Wort je nach seiner jeweiligen Bedeutung (,Meinung') verschiedene deutsche Wörter entsprechen, von diesen jedoch keines gestattet, das in einem bestimmten Zusammenhang ,Gemeinte' 41 wirklich genau wiederzugeben. Ein vergleichsweise einfacher Fall ist englisch linguistic, das sowohl sprachlich' als auch — auf der Meta-Ebene — linguistisch', sprachwissenschaftlich' heißen kann. Linguistic change ist also .sprachlicher Wandel', .Sprachwandel' und nicht linguistischer Wandel (King 85 — Übers. 108), linguistically creative sprachlich kreativ* und nicht linguistisch kreativ (ebd. 72 — Ubers. 90). Da aber ,Sprache' und ,Metasprache' vielfach nicht klar getrennt werden 42 , kann man sich beispielsweise fragen, ob the linguistic intuition of the native speaker mit die linguistische Intuition (Chomsky: Aspects 19 — Übers. 33) oder mit ,die sprachliche Intuition' zu übersetzen ist. Daß man englisch mind weder mit ,Geist' noch mit .Verstand' voll gerecht wird, liegt auf der Hand 4 3 . Ebensowenig ist es gerade in generativen 38

a9

40

41

42

4:1

Dagegen hat die französische Ubersetzung, Aspects a. a. Ο., 128, zutreffend: . . . des operations globales p o r t a n t sur des sequences .. . S. z . B . Günter H o t z / H e r m a n n W a l t e r : Automatentheorie und formale Sprachen I : Turingmaschinen und rekursive Funktionen, Mannheim 1968, 2 ff. Vgl. Bechert a . a . O . , § 3.1.1: „Die Symbole einer Kette sind also immer einem festen Vokabular entnommen, und man spricht deshalb von einer Kette über diesem Vokabular." Für freundlichst gewährte A u s k ü n f t e in diesem Zusammenhang danke ich H e r r n Kollegen Günter H o t z , Professor f ü r I n f o r m a t i k an der Universität des Saarlandes. Vgl. Erwin Koschmieder: Das Gemeinte, in: Ε. K . : Beiträge zur allgemeinen Syntax, Heidelberg 1965, 101—106. Vgl. etwa den Gebrauch von soziologisch; f ü r linguistisch die folgenden Stellen: der linguistische Kontakt zwischen Amerika und England sowie Deutschland (Carstensen: Engl. Einflüsse 28); am linguistischen Rande der Olympischen Spiele (FAZ 4. IX. 1972). Die Übersetzung von Chomsky: Language and Mind gebraucht durchweg Geist, diejenige von Cartesian Linguistics teils Geist, teils Verstand. — Zum deutschen Begriff Geist und seiner Unübersetzbarkeit s. Leo Spitzer: Das Eigene und das Fremde, in: Die Wandlung 1 (1945/46), 587 f.

Generative Sprachwissenschaft in deutscher Sprache

623

Arbeiten möglich zu entscheiden, inwieweit bei science über das allgemeine ,Wissenschaft' hinaus das speziellere Naturwissenschaft* mitschwingt. Eine regelrechte Frage des .Weltbildes' ist es, wie man englisch physical übersetzt 44 , das bei der Diskussion von Chomskys Grundauffassungen erscheint: In studying the evolution 0} mind, we cannot guess to what extent there are physically possible alternatives to, say, transformational generative grammar, for an organism meeting certain other physical conditions characteristic of humans.... I have been using mentalistic terminology quite freely, but entirely without prejudice as to the question of what may be the ,physical realization of the abstract mechanisms postulated to account for the phenomena of behavior or the acquisition of knowledge... We can ... be fairly sure that there will be a physical explanation for the phenomena in question ..., for an uninteresting terminological reason, namely that the concept of physical explanation' will no doubt be extended to incorporate whatever is discovered in this domain... (Language and Mind 98). Die richtige Wiedergabe von physical dürfte hier — in der Reihenfolge des Textes — ,physisch' — ,physisch' — ,materiell' — .materiell' — .materiell' sein, während die gedruckte Übersetzung (159 f.) beim dritten Vorkommen physisch, sonst überall physikalisch hat. An anderen Stellen ist aber auch dieses möglich, etwa wenn physiological und physical nebeneinander auftreten 45 . 4. Unsere Betrachtung der deutschen Übertragungen von Texten der generativen Linguistik legt den Sdiluß nahe, daß die moderne Übersetzungswissenschaft gut daran täte, sich von ihrem mitunter etwas hohen theoretischen Podest herunterzubegeben und sich der Übersetzungskritik auch auf dem Gebiet der Linguistik selbst anzunehmen. Für die theoretische Sprachwissenschaft ihrerseits ergibt sich ebenfalls ein nicht durchweg vorteilhaftes Bild, wenn man feststellen muß, wie wenig fachliches Rüstzeug heute für nötig gehalten wird, um ihre Fachtexte zu übertragen. So kann es geschehen, daß junge Übersetzer die ganze europäische Tradition der historischen Sprachbetrachtung nicht mehr direkt, sondern nur noch auf dem Umweg über die amerikanischen Generativisten zur Kenntnis nehmen. Man kann nicht umhin, in diesem Zusammenhang an Äußerungen zu denken, die von Ernst Robert Curtius, dem bedeutendsten komparatistischen Vorgänger Horst Rüdigers an der Bonner

44

45

Wolf Friederich: Technik des Übersetzens, München 1969, 38: „ . . . physical: entspricht das deutschem physikalischlphysischjkörperlithläufierlich* (Dabei sind die deutschen Begriffe hier ja nur hilfsweise verwendet, um die Schattierungen von physical deutlich zu machen)." S. audi den Gebrauch von physical in Chomskys Interview mit Stuart Hampshire bei Alasdair Maclntyre: Noam Chomsky's View of Language, in: Readings in Applied Transformational Grammar, hg. v. Mark Lester, N e w York 1970, 111; teilweise referiert bei Lyons: Chomsky 107 f., dessen Übersetzung (134 f.) mit Recht vorsichtig vorgeht, indem sie teils physisch, teils physikalisch sagt und bei physisch das englische physical hinzufügt.

624

Hans Helmut Christmann

Universität, berichtet werden 46 : „Den Schwund an Erudition bei den Linguisten . . . hat er tief bedauert: audi hier — wie in anderen Bereichen — sah er dunkle Jahrhunderte heraufkommen, Zeiten eines Pharao, der von Joseph nichts mehr wissen würde (Exodus I 8)."

48

Heinridi Lausberg: Ernst Robert Curtius, in: Bonner Gelehrte — Beiträge Gesch. der Wiss. in Bonn — Sprachwissenschaften, Bonn 1970, 220.

2ur

DIETER GUTZEN

Zum Problem der Bibelübersetzung im 18. Jahrhundert Eine Rezension der Hio£-Übersetzung von J . D. Michaelis in den Schleswigschen Literaturbriefen 'Warum

behält

und

verbessert

der

Uebersetzer

diesem Titel erscheint 1 7 7 0 in den Briefen Ueber ratur

— Der Fortsetzung

erstes Stück1

nicht Luthernf

Merkwürdigkeiten



unter

der

Litte-

ein Artikel, dessen Verfasser eine vor

kurzem veröffentlichte Übersetzung des Buchs Hiob

zum Anlaß für einige

grundlegende Überlegungen zum Problem des Übersetzens nimmt 2 . Den Ausgangspunkt für seine Bemerkungen bildet die Deutsche setzung

des Alten

Testaments,

mit

Anmerkungen

für

Ungelehrte3,

Ueberdie der

seinerzeit berühmte Göttinger Orientalist und Theologe Johann D a v i d Michaelis4 1 7 6 9 mit dem Buch Hiob Übertragung

des Neuen

begann, und die mit der sich anschließenden

Testaments5

als eines der großen

Bibelwerke

des

18. Jahrhunderts anzusehen ist. Das Unternehmen geht auf eine Anregung Lessings zurück 6 , dessen Kritik an einer Theologie ,im Elfenbeinturm', von deren Ergebnissen der einfache Christ nichts erfahre, auch die Anmerkungen

für

Ungelehrte

zu verdanken

sind. 1

2

3

4

5

β

Hamburg und Bremen 1770, abgedruckt in: Briefe über Merkwürdigkeiten der Litteratur, hg. v. Alexander von Weilen, Stuttgart 1890, 295—325 [ = Deutsche Literaturdenkmale des 18. u. 19. Jh.s in Neudrucken, Bd. 3 0 ] ; (zit. Neudrucke u. Seitenzahl). Während Walter Fränzel: Gesch. des Übersetzens im XVIII. Jh., Leipzig 1913, 124 ff., noch Gerstenberg als Verfasser anführt, macht es Wagner in seinen Gerstenberg-Forschungen wahrscheinlich, daß Gottfried Benedict Funk, ein Freund Gerstenbergs und Hauslehrer bei Johann Andreas Cramer, als Verfasser dieser Rezension anzusehen ist; vgl. Albert Malte Wagner: Heinrich Wilhelm von Gerstenberg und der Sturm und Drang, Bd. I : Gerstenbergs Leben, Schriften und Persönlichkeit, Heidelberg 1920, 71. Der erste Theil, welcher das Buch Hiob enthält, Göttingen 1769; hier zit. nach der zweiten verbesserten und vermehrten Ausgabe, Göttingen 1773 (zit. Hiob). Zu Michaelis vgl. Emanuel Hirsch: Gesch. der neueren ev. Theologie im Zusammenhang mit den allgemeinen Bewegungen des europ. Denkens, Bd. 4, Gütersloh 1959, 32 ff.; Karl Aner: Die Theologie der Lessingzeit, Halle 1929, 213 f., 231 ff., 311 ff.; Rudolf Smend: / . D. Michaelis — Festrede im Namen der Georg-AugustaUniv. zur Akadem. Preisvertheilung am 8. Juni 1898, Göttingen 1898, 3—16. Erster Theil, welcher die historischen Bücher, vier Evangelia, und Geschichte der Apostel enthält, Göttingen 1790. Der 2. Teil erschien 1792 (zit. NT). Über Lessings Anregungen berichtet Michaelis selbst in seiner Lebensbeschreibung; Leben des Herrn ]. D. Michaelis, von ihm selbst beschrieben, hg. v. J . M. Hassencamp, Göttingen 1793, Anhang 247 f. Vgl. Aner: Theologie der Lessingzeit, 312.

626

Dieter Gutzen

Michaelis begründet seine Neu-Übersetzung nicht nur allgemein mit dem Sprachwandel seit Luthers Zeiten, sondern vor allem mit der Unsitte wortgetreuer Ubersetzungen, die seiner Meinung nach zu einer Überfremdung der deutschen Sprache geführt haben, wie im Falle der Bibel an den zahllosen Hebraismen zu sehen sei7. Solche fremden und ungewohnten Wendungen könnten den einfachen Leser leicht verwirren und in seiner Andacht und Ehrerbietung dem Text gegenüber stören. Den gebildeten Leser aber verleite solch altertümliche und mangelhafte Ubersetzung zu Spöttereien gegenüber der Religion, weil das Gelächter, das unbillige Widersacher der Religion über gewisse deutsche Ausdrücke erheben, bey ihnen auf die Bibel selbst zurückfalle 8 . Gerade diese Leser will Michaelis jedoch mit seiner Übersetzung ansprechen; denn wenn er im Zusammenhang mit der Psalmenübertragung meint, daß Luthers Sprache jetzt weiter nicht als auf der Canzel gebräuchlich sei9, oder wenn es zu Beginn der Übersetzung des Neuen Testaments beinahe apodiktisch heißt 10 : Bibeldeutsch soll nicht seyn, nichts soll sie von unserm gewöhnlichen Deutsch unterscheiden, daß der Muthwillige nicht versucht werde, es zum Spaß nachzuahmen — so wird deutlich, daß weniger die einfachen Leser gemeint sind, die sonntäglich zur Kirche gehen und die Bibel noch als Lese- und Erbauungsbuch zur Hand nehmen. Vielmehr sucht Michaelis die aufgeklärt skeptischen Leser, denen er zeigen will, daß einige Bücher des Alten Testaments wahre Werke des Geschmacks seien, die, wenn ihnen in der deutschen Übersetzung ihr Recht widerführe, auch schon als Werke des Geschmacks Ehrerbietung einprägen11. Bei allem Bemühen, eine Übersetzung zu schaffen, die sich am gegenwärtigen Geschmacksideal orientiert, soll indes erkennbar bleiben, daß es sich um eine Ubersetzung handelt: Dabey ist mein Vorsatz gar nicht, den hebräischen Schriftstellern, sonderlich den Dichtern, ihr Eigenthümliches zu nehmen, und sie so neumodig zu machen, daß die Bibel ein vollkommenes deutsches Original werde12; doch liegt der Grund für diese Äußerung nicht in einer besonderen Ehrfurcht vor dem Original, sondern wiederum in der Rücksicht auf einen bestimmten Leserkreis. Denn in diesem Fall würde der Kenner schöner Wissenschaften, der die poetischen Theile des Alten Testaments blos als Werke des Geschmacks zu lesen wünschte, die Übersetzung enttäuscht aus der Hand legen, weil er nicht den europäischen Geschmack des jetzigen Jahrhunderts, sondern den alten, und zwar den morgenländischen kennenlernen möchte13. Theoretisch hängt Michaelis auch dieser Auffassung an, daß nämlich das Kenntliche der morgenländischen Dichtkunst nicht wegpolirt werden dürfe 14 ; in der Praxis siegt jedoch über dieses Vorhaben häufig die Sorge um die Leser, deren 7 8 9 10 11 12 13 14

Hiob, Vorrede XVI f. Ebd. XVII. Uebersetzung des Alten Testaments... enthält, Göttingen u. Gotha 1771, 233. NT, Vorrede 19. Hiob, Vorrede XVII. Hiob, Vorrede X X f. Ebd. XXI. Ebd. XXII.

Der sechste Theil, welcher die

Psalmen

Problem der Bibelübersetzung im 18. Jahrhundert

627

Freude an einer guten deutschen Übersetzung für ihn verpflichtend ist. Solche Leser, die Michaelis besonders in vornehmen Kreisen zu finden glaubt, •widmen sich der Übersetzung des Alten Testaments mit einem Eifer und Aufmerksamkeit, die vielleicht nicht alle christlichen Leser mitbringen15. Ihnen wird darum eine wohltemperierte Übersetzung in vermeintlich modernem Deutsch16 gegeben, die ihnen zwar auch die poetischen Schönheiten einiger Bücher des Alten Testaments nahezubringen sucht, sie aber gleichzeitig vor jedem stärkeren Bemühen um das Fremde und Andersartige der hebräischen Dichtkunst bewahren will. Der Rezensent der Schleswiger Literaturbriefe würdigt denn auch zu Beginn seines Artikels Michaelis' Absicht, an uns Layen zu denken 17 . Aber er knüpft an diese Bemerkung einige Erwägungen über die Aufgaben des Ubersetzers sowie über den Unterschied zwischen Übersetzungen weltlicher Literatur und Ubersetzungen der Bibel, die sein anfängliches Lob in einem anderen Licht erscheinen lassen. Auch für ihn sind die Leser maßgebend, für die eine Übersetzung gedacht ist; darum darf der Übersetzer antiker weltlicher Schriften, die sich an kunstverständige Leser richten, die nicht bloß wissen wollen, was er [der Autor] gedacht; sondern wie er es gedacht, wie man überhaupt zu seiner Zeit gedacht und seine Gedanken gekleidet hat18, das Original nicht durch eine moderne Fassung verfälschen. Er muß vielmehr den Character und Geist desselben beybehalten; in die religiöse und philosophische Denkungsart seines Verfassers sich ganz hinein setzen, den eigenthümlichen Schwung und das besondre Gepräge seiner Gedanken, wenn beydes auch noch so weit von der heutigen Art abgehen sollte, so treu als möglich ausdrucken, und alle Züge desselben so sorgfältig in seine Uebersetzung einweben; daß der Leser es empfinden kann: der Schriftsteller, den ich vor mir habe, ist aus der und der Zeit, er hat die Denkungsart, den Geschmack, diese Art des Genies, die Fehler und Vollkommenheiten der Schreibart u. s. w.19. Allerdings erhebt sich die Frage, ob auch der Übersetzer der Bibel, die ja zum Unterricht für das ganze Volk der Christen und für allerley Art Menschen dient 20 , in der geforderten Weise verfahren darf. Läuft er nicht vielmehr Gefahr, daß der größte Teil der Leser einen Unterricht. . ., welcher in einer solchen Sprache und Denkungsart gefaßt ist, die ihre ganz eigene, antike, und überhaupt von unserm gangbaren Denken und Sprechen sehr verschiedene Gänge und Bildungen hat, nicht versteht? Hier wird ein Problem angesprochen, das schon die Kirchenväter beschäftigt hat; denn die Bibel enthält mit der Offenbarung Gottes die Heilsbot15 18

17 1S la 20

NT, Vorrede 36. Nach Aner: Theologie der Lessingzeit, 312 f., wurde die Übersetzung, da sie „stilistisch dem Zeitgeschmack" nicht mehr entsprach, weit geringer geschätzt als die Anmerkungen. Neudruck 295. Ebd. 299. Ebd. 298 f. Ebd. 299.

628

Dieter Gutzen

schaft, die sich an H ö r e r und Leser aller möglichen Schichten mit verschiedenen Bildungsgraden und Interessen richtet. Die Allgemeinverständlichkeit muß darum oberstes Gebot einer Bibelübersetzung sein und konsequenterweise müßte sie deswegen von allem Eigenen und Fremden des Originals entblößt, nur nach dem Sinne in die heutige Sprache des Umgangs übersetzt werden21. Der Rezensent gesteht, daß er bisher auch dieser Ansicht gewesen sei; er begnügt sich jedoch nicht mehr mit dieser Feststellung, sondern versucht, die Diskrepanz zwischen seiner Auffassung von den Aufgaben eines Übersetzers und der notwendigen Allgemeinverständlichkeit der Bibelübersetzung zu überbrücken. Seiner Meinung nach hat nämlich auch der einfädle und nicht nur der gelehrte Leser Anspruch auf Kenntnis des alttestamentlichen Originals in der Übersetzung. Er sucht darum einen Mittelweg zwischen einer wörtlichen, aber vielfach schwer verständlichen und einer sinngemäßen, aber das Original vernachlässigenden Übersetzung. Hinter seinen Überlegungen steht eine andere Auffassung sowohl von dem Laien, dem man auch das Fremde zumuten soll, als auch von dem Original, dem ein eigener Wert zugesprochen wird, der auch in einer Übersetzung nicht verlorengehen darf. Ausgangspunkt f ü r die neuen Vorschläge des Rezensenten ist der Gedanke, daß man bisher immer nur die sprachliche Verschiedenheit von Original und Übersetzung gesehen habe; daß die fremde Sprache indes Ausdrude einer völlig anderen Denkweise der Verfasser sei, hätten die Übersetzer bislang nicht beachtet und darum dem alten Schriftsteller oft ihre Augen und ihren modernen theologischen oder philosophischen Geist geliehen22. Was die Bibel angeht, so kann eine solche veraltete und falsche Ubersetzungspraxis in dem Moment durch eine richtigere abgelöst werden, in dem der Übersetzer sich darüber klar wird, daß er im Alten Testament das Zeugnis eines Volkes aus der Kindheit des Menschengeschlechts vor sich hat, das in simpler und eingeschränkter Denkungsart. . . alles unmittelbar auf Gott bezog und ihm unmittelbar zuschrieb23; der Übersetzer wird dann die Mehrzahl der bis jetzt so genannten Hebraismen als characteristische Züge der Denkungsart eines so einfältigen und so unmittelbar an Gott gewöhnten Volkes erkennen24 und sie nicht als sprachliche Besonderheiten von seiner Übersetzung ausschließen. Als erste Regel f ü r einen Übersetzer gilt demnach 25 : Alle Ausdrücke des Originals, welche den Geist und die Denkungsart des biblischen V e r f a s s e r s , oder seines Volks, oder ersetseines Zeitalters characterisiren, muß der U eb ze r buchstäblich übertragen, wenn er treu s e y η, und mich völlig in die Lage des S c h r i f t s t e l l e r s versetzen will. Eine zweite Regel ergibt sich aus der Überlegung, daß neben der Denkund Vorstellungsart der Stil und die Sprache als Ausdruck der Denkweise 21

Ebd. Ebd. 302. 23 Ebd. 2 * Ebd. 25 Ebd. 305. 22

Problem der Bibelübersetzung im 18. Jahrhundert

629

genaueste Beachtung verdienen 2 6 : Alles, was zum Styl des Verfassers gehört, a u f s genaueste und wörtlich im Deutschen auszudrücken, damit man den Ton des Originals nicht verliere. Abweichungen von dieser Regel sind nur an den Stellen gestattet, an denen die Ubersetzung undeutsch27 würde; in diesen Fällen soll jedoch in den Anmerkungen die wortwörtliche Übersetzung gegeben werden, damit der Leser sich ein eigenes Urteil bilden kann. Der Übersetzer, der diese Regeln zu erfüllen vermag, muß nicht allein ein geübter Sprachkenner; er muß auch mit dem Nationalgeist und mit dem individuellen Character des Geistes seines Schriftstellers so vertraut bekannt seyn: daß er Denkungsart und Sprachbildung, Styl und Wortfügung bestimmt voneinander zu unterscheiden weiß29. Das Ubersetzen ist nach diesen Überlegungen also nicht mehr zu beschränken auf die „sachliche Richtigkeit bei der Wiedergabe von Inhalt und Form des Originals" 2 9 , worin sich noch Breitingers Forderung nach Treue gegenüber der Vorlage erschöpft; vielmehr wird der Begriff der .Treue' ausgedehnt auf den Geist, die Denkart und die historischen Umstände eines Verfassers, deren Niederschlag im Werk in die Übersetzung einzubringen ist. Aus den kritischen Einwänden gegen eine Hiob-Übersetzung entwickelt der Rezensent hier ein neues Übersetzerideal. Von besonderem Interesse ist dabei, daß er seine Forderungen gerade am Beispiel des Alten Testaments erhebt. Setzen sie doch eine veränderte Auffassung des von der nachlutherischen Orthodoxie ausgebildeten Dogmas von der Verbalinspiration voraus, nach dem die Bibel bis in die einzelnen Wörter und in die Zeichensetzung als vom Heiligen Geist inspiriert anzusehen ist. Dieses Dogma gerät mit der historisch-kritischen Erforschung zunächst des Alten, später auch des Neuen Testaments im Lauf des X V I I I . Jahrhunderts ins Wanken. Unter seinem Schutz war es jedoch lange Zeit möglich, die alttestamentliche Schreibweise künstlich von der der morgenländisch-weltlichen Literatur abzusondern 3 0 . So hatte noch Klopstock gemeint: Und es sind zwo verschiedene Sachen, die Schreibart der Morgenländer überhaupt, und die Schreibart der Offenbarung31. Nach seiner Meinung kann diese Schreibart der Offenbarung nur deswegen übersetzt werden, weil sie von der sonstigen orientalischen verschieden ist und weil die Autoren des Alten Testaments das Uebertriebene der morgenländischen Sprachen, ohne ihrem Feuer und ihren glücklichen Kühnheiten etwas zu vergeben, vermieden haben32. 2« Ebd. 307. 27 Ebd. 29 Ebd. 308. 20 Winfried Sdun: Probleme u. Theorien des Übersetzens in Deutschland v. XVIII. bis zum X X . Jh., München 1967, 27. 30 Zur Entwicklung der hist. Kritik vgl. Hans-Joachim Kraus: Gesch. der hist.-krit. Erforschung des AT von der Reformation bis zur Gegenwart, Neukirdien 1956, 40—69, sowie Aner: Theologie der Lessingzeit, 202—232. 31 Friedrich Gottlieb Klopstock: Von der heiligen Poesie (1760), in: SW, Bd. I—X, Leipzig 1854/55, 223—238, hier: 236. 32 Ders.: Von der Sprache der Poesie, ebd. 202—214, hier: 213.

