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German Pages 210 [262] Year 2016
Philosophische Bibliothek
F.W. J. Schelling Stuttgarter Privatvorlesungen
Meiner
FRIEDRICH WILHELM JOSEPH SCHELLING
Stuttgarter Privatvorlesungen
Mit einer Einleitung und Anmerkungen kritisch herausgegeben von vicki müller-lüneschloss
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 687
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-2871-0 ISBN eBook: 978-3-7873-2872-7
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INHALT
Einleitung von Vicki Müller-Lüneschloß . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zur Gestaltung des Textes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xliv Verzeichnis der Siglen, Zeichen und Abkürzungen . . . . xlviii Friedrich Wilhelm Joseph Schelling »Stuttgarter Privatvorlesungen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsübersicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Nachschrift Eberhard Friedrich von Georgii: F. W. J. Schellings n atur-phÿlosophisches Sÿstem. 1810 . . . . . . . .
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Beilage: Briefwechsel zwischen F. W. J. Schelling und E. F. von Georgii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Anmerkungen der Herausgeberin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
EINLEITUNG
I. Im Jahre 1810 hielt Schelling im Haus des Stuttgarter Ober justizrats Eberhard Friedrich von Georgii vor einem ausgewählten Kreis hoher Beamter Privatvorlesungen. Von diesen Vorträgen liegen uns heute zwei unterschiedliche Dokumente vor : der von Karl Friedrich August Schelling im Jahre 1860 in der von ihm veranstalteten Gesamtausgabe der Werke seines Vaters unter dem Namen »Stuttgarter Privatvorlesungen« publizierte Text sowie die Abschrift einer Nachschrift von der Hand Georgiis, die erst mals im Jahre 1973 erschien. Die Abhandlung der »Sämmtlichen Werke« (SW) basiert auf den Notizen des Philosophen, stellt j edoch keinen genuin Schellingschen Text dar. Denn für die Veröffentlichung der Vorträge hatte K. F. A. Schelling unter Berücksichtigung der väterlichen Nachlaßverfügung1 das vorhandene Textmaterial mit Hilfe der Nachschrift ergänzt und damit »aus Scizzirtem ein Ganzes« hergestellt.2 Die insgesamt acht Vorlesungen wurden von dem Gastgeber mitgeschrieben und anschließend von dem Philosophen korrigiert.3 Dies ge1 Vgl. Horst Fuhrmans, Dokumente zur Schellingforschung IV. Schel-
lings Verfügung über seinen literarischen Nachlaß, in : Kant-Studien, Bd. 51, H. 1 (1959/1960), S. 14–26. – S. 15 : »b) Eine zweite Hs. (klein 4) enthaltend die Entwürfe zu meinen 1810 in Stuttgart vor einem Freundes-Kreis gehaltenen Privat-Vorlesungen (als Hilfsmittel der Entzifferung kann eine beiliegende Nachschrift von der Hand des sel. Präsidenten Georgii dienen). Ob ganz, ob theilweise zu benützen, penes vos judicium sit. Übrigens ist viel Unvollkommenes darin, denn ich habe erst in den folgenden Jahren die entscheidenden Ideen gefunden«. 2 K. F. A. Schelling an Georg Waitz am 29. 3. 1860 (Schelling-Kommission BAdW ). Vgl. auch SW VII, S. VI : »das für diesen Zweck von ihm [Schelling] Niedergeschriebene ist hier zum Abdruck gekommen mit Beiziehung einer von Schelling selbst revidirten Nachschrift Georgiis«. 3 Vgl. die beiden Vermerke auf der Georgii-Nachschrift (unten S. 71).
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schah jedoch nicht ohne Eingriffe in das Manuskript von seiten Schellings4 sowie Georgiis5, der das Manuskript zuletzt von einem Kopisten abschreiben ließ. Während die Urschrift der Nachschrift im Besitz Schellings verblieb und mit der Zerstörung des Münchener Nachlasses verloren ging, erhielt sich dagegen die Kopie der Nachschrift, die nach dem Tode Georgiis an nahestehende Freunde6 weitergereicht wurde und sich heute im Bestand des Deutschen Literaturarchivs in Marbach befindet. Das Manuskript gibt die durchgeführten Eingriffe nicht mehr preis. Das Aussehen der ursprünglichen Nachschrift, und damit der Verlauf der Vorlesungen, konnte jedoch zum Teil durch den Briefwechsel zwischen Schelling und Georgii rekonstruiert werden. Diesen Schreiben entnehmen wir die Fortsetzung der philosophischen Diskussion, die durch Fragen Georgiis an den Philosophen angestoßen wurde, sowie Einzelheiten zum Umgang mit der Nachschrift. So schlug Schelling vier Tage nach dem ersten Zusammentreffen dem Juristen vor, die im selben Schreiben mitgeteilte »Genealogie der philos[ophischen] Systeme« anstelle des nachgeschriebenen Passus einzusetzen und diesen dagegen zu streichen.7 Diesem Rat war Georgii gefolgt, denn 4 Vgl.
Schelling an E. F. Georgii am 18. 2. 1810-1 : »Ew. Hochwohlgebohren werden sich verwundern, das mitgetheilte Heft so stark von meiner Hand interpolirt zu finden ; ich habe mir nämlich, da Sie es doch wieder abschreiben lassen müssten, die Freÿheit genommen, die nöthig geglaubten Veränderungen gleich Ihrer Handschrift beÿzusetzen« (unten S. 135). 5 Vgl. E. F. Georgii an Schelling am 17. 7. 1810 : »Die Worte : ›wo nicht der Zeit ––– nach‹ sind von dem Nachschreiber hinzugesezt worden, weil er glaubt, daß diese Worte dem Sÿstem gemäs seyen. S. Abh. von der Freiheit S. 430. verb[a] Was übrigens jenes Vorhergehen betrift ppp« (unten S. 144). 6 Als spätere Besitzer der Nachschrift konnten nachgewiesen werden der Hof- und Justizrat Johann Friedrich von Gerber (1789–1842), ferner der Obersteuerrat Eberhard Albrecht Lempp (1805–1863) (vgl. unten S. 71 f.). 7 Vgl. Schelling an E. F. Georgii am 18. 2. 1810-1 : »Über die pag. 8. 9. aufgestellte Vergleichung des Leibnitzischen u. Fichteschen Sÿstems
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die erste Vorlesung gibt auf den S. 10–16 der Nachschrift fast wortgetreu den Text aus Schellings Brief wieder. Vorgetragen wurde die »Genealogie« hingegen erst in der vierten Vorlesung.8 Um den Vergleich zwischen der Nachschrift und dem Text aus SW nicht zu erschweren und den chronologischen Verlauf der Vorlesungen exakt zu dokumentieren, wurde die »Genealogie« von der ersten in die vierte Vorlesung versetzt. Die Stellen des ausgeschnittenen Passus sind mit Auslassungs- [ ] bzw. Einfügungszeichen ⌜ ⌝ gekennzeichnet. Die einzelnen Vorlesungen der Nachschrift unterscheiden sich in Umfang und Qualität voneinander. Während die ersten zwei Unterredungen noch eine starke Nähe zu dem Text in SW aufweisen, weichen die folgenden deutlich von ihrer Vorlage ab : Sie sind nicht nur kürzer und rhapsodischer, sondern auch sprachlich weniger präzise und salopper formuliert. Dieser Einschnitt kann auf die Unterbrechung des Vorlesungszyklus zurückgeführt werden, der nach dem zweiten Treffen für fast fünf Monate bis zu seiner Wiederaufnahme und raschen Beendigung pausierte.9 Hatte Schelling die Aufzeichnungen der Vorlesungen vom 14. und 22. Februar, welche noch planmäßig einmal die Woche stattfanden, gleich korrigiert, so waren die restlichen sechs Vorlesungen vermutlich einer Gesamtrevision unterzogen worden.10 mit dem meinigen sind mir beÿ genauerer Erwägung doch einige Zweifel entstanden ; ob ich gleich in dem Manuscript nichts ändern mochte, weil es ohne Weitläufigkeit nicht geschehen konnte. […] Wollen Ew. Hochwohlgeboren die Genealogie der philos[ophischen] Sÿsteme bis auf unsre Zeit nach meiner Vorstellung kennen und etwa an der angeführten Stelle einschalten, so wäre sie ohngefähr folgende. […]« (unten S. 135 f.). 8 Vgl. den dort angeführten Verweis : »Verhältnis des Schellingschen Sÿstems zu andern Sÿstemen. \ Gegen das Cartesianische, Spinozische, Leibnizische, Französisch Materialistische, Hylozoistische, Kantische, Fichtische, wovon bereits oben« (unten S. 97). 9 Vgl. unten S. XIII f. 10 Vgl. Schelling an E. F. Georgii am 18. 7. 1810 : »Das Manuscript folgt uncorrigirt zurück, wozu ich jetzt nicht die Zeit hatte ; es bedarf, der
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Der vorliegenden Ausgabe wird ferner der Briefwechsel zwischen Schelling und Georgii angeschlossen, welcher Einblicke in die Entstehungsgeschichte der Stuttgarter Privatvorlesungen sowie ihre Rezeption ermöglicht. Von den ausgetauschten Schreiben liegen uns heute fünf Briefe von der Hand des Philosophen vor, wohingegen die des Gastgebers mit einer einzigen Ausnahme als verschollen gelten.11
II. Schelling hatte seine »Privat-Vorlesungen« für Diskussionen mit einem »Freundes-Kreis« konzipiert,12 welche regelmäßig im »Gartensaal«13 des Oberjustizrats Georgii stattfinden sollten. Von K. F. A. Schelling erfahren wir dazu : »Die äußere Veranlassung zu diesen in Stuttgart gehaltenen Vorträgen ist folgende. Schelling brachte den Winter 1809–1810 in der genannten Stadt zu (aus welchen Gründen, gehört nicht hierher). Es äußerten seine Freunde, an ihrer Spitze der damalige Oberjustizrath Georgii, den Wunsch, Erläuterungen über sein System zu hören.
größeren Flüchtigkeit meines Vortrags halber, sehr vieler Verbesserungen u. Zusätze« (unten S. 151). 11 Dem Schelling-Biographen Gustav Leopold Plitt waren die Schrei ben Georgiis bekannt (vgl. G. L. Plitt, Aus Schellings Leben. In Briefen, hg. v. Gustav Leopold Plitt, Bde. I–III, Leipzig 1869–1870. – Bd. II, S. VI). 12 Vgl. Anm. 1. 13 Vgl. Eduard Mörike an Wilhelm Hartlaub am 10. 3. 1868 : »In meiner Gymnasialzeit bekam ich meines Wissens den Schelling nie zu sehen. Die Zeiten, wo er im Georgiischen Gartensaal Vorträge hielt, waren ohnehin längst vorbei. Übrigens war der Schmuck des gedachten Saals bei festlichen Gelegenheiten gar kein so wunderlicher, er bestand in einer kleinen Orangerie und dergleichen an den Wänden umher. – Von den regelmäßigen Gästen, z. B. der Kegelgesellschaft im Garten, machte nur der witzige Haug einigen Eindruck auf mich« (Eduard Mörike, Sämtliche Werke. Briefe, hg. v. Gerhart Baumann u. Siegfried Grosse, Bd. 3, Stuttgart 1959, S. 835).
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Schelling ging darauf ein […].«14 Eine ähnliche Anmerkung zum Ursprung des Vorlesungszyklus äußert der Schelling-Biograph Plitt : »Hierzu ward er [Schelling] veranlaßt durch den Wunsch mehrerer Stuttgarter Freunde, vor allen des Präsidenten von Wangenheim, von ihm selbst in seine Philosophie eingeführt zu werden«.15 Der ›private‹ Charakter des Unternehmens drückt sich auch in einem Schreiben vom 12. Februar, zwei Tage vor Beginn der ersten Vorlesung aus, in dem der Philosoph die von Georgii vorgeschlagene Zusammensetzung der Teilnehmer beklagt : »Die Gesellschaft hätte ich allerdings kleiner und übereinstimmender gewünscht – (von Mehreren, die das überschickte Schreiben nennt, habe ich bisher nichts gewußt) – überhaupt so wenig Förmlichkeit als möglich in der Sache, indem es gar nicht meine Absicht sein kann, mich hier zum Lehrer zu constituiren.«16 Das Titelblatt der Nachschrift gibt elf Namen an, die mit der aus Georgiis Brief entnommenen Liste bei Plitt bis auf eine Ausnahme übereinstimmen.17 Zu den Geladenen gehörten ferner der in Stuttgart ansässige Arzt und Bruder des Philosophen Karl Eberhard Schelling18 sowie der Verleger Johann Friedrich Cotta,19 deren Teilnahme jedoch nicht bestätigt werden kann. 14 SW
VII, S. VI. Plitt II, S. 90.
15 Vgl.
16 Schelling
an E. F. Georgii am 12. 2. 1810 (unten S. 133). Georgii-Nachschrift verzeichnet als Hörer : Karl August von Wangenheim (1773–1850), Constantin Franz Fürchtegott von Neurath (1777–1817), Friedrich von Lindenau (1781–1859), Carl Freiherr von Werneck (1786–1829), Johann Georg August von Hartmann (1764–1849), Johann Christoph Friedrich Haug (1761–1829), Karl Christoph Friedrich von Jäger (1773–1828), Ludwig Storr (1780–1813), Karl Friedrich von Lebret (1764–1829), Georg Reinbeck (1766–1849), E. F. Georgii (1757– 1830) (vgl. unten S. 71). Plitt zählt anstelle von Wernek dagegen Friedrich von Lehr (1780–1854) zum Hörerkreis (vgl. Plitt II, S. 195). Biographische Details zu den einzelnen Teilnehmern finden sich in AA II,8. 18 Vgl. Schelling an E. F. Georgii am 12. 2. 1810 (unten S. 134). 19 Vgl. Schelling an J. F. Cotta am 10. 2. 1810 (Schelling und Cotta. Briefwechsel. 1803–1849, hg. v. Horst Fuhrmans u. Liselotte Lohrer, Stuttgart 1965, S. 41). 17 Die
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Die Vorlesungen waren von Schelling als »philosophisches Gespräch«20 konzipiert, wodurch sie einen praktischen Anspruch erhielten. Nach dem Bericht von K. F. A. Schelling wurde die jeweilige Sitzung mit einem »Vortrag« des Philosophen eingeleitet, welcher eine bestimmte »Thesis« enthielt, woran sich die gemeinsame »Unterredung« anschloß.21 In seinem Brief vom 18. Februar, vier Tage nach dem ersten Kolloquium, äußert sich Schelling kritisch gegenüber Georgii, welcher mit der schriftlichen Dokumentation der Vorträge begonnen hatte : »Ich sehe es ungern, daß Sie durch die Beschäftigung des Aufschreibens dem Antheil an dem Gespräch, was doch immer Hauptabsicht ist, entzogen werden. Auch würde sich ein dogmatischer Vortrag leichter, als ein genetischer, d. h. die eigne innere Thätigkeit des Zuhörers in Anspruch nehmender zu Papier bringen lassen. Beÿ einem solchen Vortrag wird allerdings manches eingemischt, das nur als Erläuterung, Verbindungsmittel dient ; inzwischen geht doch auch durch die Reduktion desselben auf die demonstrative Form manche feinere Nüance, die nachher oft als wesentlich erscheint, und jener geistige Duft verloren, der den lebendigen Zusammenhang des Ganzen unterhält. […] Für mich, für die ganze Gesellschaft würde es äußerst instructiv seÿn, wenn Ew. Hochwohlgeboren, ohne während des Vortrags aufzuschreiben, nachher jede einzelne Unterredung zu Papier bringen wollten, indem hiebeÿ eine eigentlich lebendige Reproduktion durch das Medium Ihres Geistes vorginge, wobeÿ auch der Vortragende allein beurtheilen kann, ob er wirklich verstanden worden.«22 Schelling war es nicht gelungen, Georgii von dem Mitschreiben der Vorlesungen abzubringen, vielmehr bemerkt er noch am selben Abend gegenüber seinem Gastgeber : »Ich lasse den Gründen, (besonders dem einen faktischen), den Ew. Hochwohlgeboren 20 Vgl.
F. W. J. Schelling, Philosophische Entwürfe und Tagebücher 1809–1813. Philosophie der Freiheit und der Weltalter, hg. v. Lothar Knatz, Hans Jörg Sandkühler, Martin Schraven, Hamburg 1994 (im folg. : »Jahreskalender 1809–1813«), S. 44. 21 SW VII , S. VI . 22 Schelling an E. F. Georgii am 18. 2. 1810-1 (unten S. 137 f.).
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für das unmittelbare Aufschreiben anführen, volle Gerechtigkeit widerfahren u. möchte nun vielmehr bitten, daß Sie damit continuiren.«23 Das hatte Georgii getan, der seinen »Aufsatz« zu Beginn der zweiten Vorlesung sogar vortrug.24 Überzeugt hatte der Jurist den Philosophen allerdings nicht, denn noch zu einem späteren Zeitpunkt mußte dieser das Mitschreiben kritisieren.25 Das erste Treffen zu den »philosophischen Kolloquien«, 26 welche einmal die Woche zur Abendzeit stattfinden sollten, erfolgte am 14. Februar 1810. 27 Der Plan für das gemeinsame Vorhaben wurde jedoch nicht realisiert, denn bereits die zweite Zusammenkunft wurde aufgrund einer Erkältungskrankheit Schellings um einen Tag verschoben,28 drei Tage später erfolgte die »Aufkündigung der Unterredungen«.29 Die Gründe hierfür 23 Schelling
an E. F. Georgii am 18. 2. 1810-2 (unten S. 141).
24 Vgl. Schelling an E. F. Georgii am 20. 2. 1810 : »Es wird mir lieb seÿn,
wenn Sie Ihren Aufsatz morgen zuerst vorlesen wollen« (unten S. 143). 25 Vgl. Schelling an E. F. Georgii am 18. 7. 1810 : »Die mir gestern mitgetheilten Bemerkungen zeigen mir, daß es mir noch nicht gelungen ist, mich Ew. Hochwohlgeb. verständlich zu machen. Den größten Theil der Schuld will ich gern auf die Unvollkommenheit meines Vortrags nehmen – einen ganz kleinen hat vielleicht auch das Nachschreiben daran« (unten S. 147). 26 Vgl. Schelling, Jahreskalender 1809–1813, S. 49. 27 Vgl. Schelling an J. F. Cotta am 10. 2. 1810 : »Nächsten Mittwoch Abend fangen die Kolloquien an wenn nichts dazwischen kommt und werden dann regelmäßig an diesem Tag Abends 5. Uhr gehalten« (Fuhrmans/Lohrer, Schelling und Cotta, S. 41) ; vgl. ferner K. A. Wangenheim an Johannes Niederer am 18. 2. 1810 : »Alle Mittwoch giebt er [Schelling] mir u. einigen meiner Freunde eine Uebersicht und Erklärung seines Systems« (Vicki Müller-Lüneschloß, Über das Verhältnis von Natur und Geisterwelt. Ihre Trennung, ihre Versöhnung, Gott und den Menschen. Eine Studie zu F. W. J. Schellings ›Stuttgarter Privatvorlesungen‹ (1810) nebst des Briefwechsels Wangenheim – Niederer – Schelling der Jahre 1809/1810, Stuttgart-Bad Cannstatt 2012, S. 82). 28 Vgl. Schelling an E. F. Georgii am 20. 2. 1810 (unten S. 143) ; sowie Schelling, Jahreskalender 1809–1813, S. 51. 29 Vgl. Schelling, Jahreskalender 1809–1813, S. 51 : »25. Februar bei Georgii \ Aufkündigung der Unterredungen«.
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sind nicht bekannt. Einem Schreiben von Wangenheim an den Religionslehrer Johannes Niederer entnehmen wir bloß, daß die »Vorlesungen […] durch äußere, aber zwingende Umstände unterbrochen« worden waren.30 Es folgte eine Pause von fast fünf Monaten, die erst dadurch beendet wurde, daß Schellings Abreise näher rückte. Mitte Juli des Jahres nahm der Philosoph die Vorlesungsreihe daher wieder auf, um sie in wenigen Tagen zu beenden.31 Die folgenden Vorlesungen fanden am 16., 18., 19., 21., 23. und 24. Juli in kurzer Aufeinanderfolge statt. War der ursprüngliche Plan des »philosophischen Gesprächs« durch die gebotene Eile somit gescheitert ? Von Wangenheim hören wir keine Klagen – ganz im Gegenteil äußert er vielmehr : »Was mir anfänglich ganz fatal war, sehe ich jetzt als ein Glück an. Durch dieses Aufgreifen des rein Wesentlichen kam in das Ganze ein so klarer Zusammenhang, eine so auffallende Consequenz, daß man nun nicht mehr aufhören kann, die Sache im Auge zu behalten u. zu verfolgen. Er [Schelling] hat weniger das System entwickelt, als die Methode, wie er es gefunden hat, u. wie es jeder weiter ausbilden kann. Ich sagte ihm das, und er gestand mir selber, daß er so noch nie gelesen und einer solchen Klarheit noch nie fähig gewesen sey.«32 Schellings Aufenthalt in Stuttgart fällt in die Zeit von Ende Januar bis Anfang Oktober 1810. Von der bayerischen Regierung hatte er sich einen Sonderurlaub erbeten, welcher der Wiederherstellung seiner Gesundheit dienen sollte. Der Grund für die Kränklichkeit des Philosophen lag in der Trauer um seine Frau Caroline, die wenige Monate zuvor, am 7. September 1809, plötzlich an der damals umgreifenden »epidemischen Ruhr mit 30 K. A.
Wangenheim an J. Niederer [Ende Juli 1810] (Müller-Lüneschloß, Natur und Geisterwelt, S. 113). 31 Vgl. K. A. Wangenheim an J. Niederer [Ende Juli 1810] : »Er [Schelling] glaubte in diesen Tagen abreisen zu müssen, und sah sich daher, um sein Wort, uns einen Ueberblick über sein ganzes System zu verschaffen, halten zu können, genöthigt, den Vortrag, den er in voriger Woche wieder begann, in 6 Abende zu drängen« (ebd.). 32 Ebd.
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Nervenfieber« verstorben war.33 Von München, wo er seit dem Frühjahr 1806 mit Caroline zusammen gelebt hatte und zunächst zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt sowie zwei Jahre darauf zum Generalsekretär der neu gegründeten Akademie der bildenden Künste berufen worden war, zog es Schelling jetzt zurück in die schwäbische Heimat. So schrieb er Mitte Januar an Karl Joseph Windischmann : »Ich habe gefühlt, daß ich hier nicht gesund werden kann, und gehe nun mit einem neuen viermonatlichen Urlaub vorerst nach Stuttgart, wo wenigstens die Natur und dem größten Theile nach auch die Menschen anders und menschlicher sind, denn hier. In München könnte man wirklich versauern oder versteinern.«34 Die Reise des Philosophen nach Württemberg blieb nicht ohne Reaktion : Schelling war Stadtgespräch. Sowohl in Tübingen als in Stuttgart hatte sich das Gerücht verbreitet, der Leonberger kehre zurück in sein Heimatland. Am 31. Dezember des Jahres 1809 schrieb Karl Eberhard an seinen Bruder : »In Tübingen soll allgemein die Sage gehen, du werdest hier angestellt. Ich weiß nicht, woher sie nähren mag, und auf welche Art so etwas verlautet ist. Wenns Krieg werden will, so spielen die Kinder vorher das Kriegsspiel ; ich wollte die Sage sollte so auch Ernst werden ; nec est, quod desperandum.«35 Nur wenige Tage später, am 5. Januar, war das Gerücht aus der Universitätsstadt des Landes bis nach Stuttgart vorgedrungen : »Unter den Leuten hier herrscht nun schon auch die Sage, du werdest hier angestellt, du kommest deßwegen wieder hirher. Ich schreibe dir dieses nur, damit du, wenn du es für richtig hälst, in München noch selbst die Sache widerlegen kannst, da es nicht unmöglich wäre, daß das Gerücht auch bis dorthin dränge.«36 Der Hamburger Diplo 33 Vgl.
Schelling an Louise Gotter am 24. 9. 1809 (Plitt II, S. 173). 34 Schelling an K. J. Windischmann am 14. 1. 1810 (Plitt II , S. 188). Vgl. auch Schelling an Pauline Gotter am 12. 2. 1810 (Plitt II, S. 192). 35 K. E. Schelling an Schelling am 31. 12. 1809 (Archiv der BBAW, NL Schelling, Nr. 622). 36 K. E. Schelling an Schelling am 5. 1. 1810 (Archiv der BBAW, NL Schelling, Nr. 864).
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mat Karl Sieveking wußte bald darauf Ähnliches zu berichten : »Seit zwei Monaten weilt auch Schelling hier, der als Mitglied einer neuen württembergischen Akademie genannt wird«.37 Die Anstrengungen für eine Berufung des Philosophen an die Universität Tübingen sollten ein gutes Jahr später tatsächlich konkret werden, als Wangenheim, inzwischen zum Präsidenten der Oberstudienkommission und Kurator der dortigen Lehranstalt bestellt, den von ihm geschätzten Philosophen als Nachfolger von Jacob Friedrich von Abel vorschlug.38 Das Vorhaben scheiterte jedoch am Widerstand von König Friedrich, der die Reaktion der »Theologen und ihrer zahlreichen Anhänger« fürchtete39 und »keinen Atheisten in T[übingen] haben« wollte.40 Gegenüber Georgii, der den Philosophen durch Wangenheims Vorstoß kompromittiert sah, äußerte sich Schelling im Januar 1812 zu der Affäre, indem er dem väterlichen Freund erläuterte, weder »eine solche Stelle in W[ürttemberg] gesucht« noch »einen solchen Ruf annehmen zu wollen«, erklärt zu haben.41 Die Bekanntschaft jener Stuttgarter, die ihn schließlich um eine Einführung in sein philosophisches System bitten sollten, hatte Schelling mit Ausnahme von Georgii, der offensichtlich ein langjähriger Freund der Familie war,42 vermutlich einige Jahre zuvor gemacht. Im Sommer 1803 äußert er etwas spöttisch 37 Gustav
Poel, Bilder aus vergangener Zeit nach Mittheilungen aus grossentheils ungedruckten Familienpapieren. Bilder aus Karl Sieve kings Leben, Teil 2,1, Hamburg 1887, S. 105. 38 Vgl. K. A. Wangenheim an König Friedrich I. von Württemberg am 15.11.1811 (Max Miller, Um die Berufung von F. W. J. Schelling an die Universität Tübingen, in : Zeitschrift für Württembergische Landes geschichte, 13. Jg. 1954, S. 323–325. – S. 324 f.). 39 Vgl. König Friedrich am 16. 11. 1811 (a. a. O., S. 325). 40 Elisabeth Friederike Caroline Paulus und Heinrich Eberhard Gottlob Paulus an Georg Wilhelm Friedrich Hegel [Sommer 1812] (G. W. F. Hegel, Briefe von und an Hegel, Bd. 1, hg. v. Johannes Hoffmeister, Hamburg 1952, S. 411). 41 Schelling an E. F. Georgii am 14. 1. 1812 (Plitt II, S. 277–282. – S. 278). 42 Der Name von Georgii fällt erstmals in einem Brief von Schelling an seinen Vater vom 25. 6. 1798 (vgl. AA III,1, S. 169).
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gegenüber Hegel : »Sonst bin ich in Stuttg[art] auch in einigen Philistergesellschaften gewesen, – einer Art von Kränzchen, wo mich Haug eingeführt hat, dessen Bekanntschaft ich auch gemacht habe. Es sind doch übrigens sämtlich recht behagliche Leute, besonders die Regierungsräte, welche mir ohngefähr die gebildetsten Stuttgarter scheinen«.43 Die Hörer der Privatvorlesungen waren im gehobenen Staatsdienst tätig : Georgii und Neurath gehörten dem Oberjustizkollegium an, während Wangenheim, Hartmann und Werneck zu diesem Zeitpunkt beim Finanzministerium beschäftigt waren. Neben den beiden Hofärzten Jäger und Storr, die auch naturwissenschaftliche und -philosophische Interessen verfolgten, waren die literarischen Künste durch die Dichter und Bibliothekare Haug, Reinbeck, Lebret und Lehr vertreten. Was die Stuttgarter Gesellschaft trotz ihrer Verschiedenheit in Beruf und Alter miteinander verband, war die allgemeine Politikverdrossenheit, die sich in den führenden geistigen Kreisen Württembergs angesichts des Untergangs des Ständestaats und der Verbreitung des napoleonischen Herrschaftsgeistes ausgebreitet hatte. Der von seinen Ämtern im Jahre 1805 aus Protest zurückgetretene Georgii erregte mit der anonym erschienenen Schrift »Anti-Leviathan« Aufsehen, in welcher der Staat als »provisorische Anstalt« herabgewürdigt wird.44 Die in dem Systementwurf enthaltenen staatskritischen Äußerungen Schellings trafen vermutlich den Nerv der Zeit und dürfen nach der Einschätzung des Historikers Erwin Hölzle »dieser Abwendung vom Staate den beredtesten Ausdruck« verliehen haben.45 Georgii, Hartmann, Haug und Jäger hatten außerdem an der »Hohen Karlsschule« studiert bzw. 43 Schelling an G. W. F. Hegel am 11. 7. 1803 (Hegel, Briefe, Bd. 1, S. 70 ;
Plitt I, S. 467). 44 [Eberhard Friedrich Georgii], Anti-Leviathan oder über das Verhältniß der Moral zum äussern Recht und zur Politik, Göttingen 1807, S. 45, 153. 45 Erwin Hölzle, Württemberg im Zeitalter Napoleons und der Deutschen Erhebung. Eine deutsche Geschichte der Wendezeit im einzelstaatlichen Raum, Stuttgart u. Berlin 1937, S. 141.
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gelehrt. Wangenheim, Haug und Reinbeck schrieben für Cottas »Morgenblatt«. Auch bestand bei einigen der Hörer eine nicht unkritische Neugier gegenüber übersinnlichen Phänomenen, wie z. B. dem »tierischen Magnetismus«, welche die Romantik hervorgebracht hatte.46 Zu den Interessen dieser illustren Gesellschaft gehörte aber noch ein weiteres Modethema jener Zeit : die Pestalozzische Erziehungsmethode. Der Briefwechsel zwischen Schelling und Georgii erwähnt die Namen des schweizerischen Reformpädagogen Johann Heinrich Pestalozzi und seines Assistenten Johannes Niederer. Auf eine Anfrage des Juristen reagierte der Philosoph jedoch ablehnend : »Wie sich meine Ueberzeugungen zu Pestalozzi verhalten, ist mir bis jetzt fast unbekannt. Von meiner Seite hat noch keine Berührung stattgefunden, auch halte ich gern alles mir fern, was nicht meines Amtes ist, d. h. was nicht unmittelbar in den Kreis des Geschäftes eingreift, für welches ich mich berufen und bestimmt glauben darf. Das einstimmige Zeugnis glaubhafter Männer versichert mich übrigens, daß P[estalozzi] ein wesentlich religiöses Gemüth sei : von Herrn Niederer muß ich, zufolge meiner Seelenkunde, nach Einigem, was ich von ihm gelesen, das Nämliche glauben. Gehen wir nun zusammen, so kämen wir auch ohne die hiesige Veranlassung zusammen, wie es nach Ihrer Erwähnung durch Niederer bereits geschehen ist ; passen wir nicht, so kann das hiesige Experiment in der Hinsicht keinen Schaden anstiften.«47 Niederer wollte in der Schellingschen Naturphilosophie und der Pestalozzischen Pädagogik ähnliche Strukturen erkennen, die sich in der Gesetzmäßigkeit des Entfaltungsprozesses der Natur einerseits und des Entwicklungsgangs der Menschheit andererseits niederschlagen.48 Bereits im Sommer 1809, als sich Schelling mit Caroline in 46 Zu
Georgiis Bericht von »Geistererscheinungen« sowie Wangenheims und Hartmanns Experimentierfreudigkeit im Anschluß an die Lektüre von Kerners »Seherin von Prevorst« vgl. Müller-Lüneschloß, Natur und Geisterwelt, S. 55–57. 47 Schelling an E. F. Georgii am 12. 2. 1810 (unten S. 133). 48 Vgl. J. Niederer an Unbekannt am 11. 2. 1807 : »Schelling sagt (Vor
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Stuttgart aufhielt, hatte Wangenheim versucht, den Philosophen mit der Methode bekannt zu machen.49 Der gewünschte Erfolg blieb jedoch aus, und alle weiteren Bemühungen, Schelling für die neue Erziehungslehre zu gewinnen, scheiterten mehr oder weniger.50 Ähnliches galt für den konservativen und religiösen rede zu den Jahrbüchern der Medizin), wie es eine Natur ist, die alle Dinge erzeugt und hervortreibt und in ihrer Freiheit allgewaltig beherrscht, so muß es eine den Menschen göttlich überwältigende Grundanschauung und Ansicht des Geistes sein, aus welcher alles, was göttlicher Art ist, in Wissenschaft und Kunst hervorgeht ; was nicht aus dieser entspringt ist eitel, ist Artefakt, ist menschliches, nicht Naturwerk« (Israel, August : Pestalozzi-Bibliographie. Die Schriften und Briefe Pestalozzis nach der Zeitfolge. Schriften und Aufsätze über ihn nach Inhalt und Zeitfolge, Bd. 3. (= Schriften und Aufsätze über Pestalozzi), Berlin 1904, S. 600) ; ferner J. Niederer an Schelling am 7. 3. 1810 : »Möchte es dem Organ, das die wirkenden Kräfte in der Natur, den Gang, die Gesetze und den Zusammenhang ihrer Erscheinungen mit so bewunderungswürdigen Scharfsinn enthüllte, gefallen, sich eben so auf die in der Entwicklung des Menschen wirkenden Kräfte zu richten, und uns ihren Gang, die Gesetze und den Zusammenhang ihrer Erscheinungen zu offenbahren […]« (Müller-Lüneschloß, Natur und Geisterwelt, S. 114). 49 Vgl. K. A. Wangenheim an J. Niederer am 24. 9. [1809] ; ferner Schreiben am 18. 2. 1810 : »Schelling, der jetzt wieder hier ist u. bis zum May bey uns bleibt, geht jetzt tiefer u. lieber, wie es mir scheint, in unsere Ideen ein« (Müller-Lüneschloß, Natur und Geisterwelt, S. 78 ; S. 80). 50 So besuchte Schelling z. B. die von Wangenheim begründete kleine Versuchsschule, in welcher nach der Erziehungslehre Pestalozzis unterrichtet wurde (vgl. Schelling, Jahreskalender 1809–1813, S. 50 : »16. Februar Vormittags bei Wangenheim, sein Pestalozzisches Institut zu sehen«) ; vgl. dazu K. A. Wangenheim an J. Niederer am 18. 2. 1810 : »Nachdem wir mehreremahle über die Methode gesprochen u. debattirt hatten, kam er selber auf den Gedanken : er merke wohl, man müsse über die Sache nicht blos lesen u. hören, sondern man müsse auch sehen u. er wolle kommen. Und so war denn dieser Treffliche heute den ganzen Morgen da. Er ging, sichtbar ergriffen, dankend aus der Schule, um – morgen wieder zu kommen. Singübungen, Formenlehre, Zahlenverhältniße, Buch der Mütter wurde aus allen Klassen vor ihm getrieben. Morgen will er den Sprachübungen nach Muralt und der, von mir so genannten, Erzählungsstunde beywohnen, die mir die Religions-
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eorgii, der sich Wangenheims Ideen nur skeptisch näherte. Ein G allgemeiner Kritikpunkt an der Pestalozzischen Methode ging deren Umgang mit dem Religionsunterricht an – eine Frage, die auch Georgii stark beschäftigte. So antwortete Schelling dem Juristen : »Uebrigens werden Ew. Hochwohlgeboren durch Ihre Theilnahme das Meiste zu einer erwünschten Richtung des Gesprächs, auch in Rücksicht auf den wichtigen Punct, den Sie in Ihrem Briefe berühren, beitragen können, und ich bitte Sie besonders auch in dieser Beziehung, die Veranlassung zu jeder Erläuterung zu geben, welche die Sache der Religion oder des öffentlichen Unterrichts fördern zu können scheint«.51 Die Pesta lozzische Methode hatte zu Beginn des 19. Jh. ein neugieriges Interesse in den intellektuellen Kreisen hervorgerufen, was sich auch daran zeigt, daß mehrere von Schellings Hörern in Verbindung zu Pestalozzi standen.52 Die Bemühungen von Wangenheim, der sich für die Etablierung der Pestalozzischen Methode in Württemberg einsetzte und zu diesem Zweck auch Schelling für die neue Erziehungslehre zu gewinnen hoffte, gipfeln schließlich in einem Briefwechsel zwischen dem Philosophen und Niederer vom Frühjahr 1810.53
stunden vorbereitet oder, wenn Sie wollen, giebt« (Müller-Lüneschloß, Natur und Geisterwelt, S. 81). 51 Schelling an E. F. Georgii am 12. 2. 1810 (unten S. 133 f.). 52 In Kontakt mit Pestalozzi oder seinen Assistenten standen neben Wangenheim auch Lindenau und Lehr ; Hartmanns Tochter Emilie (die spätere Gattin Reinbecks) unterrichtete außerdem in Wangenheims Schule (vgl. Müller-Lüneschoß, Natur und Geisterwelt, S. 126, 51, 60). 53 Vgl. J. Niederer an Schelling am 7. 3. 1810 sowie Schelling an J. Niederer am 12. 4. 1810 (Müller-Lüneschoß, Natur und Geisterwelt, S. 114– 119).