630

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Eine Änderung dieser Anschauungen wird vor allem durch die Erweiterung der Kenntnisse in den orientalischen Sprachen begünstigt. Von entscheidender Wirkung wird die Entdeckung des niederländischen Arabisten Albert Schultens, der 1706 in seiner Disputation De utilitate linguae arabicae interpretanda Sacra Scriptura feststellt, daß die arabische Sprache in vielen Elementen älter sei als die hebräische, der er darum den „Charakter des Himmelsidioms" abspricht33. Die volle Wirkung von Schultens* Erkenntnissen setzt in Deutschland allerdings erst in den fünfziger Jahren mit Michaelis ein; zusammen mit weiteren wissenschaftlichen Erkenntnissen führt sie dazu, die Form der Bibel von dem inspirierten Gehalt zu trennen und sie als Menschenwerk anzusehen. Erst jetzt wird es möglich, von einzelnen Verfassern zu sprechen, deren stilistische Eigenheiten Merkmal ihrer persönlichen Denk- und Ausdrucksweise sind. Eine weitere Voraussetzung ist mit den Forschungen des englischen Bischofs Robert Lowth gegeben. Dieser hatte in den 1753 erschienenen De Sacra Poesi Hebraeorum Praelectiones34 das gesamte Alte Testament als ein Kunstwerk hohen Ranges dargestellt und seinen Zeitgenossen verständlidi zu machen versucht. Lowth hatte als erster die stilistischen Eigentümlichkeiten der hebräischen Poesie untersucht, hatte bestimmte Gesetze und Regeln herausgearbeitet und vor allem darauf hingewiesen, daß die dem europäischen Geschmack so unverständliche Bildhaftigkeit der hebräischen Poesie vier dem hebräischen Volk eng vertrauten Bereichen entsprang: der Natur, dem täglichen Leben, dem religiösen Kultus und der überlieferten heiligen Geschichte des Volkes. Lowth behandelt die Poesie der Hebräer weniger nach theologischen als nach literarischen Gesichtspunkten; seine Ergebnisse machen deutlich, daß klimatische, ethnische und historische Bedingungen die Form der alttestamentlichen Berichte entscheidend beeinflußt haben. Durch seine Forschungen erhält die biblische Poesie einen eigenen Wert; ihre Stärke, ihre leidenschaftliche und bildhafte Ausdrucksweise, die man bisher nur mit dem Heiligen Geist bewundernd zu erklären oder — meistens — verlegen zu entschuldigen gewußt hatte, werden jetzt als Auswirkungen der Geschichte und Umweltbedingungen des jüdischen Volkes begriffen: Das Alte Testament wird zur Nationalliteratur der Hebräer 35 . Erst diese Entwicklung schafft die Möglichkeit, Teile des Alten Testaments als wahre Werke des Geschmacks zu lesen, wie Michaelis es vorschlägt36, und

33

Vgl. Aner: Theologie der Lessingzeit, 210. Roberti Lowth De Sacra Poesi Hebraeorum Praelectiones Academicae Oxonii Habitae, Notes et Epimetra adiecit Iohannes David Michaelis, Goettingae MDCCLVIII (zit. Praelectiones). 35 Große Bedeutung erreicht die Interpretation des A T als hebräische Nationalliteratur erst mit Herders Untersuchungen „Vom Geist der Ebräischen Poesie". Zu dem Prozeß der Entdeckung der hebr. Poesie sowie der Veränderung des Geschmacks vgl. Rolf P. Lessenich: Dichtungsgeschmack und althebräische Bibelpoesie — Zur Gesch. der engl. Literaturkritik, Köln/Graz 1967 ( = Anglist. St. Bd. 1), u. Verf.: Poesie der Bibel — Beobachtungen zu ihrer Entdeckung und ihrer Interpretation im XVIII. Jh., Diss. Bonn 1972. 3 « S. o. 626. 34

Problem der Bibelübersetzung im 18. Jahrhundert

631

erst vor ihrem Hintergrund wird deutlich, daß Michaelis' Argumentation in erster Linie apologetischen Charakter hat. Er hofft, auf dem Umweg einer Neu-Übersetzung vor allem mit den ästhetisch wertvollen Teilen des Alten Testaments der Religion ablehnend gegenüberstehende Skeptiker als Leser wiederzugewinnen. So hatte er schon in der Vorrede zu den 1758 von ihm in Göttingen herausgegebenen Praelectiones der Überzeugung Ausdruck gegeben, daß die poetische Interpretation des Alten Testaments neues Interesse für die Bibel wecken könne, da das Alte Testament nach Lowth's Untersuchungen wie jedes andere Werk der antiken Literatur gelesen werden könne: Sed effecit Lowth, ut et nostri homines, a litteris Orientalibus remoti, voluptatem percipere ex peregrine illo concentu, et tamquam orientalem aliquam Orphea mirari et sectari possint37. Michaelis geht jedoch nicht so weit, seine Übersetzung an einer der wichtigsten Forderungen Lowth's auszurichten, der nach einem historischen Verstehen der hebräischen Poesie 38 : Ab hoc errore semper cavendum, et incommoda ista quantum diligentia compensanda sunt: nec modo perdiscendus eorum sermo, mores, ritus, disciplinae; sed intimi etiam sensus pervestigandi, cogitationum modi nexusque eruendi; eorum oculis, ut ita dicam, cernenda sunt omnia, eorum opinionibus aestimanda: it denique enitendum, ut Hebraea, quantum fieri potest, tamquam Hebraei legamus. Den Astronomen gleich, die um der Anschaulichkeit ihrer Vorstellungsweisen willen sich auf einzelne Planeten versetzen, muß derjenige, qui poematum Hebraeorum proprias et interiores elegantias percipere velit, ita se comparet oportet, ut sese putet eodem in loco positum, quo ii quorum causa ea scripta sunt, aut qui ipsi scripserunt ut cogitet, non qua rerum Imagines suo protinus animo jam Offerent certae quaedam voces, sed quaenam Hebraeo iis temporibus in ea constitute easdem dicenti aut audienti observari debuissent39. Wenn Michaelis diesen Einsichten Lowth's nicht folgt, so heißt das nicht, daß nicht auch er die historische Erklärung des Alten Testaments zum richtigen Verständnis f ü r notwendig hielte; doch soll die Einsicht in Einzelheiten und Ursachen des fremden Stils gerade nicht dazu führen, dem abendländischen Geschmack ungewohnte Stileigenheiten in der Übersetzung nachzuahmen. Einer Übersetzung, die sich bemüht, frei von bibeldeutschen Anklägen das Wohlwollen eines gebildeten Publikums zu erringen, könnte das nur abträglich sein. Trotz aller neuen Erkenntnisse über die Grundlagen und Entstehungsbedingungen der alttestamentlichen Schriften wendet Michaelis darum ein Übersetzungsverfahren an, das sich von dem Luthers nicht grundlegend, sondern nur graduell unterscheidet.

37 38 39

Praelectiones, Vorrede v. Michaelis, S. VI. Ebd. 88 f. Ebd. — Ren£ Wellek sieht in diesen Worten schon 1/53 „das Ideal der Vergleichenden Literaturwissenschaft treffend formuliert", vgl. R. Wellek: Begrijf u. Idee der Vergl. Lit.wiss., in: arcadia 2 (1967), 224—247, hier: 230.

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Dieter Gutzen

Luther hatte eines seiner wichtigsten Ubersetzungsprinzipien wie folgt formuliert 40 : Wer Deudsch reden wil, der mus nicht der Ebreischen wort weise füren, Sondern mus darauff sehen, wenn er den Ebreischen man verstehet, das er den sinn fasse und dencke also: Lieber, wie redet der Deudsche man jnn solchem fall? Wenn er nu die Deudsche wort hat, die hiezu dienen, so lasse er die Ebreischen faren und Sprech frey den sinn eraus auffs beste Deudsch, so er kan. Diese Ubersetzungspraxis nennt Goethe in den Noten und Abhandlungen zu besserem Verständnis des West-östlichen Divans bei seiner Einteilung der Geschichte des Übersetzens in Deutschland in die bekannten drei Epochen die schlicht-prosaische. Er bezeichnet damit ein Übersetzungsverfahren, das uns mit dem fremden Vortrefflichen, mitten in unserer nationeilen Häuslichkeit, in unserem gemeinen Leben überrascht. Haben solche Übersetzungen das Ziel, uns in unserm eigenen Sinne mit dem Auslande bekannt41 zu machen, so verfolgen die Übersetzer einer zweiten und fortgeschritteneren Periode die Absicht, sich in die Zustände des Auslandes zwar zu versetzen, aber eigentlich nur fremden Sinn sich anzueignen und mit eignem Sinne wieder darzustellen. Den Ubersetzungen dieses Zeitraums, dem Goethe das Attribut parodistisch42 verleiht, scheint mir die Bibelübersetzung von Johann David Michaelis zuzurechnen zu sein. Denn Michaelis versucht als ein gründlicher Kenner des Alten Testaments und seiner poetischen Teile, dem Leser seiner Zeit die fremde Welt der hebräischen Poesie nahezubringen, ohne daß dieser Leser sein Sprachempfinden, seine Gedanken- und Vorstellungswelt auf die Eigenartigkeit der ihm nicht vertrauten Nationalliteratur umorientieren muß. Der Michaelis-Rezensent hat selbst keine Übersetzung vorgelegt. In seinen Forderungen an den Übersetzer zeigt sich jedoch nicht nur eine neue Auffassung von der Aufgabe des Übersetzens, sondern audi das Bemühen, den Leser in der Übersetzung an das Original heranzuführen. Denkt man an Schleiermachers Unterscheidung der beiden Möglichkeiten, zwischen denen der Ubersetzer zu wählen habe, so wird das Ubersetzen nach dem Grundsatz: der Uebersezer läßt den Schriftsteller möglichst in Ruhe, und bewegt den Leser ihm entgegen13, von dem Bibelübersetzer hier schon etliche Jahrzehnte früher gefordert. Der Rezensent ist sich dabei durchaus der Schwierigkeiten bewußt, die ein solcher Anspruch für den einfachen Leser mit sich bringen kann, wenn diesem der Blick für das Fremdartige geöffnet wird und er den Unterschied zwischen den einfachen Ideen der Vorzeit und der theologisch-philosophischen 40

41

42 43

WA 38, 11, 2 7 — 3 2 ; vgl. dazu auch Hans Volz: Luther als Bibelübersetzer, in: D.Martin Luther: Die gantze Heilige Schrift Deudsch, Wittenberg 1545, hg. v. Hans Volz, München 1971, Einleitung, 118—131; ferner Franz Rosenzweig: Die Schrift und Luther, in: Das Problem des Übersetzens, hg. v. H. J. Störig, Darmstadt 1963, 220—248. Johann Wolfgang Goethe: SW — Jubiläumsausgabe in 40 Bdn, hg. v. Eduard von der Hellen, Stuttgart 1902—1912, Bd. 5, 303. Ebd. 304. Friedrich Sdileiermacher: Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersezens, in: Das Problem des Übersetzens . . ., 38—70, hier: 47.

Problem der Bibelübersetzung im 18. Jahrhundert

633

Gelehrsamkeit seiner Gegenwart bemerkt. Deshalb schlägt er vor, in einem Kommentar zur Übersetzung die Theologie und simple Denkungsart der damaligen Zeit sowie den Unterschied vor unsrer heutigen Theologie historisch zu entwickeln und zu erläutern 44 . Der Leser werde dann von selbst einsehen, daß er die alten Schriften nicht mit den Maßstäben seiner Zeit beurteilen dürfe. Gleichzeitig wird er aus seiner Kenntnis der historischen und kulturellen Verschiedenheit ein neues Verständnis für den in der Übersetzung zutage tretenden, seinem Geschmack ungewohnten Stil des Originals gewinnen können. Die neue Vorstellung vom Übersetzen wird darüber hinaus entscheidend für den Übersetzer selbst; seine Stellung wird deutlich aufgewertet, da das Übersetzen ein umfassendes Wissen von der Sprache, der Geschichte und den Lebensbedingungen des Volkes voraussetzt, dessen Schriften übersetzt werden. Der nachschaffende Übersetzer rückt in die Nähe des Autors. Goethes Anspruch an die dritte Epoche, in der man die Übersetzung dem Original identisch machen möchte, wird von dem Rezensenten auch in der Theorie noch nicht voll erfüllt — und in der Praxis der Bibelübersetzung wahrscheinlich erst im XX. Jahrhundert mit der Verdeutschung von Martin Buber und Franz Rosenzweig. Doch weist seine Kritik den Weg in diese Epoche, deren Verfahren uns seit Goethes Übersetzung der Manzoni-Ode II cinque maggio45 und seit Schleiermachers Platon-Übersetzungen vertraut ist. Voraussetzung für den literarischen Erfolg solcher Übertragungen ist allerdings, daß sidi, wie Gerstenberg in seiner Rezension der französischen Übersetzung des Messias meint46, eine unverwöhnte Seele findet, der gerade daran am meisten gelegen wäre, den Fremdling so mit allen seinen Sonderbarkeiten kennenzulernen, wie er wirklich ist.

44 45

46

Neuduck 307. Vgl. Horst Rüdigers Analyse der Übersetzung dieses Gedichts: Ein Versuch im Dienst der Weltliteratur-Idee: Goethes Übersetzung von Manzonis Ode „II cinque maggio", in: Studi in Onore di Lorenzo Bianchi, Bologna 1960, 3 8 3 — 4 0 6 . H. W . v o n Gerstenberg: Rezensionen in der Hamburgischen Neuen Zeitung 1767—• 1771, hg. v . O. Fischer, Berlin 1904, 245 ( = Deutsche Literaturdenkmale d. 18. u. 19. Jh.s in Neudrucken, Bd. 128).

W I L L Y R. B E R G E R

Walter Benjamin als Ubersetzer Baudelaires Die Gestalt Baudelaires spielt im Werk Walter Benjamins eine zentrale Rolle. Von der Faszination, die der französische Lyriker zeitlebens auf ihn ausübte, zeugt nicht allein die Tatsache, daß Benjamin von den Gedichten der Fleurs du Mal etwa ein Drittel (42 Stücke) übersetzt hat, dafür zeugt vor allem seine fragmentarisch gebliebene und bis auf ein Kapitel erst postum veröffentlichte Arbeit über das Paris des X I X . Jahrhunderts 1 , die im Grunde 1

Die vorhandenen Texte hat Rolf Tiedemann aus dem Frankfurter Nachlaß herausgegeben, in Buchform zuerst unter dem Titel: Walter Benjamin: Charles Baudelaire — Ein Lyriker im Zeitalter des Hochkapitalismus, hg. v. R. Tiedemann, Frankfurt/M. 1969 [zit.: Benjamin: Baudelaire']. Der Band vereint von Benjamins Baudelaire-Arbeiten den dreiteiligen Essay Das Paris des Second Empire bei Baudelaire (mit den Kapiteln Die Boheme, Der Flaneur und Die Moderne) mit dem einzigen noch zu Lebzeiten Benjamins erschienenen Text (Über einige Motive bei Baudelaire), der seinerseits eine umgearbeitete Fassung des Flaneur-Kapitels aus dem Paris des Second Empire darstellt. Ursprünglich sollte die Arbeit über Baudelaire nur einen Teil der von Benjamin so genannten Pariser Passagen bilden, spätestens 1937 aber hatte Benjamin den Plan zu einer selbständigen BaudelairePublikation gefaßt. Inzwischen ist das gesamte verfügbare handschriftliche Material, das zum Umkreis des Baudelaire-Buches gehört, im ersten Band der Gesammelten Schriften abgedruckt worden, wobei die bereits früher publizierten ZentralparkFragmente und die erstmalig veröffentlichten interpretierenden Marginalien Benjamins zu einzelnen Gedichten der Fleurs du Mal besonderes Interesse verdienen. (Vgl. Walter Benjamin: Ges. Sehr., unter Mitwirkung v. Th. W.Adorno und G. Scholem hg. v. R. Tiedemann und H. Schweppenhausen Frankfurt/M. 1972 if. [zit. Benjamin: Ges. Sehr.] Über alle Fragen der Textgeschichte, über die Rolle, welche die genannten Texte in der Konzeption von Benjamins Baudelaire-Buch gespielt haben, und über den ideologischen Hader, den die bisherige Editionspraxis ausgelöst hat, geben Anmerkungen und editorischer Bericht der Herausgeber Auskunft. — Die bisherigen Veröffentlichungen über Benjamin und Baudelaire befassen sich ausschließlich mit dem Baudelaire-Buch. Vgl. Rolf Tiedemann: Walter Benjamin und das Paris Baudelaires, Rundfunkmanuskript des NDR/SFB II vom 19.2. 1965; ders.: Nachwort zu: Benjamin: Baudelaire; Luigi de Nardis: En marge d'une et. de Walter Benjamin sur Baudelaire et Paris, in: Baudelaire — Actes du Colloque de Nice 1967 (= Ann. Faculte des Lettres et Sciences Humaines de Nice 1968), 161— 171; Hans Robert Jauß: Lit. Tradition und gegenwärtiges Bewußtsein der Modernität — Nachtrag (zu dem Kap.: ,Die Moderne' in Walter Benjamins Baudelaire-Fragmenten), in: H. R. J.: Lit.gesch. als Provokation, Frankfurt/M. 1970, 57—66. Zu den Übertragungen aus den Fleurs du Mal gibt es bisher keine eigenständige Veröffentlichung. — Zur sonstigen Literatur vgl. die Bibliographie in: Über Walter Benjamin — Mit Beiträgen von Th. W. Adorno u. a., Frankfurt/M. 1968, und die kommentierte Bibliographie in: Text + Kritik, Sonderheft Walter Benjamin, H. 31/32, 1971.

Walter Benjamin als Ubersetzer Baudelaires

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eine Baudelaire-Monographie ist und die gesellschaftskritische

Interpretation3

des Dichters vor dem Hintergrund des zweiten Kaiserreiches versucht. Gegenüber dem Baudelaire-Buch kommt der Übersetzung zweifellos nur eine zweitrangige Bedeutung zu; immerhin steht sie am Anfang von Benjamins kritischer Baudelaire-Rezeption und hat dieser entscheidende Impulse vermittelt. D i e Beschäftigung Benjamins mit Baudelaire setzt relativ früh ein und läßt sich bis in das J a h r 1915, d. h. bis in seine Studentenzeit, zurückverfolgen 8 . D a ß er begonnen habe, Baudelaire zu übersetzen, erwähnt er zum erstenmal im Februar 1917 in einem Brief an den Jugendfreund Ernst Schoen 4 ; zwei J a h r e später bereits erwägt er den Gedanken an eine Publikation 5 , und im Dezember 1920 äußert er Gershom Scholem gegenüber die Absicht, sich einen Verleger zu suchen; zugleich ist jetzt von der Konzentrierung der übersetzerischen Arbeit auf einen Zyklus der Fleurs

du Mal,

auf die Tableaux

Parisiens,

die Rede®. D e r Verleger fand sich bald. Richard Weißbach in Heidelberg, in dessen Verlag die Zeitschrift Die Argonauten nautenkreises

und die bibliophilen Drucke

des

Argo-

erschienen, interessierte sich für das P r o j e k t ; jedoch erst nach

einem lang dauernden, um Typographie und Ausstattung, Honorarfragen und Freiexemplare sich bewegenden H i n und H e r erschien die Übersetzung der Tableaux Exemplare

Parisiens

im J a h r e 1923, in einer zweisprachigen, auf fünfhundert

limitierten

Luxusausgabe 7 ;

eine wohl

ursprünglich

vorgesehene

,einfache' Ausgabe, wie Benjamin sie sich gewünscht hatte, ist nicht zustandegekommen 8 . Vorangestellt war dem B a n d Benjamins Essay Die Übersetzers;

Aufgabe

des

nicht zuletzt durch diesen Essay, der noch die Mängel der Ü b e r -

setzung weniger als sprachliches Versagen denn als Reflex einer grundsätzlichen Besinnung auf die ästhetischen und theoretischen Probleme des Übersetzens erscheinen läßt, sind seine Tableaux

Parisiens

bemerkenswert geworden.

Denn daß seine Übersetzung Mängel hatte, darüber w a r sich Benjamin bald nach dem Erscheinen des Bandes klar geworden; er tröstete sich mit der 2

3 4 5 6 7

8

Walter Benjamin: Briefe II, hg. v. G. Scholem und Th. W.Adorno, Frankfurt/M. 1966, 774 [zit.: Benjamin: Briefe]. Benjamin: Briefe I 120. Ebd. 133. Ebd. 213. Ebd. 247. Charles Baudelaire: Tableaux parisiens — Dt. Übertragung mit einem Vorwort über die Aufgabe des Übersetzers von Walter Benjamin, Heidelberg 1923 ( = Die Drucke des Argonautenkreises 5). — Weitere Ausgaben: Charles Baudelaire: Tableaux Parisiens. Dt. und mit einem Vorwort verseben von Walter Benjamin, Frankfurt/M. 1963. Charles Baudelaire: Ausgewählte Gedichte — Dt. Übertragung mit einem Vorwort über die Aufgabe des Übersetzers von Walter Benjamin, Frankfurt/M. 1970. — Die Ausgabe enthält gegenüber der vorigen elf zusätzliche Übertragungen aus anderen Teilen der Fleurs du Mal. Benjamin: Ges. Sehr. IV, 7—82. Die von T. Rexroth erstellte und vorzüglich kommentierte Ausgabe enthält außer den von Benjamin publizierten Texten der Tableaux Parisiens die erhaltenen Übertragungen aus anderen Teilen der Fleurs du Mal sowie Vorstufen publizierter Gedichte, die in charakteristischer Weise von den endgültigen Fassungen abweichen. Benjamin: Ges. Sehr. IV 893.

636

Willy R . Berger

Maxime, daß es letzten Endes für den Autor wesentlicher [sei], mit seinen problematischen Arbeiten öffentlich zu erscheinen, als mit seinen geglückten, sofern von jenen die Befreiung, welche das gedruckte Werk bringt, weit mehr not tut als von diesen9. Was ihm insbesondere an seinen Übersetzungen mißfiel, waren Dinge der Metrik, die ihm, wie er in einem Brief an Hofmannsthal 10 schrieb, nicht im selben Sinne zum Problem geworden war, wie die Vorrede dies von der Wörtlichkeit ausspricht.. . Von dem Bewußtsein solcher Unzulänglichkeiten seiner Arbeit versprach sich Benjamin eine hinreichende Initiative für neue Übersetzungsversuche; schon früher hatte er seinem Verleger gegenüber die Absicht geäußert, die Fleurs du Mal zwar nicht vollständig, wohl aber... in einer über die meisten Cyclen oder alle sich erstreckenden Auswahl zu übertragenu. Dazu ist es nicht gekommen. Benjamin publizierte nach dem Erscheinen der Tableaux Parisiens lediglich noch vier weitere BaudelaireGedichte in der Zeitschrift Vers und Prosa12. Andere Übertragungen, hauptsächlich aus Spleen et Ideal, fanden sich in seinem Nachlaß; bei dreien von ihnen darf man annehmen, daß sie ebenfalls dieser letzten Phase seiner übersetzerischen Arbeit an den Fleurs du Mal entstammen13. Übersetzungen, so hat Benjamin gesagt, gehören zum Nachleben eines literarischen "Werks; sie sind Reflexe seiner Wirkung, ja in ihnen erreicht das Leben des Originals seine stets erneute späteste und umfassendste Entfaltung14. Was diesen wirkungsgeschichtlichen Aspekt angeht, so ist Benjamins Übertragung noch unmittelbar verknüpft mit dem Beginn der deutschen BaudelaireRezeption, die etwa um die Jahrundertwende einsetzte. Vorher hatte man in Deutschland, wo sich die stilgeschichtliche Entwicklung der Lyrik in völlig anderen Bahnen vollzog als in Frankreich, von Baudelaire so gut wie keine Kenntnis genommen15; während Verlaine, Rimbaud und Mallarme den von Baudelaire eingeschlagenen Weg konsequent weiterverfolgten und damit die Lyrik der Moderne schufen, bleib die zeitgenössische deutsche Lyrik bis zum Naturalismus epigonal in der Formen-, Gedanken- und Gefühlswelt der klassischen und romantischen Poesie verhaftet, deren immer wieder reproduzierte Muster längst zu literarischen Klischees abgesunken waren. Das Verdienst, den französischen Symbolismus und damit audi die Fleurs du Mal für die deutsche Literatur gewissermaßen erst entdeckt zu haben, 0 10 11 12

13 14 15

Benjamin: Briefe I 327. Ebd. 330. Benjamin: Ges. Sehr. IV 894 f. Jg. 1924, 2 6 9 — 2 7 2 . Es handelt sich um An den Leser, Frohsinn des Toten, Die Wanduhr und Einer Madonna. Herbstgesang II, Die Stimme und Der Mahner; vgl. Benjamin: Ges. Sehr. IV 895. Ges. Sehr. IV 11. Von zwei bedeutenden Ausnahmen abgesehen: Wagner, dem natürlich das enthusiastische Lob schmeichelte, mit dem Baudelaire seine Musik bedachte, und Nietzsche, den zwar die Bizarrerien Baudelaires befremdeten, der jedoch in ihm den großen Artisten und verwandten Geist erkannte. Vgl. Friedrich Nietzsche: Werke, hg. v. K . Sdilechta, München 1955, II 1091, 1280. Vgl. im übrigen: Manfred Gsteiger: Franz. Symbolisten in der dt. Lit. der Jh.wende (1869—1914), Bern/München 1971.

Walter Benjamin als Übersetzer Baudelaires

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gebührt denn auch einem Dichter, der von Baudelaire durch den Abstand von mindestens einer literarischen Generation getrennt w a r : Stefan George. Im literarischen Zirkel um Mallarme, in dem er während seines Paris-Aufenthaltes in den Jahren 1889/90 verkehrte, war er mit Baudelaires Werk in Berührung gekommen, und noch in Paris begann er mit der Übersetzung der Fleurs du Mal; die erste, nur 37 Gedichte umfassende Ausgabe seiner Übertragungen erschien 1891 als Privatdruck; entsprechend gering nur konnte die unmittelbare Wirkung sein. Bahnbrechend wirkte dann jedoch die 1901 erschienene und nun wesentlich erweiterte Ausgabe von Georges Übertragung, die — was f ü r den zunehmenden R u h m Baudelaires so gut spricht wie f ü r den seines Übersetzers — bis zum Jahre 1930 nicht weniger als sieben Auflagen erlebte. Ihr folgten in relativ kurzen Abständen Teilübersetzungen der Fleurs du Mal von C. H o f f m a n n und St. Zweig (1902), W. von Kalckreuth (1907), Max und Margarethe Bruns (1908), H . H o r v a t (1908), M. Asmus (1909), O. Hauser (1917) und H . H a v e mann (1920); eine sechsbändige deutsche Baudelaire-Ausgabe veranstaltete Max Bruns in den Jahren 1901—10; eine zweite, dreibändige, von Max Blei edierte Ausgabe mit einer neuen Übersetzung der Fleurs du Mal durch Therese Robinson erschien 1925 bei Georg Müller in München 16 . *

Von allen diesen Übersetzungen ist gewiß die Georgesche die bei weitem gewichtigste, sowohl was ihre literarhistorische Bedeutung als auch was ihren ästhetischen Rang angeht. Sie ist das, obwohl auf der anderen Seite ihre Mängel auf der H a n d liegen. Wer immer sich mit diesen Übersetzungen beschäftigt hat, kommt zu dem Ergebnis, George habe in ihnen weniger Baudelaire als sich selbst gegeben. Man konstatiert die höchst auffällige Stilisierung Baudelaires aufs Spirituelle hin, man kritisiert die Glättung, die Harmonisierung, die ästhetische Zensur, die George den Fleurs du Mal hat angedeihen lassen; man zeigt die Grenzen von Georges Baudelaire-Bild auf, indem man darauf hinweist, daß er weder f ü r das Aufrührerische und Provokative noch f ü r das Derbe oder Sarkastische bei Baudelaire, weder f ü r das D a n d y h a f t e noch für das Großstädtische bei ihm, weder f ü r seinen ,Satanismus' noch für seine kruden Naturalismen bei der Behandlung erotischer Sujets ein besonderes Verständnis hatte 1 7 . Gleichwohl wäre es falsch zu meinen, das Außerordentliche dieser Übersetzung bestimmte sich nur aus der Tatsache, daß in ihr das Genie eines 16

17

Vgl. Baudelaire-Bibliogr., in: Das Buch 3 (1951), H. 6, 61 ff.; Gsteiger: Franz. Symbolisten, a. a. O., 278. Manfred Gsteiger: „Die Blumen des Bösen" — George als Übersetzer Baudelaires, in: M. G.: Lit. des Übergangs, Bern und München 1963, 49 ff.; Claude David: Stefan George — Sein dichterisches Werk, München 1967, 54 ff.; Ralph-Rainer Wuthenow: Das fremde Kunstwerk — Aspekte der lit. Übers., Göttingen 1969, 127 ff.

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Willy R. Berger

großen Lyrikers sich ausdrücke. Sie ist bedeutend, weil sie sich außerdem durch eine Tugend auszeichnet, die man im allgemeinen weniger der vielberufenen übersetzerischen Kongenialität als vielmehr — und dann meist mit einer negativen Bewertung — dem trockenen und undichterischen Pedantismus akademischer Ubersetzer zuschreibt: durch ihre Treue zum Original. Denn läßt man die klassizistische Überformung, die gewaltsamen ästhetischen und ideologischen Korrekturen, die George vorgenommen hat, läßt man auch die Übersetzungsfehler, die auf ein mangelndes Textverständnis zurückgehen, einmal beiseite, so sind seine Übertragungen von einer auffallenden Wörtlichkeit. Es hieße Georges Übersetzungsleistung jedenfalls verkennen, würde man in ihr, wie er selbst in seiner Vorrede nahelegt, weniger eine getreue nadobildung als ein deutsches denkmal sehen 18 . Vor die alte und unvermeidliche Aporie aller Übersetzer gestellt, entweder der Schönheit oder dem Wortlaut eines Textes sich zu verpflichten, hat er versucht, zwischen beiden einen mittleren Weg einzuschlagen, der von der sklavischen Bindung ans Original soweit entfernt ist wie von den selbstherrlichen Lizenzen der ,belies infideles'. Natürlich kannte Benjamin Georges Übersetzung und ist ihr verpflichtet, und dies nicht nur, weil man an Georges ,Baudelaire' als an der älteren, als an der klassischen und kanonischen Übersetzung nicht vorbeigehen konnte, sondern auch aus einer gewissen Affinität des literarischen Geschmacks heraus. Benjamin hat so wenig wie George die zeitgenössische deutsche Lyrik des Expressionismus geschätzt, und mochten ihn auch von der Philosophie und dem steilen Pathos des George-Kreises schon in seiner Jugend Welten trennen 19 , so galt ihm vor allem der frühe George, der noch nicht ,Priester', noch nicht ,Prophet' geworden war, als der bedeutendste deutsche Lyriker seiner Epoche 20 . Besonders Georges Übersetzungen fanden Benjamins Beifall; in ihnen sah er einen der wesentlichsten Züge des Georgeschen Werkes sich ausprägen 21 ; ja, er fragte sich, ob man nicht in Georges Dante-Übertragung eines der ganz wenigen großen Übersetzungswerke [erblicken müsse] die wir haben22. Georges Übertragung setzt Maßstäbe. Daß man Baudelaire verdeutschen könne, ohne an der Strenge dieser Maßstäbe sich zu orientieren, ja daß man überhaupt an ein solches Unternehmen sich wagen dürfe, ohne nicht mindestens den Ehrgeiz zu haben, jenes Muster zu übertreffen — eine solche Überlegung 18

19 20

21 22

Baudelaire: Die Blumen des Bösen — Umdichtungen von Stefan George, Berlin 6 1922, 5 [zit.: George: Die Blumen des Bösen], Vgl. Adornos Einleitung zu den Briefbänden (Benjamin: Briefe I 15). Die Briefe, vor allem aus der Freiburger Studentenzeit, sprechen eine eindeutige Sprache; vgl. Benjamin: Briefe I 102, 111, 115, 194, II 583, 853. Der Rückblick auf Stefan George aus dem Jahre 1933 ist kritischer; Georges literarischer Rang aber steht für Benjamin außer Zweifel: Der große Dichter ist George diesem Geschlecht gewesen, und er war es als Vollender der Decadence, deren spielerische Gebarung sein Impuls verdrängte . . . Er steht am Ende einer geistigen Bewegung, die mit Baudelaire begonnen hat (Walter Benjamin: Angelus Novus — Ausgewählte Sehr. II, Frankfurt/M. 1966, 481). Benjamin: Briefe II 853. Ebd. I 142.

Walter Benjamin als Obersetzer Baudelaires

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wäre wohl in Benjamins Augen weniger der Ausdruck geziemender Bescheidenheit denn der einer unerlaubten Naivität gewesen. Georges Übersetzung war ihm ein Ansporn in ihrem Geglückten sowohl wie in ihrem Versagen; in ihr dokumentierte sich eine übersetzerische Kultur, hinter die zurückzufallen sich nur noch der Dilettantismus erlauben durfte; sie war zugleich Gegenstand einer Kritik an Georges Baudelaire-Verständnis, die Benjamin noch in der Passagen-Arbeit angemeldet hat 23 und die seine Tableaux Parisiens gleichsam in der Form eines ästhetischen Widerrufs artikulieren; Benjamins Übertragung, so viel Impulse sie im einzelnen von Georges Lyrik empfangen haben mag, liest sich oft geradezu wie eine Palinodie der Georgeschen Blumen des Bösen. Von dem kritischen Ernst und der diskursiven Strenge, mit der Benjamin über die Tätigkeit des Übersetzens nachgedacht hat, zeugt der den Band einleitende Essay. Benjamin hat hier versucht, die übersetzerische Praxis erkenntnistheoretisch und sprachphilosophisch in den Griff zu bekommen, ja er hoffte hierbei — freilich vergeblich — auf einen Sukkurs von der zeitgenössischen Philosophie, etwa von der Cohenschen Ästhetik21. Sein Aufsatz ist jedoch alles andere als ein systematischer Beitrag zur Ubersetzungstheorie; er ist zudem in einem sich sehr esoterisch gebenden Stil geschrieben, der eine genaue Analyse erschwert; wenig ist zu spüren von jener Prägnanz und konkreten BegrifFlichkeit, mit der Benjamin später ähnliche Probleme behandelt hat. Immerhin läßt sich der gedankliche Kern des Aufsatzes leicht ausmachen. Im Mittelpunkt stehen Begriffe wie die reine Sprache und der heilige Text, die ganz allgemein bei der Übersetzung von Sakralliteratur, speziell aber in der hebräischen Übersetzungstradition und hier vor allem bei der Bibel-Übersetzung eine Rolle spielen. Es sind letztlich Begriffe der jüdisch-kabbalistischen Mystik, und man darf annehmen, daß vor allem Benjamins enger persönlicher Umgang mit Gershom Scholem es war, der diese Theorie hat formen helfen. Scholem, der geistigen Welt des Judentums weit inniger verbunden, als Benjamin das je gewesen ist, war selbst ein kompetenter Übersetzer aus dem Hebräischen, und wenngleich seine Übertragungen, etwa die des Hohen Liedes, nicht den Beifall Benjamins fanden 25 , so hat dieser ihn doch gerade bei den Tableaux Parisiens als Ratgeber in theoretischen Problemen der Übersetzung in Anspruch genommen26. Dem Begriff des heiligen Textes, wie Bejamin ihn faßt, liegt der Gedanke einer geoffenbarten Gottessprache zugrunde, die in rudimentärer, verdunkelter Form in allen Sprachen und somit auch in allen dichterischen Texten enthalten sei. Die geschichtsphilosophische Konstruktion, die dahinter steht, trägt deutlich utopisch-teleologischen Charakter; alle Sprachen sind unterwegs zu der reinen Sprache als zu ihrer letztgültigen Verwirklichung, und die Epochen der sprachgeschichtlichen Entwicklung und die verschiedenen literaturgeschichtlichen Perioden sind die historischen Stufungen dieses Weges. 23

Benjamin: Baudelaire 47, 131. Benjamin: Briefe I 259. 25 Ebd. 141 f., 182 f. 2 « Ebd. 259. 24

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Willy R. Berger

Von hier aus definiert Benjamin Wesen und Aufgabe der Übersetzung: sie unterwirft das Original gewissermaßen einem Läuterungsprozeß, indem sie die Schlacken seiner historischen Gebundenheit von ihm abstreift und das, was reine Sprache an ihm ist, unvermittelter und leuchtender hervortreten läßt; in der Übersetzung wächst das Original in einen gleichsam höheren und reineren Luftkreis der Sprache hinauf, in den vorbestimmten, versagten Versöhnungsund Erfüllungsbereich der Sprachen21. Sie ist dazu imstande, weil die Zielsprache, in die sie übersetzt, mit der Sprache des Originals durch jene angenommene reine Sprache im Innersten verwandt ist; ihren Kern, den Benjamin die Übersetzbarkeit28 des Originals nennt, hat der Übersetzer zu treffen und mit den Mitteln seiner eigenen Sprache freizulegen. Man kann solche Gedankengänge auf sich beruhen lassen; sie gehören in den Bereich der spekulativen Sprachphilosophie und tragen jedenfalls zu einer pragmatisch orientierten Übersetzungstheorie wenig bei. Sie deuten aber zumindest die allgemeine Richtung an, in der sich Benjamins übersetzerische Arbeit bewegt, und hier hat der Begriff des heiligen Textes allerdings eine ganz unmittelbare praktische Konsequenz: er verpflichtet den Übersetzer auf den Primat der Wörtlichkeit und der größtmöglichen Texttreue, und das in einer Weise, die der Treue zum einzelnen Wort vor der genauen Transposition des einzelnen Gedankens eindeutig den Vorzug gibt. Denn Übersetzung ist, so Benjamin, mehr als Mitteilung; es geht ihr nicht darum, den Sinn zu übertragen, sondern zuallererst um das, was außer der Mitteilung in einer Dichtung steht29; in der Übersetzung soll der Samen reiner Sprache zur Reife30 kommen. Das aber verbürgt allein die wortgetreue Übersetzung; die Interlinearversion ist folgerichtig f ü r Benjamin das Urbild oder Ideal aller Übersetzung31. Dem Prinzip der Worttreue hat sich alles unterzuordnen, was sonst zum Geschäft des Übersetzens gehört, und sei es auch um den Preis, daß dabei Konventionen der eigenen Sprache verletzt werden; selbst eine gewisse Verfremdung und Vergewaltigung — nicht des Originals, sondern von Sprachnormen der Zielsprache — muß man dabei in Kauf nehmen; um der Bewahrung der Wörtlichkeit willen haben Luther, Voß, Hölderlin, George morsche Schranken der eigenen Sprache gebrochen und die Grenzen des Deutschen erweitert32. D a ß Benjamin hier nicht einer stümperhaften Genauigkeit, die auf ästhetische Qualitäten verzichtet, das Wort redet, dürfte klar sein, und seine 27 28 29 30 31

32

Benjamin: Ges. Sehr. I V 14 f. Ebd. 9 f. Ebd. 9. Ebd. 17. Ebd. 21. Der Begriff der Interlinearversion hat, vor allem, was die Bewahrung der Wortfolge des Originals angeht, speziell bei ßi£e/-Übersetzungen jüdischer Autoren eine große Tradition, die sich von den jüdischen Schulen des Spätmittelalters bis in die Gegenwart verfolgen läßt (Wuthenow, a . a . O . [Anm. 17], 76); noch Rosenzweig und Buber diskutieren über die „Hebraisierung der Syntax" (vgl. Winfried Sdun: Probleme und Theorien des Übersetzens in Deutsdiland vom 18. bis zum 20. Jh., München 1967, 78). Benjamin: Ges. Sehr. I V 19.

Walter Benjamin als Übersetzer Baudelaires

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Übersetzungen beweisen es. Erst wo die Wörtlichkeit eine Harmonie zwischen Original und Übersetzung herstellt, die sie auch als ästhetische Gebilde einander so nahe wie möglich rückt, hat jene ihren Sinn erfüllt. Benjamin selbst hat seinen Essay und die Prinzipien, die er in ihm vertritt, in einen bestimmten literarhistorischen Zusammenhang gestellt. Er beruft sich auf Goethes Bemerkungen in den Noten zum Divan; von den drei Übersetzungsarten, die Goethe dort unterscheidet, kommt für Benjamin ersichtlich nur jene infrage, bei welcher sich der Ubersetzer fest an sein Original anschließt, dabei mehr oder weniger die Originalität seiner Nation aufgibt und so die Übersetzung dem Original identisch machen möchte, so daß eins nicht anstatt des andern, sondern an der Stelle des andern gelten solle33. Diese Maximen haben besonders in der deutschen Ubersetzungstheorie eine nachhaltige Wirkung gehabt. So zitiert Benjamin Rudolf Pannwitz, der, in offensichtlicher Anlehnung an Goethes Aper9u, den falschen grundsatz vieler Übersetzer tadelt, die das indische griechische englische verdeutschen [wollen] anstatt das deutsche zu verindischen vergriechischen verenglischen, sie haben eine viel bedeutendere ehrfurcht vor den eigenen Sprachgebräuchen als vor dem geiste des fremden werks... der grundsätzliche irrtum des übertragenden ist dass er den zufälligen stand der eignen spräche festhält anstatt sie durch die fremde Sprache gewaltig bewegen zu lassen, er muss . .. auf die letzten elemente der Sprache selbst wo wort bild ton in eins geht zurück dringen er muss seine Sprache durch die fremde erweitern und vertiefen .. ·34 Doch bereits die deutsche Romantik und der deutsche Idealismus hatten Ähnliches von der literarischen Übersetzung gefordert, die eben mehr sein will als bloßes ,Dolmetschen'. Bei Schleiermacher35 gipfelt diese Theorie in dem bekannten Wort, der Übersetzer müsse nicht das Original dem Leser, sondern vielmehr den Leser dem Original entgegenbewegen, wobei ein unerläßliches Erfordernis dieser Methode des Übersezens .. . eine Haltung der Sprache [sei], die nicht nur nicht alltäglich ist, sondern die auch ahnden läßt, daß sie nicht ganz frei gewachsen, vielmehr zu einer fremden Ähnlichkeit hinübergebogen sei. Auch Wilhelm vom Humboldt 36 hat sich für eine größtmögliche Annäherung der Übersetzung an Stil und Vokabular des Originals ausgesprochen und davor gewarnt, etwa dessen Dunkelheiten oder das, was in der Ursprache erhaben, riesenhaft und ungewöhnlich ist, in der Übersetzung leicht und augenblicklich fasslich wiederzugeben; wie Schleiermacher weiß audi er, daß in die Übersetzung, die sich an dieses Prinzip hält, notwendig eine gewisse Farbe der Fremdheit hineinkommen muß, die jedoch nicht zum Selbstzweck werden darf: wo aber die Fremdheit an sich erscheint, und vielleicht gar das

33 34 35

33

Gedenkausg. der Werke, Briefe und Gespräche II, Zürich und Stuttgart 2 1959, 555 f. Zit. nach: Benjamin: Ges. Sehr. IV, 20. Über die verschiedenen Methoden des Übersezens; Sämtl. Werke, Berlin 1838, Abt. III, Bd. II, 2 2 6 f. Einleitung zu seiner Übersetzung von Aisdiylos' Agamemnon: Ges. Sehr. VIII, Ak.ausg., Berlin 1909, 132 f.