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III. Schellings »Jahreskalender« legt offen, welche Texte der Philosoph zur Vorbereitung der Privatvorlesungen studierte.54 Erwähnt werden verschiedene Schriften des evangelischen Theologen, Pfarrers und Mediziners Friedrich Christoph Oetinger,55 unter denen sich auch eine Übersetzung aus den Werken des schwedischen Wissenschaftlers und Visionärs Emanuel Sweden borg befand, Werke von Oetingers Schüler Philipp Matthäus Hahn, ebenfalls Theologe, Pfarrer und zudem Mechaniker, ferner Texte des aus Zürich stammenden philosophisch-theologischen Schriftstellers und Pfarrers Johann Caspar Lavater.56 Von Oetinger las Schelling die kabbalistische Schrift »Die Lehrtafel der Prinzessin Antonia«,57 den alchemistisch-theosophisch ausgerichteten Text »Metaphysic und Chemie«58 sowie die Mitteilungen aus der Geisterwelt verkündende Schrift »Swedenborgs und anderer Irrdische und himmlische Philosophie«59. Durch diese Texte kam der Philosoph mit weiteren Autoren aus der Theosophie und Mystik in Berührung. Zu Oetingers Tätig54 Vgl.
Schelling, Jahreskalender 1809–1813, S. 44–47. 55 Eine Übersicht der wesentlichen Studien, welche sich mit den Einflüssen von Oetinger in Schellings Philosophie beschäftigt haben, findet sich in : Henry Francis Fullenwider, Friedrich Christoph Oetinger. Wirkungen auf Literatur und Philosophie seiner Zeit, Göppingen 1975, S. 92–100. 56 Eine Bibliographie der im folgenden zitierten und nicht immer einfach zu identifizierenden sowie zugänglichen Werke des württembergischen Pietismus findet sich in : Die Werke der württembergischen Pietisten des 17. und 18. Jahrhunderts. Verzeichnis der bis 1968 erschienenen Literatur, bearbeitet v. Gottfried Mälzer, Berlin/New York 1972. 57 Friedrich Christoph Oetinger, Öffentliches Denckmahl Der LehrTafel einer weyl. Würtembergischen Princeßin Antonia […], Tübingen 1763. 58 Halophilo Irenäo Oetinger, Die Metaphysic in Connexion mit der Chemie, […], Schw. Hall [1770]. 59 Friedrich Christoph Oetinger, Swedenborgs und anderer Irrdische und himmlische Philosophie, Zur Prüfung des Besten ans Licht gestellt, Frankfurt u. Leipzig 1765.
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keit gehörte vornehmlich das Sammeln, Übersetzen und Vergleichen seltener Manuskripte, die er bei seinen Reisen durch Deutschland und ins benachbarte Holland ausfindig machte. Durch seine Übersetzungen der Werke Schwedenborgs und die wiederholten Darstellungen der Lehre Jacob Böhmes60 wurde der Schwabe ferner zu einem wichtigen Vermittler dieser Autoren für Schelling. Dementsprechend stellt auch die »Lehrtafel der Prinzessin Antonia« kein eigentliches Werk Oetingers dar. Sie ist vielmehr eine Hommage an das auf Anregung der Prinzessin Antonia von Württemberg sowie ihrer theologischen Lehrer Mitte des 17. Jh. angefertigte Gemälde, das sich seit dem Jahre 1673 in der Dreifaltigkeitskirche in Bad Teinach befindet. Dieses zeigt die zehn Sephirot, welche nach der kabbalistischen Lehre die zehn Ausgänge oder Abglänze Gottes symbolisieren, durch welche sich die Schöpfung vollzieht, und sollte die jüdische Mystik dem Gelehrtenpublikum in Deutschland bekannt machen. Das Kernstück der »Lehrtafel« bilden die »Summarien aus Oetingers Philosophen-Manuskript zur Gegenüberstellung von hebräischer und zeitgenössischer Philosophie«, das in seiner Vollständigkeit den zweiten Teil von Oetingers »Swedenborg« bildet.61 Für Schellings Kabbala-Kenntnisse besonders hervorzuheben ist Oetingers Exzerpt aus der im Jahre 1727 von dem italienischen Kabbalisten Immanuel Chai Ricchi ben Abraham verfaßten Schrift »Mischnat Chassidim« (= »Buch der Lehre der Frommen«), welche eine populäre Darstellung der kabbalistischen Lehren 60 Bei seinen Kabbala-Studien wurde Oetinger von dem Frankfurter
Kabbalisten Koppel ben Seligman Hecht KaZ auf die Schriften Böhmes hingewiesen, der mit seiner Lehre »über alle Kabbala« stehen sollte. Zu Oetingers Böhme- und Kabbala-Studien vgl. Martin Weyer-Menkhoff, Christus, das Heil der Natur. Entstehung und Systematik der Theologie Friedrich Christoph Oetingers, Göttingen 1990, S. 39–58. – S. 54 f. 61 Vgl. Friedrich Häussermann, Einführung, in : Friedrich Christoph Oetinger, Die Lehrtafel der Prinzessin Antonia, hg. v. Reinhard Breymayer u. Fr. Häussermann, Teil 1 : Text, Berlin/New York 1977, S. 31–50. – S. 31 f.
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des Rabbi Isaak Luria ben Solomon beinhaltet. Diese Schrift stellt die Zusammenfassung eines Manuskripts dar, das Oetinger ebenso besaß : eine Handschrift von Lurias Schüler Chajjim Vital ben Joseph Calabrese mit dem Titel »Ez chajjim« (= »Buch vom Lebensbaum«), das neben einer systematischen Darstellung der lurianischen Kabbala auch authentisches Material von Luria enthielt.62 Dieser hatte u. a. den Begriff von der Zusammenziehung (»zimzum«) des Urgrundes (»AEn Soph«) und damit die Vorstellung einer Selbstverleugnung und Selbstbegrenzung des Absoluten zur Ermöglichung der Schöpfung geprägt, die zuerst in Schellings »Stuttgarter Privatvorlesungen« in Erscheinung tritt und dann im ersten Buch der »Weltalter« weiter ausgeführt wird. Von Swedenborg besaß Schelling mehrere Schriften aus der Übersetzung Oetingers sowie aus den 1830er Jahren.63 Das wohl bekannteste und einflußreichste, bald der Zensur unterlegene Werk »Swedenborgs und anderer Irrdische und himmlische Philosophie«, mit dem Oetinger die eschatologische Lehre des schwedischen Visionärs einem breiteren Publikum vorstellen wollte, studierte Schelling während der Arbeit an den »Philosophischen Untersuchungen«64 und den »Stuttgarter Privatvorlesungen« in den Jahren 1809 und 1810.65 Es umfaßt zwei Teile, von denen der erste eine Auswahl aus dem ersten Band von Swedenborgs visionärem Hauptwerk »Arcana Coelestia« (= »Himmlische 62 Vgl.
Oetinger, Lehrtafel, Teil 2 : Anmerkungen, S. 132–135 sowie erklärende Anm. 15 und 17, S. 155 f. 63 Vgl. Schellings Bibliothek. Die Verzeichnisse von F. W. J. Schellings Buchnachlaß, hg. v. Anna-Lena Müller-Bergen, Stuttgart-Bad Cannstatt 2007. Zu den Einflüssen Swedenborgs in Schellings Philosophie vgl. Friedemann Horn, Schelling und Swedenborg. Ein Beitrag zur Problemgeschichte des deutschen Idealismus und zur Geschichte Swedenborgs in Deutschland […], Zürich 1954. 64 F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freyheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände, in : F. W. J. Schelling’s philosophische Schriften, Bd. 1, Landshut 1809. 65 Vgl. Schelling, Jahreskalender 1809–1813, S. 12 f. u. 45.
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Geheimnisse«)66, einer achtbändigen Exegese des ersten und zweiten Buchs Mose, beinhaltet,67 welchem ein kurzer Auszug aus Swedenborgs naturphilosophischem Hauptwerk »Principia rerum naturalium« vorangestellt wird.68 Der ›himmlischen Philosophie‹ des ersten Teils, welche »Gehörtes und Gesehenes« aus dem Geisterreich verkündet, folgt im zweiten Teil die ›irdische Philosophie‹, welche vielmehr eine Apologie Böhmes darstellt, als welche das ganze Buch ursprünglich auch geplant war. Dazu werden die Systeme der zeitgenössischen Aufklärungsphilosophie im Licht der Heiligen Schrift und im Vergleich mit der Mystik des »teutschen Philosophen« betrachtet, was dem Zweck der Rechtfertigung Böhmescher »Orthodoxie« geschuldet war, die der lutherische Theologe und Begründer des Pietismus Philipp Jakob Spener einst eingefordert hatte.69 Die Schrift »Metaphysic und Chemie« umfaßt zwei Teile, von denen der erste alchemistische Ausführungen zur empirischen Chemie beinhaltet, worauf im zweiten eine Gliederung der Meta physik in die vier Abschnitte Ontologie, Psychologie, Kosmo66 Emanuel
Swedenborg, Himmlische Geheimnisse, welche in der Heiligen Schrift oder in dem Worte des Herrn enthalten, und nun enthüllt sind. Aus der lateinischen Urschrift übersetzt von Johann Friedrich Immanuel Tafel, 16 Bde, Basel u. Ludwigsburg 1867–1869. 67 Oetinger übersetzte lediglich die »Memorabilia« oder Berichte aus der Geisterwelt und ließ Swedenborgs Schriftauslegung außer acht. Die Konkordanz zwischen Oetingers Übersetzung und dem lateinischen Original findet sich in : Friedemann Stengel, Aufklärung bis zum Himmel. Emanuel Swedenborg im Kontext der Theologie und Philosophie des 18. Jahrhunderts, Tübingen 2011, S. 557–565. – S. 559. 68 Vgl. Erich Beyreuther, Einführung in Oetingers ›Swedenborgs und Anderer irdische und himmlische Philosophie‹, in : Fr. Chr. Oetinger, Swedenborgs irdische und himmlische Philosophie, hg. v. Karl Christian Eberhard Ehmann, eingeleitet und neu hg. v. E. Beyreuther, Stuttgart 1977, S. XXIX–XLVI. 69 Zu Entstehung und Aufbau von Oetingers Swedenborg-Buch vgl. Ernst Benz, Swedenborg in Deutschland. F. C. Oetingers und Immanuel Kants Auseinandersetzung mit der Person und Lehre Emanuel Swedenborgs, Frankfurt a. M. 1947, S. 15–33.
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logie und Theologie folgt. In dieser von Böhmes und Swedenborgs Schriften sowie kabbalistischen Elementen durchzogenen Darstellung greift Oetinger u. a. das Verhältnis der Natur zu Gott und die Lehre vom »doppelten Fall« wieder auf. Schellings Bücherverzeichnis belegt, daß der Philosoph verschiedene Schriften seines Landsmanns Oetinger besaß,70 um deren Beschaffung er seine Eltern und den pietistischen Pfarrer Christian Gottlob Pregizer in den Jahren 1802,71 180672 und 180973
70 »Schellings Bibliothek« verzeichnet ca. 20 Schriften von Oetinger. 71 Vgl. Schelling an Gottliebin Maria und Joseph Friedrich Schelling
am 8. 7. 1802 : »Ferner habe ich ein Verlangen, erstens die Ploucquetschen philos. Schriften, besonders seine Logik u. Metaph[ ysik], ferner über die Monadenlehre, Bilfingers Dilucidationen, und dann zweytens einige der vorzüglichsten, am meisten philo- und theosophischen, Schriften von Oetinger zu besitzen« (AA III,2. S. 442). 72 In dem Schreiben an seinen Vater vom 7. 9. 1806 bittet Schelling diesen und Pregizer um die Beschaffung verschiedener Schriften Oetingers für seinen Freund Franz von Baader, dem er hinzusetzt : »Einige der bemerkten Bücher sind in Ihrer Bibliothek ; diese aber wollte ich mir für mich selbst ausbitten, wenn sie Ihnen entbehrlich sind und Bruder Karl sie nicht zu sich genommen hat« (Plitt II, S. 101). 73 Vgl. Chr. G. Pregizer an Schelling am 31. 10. 1809 : »Ich war damals sehr vergnügt, daß ich mich Ihnen in Absicht auf meine Schriftideen, zu welchen mir auch der grose Oetinger durch Seine mündliche und schriftliche Zeugnisse verhalf, decouvriren konnte und durfte, und ein so angenehmes Echo aus Ihrem belehrenden Munde bekam. Es ist mir noch wohl erinnerlich, daß wir damals Vieles von Oetinger und Böhm, den zween ächt aufgeklärten Zeugen und Herolden der göttlichen Wahrheit sprachen. \ Es ist mir nun sehr erfreulich, daß Sie mich nach 6 Jahren schriftlich versichern, wie theuer Ihnen Oetingers Schriften seyen. […] – Ich stimme mit voller Überzeugung Ihrer Behauptung bey : \ ›die Zeit ist nahe, wo Vieles allgemeiner, lebendig und bestimmt wird eingesehen werden, was Oetinger für Seine Person vorlängst eingesehen.‹ – \ Ich bin sehr erfreut, daß ich Ihren mir schriftlich geäusserten Wünschen, mehrere Schriften von Oetinger zu bekommen, vergnüglich entsprechen kan.« (Gotthold Müller, Christian Gottlob Pregizer (1751– 1824). Biographie und Nachlass, Stuttgart 1962, S. 496–499. – S. 497 ; Plitt II, S. 178–182. – S. 179).
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gebeten hatte. Neben den angeforderten Werken74 hatte P regizer an Schelling außerdem auf dessen Wunsch hin ein Verzeichnis der Oetingerschen Schriften75 geschickt und ihn im Hinblick auf seine Anfrage zwei Manuskripte76 aus Oetingers Nachlaß genannt sowie »ein sehr rares Manuscript, daß Niemand im ganzen Land besitzt« beigelegt. Zuletzt wies er ihn auf den »HirtenBrief«77 des preußischen Staatsmanns Heinrich Christian Kurt Graf von Haugwitz hin – ein Kompendium des Böhmeschen und Oetingerschen Systems, aus dem Schelling umfangreich exzerpiert hat.78 Oetingers Werk zeichnet sich nicht durch die Ausbildung eines eigenen Systems aus, es präsentiert sich vielmehr als eine unvoreingenommene Sammlung und Betrachtung der unterschiedlichsten theosophischen Schriften. Charakteristisch für 74 Schelling
hatte die folgenden vier Werke Oetingers durch Pregizer erhalten : die dreiteilige Schrift Die Güldene Zeit […], Frankfurt u. Leipzig 1759–1761 ; die zweiteilige Schrift Die Philosophie der Alten […], Frankfurt u. Leipzig 1762 ; Inbegriff der Grundweisheit […], Frankfurt u. Leipzig 1774 ; Spiegel Einer Kinder- und Exempel-Bibel […], in : Historisch Moralischer Vorrath von Catechetischen Unterweisungen […], Tübingen 1762. 75 Als die »interessantesten« Schriften Oetingers hebt Pregizer die folgenden hervor : Theologia ex idea vitæ deducta […], Frankfurt u. Leipzig 1765 ; Historisch Moralischer Vorrath […] ; Biblisches und Emblematisches Wörterbuch, […], o. O. 1776 ; Lehrtafel. Diese Schriften sind mit Ausnahme der zweiten alle in »Schellings Bibliothek« verzeichnet. 76 Hierbei handelt es sich um Oetingers Autobiographie, die Schelling laut Bücherverzeichnis als Manuskript besaß, welche jedoch bereits zu Lebzeiten Oetingers publiziert und später mehrfach ediert wurde (vgl. Fr. Chr. Oetinger, Genealogie der reellen Gedancken eines Gottes-Gelehrten. Eine Selbstbiographie, hg. v. Dieter Ising, Leipzig 2010, S. 214–219 ; sowie die Schrift »de Corporatismo S. Scripturae« (konnte nicht nachgewiesen werden ; vgl. Anm. 56). 77 [Christian August Heinrich Curt von Haugwitz], Hirten-Brief an die wahren und ächten Freymäurer alten Systems, [Leipzig] 1785. 78 Vgl. das Manuskript aus dem Berliner Schelling-Nachlaß »Collectanea eigner und fremder Gedanken« (Archiv der BBAW, NL Schelling, Nr. 76).
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das Denken des Schwaben ist die starke Betonung der körper lichen Seite der Schöpfung bzw. der Natur, die ihn zu einem späten Repräsentanten der barocken »emblematischen Theologie« werden läßt, welche sich um die Abbildung des ›Geistigen‹ im ›Sinnlichen‹ bemühte. Mit dem pietistischen Pfarrer Ph. M. Hahn war Schelling als Kind noch persönlich bekannt geworden. Diese Begegnung hatte ihn zutiefst beeindruckt,79 so daß er anläßlich des Todes von Hahn am 2. Mai 1790 ein Gedicht auf dessen Hinscheiden verfaßte.80 Von den »Eines ungenannten Schriftforschers Vermischte theologische Schriften«81 enthalten die Bände eins und vier die Niederschrift von Erbauungsstunden, welche Hahn für die weiblichen Angehörigen seiner Gemeinde in Kornwestheim veranstaltet hatte ; die Bände zwei und drei behandeln die »Lehre« und »Reden Jesu«. Parallelen zur Schellingschen Philosophie weisen insbesondere die Band eins angeschlossenen »Etliche Aufsätze von GOttes Dreyeinigkeit und von der Versöhnung« auf, welche neben der Trinität auch die Lehre vom »doppelten Fall« thematisieren und aus denen der Philosoph umfangreich exzerpierte.82 Dasselbe gilt für die Band vier angeschlossene Schrift »Gedanken vom Himmel«83, die eschatologische Fragen und eine christliche Unsterblichkeitslehre behandelt. 79 Vgl.
Schelling an Gotthilf Heinrich Schubert am 4. 4. 1811 : »Ich habe diesen großen Mann auch als kleiner Knabe mit geheimer, unverstandener Ehrfurcht gesehen ; und sonderbar genug, mein erstes Gedicht, deren ich in meinem Leben wenige gemacht, war auf seinen Tod. Nie werde ich seinen Anblick vergessen.« (Plitt II, S. 251 f.). 80 F. W. J. Schelling, Elegie bei Hahn’s Grabe gesungen, in : Der Beobachter. Wochenschrift politisch-moralisch-satyrischen Inhalts, Jg. 3, Bd. 1 (Nr. 38), Stuttgart (11. 5.) 1790, S. 450 f. (AA I,1, S. 31–45). 81 Philipp Matthäus Hahn, Eines ungenannten Schriftforschers vermischte Theologische Schriften, 4 Bde., Winterthur 1779–1780. 82 Ph. M. Hahn, Etliche Aufsätze von GO ttes Dreyeinigkeit und von der Versöhnung […], Winterthur 1779. 83 Ph. M. Hahn, Gedanken vom Himmel. Von dem Verfasser der vermischten theologischen Schriften. Zum vierten Band gehörig, Winterthur 1780.
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Den jenseitigen Daseinszustand des Menschen beleuchten auch die in Briefform verfaßten, ursprünglich als ein »Gedichte von dem zukünftigen Leben« konzipierten »Aussichten in die Ewigkeit« Lavaters.84 Die eschatologischen Ausführungen, die durch Lavaters Auseinandersetzung mit den Schriften des Naturforschers Charles Bonnet geprägt sind,85 weisen Parallelen zu Hahns Unsterblichkeitslehre auf. Beiden Autoren ist eine Betonung der leiblichen Seite des Menschen gemein. Der Name Jakob Böhme fällt in Schellings Briefen erstmals im Jahre 1802, als der Philosoph den mit ihm befreundeten A. W. Schlegel bittet, ihm die Quartausgabe der Werke Böhmes zu besorgen, da ihm die in seinem Besitz befindliche Oktavausgabe »wirklich unlieb« geworden war.86 In den Besitz des gesuchten Opus kam Schelling offensichtlich durch Windischmann, bevor ihm selbiges jedoch bald wieder verlustig wurde.87 Denn einem Schreiben an den Naturphilosophen G. H. Schubert vom Mai des Jahres 1809, in dem der Philosoph seine Anfrage nach der Quartausgabe erneut formuliert, ist zu entnehmen, daß Schelling die zwischenzeitlich erworbenen Schriften an Franz Baader verschenkt hatte, welcher »schon so lange darnach geschmachtet hatte«.88 Für das Interesse an den Schriften Böhmes scheint der Philosoph und Naturwissenschaftler Baader, mit dem Schelling seit dem Jahre 1806 bekannt war, keine unbedeutende Rolle gespielt zu haben. Nach den Angaben Schellings besaß der neue Freund »viele seltene Bücher über Theosophie 84 Johann
Caspar Lavater, Aussichten in die Ewigkeit, in Briefen an Herrn Joh. Georg Zimmermann, königl. Großbrittannischen Leibarzt in Hannover, 4 Teile, Zürich 1768–1778. – Teil 1, S. 3 (Ausgewählte Werke, Bd. 2, S. 5). Vgl. auch Schelling, Jahreskalender 1809–1813, S. 45–47. 85 Zur Entstehungsgeschichte des Textes vgl. Ursula Caflisch-Schnetz ler, Einführung, in : Lavater, Ausgewählte Werke, Bd. 2, S. XVIII–XXII. 86 Schelling an A. W. Schlegel am 16.7.1802 (AA III ,2, S. 445). 87 Vgl. Schelling an K. J. Windischmann am 25. 2. 1804 (F. W. J. Schelling, Briefe und Dokumente, hg. v. Horst Fuhrmans, Bd. III, Bonn 1975, S. 53). 88 Schelling an G. H. Schubert am 27. 5. 1809 (BuD III , S. 611).
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und Magie«.89 Und hatte Baader seinen Amtskollegen zu Diskussionen über Böhme angeregt,90 so war er durch Schelling auf die Schriften Oetingers hingewiesen worden.91 Schellings Interesse für die beiden Theosophen dokumentiert bereits das Gespräch mit Pregizer aus dem Jahre 1803,92 eine erste Berührung mit dem Gedankengut von Böhme kam bereits im Jahre 1799 durch den Dichter Ludwig Tieck zustande.93 Hinweise auf konkrete Schriften Böhmes liegen keine vor, Schellings »Jahreskalender« dokumentiert in den Jahren 1809 und 1813 nur zweimal das Kürzel »J. B.«.94 Ein genuines Studium der Werke Böhmes von Schelling bleibt fraglich,95 vielmehr kann eine Rezeption dieses Autors durch die Darstellungen Oetingers und den auf Anregung Pregizers studierten »Hirten-Brief« angenommen werden. Anregungen aus dieser Lektüre empfing Schelling angesichts 89 Schelling
an K. J. Windischmann am 7. 8. 1809 (Plitt II, S. 166). Schlegel bemerkt in seinem Schreiben an Sulpiz Boisserée am 19. 12. 1810, daß Schelling »seit einiger Zeit Baader sehr nach dem Munde redet«, und schließt daran an : »Baader lebt ganz in Jakob Böhme« (Sulpiz Boisserée, Briefwechsel/Tagebücher [Reprografie der Erstauflage von 1862], Göttingen 1970, Bd. 1, S. 95). 91 Vgl. Anm. 72. In einem undatierten Schreiben bittet Baader den Freund um Übersendung des »Hirtenbriefs« und schickt ihm im Gegenzug »Oettingers Theoria musicae« (F. Baader an Schelling o. D. ; BuD III, S. 625 – der Text des zuletzt genannten Werks stammt von Johann Ludwig Fricker ; nur das »Supplementum« ist von Oetinger). 92 Vgl. Anm. 73. 93 Vgl. Plitt I, S. 245–247. Zur Rezeption der Mystik Böhmes im Kreis der Jenaer Frühromantik, insbesondere durch die Vermittlung Tiecks, vgl. Cecilia Muratori, ›Il primo filosofo tedesco‹. Il misticismo di Jakob Böhme nell’interpretazione hegeliana, Pisa 2012, S. 27–127. – S. 35–49. 94 Vgl. Schelling, Jahreskalender 1809–1813, S. 11, 150. 95 Vgl. auch die Reserviertheit von K. F. A. Schelling im Umgang mit dem väterlichen Erbe, der »Böhmes Schriften« nicht an den Auktionator geben wollte, sondern selbige lieber »zu erhalten [wünschte], weil es nicht an Geschichtschreibern der Phil[osophie] fehlt, welche behaupten (was fr[ei]l[ich] lächerlich ist) Schelling habe seine Ideen von Böhme« (K. F. A. Schelling an G. Waitz am 23. 12. 1854 ; SchellingKommission der BAdW). 90 Friedrich
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der Lehre vom »doppelten Fall« und der damit verknüpften Vorstellung einer »ersten« und »zweiten Schöpfung«. Ein weiterer Kernpunkt der theosophischen Schriften betrifft die Idee der »Selbstgeburt Gottes«, die in anthropopathischer Redeweise ›erzählt‹ wird, und zwar als sukzessive Darstellung eines sich simultan ereignenden Prozesses.
IV. Die »Stuttgarter Privatvorlesungen« entstanden im Anschluß an die im Jahre 1809 erschienenen »Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freyheit« und bilden den Vorhof des lange geplanten »Weltalter«-Projektes, an dem der Philosoph bereits während seines Aufenthalts in Stuttgart gearbeitet hatte.96 Die Freiheitsschrift stellt das letzte große Werk dar, das von Schelling noch selber veröffentlicht worden war. Sie bildet den Auftakt zu einer neuen denkerischen Phase des Philosophen, der sog. »Freiheits- und Weltalterphilosophie«, mit welcher die als »Identitätsphilosophie« bezeichnete Periode seines Wirkens (1801–1808) nach Ansicht einer Reihe von Forschern abgeschlossen und überwunden wird. An die Stelle einer an der »Ethik« von Baruch de Spinoza orientierten Darstellung, welche ihren Gedankengang in der Folge von Definitionen und Erklärungen entwickelt, tritt die Suche nach einer neuen Form der Philosophie, welche ›Erzählung‹ und narrative Darstellung des Seins sein will.97 Die im Jahre 1801 erschienene »Darstellung meines Systems der Philosophie« hatte die »Vernunft« zum Standpunkt der Philosophie erhoben und zugleich mit dem »Absoluten« identifi96 Vgl. Schelling, Jahreskalender 1809–1813, S. 52 : »15. September Die
3 Weltalter in dem Manuskript«. 97 Vgl. F. W. J. Schelling, Die Weltalter. Fragmente. In den Urfassungen von 1811 und 1813 hg. v. Manfred Schröter, München 1946, S. 3.
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ziert, in welchem alles und außer welchem nichts ist. Denn als »Indifferenzpunct des Subjectiven und Objectiven« ermöglichte die Vernunft die Erkenntnis der Dinge »an sich«.98 Ihrem Wesen nach begreift sich die Vernunft als »absolute Identität«, was formallogisch durch den Satz A = A ausgedrückt wird.99 Ihrer Form nach ist sie hingegen Selbstanschauung und somit Differenz zwischen Subjekt und Objekt. Mit der Erkenntnis ihrer selbst geht zugleich eine fortschreitende Selbstobjektivierung der absoluten Identität einher, die sich durch ihre Explikation in die Totalität in den endlichen Dingen als seiend setzt. Im Bereich der Endlichkeit lassen sich dabei unterschiedliche Abstufungen oder »Potenzen« des Seins feststellen, welche das Wesen der absoluten Identität mit überwiegender Subjektivität oder Objektivität als »quantitative Differenz« ausdrücken. Demgegenüber besteht das Wesen der absoluten Identität in »quantitativer Indifferenz der Subjectivität und Objectivität«, da keine »qualitative Differenz« zwischen Subjekt und Objekt möglich ist. Die absolute Identität »ist« damit nur unter der Form einer »Identität der Identität«, weil nach dem Gesetz der Identität oder dem Satz A = A in Subjekt und Objekt dasselbe Wesen ist und somit dasselbe sich selbst gleich gesetzt wird.100 Bereits ein Jahr später wird die Bestimmung des Absoluten als »Identität der Identität« von Schelling jedoch im Hinblick auf die Kritik Hegels,101 welcher die Frage nach dem Verhältnis des Unendlichen zur phänomenalen Wirklichkeit in der »Darstellung« nicht gelöst sah, in dem Dialog »Bruno« neu formuliert, und zwar als »Einheit der Einheit und des Gegensatzes«, wodurch das Absolute seiner Form nach und so als allumfassende Totalität be 98 Vgl.
F. W. J. Schelling, Darstellung meines Systems der Philosophie, in : Zeitschrift für spekulative Physik, hg. v. dems., Bd. 2, H. 2, Jena u. Leipzig 1801, §§ 1 f., S. 1–3 (AA I,10, S. 116–118). 99 Vgl. Schelling, Darstellung, §§ 4, 6 f., S. 4–6 (AA I ,10, S. 118 f.). 100 Vgl. a. a. O., §§ 16–30, S. 10–19 (AA I ,10, S. 122–130). 101 Vgl. Manfred Durner, Einleitung, in : F. W. J. Schelling, Bruno oder über das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge. Ein Gespräch, Hamburg 2005, S. XXXI–XXXIV.
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trachtet wird.102 Die Einführung der Differenz in den Begriff des Absoluten angesichts seines Wesens vollzieht sich schließlich in den »Philosophischen Untersuchungen«, wo Schelling die »Natur – in Gott« denkt.103 Dies geschieht im Rückgriff auf die in der »Darstellung« eingeführte Unterscheidung »zwischen dem Wesen, sofern es existirt, und dem Wesen, sofern es bloß Grund von Existenz ist«,104 der zufolge die Natur als »Grund« und Gott als »Existierendes« jetzt einen Gegensatz in der absoluten Identität selbst bilden. Die »Stuttgarter Privatvorlesungen« knüpfen an diese neue Definition des Prinzips an, sie tun das jedoch im Stil des Identitätssystems von 1801, indem sie die absolute Identität als »Identität der Einheit und des Gegensatzes« bestimmen.105 Ebenso wird der Begriff der »quantitativen Differenz« wiederholt erläutert, allerdings mit der entscheidenden Veränderung, daß an die Stelle der ursprünglich behaupteten Indifferenz zwischen Subjekt und Objekt,106 jetzt »zwischen den Prinzipien als solchen, zwischen A und B, […] keine bloße quantitative Differenz«, sondern »die entschiedenste qualitative« tritt.107 Die »Darstellung« bleibt auch in den folgenden Jahren für Schelling Anknüpfungs- und Bezugspunkt seines philosophischen Systems.108 Gott – Natur – Mensch stellen das Themen 102 Vgl.
Schelling, Bruno oder über das göttliche und natürliche Princip der Dinge. Ein Gespräch, Berlin 1802, S. 45 f., 95, 156, 161 (SW IV, S. 239, 264, 295, 298). 103 Schelling, Philosophische Untersuchungen, S. 429 (SW VII, S. 358). 104 A. a. O., S. 429 (SW VII , S. 357). 105 Schelling, Stuttgarter Privatvorlesungen (unten S. 29). 106 Vgl. Schelling, Darstellung, § 23, S. 13–15 : »Zwischen Subject und Object ist keine andere, als quantitative Differenz möglich. Denn 1) Es ist keine qualitative Differenz beider denkbar. – Beweis. Die absolute Identität ist, unabhängig von A als Subject und Object (§. 6.), und sie ist in beiden gleich unbedingt. Da es nun dieselbe gleich absolute Identität ist, welche als Subject und Object gesezt ist, so ist keine qualitative Differenz. […].« (AA I,10. S. 125 f.) ; ferner Anmerkung zu § 42 Erklärung 2, S. 26 f. (AA I,10, S. 135 f.) 107 Schelling, Stuttgarter Privatvorlesungen (unten S. 29). 108 Vgl. ebd. ; ferner K. A. Wangenheim an J. Niederer am 12.4.1810 :
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spektrum dar, das in einem allgemeinen sowie zwei komplementären Teilen zur Naturphilosophie und Anthropologie behandelt werden soll. Dieser systematische Aufbau leitet sich aus dem Selbsterkenntnisprozeß der absoluten Identität her, welche sich in zwei entgegengesetzten Reihen von »quantita tiven Differenzen« abbildet. Die natürliche, durch ein Über gewicht des objektiven Faktors geprägte Reihe entfaltet die Potenzen »Materie«, »Licht« und »Organismus« ; die geistige, vom Überwiegen der Subjektivität bestimmte Reihe spiegelt sich in den Potenzen »Wissen«, »Handeln« und »Kunst« wider. Eine vollständige Ausführung dieses Systems findet sich nur in den aus dem Nachlaß herausgegebenen Würzburger Vorlesungen über das »System der gesammten Philosophie und der Naturphilosophie insbesondere« aus dem Jahre 1804, wohingegen die »Darstellung« nach der Konstruktion der realen Reihe der Potenzen abbricht. Ebenso greifen die »Stuttgarter Privatvorlesungen« dieselbe Gliederung wieder auf, wobei jedoch die naturphilosophischen Ausführungen gegenüber den anthropologischen zurückgestellt werden. Diese neue Gewichtung in dem Systementwurf von 1810 vollzieht sich in Anbindung an die »Philosophischen Untersuchungen«, welche Schelling als den »ideellen Theil der Philosophie« begreift, der anstelle des Gegensatzes von »Natur und Geist« den von »Nothwendigkeit und Freyheit« zu seinem Mittelpunkt macht, woraus neue thematische Inhalte erwachsen : »Freyheit des Willens, Gut und Bös, Persönlichkeit u. s. w.«.109 Die Ab»Beyläufig gesagt, hält er [Schelling] die fragmentarische Darstellung derselben [der Naturphilosophie], ob er gleich jetzt manches weglassen, manches zusetzen, manches anders, humaner sagen würde, für seine Beste, welche in der Zeitschrift für spekulative Physik, 2ter Band ; Jena u. Leipzig b. Gabler 1801 steht.« (Müller-Lüneschloß, V. : Natur und Geisterwelt, S. 90 f.) Vgl. auch F. W. J. Schelling, Zur Geschichte der neueren Philosophie. Münchener Vorlesungen (Aus dem handschriftlichen Nachlaß) [1830 ff.], (SW X , S. 99–125. – S. 107). 109 F. W. J. Schelling, Vorrede, in ders. : Philosophische Schriften, S. VIII f.