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Fremde verdunkelt, da verräth der Uebersetzer, dass er seinem Original nicht gewachsen ist. Wie einige gerade der bedeutenden modernen Übersetzer (neben Pannwitz etwa Borchardt, Voßler oder Schadewaldt) hat sich Benjamin diesen Theorien angeschlossen, auch wenn er sich nicht ausdrücklich auf sie beruft. Aufs Ganze gesehen, stellen sich jedenfalls seine Reflexionen zur Theorie des Übersetzens als eine interessante Mischung aus Elementen mystisch-spekulativer jüdischer Sprachphilosophie und aus den einschlägigen Theorien der deutschen idealistischromantischen Philosophie dar: eine Mischung, die überhaupt charakteristisch ist für die geistige Physiognomie des frühen Benjamin. Unmittelbares Vorbild einer in diesem Sinne ,idealen' Übersetzung waren für Benjamin Hölderlins Übertragungen aus dem Griechischen: seine Verdeutschung Pindars und der beiden Sophokleischen Tragödien, der Antigone und des Ödipus: In ihnen ist die Harmonie der Sprachen so tief, da β der Sinn nur noch wie eine Äolsharfe vom Winde von der Sprache berührt wird31. Schon diese Bemerkung verdeutlicht, warum Benjamin sich so für Hölderlins Übersetzung begeisterte: sein Beifall gilt ihren Dunkelheiten, dem Inkommensurablen und Inkommunikativen an ihr, das sich einem unmittelbaren Verstehen ihres Sinns so sehr verweigert und ihr schon in den zeitgenössischen Rezensionen den Spott der Kritiker und zünftigen Philologen eingetragen hat 38 . Rücksicht auf den Aufnehmenden mochte Benjamin auch bei seinen eigenen Übersetzungen als ästhetisches Kriterium nicht gelten lassen; ein Übersetzer, der Zugeständnisse an den bequemen Geschmack des Publikums machte und dem Leser zu dienen versuchte, konnte bestenfalls den Sinn und damit das Unwesentliche des Originals an ihn vermitteln; das Wesentliche, den heiligen Text, mußte er verfehlen 39 . Die Betonung des exklusiven und esoterischen Charakters der literarischen Übersetzung, ja von Kunst überhaupt verweist Benjamins Essay in die Nähe des George-Kreises, wie ja auch der enge Anschluß an Hölderlin ohne den apologetischen Enthusiasmus, mit dem der Kreis Hölderlins Werk wiederentdeckte, nicht zu denken ist 40 . Was freilich die Dunkelheiten der Hölderlinschen Übersetzung, namentlich jener Stellen des Ödipus angeht, wo nach Benjamins Worten der Sinn von Abgrund zu Abgrund [stürzt], bis er droht in bodenlosen Sprachtiefen sich zu verlieren41, so denkt man heute über diese Dunkelheiten doch etwas anders. So großartig diese Übersetzung im einzelnen ist und so sehr sie kraft ihrer dichterischen Gewalt die philologisch korrek37 38

39 40

41

Benjamin: Ges. Sehr. IV 21. Vgl. Wolfgang Schadewaldt: Hölderlins Übers, des Sophokles, in: W. Sdi.: Hellas und Hesperien — Ges. Sehr, zur Antike und zur neueren Lit. II, Zürich und Stuttgart 2 1970, 275 ff. Benjamin: Ges. Sehr. IV 9. Hellingraths Hölderlin-Ausgabe war in Benjamins Besitz ( B r i e f e I 166); in seinen Briefen kommt Benjamin mehrfach auf sie und auf die 1916 von Hellingrath veröffentlichten kommentierten Pindar-Fragmente Hölderlins zu sprechen ( B r i e f e I 129 f., 133, 140, 160 f., 173). Ges. Sehr. IV 21.

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teren, aber poetisch harmlosen Sophokles-Übertragungen des X I X . Jahrhunderts hinter sich läßt, so ist doch vieles Eigenwillige und Absonderliche an ihr, sind viele ihrer vermeintlichen sprachlichen Kühnheiten, die Benjamin wohl einem kalkulierenden Kunstwillen zuschreiben mochte, einfach auf sprachliche Mißverständnisse, auf Wortverwechslungen und auf Hölderlins doch nur beschränkte Kenntnis des Griechischen zurückzuführen. Von einer Treue dem Original, vor allem dem sprachlichen Geist dieses Orignals gegenüber kann bei Hölderlin nur unter diesem Vorbehalt die Rede sein; so innig seine Übersetzung in Wortwahl, Wortstellung und Syntax dem Griechischen sich anzuschmiegen sucht, ihre sprachlichen H ä r t e n und Gewaltsamkeiten entsprechen meist nicht dem Sophokleischen Text, der keineswegs so kryptisch und künstlich ist, wie Hölderlins Übertragung es suggeriert 42 . Wo Benjamin sidi diese Seite an Hölderlins Übersetzungen zum Vorbild nahm, waltete ein Mißverständnis vor, das nicht ohne Einfluß auf seine eigenen Übertragungen bleiben konnte. *

Das Echo, das Benjamins Tableaux Parisiens hervorriefen, war gering; zehn Jahre nach Erscheinen des Bandes „war die Auflage offensichtlich nodi nicht annähernd verkauft" 4 3 ; die öffentliche, selbst die privat vorgetragene Kritik fiel vorwiegend negativ aus. Hofmannsthal 4 4 äußerte sich anerkennend über den Essay, legte aber, wie Benjamin zu bemerken glaubte, eine gewisse Reserviertheit den Übersetzungen gegenüber an den Tag; Stefan Zweig besprach den Band sehr ungnädig in der Frankfurter Zeitung4ä. „Bei aller Anerkennung der gewissenhaften, sorgfältigen und inbrünstigen Mühe, gleichzeitig die inhaltliche Substanz, die äußere Form und die deutsch dichterische Linie zu bewahren, k a n n ich doch nicht den Sinn finden, um einer Durchdichtung willen . . . eine herrliche, von Blut und melodischem Atem geschwellte Strophe, Blatt um Blatt einer frostigen, unsinnlichen, toten deutschen Reimung gegenüberzustellen, wie es hier oftmals geschieht. Man löse sich nur ab und zu eine deutsche Strophe los, lese sie f ü r sich, suche mühsam ihren Sinn, um sie dann erschreckt und beglückt mit dem französischen Original zu vergleichen . . . U n d man wird fühlen, wie alles Warme, Zurückgestaute des Baudelaire-Gedichtes [gemeint ist Le Cygne], dieses einzige Phänomen vergeistigter Sinnlichkeit, hier in einer gewaltsamen, aufgereckten, kalt gefirnißten Sprache unmelodisdi erfriert. Nicht Leichtfertigkeit ist einer solchen Übersetzung zum Vorwurf zu machen, denn sie ist mit ehrlichster Mühe, mit sauberster Sprach-· kunst, wenn auch ohne inneren Genius zäh und arbeitsam gedichtet, wohl aber eine gewisse Vermessenheit, gerade an dem Vollkommensten sich mit 12 1:1 14 45

Vgl. Schadewaldt, a. a. O., bes. 278 ff. Benjamin: Ges. Sehr. I V 893. Benjamin: Briefe I 327. Im Sonntags-Feuilleton vom 1. 6. 1924.

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unzulänglicher Kraft zu versuchen. Durchdichtung eines Gesamtwerkes i s t . . . nur in jener lockeren Sphäre möglich, wo das Zufällige des Wortes und der Rhythmik nicht einen sublimen Organismus z e r s t ö r t . . . " Sieht man einmal über das impressionistische Vokabular dieser Kritik und ihren etwas herablassenden und präzeptorhaften Ton hinweg, so schälen sich zwei Hauptvorwürfe heraus: der einer mangelnden ästhetischen Qualität („frostig, unsinnlich, tot, gewaltsam, aufgeredet, kalt, gefirnißt, unmelodisch") und der Vorwurf einer gewissen Dunkelheit („man suche mühsam ihren Sinn . .."), die dem Original nicht eigne. Ob und inwieweit solche Vorwürfe gerecht sind, kann allein eine genaue Analyse zeigen; Zweig bleibt leider — mindestens, was die stilistischen Mängel angeht — alle Belege schuldig. Ganz allgemein aber muß man wohl sagen, daß Zweig offenbar von den Intentionen des Benjaminschen Essays, dem er zwar wohlwollend das redliche Bemühen attestierte, keine Kenntnis genommen hatte; zum anderen aber spricht sich hier ein Übersetzungsideal aus, das hinter dem anspruchsvollen und auf der Höhe der theoretischen Diskussion stehenden Ideal Benjamins entschieden zurückbleibt. Wie Stefan Zweig sich eine geglückte Ubersetzung vorstellte, verrät mit wünschenswerter Deutlichkeit seine Besprechung von Herbert Eulenbergs Musset-Übertragung in der gleichen Rezension. Er feiert sie als ein Werk, das im „Juwelenkabinett deutscher Übertragungen ihren besonderen Schrein" verdiene, und zwar, weil sie sich, wie Eulenbergs eigene Lyrik, durch einen „gleitenden leichten Vers" auszeichne, der, bei aller Gefahr, daß er „ein wenig zu wässerig, . . . ein wenig zu zufällig" werden möchte, „mühelos und sorglos die Reime zusammenklingen l ä ß t . . . " Gerade ein solch „sorgloses" und „leichtes" Reimgeklingel wollte Benjamin nicht. Statt des zufälligen, des glücklich gefundenen Worts ging es ihm um das notwendige, statt der „lockeren" und — so darf man hinzufügen — der .freien' Übersetzung suchte er die strenge und genaue, und sei es um den Preis einer wie immer verstandenen poetischen Versatilität willen. Verständlich, daß Benjamin von dieser Kritik, die ihre Inkompetenz so offen zur Schau trug, nicht ohne Ingrimm Kenntnis nahm 46 und sie als mesquin empfand, dies vor allem, weil Stefan Zweig selbst eine Baudelaire-Übersetzung veröffentlicht hatte, die Ansprüchen, wie er selbst sie sich gestellt hatte, keineswegs genügen konnte. Diese Übersetzung, die Benjamin eher noch zu wohlwollend die drittschlechteste deutsche überhaupt nannte, zeichnet sich durch alle jene vermeintlichen Vorzüge aus, die Zweig bei Benjamin vermißt; sie ist in einer ,leichten' und ,lockeren' feuilletonistischen Suada geschrieben, die, indem sie das Original gelenkig und geläufig und mit einer ausgesprochenen Vorliebe für euphonische Effekte paraphrasiert, sich als dichterischer Schwung ausgibt. Dabei kann man nicht einmal sagen, daß sie in die Kategorie der ,belies infideles' gehörte, denn die Schönheit, mit der sie ihre Untreue dem Original gegenüber wettmachen

46

Benjamin: Briefe I 352.

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möchte, ist die redselige und mit neuromantischen Klischees überladene eines zweitklassigen Hofmannsthal-Epigonen. *

Wörtlichkeit als Forderung an eine Übersetzung, wie sie Benjamin zu leisten versuchte, ist nun zunächst nichts als ein abstrakter Begriff, der sich vor den verschiedenen konkreten Problemen, welche die übersetzerische Praxis aufwirft, zu bewähren hat. Wörtlich übersetzen bedeutet im Idealfalle ja wohl, daß man nicht mehr, aber auch nicht weniger übersetze als das, was wirklich im Original steht. Das ist bei Prosatexten im allgemeinen nicht mit Schwierigkeiten verbunden; bei Versübertragungen jedoch liegen die Dinge anders; der Übersetzer von Gedichten sieht sich der banalen Tatsache gegenüber, „daß ein und derselbe Gedanke, in verschiedenen Sprachen formuliert, eine unterschiedliche Silbenzahl benötigt." Dieses Faktum — die Sprachwissenschaft spricht von der unterschiedlichen „semantischen Dichte" der einzelnen Sprachen — nötigt den Übersetzer oft „zu einer Beschränkung des Aussagegehalts" oder umgekehrt zu einer künstlichen Streckung der Vorlage durch Füll- oder Flickwörter; das bleibt in beiden Fällen „nicht ohne Einfluß auf die Gesamtinterpretation des Gedichts" 47 . Die deutsche Sprache hat gegenüber dem Französischen eine etwas geringere semantisdie Dichte und eine etwas geringere durchschnittliche Wortlänge 48 , was den Übersetzer, der sich etwa entschließt, den französischen Alexandriner auch im Deutschen als Versmaß beizubehalten, nicht selten zwingt, die silbenheischende Tendenz des französischen Worts und die „wortheischende Tendenz" der französischen Syntax durch eine „silbenfüllende Zugabe" abzugleichen 49 : eine Konsequenz, die nicht im Sinne einer um Worttreue bemühten Übersetzung sein kann. Im Fall des französischen Alexandriners, der ja der Hauptvers der Tieurs du Mal ist, kommt ein zweites, ästhetisches Moment hinzu. Der Alexandriner hat im Französischen eine andere rhythmische Kontur, einen anderen stilistischen Charakter und eine andere historische Tradition als im Deutschen. Während der französische Vers durch einen „sinnbetonten Rhythmus 50 " charakterisiert wird, der ihm — mit Ausnahme der die Zäsur betreffenden Erscheinungen — eine große rhythmische Variabilität gibt, kommt in den deutschen Alexandriner durch das sehr viel deutlicher sich ausprägende Auf und Ab der strengen Alternation leicht etwas Klapperndes hinein. Und während der französische Alexandriner noch bei Valery ein höchst lebendiges Versmaß 47 48 49

50

Jiri Levy: Die lit. Übers. — Theorie einer Kunstgattung, Frankfurt/M. 1969, 181. Vgl. ebd. So Gipper (Helmut Gipper: Sprachliche und geistige Metamorphosen bei Gedichtübersetzungen — Eine sprachvergl. Unters, zur Erhellung dt.-frz. Geistesverschiedenheit, Düsseldorf 1966, 57), der, aufgrund einer empirischen Auszählung und bei aller gebotenen Differenzierung, glaubt, diesen „verallgemeinernden Sdiluß wagen zu dürfen". Das Ergebnis deckt sich mit den Beobachtungen Levys. Vgl. Georges Mounin: Die Übers. — Gesch., Theorie, Anwendung, München 1967, 130; vgl. Levy, a. a. Ο., 197.

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ist, haftet dem deutschen Alexandriner seine stilgeschichtliche Verknüpfung mit dem Barods an, weswegen er schon allein von daher immer mit der leicht archaischen Patina einer bereits abgestorbenen Literatursprache überzogen erscheint. Man hat denn audi, von solchen und ähnlichen Erwägungen ausgehend, im deutschen regelmäßig alternierenden Fünfheber die adäquate Entsprechung des französischen Alexandriners gesehen51. Goethe schon hat Voltaire, Schiller Racines Phedre in deutsche Blankverse übertragen, und im Falle Baudelaires hat auch George meist den jambischen Fünfheber gewählt, wenn er nicht dort, wo der Rhythmus des französischen Originals dies nahelegte, zu einem daktylisch rhythmisierten und in der Silbenzahl übrigens unregelmäßigen Vers gegriffen hat (Einer Madonne, Mcesta et Errabunda u. a.). Benjamin ist ihm in dieser Hinsicht weitgehend gefolgt, wohl aus der Einsicht heraus, daß ein notwendiges Zuwenig einer getreuen Wiedergabe des Originals jedenfalls nicht so sehr schaden könne wie ein willkürliches Zuviel. Dieser Entschluß mußte ihm um so leichter fallen, als seiner Übersetzung jeglicher bloß historisierender Zug völlig abgeht. Nicht darauf kam es ihm an, das französische Original audi in allen seinen formalen Qualitäten pietätvoll zu bewahren, was im schlimmsten Falle zu einer Übersetzung hätte führen müssen, welche nichts war als von zwei erstorbenen Sprachen die taube Gleichung™; es ging ihm vielmehr darum, für seine Übersetzung in der eigenen Sprache, das heißt aber auch in der literarischen Tradition dieser Sprache, jenen Punkt zu treffen, von dem aus in ihr das Echo des Originals erweckt wird53. Das konnte! der barocke Alexandriner schwerlich leisten, und so hat Benjamin wie George zu dem gleichsam ,moderneren' Fünfheber gegriffen, dem vor allem für das Sonett seit der Goethe-Zeit .klassischen' deutschen Versmaß. Die einzigen Ausnahmen bilden die in Alexandrinern gehaltenen Übersetzungen von Let Crepuscule du Soir, von L'Horloge und A une Madone; bei den letzten beiden, deren Metaphorik ganz im Geschmack barocker Allegorien gehalten ist, sicherlich eine sehr bewußte und gut begründete Entscheidung. In anderen Fällen (etwa in Le Soleil und in Le Crepuscule du Matin) hat er einen Mittelweg eingeschlagen, den man nicht oft in Übertragungen finden wird und der auch ästhetisch nicht ganz befriedigen kann: fünf- und sechshebige Verse wechseln hier miteinander ab. Sechshebige Verse finden sich audi in den Schlußzeilen sonst fünfhebig übersetzter Sonette (Recueillement, A une Passante, Le Mort joyeux), die auf diese Weise eine gewisse abrundende Schlußbeschwerung bekommen. Hat Benjamin hier dem Prinzip der Worttreue eine formale Qualität der Vorlage aufgeopfert, so ist er bei einem anderen formalen Element, dem Reim, weniger konsequent verfahren. Nötigt ohnehin schon die Beibehaltung des Reims den Übersetzer in vielen Fällen zu einer Vergewaltigung des 51

52 53

Levy, a. a. Ο., 196.

Benjamin: Ges. Sehr. IV 13.

Ebd. 16.

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Wortlauts, so wird diese Gefahr verschärft, wo der Übersetzer sich nicht nur einem Reimpaar, sondern Versbindungen mit drei- oder vierfachem Reim gegenübersieht, wie es ja bei vielen der Baudelaireschen Sonette der Fall ist. Benjamin hat hier fast stets das Reimschema des Originals kopiert und die zwei Reime der Quartette durch ebenfalls nur zwei deutsche Reime wiederzugeben versucht. Das strenge Einhalten dieses Musters ist in den romanischen Sprachen mit ihrer reichen Reimlexik im allgemeinen wenig problematisch; ein deutsches Sonett, vor allem ein übersetztes, hat hier mit größeren Schwierigkeiten der Reimfindung zu kämpfen. Man kann daher Benjamins Verfahren nicht unbedingt als ästhetisch geglückt empfinden, nicht zuletzt, weil es im Widerspruch zu seinen eigenen Übersetzungsmaximen steht: was die Wörtlichkeit angeht, so sind diese Sonette durchweg ungenauer, was ihre Prosodie angeht, meist gezwungener und preziöser übersetzt als etwa die in Reimpaaren gehaltenen Ged'ch'e; der euphonisch-dekorativen Funktion des Reimes hat hier die Treue zum Wortlaut des Originals Opfer bringen müssen. Auch die Wahl des Fünfhebers selbst hat, da natürlich die unterschiedlichen Sorachstrukturen nur in vagen Annäherungswerten zu fassen sind, die im Einzelfalle durchaus eine entgegengesetzte Tendenz zeigen können, zu manchen Einbußen geführt. In Le Cygne heißt es 54 : Paris change! mais riert dans ma melancolie N'a bonget palais neufs, echafaudages, blocs, Vieux faubourgs, tout pour moi devient allegorie . .. Benjamins Übersetzung lautet: Paris wird anders, aber die bleibt gleich Melancholie. Die neue Stadt die alte Mir wirds ein allegorischer Bereich . . . Die Fülle realistischer Einzelheiten (palais neufs, echafaudages. blocs, vieux faubourgs) ist in der Übersetzung verloren gegangen: Beniamin hat sie kontrahiert zu der Wendung Die neue Stadt die alte, das heißt, er hat. was er selten tut, nicht wörtlich, sondern sinngemäß übersetzt. Wie blaß und abstrakt 54

Benjamin: Ges. Sehr. IV 28 f. Benjamin arbeitete nach der zweiten, noch von Baudelaire selbst veranstalteten und heute als maßgeblich angesehenen Ausgabe der Fleurs du Mal von 1861, deren Text, soweit es sidi um die Tableaux Parisiens handelt, auch die Ges. Sehr. Benjamins mit abdrucken. Hiernach ist im folgenden zitiert, wobei der französische Text jeweils verglichen wurde mit Charles Baudelaire: Les Fleurs du Mal, Paris 1961 (fiditions Garnier) [zit.: Baudelaire: Les Fleurs du Mal]. — Benjamins einzige Abweichung von der Textanordnung der zweiten Ausgabe besteht darin, daß er, worauf er selbst im Impressum seiner Übersetzung hinweist, das früh entstandene Gedicht A une mendiante rousse unübersetzt ließ (Benjamin: Ges. Sehr. IV 893); an seine Stelle trat das in der zweiten Ausgabe nidit enthaltene, von Gautier erst in die dritte, posthume Ausgabe aufgenommene Sonett La Lüne offensee. Man kann nur vermuten, warum Benjamin Α une mendiante rousse nidit übersetzt hat: vielleicht, weil es ihm ,un-baudelairisch' erschien; wahrscheinlicher, weil es aufgrund der Kürze seiner Verszeilen einen Übersetzer, der Reim und Wortlaut wahren will, vor beinah unüberwindliche Schwierigkeiten stellt.

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seine Übersetzung dadurch geworden ist, zeigt ein Vergleich mit der Fassung Georges, der das Gedicht in vorwiegend daktylischer Rhythmisierung und vor allem in längeren Versen unterschiedlicher Silbenzahl wiedergegeben hat; allein dadurch hat er den realistischen Kern der Verse, das Bild der Großstadt, das sie evozieren, gewahrt 55 : Paris wird anders, doch meine betrübnis zu mildern Vermag keine ändrung . gerüst und neuer palast Und alte Vorstadt — alles erscheint mir in bildern ... Ähnlich bei der Übertragung von Recueillement: das Bild von den verstorbenen Jahren in den altmodischen Gewändern, die sich über die Balkone des Himmels neigen (Vois se pencher les defuntes Annees, / Sur les balcons du ciel, en robes surannees) ist aufgegeben56: ... laß uns ... Gewahren wie sich von Altanen droben Die alten Jahre neigen in den Roben ... Hier ist es eine stilistische Qualität, die in der Übersetzung verloren geht; die kühne surrealistische Metapher von den balcons du ciel hat der vagen und etwas hausbackenen Wendung von den Altanen droben weichen müssen. In den meisten Fällen jedoch hat Benjamin am Primat der Worttreue auch im Sinne einer möglichst vollständigen Wiedergabe des Originals festgehalten. Das konnte ihm angesichts des verkürzten Versmaßes häufig nur durch eine gewisse Komprimierung des Textes gelingen, und in der Tat hat gerade diese durchgehende starke Kondensation des sprachlichen Materials seine Übersetzung in einer ganz charakteristischen Manier geprägt. Wo jedoch eine solche Komprimierung nötig ist, fragt sich zugleich, welchen sprachlichen Elementen sie gelten soll und wie sie technisch zu bewerkstelligen sei. Ein Blick auf den einleitenden Essay hilft hier weiter. Denn wenn Benjamin Wörtlichkeit als übersetzerisches Ideal vorschwebte, so meinte er damit eine ganz spezifische: Wörtlichkeit der Übersetzung erweist das Wort, nicht den Satz als das Urelement des Übersetzers. Denn der Satz ist die Mauer vor der Sprache des Originals, Wörtlidokeit die Arkade; wo jene das Original verstellt, läßt diese es durchscheinen57. Auch das will freilich noch nicht viel heißen, solange nicht näher bestimmt ist, was unter dieser ,Wörtlichkeit des Worts' zu verstehen sei. Die Übersetzungen liefern jedoch einen eindeutigen Befund: Benjamins Augenmerk galt vor allem dem Substantiv, dem Adjektiv, dem Verb, das heißt dem sinn- und 55

58

"

George: Die Blumen des Bösen 128. Interessant ist Benjamins erste Fassung des Gedichts, die in dieser Hinsicht der Georgeschen noch näher ist (Ges. Sehr. I V 899):

Paris wird anders doch in meinem Leiden Ward nichts bewegt Palais und Häuserstöcke Mir will sich alles in ein Sinnbild kleiden . .. Benjamin: Ges. Sehr. IV 82. Ebd. 18.

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bedeutungstragenden Wort. Dagegen spielen Artikel, Konjunktionen, Präpositionen, Pronomina, Partikel — Funktionswörter aller Art also, die in erster Linie den syntaktischen Zusammenhalt regeln — in seiner Ubersetzung eine untergeordnete Rolle; oft sind sie einfach weggelassen, und mit ihnen fallen audi gewisse inhaltliche Nuancen des Originals dahin. Die ästhetischen Konsequenzen dieser Reduktion sind nicht immer leicht zu bewerten; sie geben auch kein ganz einheitliches Bild. Ein Zeilenpaar wie das folgende 58 : Vainement ma raison voulait prendre la barre; La tempete en jouant deroutait ses efforts .. . (Les sept Vieillards) ist übersetzt: Umsonst Vernunft zur Heimfahrt Segel pflanzte — Sturm brach ihr Trachten mit gewaltger Hand ... Man kann nicht sagen, daß diese Stelle sehr gelungen ist: das Fehlen des Possessivpronomens verdunkelt den gedanklichen Bezug, und das Fehlen der Artikel gibt den deutschen Versen etwas Hölzernes, Ungelenkes und Gewaltsames59, was andererseits freilich zu dem allegorisierenden Stilgestus ganz gut paßt (mit gewaltger Hand für en jouant ist eine aus Reimnot geborene Ungenauigkeit). Charakteristisch ist audi ein Vers aus den Petites Vieilles60: Iis rampent, flagelles par les bises iniques, Fremissant au fracas roulant des omnibus .. . Benjamin übersetzt: Herzloser Winde Geißelhieb im Rücken Ziehn sie verstört vom Wagenlärm vorbei..

.

Auch hier sind, allerdings in einer sehr überzeugenden Weise, Elemente der Syntax vernachlässigt oder doch umgeformt: die für das Französische so typische partizipiale Konstruktion, deren getreue Wiedergabe den deutschen Übersetzer zu einer wortreichen Umschreibung nötigen würde, ist in einem rigoros reduzierenden Nominalstil wiedergegeben, der an die Stelle einer Eigentümlichkeit des französischen Sprach- und Satzbaus eine ebenso charak5ä 5

Ebd. 32 f. ' Zwei andere Beispiele aus Texten des Nachlasses: Mais la tristesse en mot monte comme la mer. . . Doch aufsteigt Traurigkeit mir wie Meer im Innern . . . ('Causerie, Ges. Sehr. I V 70) Que le soleil est beau quand tout frais il se leve . . . Wie schön ist Sonne taucht sie frisch empor . . . (Le Coucher du Soleil romantique, Ges. Sehr. I V 79) D e r Forderung nach Wörtlichkeit ist Genüge getan, nicht gewahrt ist jedodi die Stilebene; die fehlenden Artikel haben die Übersetzung verdorben. Benjamin: Ges. Sehr. I V 32 f.

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teristische Wortbildungsmöglichkeit des Deutschen setzt: die fast unbegrenzte Fähigkeit der deutschen Sprache zu synthetischen Wortkompositionen: Geißelhieb für das partizipiale flagelles par les bises; Wagenlärm für das analytische fracas des omnibus. Beides aber, der Nominalstil und die Nominalkomposita, die ihn tragen, sind kennzeichnende Merkmale von Benjamins Übersetzung. Meist raffen sie längere adjektivische oder verbale Wendungen in einem bündigen Formelwort zusammen, das — mitunter neologistisch-kühn und schöpferisch inspiriert — die Möglichkeiten der eigenen Sprache nutzt. So steht Strophenbau für composer ... mes eglogues (Paysage)·, Sorgendunst für evaporer les soucis (Le Soleil); Mädchenglück für gais et doux comme des jeunes filles (Le Soleil); all der Tränenreichen für a ceux qui s'abreuvent de pleurs (Le Cygne); Orchesterton von Bässen für les orchestres ronfler (Le Crepuscule du Soir); der Glieder Mißverhältnis für I'aspect de ces membres discords (Les petites Vieilles); im blauen Nachtfrost für par une nuit bleue et froide (La servante au grand cceur). Damit findet aber Benjamins Forderung nach Wörtlichkeit der Übersetzung zugleich eine nähere begriffliche Bestimmung: nicht so sehr die abstraktlexikalische Treue zum einzelnen Wort, sondern vielmehr die Treue zur semantischen Substanz des Originals ist für ihn die Kardinaltugend des Übersetzers. Denn vor allem in der semantischen Sphäre scheint sich zu manifestieren, was Benjamin unter dem Begriff des heiligen Textes zu fassen suchte, der als ein Zusammenhang des Lebens61 die einzelnen Sprachen untereinander verbindet. In diesem gleichsam nicht verbalisierten Zustand sind die Dinge, welche die einzelnen Sprachen verschieden bezeichnen, identisch. In der spezifischen Art und Weise aber, in der die verschiedenen Sprachen die Welt abbilden, unterscheiden sie sich grundlegend; in den jeweils anders strukturierten sprachlichen Zeichensystemen haben die Dinge auch einen jeweils anderen und nur im Hinblick auf den Gesamtkomplex der einzelnen Sprache zu beschreibenden Stellenwert. Das klingt an sprachwissenschaftliche Theorien an, wie sie in Ansätzen Wilhelm von Humboldt, systematisch dann Ferdinand de Saussure entwickelt hat und wie sie heute allgemein unter dem Begriff des sprachlichen Weltbildes' zusammengefaßt werden. Ganz im Sinne dieser Auffassung, wonach die allen Sprachen vorgegebene Welt von diesen jeweils verschieden interpretiert werde, heißt es bei Benjamin 62 : In ,Brot' und ,pain' ist das Gemeinte zwar dasselbe, die Art, es zu meinen, dagegen nicht. In der Art des Meinens nämlich liegt es, daß beide Worte dem Deutschen und Franzosen je etwas Verschiedenes bedeuten, daß sie für beide nicht vertauschbar sind, ja sich letzten Endes auszuschließen streben; am Gemeinten aber, daß sie, absolut genommen, das Selbe und Identische bedeuten. ·> Ebd. 10. ®2 Ebd. 14. Die sprachwissenschaftlichen Schriften Humboldts hatte Benjamin bereits während seiner Studentenzeit kennengelernt (Benjamin: Briefe I 400 f.); ob er de Saussure kannte, dessen Hauptwerk (Corns de linguistique generale) 1916 zuerst erschien, muß dahingestellt bleiben, da unmittelbare Zeugnisse fehlen.

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Wenn aber dieses allen Sprachen Gemeinsame (das Selbe und Identische) überhaupt erst die Übersetzbarkeit von Texten ermöglicht und wenn dieses Gemeinsame zugleich als eine gewissermaßen mystische Korrespondenz der Sprachen im semantischen Bereich erscheint, dann muß folgerichtig die Restituierung der semantischen Substanz des Originals die Hauptaufgabe des Übersetzers sein. Die Art des Meinens und Bezeichnens, d. h. die Art und Weise, wie die einzelnen Sprachen jeweils grammatikalisch und syntaktisch das Gemeinte auszudrücken pflegen, erweist sich demgegenüber als sekundäres Problem, und der Übersetzer, der sich vor die Alternative der semantisch oder syntaktisch getreuen Übersetzung gestellt sieht, muß sich nach Benjamins Überzeugung selbstverständlich für die erste Möglichkeit entscheiden; nur sie verbürgt, daß der heilige Text unangetastet bleibt. Man mag bezweifeln, ob dieser Grundsatz eine Verallgemeinerung zuläßt. Bei Texten etwa ausgeprägt concettistischen Charakters wird der Übersetzer die poetische Dominante des Originals häufig eher dadurch erhalten können, daß er die formal-sprachliche Seite (ζ. B. bei einem Wortspiel) zugunsten der semantischen bevorzugt. Und bei Gedichten, die vor allem durch ihre sprachliche Musikalität und ihre euphonischen Qualitäten leben wie etwa Verlaines Chanson d'automne, ist die Vernachlässigung der semantischen Elemente sicherlich eine läßlichere Übersetzungssünde als bei einem Allegoriker wie Baudelaire; bei ihm sind es die Metapher und das durch sie heraufgerufene semantische Feld, die das Gedicht konstituieren63; wer sie zerstört, wird das Gedicht zerstören, wer sie bewahrt, und sei es um die Preisgabe des syntagmatischen Zusammenhangs, bewahrt das Wesentliche des Originals. Indes, mochte Benjamins komprimierender Nominalstil seiner Absicht, die semantische Substanz des Originals unangetastet zu lassen, noch so sehr entgegenkommen, mochte audi der weitgehende Verzicht auf die Hilfswörter, an denen die französische Sprache so reich ist, seiner Übersetzung etwas sehr Dichtes und Gestrafftes geben, eine kernige Gedrungenheit und poetische Substantialität, die sich selten zu einer periphrastischen oder pleonastischen Aufschwellung des Originals hinreißen läßt, so ist doch gerade diese übersetzerische Technik auch für eine durchgehend zu beobachtende Stilverschiebung verantwortlich. Übersetzungskritik — und das unterscheidet sie von jeder anderen Stilkritik — muß sich jedoch nicht nur fragen, wie ein Text stilistisch beschaffen sei, sondern vor allem, welche seiner Stilzüge dem Original angemessen sind und welche es, aus welchen Gründen auch immer, stilistisch verfälschen. In Causerie heißt es bei Baudelaire 64 : Μ on coeur est un palais fletri par la cohue; On s'y soule, on s'y tue, on s'y prend aux cheveux

...

Vgl. Harald Weinrich (Linguistische Bemerkungen zur modernen Lyrik, in: H . W . : Lit. für Leser — Essays und Aufs, zur Lit.wiss., Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1971, 113), der Baudelaire einen „Monomanen der Semantik" nennt. •4 Baudelaire: Les Tieurs du Mal 61.

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Diese trotz ihrer allegorischen Drapierung in einem fast prosaischen Ton gehaltenen Verse geraten bei Benjamin auf eine völlig andere Stilebene 65 : Mein Herz das Schloß durchwühlet von Pöbelhänden Voll Unzucht Mordtat steht und des Streites Schrille . . . Nicht nur der gegenüber Baudelaire verkürzte, ,absolute' Vergleich (Mein Herz das Schloß), nicht nur das künstlich archaisierende Partizip (durchwühlet) oder der sehr preziöse Gebrauch des Verbs, sondern vor allem das unvermittelte Aufeinanderprallen der bedeutungsgeladenen Nomina, die an die Stelle der verbalen Formen treten, geben den deutschen Versen etwas Pathetisches, ja Schwülstiges; während das französische On s'y soäle, on s'y tue, on s'y prend aux cheveux in seinem der Prosa, ja der Alltagssprache angenäherten Lakonismus nichts Ungewöhnliches hat, ist Benjamins Übersetzung mit dem ganzen Gewicht des großen, des erhabenen Stils beladen; sie liest sich wie ein Vers aus einem Barockdrama. Noch charakteristischer für diese Tendenz sind die folgenden Verse aus SisinaM: Avez-vous vu Theroigne ... . .. montant, sabre au poing, les royaux escaliersf Benjamin übersetzt67: Saht ihr Terogen ... Rasenden Schwertstiegs Königstreppen dachendf Was bei Baudelaire klar und diskursiv ausgedrückt ist, hat Benjamin in eine unverständliche und gewaltsam anmutende nominale Wendung zusammengeballt; die ,harte Fügung', von der Hellingrath im Hinblick auf Hölderlins Spätstil gesprochen hat, ja überhaupt das Vorbild der Hölderlinschen Ubertragungen, die dem Leser manchmal ähnliche sprachliche Exzentrizitäten zumuten, ist hier wohl nicht ohne prägenden und — wie man im Hinblick auf Baudelaires Text sagen muß — nicht ohne schlechten Einfluß geblieben. Ganz allgemein gesehen handelt es sich in solchen Fällen, für die sich die Beispiele beliebig vermehren ließen, um eine stilistische Verschiebung im Sinne einer Stilanhebung oder einer „Stilüberbietung"68 des Originals. Denn die Auflösung prosaisch verbaler Wendungen in ,poetisch' stilisierte nominale, ja überhaupt die relative Vernachlässigung des durch die Funktionswörter gelenkten logisch-grammatikalischen Satzzusammenhangs hat mit gewissen Eigentümlichkeiten der Baudelaireschen Syntax eben auch gewisse Eigentümlichkeiten seines Stils unterschlagen. Die Zwanglosigkeit von Baudelaires Vers, der auch bei der Behandlung der erhabensten Sujets nie schwülstig oder bombastisch wird; seine prosaische Luzidität, seine bei allem klassizistischen Dekor, allem «" Benjamin: Ges. Sehr. I V 70. " Baudelaire: Les Fleurs du Mal 66. " Benjamin: Ges. Sehr. IV 73. 88 Zum Begriff vgl. Hugo Friedrich: Zur Frage der Übersetzungskunst, delberger Ak. Wiss., Philos.-bist. Klasse, Jg. 1965, 20.

in: Sb.

Hei-

Walter Benjamin als Übersetzer Baudelaires

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rhetorischen Pathos, über das er durchaus verfügt, denn doch nie die Diktion der Prosa gänzlich verleugnende, oft nicht einmal vor dem Jargon oder selbst einem Argotismus, schon gar nicht aber vor einer komplizierten hypotaktischen Fügung zurückschreckende prosodische Linie: alle diese Stilzüge, die schon Georges Übersetzung vermissen läßt, kommen auch bei Benjamin zu kurz; seine Tableaux Parisiens sind, wie das ja interessanterweise bei Übersetzungen die Regel ist, in dieser Hinsicht leider ,poetischer' als das Original. Dabei hat Benjamin diese einzigartige Mischung aus Pathos und Parlando, aus Emphase und prosaischem Lakonismus, die Baudelaires Stil kennzeichnet, durdiaus gesehen. In einem Brief an Hofmannsthal 69 , der unmittelbar nach Erscheinen des Bandes geschrieben wurde, äußert er die Überzeugung, daß neue Übersetzungsversuche ihn intensiver als die bisherigen des Baudelaireschen Stils teilhaft machen könnten, eines Stils, der mich zuletzt mehr als alles andere faszinierte und den ich den Barock der Banalität nennen möchte in dem Sinne, in dem Claudel ihn ein Gemisch aus dem Stil Racines und eines Reporters der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts genannt hat. In seinem Baudelaire-Buch hat Benjamin das Bonmot Claudels, das bei all seiner geistreich-paradoxalen Überspitzung das Wesentliche des Baudelaireschen Stils trifft, wieder aufgenommen und zum Angelpunkt einer stilistischen Analyse gemacht. Benjamin spricht dort 70 von der Niedrigkeit der Vergleichsobjekte, die in Baudelaires Bildern figurieren; davon, daß Baudelaire dem banalen Vorgang... den poetischen anzunähern versuche, und er konstatiert die brüske Koinzidenz von Worten der Umgangssprache, eines Vokabulars nicht allein prosaischer..., sondern städtischer Provenienz mit dem sprachlichen Arsenal des gehobenen Stils. Die Zwangslosigkeit, mit der sich in den Gedichten Baudelaires hoch stilisierter lyrischer Ausdruck und eine prosaische Diktion zusammenfinden, hat Benjamins Übersetzung jedenfalls nicht getroffen. Die Stilverlagerung im Sinne der Stilüberbietung läßt sich vor allem auch am Vokabular der Übersetzung beobachten. In Frankreich hatte Victor Hugo als erster Lyriker es unternommen, die strenge Stiltrennungsklausel zu durchbrechen, die, den Sturz des Ancien Regime überdauernd, noch in den ersten Dezennien des neunzehnten Jahrhunderts. .. unangefochten in Kraft stand71 und den Wortschatz der Umgangssprache, was seinen Gebrauch in einem poetischen Text, sei's der Tragödie, sei's der Lyrik anging, mit einem ästhetischen Tabu belegt hatte; Hugo rühmte sich, dem französischen Wörterbuch die rote Phrygiermütze aufgesetzt zu haben 72 . Baudelaire war dem Beispiel Hugos, und zwar radikaler als jener, gefolgt; er schleuste in seine Dichtungen Prägungen ein, die, frei von poetischer Patina™, bis dahin lediglich in der Prosa zugelassen waren, und ersdiloß so der französischen Lyrik neue semantische Bereiche. "> Benjamin: Briefe I 330. Benjamin: Baudelaire 108 f. 7 1 So Benjamin selbst; vgl. Benjamin: Baudelaire 107. 7 2 Vgl. Mario Wandruszka: Der Geist der franz. Sprache, Reinbek 4 1969, 7. 7 3 Benjamin: Baudelaire 108. Benjamin nennt quinquet, wagon, omnibus, reverbere, voirie: die Liste ließe sidi beliebig verlängern.

70

bilan,

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Zeigt sich hier eine auf die Erneuerung und Erweiterung der lyrischen Ausdrucksskala zielende sprachlich revolutionäre Tendenz, so konstatiert man bei Benjamin eher eine rückwärtsgewandte, romantisierende Stilgebung. Denn was bei seiner Übersetzung sofort ins Auge fällt, ist ihr gegenüber dem Original sehr viel erleseneres und kostbareres Vokabular, ein größeres artistisches Raffinement der Wortwahl. Die mansarde wird zur luftigen Kammer (Paysage), le printemps heißt meist poetisch der Lenz (Paysage, Brumes et Pluies), les champs werden zu Geländen (Le Soleil), le ciel wird zum Gezelt (Je n'ai pas oublie), le paysage zur Länderei (Reve Parisien), für la tendresse steht das altdeutsche, seit der Romantik ungebräuchlich gewordene Zärte (Le Revenant), les chats puissants et doux sind übersetzt als die prunken Katzen (Les Chats), les edifices als die Bauten und die Maler (Le Crepuscule du Matin). Gerade audi die Nominalkomposita sind an dieser Stilisierungstendenz beteiligt: Zauberpalmen f ü r les cocotiers absents (Le Cygne), Wirbelmaße f ü r vertebres (Le Squelette Laboureur), Nebelkufen f ü r des tenebres (Reve Parisien) und eine aus Reimnot entstandene hochpoetische Neumondmette für das prosaische un soir sans lune (Brumes et Pluies) sind einzelne charakteristische Beispiele. Auffällig ist ferner, daß Benjamin mit Vorliebe gewisse altertümelnde und längst aus dem gewöhnlichen Sprachgebraudi gekommene Vokabeln verwendet, die im Kontext seiner Übersetzung eine poetisch-archaisierende Wirkung tun. Altehrwürdige deutsche Worte wie Schacher (für das geläufige f r a n zösische le criminel; Le Crepuscule du Soir), wie Frone (Le Jeu), Troll (für Demon; Les petites Vieilles), Vetteln (für des courtisanes vieilles(!); Le Jeu), Spittel (für l'hopital), Nachtmahl (für la soupe... le soir; beides in Le Crepuscule du Soir), Häge (ungenau f ü r sillon; Le Coucher du Soleil romantique); Bronn (für puits; Danse macabre), Buhle (für compagnon de lit; La servante au grand coeur), Pfirsche (für peche), Pfühl (für oreiller; beides in UAmour du Mensonge) oder Drommete (für la trompette; Danse macabre) werden aus dem Mumienschlaf des historischen Wörterbuchs auferweckt und kommen hier wieder zu dichterischen Ehren. Mitunter ist die archaisierende Tendenz der Benjaminschen Übersetzung in einem einzelnen Gedicht mit H ä n d e n zu greifen, etwa im Squelette Laboureur. Die semantisdie Aura, die ein altfränkisches Vokabular wie Sassen (für manants), Beinhaus (für charnier), Vogt (für fermier) und Schober (für grange) umgibt, r u f t Assoziationen ans Lutherdeutsch und an die Sprache des Reformationszeitalters hervor, und offenbar lag genau dies in Benjamins künstlerischer Absicht; mit solchem Vokabular versuchte er dem Sujet des Gedichtes die Stilebene der Übersetzung in einer angemessenen Weise zu nähern: Das Squelette Laboureur k n ü p f t an den spätmittelalterlichen Topos des Totentanzes an und hat wahrscheinlich einen Kupferstich Holbeins zum Vorwurf 7 4 . Welch glückliche ästhetische Nuancierungen dieser archaisierende Wortschatz o f t zu erzielen vermag, zeigt eine Zeile des Gedichtes Le Cygne: ä l'heure 74

Vgl. Baudelaire: Les Fleurs du Mal 387.