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handlung versucht, die in dem Dialog »Bruno« und der Schrift »Philosophie und Religion« (1804) aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis der endlichen Dinge zu dem Absoluten neu zu denken, indem sie den Gegensatz nicht mehr in der Form, sondern im Wesen der absoluten Identität setzt. Dies geschieht durch die Unterscheidung zwischen »Grund von Existenz« und »Existierendem«, welche es möglich macht, die Dinge ›in‹ Gott und ›außer‹ Gott zugleich zu denken. Sofern sie nämlich ihren Ursprung in dem haben, was »in Gott selbst nicht Er Selbst ist«, d. h. dem Grund seiner Existenz oder der Natur, sind sie Teil des gött lichen Lebens und doch zugleich geschieden von dem eigentlichen Gott, sofern dieser existiert.110 Damit wendet Schelling den von seinen Kritikern erhobenen Pantheismusvorwurf ab und distanziert sich zugleich vom Identitätssystem spinozistischer Prägung. Die Neuformulierung des Gottesbegriffs, welche den Menschen zu einem relativ von Gott unabhängigen Wesen macht, wird so zur Voraussetzung neuer anthropologischer Attribute. An die Stelle eines Absonderungsaktes tritt jetzt die an der christlichen Lehre vom Sündenfall orientierte und von Immanuel Kants »intelligibler Tat« beeinflußte Theorie einer »ewigen Tat« des Menschen. Diese setzt dem Zustand der Unentschiedenheit von Gut und Böse ein Ende durch die Entscheidung des Menschen für die eigene »Selbstheit«, welche individuelle Selbstbestimmung in der Selbstergreifung und Anfang der Geschichte, nämlich Beginn des dialektischen Streites von Gut und Böse zugleich ist. Den Ausführungen zur Theodizee und Sündenfallthematik, welche das »Reich der Geschichte« oder die »zweite Schöpfung« bestimmen, geht die Darstellung der Selbstgeburt des Urwesens voraus, mit dessen Offenbarung die »erste Schöpfung« gesetzt und das »Reich der Natur« entfaltet wird. Den Wendepunkt zwischen Natur und Geschichte markiert die Offenbarung des 110 Vgl.
S. 359).
Schelling, Philosophische Untersuchungen, S. 431 (SW VII,
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Absoluten in Christus, die sich in der geschichtlichen Wirklichkeit jedoch nur stufenweise als Kampf zwischen Gut und Böse und schließlich in der vollständigen Realisierung der »Liebe« vollzieht.111 Die Freiheitsschrift will die Offenbarung des Absoluten »menschlich« darstellen. Hierzu wird die innere Wesensdifferenzierung des Absoluten in »Grund von Existenz« und »Existierendes« mit der aus der Mystik Böhmes entlehnten Bezeichnung »Sehnsucht« und dem Begriff »Verstand« belegt, anhand derer das Absolute in ein sich selber suchendes und zugleich zeugendes Selbstverhältnis tritt. Die »Sehnsucht« Gottes nach der eigenen Verwirklichung zielt dabei auf die Ergreifung ihrer selbst als »Verstand«, welcher die höchste Stufe des einen, sich schrittweise entfaltenden göttlichen »Willens« darstellt. Diesem Bewußtseinsprozeß des Absoluten, den die »Sehnsucht« bei ihrer Entwicklung zum »Verstand« durchläuft, entspricht auf der anderen Seite die Schöpfung und somit der naturphilosophische Prozeß, bei welchem durch »Scheidung« der »Sehnsucht« mittels des »Verstandes« die einzelnen Dinge ins Leben gerufen werden.112 Die Abhandlung beschließt sich mit der Rückführung der inneren Wesensdifferenzierung des Absoluten in »Grund von Existenz« und »Existierendes« auf einen unvordenklichen Grund : Böhmes »Ungrund« – von Schelling als metaphysische »Indifferenz« der Gegensätze definiert –, und damit der Rückführung der »Dualität« der Prinzipien auf »Einheit«.113 Die »Stuttgarter Privatvorlesungen« knüpfen an die Neubestimmung des Gottesbegriffs in den »Philosophischen Untersuchungen« in unterschiedlichen Formen an. Während Schelling zunächst mit den Formelgleichungen aus der »Darstellung« operiert, folgt darauf dieselbe Argumentation »auf allgemein menschliche Art«.114 So wird die Lehre von einem personalen, 111 Vgl.
a. a. O., S. 456–461 (SW VII, S. 377–380). a. a. O., S. 431–436 (SW VII, S. 359–362). 113 Vgl. a. a. O., S. 496–500 (SW VII , S. 406–408). 114 Schelling, Stuttgarter Privatvorlesungen (unten S. 16). 112 Vgl.
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»werdenden« Gott zuerst mit dem Vokabular des Identitäts systems aus dem Verhältnis von »Identität« und »Differenz«, »Wesen« und »Form« sowie unter Berücksichtigung der Potenzenlehre dargestellt, woran die lebendige Betrachtungsweise des Absoluten im Stil der Freiheitsschrift anschließt, welche die Offenbarung aus der Dynamik von »Kontraktion« und »Expansion« des Urwesens erklärt. An die Stelle des Begriffspaars »Sehnsucht« und »Verstand« sowie der Unterscheidung zwischen »Grund von Existenz« und »Existierendes« treten infolge neue Bezeichnungen für den inneren Dualismus des Absoluten, welche bereits die »Weltalter«-Metaphysik antizipieren. Hierzu gehört die Belegung der zwei göttlichen Prinzipien mit Böhmes Ausdrücken »Liebe« und »Zorn« sowie mit dem Begriffspaar »Niedereres« und »Höheres«, »Sein« und »Seiendes« bzw. »Nichtseiendes« und »Seiendes«. Ferner treten über Oetinger rezipierte kabbalistische Elemente auf, wie die Vorstellung einer »Einschließung« bzw. Zusammenziehung Gottes (»zimzum«) und die Idee seiner »Einschränkung« bzw. »Beschränkung«.
V. Am Anfang des Systementwurfs steht die Frage nach der Möglichkeit eines philosophischen Systems, das den Anspruch erhebt, »Weltsystem« zu sein, und so alles Erkennbare umfaßt. Wenn es ein solches System gibt – so Schelling – dann muß es bereits existieren, und zwar im »göttlichen Verstande«, weshalb es nicht wie die Systeme der Schulphilosophie »erfunden«, sondern vielmehr »gefunden« werden muß. Drei Eigenschaften kennzeichnen ein solches System : die Hervorhebung der wesentlichen »Elemente« des Seins, die Adaption einer entsprechenden »Methode« und die Etablierung eines universellen »Prinzips«, welches das System zu einem organischen Ganzen werden läßt.115 115 Vgl.
a. a. O. (unten S. 5).
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Das Prinzip des Systems wird von Schelling in drei Schritten bestimmt : als »absolute Identität«, als »absolute Identität des Realen und Idealen« und schließlich in der Identifizierung mit dem »Absoluten oder Gott«. Während die erste Definition die »organische Einheit aller Dinge« ausdrücken soll, führt die zweite eine »Differenz« in die absolute Identität ein. Dies geschieht durch die Unterscheidung zwischen dem »Wesen« und der »Form«, was durch eine logisch-mathematische Darstellung mithilfe von Variablen im Stile der Identitätsphilosophie aufgezeigt wird. Denkt man nämlich das Wesen der absoluten Identität als Einheit, welche sich in unterschiedliche Formen differenziert, dann können Einheit und Gegensatz, Identität und Differenz widerspruchslos zusammen gedacht werden.116 Das Verhältnis von Identität und Differenz ist Gegenstand der anschließenden Erörterung. Ausgangspunkt ist die Bestimmung des Absoluten als »absolute Identität des Realen und Idealen«, welche jedoch lediglich den »Begriff« des Absoluten angibt. Für eine geschichtliche Darstellung, welche das Absolute als ein »wirkliches Wesen« nach seinem Leben und Werden erfaßt, muß die absolute Identität in »Nicht-Identität« überführt, die Einheit der Prinzipien im Gegensatz bzw. »Kampfe« betrachtet werden. Die Offenbarung wird so als »Übergang von Identität zu Differenz« faßlich, was jedoch keine Aufhebung der Identität bedeutet, sondern – analog zu der Subjekt-Objekt-Unterscheidung bei der Bewußtseinsbildung im Menschen – eine Einführung der Entzweiung auf der Basis der Einheit. Diese Argumentation führt somit von einem statischen zu einem dynamischen Begriff des Absoluten, welcher Gott als das »lebendige, aktuelle Urwesen« denkt und sich in der Definition der »Einheit des Gegen satzes und der Entzweiung« bestimmt.117 Der Übergang von der Identität zur Differenz verlangt eine »Scheidung«, deren Möglichkeit wieder mithilfe von Formelgleichungen dargestellt wird. Durch die Unterscheidung des We116 Vgl. 117 Vgl.
a. a. O. (unten S. 5 – 7). a. a. O. (unten S. 8 f.).
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sens von der Form und die Differenzierung der absoluten Form in zwei untergeordnete Formen läßt sich formale Differenz bei wesentlicher Identität denken. Der Unterschied der Formen des Absoluten wird dabei durch »Potenzen« ausgedrückt. Demgemäß verhalten sich Reales und Ideales – die verschiedenen Formen göttlichen Seins – als »Niedereres« und »Höheres« oder aber als Sein der ersten bzw. der zweiten Potenz. Zusammengenommen – als Identität – drücken sie dagegen wieder das Wesen des Absoluten bzw. die dritte Potenz Gottes aus.118 Die Frage nach der Wirklichkeit der Scheidung des Absoluten bringt neue Begriffe ins Spiel, welche wesentliche Aspekte der geschichtlichen Philosophie einführen. Hierzu zählen die »Einschränkung« bzw. »Kontraktion« Gottes, wodurch die ursprüngliche Simultaneität (= Indifferenz) der Potenzen aufgehoben und in eine Folge (= Differenz) verwandelt wird, wodurch sie schließlich zu Perioden der Offenbarung Gottes werden ; die »Freiwilligkeit« des Aktes, durch den Gott den Anfang der Offenbarung macht sowie der mit der Offenbarung einsetzende Beginn der Geschichte und »Zeit«.119 Wurde die Offenbarung des Absoluten zuerst am Verhältnis von Identität und Differenz diskutiert, so ruft die Anschauung des göttlichen Lebens als progressive Entfaltung seines Wesens jetzt die Vorstellung des theogonischen Prozesses auf den Plan. Methodisch bedient sich Schelling hierbei der Analogie zwischen menschlichem und göttlichem Leben, indem er vom Menschen, dessen Entwicklung unter dem Sinnbild des Bewußtseins prozesses vorgestellt wird, auf Gott schließt. Ausgangspunkt ist der Urzustand des Absoluten, dessen Sein von »Bewußtlosigkeit« gekennzeichnet ist, was in der vorangehenden Darstellung der anfänglichen Gleichgültigkeit der Potenzen entsprach. Der Anfang des Bewußtseins vollzieht sich auch hier mit der Scheidung des Absoluten, welche den Gegensatz der zwei Prinzipien setzt, die sich jetzt in einem bewußten und einem bewußtlosen 118 Vgl. 119 Vgl.
a. a. O. (unten S. 9 – 11). a. a. O. (unten S. 11 – 15).
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Sein gegenüberstehen und in ein dialektisches Verhältnis zueinander treten. Aus dieser Bewegung, nämlich dem Mit- und Gegeneinanderwirken des Realen und Idealen, die sich in der Dynamik von Kontraktion und Expansion des Urwesens vollzieht, entspringt schließlich die Schöpfung, welche im Hinblick auf die Entwicklung des Absoluten zugleich die zunehmende Personalisierung Gottes darstellt.120 Schellings Ausführungen zum Gottesbegriff enden mit der Betrachtung der zwei Schöpfungsprinzipien. Reales und Ideales, die angesichts der Potenzenlehre als ein Niedereres und Höheres bestimmt worden sind, werden jetzt in dem Gegensatz von »Sein« und »Seiendes« bzw. »Nichtseiendes« und »Seiendes« gefaßt. Besondere Beachtung wird dabei dem ontologischen Status des realen Prinzips zuteil, das durch die Bezeichnung des »Nichtseienden« vom eigentlichen »Nichts« unterschieden wird. Als das Wesen des Bösen, der Krankheit und des Irrtums gibt es sich als ein Nichtwesen zu erkennen, das zuletzt immer im Dienste des »Seienden« steht, dem es als »Mittel«, »Werkzeug«, »Unterlage« oder »Stoff« dient.121 Eine weitere Benennung der zwei Prinzipien findet sich in dem Gegensatz von »Liebe« und »Zorn«. Auch nach dieser ›menschlichen‹ Betrachtungsweise liegt das besondere Augenmerk auf der realen Urkraft des Absoluten, die jetzt als »Selbstheit«, »Egoismus« und »Eigenkraft« Gottes charakterisiert wird, insofern sie mit ihrer kontraktiven Natur das notwendige Pendant zur expansiven Wirkung der Liebe ist.122 Zwischen dem allgemeinen und dem naturphilosophischen Teil wird eine »Übersicht über die neuere Philosophie« eingeschaltet, welche die Systeme von René Descartes und Spinoza bis zu Schellings Philosophie als eine zunehmende Verfallsgeschichte proklamiert. Schellings Blick konzentriert sich hierbei auf das Prinzip der einzelnen Systeme, die entsprechend dem 120 Vgl.
a. a. O. (unten S. 15 – 19). a. a. O. (unten S. 19 – 21). 122 Vgl. a. a. O. (unten S. 22 f.). 121 Vgl.
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Intellektualismus bzw. Materialismus entweder von dem natürlichen oder dem geistigen Faktor der absoluten Identität fortschreitend abstrahieren. Das »Identitätssystem« begreift Schelling dagegen als Wiederaufnahme und zugleich Überwindung des ursprünglichen Zwiespalts der neuzeitlichen Philosophie, der sich im Gegensatz vom Dualismus Descartes’ und der absoluten Identität Spinozas widerspiegelt. Seine Aufhebung gelingt durch die Formulierung eines neuen Prinzips, nämlich die im vorhergehenden ausführlich diskutierte »Identität der Einheit und des Gegensatzes«.123 Die Erörterung der Naturphilosophie hat die »Darstellung meines Systems« zum Vorbild. Es erfolgt zunächst ein rhapsodischer Überblick der drei Potenzen der Natur (Materie, dynamischer Prozeß, Organismus), worauf weitere Aspekte der Naturphilosophie, wie die Geschlechterdifferenz und der Instinkt, hervorgehoben werden. Die erste Potenz der Natur bildet die Materie, welche durch die drei Dimensionen der Länge, Breite und Tiefe charakterisiert ist. Sie differenziert sich in unterschiedliche Qualitäten, die Schelling in der antiken Elementelehre versinnbildlicht. Die zweite Potenz der Natur wird durch den dynamischen Prozeß dargestellt, der sich von realer Seite in Magnetismus, Elektrizität und Chemismus abbildet und von idealer Seite im Klang, Licht und Wärmeprozeß manifestiert. Die dritte Potenz wird mit dem organischen Leben erreicht, welches die drei Formen der dynamischen Bewegung auf höherer Ebene wiederholt : Reproduktion bzw. Wachstum, Irritabilität und Sensibilität.124 Auf der Schwelle zum geistigen Leben zeigt sich das Phänomen des tierischen Instinkts, der sich wieder nach drei Stufen unterscheidet : Selbsterhaltung ; Divination und Kunsttrieb ; Charakterfähigkeit.125
123 Vgl.
a. a. O. (unten S. 26 – 29). a. a. O. (unten S. 30 – 36). 125 Vgl. a. a. O. (unten S. 39 f.). 124 Vgl.
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Der Naturprozeß vollzieht sich graduell und schreitet von den einfachen Produkten bis zum Menschen fort, in dem das geistige Leben vollends erwacht und er sein Ziel erreicht hat. Diese Entwicklung wird wieder anhand von Variablen dargestellt, welche das Verhältnis der Potenzen abbilden, und zwar als die progressive Zunahme des subjektiven Faktors gegenüber dem objektiven, die zuletzt in der Identität des Subjektiven und Objektiven gipfelt.126 Der ideelle Teil der »Stuttgarter Privatvorlesungen« greift die Kernpunkte der »Philosophischen Untersuchungen« zum Verhältnis Mensch, Freiheit, Böses auf und erläutert im Rückgriff auf die Identitätsphilosophie das Verhältnis von Staat, Kirche und Offenbarung. Darauf folgen eine systematische Darstellung der Psychologie, die Lehre von der Unsterblichkeit sowie die Philosophie der Geisterwelt. Hervorgehoben wird die Zwischenstellung des Menschen in der Schöpfung, die ihm aufgrund seines doppelten Ursprungs – aus dem Endlichen einerseits und aus dem Unendlichen andererseits – sowohl Unabhängigkeit von Gott als von der Natur und damit »Freiheit« garantiert. Die Hinwendung des Menschen zu seinem ›natürlichen‹ Ursprung (= Sündenfall) hebt jedoch das kosmische Gefüge von Natur und Geisterwelt auf, deren Einheit durch die vermittelnde Tätigkeit des Menschen gewährleistet war. Die Folgen sind ein auf sich beschränktes Reich der Natur, das vom Anorgismus beherrscht wird, sowie eine Welt ohne Gott. Der Verlust dieser Einheit sollte von äußerer Seite durch den Staat und von innerer durch die Kirche ausgeglichen werden, welche jedoch beide gescheitert sind.127 Schellings Psychologie erhält ihre systematische Strukturierung aus der Anwendung der Potenzenlehre. Der menschliche Geist wird unterschieden in die Potenzen Gemüt, Geist und Seele, welche sich ihrerseits wieder in drei Stufen diffe126 Vgl. 127 Vgl.
a. a. O. (unten S. 35 f., 40 f.). a. a. O. (unten S. 41 – 49).
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renzieren. Im Focus der Untersuchung steht dabei die jeweilige zweite Potenz, welche das eigentliche Wesen des Geistes widerspiegelt und in seiner Entfaltung verfolgt. Dieses besteht zuerst in Sucht, Lust und Begierde, steigert sich aber zur bewußten Begierde bzw. zum Willen. Während das Gemüt die Potenzen Sehnsucht, Geist, Gefühl und der Geist die Potenzen Eigenwille, eigentlicher Wille, Verstand umfaßt, bleibt die Seele dagegen potenzlos. Im Unterschied zum Geist, welcher der Krankheit, dem Irrtum und dem Bösen anheimfallen kann, stellt die Seele das Unpersönliche und Göttliche im Menschen dar, das sich unter Bezug auf die anderen Potenzen als aktive Kraft in Kunst, Philosophie und Tugend erweist, wohingegen ihr alleiniges Wirken der Religion vorbehalten ist. Die Seele wird damit zur höchsten Potenz, deren Wesen die Liebe ist. Sie garantiert auch den Zusammenhalt aller Potenzen und damit die Gesundheit des Geistes, der für sich betrachtet und ohne den Einfluß der Seele und die Verbindung mit dem Göttlichen im Wahnsinn besteht.128 Die Lehre von der Unsterblichkeit wird ebenfalls auf der Basis der Potenzenlehre erörtert. Irdisches und himmlisches Leben verhalten sich hierbei wie erste und zweite Potenz und lassen den Tod so zum Übergang des Menschen von der natürlichen in die geistige Welt werden. Hierbei findet jedoch keine einfache Trennung des Geistes vom Leibe statt, es bildet sich vielmehr ein geist-leibliches – »dämonisches« – Wesen, in dem sich das erhält, was im Menschen »Er selber« war und bleibt. Notwendig macht den Tod dagegen die Teilhabe des Leibes an der Natur, welche, im Unterschied zur Entschiedenheit des Geistes im Guten oder Bösen, in der Mischung von Gut und Böse besteht. Der gute bzw. böse Geist fordert daher die Trennung von dem ihm widersprechenden bösen oder guten Element des Leibes, um ganz seinem Wesen nach erscheinen zu können. Dies geschieht mit der Versetzung des Menschen in die Geisterwelt, die
128 Vgl.
a. a. O. (unten S. 49 – 58).
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als »innerer Zustand« erfahren wird, in dem die Guten mit Gott verbunden und die Bösen von ihm getrennt werden.129 Natur und Geisterwelt stellen die zwei Seiten von ein und derselben Welt dar, die einmal unter dem Exponenten des Realen sowie das andere Mal unter dem des Idealen existiert. Während der Mensch seinen Ursprung aus der Natur nimmt, sind die reinen Geister oder Engel aus Gott selbst, nämlich aus dem realen bzw. stofflichen Element des Absoluten oder seinem Gemüt erschaffen. Daher ist beiden Geschöpfen Freiheit zu eigen. Der Mißbrauch dieser Freiheit, nämlich von seiten des höchsten Wesens der Geisterwelt, welches sodann den Urmenschen verführt (Lehre vom doppelten Fall), hat die Trennung von Natur und Geisterwelt zum Resultat. Zwischen den zwei Seiten der Schöpfung besteht jedoch weiterhin eine unaufhebbare Sympathie. Der Grund für die fortdauernde Trennung liegt dagegen in der Mischung von Gut und Böse, die in der natürlichen Welt obwaltet und die erst mit der Ausstoßung des Bösen überwunden sein wird.130 Die notwendige Krisis der Natur wird mit dem Eintreten der dritten und letzten Periode der Schöpfung erwartet, in welcher die natürliche und die geistige Potenz der absoluten Identität untergeordnet werden. In diese Endzeit fällt auch die Auferstehung der Toten. Abgeschlossen wird sie jedoch erst mit der Wiederbringung aller Dinge, insbesondere des Bösen und der Aufhebung der Hölle, infolgedessen sich die vollkommene Menschwerdung Gottes oder die Verendlichung des Unend lichen realisiert.131 Ein eindrucksvolles Zeugnis von der Rezeption132 der Stuttgarter Privatvorlesungen findet sich in einem Schreiben Wan129 Vgl.
a. a. O. (unten S. 58 – 62). 130 Vgl. a. a. O. (unten S. 62 – 66). 131 Vgl. a. a. O. (unten S. 66 – 68). 132 Zur Auseinandersetzung mit den »Stuttgarter Privatvorlesungen« vgl. die Arbeiten von Horst Fuhrmans, Dokumente zur Schelling-Forschung I. Die Stuttgarter Privatvorlesungen, in : Kant-Studien, Bd. 47, 1955/1956, S. 182–191 ; August Wilhelm Schulze, Zum Verständnis der
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genheims, das die Eindrücke der Hörer folgendermaßen resümiert : »Die Vorlesungen, welche, wie Sie wissen, Schelling uns gehalten hatte, wurden durch äußere, aber zwingende Umstände unterbrochen. […] Georgii hat wenigstens die Skizze des Ganzen nachgeschrieben und Schelling ist so gut als entschlossen, sie für den Druck auszuarbeiten, um dadurch in einem Blicke zu zeigen : von wo aus, wohin u. wie er will, daß gegangen werden soll. Er sprach zuerst von dem Verhältniß Gottes zur Natur (Begriff der Schöpfung) dann von seinen Ansichten der Natur u. endlich von denen über den Geist. Gott u. Natur, der Mensch, die Tugend u. das Laster, die Wissenschaft, die Kunst u. das Leben, der Tod u. die Fortdauer, Himmel u. Hölle, Engel u. Teufel, Staat u. Kirche, kurz alles wurde abgehandelt, nichts vergessen. Alle, die wir ihn hörten, so ungleich wir auch in Gesinnung u. Wissen unter einander seyn mochten, waren von Bewunderung hingerißen über das Genie dieses Mannes, mehrern eröffnete sich der Sinn für die Sache, die er so genial behandelte, einige fanden die Richtschnur und den Trost ihres Lebens darin.«133
Zur Gestaltung des Textes Die »Stuttgarter Privatvorlesungen« erschienen erstmals im Jahre 1860 in Band VII der von Schellings Sohn, K. F. A. Schelling, veranstalteten Gesamtausgabe der Werke seines Vaters (SW ). Der vorliegenden Studienausgabe liegt der Text aus SW zugrunde, der von der Herausgeberin korrigiert und in der Orthographie behutsam modernisiert worden ist. Korrekturen Stuttgarter Privatvorlesungen Schellings, in : Zeitschrift für philosophische Forschung, Nr. 11, H. 4, 1957, S. 575 – 593 ; Miklos Vetö, Les conférences de Stuttgart de Schelling. ›Georgii‹ e ›Calendrier pour 1810‹, Paris 1971 sowie den Sammelband von Lore Hühn/Philipp Schwab (Hg.), System, Natur und Anthropologie. Zum 200. Jubiläum von Schellings Stuttgarter Privatvorlesungen, Freiburg/München 2014. 133 K. A. Wangenheim an J. Niederer [Ende Juli 1810] (Müller-Lüneschloß, Natur und Geisterwelt, S. 113) ; vgl. auch oben S. XIV.
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bzw. Korrekturvorschläge werden im textkritischen Apparat (TA) vermerkt, ausgenommen offensichtliche Druckfehler, die stillschweigend korrigiert wurden. Einfache Hervorhebungen werden kursiv wiedergegeben, fremdsprachige Wörter werden entsprechend SW in einer serifenlosen Schrift dargestellt. Der Seitenumbruch von SW ist im Text durch einen Trennstrich | vermerkt, die Seitenzahlen von SW werden im Kolumnentitel des edierten Textes mitgeführt. Auf die im Anhang wiedergegebenen erklärenden Anmerkungen der Herausgeberin wird mit fortlaufend gezählten Indexziffern verwiesen. Die dem Haupttext vorangestellte Inhaltsübersicht wurde unverändert aus SW übernommen. Die Nachschrift aus dem Nachlaß von E. F. Georgii trägt den Titel »F. W. J. Schellings natur-phÿlosophisches Sÿstem. 1810.« und befindet sich in der Dauerausstellung des Deutschen Literaturarchivs in Marbach.134 Das Manuskript wurde vollständig neu transkribiert und wird in Orthographie und Zeichensetzung unverändert wiedergegeben. Die Textstruktur wurde so weit wie möglich beibehalten und nur in Einzelfällen vereinheitlicht. Überschriften werden grundsätzlich zentriert gesetzt, auch wenn sie, bedingt durch den schmalen Schriftspiegel, eingerückt oder rechtsbündig erscheinen. Marginalien werden in Form von Überschriften im Fließtext wiedergegeben. Sie stehen in geschweiften Klammern { }. Seitenumbrüche werden im Text mit geradem Trennstrich | dargestellt und die Seitenzahlen des Manuskripts im Kolumnentitel des edierten Textes mitgeführt. Die Handschrift ist in Kurrentschrift verfaßt und verwendet lateinische Schrift für fremdsprachige Wörter, die hier in serifenloser Schrift wiedergegeben werden. Einfache Unterstreichungen werden kursiv, doppelte mit Kapitälchen dargestellt. 134 Der Besitznachweis der Nachschrift lautet : »Deutsches Literatur-
archiv Marbach, Cotta-Archiv (Stiftung der Stuttgarter Zeitung) Schelling Ms.«
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Das Manuskript weist zahlreiche Korrekturen von Georgiis Hand auf, die stillschweigend in die Transkription eingeflossen sind und nur da im TA angegeben werden, wo beide Lesarten plausibel sind. Hierbei konnten zwei verschiedene Korrekturstufen ausgemacht werden, die als »Georgii« bzw. »Georgii II« ausgewiesen werden. Satz- und Aufzählungszeichen sowie Klammern werden dort, wo notwendig bzw. möglich, stillschweigend ergänzt bzw. weggelassen ; dasselbe gilt für die Korrektur von Flüchtigkeits- und Grammatikfehlern sowie die Anpassung der Groß- und Kleinschreibung. Sinnverkehrende Textstellen (z. B. aufgrund von vermeintlichen Lesefehlern des Kopisten) werden im Fließtext unter Berufung auf SW korrigiert – besteht dagegen die Möglichkeit verschiedener Lesarten, wird lediglich im TA auf SW verwiesen. Wo kein Bezug zu SW hergestellt werden kann, wird eine plausible Lesart im TA vorgeschlagen. Von den in der Nachschrift verwendeten Abkürzungen bzw. Siglen werden aufgelöst : »H« = Herr(n) ; »Mspt« = Manuscript(um). Nicht aufgelöst werden bekannte Abbreviaturen, wie » NB « = Nota Bene ; »p. p.« = perge perge (s. Verzeichnis S. XLVIII f.). Der Systementwurf aus SW übernimmt die Funktion des Leittextes und wird daher vor der Nachschrift gebracht. Zusätze sowie starke Abweichungen der Nachschrift gegenüber dem »Werke«-Text werden in brauner Schrift kenntlich gemacht. Die erklärenden Anmerkungen weisen die von Schelling direkt oder indirekt herangezogene Literatur nach und erläutern Sachbegriffe. Es wird auf die Ausgabe eines Werks, von der bekannt ist, daß Schelling diese benutzt hat, oder auf die Erstausgabe verwiesen. Außerdem werden die Seitenzahlen der entsprechenden historisch-kritischen Ausgaben angegeben, sofern diese vorhanden sind. Schellings eigene Schriften werden nach der Erstausgabe sowie unter Angabe der Seitenzahlen in SW zitiert, die durch die Seitenzahlen der historisch-kritischen SchellingAusgabe (AA), sofern diese bereits besorgt ist, ersetzt werden. Der Briefwechsel zwischen Schelling und Georgii, der die Gesprächsreihe von Februar bis Juli 1810 begleitete, wird den edier-
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ten Texten als Beilage angeschlossen. Die in Plitt abgedruckten Briefe vom 18. und 20. Februar sowie vom 18. Juli wurden mit den erhalten gebliebenen Autographen kollationiert.135 Das Schreiben vom 12. Februar wurde dagegen von Plitt übernommen, da kein Manuskript mehr vorliegt. Georgiis Schreiben vom 17. Juli, das Plitt mit dem Titel »Bemerkungen Georgii’s« unter Schellings Antwort vom 18. Juli abgedruckt hat, wurde ebenso mit dem originalen Autographen abgeglichen. Die editorischen Richtlinien für die Wiedergabe der Briefe entsprechen denen der Nachschrift : die Siglen »Mscpt.« für »Manuscript(um)« und »H.(ochwol.(g.(eb.)« für »Hochwohlgeboren« werden stillschweigend aufgelöst. Alle anderen abgekürzten Wörter und Namen, mit Ausnahme gängiger Formeln, werden ebenfalls aufgelöst, wobei der ergänzte Wortteil in eckige Klammern [ ] gesetzt ist.
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existiert ferner das Manuskript des Brief-Entwurfs vom 18. Februar »Nachts«, das zuerst von M. Vetö veröffentlicht wurde (vgl. Friedrich W. J. Schelling, Stuttgarter Privatvorlesungen. Version inédite, accompagnée du texte des Oeuvres, publiée, préfacée et annotée par Miklos Vetö, Turin 1973 [ Neuauflage Paris 2009, S. 223–229]) und in der Akademieausgabe der »Stuttgarter Privatvorlesungen« (AA II,8) in neuer Transkription erscheint.
VERZEICHNIS DER SIGLEN, ZEICHEN UND ABKÜRZUNGEN AA
Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der SchellingKommission der Bayerischen Akademie der Wissen schaften hg. v. Thomas Buchheim, Jochem Hennigfeld, Wilhelm G. Jacobs, Jörg Jantzen u. Siegbert Peetz, Stuttgart-Bad Cannstatt 1976 ff.
BAdW Bayerische Akademie der Wissenschaften BBAW Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften BuD
F. W. J. Schelling, Briefe und Dokumente, hg. v. Horst Fuhrmans, Bde. II–III, Bonn 1973, 1975.
CCSL Corpus Christianorum Series Latina. Vol. 1 ff. 1953 ff. GA J. G. Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Hg. v. Reinhard Lauth, Erich Fuchs, Hans Gliwitzky u. Peter K. Schneider, Stuttgart–Bad Cannstatt 1962–2012. JWA
Friedrich Heinrich Jacobi. Werke. Gesamtausgabe herausgegeben von Klaus Hammacher und Walter Jaeschke, Hamburg 1998 ff.
NL Nachlaß Plitt
Aus Schellings Leben. In Briefen, hg. v. Gustav Leopold Plitt, Bde. I–III, Leipzig 1869–1870.
SW
Friedrich Wilhelm Joseph von Schellings sämmtliche Werke, hg. v. Karl Friedrich August Schelling, Stuttgart u. Augsburg 1856–1861.
TA
Textkritischer Apparat
TGP
Texte zur Geschichte des Pietismus. Im Auftrag der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus hg. v. Kurt Aland, Erhard Peschke, Martin Schmidt, Abt. VII: Friedrich Christoph Oetinger, hg. v. Gerhard Schäfer u. Martin Schmidt, Bd. 1, Berlin 1977.
WhB Wissenschaftshistorischer Bericht zu Schellings natur philosophischen Schriften 1797–1800 (= Ergänzungsband zu AA Werke Band 5–9, Stuttgart–Bad Cannstatt 1994).