Walter Benjamin als Übersetzer Baudelaiies

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· le Travail s'eveille heißt es bei Baudelaire; Benjamin übersetzt: ou .../·· .. .wenn .. ./Die Tagfron aufsteht75. Der allegorische Nebenakzent, den die Majuskel dem französischen le Travail verleiht, wird im Deutschen gewahrt durch das entlegene und gewählt klingende Tagfron; eine nur im lexikalischen Sinne genaue Übersetzung durch .Arbeit* hätte diese Nuance verfehlt. Und wenn Benjamin die als maitresse angeredete Herrin des Gedichts A une Madone als Fraue übersetzt, so gibt der leichte Anklang an die .frouwe' des Minnesangs sehr gut die semantischen Schattierungen (Madonna, Herrin, Geliebte) wieder, die das Wort im Kontext des Originals hat. Nicht nur an den Nomina läßt sich die poetisch-altertümelnde Stilisierung beobachten, auch die Verben, Adjektive und Hilfswörter haben an ihr teil. Da gibt es Ausdrücke wie wegab {Le Soleil) und sonder (in der Bedeutung ,ohne'; Les sept Vieillards; Le Crepuscule du Soir; Le Voyage), ein poetisches gen (statt ,gegen'; Les sept Vieillards) oder ein nicht minder poetisches so in der Funktion eines Relativpronomens (so [statt: die] um eine Grube rangen; Le Revenant); da begegnen völlig aus dem Sprachgebrauch gekommene altertümliche Verbformen wie beut oder fahn: wie letztes Schluchzen das den Abschied beut (un long sanglot, tout charge d'adieux; La Μ ort des Amants); den Sorgendunst läßt er [der Sonnenstrahl] zum Himmel fahn (II fait s'evaporer les soucis vers le ciel; Le Soleil). Dem Stilkolorit, das jenes eigentümlich altdeutsche Vokabular bewirkt, tritt jedoch konstrastierend ein anderes zur Seite, das bestimmt ist durch die große Anzahl von Fremd- und Lehnwörtern, die in Benjamins Übersetzung in auffallender Häufigkeit begegnen. Man stößt auf Ausdrücke wie Boskett (als Entsprechung für jardins(\); Pay sage) und Marquisen (für les persiennes; Le Soleil), Invalide (Le Soleil) und Prospekt (Les sept Vieillards), Somnambuler und physiognomisch (Les Aveugles), Atlanten und Anatomie (Le Squelette Laboureur), Metropole, Reliquie, Geometer (Les petites Vieilles), Apathie, Idol, Attrappe (L'Amour du Mensonge), Konterfei, Areale, gigantisch (Reve Parisien), Mimik und Hypokrit (Au Lecteur), Devotion (A une Madone) und grandiose Larve (Danse macabre). Zuweilen sind diese Ausdrücke gleichsam ,stehengeblieben' und nicht eingedeutscht* worden, zuweilen finden sie sich nicht einmal im französischen Text. Dieses Vokabular trägt in die Übersetzung einen Zug angestrengter und gleichsam exotischer Künstlichkeit hinein, den der Leser des Originals nicht empfindet und der auf die semantischen Konnotationen des doch für ein ,deutsches' Gedicht ungewöhnlichen lyrischen Materials zurückgeht; es macht für die stilistische Färbung eines poetischen Textes schon einen erheblichen Unterschied, ob man das gebräuchliche französische siecle kunstvoll und preziös als Säkulum übersetzt, wie es Benjamin getan hat (La servante au grand cceur) oder auf gut deutsch als ,Jahrhundert'; ob man die poetes illustres aus Le Jeu mit erlauchteste Poeten wiedergibt oder sidi für die so naheliegende wie abgegriffene Floskel ,berühmte Dichter' mit ihren völlig anderen semantischen Nuancen entscheidet. 75

Benjamin: Ges. Sehr. IV 26 f.

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Nicht in jedem Fall ist Benjamin hierbei glücklich verfahren. In A une Madone spricht Baudelaire davon, daß er seiner Geliebten aus seiner Eifersucht einen Mantel schneiden werde, Qui, comme une guerite, enfermera tes charmes. Benjamin übersetzt 76 : Und dann trägt meine Brunst. .. Für den barbarischen und schweren Umhang Acht In ihm soll dich dein Charme als wärs in Schanzen wähnen

...

Abgesehen von der mißlungenen Ubersetzung von Jalousie durch Brunst, abgesehen davon, daß Benjamin leider das so kühne und originelle Bild vom ,Schilderhaus' verdirbt 77 ; abgesehen auch von der Umwandlung einer hypotaktischen in eine parataktische Fügung und von der Tatsache, daß er das prosaische Je saurai te tailler stilistisch sehr viel anspruchsvoller und manierierter übersetzt: das deutsche Charme mit seinem nicht zu eliminierenden Lehnwortdiarakter verfehlt jedenfalls völlig die Sprachebene, die das französische cfcarwe hat. Ähnlich in La Voix, wo Benjamin die Wendung et ton plaisir serait alors sans terme übersetzt mit: und dann ist dein Glück enorm zu preisen. Das (nicht einmal erforderliche) enorm in seiner Jargonnähe ist eine eindeutige stilistische Entgleisung. Aufs Ganze gesehen, hat sich Benjamin aber dieses Stilmittels in einer durchaus glücklichen Manier bedient; eine seiner gelungensten Übersetzungen, die von Reve Parisien, lebt von ihm. Interessant ist im Hinblick auf diese Stilmerkmale ein Vergleich mit George. Auch George verwendet wie Benjamin mit Vorliebe ein schon etwas aus der Mode geratenes altfränkisches Vokabular. Auf der anderen Seite aber meidet er geradezu puristisch das Fremdwort; das markanteste Beispiel ist die Übersetzung von Spleen et Ideal als Trübsinn und Vergeistigung, während Benjamin vor dem in seiner spezifischen Bedeutungsaura eben doch unübersetzbaren Spleen auch im Deutschen nicht zurückschreckt. Hier zeigt sich einer der auffälligsten Unterschiede zwischen den beiden Übersetzungen: wo George nur poetisiert, indem er archaisiert, archaisiert und verfremdet Benjamin zugleich. Denn genau dies: Verfremdung durch die Wahl eines Wortschatzes, der nicht völlig ins Deutsche, zumindest nicht ins Deutsch der großen Lyrik integriert ist und seine Abkunft aus der Sprache des Originals gleichsam auf der Stirn trägt, ist der ästhetische Effekt dieses übersetzerischen Verfahrens. Archaisierendes Deutsch und verfremdende Annäherung ans Romanische zusammengenommen, verleihen seiner Übersetzung eine ganz eigentümliche stilistische Melange, die dem Original nicht unangemessen ist, selbst dort, wo sie allzu auskalkuliert erscheint: eine Verbindung wie Epopöe und Weistum, die einen poetologischen Fachausdruck mit einem altehrwürdigen, im George-Kreis freilich schon wieder zum esoterischen Jargon gewordenen deutschen Wort

78 77

Ebd. 72. Une guerite war schon George nidit poetisch genug; er machte daraus ein schützendes Zelt (George: Die Blumen des Bösen 79).

Walter Benjamin als Übersetzer Baudelaires

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verschränkt (für das nüchterne roman und science; La Voix) oder ein die Grenzen des Geglückten schon fast überschreitender Ausdruck wie das diffizile Vieh (für ce monstre delicat; Au Lecteur) geben, auf engstem Raum, charakteristische Beispiele f ü r dieses Sich-Durchkreuzen von Wort-Ebenen, das in Benjamins Ubersetzung so auffällig ist. Poetisierung, sei's durch Archaisierung, sei's durch Verfremdung des Originals, erschöpft sich natürlich nicht im Vokabular. Die Syntax, als das nächsthöhere sprachliche System, auf das der Übersetzer sein Augenmerk zu richten hat, wäre außerdem nach solchen Stilmerkmalen zu befragen. Zweierlei läßt sich feststellen. Seiner Maxime, daß nicht der Satz, sondern das Wort als Urelement der Übersetzung zu gelten habe, ist Benjamin in einigen Fällen konsequent und in einer Weise gefolgt, die Wortstellung und syntaktische Kurve des Originals genau kopiert. Et la biere et Γalcove en blasphemes fecondes Nous offrent tour a tour .. . (Les deux bonnes Sceurs)79 Das wird im poetisch übertrumpfenden Nominalstil, vor allem aber mit einer im Deutschen unnatürlichen Inversion wiedergeben 79 : Und Sarg und Lager geil bei Fluch und Uns reichen wechselnd . . .

Schwärm

Oder, noch gewaltsamer: Später ein Engel in der Türen Eintreten wird . . .80

Spalten

statt des natürlichen Et plus tard un Ange entr'ouvrant les portes Viendra . . . (La Mort des Amants)91 Das Verfahren erinnert an Hölderlins Ödipus, von wo es wohl entlehnt ist, aber auch an Mallarme, der ähnlich — nämlich mit Wahrung der Wortstellung — Edgar Allan Poe übersetzt hat; nicht zufällig wohl beruft sich Benjamins Essay über den Übersetzer gerade auch auf ihn 82 . Dem Grundsatz, die eigene Sprache durch die fremde gewaltig bewegen zu lassen, wird hier jedenfalls Genüge getan. Es scheint aber doch, als ob Benjamin selbst das Unnatürliche solcher Fügungen empfunden habe; sie finden sich nicht in den Tableaux Parisiens, sondern nur in den Texten aus dem Nachlaß, die er im Falle einer Publikation zu Lebzeiten sicherlich noch einmal überarbeitet hätte. 78 79

80 81 82

Baudelaire: Les Tieurs du Mal 133. Benjamin: Ges. Sehr. IV 77. Im gleichen Gedicht eine weitere Inversion mit einem im Fragesatz nachgestellten finiten Verb: Ο Tod wann du... pfropfst? statt: Ο Tod, wann pfropfst du . . . ? Ebd. 78. Baudelaire: Les Tieurs du Mal 151. Benjamin: Ges. Sehr. IV 17.

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Sehr viel bezeichnender für seine Übersetzungstechnik hingegen ist seine relativ freie Behandlung der französischen Syntax, wobei freilich auch hier eine stilistische Verfälschung im Sinne der Stilüberbietung festzustellen ist: Benjamins Übersetzung ist, wie schon in ihrem Vokabular, so auch in ihrer Phraseologie sehr viel gewählter, gesuchter und preziöser als das Original. In La Lüne offensee heißt es bei Baudelaire: Vois-tu les amoureux. . . De leur bouche en dormant montrer le frais email? Bei Benjamin dagegen: Wenn schlummernd sie den reinen Mund entschleiern. Aus dem einfachen und mit prosaischem Hilfsverb konstruierten Et mes chers souvenirs sont plus lourds que des rocs wird, mit einer unglücklichen Bedeutungsverschiebung von rocs zu Basalten, ein emphatisches und gekünsteltes Und mein Erinnern wuchtet wie Basalte (Le Cygne). Beispiele dieser Art finden sich in großer Zahl. Qui se multipliait heißt: der sich vielfach machte; das alltägliche je tournai le dos heißt manieristisch ich entkehrte mich, und eine Zeile wie Et qui n'est pas saisi d'un frisson fraternel wird zum preziösen Wen brüderliche Schauder nicht befahren (alles in Les sept Vieillards). Ein Vers aus Le Soleil (Dans le cceur immortel qui toujours veut fleurir!) lautet übersetzt: Im ewigen [Herzen], das sich nur Blüten weiß; von Andromache heißt es in Le Cygne: Vil betail, sous la main du süperbe Pyrrhus; bei Benjamin ist es Andromache, Die unter Pyrrhus feil ward zum Genuß; l'ennui de ton regard profond sind die Blicke welche Anteil nicht regiert; Ton front pale, embelli par un morbide attrait wird, mit einem aus Reimnot gewählten Verb, zur Stirne der zum Frührot Fackeln taugen (L'Amour du Mensonge). Die Gedichte aus dem Nachlaß zeigen den gleichen Befund; zwei einzelne Beispiele mögen für viele stehen. In Le Mort joyeux heißt es prosaisch: Je hats les testaments et je hais les tombeaux; Benjamin übersetzt preziös: Ich hab nicht Grab noch Erbschrift im Respekt. Und ein ebenfalls prosaischer Vers aus Le Vtn du Solitaire (Quand eile y veut baigner sa beaute nonchalante) wird bei Benjamin zu einer poetischen' Wendung mit einem äußerst manierierten Partizip Perfekt: die Schöne badend ganz von Scham enttane. In welchem Maße diese Stilisierungstendenz das Baudelairesche Original verfehlen konnte, zeigt die Übersetzung eines der berühmtesten Gedichte Baudelaires, des Sonetts A une Passante. Benjamin hat das Gedicht eindringlich interpretiert83 und es als Prototyp einer Erfahrung des Eros, die allein die 8:t

Benjamin: Baudelaire 46 f., 130 f. Das Gedicht ist ein Liebesgedicht; es zeigt den Dichter in der Rolle des hoffnungslosen Liebhabers, die beiden Terzette sind in der Form einer Anrede an eine geliebte, aber unerreichbare Frau gehalten. Insofern ein Sonett, das seine Herkunft aus der petrarkistisdien Tradition nicht völlig verleugnen kann, obwohl es das überkommene Klischee radikal verändert. Denn die in dem Gedicht als fugitive beaute angeredete Dame ist eine im großstädtischen Straßengewühl vorübereilende Passantin, und vom üblichen petrarkistisdien Liebeswerben des Dichters ist nichts übriggeblieben als ein pathetisch-resigniertes Raisonnement über den einzigen Gunstbeweis, den sie ihm hat zuteil werden lassen: einen tiefen, zugleich vernichtenden wie beseligenden Blick in ihre Augen. Benjamin hat das unerhört Neue dieses Gedichts gesehen und es gedeutet als Ausdruck eines erotischen Erlebnisses, wie es nur der Großstädter. . . erfährt; Baudelaires Gedicht

Walter Benjamin als Obersetzer Baudelaires

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m o d e r n e G r o ß s t a d t ermögliche, gegen G e o r g e ausgespielt, der das M o t i v Liebe

zu der

Passantin

der

in eines seiner frühen Gedichte a u f g e n o m m e n u n d a u f

eine f ü r ihn typische W e i s e u m g e s t a l t e t h a t .

Benjamins

Interpretation

aber

erweist sich seiner U b e r s e t z u n g als gründlich überlegen; v o n jener M o d e r n i t ä t , die er a n A une Passante

so h e r v o r h e b t , l ä ß t seine deutsche V e r s i o n nur wenig

m e h r v e r s p ü r e n . Insbesondere das z w e i t e Q u a r t e t t u n d das erste der beiden T e r z e t t e sind durch allzu preziöse Stilgebung völlig m i ß r a t e n . Moi, je buvais,

crispe

comme

Dans son ceil, ciel livide La douceur Un eclair Dont

qui fascine

extravagant, l'ouragan,

et le plaisir

. . .puis la nuitl

le regard

un

oü germe

qui

tue.

— Fugitive

beaute

m'a fait soudainement

renaitre

. . .

D a s heißt bei B e n j a m i n : Und

ich verfiel

Dies Aug'

in Krampf

den fahlen

und Siechtum

Himmel

Und habe Lust zum Tode

dran

vorm

an

Orkan

genossen.

handelt nidit von der Beseligung dessen, von dem der Eros in allen Kammern seines Wesens Besitz ergreift; es zeugt vielmehr von der sexuellen Betroffenheit, wie sie einen Vereinsamten überkommen kann, einen in der anonymen Masse des großstädtischen Lebens Vereinsamten nämlich (Benjamin: Baudelaire 131). — Das motivgleiche Gedicht Georges steht in den Hymnen und ist Von einer Begegnung überschrieben. Die Nachahmung geht bis in den wörtlichen Anklang; dem jamais, mit dem Baudelaires letzte Strophe einsetzt, korrespondiert bei George das Umsonst, das die letzte Strophe seines Gedichtes einleitet. D a ß George aber gerade den Kern des Baudelaireschen Gedichtes entscheidend verfehlt, hat Benjamin überzeugend dargetan: wo bei Baudelaire die Liebe als Chock erfahren wird, wo bei ihm die in jener Begegnung blitzartig aufflammende Liebe selbst als von der Großstadt stigmatisiert erscheint, findet sich bei George nichts als eine befangene Elegie (Benjamin: Baudelaire 47), die im Klischee sentimentaler Liebeslyrik verharrt: Die blicke mein so mich dem pfad entrafften Auf weisser wange weisser schlafe sammt Wie karg und scheu nur wagten sie zu haften — Der antwort bar zur kehrung ja verdammt! Dann sind sie feucht vor sehnen fortgezogen Eh sie in deine sich zu tauchen trauten. (Hymnen, Pilgerfahrten, Algabal, Berlin 7 1922, 22 f.) Bezeichnender noch ist die bei George völlig veränderte Szenerie, in der die Begegnung stattfindet. Während Baudelaire durch die rue assourdissante die G r o ß stadt als Hintergrund der Begegnung signalisiert, hat George das Ganze in den idyllischen Nachmittagsfrieden eines durch säulen und pfad angedeuteten Hains entrückt, den man sich in Böcklinscher Manier gemalt denken könnte: Nun rufen lange schatten mildre gluten Und wallen nach den Uppen kühler welle Die glieder die im mittag müde ruhten — Da kreuzest unter säulen Du die schwelle.

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Ein Blitz, dann Nacht! Die Flüchtige, nicht leiht Sie sich dem Werdenden an ihrem Schimmer . . .84 Nicht allein das Enjambement mit dem semantisch leeren präpositionalen Reimwort {an / Dies Aug') an Stelle des sinnbeschwerten Reims extravagant vermag nicht zu überzeugen; stilistisch mißglückt, weil mystisch vernebelt und pathetisch gesteilt, wirkt vor allem die Wendung Die Flüchtige, nicht leiht / Sie sich dem Werdenden an ihrem Schimmer. Was bei Baudelaire in einer prosaisch-klaren Diktion ausgedrückt ist, wird bei Benjamin zu einem schlecht manierierten Tiefsinn, der von der Luzidität des Originals kein Echo zu wecken vermag. Diesen Effekt vermag nicht einmal die gelungene Zeile Und habe Lust zum Tode dran genossen mit ihrer leichten Allusion an Kierkegaard ganz zu entkräften. A une Passante, das schon George nur ungenügend übersetzt hat, wird weiterhin auf seine angemessene Übertragung ins Deutsche warten müssen. Die angeführten Stellen machen deutlich, daß Benjamins Übersetzung nicht nur durch eine manieristische Tendenz gekennzeichnet ist, die an die Stelle des Parlando die Preziosität setzt, sondern zugleich, und das wiederum ist durch die manieristische Behandlung bedingt, durch eine gewisse Tendenz zur Dunkelheit. Sie ist, und auch hier liegen die Parallelen zur Sophokles-Übertragung Hölderlins auf der Hand, im allgemeinen dunkler, änigmatischer, esoterischer, inkommunikativer geraten als das Original, wozu nicht zuletzt die nach der Art Georges äußerst sparsam gehandhabte Interpunktion beiträgt. Benjamins Übersetzung macht aus Baudelaire einen schwierigen' Autor, indem sie das, was sie an semantischer Substanz bewahrt, was sie an poetischer Eindringlichkeit ihm abgewinnt, stellenweise durch eine ungemäße Verdunklung und Trübung jener ,clarte' wieder preisgibt, die man als die auszeichnendste Eigenschaft der französischen Sprache zu rühmen pflegt, die aber auch zum Wesentlichen des individuellen Stils Baudelaires gehört. Indes gilt es auch hier zu differenzieren. Benjamins Übertragungen zeichnen sich, anders etwa als die Georgeschen, durch eine von Gedicht zu Gedicht wechselnde große ästhetische Ungleichmäßigkeit aus. Es gibt einige Stücke, die durch eine unglückliche Anhäufung und Übertreibung jener Stilzüge, auf die wir aufmerksam gemacht haben, verdorben worden sind. In den Tableaux Parisiens sind dies vor allem Α une Passante und Brumes et Pluies, von den Gedichten aus dem Nachlaß eine größere Anzahl: L'Aube spirituelle, Causerie, Chant d'Automne I, Sisina, Le Vin du Solitaire, La Destruction, Les deux bonnes Soeurs, La Mort des Amants9S. Auf der anderen Seite gibt es Gedichte, 84 85

B e n j a m i n : Ges. Sehr. I V 4 0 f. Diese nachgelassenen T e x t e stammen alle aus den J a h r e n 1 9 1 5 / 1 7 (vgl. B e n j a m i n : Ges. Sehr. I V 8 8 8 ff.), d. h. aus der ersten Phase v o n Benjamins übersetzerischer Arbeit an den Fleurs du Mal. Die publizierten Stücke haben das Dunkle, M a n i e r i stische, Preziöse, Schwülstige zu einem großen Teil bereits abgestreift; Benjamin w a r sich offenbar selbst darüber im klaren, wie sehr er Baudelaires Stil zunächst verfehlt hatte. Die in den Ges. Sehr, abgedruckten Frühfassungen der Tableaux Parisiens zeigen ebenfalls im Vergleich zur Druckfassung, ohne d a ß das hier im einzelnen belegt werden könnte, eine deutliche Abschwächung der preziösen und inkommunikativen Tendenzen.

Walter Benjamin als Übersetzer Baudelaires

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bei denen die sparsame und wohltemperierte Verwendung der gekennzeichneten Stilmittel Außerordentliches zustandegebracht hat: die Übersetzungen von Le Jeu, von Danse macabre, von Reve Parisien und von L'Horloge sind schlechthin vollkommen zu nennen; es sind .deutsche' Gedichte geworden, und das nicht aufgrund eines übersetzerischen Verrats, sondern aufgrund einer Stilisierung, welche die Alternative von Treue oder Schönheit nicht mehr als unvermeidliche Aporie, sondern als die dialektische Bedingung der ästhetischen Qualität erscheinen läßt. Als Beispiel seien zwei Strophen aus Reve Parisien hierhergesetzt: Architecte de mes feeries, Je faisais, a ma volonte, Sous un tunnel de pierreries Passer un ocean dompte; Et tout, meme la couleur noire, Semblait fourbi, clair, irise; Le liquide enchassait sa gloire Dans le rayon cristallise. Benjamin übersetzt: Ich Bauherr meiner Augenweiden Entließ auf eigenes Begehr Durch ein Gewölbe von Geschmeiden Gebändiget ein ebbend Meer Und alles selbst das Schwarze deuchte Mich spiegelklar poliert zu sein Es fügt ihr Blendendes die Feuchte Rings in kristallne Rahmen einm. Das ist zwar um eine Nuance schwieriger' als Baudelaire, das ist zugleich, sowohl von der Lexik (Augenweiden, deuchte, Gewölbe) als auch von den Morphemen (Gebändiget, Begehr, ebbend) her .poetischer' als das Original; es läßt aber, ohne Füllsel und ohne Verkürzungen, die semantische Substanz und die syntaktische Struktur des französischen Textes unangetastet und — was wichtiger ist — überträgt ihn ins Deutsche in einem großen, angemessenen Stil. Wilamowitz 8 7 hat einmal bemerkt, Übersetzen bedeute, in jene Sprache zu übersetzen, welche die großen Dichter einer Nation geschaffen haben. Der Satz trifft auf diese Verse — mag auch sonst Benjamins Theorie der Übersetzung mit der von Wilamowitz vertretenen wenig gemein haben — in einem sehr präzisen Sinne zu. Die Sprache, in die Benjamin hier übersetzt hat, erinnert in frappanter Weise an den Stil von Goethes Alterslyrik; eine Wendung wie

ββ 87

Benjamin: Ges. Sehr. IV 58 f. „Ins Deutsdie übersetzen heißt in Sprache und Stil unserer großen Dichter übersetzen." (Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Was ist übersetzen?, in: Das Problem des Übersetzens, hg. v. H. J. Störig, Darmstadt 1963, 149).

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Willy R. Berger

Es fügt ihr Blendendes die Feuchte / Rings in kristallne Rahmen ein könnte ohne weiteres auch in einem der Gedichte des Divan oder in einer der lyrischen Passagen des Faust II stehen. Diese Anlehnung an Goethes Spätstil durchzieht die ganze Übersetzung von Reve Parisien, wie denn überhaupt Anleihen bei Goethes Lyrik gelegentlich in Benjamins Tableaux Parisiens auftauchen: mit fernspähender Geberde etwa (für ils regardaient au loin; Les Aveugles) ist eine typisch Goethesche Prägung, und die machoires sans dent aus Le Jeu werden von Benjamin, genau und poetisch groß zugleich, mit einem wörtlich aus Schwager Kronos übernommenen Zitat wiedergegeben als entzahnte Kiefer.

Versucht man aufgrund dieses Befundes eine stilgeschichtliche Einordnung der Baudelaire-Übersetzung Benjamins in die deutsche Literatur, so müßte man etwa zu folgendem Ergebnis kommen. Die Übersetzung ist entstanden in einem durch Georges Lyrik, im weiteren Sinne durch den George-Kreis (Hellingraths Hölderlin-Ausgabe) geschaffenen geistigen und ästhetischen Klima. Von hier hat sie den Zug zum Dunklen und Exklusiven, von hier den Zug zur poetischen Überhöhung Baudelaires. Von hier aber auch nimmt sie die Maßstäbe einer lyrischen Diktion, die entschlossen gebrochen hat mit der klassizistisch und epigonal abgebrauchten deutschen Lyrik des X I X . Jahrhunderts; die Treue zum Wortlaut und zum Geist des Originals, das Zurückweisen jeder geschwätzigen oder bloß dekorativen Verzierung, das waren übersetzerische Tugenden, die Benjamin bei George lernen konnte. Trotzdem aber muß man sagen, daß die Anlehnung an Georges Lyrik nicht stilbildend gewirkt hat. Benjamins Übersetzung ,poetisiert', archaisiert, ja man kann sogar sagen, sie romantisiert Baudelaire, aber sie idealisiert, sie kaschiert ihn nicht, wie das George häufig tut. Und in den vielen von George und von Benjamin übersetzten Gedichten gibt es kaum eine Zeile, die annähernd gleich übersetzt wäre; die geheime Anlehnung Benjamins an George war eine offene Auflehnung gegen ihn. Bemerkenswert aber ist vor allem, daß es eine deutsche Lyrik, die etwa die gleichen Züge aufwiese, wie sie die Benjaminsche Übersetzung zeigt, überhaupt nicht gibt; die einzigen deutschen Lyriker, an die sich Benjamin allenfalls noch hätte halten können — Hofmannsthal und Rilke — haben, bei aller Nähe zum französischen Symbolismus, doch einen völlig anderen Stilgestus als Baudelaire. Das Faktum ist insofern interessant, als ja durchaus eine zeitgenössische und audi moderne lyrische Diktion im Deutschen zur Verfügung gestanden hätte: die Lyrik des Expressionismus; so haben etwa Rimbaud oder Verhaeren in Alfred Wolfenstein und Paul Zech ihre expressionistischen Übersetzer in Deutschland gefunden. Von jeder expressionistischen, aber auch von jeder klassizistischen oder neuromantischen Stiltendenz sind Benjamins Übertragungen entfernt. Sie sind geschrieben in einer aus verschiedenen sprachlichen und historischen Sphären (dem Barock, der Lyrik Goethes, Hölderlins, Georges) abgezogenen und gewissermaßen synthetisierten Kunstsprache; außerordentlich in

Walter Benjamin als Ubersetzer Baudelaires

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den wenigen Fällen, wo sie geglückt sind, ästhetisch unbefriedigend dort, wo ihr künstlicher und experimenteller Charakter allzu sehr durchschlägt. So waren sie unzeitgemäß und konnten infolgedessen — ganz abgesehen davon, daß auch der fragmentarische Charakter des Unternehmens dem entgegenstand — keine Wirkung zeitigen. Gleichwohl haben sie eben aufgrund der Tatsache, daß sie das Original nicht an eine literarische Modeströmung verraten, in einigen wenigen großen Stücken eine Gültigkeit und einen künstlerischen Rang erreicht, welcher der Georgeschen Übersetzung gleichkommt und jeder künftigen deutschen Baudelaire-Übertragung als Maßstab dienen muß.

GEORGE STEINER

Translation as Homecoming Let us consider two American translations of Valery's sonnet Helene from the Album de vers anciens: Azur! c'est mot. . . Je viens des grottes de la mort Entendre l'onde se rompre aux degres sonores, Et je revois les galeres dans les aurores Ressusciter de l'ombre au fil des rames d'or. Mes solitaires mains appellent les monarques Dont la barbe de sei amusait mes doigts purs; Je pleurais. lis chantaient leurs triomphes obscurs Et les golf es enfouis aux poupes de leurs barques. J'entends les conques profondes et les clairons Militaires rythmer le vol des avirons; Le chant clair des rameurs enchaine le tumulte, Et les Dieux, a la proue heroique exaltes Dans leur sourire antique et que I'ecume insulte Tendent vers moi leurs bras indulgents et sculptes. Richard Wilbur's version is included in the collection Things World (1956): It is I, Ο Azure, come from the caves below To hear the waves clamber the loudening shores, And see those barks again in the dawn's glow Borne out of darkness, swept by golden oars. My solitary hands call back the lords Whose salty beards beguiled my finger-tips; I wept. They sang the prowess of their swords And what great bays fled sternward of their ships. I hear the martial trumpets and the deepSea conches cry a cadence to the sweeps; The oarsmen's chantey holds the storm in sway; And high on the hero prows the Gods I see, Their antique smiles insulted by the spray, Reaching their carved, indulgent arms to me.

of

this

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Translation as Homecoming

Robert Lowell's Helen reads:

appears in the volume of Imitations

(1958). It

I am the blue: I come from the lower world to hear the serene erosion of the surf; once more I see the galleys bleed with dawn, and shark with muffled rowlocks into Troy. My solitary hands recall the kings; I used to run my fingers through their beards; I wept. They sang about their shady wars, the great gulfs boiling sternward from their keels. I hear the military trumpets, all that brass, blasting commands to the frantic oars; the rowers' metronome enchains the sea, and high on beaked and dragon prows, the gods — their fixed, archaic smiles stung by the salt — reach out their carved, indulgent arms to me! Valery's poem is not among his foremost achievements (which raises the question of why Wilbur and Lowell should have chosen it for translation). As does much of Valery's early work, Helene derives from a twofold inheritance. There are tonalities and single elements derived from Mallarme {Azur! c'est moi. . .), and there is a general motion of ,antique' solemnity and a metallic sheen which descend directly from Heredia and the Parnasse. There are also, though only incipiently, compressions and simultaneities of possible intent of the sort which will make for the difficulty of the later Valery. Wilbur observes rhyme but alters the scheme from abba to the rather more flexible abab in the octet. It is only fair to note that Valery himself exhibits both patterns in the Album. From the outset, Wilbur attempts to simulate the density of Valery's vowel-texture and the under-current of internal echo in the original: Cavesjwaves, barks/darkness are cases in point. In some measure, at least, Wilbur also seeks to echo the subtle gamut of osounds which organize Valery's text (O, below, loudening, shores, those, glow, Borne, out, golden, oars). This fabric is reinforced by the anomalous fact that Wilbur, unlike Valery, preserves the initial dominance of o-sounds in the rhymes of the first quatrain — mort, sonores, aurores, or — in the a rhymes of his own second quatrain (lords/swords) whereas Valery in fact switches to a characteristic Mallarmeen u in purs/obscurs. In short: Wilbur goes beyond the original in aiming at a vocalic continuity in the octet. Both in word-order and meaning Mes solitaires mains poses problems. Irremediably, solitary carries a different charge of sense and inference from solitaires; add to this the fact that My solitary hands is, so far as idiomatic English goes, very awkward. The Notorious crux of a perfect/imperfect duality in the verb-form ]e pleurals is equally inescapable. The Englishlanguage translator must opt, as Valery need not, between I wept and I was

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George Steiner

weeping and his choice bends the sonnet, however slightly, in one direction or another. With the sestet, Wilbur moves into an intensely nautical ambience. But it is nautical in a rather specific manner: sweeps and chantey are vividly ,New England* and not Mediterranean. The whole aura is made less jocund. Insulted, like beguiled earlier, misses the exact nuance of lightness and play in amusait and que I'ecume insulte. ,Insult' and ,guile' have a much sharper edge than do the corresponding terms in Valery's picture of Helen (in which there might even be a hint of Offenbach). To rescue his rhymes, Wilbur inverts the order of the closing epithets: Indulgents et sculptes becomes carved, indulgent. This is a major shift. Valery's sonnet ends, very deliberately, on a marmoral, hieratic note. If there is amused forgiveness by both parties to the dialectic, there is none the less a terminal solemnity and sculptural force. Wilbur reverses the whole movement to close on softness. Lowell abandons the constraints of rhyme except as between lines seven/ten and eleven/fourteen, and even here, of course, the rhymes are ,false'. He takes the sonnet en bloc, abandoning the octet-sestet separation. I am the blue! for Azur! c'est moi... is inexplicable as restatement or transformation even by the widest license of the Pound-Lowell theory of free imitatio. It is very probably a simple howler and contresens of the sort Lowell will commit and, through enigmatic dispassion, refuses to correct when his attention is drawn to them. The second line, by contrast, is masterful in its acoustic rendition of the breaking surf and in its ability to transpose Valery's fricatives into Anglo-Saxon sibilants. With lines three and four Lowell initiates his own partly arbitrary gloss on Helene. He sets the vision in the menacing context of the return of the Greek galleys to Troy on the fatal dawn of the Trojan Horse. The use of shark as a verb is characteristically arresting and remote from the original. The shady wars are a brilliant stroke, arguably faithful to the ambivalent register of triomphes obscurs, precisely apposite to the ghostliness of Helen's invocation, and morally pungent. The point being that shady, in American parlance, carries the strong sense of ,disreputable', ,corrupt', ,contrary to respectable semblance'. Though presumably suggested by Wilbur's text, Lowell's eighth line is a formidable improvement and, almost disconcertingly, the marker of a major poet. Brass continues and aggravates the polemic, ironic commentary incipient in shady: in American wartime argot it signifies the officer class, those in visible command, and the connotations are distinctly pejorative. Blasting commands to the frantic oars contravenes Valery at nearly every point. Rythmer and vol des avirons (the latter possibly indebted to a famous passage in Inferno X X V I ) are light, instinct with ordered speed and musicality. Lowell's inferences is one of brute military pretense and actual chaos. Yet the following verse astutely returns to Valery's ground. Behind the French lies an ancient topos: Orpheus' music taming bestial nature, Arion riding the dolphin in emblematic control of spiritual harmony over the fury of the elements. The bizarre, almost surrealistic positioning of the ,metronome' in midst the tumult of the sea precisely evokes the organizing genius of music,

Translation as Homecoming

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of cadenced form over discord. The final triplet is very close to Wilbur, though stung by the salt is nearer than Wilbur to the luminous lightness of Vatery. The .Färbung* given to Helene by Wilbur was, as we saw, already ,New England'. In Lowell the bias towards Americanization, towards the Nantucket and N o r t h Atlantic atmosphere of Lowell's own early work, goes much further. Such touches as shark, shady, brass, frantic, salt inevitably internalize the sonnet in a context of N e w England meditations and ironies about war entirely representative of Lowell's Mills of the Kavanaugh. The great gulfs are unmistakably Massachusetts or Maine, not Asia Minor. Is there any justification, save appropriative instinct, to this westward transfer? Valery's interest in Poe is thoroughly documented. Indeed he regarded Poe's abortive philosophic tract Eureka as one of the seminal works of modern thought. In Poe too there is an invocation of an antique Helen: Helen, thy beauty is to me Like those Nicean barks of yore, That gently, o'er a perfumed sea, The weary, way-worn wanderer bore To his own native shore. On desperate seas long wont to roam, Thy hyacinth hair, thy classic face, Thy Naiad airs have brought me home To the glory that was Greece And the grandeur that was Rome. Lo! in your brilliant window-niche How statue-like I see thee stand! The agate lamp within thy hand, Ah! Psyche, from the regions which Are Holy Land! These fifteen lines are in so many ways illustrative of Poe's elusive case, of an essential indefinition guarded, given a factitious but singular energy and music of motion, by the poet's extraordinary uses of sound and hushed allusion. That so inherently weak a poem should contain among the most musical lines in English (Like those Nicean barks of yore) and a household quote — the end of stanza two — without gaining in essential strength or definiton is characteristic of the problem of Poe. But what concerns us are possible contacts with Valery's sonnet. The evidence is at once suggestive and a w k w a r d to pin down. The sonority of Valery's first quatrain is phonetically reminiscent of that of Poe's first quite magical stanza. The barks of yore may point to the les galeres . . . Ressusciter de I'ombre. Airs is, of course, polysemic: it has a threefold implication of ,appearance', .atmospheric scent' ( p e r f u m e d sea) and, most saliently, of ,music'. The latter, with its inference of rowers guided by harmony, is echoed in Valery's chant clair. But the analogy between the two poems lies much less

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George Steiner

in points of detail, which are at best tentative, than in two general organizing aspects. In both cases we deal with an invocation of Helen which is, at the same time, specific and unlocalized. Valery's Helene is clearly the Homeric personage in some moment or gesture of resurrection and remembrance. Poe's Helen is a figure of perfect, dreamlike loveliness, of the type invoked in many of his poems. But she is definitely in the antique mould and enters the field of luminous vision, as does Valery's Helene, from the land of shadows (Psyche, from the regions which Are Holy Land! / ]e viens des grottes de la mort). The second general aspect which relates the two treatments is that which I have called ,sculptural'. Valery builds up to a marmoreal effect, sourire antique leading to bras . . . sculptes. In Poe the motif is specific: How statue-like I see thee stand! supported by the polished hardness of agate in the verse following. Poe's haunting cameo had already entered the language before Valery. Mallarme rendered it thus: Helene, ta beaute est pour moi comme ces barques niceennes d'autrefois qui, sur une mer parfumee, portait doucement le defait et le las voyageur a son rivage natal. Par des mers desesperees longtemps coutumier d'errer, ta chevelure hyacinthe, ton classique visage, tes airs de Naiade m'ont ramene ainsi que chez moi a la gloire qui fut la Grece, a la grandeur qui fut Rome. La! dans cette niche splendide d'une croisee, c'est bien comme une statue que je te vois apparaitre, la lampe d'agate en la main ah! Psyche! de ces regions issue qui sont terre sainte. There would be much to say about Mallarme's absorption of the original. By delicately gauged internal rhymes and vowel sequences, Mallarme succeeds in giving to cadenced prose Poe's elusive but nevertheless exact duality of tautness and vague musicality. Such elements of syntax as ainsi que and bien comme are calculated to blur the habitual clear outline of French constructions in order to convey the dream-fabric of Poe's text. Portait doucement le defait et le las voyageur for That gently ... The weary, way-worn wanderer bore achieves an uncanny similitude, transferring to a falling cadence of dentals and liquids the exhausted movement of Poe's famous alliteration. Nor should one miss the extreme fidelity of Mallarme's segmentation, his ability to close each stanza on the same verbal unit as Poe and to keep the sentence-order closely parallel with the original. We know of Valery's admiration for Mallarme's versions of Poe. It was via Baudelaire and Mallarme that Poe had come to occupy in French poetics and post-Symbolist sensibility a place considerably higher than that which he held on native ground. It is difficult to suppose that Mallarme's masterful restatement of To Helen was totally absent from his own approach to the antique Helene, to the ancient seas and to the toudi of statuary which contrasts with the motion of the waves.

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Being exceedingly literary and even academic in their temper, both Richard Wilbur and Robert Lowell may well have been aware of affinities or thematic continuities between Poe on the one shore and Mallarme and Valery on the other. Such awareness could help explain why these two modern American poets chose this particular sonnet of Valery's (by no means among his strongest) for translation. And it may help us understand why Valery's Mediterranean antique seems to modulate so fluently into an American key. The example is only of modest interest, and the evidence is provisional. But it does suggest a much wider, important issue. The hermeneutic of translation will often contain an impulse to circularity. Consciously or not, the translator selects a foreign text in which there are elements which derive originally from his own native speech and literary inheritance. He seeks to re-import values, thematic resources, motifs which had once been exported abroad (Borchardt's Dante Deutsch being, perhaps, the most conscious, wilful example of such reappropriation). The best of Poe had been acquired and very nearly domesticated by French masters. Wilbur's and Lowell's versions of Valery's Helene are, at some level, a return or restitution. There can be in the act of translation, there often is, a homecoming.

Verzeichnis der Schriften HORST RÜDIGERS bearbeitet von Joachim Krause (Bonn)

1933 Sappho — Ihr Ruf und Ruhm bei der Nachwelt, Leipzig 1933, ( = Das Erbe der Alten, H. 21.), 203. Das sapphische Versmaß in der deutschen Literatur, in: ZfdPh. 58 (1933), 140—164. 1934 Geschichte der deutschen Sappho-Übersetzungen, Berlin 1934 ( = Germanische Studien, H. 151.), 51. (Nachdruck Nendeln/Liechtenstein 1967). Deutschtum und Antike, in: 2s. für Dt. Bildung 10 (1934), 133—144. Rilke und die niederdeutsche Landschaft, in: Niederdt. Welt 9 (1934), 204—206. 1935 Wilhelm von Humboldts Bildungsidee, in: Neue Jbb. für Wiss. und Jugendbildung 11 (1935), 193—213. Georges Begegnung mit der Antike, in: Die Antike 11 (1935), 236—254. 1936 (Hrsg.) Griechische Gedichte — Mit Übertragungen deutscher Dichter, von H. Rüdiger, München 1936, ( 2 1937; 3 1939; 4 1972), ( = Tusculum-Bücherei), 316. Schillers Metaphysik und die Antike, in: Die Antike 12 (1936), 289—309Horaz als Römer, in: Neue Jbb. für Wiss. und Jugendbildung 12 (1936), 34—48. Rilkes Begegnung mit der Antike, in: Das humanistische Gymnasium 47 (1936), 87—94.

* Zeitungsaufsätze sind nur in Ausnahmefällen berücksichtigt; von den Rezensionen (u.a. in folgenden Zeitschriften: Geistige Arbeit, arcadia, Doxa, Wiener literarisches Echo, Erasmus, Euphorion, Romanische Forschungen, Gnomon, Imprimatur, Die Literatur, Deutsche Literaturzeitung, Merkur, Schweizer Monatshefte, Paideia, Europäische Revue, Universitas, Geistige Welt, Wort und Wahrheit, Neue Zürcher Zeitung) sind nur die umfangreicheren aufgenommen.

671 1937 Wesen und Wandlung des Humanismus, H a m b u r g 1937, 316. lage. Reprograf. Nachdruck, Hildesheim 1966, 323.) (Hrsg.) Lateinische Gedichte im Urtext mit den schönsten deutscher Dichter, hg. von H . Rüdiger, München 1937, ( 2 1972), Wilhelm von Humboldt als Übersetzer, in: Imprimatur 7 (1937), Oswald Belings Übersetzung der Eklogen Vergib (1649), in: (1937), 216—222.