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Im textkritischen Apparat: gestr. gestrichen Hs. Handschrift korr. korrigiert mglw. möglicherweise Sp. Spalte kursiv einfache Hervorhebung; Herausgeberrede im textkritischen Apparat Kapitälchen Hervorhebung zweiten Grades Serifenlose in Antiqua dargestellter fremdsprachiger Text | Seitenwechsel \ Zeilenwechsel › ‹ Zitat im zitierten Text [ ] Hinzufügung der Herausgeberin […] Auslassung der Herausgeberin 〈 〉 unsichere Lesart { } Marginalie im Original Einfügung in den Text ⌜ ⌝ Assess. Assessor d. d. de dato Ew. Ewer = Euer Geh Geheim geh. gehorsam, gehorsamst Jul. Juli NB Nota Bene Ofinanz Oberfinanz O. J R. Oberjustizrat p. p. / pp. perge perge Praes. Praesident S. sacer Sekret Sekretär sel. selig weyl. weyland
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FRIEDRICH WILHELM JOSEPH SCHELLING
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Inhaltsübersicht. I. Das Prinzip des Systems als absolute Identität des Realen und Idealen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 Verschiedene Ausdrücke für das Prinzip des Systems. Der Übergang von der Identität zur Differenz a) Möglichkeit dieses Übergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 b) Wirklichkeit des Übergangs oder der Scheidung in Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 II. Unterscheidung zwischen einem Höheren und einem Niedereren in Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezeichnung des Verhältnisses der zwei Prinzipien in Gott durch die Begriffe des Seienden und des Seins oder des S eienden und des Nichtseienden . . . . . . . . . . . . Ableitung des Begriffs des Nichtseienden. Weitere Deduktion der zwei Prinzipien in Gott als Gegensatz der Selbstheit und der Liebe . . . . . . . . . . . . . . Ableitung der Natur und ihres Verhältnisses zu Gott . . . . Schema der neueren Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abriß der Naturphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begriff des Menschen und der menschlichen Freiheit . . . . Ursprung des Bösen Das Zurücksinken des Menschen in die Natur und dessen Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deduktion des Staats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff der Offenbarung und der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis von Staat und Kirche. Der (individuelle) Menschengeist – Psychologie –.
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Unterscheidung von Gemüt, Geist und Seele als der drei Potenzen des menschlichen Geistes. 1) Gemüt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 | 2) Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 3) Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 Geisteskrankheit. – Gut und bös. Beziehung der Seele zu der Kunst und zur Philosophie. (Verstand und Vernunft) Beziehung der Seele zur Moral und zur Religion. Tod und Zustand nach dem Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 Gedanken über eine Philosophie der Geisterwelt . . . . . . . 478 Letzte Entwicklung der Dinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 |
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I. Inwiefern ist überhaupt ein System möglich ? Antwort : es hat lange schon ein System gegeben, ehe der Mensch darauf gedacht hat, eines zu machen – das System der Welt. Dies also zu finden, ist die eigentliche Aufgabe. Das wahre System kann nicht erfunden, es kann nur als ein an sich, namentlich im göttlichen Verstande,1 bereits vorhandenes gefunden werden. Die meisten philosophischen Systeme sind bloße Werke ihrer Urheber – gut oder schlecht ersonnene – fast sich verhaltend wie unsere histo rischen Romane (z. B. der Leibnizianismus). Ein System in diesem Sinn als das einzig mögliche behaupten zu wollen, ist höchst illiberal, – Schulsystem –. Ich versichere, daß ich dazu keinen Beitrag habe liefern wollen. Indessen kann auch jenes wahre System in seiner empirischen Totalität nicht gefunden werden, als wozu die Erkenntnis aller, auch der einzelnsten Mittelglieder erfordert würde. Soll das zu findende ein Weltsystem sein, so muß es 1) als Welt system ein Prinzip haben, das sich selbst trägt, das in sich und durch sich selbst besteht, das sich selbst in jedem Teil des Ganzen reproduziert ; 2) darf es nichts ausschließen (z. B. die Natur), nichts einseitig unterordnen oder gar unterdrücken ; 3) muß es eine Methode der Entwicklung und des Fortschreitens haben, bei der man versichert sein kann, daß kein wesentliches Mittelglied übersprungen werden kann. Was ist Prinzip meines Systems ? – Dieses Prinzip ist auf verschiedene Weise ausgedrückt worden : a) als Prinzip der absoluten Identität2 schlechthin, wohl zu unterscheiden von absoluter Einerleiheit ; die hier gemeinte Identität ist eine | organische Einheit aller Dinge. In jedem Orga nismus ist Einheit, ohne daß jedoch die Teile desselben für einerlei gehalten werden könnten. So z. B. lösen sich im mensch lichen Körper alle Differenzen der Organe und Funktionen in
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Ein unteilbares Leben auf, dessen Empfindung als eines unteilbaren, harmonischen die Empfindung des Wohlseins ist, aber die Teile und Funktionen, die dieses organische Ganze bilden, sind darum nicht einerlei ; der Magen z. B. tut nicht die Funktionen des Gehirns etc. b) Bestimmter wurde dieses Prinzip ausgedrückt als absolute Identität des Realen und Idealen. Die Meinung ist hier nicht, daß das Reale und Ideale numerisch oder logisch einerlei sei ; es ist eine wesentliche Einheit gemeint ; es ist zwar eine und eben dieselbe Sache in beiden Formen gesetzt, aber sie ist in jeder dieser Formen ein eignes, und nicht einerlei Wesen. Wenn z. B. Jacob auch Israel hieß, so war es immer eben dasselbe Individuum, das durch die verschiedenen Namen nicht verschieden individuali siert wurde. Aber nicht so verhält es sich mit der Identität des A Realen und Idealen. Man setze z. B. , hier sind B und C B = C identisch, weil sie dem Wesen nach A sind, aber verschieden sind sie voneinander als Formen, oder für sich betrachtet ; B kann ewig nicht C, C nicht B werden, ebenso ist auch A in B und A in C jedes ein eignes Wesen.3 Eben dadurch, daß in jedem dasselbe Wesen ist, ist zwischen ihnen eine wesentliche (d. h. nicht bloß formelle, logische oder nominale) Einheit, zugleich aber ein wirklicher Gegensatz oder Dualism, indem sie sich untereinander nicht aufheben können. Denn dadurch, daß sich A in B und in C individualisiert, bekommen beide das gleiche Recht zur Existenz. Warum ist denn nun aber das erste Prinzip als Identität des Realen und Idealen bestimmt worden ? – Zunächst eben um anzudeuten, daß weder das Reale noch das Ideale als solches das Erste oder das Absolute sei, sondern beides nur untergeordnete Formen des eigentlichen Ur-Wesens.4 Dann aber soll es allerdings auch positiv aussagen, daß in beiden dasselbe Wesen sei. Mein Prinzip ist am | besten zu erklären in Bezug auf den Fichtianismus. Fichte macht den Schluß : Kein Dasein als für sich selbst. Nun nur das Ich für sich selbst da.5 Also etc. Den Untersatz nun leugne ich. Denn Subjekt und Objekt ist die allgemeine Form in
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der Materie so gut als im Ich (worin dann von der andern Seite wieder der Unterschied liege, dies ist freilich erst in der Folge zu zeigen) : so z. B. ist in dem Körper die zurückstoßende Kraft das Objektive, die attraktive in Ansehung des Körpers die auf ihn selbst zurückgehende, also subjektive Kraft. Fichten ist jener mit der Identität verknüpfte Dualism fremd. c) In einem dritten Ausdruck wurde das Prinzip meiner Philo sophie geradezu Absolutes oder Gott genannt. Das Absolute ist nun aber hier Prinzip der ganzen Philosophie ; diese ist nur Ein Ganzes, sie lebt und webt in Gott, während das dogmatische oder Leibniz-Wolffsche System, aber auch das Kantsche Gott erst hintennach bringen. Der Unterschied meiner Philosophie und der Philosophie überhaupt von der Theologie, mit der sie verwandt, ist der, daß die Theologie mehr nur ein Abstraktum der Philosophie ist ; sie nimmt gewissermaßen Gott als ein besonderes Objekt, während die Philosophie Gott zugleich als höchsten Erklärungsgrund aller Dinge betrachtet, und daher die Idee Gottes auch über andere Gegenstände verbreitet. Hiermit hängt das Folgende zusammen. Es ist eine gewöhnliche Frage die : wenn die Philosophie Gott zu ihrem Grund macht, wie gelangen wir zur Erkenntnis Gottes oder des Absoluten ? – Auf diese Frage gibt es keine Antwort. Die Existenz des Unbedingten kann nicht erwiesen werden wie die des Bedingten. Das Unbedingte ist das Element, worin allein Demonstration möglich ist. So wie der Geometer, wenn er seine Sätze zu beweisen beginnt, nicht zuerst das Dasein eines Raums beweist, sondern ihn nur voraussetzt, ebenso beweist die Philosophie nicht das Dasein Gottes, sondern sie bekennt, daß sie ohne ein Absolutes oder Gott gar nicht vorhanden wäre. – Alles läßt sich nur darstellen im Absoluten ; das Unbedingte geht darum auch nicht vor dem Dasein der Philosophie her, | sondern die ganze Philosophie beschäftigt sich mit diesem Dasein, die ganze Philosophie ist eigentlich der fortgehende Beweis des Absoluten, der daher nicht im Anfang derselben gefordert werden darf. Wenn das Universum nichts anderes sein kann als Manifestation des Absoluten, Philosophie aber wieder nichts anderes als gei-
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stige Darstellung des Universums, so ist auch die ganze Philosophie nur Manifestation, d. h. fortgehende Erweisung Gottes. Wir gehen nun von dem Satz aus : das Urwesen ist notwendig und seiner Natur nach absolute Identität des Realen und Idea len. Mit diesem Satz ist aber noch nichts gesagt : wir haben bloß den Begriff des Urwesens, aber wir haben es noch nicht als ein aktuelles, wirkliches Wesen. So z. B. wenn wir sagen : das Wesen des Menschen ist eine absolute Identität von Freiheit und Notwendigkeit – ein freies und ein notwendiges Prinzip sind innigst in ihm vereinigt –, so haben wir damit zwar einen Begriff des Menschen, aber noch keinen lebendigen wirklichen Menschen ; dazu (um einen wirklichen Menschen zu haben) müssen wir ihn betrachten, inwiefern diese Prinzipien in ihm wirklich im Gegensatz, im Kampfe begriffen sind. – Anders ausgedrückt : das Urwesen als absolute Identität des Realen und Idealen ist selbst wieder nur subjektiv gesetzt, aber wir müssen es ebenso gut objektiv begreifen : es muß nicht nur in sich, sondern auch außer sich absolute Identität des Realen und Idealen sein, d. h. es muß als solche sich offenbaren, sich aktualisieren – es muß auch in der Existenz sich zeigen als ein solches, das dem Wesen nach absolute Identität des Realen und Idealen ist. Nun kann aber alles nur in seinem Gegenteil offenbar werden, also Identität in Nicht-Identität, in Differenz, in Unterscheidbarkeit der Prinzipien. Wie dies nun in Gott möglich, davon reden wir hier noch nicht, sondern nur davon, daß eine Trennung, eine Differenz gesetzt werden muß, wenn wir nämlich vom Wesen zur Existenz kommen wollen. Man hat diesen Übergang von Identität zu Differenz sehr oft als ein Aufheben der Identität angesehen ;6 dies ist aber gar nicht der Fall, wie ich gleich zeigen werde. Es ist vielmehr nur eine | Doublierung des Wesens, also eine Steigerung der Einheit, was wieder durch Analogie mit uns deutlich zu machen ist. Bewußtsein entsteht durch eine Scheidung von Prinzipien, die zuvor implicite im Menschen waren, z. B. rationales und irrationales. Keines von beiden soll vertilgt werden. Eben in dem Streit7 und der Versöhnung beider soll sich unsere Menschheit bewähren.
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Wenn wir uns nun bewußt werden – wenn sich in uns Licht und Finsternis8 scheiden –, so treten wir ja dadurch nicht aus uns hinaus, die beiden Prinzipien bleiben doch in uns als ihrer Einheit. Wir verlieren nichts von unserem Wesen, sondern besitzen uns jetzt nur in gedoppelter Gestalt, nämlich einmal in der Einheit, das andremal in der Entzweiung. So Gott. Setzen wir A = A als den Zustand des in sich verschlungenen Seins, so haben wir in diesem A = A schon dreierlei zu bemerken, a) A als Objekt, b) A als Subjekt, c) die Identität beider ; aber dies alles reell-ununterscheidbar. Nun soll Differenz der Prinzipien gesetzt werden : also da A als Subjekt und A als Objekt unterscheidbar sind, so verwandelt sich A = A in A = B ; da aber A der gleichwohl die Einheit des Wesens besteht, so ist statt A = A A Ausdruck der Differenz , d. h. Eins und Zwei ; A = B ist die A = B Entzweiung, A die Einheit, das Ganze zusammen das lebendige, aktuelle Urwesen, A hat in A = B ein Objekt, einen Spiegel.9 Also an sich ist das Urwesen immer Einheit – Einheit des Gegensatzes und der Entzweiung.10 Jetzt erst fragen wir : wie ist diese Scheidung11 in Gott möglich ? Da nämlich das Band der Prinzipien in Gott einmal unauf löslich ist, so scheint insofern eine Scheidung ganz unmöglich, und doch ist sie notwendig zur Offenbarung. Wie ist dieser Widerspruch aufzulösen ? Wenn das Urwesen in A und B wieder das Ganze ist, so können A und B geschieden sein, ohne daß das absolute Band der Prinzipien aufgehoben ist. Wir müßten also annehmen, daß das Urwesen in | jedem der Geschiedenen das Ganze bliebe, d. h. sich als Ganzes in ihnen setzte, so also, daß unter B wieder B, d. h. Reales, A, d. h. Geistiges, und die Einheit beider begriffen wäre. Ebenso unter A. – Aber wäre denn nun hiermit bereits eine reelle Unterschiedenheit gesetzt ? Keineswegs. In der ForA mel heiße das obere A das Wesen an sich. Da aber diese A = A nämliche Identität auch die Copula in A = A (der Form) ist, so heiße die Identität, sofern sie in der Form lebendig ist, das Wesen
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in der Form. Wir haben also 1) Wesen an sich, 2) Wesen in der Form. Aber das Wesen in der Form, solange diese nämlich A = A ist (die Prinzipien nicht differenziert sind), ist identisch mit dem Wesen an sich und von ihm nicht unterscheidbar. Nun sollte Unterscheidbarkeit gesetzt werden durch Differenzierung der Form in zwei untergeordnete Formen ; auf folgende Art :
A = Wesen an sich A = A = Wesen in der absoluten Form. A A = B
A
A A = B
B
Da aber in jeder dieser Formen wieder dasselbe Band liegt, was in der absoluten Form, so löst sich jede von beiden wieder in das Wesen der absoluten Form, und durch diese in das Wesen an sich auf. Wir sind also wieder, wo wir zuvor waren. Wir haben jetzt nur statt der einfachen Faktoren A = B die zwei Einheiten, d. h. wir haben nur eine höher entwickelte Einheit, aber keine Differenz. Dennoch aber ist diese Umwandlung der absoluten Form in zwei untergeordnete Formen, oder, was dasselbe ist, diese vollkommene Einbildung des ganzen Urwesens ins Reale und ins Ideale, der notwendige Weg zur endlichen wirklichen Differenzierung. Bei genauerer Betrachtung findet sich nämlich, daß zwischen den beiden Einheiten doch eine wirkliche, wenn auch noch nicht als wirklich gesetzte Differenz obwaltet. Die reale Einheit (die unter dem Exponenten von B) verhält sich als Sein, die ideale (die unter dem | Exponenten von A) als Position des Seins. Nun ist aber das Sein für sich auch schon Position : also ist die Position des Seins eine Position der Position, d. h. eine Position der zweiten Potenz. Hier entsteht uns also zuerst der für das Ganze höchst wichtige Begriff der Potenzen.12 Wir haben zuerst ein Höheres und ein Niedereres – einen Unterschied der Dignität. Das Ideale ist der Dignität nach höher als das Reale. – In der Formel ausgedrückt würde sich dies so darstellen.
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a) B, das Sein, kann nicht für sich sein. Kraft des unauflös lichen Bandes kann nie B oder A für sich existieren. Das reale Sein ist also immer nur A in B oder unter dem Exponenten von B ; wir drücken dies aus durch A = B = erster Potenz. b) A kann auch nicht für sich sein, sondern muß als Position der ersten Potenz diese idealiter in sich enthalten ; es ist also A2 = zweiter Potenz. Beide Einheiten oder Potenzen sind wieder Eins in der absoluten Einheit, diese also als gemeinschaftliche Position der ersten und der zweiten Potenz ist A 3, und der vollkommen entwickelte Ausdruck des anfänglichen A = A ist daher A3 A2 = (A =B). 13 Hiermit ist nun aber zugleich noch mehr gegeben als bloßer Dignitäts-Unterschied. Die erste Potenz muß ihrer Natur nach der zweiten vorangehen ; zwischen den beiden Potenzen ist also eine Priorität und Posteriorität ; das Reale ist naturâ prius, das Ideale posterius. Das Niederere wird freilich dadurch vor dem Höheren gesetzt, aber nicht der Dignität nach, was freilich einen Widerspruch enthalten würde, sondern der Existenz nach. Indeß ist auch die jetzt entwickelte Priorität der ersten Potenz nur erst eine ideale oder logische Priorität des Realen vor dem Idealen, aber noch nicht eine wirkliche. Wir haben bloß gezeigt, daß und wie | eine Differenzierung möglich sei. Aber wie gelangen wir nun zur Wirklichkeit derselben ? Der Grund dieser Wirklichkeit kann allerdings nur im Ur wesen oder Gott selbst liegen. Das Mittel aber ist bereits angegeben. Die erste Potenz geht nämlich, wie wir eben gesehen, auch in Gott absolut betrachtet der zweiten der Idee nach voran – die eine ist naturâ prior, die andere posterior. Will also das Urwesen die Entzweiung der Potenzen, so muß es diese Priorität der ersten Potenz als eine wirkliche setzen (jene bloß ideale oder logi sche Priorität in eine wirkliche verwandeln), d. h. es muß sich selbst freiwillig auf die erste einschränken, die Simultaneität der Prinzipien, so wie sie ursprünglich in ihm ist, aufheben. Diese
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Aufhebung der Simultaneität ist aber weder eine Aufhebung der inneren (wesentlichen) Einheit, denn diese beruht nicht auf Simultaneität, noch ist sie eine Aufhebung des Bands der Potenzen, weil, sowie die erste Potenz gesetzt ist, unmittelbar auch die zweite und sodann die dritte gesetzt werden muß. Wenn die Priorität der ersten Potenz eine wirkliche wird, so wird die Identität der Potenzen im Absoluten nicht aufgehoben, sie wird nur in eine Verkettung oder Kohärenz derselben verwandelt. Vorher liegen die Potenzen in ihm in völliger Indifferenz oder Ununterscheidbarkeit. Ebenso liegt die ganze Zeit implicite, als Einheit oder als Ewigkeit, in ihm. Dadurch, daß sich Gott freiwillig auf die erste Potenz einschränkt, – freiwillig nur Eines ist, da er alles sein könnte, dadurch macht er einen Anfang der Zeit (NB. nicht in der Zeit). Durch sein sich Zurückziehen auf die erste Potenz wird zwar zunächst eine Beschränkung in ihm gesetzt, da aber diese seinem Wesen widerspricht, indem es seiner Natur nach alle Potenzen ist, so entsteht ein Fortschreiten von der ersten zur zweiten, und damit eine Zeit.14 Die Potenzen sind nun zugleich als Perioden der Selbstoffenbarung Gottes gesetzt. Allgemeine Anmerkungen hiezu. 1) Passive Einschränkung ist allerdings Unvollkommenheit, relativer Mangel an Kraft ; aber sich selbst einschränken, sich einschließen in | Einen Punkt, aber diesen auch festhalten mit allen Kräften, nicht ablassen, bis er zu einer Welt expandiert ist,15 dies ist die höchste Kraft und Vollkommenheit. Goethe sagt : Wer Großes will, muß sich zusammenraffen, In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister.16
In der Kraft sich einzuschließen liegt die eigentliche Originalität, die Wurzelkraft. In A = B ist eben B selbst das kontrahierende Prinzip, und wenn Gott sich auf die erste Potenz einschränkt, so ist es um so mehr eine Kontraktion17 zu nennen. Kontraktion aber ist der Anfang aller Realität. Daher auch nicht die
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expansiven, sondern die kontraktiven Menschen ur- und grundkräftige Naturen sind. Inzwischen ist der Anfang der Schöpfung allerdings eine Herablassung Gottes ;18 er läßt sich eigentlich herab ins Reale, kontrahiert sich ganz in dieses. Aber hierin ist nichts, was Gott unwürdig wäre. Eben die Herablassung Gottes ist das Größte auch im Christentum. Ein metaphysisch hinaufgeschraubter Gott taugt weder für unsern Kopf noch für unser Herz. 2) Dieser Akt der Einschränkung oder Herablassung Gottes ist freiwillig. Es gibt also keinen Erklärungsgrund der Welt als die Freiheit Gottes. Nur Gott selbst kann die absolute Identität seines Wesens brechen, und dadurch Raum zu einer Offenbarung machen. Nun ist freilich alle wahre, d. h. absolute Freiheit wieder eine absolute Notwendigkeit.19 Denn von einer Handlung der absoluten Freiheit läßt sich kein weiterer Grund angeben ; sie ist so, weil sie so ist, d. h. sie ist schlechthin und insofern notwendig. Gewöhnlich will man die Freiheit nur da sehen, wo eine Wahl stattgefunden hat, ein Zustand des Zweifels vorangegangen, endlich die Entscheidung erfolgt ist. Aber wer weiß, was er will, greift zu ohne Wahl. Wer wählt, der weiß nicht, was er will, und will daher auch nicht. Alle Wahl ist Folge eines unerleuchteten Willens. Wenn Gott ex ratione boni handelt, so hat er gerade eine sehr untergeordnete Freiheit. Ihm vollends nun erlauben, die beste Welt aus unendlich vielen möglichen zu wählen,20 heißt, ihm gerade den geringsten Grad der Freiheit lassen. Eine solche ganz | absolute Handlung ist in uns diejenige, welche unseren Charakter gründet. Der Charakter entsteht auch durch eine Art von Kontraktion, wodurch wir uns eben eine Bestimmtheit geben ; je intensiver dieselbe, desto mehr Charakter. Niemand wird behaupten, daß sich ein Mensch seinen Charakter gewählt habe ; er ist insofern kein Werk der Freiheit im gewöhnlichen Sinn – und doch imputabel. Hier findet sich also eine solche Identität von Freiheit und Notwendigkeit. 3) Durch die Selbsteinschränkung Gottes wird nur ein Anfang der Zeit, aber nicht ein Anfang in der Zeit gesetzt. Gott selbst ist darum nicht in die Zeit gesetzt.21
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Die Zeit ist in dem Realen gesetzt, nun ist aber das Reale nicht Gott selbst, obgleich unabtrennlich mit ihm verbunden. Denn das Reale in Gott ist das Sein oder die Existenz, das Ideale ist das Existierende, das, worin Reales und Ideales eins sind, der wirklich-existierende, lebendige Gott. Die Zeit ist in dem Realen (dem Sein Gottes) gesetzt. Aber es selbst im Ganzen ist doch auch nicht in der Zeit. Nur das einzelne Eingeschränkte in ihm schreitet fort und entwickelt sich. »Aber so wäre doch diese Zeit im Realen für Gott gesetzt, Gott also doch mit der Zeit gleichsam bemengt ?« Antwort : indem die Differenz im Realen – und damit Zeit – gesetzt ist, ist in Gott auch wieder die Position dieser Differenz = A 2 gesetzt, in welchem das alles zumal und auf ewige Weise enthalten ist, was in dem A = B auf zeitliche Weise sich entwickelt. Da nun wieder in Gott absolut betrachtet, d. h. in Gott, sofern er weder bloß Existenz (Reales) noch bloß Existierendes (Subjekt) ist – also in Gott als A 3 – A 2 und A = B in beständiger Verknüpfung ist, so löst sich auch A = B in ihm als Subjekt (A 2) oder in seinem Bewußtsein unmittelbar wieder in die Ewigkeit seines Wesens auf. A 2 (Gott als Subjekt) ist der Brennpunkt oder die Einheit der Zeit. A 3 oder Gott absolut betrachtet ist nicht Ewigkeit und nicht Zeit, sondern absolute Identität von Ewigkeit und Zeit. Alles, was in der | Zeit ist, ist in ihm als Subjekt ewig, und alles, was in ihm als Subjekt ewig ist, ist in ihm als Objekt zeitlich. Frage 1. Ist jener Akt der Selbstdifferenzierung in der Zeit ? Ist er vor einer unendlichen oder vor einer bestimmten Zeit erfolgt ? – Antwort : Keines von beiden. Er ist überall nicht in der Zeit, ist über alle Zeit, ist seiner Natur nach ewig. Frage 2. Hat das Universum einen Anfang oder keinen ?22 Es hat einen Anfang (weil es abhängig ist), aber nicht einen Anfang in der Zeit. Alle Zeit ist in ihm, außer ihm keine. Eigentlich hat jedes Ding (nicht nur das Universum) die Zeit in sich selbst. Es gibt keine äußere, allgemeine Zeit ; alle Zeit ist subjektiv, d. h. eine innere, die jedes Ding in sich selbst hat,
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nicht außer sich.23 Weil aber jedes einzelne Ding andere Dinge vor und außer sich hat, so kann alsdann seine Zeit mit der Zeit anderer Dinge verglichen werden, da es doch nur eine eigne subjektive Zeit hat. Dadurch entsteht dann das Abstraktum Zeit – nämlich erst durch Vergleichung, Messung. An sich aber gibt es keine Zeit. Das Reale in der Zeit sind bloß die verschiedenen Einschränkungen, durch welche ein Wesen geht. Wir können daher philosophisch eigentlich nur sagen : ein Ding ist durch diese und diese Einschränkungen gegangen, aber nicht es hat so und so lang gelebt. Diese Bestimmung von so und so lang kann nur aus Vergleichung entstehen ; wenn ich aber ein Wesen in Vergleichung betrachte, so betrachte ich es nicht an sich selbst, d. h. nicht philosophisch. Beim Universum fällt nun vollends alle Möglichkeit einer solchen Täuschung hinweg, weil alle Dinge in ihm, keines außer ihm ist, weil es also auch nicht nach der Zeit eines Dings, das vor oder außer ihm wäre, gemessen werden kann. II. Ohne Zweifel sind Ihnen manche Ausdrücke, z. B. der einer Kontraktion in Gott und ähnliche befremdend gewesen. Erlauben Sie mir daher darüber eine allgemeine Erklärung, die über den Sinn meiner Ansicht selbst ein neues Licht geben wird. | Wenn wir uns von dem Urwesen, seinem Sein und Leben eine Idee bilden wollen, so haben wir eigentlich nur die Wahl zwischen zwei Ansichten. a) Entweder ist uns das Urwesen ein mit einem Mal fertiges und unveränderlich vorhandenes. Dies ist der gewöhnliche Begriff von Gott – der sogenannten Vernunftreligion und aller abstrakten Systeme. Allein je mehr wir diesen Begriff von Gott hinaufschrauben, desto mehr verliert Gott für uns an Lebendigkeit, desto weniger ist er als ein wirkliches, persönliches, im eigentlichen Sinn, wie wir, lebendes Wesen zu begreifen. Verlangen wir einen Gott, den wir als ein ganz lebendiges, persönliches Wesen ansehen können, dann müssen wir ihn eben auch ganz
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menschlich ansehen, wir müssen annehmen, daß sein Leben die größte Analogie mit dem menschlichen hat, daß in ihm neben dem ewigen Sein auch ein ewiges Werden ist, daß er mit Einem Wort alles mit dem Menschen gemein hat, ausgenommen die Abhängigkeit (Ausspruch des Hippokrates).24 Dies vorausgesetzt, will ich Ihnen nun, was bisher mit mehr wissenschaftlichen Ausdrücken, auf allgemein menschliche Art25 sagen : Gott ist ein wirkliches Wesen, das aber nichts vor oder außer sich hat. Alles, was er ist, ist er durch sich selbst ; es geht von sich selbst aus, um zuletzt wieder auch rein in sich selbst zu endigen. Also mit Einem Wort : Gott macht sich selbst,26 und so gewiß er sich selbst macht, so gewiß ist er nicht ein gleich von Anfang Fertiges und Vorhandenes ; denn sonst brauchte er sich nicht zu machen. – Also was ist denn der ursprüngliche Zustand, in welchem sich das ganz bloß in sich seiende, nichts außer sich habende Urwesen befindet ? Alles lebendige Dasein fängt von Bewußtlosigkeit an, von einem Zustande, worin noch alles ungetrennt beisammen ist, was sich hernach einzeln aus ihm evolviert ; es ist noch kein Bewußtsein mit Scheidung und Unterscheidung da. Ebenso fängt auch das göttliche Leben an. Es enthält alles in sich selbst, ist unendliche Fülle nicht nur von Gleichartigem sondern von Ungleichartigem, aber in völliger Ungeschiedenheit. Gott ist nur noch da als ein stilles Sinnen über sich selbst – ohne alle | Äußerung und Offenbarung. Dies der Zustand, den wir als Gleichgültigkeit der Potenzen in ihm bezeichnet haben. Es ist in sich schon absolute Identität des Subjektiven und Objektiven, des Realen und Idealen, aber es ist es nicht für sich selbst, sondern wäre es nur für ein Drittes zuschauendes, dergleichen es aber begreiflicherweise nicht gibt. Wir können nun zum voraus sagen, daß eigentlich der ganze Prozeß der Weltschöpfung, der noch immerfort der Lebensprozeß in der Natur und in der Geschichte – daß dieser eigentlich nichts anderes als der Prozeß der vollendeten Bewußtwerdung, der vollendeten Personalisierung Gottes ist. – Ich erkläre dieses Auffallende durch Folgendes.
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In uns sind zwei Prinzipien, ein bewußtloses, dunkles, und ein bewußtes. Der Prozeß unserer Selbstbildung, wir mögen nun suchen uns in Ansehung der Erkenntnis und der Wissenschaft, oder sittlich, oder auch ganz unbeschränkt durch das Leben und für das Leben zu bilden, so besteht dieser Prozeß immer darin, das in uns bewußtlos Vorhandene zum Bewußtsein zu erheben, das angeborene Dunkel in uns in das Licht zu erheben, mit Einem Wort zur Klarheit zu gelangen. Dasselbe in Gott. Das Dunkel geht vor ihm her, die Klarheit bricht erst aus der Nacht seines Wesens hervor. Gott hat dieselben zwei Prinzipien in sich, die wir in uns haben. Von dem Augenblick an, daß wir die zwei Prinzipien in uns gewahr werden, daß wir uns in uns selbst scheiden, uns uns selbst entgegensetzen, uns mit dem besseren Teil von uns selbst über den niedrigeren erheben – von dem Augenblick fängt das Bewußtsein an, aber darum noch nicht volles Bewußtsein. Das ganze Leben ist eigentlich nur ein immer höheres Bewußtwerden, die meisten stehen auf dem niedrigsten Grade, und die sich auch Mühe geben, kommen meist doch nicht zur Klarheit, und vielleicht keiner im gegenwärtigen Leben zur absoluten Klarheit – immer bleibt noch ein dunkler Rest27 – (keiner erreicht die Höhe seines Guten und den Abgrund seines Bösen). Das Nämliche gilt nun von Gott. Der Anfang des Bewußtseins in ihm ist, daß er sich von sich scheidet, sich selber sich entgegensetzt. Er hat nämlich ein Höheres und ein Niedereres in sich – was wir | eben durch den Begriff der Potenzen bezeichneten. Im noch unbewußten Zustand hat Gott die beiden Prinzipien zwar in sich, aber ohne sich als das eine oder andere zu setzen, d. h. sich in dem einen oder dem andern zu erkennen. Mit dem anfangenden Bewußtsein geht diese Erkennung vor sich, d. h. Gott setzt sich selbst (zum Teil) als erste Potenz, als Bewußtloses, aber er kann sich nicht als Reales kontrahieren, ohne sich als Ideales zu expandieren, sich nicht als Reales, als Objekt setzen, ohne zugleich sich als Subjekt zu setzen (ohne dadurch das Ideale frei zu machen) ; und beides ist Ein Akt, beides
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absolut zugleich ; mit seiner wirklichen Kontraktion als Reales ist seine Expansion als Ideales gesetzt.28 Das Höhere in Gott drängt gleichsam das Niederere von sich hinweg, mit dem es bisher in Indifferenz oder Mischung war, und umgekehrt, das Niederere sondert durch seine Kontraktion sich selbst von dem Höheren ab – und dies wie im Menschen so auch in Gott der Anfang seines Bewußtseins, des Persönlichwerdens. Aber wie der Mensch im Prozeß seiner Selbstbildung oder Selbstbewußtwerdung das Dunkle, Bewußtlose in sich von sich ausschließt, sich entgegensetzt, nicht um es ewig in dieser Ausschließung, in diesem Dunkel zu lassen, sondern um dieses Ausgeschlossene, dieses Dunkle selbst allmählich zur Klarheit zu erheben, es hinaufzubilden zu seinem Bewußten, so schließt auch Gott das Niederere seines Wesens zwar von dem Höheren aus und drängt es gleichsam von sich selbst hinweg, aber nicht um es nun in diesem Nichtsein zu lassen, sondern um es aus ihm zu erheben, um aus dem von sich ausgeschlossenen Nichtgöttlichen – aus dem, was nicht Er selber ist,29 und was er eben darum von sich geschieden, das ihm Ähnliche und Gleiche zu erziehen, heraufzubilden, zu schaffen. Schöpfung besteht daher in dem Hervorrufen des Höheren, eigentlich Göttlichen in dem Ausgeschlossenen. Nur ist natürlich dieses Bewußtlose von Gott ein Unend liches wie er selbst, also nicht so bald erschöpft, und daher die Dauer des Prozesses der Weltschöpfung. Um Ihnen gleich eine weitere Aussicht zu eröffnen : dieses unter | geordnete Wesen, dieses Dunkle, Bewußtlose, was Gott beständig von sich, als Wesen, von seinem eigentlichen Inneren hinwegzudrängen, auszuschließen sucht, ist die Materie (freilich nicht die schon gebildete), und die Materie also nichts anderes als der bewußtlose Teil von Gott. Aber indem er sie von der einen Seite von sich auszuschließen sucht, sucht er sie von der andern auch wieder an sich zu ziehen, sie zu sich hinauf zu bilden, sie – obgleich untergeordnet – doch in sein höheres Wesen zu verklären, aus diesem Bewußtlosen, aus der Materie das
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Bewußte hervorzurufen. Daher der Prozeß der Schöpfung nur da still steht, wo aus dem Bewußtlosen, aus der Tiefe der Mate rie heraus Bewußtsein geweckt und erschaffen ist, d. h. beim Menschen ; und obgleich auch mit dem Menschen noch eine ungeheure Masse von Bewußtlosigkeit auf die höhere Stufe heraufgebracht wird, die dann auch wieder zerlegt wird und den Stoff neuer Schöpfungen hergibt, so ruht doch Gott im Menschen zuerst ; sein Hauptzweck ist im Menschen erreicht. Es ist allerdings für die gewöhnliche abstrakte Betrachtungsart auffallend, daß in Gott ein Prinzip sein solle, das nicht Gott, das bewußtlos, das geringer ist als Er selbst. Wer sich Gott als eine leere Identität denkt, kann dies freilich nicht begreifen. Der Beweis der Notwendigkeit dieser Annahme liegt in dem Grundgesetz des Gegensatzes.30 Ohne Gegensatz kein Leben. Im Menschen und in jedem Dasein überhaupt ist das Nämliche. Auch in uns ist ein Rationales und ein Irrationales. Jedes Ding, um sich zu manifestieren, bedarf etwas, was nicht es selbst ist sensu stricto. (Diese Auffassung ist eigentlich nur gegen die abstrakten Begriffe von Gott als ens realissimum – illimitatissimum, Gott ist freilich nicht limitiert gegen außen, aber in sich, so gewiß er eine bestimmte Natur ist). Um dieses Zugleichsein eines Höheren und Niedereren in Gott noch näher zu bringen, dient Folgendes. Das Reale, Bewußtlose ist das Sein Gottes, rein als solches. Nun ist aber das Sein Gottes mit Gott selbst nicht einerlei, sondern wirklich verschieden, wie im Menschen. Demnach ist das Ideale der seiende Gott oder der existierende Gott oder auch Gott sensu eminenti. | Denn unter Gott in strengem Sinn verstehen wir immer den seienden Gott. Demnach verhalten sich die beiden Prinzipien in Gott auch wie Seiendes und Sein. Das Ideale oder Bewußte ist das Subjekt des Seins, das Bewußtlose nur das Prädikat dieses Subjekts, des Seienden, und also nur um des Seienden willen. Wenn also Gott sich in sich selbst geschieden hat, so hat er sich als Seiendes von seinem Sein geschieden : was eben auch im Menschen der höchste moralische Akt ist. Unser Sein ist nur
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Mittel, Werkzeug für uns selbst. Der Mensch, der sich nicht von seinem Sein scheiden (sich von ihm unabhängig machen, befreien) kann, der ganz verwachsen ist und eins bleibt mit seinem Sein, ist der Mensch, inwiefern er ganz in seine Selbstheit versunken ist und unfähig sich in sich selbst zu steigern – moralisch und intellektuell. Wer sich von seinem Sein nicht scheidet, dem ist das Sein das Wesentliche, nicht sein inneres, höheres, wahres Wesen. Ebenso bliebe Gott verwachsen mit seinem Sein, so wäre kein Leben, keine Steigerung. Darum scheidet er sich von seinem Sein, daß es nur Werkzeug für ihn ist. Ein zweiter aus dem ersten folgender Ausdruck des Verhältnisses beider Prinzipen ist, daß sie sich wie Seiendes und Nichtseiendes verhalten. Eben das Wesen des Nichtseienden zu erforschen, darin liegt eigentlich das Schwere, das Kreuz aller Philosophie. Wir greifen ewig darnach und vermögen nicht es fest zu halten. Aus Mißverstand dieses Begriffs ist die Vorstellung einer Schöpfung aus nichts entstanden. Alle endlichen Wesen sind aus dem Nichtseienden geschaffen, aber nicht aus dem Nichts. Das oὐκ ὄν der Griechen31 ist so wenig als die μὴ ϕαινόμενα des N. T.32 ein Nichts, es ist nur das nicht-Subjektive, Nicht-seiende, aber eben darum das Sein selber. Ein Nichtseiendes dringt sich uns vielfach auf als etwas doch in anderer Beziehung wieder Seiendes. Was ist z. B. die Krankheit ? Ein Zustand wider die Natur ; insofern also ein Zustand, der nicht sein könnte und doch ist, keine Realität im Grund und doch wieder unleugbar eine furchtbare Realität. Das Böse ist in der moralischen | Welt, was die Krankheit in der körperlichen ist ; es ist das entschiedenste Nichtwesen von Einer Seite betrachtet, und hat doch eine schreckliche Realität. Alles Nichtseiende ist nur relativ, nämlich in Bezug auf ein höheres Seiendes, aber es hat in sich selbst doch auch wieder ein Seiendes ; B und A können daher in nichts getrennt sein. Also wenn B = dem reinen Nichtseienden, so könnte B nicht für sich sein ; es hat auch wieder ein A in sich und ist also (A = B) ; aber dieses Ganze (A = B) verhält sich zu einem Höheren wieder
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als Nichtseiendes, als bloße Unterlage, bloßen Stoff, bloßes Organ oder Werkzeug, inzwischen ist es in sich selbst auch wieder ein Seiendes. Dies nun angewendet auf das, was wir das Sein in Gott genannt haben : dieses ist in Bezug auf das Seiende in Gott allerdings ein Nichtseiendes, nämlich es verhält sich zu ihm ursprünglich bloß als Unterlage, als das, was nicht selber Ist, was bloß ist, um dem wahren Seienden als Basis zu dienen. Aber doch ist es wieder ein Seiendes in sich selbst. Mit andern Worten, und wie ich es sonst auch ausgedrückt habe : es gibt kein rein und bloß Objektives in Gott, denn das wäre nichts ; sondern das, was beziehungsweise auf das Höhere in Gott objektiv ist, ist doch an sich selbst auch wieder Subjektives und Objektives, nicht bloßes B, sondern A und B. Noch von einer andern Seite. Auch das bloße Sein in Gott ist kein totes Sein, sondern auch in sich wieder ein lebendiges, das auch selber wieder ein Seiendes und ein Sein in sich schließt. Gott selbst ist über der Natur, die Natur sein Thron,33 sein Untergeordnetes, aber alles in ihm ist so voll Leben, daß auch dieses Untergeordnete wieder in ein eignes Leben ausbricht, das rein für sich betrachtet ein ganz vollkommenes Leben ist, obgleich in Bezug auf das göttliche Leben ein Nichtleben. So hat Phidias an der Fußsohle seines Jupiters die Kämpfe der Lapithen und Kentauren abgebildet.34 Wie hier – vielleicht nur durch jenen wunderbaren Instinkt geleitet, der in allen griechischen Werken ist – der | Künstler auch noch die Fußsohle des Gottes mit kräftigem Leben erfüllt, so ist gleichsam das Äußerste und Entfernteste von Gott noch volles, kräftiges Leben in sich selbst. Durch die Theorie der zwei Prinzipien, die in Gott eins sind, meiden wir zwei Abwege, auf die man sich in der Lehre von Gott zu verirren pflegt. In Ansehung der Idee Gottes wird nämlich auf zwei Seiten gefehlt. Nach der dogmatischen, für orthodox gehaltenen Ansicht wird Gott als ein besonderes, abgeschnittenes, einzelnes, ganz für sich bestehendes Wesen angesehen, wodurch also die Kreatur ganz von ihm ausgeschlossen wird. Die gemeinpantheistische Ansicht dagegen läßt Gott gar kein besonderes,
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eignes, für sich bestehendes Dasein ; sie löst ihn vielmehr in eine allgemeine Substanz auf, die nur Träger der Dinge ist. Nun ist aber Gott beides ; er ist zuvörderst Wesen aller Wesen, aber als dieses muß er doch auch selbst existieren, d. h. er muß als Wesen aller Wesen einen Halt, ein Fundament für sich haben. Also : Gott ist in seiner höchsten Dignität allgemeines Wesen aller Dinge, aber dieses allgemeine Wesen schwebt nicht in der Luft, sondern ist begründet und gleichsam getragen durch Gott als individuelles Wesen – das Individuelle in Gott also die Basis oder Unterlage des Allgemeinen.35 So sind also auch nach dieser Ansicht zwei Prinzipien in Gott. Das erste Prinzip oder die erste Urkraft ist die, wodurch er als ein besonderes, einzelnes, individuelles Wesen ist. Wir können diese Kraft die Selbstheit, den Egoismus in Gott nennen. Wäre diese Kraft allein, so wäre nur Gott als einzelnes, abgeschnittenes, besonderes Wesen, es gäbe keine Kreatur. Es gäbe nichts als eine ewige Verschlossenheit und Vertiefung in sich selbst, und diese Eigenkraft Gottes wäre, weil sie immer eine unendliche Kraft wäre, ein verzehrendes Feuer,36 in dem keine Kreatur leben könnte. (Wir müssen es uns nach Analogie der Gemütskraft denken, die sich in einem höchst verschlossenen Menschen äußert, der eben darum auch finster heißt, dem wir ein dunkles Gemüt zuschreiben). Diesem Prinzip steht nun aber von Ewigkeit ein anderes entgegen, dieses andere Prinzip ist die Liebe, durch welche | Gott eigentlich das Wesen aller Wesen ist. Die bloße Liebe für sich selbst aber könnte nicht sein, nicht subsistieren, denn eben weil sie ihrer Natur nach expansiv, unendlich mitteilsam ist, so würde sie zerfließen, wenn nicht eine kontraktive Urkraft in ihr wäre. So wenig der Mensch aus bloßer Liebe bestehen kann, so wenig Gott. Ist eine Liebe in Gott, so auch ein Zorn, und dieser Zorn oder die Eigenkraft in Gott ist, was der Liebe Halt, Grund und Bestand gibt.37 Nun diese jetzt gefundenen Bezeichnungen der beiden Prinzipien sind nur die menschlichen Ausdrücke für die abstraktena : a abstrakten ] SW : abstrakte
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Ideales und Reales. Die Liebe das Ideale, der Egoismus das Reale in Gott.38 Ebenso die Liebe ist Gott selbst, der eigentliche Gott, der Gott, der durch die andere Kraft ist. Der göttliche Egoismus dagegen ist die Kraft, die nicht selber ist, sondern wodurch nur die Liebe, d. h. der wahre Gott ist. Auch diese Prinzipien können wir uns anfänglich in einer gewissen Gleichgültigkeit in Gott denken, aber dabei, wenn sie nämlich in dieser Gleichgültigkeit beharren, kann weder Gott selbst noch irgend etwas sich entwickeln. Die wahre Realität Gottes besteht eben in der Tätigkeit und der Wechselwirkung dieser beiden Prinzipien. Der erste Schritt dazu ist auch hier die Scheidung, daß Gott die Liebe in sich, d. h. sein wahres und eigentliches Selbst, von dem uneigentlichen scheidet. Diese Scheidung kann aber nur so geschehen, daß er das eine Prinzip über das andere erhöht, und dieses andere dagegen jenem unterordnet. Die Unterordnung des göttlichen Egoismus unter die göttliche Liebe ist der Anfang der Kreation. Der Egoismus ist = erster Potenz, die Liebe = zweiter oder höherer Potenz. Nach dem bloßen Egoismus würde keine Kreatur sein. Indem er aber der Liebe untergeordnet ist, überwindet ihn die Liebe, und diese Überwindung des gött lichen Egoismus durch die göttliche Liebe ist die Schöpfung (Natur = gebeugter Kraft). – Der göttliche Egoismus ist das Grundwesen der Natur – ich sage nicht : er ist die Natur, denn die wirkliche lebendige Natur, wie wir sie vor uns sehen, ist schon der durch die göttliche Liebe überwältigte und gemilderte göttliche Egoismus. Aber er ist das Grundwesen der Natur, der Stoff, aus dem alles erschaffen ist. | Jetzt gehen wir wieder auf die vorigen Begriffe vom Sein in Gott (das sich zu Gott selbst wie Nichtseiendes zu Seiendem verhält) zurück. Das Sein in Gott ist = der göttliche Egoismus, die Kraft, wodurch Gott als ein eignes Wesen besteht. Also es ist der ganze Gott, nur in der Form der Egoität. Die Egoität ist also nur die Potenz oder der Exponent, unter welcher das göttliche Wesen gesetzt ist. Stünde diesem Exponenten oder dieser Potenz nicht
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eine andere entgegen, so würde kraft dieser Potenz das göttliche Wesen in ewiger Verschlossenheit und Kontraktion verharren, wie in der äußeren Natur, wenn der kontraktiven Urkraft nicht eine andere in der Sonne entgegenwirkte, die Erde kalt, finster und völlig verschlossen, kreaturlos sein würde. Dadurch aber, daß dieser Potenz der Egoität = B eine andere Potenz, die der Liebe = A entgegensteht, wird jetzt in dem B selber, das das ganze Absolute, nur im Zustand der Involution (Verschlossenheit), enthält, der in ihm verborgene, nur nicht offenbare Gegensatz und mit dem Gegensatz zugleich das Göttliche geweckt. Denn was ist das Göttliche ? Antwort : das lebendige (einen Gegensatz in sich enthaltende) Band des Idealen und Realen. Wenn also jetzt in dem B selber wieder ein A und B geweckt wird, so daß B also A und B unter B stehen, so ist also jetzt auch in B A = B ein Band (eine Identität) von Idealem und Realem, d. h. das Göttliche geweckt. Hier ist also ein aus dem Ungöttlichen, dem Nichtseienden (B) entwickeltes Göttliches. B = Natur. DieA = B jenigen, die mit den physikalischen Erscheinungen bekannt sind, können sich diese Belebung der Natur durch das Beispiel der magnetischen Verteilung39 deutlich machen. Gott schließt das B von sich, d. h. von A aus ; aber er kann das B nicht ausschließen, ohne ihm A entgegenzusetzen, A nicht B entgegensetzen, ohne B zu erregen, dadurch dann . A = B Dieses A, was in der Natur ist, kommt nicht in sie hinein, es | ist gleich anfangs in ihr, denn der ganze Gott ist in ihr, aber im keimlichen Zustand ; sie ist Gott in seiner Involution, oder auch der potenzielle Gott, indeß das Ideale der aktuelle Gott ist. Die fortgehende Schöpfung besteht nun eben darin, daß jener Zustand der Involution in dem B beständig aufgehoben, daß das in ihm gleichsam schlummernde Göttliche geweckt und evolviert wird ; daher die Natur ein Göttliches, aber ein Göttliches niederer Art, ein aus dem Tod gleichsam erwecktes,
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aus dem Nichtsein ins Sein erhobenes Göttliches, wodurch es freilich von dem uranfänglichen Göttlichen immer geschieden bleibt, das nicht erst von dem Nichtsein zum Sein geweckt ist. Mit Einem Wort, diese sichtbare Natur ist nur durch ihre Form Natur, durch ihr Wesen aber göttlich. Sie ist das göttliche Wesen, nur nicht im Seienden, im A, sondern das göttliche Wesen im Nichtseienden dargestellt.40 Hiermit wäre denn also das Verhältnis der Natur zu Gott erläutert. Man hat diesem System vorgeworfen, es vergöttere die Natur. Ich muß mir diesen Vorwurf gefallen lassen, wenn nicht etwa angenommen wird, B sei anfänglich ein absolut-Ungöttliches, das nachher vergöttert werde. Allein es ist schon ursprünglich ein göttliches Prinzip und nur relativ (auf das A) ein ungött liches. Inwiefern es aber aus dieser relativen Nicht-Göttlichkeit zum Göttlichen, d. h. Seienden, erhoben wird, insofern ist es Gott selbst (nicht wir), der die Natur vergöttert. Ein anderer Vorwurf ist, dieses System identifiziere Gott mit der Natur.41 Aber hier ist wohl zu unterscheiden. Unter Natur wird entweder das bloße B verstanden, jene dunkle Urkraft, die aller Existenz zu Grunde liegt, das Unvertilgliche, was durch kein Menstruum42 aufzulösen ist. Ist nun dieses B nach meinem System Gott im eigentlichen Sinn ? Keineswegs ; es ist bloß das Sein Gottes (das vom Seienden verschieden ; unter Gott als solchem ist immer der seiende Gott verstanden). Ist es aber doch göttlich zu nennen ? Allerdings, denn es ist eine göttliche Urkraft, aber im engsten Verstand (so daß es zum eigentlichen göttlichen Subjekt, zu seinem inneren Wesen gehörte) ist es | nicht göttlich zu nennen. Es ist göttlich, weil es zu Gott gehört, weil es auch in der anfänglichen Scheidung noch in Gott bleibt, wie dasselbe dunkle Prinzip in uns, ob es gleich nicht unser wahres Wesen ist, indem es ja vielmehr von diesem beherrscht werden soll, ebenfalls menschlich heißt. – Dagegen ist das A in dem B göttlich allerdings und zwar schon in einem höheren Verstande als das B, das nur im weitläufigen Sinn göttlich heißen kann. Indeß ist doch auch das A in dem B von dem absolu-
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ten A dadurch hinlänglich unterschieden, daß es nur ein in B, in dem Nichtseienden gewecktes und hervorgerufenes Geistiges ist. – Wird aber unter Natur nicht A noch B, sondern das ganze A = B verstanden, so muß hier zuvörderst wieder unterschieden werden zwischen A = B als dem aus A und B Verbundenen und zwischen A = B, sofern es das lebendige Band beider bedeutet, oder sofern auf das Verbindende gesehen wird. Jenes ist die Natur als Produkt oder die Urmaterie,43 welche Geist und Körper noch absolut vereinigt, und welche mit Gott identifiziert zu haben diesem System wohl niemand vorwerfen kann, als wer die ersten Elemente davon nicht kennt. Sehen wir aber auf das Band zwischen beiden, so ist dieses nicht bloß göttlich, sondern ist Gott ; aber es ist nicht Gott schlechthin betrachtet, sondern es ist der in dem Nichtseienden erzeugte Gott, dessen Erzeuger eben der schlechthin betrachtete oder der seiende Gott ist. Das Band in A = B (wenn wir nämlich dies für die ganze Natur nehmen) ist also allerdings Gott, aber es ist Gott als Erzeugtes von sich selbst, Gott als Sohn, von dem, weil er das Wesen der Natur ist, die Schrift mit Recht sagt, alles sei durch ihn gemacht, ohne ihn sei nichts gemacht.44 Diese Ideen der Schrift wurden proskribiert45, weil man sie nicht verstand, wie das überhaupt das Mysterium der Aufklärerei wenigstens bei den meisten ist, daß sie aus der Beschränktheit ihrer intellektuellen Fakultäten eine Tugend gemacht haben. Ich will übrigens mit diesen Ausdrücken nichts beweisen, noch weniger mein System orthodox machen. Dieses Band heißt sehr expressiv das Wort,46 a) weil in ihm und mit ihm zuerst alle Unterscheidbarkeit anhebt ; b) weil in ihm zuerst das Selbstsein mit dem Nichtselbstsein, Selbstlauter und Mitlauter organisch | verbunden sind (A = Selbstlauter, B = Mitlauter, das für sich stumme Sein, das erst durch das Ideale oder A in die Verständlichkeit erhoben wird).47 Ich erkläre mein System durch folgende Übersicht über die neuere Philosophie :48
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Absoluter Dualismus des Cartesius : A Das Geistige, Einfache, d. h. nicht Zusammen gesetzte (ganz unzu länglicher Begriff).
und
B Das Materielle oder Körperliche, ganz tot, Mechanismus.
Spinoza A = B = absolute Identität beider Prinzipien. Wenn man sich bloß an das Allgemeine des Spinozischen Systems hält, so kann man ganz wohl sich einbilden, es sei mit dem neueren Identitätssystem49 oder dieses mit ihm im Grunde ganz einerlei. Ich gebe die Unterschiede kurz an : a) Spinoza hat zwar absolute Identität von Prinzipien, aber diese Prinzipien sind in völliger Untätigkeit gegeneinander, sie tun einander nichts – wirken nicht aufeinander – sind ; es kommt zwischen ihnen weder zum lebendigen Gegensatz noch zur lebendigen Durchdringung. (Bloße Zusammenknüpfung der beiden Substanzen des Cartesius). b) Spinozas Physik ist ganz mechanisch, ein Umstand, aus dem allein schon bei einigem Nachdenken jedermann einsehen müßte, daß zwischen den Grundsätzen der Naturphilosophie50 und dem Spinozismus eine ursprüngliche Differenz sein müsse. (Überhaupt Mangel an aller Bewegung im Spinozischen System, gemütlos). c) Spinoza sagt wohl, die denkende und ausgedehnte Substanz (= Ideales und Reales) gehören zu einer und derselben Substanz, deren Attribute sie sind, aber eben diese eine und selbe Substanz, von der sie Attribute sind, ignoriert er nachher ganz, bestimmt sie im Grunde nur durch den bei ihm (wegen Mangel des Gegensatzes) leeren Begriff der Identität, und setzt sie ganz beiseite, anstatt sie zum Hauptgegenstand | zu machen. Nämlich eben an dieser Stelle, wo Spinoza nichts sucht, eben hier liegt der Begriff vom lebendigen Gott, von Gott als höchster Persönlichkeit ; daher ist ganz wahr, daß Spinoza die Persön-
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lichkeit des höchsten Wesens wenigstens ignoriert, wenn nicht positiv leugnet. Leibniz hat von A und B nur noch A ; das B, eben das Dunkle, das Sein, die Existenz ist ganz hinweg, ganz aufgelöst in Vorstellkraft. Es ist zwar eine Identität da, aber eine ganz einseitige, nicht zweiseitige. Inzwischen hat Leibniz doch unter A wieder ein A und B, d. h. er leugnete zwar die Realität der Körperwelt im Allgemeinen und Ganzen, indem er alles für vorstellende Monaden hielt, aber er läßt dem, was wir Körperwelt nennen, doch insofern Realität, als es aus Vorstellkräften besteht, z. B. Baum etc. Gegensatz des Intellektualismus ist der höhere Materialismus, Hylozoismus (freilich schon von jeher da, doch hauptsächlich zugleich mit Leibniz). Der Hylozoismus hat B allein, aber unter diesem B doch wieder ein A und ein B. Hiermit könnte man also den Hylozoismus und die Naturphilosophie für ganz einerlei halten. Der Unterschied aber ist darin : der Hylozoismus behauptet ein ursprüngliches Leben der Materie, wir nicht. Sondern unsere Behauptung ist, die Materie enthalte zwar ein Leben, aber nicht actu, sondern nur potentiâ, nicht explicite, sondern implicite – alles ist in ihr unter dem Siegel des Seins, des Todes. (Weil ich doch das Wort brauche : man muß auch einen Tod anerkennen, aber einen solchen, der das Leben in sich schließt). Zum expliziten Leben wird die Materie nur erweckt, eigentlich belebt durch das Ideale, Göttliche. Also gewissermaßen fängt der Hylozoismus da an, wo meine allgemeine Philosophie aufhört. (Vorteilhafte Wirkung des Leibnizianismus und Hylozoismus auf Physik. Bruno, Kepler u. a.). Da der Zerlegungsprozeß und zwar der abwärts zum Schlechteren gehende einmal im Gange war, so ging es nun noch weiter herunter. Nämlich von A und B unter B kam nun auch noch A hinweg, also überall bloß B – tote Substanz, ohne alle Innerlichkeit ; daher mit | Recht zerfallen in Atomen, in einen Staub von Körperchen, die bloß durch ihre Figur (etwas Äußerliches) wirken (keine ursprüngliche Qualität) ; und hieraus sollte nicht nur die Natur erklärt werden, sondern auch das Dasein, der
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Mechanismus des Geistes – Système de la nature,51 der niedrigste oder französische Materialismus. – Sein entgegengesetzter Pol ist der in Deutschland entstandene Idealismus durch Kant und Fichte. Doch ließ Kant noch immer verschiedene Auslegungen zu. Die Fichtesche Auslegung nimmt auch von A und B unter A noch B hinweg, es gibt auch nicht einmal ein Intellektuales außer uns, es ist gar nichts außer uns, nur ein subjektives Ich, nur das menschliche Geschlecht ist da. Völliger Totschlag der Natur, wobei nur das Sonderbare, daß Fichte auch von der Natur immer versichern muß, sie sei nicht vorhanden und doch immer wieder sie als vorhanden annehmen (Teleologische Erklärung. Wirken auf die Natur). Also da die Zersetzung bis aufs Äußerste herab fortgesetzt war, so blieb nichts mehr übrig, als wieder auf den ersten Gegensatz zurückzugehen, von dem alle neuere Philosophie anfing, und der allein nicht aufgelöst war – nämlich zwischen Identität und Dualität. Und dies habe ich versucht. Ich habe immer erklärt, daß die absolute Identität bei mir nicht bloße Identität, sondern Identität der Einheit und des Gegensatzes sei.52 Also a) zwei verschiedene Prinzipien A und B, also Dualismus. Aber b) die zwei Prinzipien sind ihres Gegensatzes unerachtet eins. Was das nächste Verhältnis meiner Ansicht der Natur zu der herrschenden Physik und Philosophie unserer Zeit betrifft, so ist dies das Wesentliche, daß nach jener keine bloß und rein objektive Natur, keine Natur, die bloß Sein, d. h. Nichtseiendes wäre. Ich habe dieses Verhältnis, daß nichts bloß subjektiv oder objektiv, sondern immer obgleich in verschiedenem Verhältnis beides sei, auch die bloß quantitative Differenz53 genannt. Nämlich zwischen den Prinzipien als solchen, zwischen A und B, ist allerdings keine bloße quantitative Differenz, hier ist die entschiedenste qualitative ; in allem Wirklichen aber, es sei übrigens von welcher Art es wolle, sind Subjektives und Objektives, | Ideales und Reales immer beisammen, nur in verschiedenen Graden. – Verdeutlicht würde dies durch das (magnetische) Schema in der Ztschr. für specul. Physik II, 2. §. 46 [Band IV, S. 137 ff.],54 auf welche ich mich im Folgenden beziehe.
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So viel über das Allgemeine. Jetzt gehen wir ins Spezielle der Natur, doch beschränke ich mich auf das Notwendigste. Der allgemeine Ausdruck der Natur ist, wie wir schon wisB sen, , oder auch, da wir A = B schon als erste Potenz, also = B A = B setzen : die Natur in Bezug auf das ganze Universum, von dem sie nur ein untergeordneter Teil, ist = erster Potenz = (A = B). Dies verhindert aber nicht, daß sie nicht in sich wieder alle Potenzen enthalte, und wie schon bemerkt worden, sich scheide, soweit nämlich überhaupt eine Scheidung möglich ist. Wir sehen die Natur zuletzt sich in die körperlichsten Dinge verlieren, z. B. Metalle. Diese also werden im Ganzen auf dem B Pol unserer Linie stehen. Weil aber jedes Reich für sich wieder ein Ganzes bildet, so auch die Metalle, die sich nach der einen Seite mehr in die Körperlichkeit verlieren, nach der andern flüchtiger werden, vielleicht sich sogar ins Luftförmige auflösen. Das ganze Reich des Materiellen verbreitet sich so zuletzt nach zwei Richtungen, wo nach der einen Körperlichkeit, nach der andern Geistigkeit überwiegt. Diesem ganzen Reich des Körperlichen in der ganzen Natur steht aber wieder ein Reich des Geistigen entgegen, wohin die Erscheinungen des Lichts, der Wärme, der Elektrizität und so viele andere gehören. Endlich kommt ein Reich, wo Geistiges und Leibliches sich ganz durchdringt, das organische Naturreich, und in diesem wieder Pflanzen und Tiere. Aber, wie gesagt, im Ganzen ist hier nur die erste Potenz A = B. Und wenn auch aus der Natur selbst das A 2 emporgehoben wird, so entsteht es doch erst an der Grenze der Natur im Menschen. Obgleich aber also die ganze Natur = erster Potenz, so entfaltet sie sich doch selbst wieder in den drei Potenzen, nach welchen wir sie ganz kurz betrachten. Die erste Potenz ist die des herrschenden Seins oder der | herrschenden Körperlichkeit – aber doch so, daß an diesem äußersten Punkt der Reihe nach Geistiges, Körperliches und die Einheit beider gesetzt ist. – Bekanntlich beruht die Körperlichkeit auf dem Dasein der drei Dimensionen. Diese drei Dimen
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sionen sind in der Tat nichts anderes als die drei Potenzen am Einzelnen : 1) egoistische Dimension, wodurch ein Ding sich selbst als sich selbst setzt = Länge, Linie oder, was dasselbe ist, Kohärenz. Kraft der Kohärenz würde ein jedes Ding sich ins Unendliche fortsetzen, wenn es nicht durch eine andere Dimension begrenzt würde. Daher 2) ideale Dimension (einschränkende der egoistischen) = Breite. 3) Indifferenz = dritter Dimension. Das Herrschende dieser Potenz im Ganzen ist B, d. h. A und B sind gemeinschaftlich wieder unter B gesetzt. Dieses B, unter welchem A und B wieder gemeinschaftlich gesetzt sind, was also gleichsam ein B2 ist, ist die Kraft, die alles zwingt und bindet – die Schwere. Die Schwere in der Natur, die Nacht, das dunkle Prinzip, ewig vor dem Licht entfliehend, aber durch diese seine Flucht den Schöpfungen des Lichts Halt und Bestand gebend. (Wäre nicht etwas dem Licht und Denken ganz Entgegengesetztes, woran nichts greift, so wäre gar keine Schöpfung, alles in lauter Gedanken aufgelöst). Auch in der Materie, inwiefern sie bloß unter der Potenz des Seins steht, ist gleichwohl Sein und Tätigkeit verbunden (denn so, nämlich als Tätigkeit, können wir das Ideale auch ausdrücken), aber Sein und Tätigkeit sind beide noch verschlungen im Sein, und das A = B oder das Körperliche der ersten Potenz verhält sich wieder zum Geistigen oder Idealen, wie sich das anfängliche B verhielt – nämlich es ist die Indifferenz, welche das Geistige oder Ideale zu zerlegen, zu polarisieren, zu differenzieren sucht. Durch dieses Differenzieren entsteht erst die Differenz der Qualitäten : da diese im Grund unerschöpflich ist und, auch nur in ihren nächsten Verzweigungen dargestellt, eine eigne wissenschaftliche Darstellung erforderte, so will ich mich hier an das Einfachste halten, nämlich an die älteste Einteilung nach den vier Elementen,55 auf welche auch die neuere Chemie56 immer mehr wieder zurückführt. | In A = B ist B das Element der Erde – das eigentliche Erdprinzip. Wird also das Ganze von A = B nach der Richtung von B polarisiert, so fällt dorthin das Reich des herrschenden Erdprinzips, welches wieder zwei Seiten hat (Metalle und Erden).