(2. verb. AufÜbersetzungen 300. 79—96. Imprimatur 7

1938 Der Kampf mit dem gesunden Menschenverstand — Klassische Trug- und Fangschlüsse, München 1938, 145 u. 4 Taf. (Hrsg.) Theophrast: Charakterbilder, dt. von H . Rüdiger, Leipzig 1938, ( 2 1940; 3 1950; 4 1955), (Sammlung Dieterich, Band 34.), X X I X , 90. (Hrsg.) Italienische Gedichte — Mit Übertragungen deutscher Dichter, hg. von H . Rüdiger, Leipzig 1938, ( 2 1940). (Erweiterte Neuauflage u. d. T.: Italienische Gedichte aus acht Jahrhunderten. Zweisprachen-Ausgabe, hg. (mit Einleitung [ I — X L V ] , Nachwort [365—370] und Erläuterungen [371 bis 421]) von H . R ü d i g e r , Bremen 1958, (Sammlung Dieterich, Band 229.), XLV, 439. Zur Problematik des Übersetzens, in: Neue Jbb. für antike und dt. Bildung 113 (1938), 179 ff. 1939 (Hrsg.) Martials Sinngedichte. Ausgewählt und zum Teil neu verdeutscht von H . Rüdiger, München 1939, 282. Geschichte im Roman, in: Die Literatur 42 (1939/40), 366—369. (Übers.) Giovanni Pascoli: Romagna, in: Festschrift des Bücherwurms zu Beginn seines 25. Jahrgangs, Leipzig 1939. 1940 Wielands ,Agathon' und die geistigen Kräfte des deutschen Rokoko, dt. Geisteswissenschaft 3 (1940/41), 24—35.

in: 2s. für

1941 (Hrsg.) Briefe des Altertums. Ausgewählt, eingeleitet u. teilweise neu übertragen von H . Rüdiger, Leipzig 1941. 2. Auflage: Zürich, Stuttgart 1965, ( = Die Bibliothek der alten Welt), 371. Über Clemens Brentano als Briefsdhreiber, in: Geistige Arbeit 8 (1941), N r . 8, 9—11. 1942 L'Italia nella storia spirituale della Germania dal Barocco al Romanticismo, in: Convivium 14 (1942), 199—219. (Umgearbeitet u. d. T.: L' immagine dell' Italia nello sviluppo della civiltä tedesca dalla Controriforma all'ultimo Romanticismo, in: Acme. Annali della

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3 (1950),

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(Übers.) Carlo Grabher: Giovanni humanisten, Hamburg 1946, 182.

1946 Boccaccio.

Leben

und Werk

des

Früh-

1947 (Hrsg.) Gletscher und Gärten — Südtirol im Erlebnis Goethes, Heines, Herders, Steubs, Cosimos III., Brescianis u. a., hg. von H. Rüdiger, Meran 1947, 119. 1948 Begriff und Möglichkeiten des Humanismus, in: Geistige Welt 3 (1948/49), 13—17. (Ital. u. d. T.: Concetto e possibilitä dell' Umanesimo in: Maia 2 (1949), 81—92.) Friedrich Gundolf — ein Historiker des europäischen Geistes, in: Dreiklang 3 (1948), 60—62. (Auch in: Berliner Hefte 4 [1949], II, 88—91; und in: Colloquium 3 [1949] II, 5 f.) (Rez.) Walter Rüegg: Cicero und der Humanismus, 1946. Doxa 1, 1 (1948), 95 ff. 1949 (Hrsg.) Griechische Lyriker — Griechisch und deutsch. Übertragen und eingeleitet von H.Rüdiger, Zürich 1949 ( = Die Bibliothek der alten Welt. Griechische Reihe.), 350. Gänzlich überarbeitete Neuausgabe. Übertragen, eingeleitet (1—69) und erläutert (288—375). Zürich/Stuttgart 1968 ( = Die Bibliothek der alten Welt. Reihe Sammlungen und Anthologien.), 375. Der Humanitätsgedanke in Goethes ,Faust', in: Acme. Annali della Facoltä di Filosofia e Lettere nell'Universitä statale di Milano 2 (1949), 125—146. 1951 Moderner Roman und Psychoanalyse — Zu Alberto in: Sammlung 6 (1951), 1083—1086.

Moravias

,11

conformista',

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674 1956 Winckelmann und Italien — Sprache, Dichtung, Menschen, Krefeld 1956, (Schriften und Vorträge des Petrarca-Instituts Köln. 8.), 44. Essenza ed evoluzione della lingua tedesca, in: Letterature moderne 6 (1956), 140—155. Winckelmanns Persönlichkeit, in: Der Deutschunterricht 8 (1956), V, 47—67. (Auch ital. u. d. T.: La personalitä di Winckelmann, in: Paideia 11 (1956), 81—103.) Die Kunst der Interpretation, in: Deutschunterricht für Ausländer 6 (1956), 65—70. (Rez.) Walter Muschg: Die Zerstörung der deutschen Literatur (u. d. T.: Literatur und Moral), 1956. Wort und Wahrheit 11 (1956), 968 ff. (Rez.) Hans Zeller: Winckelmanns Beschreibung des Apollo von Belvedere, 1955. Gnomon 28 (1956), 237 ff. 1957 (Nachwort zu:) Boccaccio: Der Dekamerone, 2 Bände, Zürich 1957, (Bd. 2. 583—608.) (Rez.) Schöne Literatur in Neudrucken und kritischen Ausgaben. Schweizer Monatshefte 36 (1957), 139 ff. (Rez.) Literarische Handbücher und Anthologien. Schweizer Monatshefte 36 (1957), 734 ff. (Rez.) Martin Bodmer: Variationen zum Thema Weltliteratur (u. d. T.: Prolegomena zum Thema Weltliteratur), 1956. Schweizer Monatshefte 36 (1957), 830 ff. 1958 Purα et illustris brevitas — Über Kürze als Stilideal, in: Konkrete Vernunft — Festschrift für Erich Rothacker, hg. von G. Funke. Bonn 1958, 345—372. Vom Geist des italienischen Märchens. Nachwort zur Neuausgabe von Italienische Märchen, Düsseldorf 1958, ( = Die Märchen der Weltliteratur), 361—377. (Rez.) Carlo Grünanger: Storia della letteratura tedesca. I. II medioevo, 1955. Euphorion 52 (1958), 95 f. 1959 (Hrsg.) Winckelmanns Tod — Die Originalberichte, hg. (mit Anmerkungen und einem Nachwort) von H . Rüdiger, Wiesbaden 1959, (Insel-Bücherei. N r . 695), 79. Literatur ohne „Klassiker"? — Tradition und Kanonbildung. (Antrittsvorlesung in Mainz.), in: Wort und Wahrheit 14 (1959), 771—784. (Wiederabgedruckt u. d. T.: Klassik und Kanonbildung — Zur Frage der Wertung in der Komparatistik, in: Komparatistik, Stuttgart u. a. 1973, 127—144.) Schiller und das Pastorale, in: Euphorion 53 (1959), 229—251; und in: Schiller — Festschrift des Euphorion. Zum 10. November 1959. Heidelberg 1959, 7—29.

675 1960 Italien ganz privat, Zürich 1960, 71. (Hrsg.) Studi in onore di Lorenzo Bianchi, hg. von M. Pensa und H . Rüdiger, Bologna 1960, S. X I V , 507. (Hrsg.) Apuleius: Der goldene Esel. Übertragen von August Rode, hg. (mit Nachwort und Erläuterungen [515—559]) von H . Rüdiger. Zürich 1960, 561. Ein Versuch im Dienste der Weltliteratur-Idee — Goethes Übersetzung von Manzonis Ode „II Cinque Maggio", in: Studi in onore di Lorenzo Bianchi, Bologna I960, 383—406. Zu Eichendorffs lyrischem Stil, in: Eichendorff heute, hg. von P. Stöcklein, München 1960 (Darmstadt 2 1966), 204—210. (Zuerst in: Aurora-Eichendorff-Almanach 17 (1957), 27—31.) Die Antike als geistige Kraft in der Gegenwart, in: Der Horizont — Eine Auswahl von Vorträgen aus der Arbeit der Evangelischen Akademie Baden (Herrenalb), Band 5 (1960/61). (Einleitung zu:) Dante: Die göttliche Komödie. München/Zürich 1960. (Nachwort zu:) Enea Silvio Piccolomini: Euryalus und Lucretia. Übersetzt von Max Meli. Düsseldorf 1960. (S. 87—90). (Artikel:) Buzzati, D'Annunzio, Marotta, Pascoli und Trilussa in: Lexikon der Weltliteratur im 20. Jahrhundert. 2 Bde. Freiburg/Basel/Wien 1960. 1961. (Rez.) Karl Maurer: Leopardis „Canti" und die Auflösung der lyr. Genera, 1957, i n : . . . Romanische Forschungen 72 (1960), 188 ff. 1961 (Hrsg.) Quintus Horatius Flaccus: De arte poetica Uber — Die Dichtkunst. Lateinisch und deutsch. Einführung, Übersetzung und Erläuterungen von H . Rüdiger, Zürich 1961, (Lebendige Antike), 65. (Hrsg.) Goethe: Römische Elegien — Venetianische Epigramme — Tagebuch der italienischen Reise. Mit einem Essay Zum Verständnis der Werke (217—247) hg. von H . Rüdiger, Hamburg 1961, (Rowohlts Klassiker 98/99), 247. Die Wiederentdeckung der antiken Literatur im Zeitalter der Renaissance, in: Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur, Bd. 1, Zürich 1961, 511—580. Möglichkeiten und Grenzen der literarischen Begriffsbildung — Bemerkungen zum 3. Komparatistenkongreß in Utrecht, in: Schweizer Monatshefte 41 (1961/62), 806—810. 1962 (Hrsg.) Euphorion — Zeitschrift für Literaturgeschichte, Mitherausgeber ab Bd. 56 (1962). Nationalliteraturen und europäische Literatur — Methoden und Ziele der Vergleichenden Literaturwissenschaft, in: Schweizer Monatshefte 42 (1962), 195—211. (Auch in: Definitionen — Essays zur Literatur, hg. von A. Fris6, Frankfurt/Main 1963, 35—57.)

676 Gozzi, Goldoni, in: Welttheater schweig 1962, ( 2 1966).

— Bühnen, Autoren,

Inszenierungen,

Braun-

1963 Curiositas und Magie — Apuleius und Lucius als literarische Archetypen der Faust-Gestalt, in: Wort und Text — Festschrift für Fritz Schalk, hg. von H. Meier und H. Sckommodau, Frankfurt/Main 1963, 57—82. Zwischen Interpretation und Geistesgeschichte — Zur gegenwärtigen Situation der deutschen Literaturwissenschaft, in: Euphorion 57 (1963), 227—244. (Audi in: Karl Otto Conrady: Einführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Hamburg 1966 ( 2 1967), (rowohlts deutsche enzyklopädie 252/ 253.), 137—154; und in: Methodenfragen der deutschen Literaturwissenschaft, Darmstadt 1973, 101—124.) Probleme der deutschen Literaturgeschichtsschreibung seit 1945, in: Das Geschichtsbild im deutschen und italienischen Sprachraum — gegenwärtiger Stand der Probleme. . . Akten der 4. internationalen Tagung deutschitalienischer Studien in Meran 1963, (erschienen Meran 1967), 349—388. Pascolis und Eichendorffs Gewitter-Gedichte, in: Nuovi studi pascoliani, Bolzano - Cesena 1963. 1964 (Hrsg.) Gian Lodovico Bianconi. Briefe an den Marchese Hercolani über die Merkwürdigkeiten Bayerns und anderer deutscher Länder (1762), eingeleitet (7—23), verdeutscht und erläutert (101—130) von H. Rüdiger, Mainz/ Berlin 1964, (Sammlung ,Genien'), 130. Traditionslosigkeit als Zeichen der Barbarei (Anläßlich des Berliner KritikerColloquiums 1963), in: Sprache im technischen Zeitalter, H. 9/10 (1964), 699—703. Weltliteratur in Goethes ,Helena', in: Jb. Dt. Schiller-Ges. 8 (1964), 172—198. 1965 Alcuni riflessi italiani nel Goethe ,romano', in: Problemi di lingua e letteratura italiana del Settecento, Atti del IV. Congresso dell' Associazione internazionale per gli studi di lingua e letteratura italiana, Wiesbaden 1965. Das Tagebuch als Literaturform des 20. Jahrhunderts — Jünger und Pavese, in: Aspetti e problemi del Novecento culturale italiano e tedesco, Atti del II. Convegno internazionale di studi italo-tedeschi, Meran 1965. Presenza animatrice di Dante nella letteratura tedesca, in: II Cristallo — Rassegna di varia umanita 7 (1965) II, 7—28. (Auch in: Miscellanea di Studi Danteschi α cura dell' Istituto di Letteratura italiana, Genova 1967, [Universitä degli Studi di Genova. Celebrazioni per il V I I centenario della nascita di Dante]), 23—40. Wolf gang Schadewaldt als Übersetzer, in: Jb. 1965 Dt. Ak. für Sprache und Diditung, Heidelberg/Darmstadt 1966, 36—48.

677 1966 (Hrsg.) Kleines literarisches Lexikon, vierte, neu bearbeitete und stark erweiterte Auflage. In Fortführung der von W. Kayser besorgten zweiten und dritten Auflage hg. von H. Rüdiger und E. Koppen, 4 Bde. Bern/München 1966—1973. (Hrsg.) arcadia — Zeitschrift für Vergleichende Literaturwissenschaft, in Verbindung mit R. Bauer, E. Lunding, O. Seidlin hg. von H. Rüdiger, Berlin 1966 ff. (Hrsg.) Geschichte der deutschen Literatur (in einer Reihe von Einzeldarstellungen), hg. von H.Rüdiger, Gütersloh 1966 ff. (Gerhard Kaiser: Von der Aufklärung bis zum Sturm und Drang. 1966. 142. Claude David: Zwischen Romantik und Symbolismus. 1966. 222.) Zur Einführung (der Zeitschrift,arcadia') in: arcadia 1 (1966), 1—4. Göttin Gelegenheit — Gestaltwandel einer Allegorie, in: arcadia 1 (1966), 121—166. (Nachwort zu:) Martials freie Epigramme. Mostars freie Übersetzung, München/Bern/Wien 1966, (u. d. T.: Frech und frivol nach Römersitte — M. Val. Martialis Epigramme als Ullstein-Buch Nr. 2927, Frankfurt 1973, 108—116.) (Artikel:) Übersetzung und Vergleichende Literaturwissenschaft) in: Kleines literarisches Lexikon I I I — Sachbegriffe, Bern/München 4 1966. 1967 (Hrsg.) Studien zum Fortwirken der Antike, hg. von W. Marg und H. Rüdiger, Heidelberg 1967 ff. Gian Lodovico Bianconi e la cultura germanica del Settecento, in: Studi germanici (n. s.) 5 (1967), 41—57. Dante als Erwecker geistiger Kräfte in der deutschen Literatur, in: Festschrift für Richard Alewyn, hg. von H. Singer und B. von Wiese, Köln/Graz 1967, 17—45. Erasmus von Rotterdam oder von der Weisheit des Unparteiischen, in: Schweizer Monatshefte 46 (1967), 929—941. (Rez.) Kindlers Literatur-Lexikon. Bände 1.2. 1965. 1966, arcadia 2 (1967), 2 1 8 ff.

1968 Bibliothek, Literatur und Gesellschaft, in: Jb. 1967 Dt. Ak. für Sprache und Dichtung Darmstadt, Heidelberg/Darmstadt (1968), 125—139. Winckelmanns Geschichtsauffassung — Ein Dresdner Entwurf als Keimzelle seines historischen Denkens, in: Euphorion 62 (1968), 99—116. Schiefe Aspekte in unseren Literaturgeschichten, in: Schweizer Monatshefte 48 (1968), 422—426. Die Entwicklung des Literaturstudiums an den italienischen Universitäten seit 1945, in: Die Präsenz der italienischen Kultur im deutschen und die der deutschen Kultur im italienischen Sprachraum seit 1945, Akten der 5. Internatio-

678 nalen Tagung deutsch-italienischer Studien, (1964), (erschienen Meran 1968), 217—223.

2. Teil: Mitteilungen,

Meran

1969 Analyse des menschlichen Verhaltens — Zur Ausgabe der Werke des jungen Crebillon, in: Schweizer Monatshefte 49 (1969), 525—527. Die Metapher vom Herzen in der Literatur, in: Das Herz im Umkreis des Denkens, Dr. Karl Thomae GmbH. Biberach (1969), 87—134. Vom Libertin zum Parasiten — Über Brechts Bearbeitung von Molieres „Dom Juan", in: Darmstädter Forum (Landestheater Darmstadt) 3 (1969/ 70), 2 - 5 . Studieneinführung in die Vergleithende Literaturwissenschaft, in: Aspekte 3 (1970), 19—22; (Auch engl, in: Jadavpur Journal of Comparative Literature 10 (1970), [Jadavpur University, Calcutta]), 65—71. Das Epitaph des Misanthropen — Metamorphosen einer Gruppe von griechischen Epigrammen, in: Orbis Litterarum 25 (1970), 197—213. Der Dritte Humanismus, in: Humanismus, hg. von H . Oppermann, Darmstadt 1970, (Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Wege der Forschung, Band 17) 206—223. (Wiederabdruck des Schlußkapitels [279—297, 311—312] aus: Wesen und Wandlung des Humanismus, 1937.) (Rez.) Kindlers Literatur-Lexikon. Bände 3.4. 1967. 1968, arcadia 5 (1970), 84 ff. 1971 Literarisches Klischee und lebendige Erfahrung — Über das Bild des Deutschen in der italienischen Literatur und des Italieners in der deutschen Literatur, Düsseldorf 1971 (Deutsche Fraternitas e. V.), 19. (Auch ital. [übers, von Enzo Calani] u. d. Τ.: I tedeschi nella letteratura italiana e gli italiani in quella tedesca. Luoghi comuni ed esperienza vissuta, Verona 1972, (Associazione di Cultura Italo-tedesca.), 29. (Hrsg.) Literatur und Leben. Neue Folge, hg. von R. Alewyn und H . Rüdiger, 1971 ff. (Hrsg.) Komparatistische Studien — Beihefte zu ,arcadia' — Zeitschrift für Vergleichende Literaturwissenschaft, hg. von Horst Rüdiger, Berlin / New York 1971 ff. (Hrsg.) Zur Theorie der Vergleichenden Literaturwissenschaft. Mit Beiträgen von G. Bauer, E. Koppen, M. Gsteiger. Mit einer Einleitung versehen und hg. von H . Rüdiger. Berlin / New York 1971, (Komparatistische Studien. Band 1.), 87. Grenzen und Aufgaben der Vergleichenden Literaturwissenschaft — Eine Einführung, in: Zur Theorie der V er gleichenden Literaturwissenschaft, Berlin / New York 1971, (Komparatistische Studien. Band 1.), 1—14. Comparative Literature in Germany, in: Yearbook of Comparative and General Literature 20 (1971), 15—20.

679 Die Begriffe ,Literatur' und ,Weltliteratur' in der modernen Komparatistik, in: Schweizer Monatshefte 51 (1971/2), 32—47. (Auch in: Weltliteratur und Volksliteratur, hg. von A. Schaefer, München 1972, [ = Beck'sche Schwarze Reihe. Band 93], 36—54. 195—199.) Humanistischer Wettbewerb und Anfänge der Komparatistik — Zu einigen Neudrucken der deutschen Barock-Literatur, (Literaturbericht), in: arcadia 6 (1971), 77—88. (Rez.) Hanns W. Eppelsheimer: Geschichte der europäischen Weltliteratur 1 — Von Homer bis Montaigne, 1970. arcadia 6 (1971), 194 ff. (Rez.) Theokrit: Gedichte (grch.-dt. ed. F. P. Fritz), Theokrit: Die echten Gedichte (dt. von E. Staiger), 1970, Seneca: Sämtliche Tragödien (lat.-dt. von Th. Thomann) Band 2,1969. arcadia 6 (1971), 313 ff.

1972 Zwischen Staatsraison und Autonomie der Kunst — E. Th. A. Hoffmanns poetologischer Standort, in: Deutsche Weltliteratur — Von Goethe bis Ingeborg Bachmann — Festgabe für ]• Alan Pfeffer, hg. von K. W. Jonas, Tübingen 1972, 89—114. Die Kritik der Romantiker und Goethes an den Tragödien Alfieris, in: Euphorion 66 (1972), 258—287. Parodie und Provokation des Bürgertums im deutschen Roman der Gegenwart, in: Das Bürgertum und seine Krise in der deutschen und italienischen Kultur der Gegenwart.... Akten der 8. internationalen Tagung deutsch-italienischer Studien in Meran 28. 3—2. 4. 1967, (erschienen Meran 1972). Das Urteil eines Sachverständigen — Winckelmann über Clelands Stil, in: arcadia 7 (1972), 272—273. Was man mit Heine erleben kann, in: Schwäbische Zeitung (Leutkirch) Nr. 290 vom 16. 12.1972.

1973 Teilnahme Goethes an Manzoni, in: arcadia 8 (1973), 121—137. Vitzliputzli im Exil, in: Untersuchungen zur Literatur als Geschichte — Festschrift für Benno von Wiese, Berlin 1973, 307—324. Was ist Literatur? in: Literatur und Dichtung, Stuttgart 1973, 26—32. Humanistisches Erbe und Traditionsschwund, in: Renatae Litterae. Studien zum Nachleben der Antike und zur europäischen Renaissance. August Buck zum 60. Geburtstag, Frankfurt/Main 1973, 319—329. Das Schweigen des Erzählers — Zu Alessandro Manzonis 100. Geburtstag, in: Die Brücke zur Welt. Stuttgarter Zeitung Nr. 115 vom 19. 5. 1973. (Hrsg.) Literatur und Dichtung — Versuch einer Begriffsbestimmung, hg. von H. Rüdiger, Stuttgart u. a. 1973, (Sprache und Literatur. 78.), 171. (Hrsg.) Komparatistik — Aufgaben und Methoden, hg. von H. Rüdiger, Stuttgart u. a. 1973, (Sprache und Literatur. 85.), 165.

680 1974 (Hrsg.) Meisterstücke der Weltliteratur, ausgewählt und eingeleitet von H . Rüdiger, München 1974, (Winkler Jubiläumsbibliothek), XVIII, 753. (Hrsg.) Die Gattungen in der Vergleichenden Literaturwissenschaft, hg. von H . Rüdiger, Berlin / New York 1974, (Komparatistische Studien. Band 4.), VIII, 92. Interessamento di Goethe per Manzoni, in: Atti del Convegno di Studi Manzoniani, Roma 1974, (Accademia Nazionale dei Lincei), 71—87; und in: II Cristallo — Rassegna di varia umanitä, Bolzano, 1 (1974), 29—48.

1975 Gedenkwort für Wolfgang Schadewaldt, in: Jb. 1974 Dt. Ak. für Sprache und Dichtung, Heidelberg 1975, 135—138. Humor und Ironie in Ariosts „Orlando furioso", in: Schweizer Monatshefte 54 (1974/75), 914—929.