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Das der Erde entgegengesetzte Element oder A ist die Luft, gleichsam das geistige, ideale Element. Außer dem Gegensatz von A und B haben wir aber noch einen andern Gegensatz zu betrachten. Es ist der zwischen dem Band und dem Verbundenen. Jenes verhält sich als das Produzierende, dieses als das Produzierte, also auch wieder wie Tätiges und Leidendes, Ideales und Reales. Das Produzierende nun oder das Band, wenn es in der Einig keit mit dem Produkt ist, ist in der Tat nichts anderes als das innerliche Leben und Weben, die sanfte, gedämpfte Lebensflamme,57 die in jedem Wesen, auch dem scheinbar Toten brennt (Clairvoyanten sehen es) : im Gegensatz aber und Widerspruch mit dem Produzierten ist es das verzehrende Feuer. Das Element des Feuers ist feindselig gegen die Eigenheit oder Selbstheit der Dinge. So lange das Produkt im Verhältnis zu ihm als Nichtseiendes, d. h. als Basis, Unterworfenes bleibt, so lange ist es friedlich. Wenn es sich aber im Gegensatz mit dem Wesen aktualisieren, das Nichtseiende sich zum Seienden aufrichten will, dann entsteht das Zornfeuer.58 Dasjenige Element, welches das Feuer als das ihm angemessene sucht, in dem es allein ruht, ist das Wasser. Feuer und Wasser daher die zwei höchsten Gegensätze, aber gerade das Entgegengesetzteste ist immer auch wieder das Verbundenste. Wasser ist nur das fließende Feuer, das Feuer in concreto, die Flamme, die eigentlich nie ohne Mitwirkung von Wasser entsteht, eigentlich nur das feurige, brennende Wasser. – Nahe Verwandtschaft beider : 1) die wässerigten Meteore, 2) die verzehrende Kraft, die im Wasser liegt. Ferner, daß es einerseits ein brennbares Wesen, andererseits das Menstruum universale,59 den Sauerstoff60 enthält. – Das Wasser in seiner Lebendigkeit (im Meer) ist überall mit Feuer zusammen. | Die Alten haben alle nicht mit Unrecht noch ein fünftes Element, eine quinta Essentia61 angenommen. Und dies ist kein anderes als eben die Urmaterie selber, die ganz geistig und ganz körperlich – das leibliche Element (dera Leib schon = Identität a der ] SW : den
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von A und B). Über dieses in seiner Reinheit hat das Feuer keine Gewalt. Es ist mit dem Feuer in wahrer Identität – nicht so wie das Wasser bloß durch das Negative, durch die Verneinung aller Eigenschaften, sondern vielmehr durch die höchste Positivität oder Vollkommenheit. Es ist die durch das Feuer unzerstörliche Leiblichkeit. Das Element, das ihm noch am nächsten kommt, ist das noch immer höchst rätselhafte Element, was die neuere Chemie durch Stickstoff bezeichnet, Grundlage des tierischen Naturreichs. Hohe Unverbrennlichkeit des Stickstoffs durch keine noch so heftige Flamme ; nur durch den elektrischen Funken ist es möglich, oder sonst durch Vermischung mit Schlechterem, wodurch er heruntergezogen wird.62 Denn alles, was im Feuer brennt, das hat etwas vom Unvollkommenen, Schlechten und Verdorbenen in sich. – Jetzt Übergang zur zweiten Potenz. Die vorher bloß implicite oder potentiell gesetzte Tätigkeit ist nun explicite oder aktuell gesetzt : wirkliches Leben der Materie – dynamischer Prozeß. Die erste Potenz, sagten wir schon früher, verhält sich wieder als Involution – das Prinzip dieser Involution die Schwere. Der Schwerkraft, die in dem A = B herrscht, steht ein A 2 entgegen, das sich zu der Schwere wieder ebenso verhält, wie sich das absolute Seiende, das absolute A zu dem anfänglichen B, d. h. zur Natur verhält. Wie dieses in der Natur den Gegensatz und mit ihm das Leben weckt, so weckt das A 2 der Natur in der Schwere den Gegensatz und mit ihm das Leben. Dieses A 2 = Äther, im Materiellen das Immaterielle. Schon in den ruhenden Qualitäten der Materie war der Gegensatz geweckt. Allein die Schwere verhält sich dabei nicht passiv ; sie ist actu widerstrebend der Evolution – positives Dunkel. Durch diesen aktuellen Widerstreit entsteht erst wirkliches Leben in der Materie. Dies der dynamische Prozeß. Auch hier beschränke ich | mich auf das Allgemeinste. Wir unterscheiden : 1) die Prozesse oder Tätigkeitsformen, die mehr noch im Körperlichen oder im Produkt, und 2) die geistige Gestalt derselben Prozesse. Die drei Grundprozesse der ersten Art sind : a) Magnetismus = erster Dimension = Selbst-
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heit, Ichheit, b) Elektrizität = Polarität oder Gegensatz zwischen Produzierendem und Produkt, Tätigem und Leidendem – zwei Körper, wovon immer einer der leidende, der andere der tätige. (Durch diese zwei Prozesse sind in Ansehung der Erde auch die Weltgegenden bestimmt). c) Totalität aller Prozesse = Chemismus oder Galvanismus (eigentlich nur der lebende Chemismus, woran die Elektrizität als mitwirkend noch erkannt wird). Zuletzt Verbrennungsprozeß. Was aber die geistige Gestalt dieser Prozesse betrifft, so ist a) im Realen der geistige dem Magnetismus entsprechende Prozeß = der Klang, b) als Ideales der der Elektrizität entsprechende = Lichtprozeß (das Licht eine geistige Materie), c) der dem Chemismus entsprechende, solang das Produzierende in der Identität mit dem Produkt bleibt = Wärmeprozeß (durchdringende Wärme). Im entschiedenen Widerstreit gegen das Produkt = Feuer (Feuer also in der Tat Grundsubstanz – Vesta,63 daher unter die Elemente gerechnet). In all diesen Prozessen wird also aus der Tiefe der Materie selbst das Geistige entwickelt, was eben Absicht aller Schöpfung. Alles ist aus dem dunkeln Prinzip selbst hervorgerufen durch das höhere schaffende Prinzip, das wir Äther genannt haben, das aber der wahre Lebensgeist der Natur ist : da wir gezeigt haben, daß das im Produkt liegende Band von seiner idealen Seite, d. h. inwiefern es gegen das absolut Ideale gekehrt ist, = Licht ist, so ist das Licht eigentlich die unmittelbare Erscheinung dieses Lebensgeistes. Daher ist das Licht als das allgemein Belebende – Evolvierende – zu erklären, und nichts wäre dagegen zu sagen, wenn wir, statt Äther und Schwerkraft einander entgegenzusetzen, Licht und Schwerkraft in dies Verhältnis setzten. – Jetzt dritte Potenz. Bis jetzt behauptete die Schwerkraft noch ihre Substantialität im Gegensatz gegen das Licht (A 2). Da sie aber ebenso wie dieses eigentlich | nur eine dem A 3 untergeordnete Form ist, und in dem anfänglichen B auch das A 3 involviert liegt, so ist die höchste Potenz der Natur notwendig die, wo Licht und Schwerkraft (oder Materie – denn diese sind Correlata) gemeinschaft-
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lich unter A 3 gesetzt, nur die gemeinschaftlich untergeordneten Formen des A 3 sind. Daß dies im Organismus geschehe, erhellt daraus, daß nur im Organismus die Materie, die zuvor selbst Substanz zu sein schien, dem Größeren – nämlich dem Leben an sich, was eben A 3 – untergeordnet wird. Beweis daraus, daß im Organismus die Materie keineswegs ihrer Substanz nach gilt, daß hier vielmehr ihre Form das Wesentliche geworden, mit andern Worten, daß sie selbst wesentlich zur Form geworden ist. Was das A 3 ist ? Antwort, es ist die innerste Substanz des B selber, das ja implicite alle Potenzen in sich enthält. Die Potenzen des A drücken nichts anderes aus als die sukzessive Erhebung des Nichtseienden = B in das Seiende oder das A. Also A 3 in der Natur drückt nichts anderes aus als das Höchste aus dem Nichtseienden emporgehobene Seiende – also das Innerste der Natur. Wenn ich die Formel hätte verwickelter machen wollen, so hätte ich ebenso gut auch B nach den verschiedenen Graden, in welchen es A gleich (=), also Seiendes wird, durch Potenzen bezeichnen können. – Auf folgende Art. + Der Grundausdruck der Natur ist A = B, oder daß in ihr das erst herrschende B – das erst herrschende Nichtseiende – seiend werde. Auf der tiefsten Stufe ist das Seiende ganz ins Körperliche verloren.a Hier hat also das Nichtseiende die größte Gewalt, und also dies, d. h. die erste Potenz der Natur, hätten wir ausdrücken können durch A1 = B3. Wo B noch in der höchsten Potenz steht, da steht A notwendig noch in der geringsten. Also dies (A1 = B3) | Ausdruck der Schwerkraft. – Im dynamischen Prozeß, wo die zuvor stumme Substanz schon Lebenszeichen von sich gibt, ist sie selbst als B, d. h. als Nichtseiendes, schon um eine Potenz vermindert, also = B2, das Seiende aber um eine Potenz gestiegen, so daß also das Ganze = A 2 = B2. Hier halten sich Nichtseiendes und Seiendes noch das Gleichgewicht – daher der dynamische a SW merkt an : »Im Original heißt es abgekürzt : ›Auf der tiefsten Stufe
ganz ins Körperliche‹. D. H.«
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Prozeß in der Natur die Periode des Kampfs – wo es noch zu keinem festen Produkt kommt (auch in der Zeit diese Potenzen sich sukzessierend. Potenz = Periode). Im Organismus ist das Nichtseiende auf die tiefste Potenz herabgesetzt, das Seiende dagegen wieder um eine gestiegen, hier also der Ausdruck des B, B1, des A, A 3. Im organischen Prozeß sind die Formen alle die nämlichen wie im dynamischen, nur auf eine weit höhere Stufe gehoben. Auch hier gebe ich nur kurz das Wesentliche. Das Wesentlichste ist, daß A 2 und A = B eins sind. Nun kann sich das Licht der Materie nur für die erste Dimension vermählt haben, so daß wenigstens ihr alles untergeordnet ist. Dies = Reproduktion (egoistische, reale Dimension), Wachstum = (Kohärenz), Sprossen, Vegetation. Geschieht diese Vermählung auch für die zweite Dimension (entsprechend der Elektrizität, aber in die Substanz gedrungen = substantielle Elektrizität), so ist dies = Irritabilität, in der sich aber wieder alle Dimensionen wiederholen : a) Zirkulation, b) Respiration, c) willkürliche Bewegung (höchstes Geheimnis). Durchdringt sich Licht und Materie auch für die dritte Dimen sion, wo also jetzt das ganze Sein, das vorher sich als Erkanntes verhielt, erkennend geworden ist, so ist dies = Sensibilität. In der zweiten Stufe war zwar dem organischen Wesen eine äußere Welt aufgeschlossen, jedoch so daß es noch im Verhältnis der Differenz mit ihr bleibt. Die dritte Stufe des organischen Lebens ist, wenn das Produkt die Möglichkeit anderer Dinge in sich enthält, ohne im Differenzverhältnis mit ihnen zu sein, wenn es sie in sich selbst anschaut (Sensibilität, tierisches Anschauungsvermögen) ; hier ist das B, das im Anfang, in der unorganischen Materie noch die höchste Gewalt | ausübte, überwunden, und darum als zuvor Erkanntes, jetzt in das Erkennende verwandelt. In der Sensibilität ist das B bis zu A 3 gesteigert. Hier nun, wenn wir die Fünfzahl der Sinne annehmen, ist die Einteilung diese : 1) ein idealer und realer Pol – Gesicht und Gefühl – ; 2) entsprechend jenen drei Grundprozessen a) Sinn für Magnetismus = Gehör, b) für Elektrizität = Geruch, c) für Chemismus = Geschmack.
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Nachdem durch die Sinne das A 3 eingetreten ist, wäre die Natur eigentlich geschlossen. Allein noch kündigen sich praesagia des Geistes selbst an – Instinkt – Kunsttrieb, wovon beim Übergang zur Geisterwelt. Zuvor von der organischen Natur als Produkt. Das zu A 3 erhobene B scheidet sich wieder, differenziert sich. Der reale Pol = Pflanze, der ideale = Tier. Indifferenz von Pflanze und Tier (der äußeren Gestalt und inneren Formation nach), die Krone der Schöpfung = Mensch (Ausbildung der Dimensionen). Aber auch im Einzelnen wieder derselbe Gegensatz durch das Geschlecht (Weib = Pflanze, Mann = Tier). Das Geheimnis der Geschlechtstrennung ist nichts anderes als Darstellung des ursprünglichen Verhältnisses der beiden Prinzipien, deren jedes für sich reell und insofern unabhängig vom andern ist, und doch nicht ist und nicht sein kann ohne das andere. Das Vermittelnde in dieser Dualität, welche Identität, und dieser Identität, welche Dualität nicht ausschließt, ist die Liebe. Gott selbst ist mit der Natur durch freiwillige Liebe verbunden, er bedarf ihrer nicht, und will doch nicht ohne sie sein. Denn Liebe ist nicht da, wo zwei Wesen einander bedürfen, sondern wo jedes für sich sein könnte, wie z. B. Gott, der ja schon an sich selbst – suâpte naturâ – der Seiende ist, wo also jedes für sich sein könnte, und es doch für keinen Raub achtet, für sich zu sein, und nicht sein will, moralisch nicht sein kann ohne das andere.64 Dies ist auch das wahre Verhältnis Gottes zur Natur – und nicht ein einseitiges. Auch die Natur wird durch Liebe zu Gott gezogen und bestrebt sich daher mit unablässiger Emsigkeit göttliche Früchte hervorzubringen. Die Erde liebt den Himmel und hat die beständige Sehnsucht | nach ihm, wie das Weib nach dem Manne. Gott liebt das Niedere,65 das Geringere, als er selbst ist, die Natur, weil er nur aus ihr sich Ähnliches – Geister – erzeugen kann. Noch aber ist eine Bestimmung der Natur nicht in Betracht gezogen worden. Nämlich jedes Naturprodukt ist ein A und ein B, die Identität, das ursprüngliche Reale selber, wie es allmählich genötigt ist selbst aus dem Dunkel ans Licht zu treten,
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und sich also nacheinander als Schwerkraft, als Kohärenz – als Klang – als Licht – als Wärme – endlich als Feuer, zuletzt sogar als A 3, als die eigentliche Seele im Organischen zu zeigen. Wie kommt es denn nun, daß dieses Band kein ewiges ist, was sich doch eigentlich erwarten ließe ? Woher die allgemeine Vergänglichkeit in der Natur ? Diese Frage konnte in der Tat nicht eher als jetzt beantwortet werden ; ihre Beantwortung aber hängt zusammen mit dem Übergang in die Geisterwelt. Also 1) die ganze Natur ist nur die Staffel, die Unterlage der geistigen Welt, sie ist daher, obgleich ein höchst lebendiges Seiendes in sich selbst, doch nicht um ihrer selbst willen, sie soll gegen die Geisterwelt wieder wie ein Nichtseiendes sein. Da sie also nur wegen des Höheren – wegen des absoluten A 2 – ist, so bedarf sie auch der Bekräftigung durch dieses, und diese Bekräftigung kann sie nur in dem Maße erhalten, in welchem sie ihm sich fügt und ihm Mittel der Existenz, der Manifestation als Seiendem wird. Nun kann aber die Natur oder das Nichtseiende nur allmählich und stufenweise erhoben werden bis zu dem Punkt, wo sie fähig wird, das absolute A 2 in sich aufzunehmen, und so seine unmittelbare Manifestation, gleichsam sein Leib zu werden. Sie wird hierzu nur dann fähig, wenn sie das dem A 2 Ähn liche in sich selbst hat, d. h. wenn ihr anfängliches B bis zu dem Punkte verklärt ist, daß es selbst A 2 (im absoluten Sinn) wird. Nun fragt sich, in welchem Punkt der Natur dies der Fall sein werde = Verklärungspunkt der Natur. Wir haben nun im Bisherigen bis zu dem Punkt geführt, wo das | anfängliche B in ihr bis zu A 3 erhoben ist. Da aber dieses A 3 relativ, immer noch ein Objektives ist – nämlich in Beziehung auf das Ganze –, so verhält es sich doch, obgleich das absolute A, in Bezug auf die Natur wieder als ein B in Bezug auf ein noch höheres A. Dieses noch höhere A kann nicht mehr innerhalb der Natur liegen, denn alles ist in dieser vollendet, wenn die dritte Potenz erreicht ist. Also liegt es über und außer der Natur. Wir könnten, wenn wir die Potenzen wollten fortlaufen lassen, es durch A4 bezeichnen, weil wir schon ein A 3 in der Natur hatten,
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allein wir würden dadurch doch nichts anderes ausdrücken, als daß es in Ansehung der ganzen Natur A 2 sei. Dieses absolute A 2 also, zu welchem sich auch das A 3 der Natur, dessen höchste Tätigkeit wir in dem Anschauungsvermögen gefunden haben, wieder als ein B verhält, ist außer oder über der Natur, aber es wirkt doch in der Natur, es ist nicht von ihr abgeschnitten, indem es ja vielmehr im Gegensatz mit ihr das allgemein Er regende derselben ist. Sein erstes Verhältnis nun zu dem A 3 der Natur ist wieder wie Subjektives und Objektives, Erregendes und Erregtes. Oder : sein erstes Verhältnis mit ihm ist Gegensatz. – Es kommt jetzt darauf an, die Erscheinungen dieses Gegensatzes zu finden. Es sind keine andern als die Erscheinungen des tierischen Instinktes, die für jeden nachdenkenden Menschen zu den allergrößten gehören – wahrer Probierstein echter Philosophie. Eigentümliches des Instinkts :66 a) Handlungen, die mit Vernunft begangenen ganz ähnlich sind, und die doch b) ohne alle Überlegung, Reflexion oder ohne alle subjektive Vernunft, und da subjektive Vernunft = Verstand, ohne allen Verstand begangen werden. Erklärungen davon : Cartesius als Mechanismus – die Tiere als Maschinen.67 Leibniz durch dunkle Vorstellungen68 – freilich ist der Instinkt etwas der Art, aber die Erklärung viel zu allgemein. In neueren Zeiten hat man den Instinkt entweder als Analogon oder als Grad der Vernunft bezeichnet.69 Jenes sagt nichts, dieses ist Unsinn. Die Erklärung beruht auf dem Gegensatz von A 3, das sich hier wieder als B, d. h. als Schwerkraft in der höchsten Potenz verhält, und dem A4 oder | absoluten A 2. Das A 3 ist für das A4 ein Stoff, worin es gern selber ein A 2 erwecken möchte (wie es zuvor in der Natur immer das sich Ähnliche erweckt hat), aber in den Tieren gelingt es ihm noch nicht, dennoch aber, weil das A 3 durch das absolute geistige Prinzip erregt wird, handelt es, als ob in ihm selber ein solches wäre ; mit Einem Wort, das A4 ist der Verstand der Tiere ; oder wie es schon die Alten ganz richtig ausgedrückt haben : Deus est anima brutorum.70 Das Göttliche beseelt sie,71 und darum handeln sie oder handelt in ihnen das A 3 schon dem geistigen
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Prinzip gemäß, als wäre es selbst ein Geistiges (wie es ja implicite oder potentiell schon eines ist). Beim Menschen hingegen ist dies nicht der Fall. Nicht das Göttliche ist seine Seele, sondern er ist selber seine Seele. Drei Stufen des Instinkts sind zu unterscheiden. 1) Die Selbsterhaltung als Individuum und als Gattung (Liebe zu den Jungen), – Zugvögel. 2) Der Kunsttrieb – ein Hervorbringen von etwas außer sich – (zum Teil Kompensation des Zeugungstriebes). Merkwürdig, daß im Instinkt gerade die zwei Künste, Architektur und Musik, repräsentiert sind, die sich ohne dies verwandt, so daß Architektur unter den plastischen Künsten eigentlich der Musik entspricht (Vitruv).72 3) Divination.73 Charaktere – ruhiges in-sich-selbst-Sein – (was gar nicht wegzuläugnen ist). Einseitigkeit dieser Charaktere, die in der Menschenwelt verschwinden soll. Durch die Einwirkung des A4 auf das A 3 flammt gleichsam partiell in diesem ein A4 auf, aber nur partiell, also nicht ein absolutes A4, – partiell, weil immer nur in bestimmter Beziehung. Der Instinkt selbst ist immer an gewisse Organe gebunden und durch sie vermittelt ; immer nur in besondern Fällen handeln die Tiere verständig, aber es ist ein allseitiger Verstand. Nur im Menschen wird endlich das absolute A 2, das lang gesuchte, lang ersehnte, emporgehoben aus dem B, das an sich oder suâ naturâ Seiende aus dem Nichtseienden. Das suâ naturâ Seiende ist Geist, und das aus dem Nichtseienden Erhobene, insofern also Gewordene, aber doch naturâ suâ Seiende | ist endlicher Geist. (Scheinbar der höchste Widerspruch, aber solcher Widersprüche ist die Natur voll). Der Geist ist a) das naturâ suâ Seiende im Menschen, b) doch nur aus dem Nichtseienden, also erschaffener, endlicher Geist, – ewige Differenz von Gott. Es kann nur noch eine Frage aufgeworfen werden : Warum nur im Menschen das absolut Ideale oder das absolute A 2 aktuell gesetzt werde, sonst überall aber bloß potentiell. Dies die Aufgabe einer eignen Wissenschaft, der Anthropologie, deren Begriff hiermit fixiert ist. – Nur Folgendes bemerke ich.
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Das in der Natur erweckte absolute A 2 verhält sich zu der Natur, in welcher es erweckt wird, wieder als Subjektives zu Objektivem, Erkennendes zu Erkennendem. Nun ist aber das absolut Subjektive nur da, wo auch das absolut Objektive, d. h. das Objektive in seiner Vollendung, seiner Totalität. Dies ist nur im Menschen nach dem alten Spruch, daß der menschliche Leib die Welt im Kleinen, Mikrokosmos sei.74 Es gibt nur eine einzige Art von Wesen, von welchen das Nämliche gesagt werden könnte, von jenen großen Ganzen nämlich, die, weil sie Körper und zugleich Welten sind, Weltkörper genannt werden.75
III. Das seiner Natur nach Seiende ist auch allein das an sich selbst oder seinem Begriff nach Freie. Alle Abhängigkeit kommt nur von dem Sein. Aber das in sich selbst und kraft seiner eignen Natur Seiende ist das, was schlechthin nicht durch anderes bestimmt werden kann (denn alles Bestimmtwerden ein Leiden, d. h. ein Nichtsein). Gott als der absolut-seiende ist daher auch der absolut-freie, der Mensch aber als ein aus dem Nichtseienden erhobenes Seiendes erlangt durch diese doppelte Beziehung seines Wesens auch eine ganz eigentümliche Freiheit. Inwiefern er nämlich aus dem Nichtseienden emporgehoben ist, insofern hat er eine von dem Seienden als solchem unabhängige Wurzel. Das Göttliche zwar ist das Emporhebende, Schaffende seines Geistes, aber das, woraus er emporgehoben wird, doch ein anderes als das | Emporhebende. Es verhält sich zu Gott, wie sich die Blume zur Sonne verhält. Wie die Blume zwar nur durch Wirkung der Sonne sich aus der finstern Erde erhebt und sich selbst in Licht verklärt, dabei aber doch immer ein von ihr seiner Wurzel nach Unabhängiges bleibt. Wäre das Verhältnis des Menschen zu Gott nicht ein solches, so hätte er keine Freiheit gegenüber von Gott. Er wäre wie ein Strahl in der Sonne, ein Funke in dem Feuer. Sie sehen, wie sich uns der Grundsatz, daß in Gott selbst etwas sein muß, das nicht Er
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selber ist, hier auf dieser Stufe der Betrachtung wiederum als ein ganz notwendiger aufdrängt. Er ist anstößig auf den ersten Blick, besonders bei den herrschenden abstrakten Begriffen der sogenannten Vernunftreligion, aber er ist unvermeidlich, wenn Freiheit behauptet werden soll. Die Verteidiger der Freiheit denken gewöhnlich nur daran, die Unabhängigkeit des Menschen von der Natur zu zeigen, die freilich leicht ist. Aber seine innere Unabhängigkeit von Gott, seine Freiheit auch in Bezug auf Gott lassen sie ruhen, weil dies eben das Schwerste ist. Dadurch also, daß der Mensch zwischen dem Nichtseienden der Natur und dem absolut-Seienden = Gott in der Mitte steht, ist er von beiden frei.76 Er ist frei von Gott dadurch, daß er eine unabhängige Wurzel in der Natur hat, frei von der Natur dadurch, daß das Göttliche in ihm geweckt ist, das mitten in der Natur über der Natur. Jenes kann man das eigne (natür liche) Teil des Menschen nennen, wodurch er Individuum, persönliches Wesen ist ; dieses sein göttliches Teil. Dadurch ist er frei – im menschlichen Sinne –, daß er in den Indifferenzpunkt gestellt ist.77 – – Es ist offenbar, daß das physische Leben bis zum Menschen fortschreitet, daß eine stetige Folge von Erhebungen und Steigerungen bis zu ihm geht, daß Er der Punkt ist, wo das geistige Leben eigentlich aufgehen – Er das Geschöpf, in welchem das Leibliche als sanfte Unterlage sich dem Geistigen fügen und eben dadurch zur Beständigkeit erhoben werden sollte, nicht nur in ihm selber, sondern wegen des stetigen Zusammenhangs der Werke der Natur auch in der übrigen Natur. Sowie aber der Mensch, anstatt sein natürliches Leben dem göttlichen unterzuordnen, vielmehr in sich selbst das | zur relativen Untätigkeit bestimmte (das natürliche, eigne) Prinzip aktivierte – zur Tätigkeit erweckte –, war auch die Natur wegen des nun verfinsterten Verklärungspunkts genötigt, eben dieses Prinzip in sich zu erwecken, und nolens volens eine von der geistigen unabhängige Welt zu sein.78 Daß etwas der Art vorgegangen, davon überzeugt uns alles. 1) Die jetzige Gestalt der Natur a) in Ansehung der verwisch-
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ten Gesetzmäßigkeit (sonst wäre alles offen und klar) ; b) die Macht des Zufalls, die herein kam – die Natur erscheint gar nicht überall als ein so notwendiges Ganzesa – ; c) die Unruhe der Natur bei ihrer Geschlossenheit, da sie vielmehr, wenn sie ihre höchste Einheit erreicht hätte, in Ruhe sein müßte. 2) Besonders die Gegenwart des Bösen, und also der Anblick der moralischen Welt. Denn das Böse ist eben nichts anderes als das relativ Nichtseiende, das sich zum Seienden erigiert, also das wahre Seiende verdrängt.79 Es ist von der einen Seite ein Nichts, von der andern ein höchst reelles Wesen. – Auch in der Natur ist ein Böses, Gift z. B., die Krankheit, und was der höchste Beweis der Wirklichkeit eines solchen Rückfalls der ganzen Natur und insbesondere des Menschen ist – der Tod. Hiedurch gewinnen wir zugleich eine neue Ansicht der Natur. Bisher haben wir sie als die erste Potenz bezeichnet. Aber dadurch, daß sie die Ewigkeit nicht gewinnt, also in die Zeit versinkt, wird sie erste Periode. Die ganze Natur, wie sie jetzt ist, ist also eigentlich nur die erste Lebensperiode, der Vorhof des höchsten Lebens, nicht es selbst. Der Mensch selbst bleibt zwar Geist, aber unter der Potenz des B. Der Mensch ist als Geist, als Wesen höherer Ordnung, wieder auf die Stufe des Seins, der ersten Potenz zurückgesetzt. Der Prozeß, der in der Natur begonnen hatte, fängt in ihm aufs neue und wieder von vorne an. Auch er muß sich erst wieder aus dem Nichtseienden emporarbeiten, das Dunkle in sich verdrängen, und aus einer Finsternis höherer Art, aus der Finsternis des Bösen, des Irrigen, des Verkehrten das Licht des Guten, der Wahrheit und der Schönheit hervorrufen. Der Beweis dieser Übermacht des Seins über den Menschen, seines Zurücksinkens auf die erste Potenz liegt vorzüglich in der Gewalt, die das | Äußere in diesem Leben über das Innere hat. Nachdem einmal das Dasein der Natur durch den Menschen gefährdet und die Natur genötigt war sich als eigne Welt zu konstituieren, so scheint jetzt alles nur auf die Erhaltung dieser äußeren Grundlage des Lebens gerichtet. Alles, auch das a
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Edelste, was mit ihr in Kollision kommt, geht zu Grunde, und das Beste muß gleichsam mit dieser äußern Gewalt in Bund treten, um toleriert zu werden. Freilich was durch diesen Kampf sich hindurchschlägt, was gegen diese Übermacht des Äußeren sich dennoch als ein Göttliches behauptet, das ist wie durchs Feuer bewährt,80 in dem muß wirklich eine ganz göttliche Kraft sein. Indeß der größte Beweis für jenes Zurücksinken des Menschen in die Natur und auf die erste Potenz liegt in Folgendem. Der Mensch ist nicht allein in der Welt, es gibt eine Mehrheit von Menschen, es gibt ein Menschengeschlecht, eine Menschheit. Wie die Vielheit der Dinge in der Natur nach einer Einheit strebt und nur in dieser Einheit sich selbst vollendet und gleichsam glücklich fühlt, ebenso auch die Vielheit in der Menschenwelt. Die wahre Einheit der Natur wäre aber der Mensch und durch ihn das Göttliche und Ewige gewesen. Nun hat die Natur diese sanfte Einheit durch Schuld des Menschen verloren ; jetzt muß sie eine eigne Einheit suchen. Da aber die wahre Einheit doch nicht in ihr, sondern nur in Gott liegen kann, so ist sie eben durch diese Trennung von Gott beständigen Kämpfen Preis gegeben. Sie sucht die Einheit und findet sie nicht. Hätte sie ihren Einheits- und Verklärungspunkt erreicht, so wäre sie ganz organisch, sie hätte sich auf die höchste Stufe des Seienden mit erhoben, und der im Menschen geweckte Geist hätte sich auch über sie ergossen. Nun sie diese organische Einheit nicht erreichen konnte, jetzt erhob der Anorgismus sein Haupt. Auch der Anorgismus gehört zu jenem Geschlecht des Nichtseienden, das sich zu einem Seienden erhoben hat. Es ist ein Widerspruch, daß ein Reich des Anorgischen ; denn ein Reich ist eine Einheit, Anorgismus aber = Nicht-Einheit. Aber gerade das Nichtseiende ist jetzt das Seiende geworden und muß notgedrungen das Seiende sein wollen. | Gerade so nun wie die Natur ihren wahren Einheitspunkt verloren hat, hat ihn auch die Menschheit verloren. Für sie lag er eben darin, daß sie eine Indifferenz oder Mittelpunkt blieb –
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dann wäre Gott selbst ihre Einheit gewesen – und nur Gott kann die Einheit freier Wesen sein. Jetzt sind zwar noch immer freie Wesen, aber getrennt von Gott. Jetzt müssen auch sie ihre Einheit suchen, und können sie nicht finden. Gott kann nicht mehr ihre Einheit sein, also müssen sie eine Natureinheit suchen, die aber, weil sie wahre Einheit für freie Wesen nicht sein kann, nur ein ebenfalls zeitliches, vergäng liches Band ist, wie das Band aller Dinge, und wie jenes Band, das die unorganische Natur zusammenhält. Die Natureinheit, diese zweite Natur81 über der ersten, zu welcher der Mensch notgedrungen seine Einheit nehmen muß, ist der Staat ; und der Staat ist daher, um es gerade heraus zu sagen, eine Folge des auf der Menschheit ruhenden Fluchs. Da der Mensch nicht Gott zur Einheit haben kann, so muß er sich einer physischen Einheit unterwerfen. Der Staat hat einen Widerspruch in sich selbst. Er ist eine Natureinheit, d. h. eine Einheit, die nur durch physische Mittel wirken kann. Nämlich freilich der Staat, wenn er auch nur mit einiger Vernunft regiert ist, weiß wohl, daß er mit bloß physi schen Mitteln nichts ausrichtet, daß er höhere und geistige Motive in Anspruch nehmen muß. Aber er kann über diese nicht gebieten, sie liegen außer seiner Gewalt, und gleichwohl rühmt er sich, einen sittlichen Zustand hervorbringen zu können, also eine Macht zu sein wie die Natur. Aber für freie Geister reicht keine Natureinheit zu ; da gehört ein höherer Talisman dazu, und daher ist jede Einheit, die auch in einem Staat entsteht, doch immer nur prekär und temporär. Es ist bekannt, wie viele Mühe man sich, besonders seit der französischen Revolution und den Kantischen Begriffen, gegeben hat, eine Möglichkeit zu zeigen, wie mit der Existenz freier Wesen Einheit | vereinbar, also ein Staat möglich sei, der eigentlich nur die Bedingung der höchstmöglichen Freiheit der Einzelnen sei. Allein dieser ist unmöglich. Entweder wird der Staatsmacht die gehörige Kraft entzogen, oder wird sie ihr gege-
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ben, dann ist Despotismus da. (England ist Insel. Griechenland auch zum Teil Inselstaat). Daher ist es ganz natürlich, daß jetzt am Ende dieses Zeitraums, wo von nichts als Freiheit die Rede war, die konsequentesten Köpfe, wenn sie die Idee eines vollkommenen Staates verfolgen, auf die Theorie des ärgsten Despotismus geraten (Fichtes geschlossener Handelsstaat82 etc.). Meine Meinung ist, daß der Staat als solcher gar keine wahre und absolute Einheit finden kann, daß alle Staaten nur Versuche sind, eine solche zu finden, Versuche, organische Ganze zu werden, ohne sie je wirklich werden zu können, oder wenigstens nur mit dem Schicksal jedes organischen Wesens, zu blühen, zu reifen, endlich zu altern, zuletzt zu sterben. Was von der Idee eines Vernunftstaats, was vom Ideal eines Staats zu halten ist, hat Plato gezeigt, wenn er gleich das Wort nicht ausgesprochen. Der wahre Staat setzt einen Himmel auf Erden voraus, die wahre πολιτεία ist nur im Himmel ;83 Freiheit und Unschuld ist die einzige Bedingung des absoluten Staats. Platos Staat setzt ganz diese zwei Elemente voraus. Aber Plato sagt nicht : einen solchen Staat, als ich hier beschreibe, führt aus, sondern : wenn es einen absolut vollkommenen Staat geben könnte, so müßte er so sein, d. h. so setzte er Freiheit und Unschuld voraus, seht nun selber, ob ein solcher möglich ist.84 Die höchste Verwicklung entsteht durch die Kollision der Staaten untereinander, und das höchste Phänomen der nicht gefundenen und nicht zu findenden Einheit ist der Krieg, der so notwendig ist als der Kampf der Elemente in der Natur. Hier treten die Menschen ganz in das Verhältnis von Naturwesen gegeneinander. Rechnen wir nun noch dazu, wie viel Laster der Staat erst entwickelt – Armut – das Böse in großen Massen –, so ist das Bild der ganz zum Physischen, ja sogar zum Kampf um ihre Existenz herabgesunkenen Menschheit vollendet. | Bisher haben wir die Erniedrigung des Menschen betrachtet. Nun auch seine Wiedererhebung. Seine Degradation beruht darauf, daß das Band zwischen A 2 und A = B aufgehoben, und daß er selbst ganz der äußern Welt anheimgefallen. Diese Kluft
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kann nicht bleiben, denn sie würde die Existenz Gottes selbst antasten. Aber wodurch ist diese Kluft aufzuheben ? Durch den Menschen in seinem jetzigen Zustand nicht. Also nur durch Gott selbst – nur Gott kann das Band der geistigen und natürlichen Welt herstellen, und zwar nur durch eine zweite Offenbarung,85 ähnlich der ersten in der anfänglichen Schöpfung. Hier tritt also der Begriff von Offenbarung im engeren Sinn als ein philosophisch notwendiger ein. Die Offenbarung hat verschiedene Stufen ; die höchste ist die, wo das Göttliche sich selbst ganz verendlicht, mit Einem Wort, wo es selbst Mensch wird, und gleichsam nur als der zweite und göttliche Mensch wieder ebenso der Mittler zwischen Gott und dem Menschen wird, wie es der erste Mensch zwischen Gott und der Natur sein sollte. – Es konnte durch diese Offenbarung nicht der unmittelbare Rapport Gottes mit der Welt des Seins hergestellt werden. Dies war nicht möglich, ohne sie als eine eigne Welt, die sie jetzt geworden war, zu vernichten. Wollte Gott dies, so bedurfte es überall keiner Offenbarung. Offenbarung setzt vielmehr den verdorbenen Zustand der Welt voraus. Für die Natur war der Mensch als Mittler bestimmt, und dieser hatte ihr gefehlt (manquiert). Jetzt bedurfte vielmehr der Mensch eines Mittlers. Aber dadurch, daß der Mensch dem geistigen Leben wieder gegeben wurde, wurde ja auch er wieder fähig Mittler zwischen Gott und der Natur zu sein ; und namentlich in der Erscheinung Christi zeigte es sich, was der Mensch in der Beziehung auf die Natur ursprünglich sein sollte. Christus war durch seinen bloßen Willen Herr der Natur,86 er in jenem magischen Zusammenhang mit der Natur, in welchem der Mensch ursprünglich stehen sollte. Dem Staat als Versuch die bloß äußerliche Einheit hervorzubringen steht, durch die Offenbarung gegründet, eine andere Anstalt entgegen, die auf Hervorbringung einer inneren oder Gemütseinheit geht, die Kirche.87 Sie ist notwendige Folge der Offenbarung, eigentlich nur | die Anerkennung einer solchen. Die Kirche kann aber nach der einmal eingetretenen Trennung zwischen innerer und äußerer Welt keine äußere Gewalt werden,
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vielmehr wird sie, solange jene Trennung besteht, von der Macht des Äußeren immer mehr nach innen gedrängt werden. Der Fehler, der in der früheren hierarchischen Epoche der Kirche begangen wurde, war nicht der, daß sie Eingriffe in den Staat machte, sondern umgekehrt, daß sie selber dem Staat Eingang verstattete, sich ihm öffnete, Formen des Staats in sich aufnahm, anstatt in ihrer Reinheit von allem Äußeren zu bleiben. Das Wahre und Göttliche soll einmal nicht durch äußere Gewalt gefördert werden, und sobald die Kirche anfing die Irrgläubigen zu verfolgen, so hatte sie schon ihre wahre Idee verloren. Sie hätte großmütig, sich selbst bewußt ihres vom Himmel stammenden Gehaltes auch den Unglauben gewähren lassen sollen, sich nicht in den Fall setzen, Feinde zu haben, Feinde anzuerkennen. Betrachtet man die neuere Geschichte, die im Grund mit der Ankunft des Christentums in Europa beginnt, so scheint es, das Menschengeschlecht habe diese zwei Versuche, eine Einheit zu finden oder hervorzubringen, durchmachen müssen, zuerst den, eine innere Einheit durch die Kirche hervorzubringen, der aber mißlingen mußte, weil sie sich zugleich als eine äußere geltend machen wollte, dann den, die äußere Einheit durch den Staat. Erst seit dem Sturz der Hierarchie hat der Staat diese Bedeutung erhalten, und offenbar ist, daß der Druck politischer Tyrannei immer zugenommen hat in gleichem Verhältnis, als man jene innere Einheit entbehren zu können glaubte, und so wohl immer noch zunehmen wird bis zu seinem Maximum, wo denn vielleicht nach diesen einseitigen Versuchen die Menschheit endlich das Rechte findet. Was auch das letzte Ziel sein möge, so ist so viel gewiß, daß die wahre Einheit nur auf dem religiösen Wege erreichbar sein kann, und daß nur die höchste und allseitigste Entwicklung der religiösen Erkenntnis in der Menschheit fähig sein wird, den Staat, wo nicht entbehrlich zu machen und aufzuheben, doch zu bewirken, daß er selbst allmählich sich | von der blinden Gewalt befreie, von der er auch regiert wird und sich zur Intelligenz verkläre. Nicht daß die Kirche den Staat oder der Staat die Kirche beherrsche, sondern daß der Staat selbst in sich das
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religiöse Prinzip entwickle, und der große Bund aller Völker88 auf der Grundlage allgemein gewordener religiöser Überzeugungen beruhe. Welches aber auch das Schicksal der Gattung auf der Erde sein möge, so ist es dem Einzelnen möglich, wie es der Mensch im Anfang in Bezug auf die ganze Erde getan, so jetzt der Gattung vorauszueilen und das Höchste für sich zum voraus zu nehmen. Hierdurch sind wir nun geführt auf die Betrachtung des menschlichen Geistes nicht in seinen äußeren Schicksalen und Versuchen, sondern nach seinem inneren Wesen und nach den Kräften und Potenzen, die auch im Einzelnen liegen.89 Auch im menschlichen Geist als solchem sind wieder drei Potenzen oder Seiten. Die erste ist die, wodurch er gegen die reale Welt gekehrt ist, von der er sich nicht befreien konnte. Dieser entgegen steht die ideale, die Seite seiner höchsten Verklärung, seiner reinsten Geistigkeit. Die mittlere oder zweite ist die, wodurch er zwischen ideale und reale Welt in die Mitte eintritt, um durch Freiheit entwickelt das Band beider Welten in sich wiederherzustellen, oder die Entzweiung fortzusetzen. Diese drei Seiten oder Potenzen des Geistes im Allgemeinen sind in der deutschen Sprache vortrefflich durch Gemüt, durch Geist und durch Seele bezeichnet. In jeder von diesen dreien aber sind wieder drei Potenzen, die sich wieder als Gemüt, Geist und Seele verhalten. I. Das Gemüt ist das dunkle Prinzip des Geistes (denn Geist zugleich der allgemeine Ausdruck), wodurch er von der realen Seite in Rapport mit der Natur, auf der idealen in Rapport mit der höheren Welt, aber nur in dunkelm Rapport steht. Das Dunkelste und darum Tiefste der menschlichen Natur ist die Sehnsucht, gleichsam die innere Schwerkraft des Gemüts, daher in ihrer tiefsten Erscheinung Schwermut. Hierdurch besonders ist die Sympathie der Menschen mit der Natur vermittelt. Auch das Tiefste | der Natur ist Schwermut ; auch sie trauert um ein verlorenes Gut, und auch allem Leben hängt eine unzerstörliche Melancholie an, weil es etwas von sich Unabhängiges unter sich hat.90 (Das über sich erhebt, das unter sich zieht herab).
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Die nächste Potenz des Gemüts ist die in ihm dem Geiste entsprechende – also allgemein dem Charakter des Geistes. Geist ist das naturâ suâ Seiende, eine aus sich selbst brennende Flamme. Da ihm aber als Seiendem das Sein entgegensteht, so ist der Geist eigentlich nichts anderes als die Sucht zum Sein, wie die Flamme Materie sucht. Das tiefste Wesen des Geistes ist daher Sucht, Begierde, Lust. Wer den Begriff des Geistes in seiner tiefsten Wurzel fassen will, muß besonders sich mit dem Wesen der Begierde recht bekannt machen. In der Begierde zeigt sich zuerst etwas ganz aus sich Seiendes, die Begierde ist etwas Unauslöschliches ; in Ansehung jeder Begierde kann die Unschuld nur einmal verloren werden. Sie ist ein Hunger nach dem Sein, und jede Befriedigung gibt ihm nur neue Kraft, d. h. noch heftigeren Hunger.91 Da kann man das Unauslöschliche des Geistes erst recht sehen. Wie hoch diese Begierde, dieser Hunger nach dem Sein im Menschen steigen kann, nachdem er sich selbst von dem Sein abgeschnitten, keinen unmittelbaren Einfluß auf das Sein mehr hat, wo also das Seiende gleichsam ganz bloß steht, ist leicht zu erachten.92 Die dritte Potenz des Gemüts ist das Gefühl (Sensibilität, wie in der organischen Natur, das Vorhergehende Irritabilität). Das Gefühl ist das Höchste des Gemüts, das Herrlichste, was ein Mensch im Gemüt haben, und was er über alles schätzen soll. Das Gemüt ist eigentlich das Reale des Menschen, mit und in welchem er alles auswirken soll. Der größte Geist ohne Gemüt bleibt unfruchtbar und kann nichts zeugen oder erschaffen. – Diejenigen, welche die Wissenschaft auf das Gefühl allein gründen wollen, gründen sie zwar auf die höchste Potenz, aber der tiefsten Stufe. II. Die zweite Potenz des Geistes ist, was wir den Geist in engerem Sinn nennen, l’esprit, – das eigentlich Persönliche im Menschen, und darum auch die eigentliche Potenz der Bewußtheit. | Das Allgemeine des Geistes nach dem Vorhergehenden ist, daß er Begierde, Sucht, Hunger nach dem Sein ist. In der ersten Potenz, im Gemüt, was noch das Bewußtlose des Menschen ist, ist er noch als bloße Begierde und Lust, hier aber als bewußte
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Begierde, als Wille mit Einem Wort. Wille ist daher das eigentlich Innerste des Geistes. Der Wille hat aber wieder zwei Seiten, eine reale, die sich auf die Individualität des Menschen bezieht, den Eigenwillen, und eine allgemeine oder ideale Seite, den Verstand.93 Also auch der Geist im engeren Sinn hat wieder drei Potenzen. a) Die erste ist die Potenz des Eigenwillens, des Egoismus, der blind wäre ohne den Verstand. (Der Eigenwille muß sein. Er ist nicht an sich selbst das Böse, sondern nur dann, wenn er herrschend wird. Tugend ohne allen aktiven Eigenwillen ist verdienstlose Tugend. Daher man sagen kann, daß das Gute selber das Böse in sich schließe.94 Ein Gutes, wenn es nicht ein überwundenes Böses in sich hat, ist kein reelles lebendiges Gutes. Der aktivierteste, doch unterworfene Eigenwille das Höchste). b) Ihr entgegen steht die höchste, welche eben der Verstand ist. Aus Verstand und Eigenwille zusammen erzeugt sich die mittlere Potenz, c) der eigentliche Wille, der also hier wieder im Indifferenzpunkt erscheint. Allein nicht dieses Verhältnis – nicht seine Mitte zwischen Verstand und Eigenwillen, sondern die zwischen der ersten und dritten, der tiefsten und der höchsten Potenz macht eigentlich seine Freiheit aus. Daher wir, um das Wesen der Freiheit vollends zu erkennen, notwendig erst die dritte Potenz betrachten müssen. Es ist zwar die gewöhnliche Meinung, daß der Geist das Höchste im Menschen sei. Allein daß er es durchaus nicht sein kann, folgt daraus, daß er der Krankheit, des Irrtums, der Sünde oder des Bösen fähig ist. Da Krankheit, Irrtum und Böses immer aus der Erektion eines relativ Nichtseienden über ein Seiendes entsteht, so muß auch der menschliche Geist wieder ein relativ Nichtseiendes in Bezug auf ein Höheres sein. Wäre dies nicht, so wäre in der Tat kein Unterschied zwischen Wahrheit und Irrtum. Dann hätte gewissermaßen | jeder und keiner Recht, wenn es nicht wieder eine höhere Instanz über dem Geiste gäbe. Denn der Geist kann nicht der höchste Richter sein, weil seine Aussprüche sich nicht gleich bleiben. – Auch der Irrtum ist keine bloße Privation der Wahrheit. Er ist etwas höchst Positives. Er
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ist nicht Mangel an Geist, sondern verkehrter Geist. Daher der Irrtum höchst geistreich, und doch Irrtum sein kann. – Ebenso das Böse ist nicht bloße Privation des Guten, nicht bloße Verneinung der inneren Harmonie, sondern positive Disharmonie.95 Das Böse kommt auch nicht aus dem Leib, wie so viele noch jetzt meinen. Der Leib ist eine Blume, woraus der eine Honig, der andere Gift saugt. Nicht der Geist wird vom Leib, sondern umgekehrt der Leib vom Geist infiziert. Das Böse ist in gewissem Betracht das reinste Geistige, denn es führt den heftigsten Krieg gegen alles Sein, ja es möchte den Grund der Schöpfung aufheben. Wer mit den Mysterien des Bösen nur einigermaßen bekannt ist (denn man muß es mit dem Herzen ignorieren, aber nicht mit dem Kopf), der weiß, daß die höchste Korruption gerade auch die geistigste ist, daß in ihr zuletzt alles Natürliche, und demnach sogar die Sinnlichkeit, ja die Wollust selbst verschwindet, daß diese in Grausamkeit übergeht, und daß der dämonisch-teuflische Böse dem Genuß weit entfremdeter ist als der Gute. Wenn also Irrtum und Bosheit beides geistig ist und aus dem Geiste stammt, so kann er unmöglich das Höchste sein. Also III. Dieses Höchste, die dritte Potenz, ist die Seele. Schon im gemeinen Sprachgebrauch unterscheiden wir Menschen von Geist und Menschen von Seele. Ja ein Geistvoller kann doch seelenlos sein. Die Seele ist das eigentlich Göttliche im Menschen, also das Unpersönliche, das eigentlich Seiende, dem das Persönliche als ein Nichtseiendes unterworfen sein soll. Zweifel dagegen. a) Man spricht von Seelenkrankheiten. Allein dergleichen gibt es nicht. Nur das Gemüt oder der Geist kann krank sein, wie ich nachher noch bestimmter zeigen werde. b) Man sagt wohl auch im gemeinen Leben von einem Menschen : er hat eine böse, eine schwarze, eine falsche Seele. Allein nur so, wie man von einer falschen Tugend spricht. Man wird dagegen | nie sagen können, daß der Mensch, der lasterhaft oder ruchlos handelt, mit Seele gehandelt habe. Also eine schwarze Seele heißt keine Seele. (Ebenso gibt es zwar einen geistreichen, aber keinen seelenvollen Irrtum).
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Also Seele ist das Unpersönliche. Der Geist weiß, aber die Seele weiß nicht, sondern sie ist die Wissenschaft.96 Der Geist, weil er auch die Möglichkeit zum Bösen in sich hat, kann nur gut sein, d. h. Teil haben an der Güte, die Seele aber ist nicht gut, sondern ist die Güte selbst.97 Vom Gemüt, und zwar von seiner tiefsten Sehnsucht an geht also eine stetige Folge bis zur Seele. Die Gesundheit des Gemüts und des Geistes beruht darauf, daß diese Folge ununterbrochen sei, daß gleichsam eine stetige Leitung von der Seele aus bis ins Tiefste des Gemüts stattfinde. Denn die Seele ist das, wodurch der Mensch in Rapport mit Gott ist, und ohne diesen Rapport mit Gott kann die Kreatur, der Mensch aber insbesondere, keinen Augenblick existieren.98 Sowie daher die Leitung unterbrochen ist, ist Krankheit da, und zwar Gemütskrankheit, besonders wenn die Sehnsucht über das Gefühl siegt, was gleichsam im Gemüt die Seele vorstellt. Also 1) wenn die Leitung durch das Gefühl unterbrochen ist, so entsteht Gemütskrankheit. 2) Ist die Leitung durch den Verstand unterbrochen, so Blödsinn. Menschen der Art haben oft viel Gemütskraft und besonders starken Eigenwillen, der aber, weil er nicht durch den Verstand geleitet ist, unschädlich ist, eigentlich nur auf Genuß und dergleichen geht. 3) Ist aber die Leitung zwischen dem Verstand und der Seele unterbrochen, so entsteht das Schrecklichste, nämlich der Wahnsinn. Ich hätte eigentlich nicht sagen sollen : er entsteht, sondern : er tritt hervor. Um dies zu erklären, bemerke ich Folgendes. Was ist der Geist des Menschen ? Antwort : Ein Seiendes, aber aus dem Nichtseienden, also der Verstand aus dem Verstandlosen. Was ist also die Basis des menschlichen Geistes in dem Sinn, in welchem wir das Wort Basis nehmen ? Antwort : Das Verstandlose. Und da sich der menschliche Geist auch zu der Seele wieder als relativ | Nichtseiendes verhält, so auch zu ihr wieder als Verstandloses. Das tiefste Wesen des menschlichen Geistes also, NB. wenn er in der Trennung von der Seele und also von Gott betrachtet wird, ist der Wahnsinn. Der Wahnsinn entsteht also nicht, sondern tritt nur hervor, wenn das, was eigentlich
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Nichtseiendes, d. h. das Verstandlose ist, sich aktualisiert, wenn es Wesen, Seiendes sein will. Die Basis des Verstandes selbst also ist der Wahnsinn. Daher der Wahnsinn ein notwendiges Element, das aber nur nicht zum Vorschein kommen, nur nicht aktualisiert werden soll. Was wir Verstand nennen, wenn es wirklicher, lebendiger, aktiver Verstand ist, ist eigentlich nichts als geregelter Wahnsinn. Der Verstand kann sich nur manifestieren, zeigen in seinem Gegensatz, also im Verstandlosen. Die Menschen, die keinen Wahnsinn in sich haben, sind die Menschen von leerem, unfruchtbarem Verstand. Daher der umgekehrte Spruch : nullum magnum ingenium sine quadam dementia ;99 daher der göttliche Wahnsinn, von dem Plato,100 von dem die Dichter sprechen. Nämlich, wenn dieser Wahnsinn durch Einfluß der Seele beherrscht ist, dann ist er ein wahrhaft göttlicher Wahnsinn, dann der Grund der Begeisterung, der Wirksamkeit überhaupt. – Aber überhaupt auch der bloße Verstand, wenn er nur kräftig, lebendig ist, ist eigentlich nur beherrschter, gehaltener, geordneter Wahnsinn. Allein es gibt Fälle, wo auch der Verstand den in der Tiefe unseres Wesens schlummernden Wahnsinn nicht mehr bewältigen kann. So kann auch bei einem heftigen Schmerz der Verstand keinen Trost geben. In diesem Fall also, wenn Geist und Gemüt ohne den sanften Einfluß der Seele sind, bricht das anfängliche dunkle Wesen hervor, und reißt auch den Verstand als ein relativ auf die Seele Nichtseiendes mit sich fort, es tritt der Wahnsinn hervor zum schreckenden Zeichen, was der Wille ist in der Trennung von Gott. Auf ähnliche Weise entsteht der Irrtum, wenn die untergeordneten Kräfte, der Verstand, der Wille, die Begierde, die Sehnsucht, für sich weiter wollen, nicht sich submittieren dem Höheren. Die eigentliche menschliche Freiheit besteht nun eben darauf, daß der Geist einerseits der Seele unterworfen ist, andererseits über dem | Gemüt steht. Je nachdem der Geist, d. h. der Wille (denn der Wille ist im Geiste wieder der Geist) den Eingebungen von oben, d. h. den Eingebungen der Seele, oder den
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Eingebungen von unten, d. h. den Eingebungen des Eigenwillens, folgt, je nachdem er entweder das Niedere oder das Höhere zu seinem Prinzip macht, je nachdem handelt er auch gut oder böse. Will sich der Wille gleichsam auf seine eigne Basis setzen, so wird er notwendig der Seele entfremdet und damit dem Guten ; unterwirft er sich aber der Seele, so wird er dem Eigenwillen entfremdet und dadurch dem Bösen. Die Seele als die absolut göttliche hat eigentlich keine Stufen mehr in sich. Sie ist der innere Himmel des Menschen. Aber sie ist verschiedener Beziehungen mit dem Untergeordneten und dadurch verschiedenartiger Äußerungen fähig. Die Seele kann sich 1) auf das Reale der untergeordneten Potenzen beziehen, also auf Sehnsucht und Selbstkraft oder Eigenwille. Dies ist der Fall in der Kunst und Poesie. Sehnsucht und Selbstkraft ist eigentlich das Werkzeug in der Kunst. Hier zeigen sich beide ganz frei, in ihrer völligen Realität, aber der Seele so untergeordnet, wie sie es sein sollen. Ohne Eigenkraft von der einen und tiefe Sehnsucht von der andern Seite entstehen Werke ohne Realität ; ohne die Seele Werke ohne alle Idealität. Das Höchste in der Kunst ist aber auch die Durchdringung des Idealen und Realen (das Kunstwerk ganz idealisch und doch so reell wie ein Naturwerk – hier die Unschuld wieder).101 Die Seele kann sich 2) beziehen auf Gefühl und Verstand, die beiden entsprechenden Potenzen in den beiden ersten Potenzen. Hierdurch entsteht die Wissenschaft im höchsten Sinne, diejenige nämlich, die unmittelbar von der Seele eingegeben wird, – die Philosophie. Hier ist nun auch der Ort über das Wesen der Vernunft zu sprechen. Allgemein wird zwischen Verstand und Vernunft ein Gegensatz statuiert. Dies ist ganz unrichtig. Verstand und Vernunft sind dasselbe, nur auf verschiedene Weise angesehen. Gewöhnlich wird auch die Vernunft höher gesetzt als der Verstand. Dies ist aber auch nur in | gewissem Sinne wahr. Bei dem Verstand ist offenbar etwas mehr Aktives, Tätiges, in der Vernunft mehr etwas Leidendes, sich Hingebendes. Daher es eine ganz verschiedene
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Sache ist, ob man von jemand sagt, er sei ein verständiger oder ein vernünftiger Mensch. Sagt man von jemand, er habe viele Vernunft gezeigt, so ist darunter immer mehr gemeint, daß er Submission unter höhere Beweggründe als daß er Aktiv ität gezeigt habe. Da also im Wesen der Vernunft offenbar etwas Hingebendes, Leidendes liegt, von der andern Seite aber doch Verstand und Vernunft wahrhaft nur Eines sein können, so werden wir sagen müssen : Vernunft sei nichts anderes als der Verstand in seiner Submission unter das Höhere, die Seele. Daher sich auch in der wahren Wissenschaft die Vernunft wirklich leidend verhält, und eigentlich die Seele tätig ist. Die Vernunft ist nur das Aufnehmende der Wahrheit, das Buch, worein die Eingebungen der Seele geschrieben werden, aber zugleich auch ein Probierstein der Wahrheit. Was die Vernunft nicht annimmt, was sie zurückstößt, was sie nicht in sich verzeichnen läßt, das ist nicht von der Seele eingegeben, das kommt aus der Persönlichkeit. Sie ist in dieser Beziehung für die Philosophie das, was der reine Raum für den Geometer. Was in der Geometrie falsch ist, einen unrichtigen Begriff, nimmt der Raum nicht an, stößt es zurück ; z. B. ein Dreieck, in dem die größere Seite dem kleineren Winkel gegenüber läge. Zu allen Hervorbringungen gehört auch ein dunkles Prinzip ; dies ist der Stoff, woraus die Schöpfungen des höheren Wesens gezogen werden. Für die Philosophie ist dieses dunkle Prinzip das Gefühl ; also ohne Gefühl kann man es freilich zu nichts bringen, aber doch ist es nicht das Höchste. Aus Seele, Vernunft und Gefühl besteht also die wahre Philosophie, und somit ist hier die Philosophie zu ihrer eignen Konstruktion durchgedrungen. Die Seele kann sich 3) beziehen auf Willen und Begierde. Sind diese ganz der Seele untergeordnet und in beständigem Rapport mit ihr, so wird damit nicht die einzelne gute Handlung, sondern die moralische Verfassung der Seele oder die Tugend im höchsten Sinn, nämlich als | virtus, als Reinheit, Trefflichkeit und Stärke des Willens. – Lasse die Seele in dir handeln, oder handle durchaus als ein heiliger Mann, dies ist nach meiner
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Meinung das höchste Prinzip, worin das Wahre der verschiedenen Moralsysteme, des Epikurismus und Stoizismus, zusammenkommt. Kant hat von jenem Prinzip bloß den formellen Ausdruck.102 »Handle der Seele gemäß« heißt so viel als : handle nicht als persönliches Wesen, sondern ganz unpersönlich, störe ihre Einflüsse in dir selbst nicht durch deine Persönlichkeit. Das Höchste in allen Werken auch der Kunst und Wissenschaft entsteht eben dadurch, daß das Unpersönliche in ihnen wirkt. Man nennt dies in einem Kunstwerk z. B. die Objektivität, wodurch eigentlich nur der Gegensatz von Subjektivität ausgedrückt werden soll. Diese Objektivität erreicht, um mich der Ausdrücke meines Bruders in einer Abhandlung über die Seele103 zu bedienen, »der wahre Künstler in seinen Werken, der wahre Held in seinen Taten, der Philosoph in seinen Ideen«. Wo ein solcher Gipfel erreicht ist, da ist das Zeitliche und alle menschliche Subjektivität abgestreift, und es entstehen Werke, von denen man sagen möchte, die Seele habe sie allein ohne Zutun des Menschen vollendet.104 Göttliches wird nur durch Göttliches erschaffen, erkannt, gewirkt. Endlich kann die Seele auch ganz rein, ohne alle besondere Beziehung und völlig unbedingt wirken. Dieses unbedingte Walten der Seele ist Religion, nicht als Wissenschaft, sondern als innere und höchste Seligkeit des Gemüts und Geistes. Tugend, Wissenschaft und Kunst sind hier noch verwandt mit der Religion, ja sie haben nur Eine Wurzel mit ihr (obgleich sie deswegen nicht Eines sind). Die Seele ist das Entsprechende des A 3, das A 3 aber die gött liche Liebe, inwiefern sie das Band der Schöpfung = Identität des Nichtseienden und Seienden, des Endlichen und Unendlichen ist. Auch das Wesen der Seele also ist Liebe, und Liebe auch das Prinzip alles dessen, was aus der Seele entsteht. – Daß ein warmer Hauch der Liebe das Kunstwerk anwehen und verklären müsse, ist allgemein | anerkannt. Wir sagen von den schönsten Werken, sie seien mit Liebe gemacht, ja die Liebe selbst habe sie gemacht. – Auch die Wissenschaft in ihrer höchsten Potenz ist ein Werk der Liebe, und trägt darum mit Recht den schönen
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Namen Philosophie, d. h. Liebe der Weisheit. Der Mensch, der zum Philosophen geboren ist, empfindet dieselbe Liebe in sich, welche die göttliche empfindet, nämlich die ausgestoßene und ausgeschlossene Natur nicht in dieser Verstoßung zu lassen, sie geistig wieder ins Göttliche zu verklären und das ganze Universum zu Einem großen Werk der Liebe zu verschmelzen. So haben wir also den Menschen auf den höchsten Gipfel geführt, dessen er in diesem Leben fähig ist. Es bleibt uns also nichts weiter übrig, als noch etwas über das Schicksal des Menschen in einem künftigen Leben zu sagen. Alles, was bisher vorkam, gehörte eigentlich nur der ersten Potenz an. Die wahre zweite Potenz fängt für den Menschen erst nach dem Tode an. Auch hier verfahren wir übrigens so, daß wir vom Leben anfangen ; wir reden also zuerst noch vom Übergang des Menschen aus der ersten Potenz seines Lebens in die zweite, also vom Tode. Die Notwendigkeit des Todes setzt zwei absolut unverträgliche Prinzipien voraus, deren Scheidung der Tod ist.105 Unverträglich ist nicht das Entgegengesetzte, sondern das sich Widersprechende ; z. B. Seiendes und Nichtseiendes sind nicht unverträglich, denn sie gehören ja zusammen : wohl aber wenn das Nichtseiende als solches ein Seiendes sein will und das wahrhaft Seiende zu einem Nichtseienden machen. Dies ist das Verhältnis von Gut und Bös. Der Widerstreit von Gut und Bös ist aber freilich durch Schuld des Menschen allgemein, also auch unabhängig vom Menschen und außer dem Menschen erregt. Diese Kontrarietät in der Natur, an welcher der Mensch durch seinen Leib Teil hat, macht notwendig, daß der Geist in diesem Leben nicht ganz in seinem Esse erscheinen kann, sondern zum Teil in seinem non-Esse. Der Geist des Menschen nämlich ist notwendig ein Entschiedenes (mehr oder weniger entschieden freilich, inzwischen ist die Unentschiedenheit | selbst wieder Entschiedenheit, nämlich das Gute doch nur bedingungsweise zu wollen) – also der Geist des Menschen ist entweder gut oder bös. Allein die Natur ist nicht entschieden, ja ihre jetzige Gestalt scheint eben auf der beständigen Gegenwirkung des Guten und Bösen
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zu beruhen, so daß sie gar nicht mehr dieselbe wäre, vielmehr ihre Eigenschaften ganz verlieren würde, wenn entweder das Gute oder das Böse von ihr hinweggenommen würde. Freilich wäre die Natur durch diesen inneren Widerstreit schon lange auseinander gefallen, wenn er nicht späteren Ursprungs, wenn nicht die Entzweiung später wäre als die Einheit : jetzt ist sie zwar auseinander, aber immer noch zusammengehalten durch die ursprüngliche Einheit. Da also in der Natur Mischung des Guten und Bösen,106 so ist eine ähnliche Mischung auch in dem, was der Mensch mit der Natur gemein hat, und wodurch er in Bezug mit ihr steht – in seinem Leib und seinem Gemüt (daher das Böse vor allem sein Gemüt zu morden sucht, weil in diesem noch ein Rest des Guten). Aus diesem Grunde kann also der Mensch in diesem Leben nicht ganz erscheinen, wie er ist, nämlich seinem Geiste nach, und es entsteht eine Unterscheidung des äußeren und inneren Menschen,107 des erscheinenden Menschen und des seienden Menschen. Der seiende Mensch ist der Mensch, wie er seinem Geiste nach ist, der scheinende Mensch dagegen geht verhüllt einher durch den unwillkürlichen und unvermeidlichen Gegensatz. Sein inneres Gutes ist verdeckt durch das Böse, das ihm von der Natur her anhängt, sein inneres Böses verhüllt und noch gemildert durch das unwillkürliche Gute, was er von der Natur her hat. Einmal aber muß der Mensch in sein wahres Esse gelangen und von dem relativen non-Esse befreit werden. Dies geschieht, indem er ganz in sein eignes A 2 versetzt, und also nicht zwar vom physischen Leben überhaupt, aber doch von diesem geschieden wird, mit Einem Wort durch den Tod oder durch seinen Übergang in die Geisterwelt. Was folgt aber nun dem Menschen in die Geisterwelt ? Antwort : Alles, was auch hier schon Er selber war, und nur das bleibt zurück, was nicht Er selber war. Also geht der Mensch nicht bloß mit seinem Geiste im engern Sinn des Worts in die Geisterwelt über, | sondern auch mit dem, was in seinem Leib Er selber, was in seinem Leib Geistiges, Dämonisches war. (Daher ist es so wichtig anzuerkennen, 1) daß auch der Leib an und für sich schon ein geistiges Prinzip enthalte,108 2) daß nicht der Leib
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den Geist, sondern der Geist den Leib infiziert ; der Gute steckt den Leib mit dem Guten, der Böse mit dem Bösen seines Geistes an. Der Leib ist ein Boden, der jeden Samen annimmt, in welchen Gutes und Böses gesäet werden kann. Also das Gute, was der Mensch in seinem Leibe erzogen hat, so wie das Böse, das er in ihn gesäet hat, folgt ihm im Tode). Der Tod ist daher keine absolute Trennung des Geistes von dem Leib, sondern nur eine Trennung von dem dem Geist wider sprechenden Element des Leibs, also des Guten vom Bösen und des Bösen vom Guten (daher auch das Zurückbleibende nicht der Leib genannt wird, sondern der Leichnam). Also nicht ein bloßer Teil des Menschen ist unsterblich, sondern der ganze Mensch seinem wahren Esse nach, der Tod eine reductio ad essentiam. Wir wollen das Wesen, das im Tode nicht zurückbleibt – denn dies ist das caput mortuum109 –, sondern gebildet wird, und das weder bloß geistig noch bloß physisch, sondern das Geistige vom Physischen und das Physische vom Geistigen ist, um es nie mit dem rein Geistigen zu verwechseln, das Dämonische nennen. Also das Unsterbliche des Menschen ist das Dämonische,110 nicht eine Negation des Physischen, sondern vielmehr das essentifizierte Physische. Dieses Dämonische ist also ein höchst-wirkliches Wesen, ja weit wirklicher, als der Mensch in diesem Leben ist ; es ist das, was wir in der Volkssprache (und hier gilt es eigentlich : vox populi vox Dei)111 nicht den Geist, sondern einen Geist nennen ; wenn z. B. gesagt wird, es sei einem Menschen ein Geist erschienen, so wird darunter eben dieses höchst-wirkliche, essentifizierte Wesen verstanden. Der Mensch im Tode wird nicht in das absolute oder göttliche A 2, sondern er wird in sein eignes A 2 versetzt. Das göttliche A 2 als das absolut seiende ist notwendig auch das absolut Gute, und insoweit ist niemand gut als der einzige Gott. Außer ihm ist gut nur, was als ein relativ Nichtseiendes an dem Seienden Teil hat ; was sich aber | ihm opponiert, in dem ist der Geist des Bösen. Der Gute also, indem er in sein eignes A 2 versetzt wird, wird freilich auch in das göttliche A 2 versetzt ; der Böse aber, wenn er in sein eignes A 2 versetzt wird, wird eben darum von
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dem göttlichen A 2 ausgestoßen, an welchem er hier noch durch Vermittlung der Natur Teil hatte. Der Gute wird nämlich über die Natur erhoben, der Böse sinkt noch unter die Natur. Gewöhnlich stellt man sich den Menschen im Zustand nach dem Tode als ein luftähnliches Wesen vor, oder recht abstrakt als ein pures, lauteres Denken. Aber er ist vielmehr, wie gesagt, ein höchst-wirklicher, ja weit kräftiger und also auch wirklicher als hier. – Beweis : a) alle Schwäche kommt aus der Geteiltheit des Gemüts. Wäre ein einziger Mensch, in welchem sie ganz getilgt, der nur das Gute in sich hätte, er könnte Berge versetzen. Daher wir auch sehen, daß Menschen, die es schon hier bis zum Dämonischen bringen (und im Bösen wird diese Entschiedenheit häufiger erreicht als im Guten) – etwas Unwiderstehliches in sich haben ; sie faszinieren gleichsam alles ihnen Entgegenstehende, besonders wenn das ihnen Entgegenstehende auch nichts Gutes, sondern ein Böses ist, das nura nicht den Mut oder die Kraft hat, sich zu zeigen. Denn in jedem möglichen Fach wird es der entschiedene Meister und Virtuos über den Stümper und Pfuscher davontragen. b) Eben auch weil hier (in diesem Leben) ein Zufälliges beigemischt ist, wird das Wesentliche geschwächt. Daher der Geist von diesem Zufälligen befreit lauter Leben und Kraft ist, das Böse noch viel böser, das Gute noch viel guter. Das Besondere des innern Zustandes betreffend, so wird er bekanntlich mit dem Schlaf verglichen, wobei freilich unter Schlaf das Auslöschen des Inneren durch das Übergewicht des Äußeren verstanden wird. Vielmehr ist aber dieser Zustand als ein schlafendes Wachen und ein wachendes Schlafen zu denken = clairvoyance, wobei ein unmittelbarer Verkehr mit den Gegenständen, nicht durch Organe vermittelt.112 – Wird dies aber auch für den Bösen gelten ? Antwort : Auch die Finsternis hat ihr Licht, wie das Seiende ein Nichtseiendes in sich hat. Übrigens ist der höchste Gegensatz der clairvoyance der Wahnsinn. | Wahnsinn also der Zustand der Hölle. – Eine Frage ist : wie wird es mit der Erinnerungskraft beschaffen sein ? Diese wird sich a nur ] SW : nun
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nur nicht auf alles Mögliche erstrecken, da ein rechter Mann schon hier viel darum geben würde, zur rechten Zeit vergessen zu können. Es wird eine Vergessenheit, eine Lethe113 geben, aber mit verschiedener Wirkung : die Guten dort angekommen werden Vergessenheit alles Bösen haben, und darum auch alles Leids und alles Schmerzes, die Bösen dagegen die Vergessenheit alles Guten. – Übrigens freilich wird es auch nicht Erinne rungskraft sein wie hier ; denn hier müssen wir uns erst alles innerlich machen, dort ist schon alles innerlich. Die Bezeichnung Erinnerungskraft ist dazu viel zu schwach. Man sagt von einem Freund, einem Geliebten, mit denen man Ein Herz und Eine Seele war, man erinnere sich ihrer, sie leben beständig in uns, sie kommen nicht in unser Gemüt, sie sind darin, und so also wird die Erinnerung dort sein. Durch den Tod wird Physisches (soweit es wesentlich ist) und Geistiges in eins gebracht. Also dort wird Physisches und Geistiges zusammen das Objektive sein – die Basis –, die Seele aber, jedoch nur bei den Seligen, wird als Subjektives eintreten, wird ihr eigentliches Subjekt, und dies bringt mit sich, daß sie zu Gott gehen, mit Gott verbunden werden. Die Unseligkeit besteht eben darin, daß die Seele nicht als Subjekt eintreten kann wegen der Empörung des Geistes, daher Trennung von der Seele und von Gott. Dadurch, daß der Mensch in sein eignes A 2 versetzt wird, wird er also in die Geisterwelt versetzt. Hier findet also die Konstruktion der Geisterwelt ihre Stelle. Wie es eine Philosophie der Natur gibt, so auch eine Philosophie der Geisterwelt. Hierüber nur Folgendes. Gleich anfänglich, als Gott Reales und Ideales schied, mußte er auch das Ideale als eine eigne Welt setzen. Wie demnach im Realen Reales, Ideales und die Indifferenz beider war, so auch im Idealen, nur alles unter der Potenz des Idealen. Also im Idealen Gottes ist wieder etwas, das der Natur entspricht, nur daß es selbst ganz ideal ist. Das Reale im Idealen ist, wie wir so eben bei Gelegenheit des Menschen gefunden haben, das Gemüt. Auch in Gott ist ein | Gemüt, und dieses Gemüt ist im Geistigen Gottes
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wieder das Reale ; es verhält sich zum Geist in Gott, zum absolut Seienden, auch wieder wie erste Potenz, wie Basis, wie dunkles Prinzip. Das Gemüt in Gott ist also der Stoff der Geisterwelt, wie das eigentlich Reale der Stoff war, aus dem die physische Welt, und aus dem der Mensch erschaffen wurde. Also die reinen Geister sind erschaffen aus dem göttlichen Gemüt, und es gibt so gewiß eine Geisterwelt, auch unabhängig von Menschen, als es eine Naturwelt gibt. Wir erhalten unser Gemüt aus der Natur, die Geister aus Gott selbst. Da auf diese Art auch in den reinen Geistern, die aus dem Gemüt Gottes erschaffen (das wieder relativ Unabhängiges von dem Geist in Gott, d. h. dem absolut Seienden), – da also auch in den reinen Geistern ein relativ Nichtseiendes und ein Seiendes ist, so sind auch sie der Freiheit, also auch des Guten und Bösen fähig. Wie es nun die Absicht Gottes war, daß durch den Menschen, das höchste Geschöpf der Naturwelt, die Natur eine Verbindung mit der Geisterwelt erhalte, so war es wahrscheinlich auch seine Absicht, daß durch das höchste Geschöpf der Geisterwelt diese die Verbindung mit der Natur erhalte. Wenn nun auch dieses Geschöpf manquierte, so trat notwendig in der Geisterwelt derselbe Abfall ein, wie in der sichtbaren Welt, und ebenso eine Trennung der guten und der bösen Geister. Ohne Zweifel wollte jenes höchste Geschöpf der Geisterwelt, das, wie der Mensch von Seite der Natur, so von der andern Seite zum Herrn der Welt bestimmt war, der Herr dieser Welt sein ohne Gott, aus eigner Macht, und so fiel es. Natürlich mußte es nun das höchste Interesse für diesen höchsten erschaffenen Geist sein, zu bewirken, daß diese Welt wirklich eine eigne von Gott getrennte werde, weil er nur alsdann hoffen konnte sie zu beherrschen. Also angenommen, daß sein Fall dem des Menschen voranging, mußte seine Bosheit sich gegen den Menschen richten, weil in diesem noch die einzige Möglichkeit vorhanden war, wie die Natur und die Geisterwelt zusammenkommen konnten, also die Möglichkeit, daß er ein eignes von Gott unabhängiges Reich erhielt, wie er doch suchte. Da nun der Mensch vor dem Fall noch | wirklich in näherem Rapport mit der Geisterwelt
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stand, so konnte jener höhere Geist auch wirklich einen Einfluß auf den Menschen haben, unmittelbarer als jetzt ; denn jetzt ist der Mensch, wie er gewöhnlich ist, selbst für den Teufel zu schlecht ; das Schlechte ist das Gemischte ;114 das lautre Böse ist in seiner Art etwas Reines. So ungefähr ließe sich also die christ liche Erklärung des Falls115 wahrscheinlich machen. So viel also über die ursprünglichen Einwohner der Geisterwelt, d. h. die darein erschaffen worden. Nun ist aber die Geisterwelt auch in anderer Beziehung eine Welt, nämlich ein System von Gegenständen, und zwar ganz ein solches wie die Natur. Denn überhaupt Natur und Geisterwelt sind nicht mehr verschieden als – um ein etwas krasses aber doch die Sache anschaulich machendes Beispiel zu gebrauchen, die Welt der Plastik und die Welt der Poesie, deren Gestalten nicht sichtbar auftreten, sondern in jedem wieder erzeugt werden müssen durch eigne Tätigkeit, also nur innerlich anschaulich sind. Die Geisterwelt ist die Poesie Gottes, die Natur seine Plastik. Im Menschen entsteht ein Mittleres, nämlich das sichtbare Drama, weil dieses seine geistigen Schöpfungen zugleich in der Wirklichkeit darstellt. Daher die Geschichte am besten als eine große Tragödie anzusehen ist, die auf der Trauerbühne dieser Welt aufgeführt wird, wozu sie die bloßen Bretter hergibt, indeß die Handelnden, d. h. die darauf vorgestellten Personen, von einer ganz anderen Welt sind. In jener Welt ist alles, was in dieser ist, nur auf poetische, d. h. geistige Weise, und kann darum viel vollkommener, auch auf geistige Art, mitgeteilt werden (der Geist ganz Gesicht, ganz Gefühl). Dort sind die Urbilder, hier die Abbilder. Die unmittelbare Verbindung der Natur mit der Geisterwelt ist zwar durch den Menschen unterbrochen ; deswegen hören sie aber nicht auf Eine Welt zu sein und sich aufeinander aus der Ferne wenigstens zu beziehen. Eine gewisse Sympathie bleibt doch noch zwischen ihnen, wie zwischen den Saiten verschiedener Instrumente, wo, wenn auf der einen ein Ton angeschlagen wird, die entsprechende Saite des andern sympathetisch mittönt. Also dieser Bezug der Geisterwelt mit der Natur dauert
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immer fort, er ist im Wesen des Universums selbst | gegründet, er war unauflöslich. Und wie die Geisterwelt im Ganzen mit der Natur durch einen notwendigen consensus harmonicus verbunden ist, so sind es auch die einzelnen Gegenstände der Geister- und der Naturwelt. So muß es in der Geisterwelt ebenfalls Gesellschaften geben, die denen auf der Welt entsprechen, nur daß dort durchaus Gleiches zu Gleichem kommt, hier aber Gemischtes beisammen ist.116 Deswegen diejenige Nation, die sich am meisten aus der Mischung gesetzt hat, d. h. die entweder das Böse oder das Gute am meisten von sich ausgeschlossen hat, also entweder die frömmste und tugendhafteste oder die ruchloseste und lasterhafteste die meiste Macht hat, weil sie am meisten dämonisch ist. Völker, bei denen noch Freiheit, Unschuld, Reinheit der Sitten, Armut, d. h. eben Trennung von den Dingen dieser Welt, wohnt, sind in Rapport mit dem Himmel und der guten Geisterwelt ; die, bei denen das Gegenteil, mit der Hölle. Ebenso steht jeder einzelne Mensch, je nachdem entweder das Gute oder das Böse in ihm zu höherer Reinheit gekommen ist, in Bezug entweder mit der guten oder bösen Geisterwelt.117 Der Mensch wird durch den fortgehenden Lebensprozeß der Gattung abwechselnd empfänglich und unempfänglich für die Geisterwelt überhaupt. Der Mensch, der in sich das Gute rein vom Bösen geschieden, wäre ohne Zweifel des Rapports mit guten Geistern fähig, welche bloß die Mischung scheuen, und welche es, wie die Bibel einmal sagt, beständig lüstet hineinzuschauen in das Mysterium der äußeren Natur,118 – wo eigentlich das größte Geheimnis vorbereitet wird, nämlich die vollkommene Menschwerdung Gottes, wovon immer noch nur der Anfang geschehen ist. Ebenso wer das Böse in sich rein geschieden von allem Guten in sich hätte, würde mit bösen Geistern in Rapport sein. Es ist unbegreiflich, wie man an einem solchen Zusammenhang je hat zweifeln können. Wir leben unter beständigen Eingebungen ;119 wer auf sich achtgibt, der findet es. Besonders in schweren Fällen fehlen dem Menschen diese Eingebungen nie, und wenn er sie nicht hat, so ist es seine eigne Schuld. Der Mensch ist nie ganz verlassen, und bei dem vielen
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Traurigen, was ein jeder erfährt, kann er doch gewiß sein, daß er unsichtbare | Freunde hat, ein heroischer Glaube, der fähig macht vieles zu tun und auch vieles zu leiden. Wie jeder Mensch einen Bezug auf die Geisterwelt hat, so hat auch jedes Ding der Natur durch seine gute Seite einen Bezug auf den Himmel, durch seine böse auf die andere Seite der Geisterwelt. Daher der Mensch in nichts mehr Vorsicht haben muß als in seinem Umgang mit der Natur, besonders aber mit andern Menschen. (Diätvorschriften der alten Philosophen).120 Die Geisterwelt kann nur der Mischung wegen nicht in die jetzige eindringen. Könnte man aber in einem Ding z. B. das Gute ganz zudecken, austreiben oder bewältigen, so könnten die bösen Geister darein wirken. Dies der Grund der schwarzen Magie und der Zauberei. – Doch dies mag genug sein von der Geisterwelt, und vielleicht ist es schon zu viel. Geisterwelt und Natur müssen doch endlich verbunden werden, die höhere Potenz des eigentlich ewigen und absoluten Lebens noch eintreten. Gründe hiefür sind. 1) Die höchste geistige Seligkeit ist doch noch nicht die absolute. Wir wünschen etwas zu haben, das nicht wir selbst ist, wie Gott etwas hat, um uns darin zu beschauen als in einem Spiegel. 2) Die Natur ist ohne Schuld unterworfen dem jetzigen Zustand (Pauli Stelle),121 sie sehnet sich nach der Verbindung ; 3) so auch Gott wieder nach der Natur. Er wird sie nicht ewig als Ruine stehen lassen. 4) Es müssen wirklich alle Potenzen in eins gebracht werden. Bisher sind nur zwei Perioden : a) die gegenwärtige, wo freilich alle Potenzen, aber untergeordnet dem Realen ; b) das Geisterleben, wo auch alle Potenzen, aber untergeordnet dem Idealen. Es wird also eine dritte geben, c) wo alle der absoluten Identität untergeordnet sind – also das Geistige oder Ideale nicht das Physische und Reale ausschließt ; wo beides gemeinschaftlich und als gleichgeltend dem Höheren untergeordnet ist. Diese Wiederherstellung aber ist unmöglich, bevor nicht dieselbe Scheidung in der Natur vor sich geht. Aber in dieser kommt es langsamer dazu, weil sie viel tiefere Lebenskraft hat. Der Mensch ist hierin ein Opfer für die Natur, wie sie erst für ihn
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ein Opfer war. Er muß mit seinem vollkommenen Dasein auf das ihrige | warten. Endlich freilich muß die Krisis der Natur kommen, wodurch sich die lange Krankheit entscheidet. Jede Krisis ist mit einer Ausstoßung begleitet. Diese Krisis ist die letzte der Natur, daher »das letzte Gericht«. Jede Krisis auch im Physischen ist ein Gericht. Durch einen wahrhaft alchemischen Prozeß wird das Gute vom Bösen geschieden, das Böse vom Guten ganz ausgestoßen werden, aus dieser Krisis aber eine ganz gesunde, lautere, reine und unschuldige Natur hervorgehen. In diese reine Natur wird nichts eingehen als das wahrhaft Seiende, das nur in seinem richtigen Verhältnis ein Seiendes sein kann ; die Natur wird also befreit sein von dem falsch-Seienden, dem Nichtseienden. Dagegen wird nun das Nichtseiende, was sich in ihr zum Seienden erhoben hatte, ihr als Basis untergeordnet, dieses Nichtseiende oder das Böse in die allertiefste Tiefe unter die Natur versetzt, und da diese schon der gemilderte göttliche Egoismus, so sinkt jenes in das verzehrende Feuer desselben, d. h. in die Hölle. Nach dieser letzten Katastrophe wäre also die Hölle das Fundament der Natur, wie die Natur das Fundament, die Basis des Himmels, d. h. der göttlichen Gegenwart. Das Böse ist dann nicht mehr vorhanden in Bezug auf Gott und das Universum. Nur in sich selbst ist es noch vorhanden. Es hat jetzt, was es wollte, das gänzliche in-sich-selbst-Sein, also Trennung von der allgemeinen, der göttlichen Welt. Es ist den Qualen seines eignen Egoismus, dem Hunger der Selbstsucht überlassen. Durch die Scheidung in der Natur erhält jedes ihrer Elemente den nächsten und unmittelbarsten Rapport zur Geisterwelt. Daher also Auferstehung der Toten. Die Geisterwelt tritt in die wirkliche ein. Die bösen Geister erhalten ihren Leib auch aus dem Element des Bösen, die Guten aus dem Element des Guten – aus jenem fünften Element, der göttlichen Materie. Der höchste Endzweck der Schöpfung ist jetzt erfüllt, a) Gott A3 b) das ganz verwirklicht, sichtbar-leiblich,122 also , A2 = (A =B) Unterste zu dem Obersten gekommen (Umlauf)123 – das Ende in dem | Anfang – nur daß jetzt alles explicite, was zuvor implicite,
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c) besonders das Geheimnis der Menschheit. Im Menschen sind die beiden äußersten Extreme zusammengeknüpft. Darum ist er vor Gott höher geachtet als die Engel. Der Mensch ist aus dem Niedrigsten und Höchsten. Die Menschheit, die schon durch den Menschgewordenen Gott vergöttert war, ist jetzt allgemein vergöttert, und durch den Menschen, und mit ihm auch die Natur. Wollen wir konsequent sein, so müssen wir auch in der dritten Periode wieder Perioden oder Potenzen anerkennen. Allein diese sind so weit außer unserem geistigen Gesichtskreis als (um ein schwaches Bild zu brauchen) der fernste Nebelfleck, durch kein Fernrohr mehr auflöslich, außer unserem leiblichen. Also wenn auch hier noch Perioden, so sind sie in ein sukzessives Regiment zu setzen : a) des Menschgewordenen Gottes (vielleicht doch noch besonderes Regiment der Natur- und Geisterwelt, ohne Trennung jedoch). b) Regiment des Geistes. c) Endlich alles dem Vater überantwortet.124 Vielleicht dies dann, wenn auch die Hölle nicht mehr ist ; und in diese Perioden der Ewigkeit fällt also die Wiederbringung auch des Bösen noch, woran wir glauben müssen. Die Sünde ist nicht ewig, also auch ihre Folge nicht. Diese letzte Periode in der letzten ist die der ganz vollkommenen Verwirklichung – also der völligen Menschwerdung Gottes, wo das Unendliche ganz endlich geworden ohne Nachteil seiner Unendlichkeit. Dann ist Gott wirklich Alles in Allem,125 der Pantheismus wahr.
Nachschrift des Gastgebers, Eberhard Friedrich von Georgii
F. W. J. Schellings natur-phÿlosophisches Sÿstem. 1810.a In Unterredungen zu Stuttgart vorgetragen von dem Herrn Verfasser – mit Herrn Praesident v. Wangenheim – Praes. v. Neurath – Obrist v. Lindenau. – Assess. v. Wernek. – Geh Ofinanz Rath v. Hartmann – Geh Sekret Haug – Hofmedikus Jaeger. – Hofmedikus Storr – Professor Lebret. – Professor Reinbek. – Ober Justiz Rath Georgii b – schrieb die Unterredungen nach. Das Manuscript wurde von dem Herrn Verfasser korrigirt : diese Abschrift ist von dem korrigirten Manuscript, das Herr Schelling zurückbehielt, genommen.c | Dieses Manuscript entstand durch das, was O. J R. Georgii während der Unterredungen nachschrieb, was sofort von dem Verfasser revidirt wurde. Das Original des revidirten Manuscripts ward lezterem zurückgegeben.d | Nach dem d. 13. April. 1830. erfolgten Tod des Obertribunal Präsidenten von Georgii erhielt dieses Manuscript Hof-Justiz- u. Domänenrath von Gerber. a
Titel wie Fließtext Kopist Unterredungen … Georgii ] Georgii c – schrieb … genommen. ] Georgii II d Dieses Manuskript … zurückgegeben. ] Georgii b In
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mitschrift georgii
Nach des lezteren Tod (d. 21. Merz 1842) gab dessen Gattin, meine Schwester mir solches als gedoppeltes Andenken an diese zweÿ Männer, von welchen mir jeder in seiner Weise ein väter licher Freund war. E. L. (Eberhard Lempp)b | Stuttgardt im April 1842.a
a b
Nach dem … 1842. ] Lempp auf dem Vorsatz des Heftes (Eberhard Lempp) ] Unbekannte Hand
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Über den allgemeinen Charakter des Sÿstems. Ein Sÿstem, welches alles erkennbare umfaßt, ist möglich, nur muß es nicht erfunden, sondern es kann nur, als ein an sich, namentlich im göttlichen Verstande, bereits Vorhandenes, gefunden werden. Ein Sÿstem, das nur Produkt der menschlichen Erfindungskraft ist, wie z. B. die Leibnizische Monadologie,1 kann zwar Bewunderung für das Genie seines Urhebers erregen, aber es genügt unserm Zeit Alter nicht mehr. | Indessen kann doch dieses Sÿstem in seiner empirischen Totalitaet nicht gefunden werden, als wozu die Erkenntnis aller, auch der einzelnsten Mittelglieder erfordert würde : nur die Elemente können erfaßt, nur die Methode, die dem stufenweise fortschreitenden Hervorbringen der Natur analog seÿn muß, kann angegeben werden. Das Sÿstem muß ein Prinzip haben, das in sich, und durch sich selbst besteht, das sich selbst in jedem Theil des Ganzen reproducirt : Es muß organisch seÿn : Eines muß durch Alles, und Alles durch eines bestimmt werden : es darf nichts ausschliessen, nichts einseitig unter | ordnen, oder gar unterdrücken. Würde es z. B. das Geistige allein, oder würde es die Materie allein vorherrschen lassen, so würde es einseitig werden, und den Charakter der Allgemeinheit verliehren. Diesen Fehler begiengen bisher die meisten Philosophischen Sÿsteme : sie begiengen ihn namentlich dadurch, daß sie die Natur ausschlossen ; Da das hier vorzutragende Sÿstem diesen Fehler verbessern will ; so hat es zum Theil auch in dieser Beziehung den Namen der Natur Philosophie2 angenommen. Über das Prinzip des Schellingischen Sÿstems. Dieses Prinzip ist auf verschiedene Weise | ausgedrückt worden, a) Das Prinzip der absoluten Identitäta schlechthin, welche aber von absoluter Einerleiheit wohl unterschieden werden muß. Die hier gemeÿnte Identitaet ist eine Organische Einheit aller Dinge. a Identität ]
Hs : Idealität
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In jedem Organismus ist Einheit, ohne daß jedoch die Theile desselben für einerleÿ gehalten werden könnten. So z. B. lösen sich im menschlichen Körper alle Differenzen der Organe und Funktionen in Ein untheilbares Leben auf, dessen Empfindung als eines untheilbaren harmonischen, die Empfindung des Wohlseÿns ist : aber die Theile und Funktionen, die dieses organische Ganze bilden, sind darum nicht einerleÿ, | Der Magen z. B. thut nicht die Funktionen des Gehirns p. p. b) bestimmter würde dieses Prinzip ausgedrückt als absolute Identität, des Idealen und Realen, oder wenn man es in bekannten Worten ausdrücken will, der Natur und der Geister-Welt ; Die Meinung ist hier nicht, daß das Reale und Ideale logisch oder numerisch einerleÿ seÿ ; Es ist zwar ein und eben dieselbe Sache in beiden Formen gesezt, aber sie ist in jeder dieser Formen ein eigenes, und nicht einerleÿ Wesen. Wann z. B. Jakob auch Israel hies, so wär es immer eben dasselbe Individuum, das durch die verschiedene Namen nicht verschieden individualisirta wurde ; Nicht so verhält es | sich mit der Identität des Realen und Idealen. Wir sezen, z. B. a b. c. Hier sind b. und c. identisch, weil sie dem Wesen nach a. sind : aber verschieden sind sie von einander als Formen, oder für sich betrachtet : b. kann ewig nicht c. c nicht b. werden. Eben so ist auch a in b ; und a in c. jedes ein eigenes Wesen. Eben dadurch, daß in jedem dasselbe Wesen ist, ist zwischen ihnen eine wesent liche (das heißt nicht blos formelle, logische oder nominale) Einheit, zugleich aber ein wircklicher Gegensaz oder Dualism, indem sie sich unter einander nicht aufheben können. Dadurch, daß sich a in b, und in c individualisirt, bekommen | beede das gleiche Recht zur Existenz. Es sind also das Ideale und Reale blose Formen eben desselben Wesens, und zwar nur untergeordnete Formen des eigentlichen Urwesen. a individualisirt ]
Hs. : individuell dualisirt (vgl. SW S. 6. Z. 13 f.)
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Hierinnen liegt der Unterschied zwischen dem Schellingischen und Fichtischen Sÿstem. Fichte geht in seiner Wissenschafts-Lehre3 (denn nur diese, nicht seine neueren Produkte, geben sein eigenthümliches Sÿstem) von folgenden Sÿllogismen aus. Alles wahre Daseÿn besteht in der Identität des Subjects und Objects (das Anschauende ist zugleich das Angeschaute) | Nun findet das Zusammenfallen des Subjects und Objects blos statt im menschlichen Bewußtseÿn : Also ist nur das menschliche Bewußtseÿn das wahre Daseÿn. Hier wird von Herrn Schelling der Obersaz zugestanden, aber der untersaz wird geläugnet : dann die Identität des Subjekts und Objekts beschränkt sich nicht auf alles menschliche bewußtseÿn, oder, wie wir es ausdrücken, auf das Geisterreich, vielmehr verbreitet sich diese Identität über die gesammte Materie, oder über die Natur. So z. B. ist in dem Körper die zurückstosende Kraft das Objektive, die Attractiona in Ansehung des Körpers, die auf ihn selbst | zurückgehende also subjective Kraft. –. Fichte kennt also nur eine Form des Daseÿns, die Thätigkeit : während Herr Schelling zweÿ Formen hat, die Thätigkeit im Geistigen, und die Ruhe, die sich in der Natur oder im Materiellen ausdrükt. Jede Art von Wesen, die wir kennen, trägt diese zweÿ Formen in sich. Dann, was ist z. B. die Schwehrkraft der Materie, kraft der sie eine ewige Tendenz zum Mittelpunckt hat, anderes, als das Analogon einer geistigen Thätigkeit ? ist sie nicht ihrem bekannten Verhältnise zur Masse zu folge, dasselbe im Idealen oder der Thätigkeit, was diese im Realen, oder im Seÿn ist ? Dem Fichte ist also jener mit der | Identität verknüpfte Dualism fremde, der eine der Basen des Schellingischen Sÿstems ist. […]b a
Attraction ] Georgii korr. aus : Attractive
b Die Nachschrift schaltet hier (S. ±∞–±∑) Schellings »Genealogie aller Phi-
losophischen Sÿsteme« ein, die von der Herausgeberin von der ersten in die vierte Privatvorlesung versetzt wurde (vgl. oben S. VIII f.).
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c.) In einem dritten Ausdruck wurde das Prinzip dieser Philosophie gerade zu Absolutes oder Gott genannt. Gott, oder das Absolute ist das Prinzip der ganzen Schellingischen Philosophie ; Diese ist eine vollkommene Einheit, nur Ein Ganzes, sie lebt und webt in Gott, während in der Leibniz-Wolfischen Philosophie Gott nur hintendrein, und post festum bei Kant hingegen nur durch die Hinterthüre der praktischen Vernunft eingeführt wird, weil die reine Vernunft Gott in ihrem | Gebäude keinen aktuellen Platz einzuräumen wußte. Diese Philosophie ist zwar mit Religion und der natürlichen Theologie mehr verwandt, denn alle 3 beschäftigen sich mit dem Übersinnlichen, das wir Gott nennen. Wann indessen Philosophie eine Methaphÿsik des Verstandes ist, so ist die Religion eine Methaphÿsik des Herzens. Die Theologie hingegen ist mehr nur ein Abstractum der Philosophie, sie nimmt gewißer massen Gott als ein besonderes Objekt ; während die Philosophie Gott zugleich | als höchsten Erklärungs-Grund aller Dinge betrachtet, und daher die Idee Gottes auch über andere Gegenstände verbreitet. Hier ist nun die gewöhnliche Frage : 1) wenn die Philosophie Gott zu ihrem Grunde macht, wie gelangen wir zur Erkenntnis Gottes oder des Absoluten ? Auf diese Frage giebt es eigentlich keine Antwort. Die Existenz des Unbedingten kann nicht erwiesen werden, wie die des Bedingten. Das Unbedingte ist das Element, worinn allein eine Demonstration möglich ist. | So wie der Geometer, wenn er seine Sätze zu beweisen beginnt, nicht zuerst das Daseÿn eines Raumes beweißt, sondern ihn nur voraussetzet ; eben so beweißt die Philosophie nicht das Daseÿn Gottes, sondern sie bekennt, daß sie ohne ein Absolutes oder ohne Gott gar nicht vorhanden wäre. Alles läßt sich nur darstellen im Absoluten ; das Unbedingte geht darum auch nicht vor dem Daseÿn der Philosophie her, sondern die ganze Philosophie beschäftiget | sich mit diesem Daseÿn. Die ganze Philosophie ist eigentlich der fortgehende Beweis des Absoluten, der daher nicht im Anfang derselben gefor
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dert werden darf. Wenn da das Universum nichts anderes seÿn kann, als Manifestation des Absoluten, Philosophie aber wieder nichts anderes als geistige Darstellung des Universums, so ist auch die ganze Philosophie nur Manifestation d. h. fortgehende Erweisung Gottes. Aber nun 2.) wie kann der Mensch, dieses endliche beschränkte | Wesen das Absolute begreifen ? Wer diesen Zweifel aufwirft, scheint vorauszusezen, es bestehe der Mensch blos in dem endlichen Daseÿn seines Wesens. Allein in dem Menschen ist ein gedoppeltes Organ, eines für diese, aber auch eines für eine unendliche Welt.4 Wenn Gott absolute Identität des Realen und Idealen ist, so ist er auch im Menschen Erkennendes und Erkanntes zugleich. Es ist die göttliche Idee, die in dem Menschen selbst | sich darstellt. Der Zweifler Sextus Empiricus hat, – dem Empedocles folgend, – hier ein wahres Wort gesprochen ; Gleiches, sagt er – kann nur von Gleichem erkannt werden. Der Mensch begreift mit dem Gott in sich den Gott ausser sich.5 Man kann Gott nicht erkennen, ausser durch ein göttliches Prinzip. | Von dem Zusammenhang der Idee des Absoluten mit der Identität des Idealen und Realen. Ein Daseÿn, welches nicht für sich selbst ist (sich selbst faßt und erkennt) ist unvollkommener, als ein Daseÿn, das für sich selbst ist. – Gott als das Absolute, ist das allerlebendigste und vollkommenste Wesen, welches daher auch auf die vollkommenste Weise für sich selbst da seÿn muß. Daher muß das Daseÿn und die Position dieses Seÿn’s in | Gott, auf absolute Weise, Eines seÿn. Betrachten wir nun den Gegensaz im Menschen. Der Mensch ist nicht blos da, sondern er hat auch Bewußtsein, oder Erkenntniß, des Seÿns. In ihm ist aber Seÿn und Erkenntnis des Seÿns nicht auf absolute Weise Eins. In dem Seÿn ist mehr, als er erkennt ; umgekehrt aequivalirt sein Seÿn nicht immer seiner Erkenntnis, oder seinem Denken. Einen Beleg zu lezterm geben die Menschen, die sich mehr zu seÿn dünken, als sie | wircklich
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sind. Hingegen in Gott ist kein Seÿn, dessen er nicht vollständig bewußt wäre, und hinwiederum ist nichts in dem göttlichen Denken enthalten, was nicht auch unmittelbar im Seÿn ausgedrükt wäre. Gott ist (nach der alten Definition) ein Wesen von sich selbst, Ens a se. d. i. das Seÿn und die Position des Seÿns ist einerleÿ in Gott ; causa sui, 〈 d. heist 〉 ist Seÿn und Position des Seÿns absolut verbunden.6 Wie sich Ideales | und Reales verhält, so verhält sich Seÿn und Position des Seÿns : Gott ist daher die Identität des Realen und Idealen, oder diese Identität ist nur in Gott realisirt.
{ II Unterredung
d. 22en Februar 1810. } Von dem Verhältnis der Natur zu Gott. Wenn alle wesentliche Realität in der Einheit des Idealen und Realen besteht, diese aber nur in Gott realisirt ist, so würde daraus folgen, daß alle Dinge | nur in Gott bestehen. Es fragt sich daher, wie können alle Dinge in Gott, wie kann das Endliche im Unendlichen begriffen seÿn ? Oder, da alle Dinge ihren nächsten Ursprung in der Natur haben : wie verhält sich die Natur zu Gott ? Voraus müssen wir bemercken, daß durch das bisherige blos der Begrif des Absoluten entwikelt wurde ; aber es ist noch nicht gegeben, als ein absolutes bedingtesa Wesen, wir müssen also zwischen dem | Begrif des Urwesens und demselben, als lebendigen aktuellen Wesen, unterscheiden. Wir haben jezt erkannt, das Absolute als Subjekt, nun sollen wir es auch erkennen als Objekt. Das Absolute soll seine Einheit auch in seiner Existenz ausdrücken. Die Darstellung des Innern im Aeussern ist Offenbahrung des Absoluten. Wie diese Offenbahrung möglich seÿe, dies soll jezt gezeigt werden. a
bedingtes ] mglw. falsch anstatt : unbedingtes
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Das Absolute ist eine Einheit, | in der als Wesen noch nichts erkannt, und unterschieden werden kann, aber in dem Urwesen sind widerstreitende Prinzipien : so gewiß dies ist, eben so gewiß ist auch in jenem ein Willen zur Offenbahrung.7 Wie kömmt nun das Wesen zum Willen sich zu offenbahren ? Dieser Wille ist die Existenz selbst : in dem Begrif der Existenz liegt auch ein Wille zur Offenbahrung. Fragt man nach der Möglichkeit der leztern ; so muß vorausgesezt werden, daß überall keine Offenbahrung | eines Prinzips, als durch und in seinem Gegensaz möglich ist ; So z. B. das Wesen der menschlichen Natur enthält Nothwendiges und Freÿes als entgegengesezte Prinzipien. Die große Aufgabe ist, aus diesem Widerstreit einen Einklang hervorzurufen. Käme es nie zum Wiederstreit, so hätte die Harmonie keinen Stoff, worinn sie sich zeigen könnte. Die Schönheit der menschlichen Seele bestehet aber darinen, Nothwendigkeit und Freiheit zu vereinigen, und kann sich also blos im Widerstreit beÿder Prinzipien bewähren. | Die Einheit wird nur in der Zwietracht, die Liebe im Haß, die Harmonie der Musik nur durch Disharmonie offenbar. Jede Einheit muß sich also entzweÿen, um sich zu offenbahren. Zweÿheit muß daher eben so ursprünglich seÿn, als Einheit. Diese bestimmt das Wesen, so wie der Gegensaz die Existenz. Wenden wir dieses auf Gott oder das Absolute an, so liegt die Möglichkeit seiner Offenbahrung in dem Gegensaz der Prinzipien, der sich in ihm befindet. Der Akt, wodurch die Einheit in Gott in Zweÿheit übergeht, man mag dies | Selbst-Differenzierung, Subjekt-Objektivierung, oder wie man sonst will, nennen, wird öfters als Aufhebung der Identität, als Heraustretten aus sich selbst angesehen ; was aber ungegründet ist. Ein Beispiel vom Menschen mag dies klar machen. Wir alle erinnern uns, in einem Zustand gewesen zu seÿn, in dem wir blos implicite enthalten waren, wir sind herausgetreten, durch Entzweÿung, als zuerst in unserm Bewußtseÿn Licht und Finsternis, rationales und idealesa, gutes und böses sich schieden, aber wir bleiben a ideales ]
vgl. SW : irrationales (S. 8, Z. 3 v. u.)
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doch | Eins und Zweÿ. Vorher besassen wir uns nur in einer Gestalt, jezt in einer gedoppelten. Setzen wir A. = A., so ist dies der Zustand des in sich verschlungenen Seÿns vor aller Offenbahrung. Auch in diesem A. = A. haben wir schon dreÿerleÿ zu bemercken : a.) A. als Objekt, b.) A. als Subjekt, c.) die Identität beÿder ; aber dieses alles reell-ununterscheidbar. Nun soll die Differenz der Prinzipien gesezt werden ; also da A. als Subjekt, | und A. als Objekt unterscheidbar sind, verwandelt sich A. = A. in A. = B. Da aber gleichwohl die Einheit des Wesens besteht, so ist statt A. = A. der Ausdruck A. = B. Das obere A. ist in dem untern A. und in B. enthalten : so wird also das A. erst durch den Gegensaz zu einem lebendigen, existirenden Wesen. Es fragt sich jezt, wie ist die Scheidung der Prinzipien im Absoluten, so daß dieses das Absolute bleibe, möglich ? Wird denn nicht durch die Scheidung das Absolute Banda des Realen | und Idealen aufgelößt ? Wir antworten : Dies würde alsdann nicht der Fall seÿn, wenn das Urwesen in Jedem der Geschiedenen das Ganze bliebe, d. h. sich als Ganzes in zweÿ sezte, so also, daß unter B. wieder B. d. h. Reales, A. d. h. Geistiges und die Einheit Beÿder begriffen wäre. Eben so unter A. Aber wäre dann nun hiemit bereits eine reelle Verschiedenheit gesezt ? Keineswegs ! – A. In der Formel heiße das obere A. das Wesen an sich. Da A. = A. aber diese nehmliche Identität auch die Copula in A. = A. (der Form) ist ; so | hiesse die Identität, so fern sie in der Form Verbindung b ist, das Wesen in der Form. Wir haben also – 1.) Wesen an sich, 2.) Wesen in der Form –. Aber das Wesen in der Form, solange diese nehmlich A. = A. ist, (die Prinzipien nicht Differenzirt sind) ist identisch mit dem Wesen an sich und a
das Absolute Band ] Georgii korr. aus : des Absoluten das Band vgl. SW : lebendig (S. 9, Z. 1 v. u.)
b Verbindung ]
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von ihm nicht unterscheidbar. Nun sollte Unterscheidbarkeit gesezt werden, durch die Differenzierung der Form in zweÿ untergeordneten Formen ; auf folgende Art : |
A. = Wesen an sich A. = A. = Wesen in der absoluten Form.
A. A. = B.
A.
A. A. = B.
B.
Da aber in jeder dieser Formen wieder dasselbe Band liegt, was in der absoluten Form vorhanden ist, so löst sich jede von beÿden wieder in das Wesen der absoluten Form, und durch diese in das Wesen an sich auf. Wir sind also wieder, wo wir zuvor waren. Wir haben jezt statt der einfachen Faktoren A. und B. die zweÿ | Einheiten, d. h. wir haben nuna eine höher entwikelte Einheit, aber keine Differenz. Dennoch aber ist diese Verwandlung der absoluten Form in 2 untergeordnete Formen, oder – was dasselbe ist – diese vollkommene Einbildung des ganzen Urwesens in’s Reale und in’s Ideale der nothwendige Weg zur endlichen wircklichen Differenziirung. Bei genauer Beobachtung findet sich nehmlich, daß zwischen den beÿden Einheiten doch eine wirckliche, wenn auch noch nicht als wircklich gesezte | Differenz obwaltet. Die reale Einheit (die unter dem Exponenten von B) verhält sich als Seÿn, die ideale (die unter dem Exponenten von A) als Position des Seÿns. Nun ist aber das Seÿn für sich, auch schon Position, also ist die Position des Seÿns eine Position der Position, d. h. eine Position in der zweÿten Potenz. Hier entsteht uns also zuerst der für das Ganze höchst wichtige Begriff von Potenzen. Wir haben zuerst ein höheres und ein niederes – einen Unterschied der | Dignitaet. Das Ideale ist der Dignität nach höher als das Reale. – In der Formel ausgedrückt, würde sich dieses so darstellen ;
a nun ]
vgl. SW : nur (S. 10, Z. 19 v. u.)
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a.) B. das Seÿn kann nicht für sich seÿn ; kraft des unaufloß lichen Bandes kann nie A. oder B. für sich existiren ; Das reale Seÿn – ist also immer nur A. in B. oder unter dem Exponenten von B. Wir drücken dies auch durch A = B = erster Potenz aus b.) A. kann auch nicht für sich seÿn, sondern muß als Position der ersten Potenz diese Idealea in sich enthalten. –. | es ist also A.2 = zweÿter Potenz. beide Einheiten oder Potenzen sind wieder Eins in der absoluten Einheit ; diese – also als gemeinschaftliche Position der ersten und der zweÿten Potenz, ist A.3 und der vollkommen entwikelte Ausdruck des anfänglichen A = A. Daher A.3 A.2 = (A. =B) Hiemit ist nun aber zugleich noch mehr gegeben als bloser Dignitaets-Unterschied. Die 1ste Potenz muß ihrer Natur nach der 2en vorangehen. | Zwischen den beeden Potenzen ist also eine Prioritaet und Posterioritaet. Das Reale ist Natura prius, das Ideale posterius. Das Niederere wird freÿlich dadurch vor dem Höheren gesezt, aber nicht der Dignitaet nach, was freÿlich einen Widerspruch enthalten würde, sondern der Existenz nach. Indess ist auch die jezt entwikelte Priorität der ersten Potenz nur noch eineb Priorität des Realen vor dem Idealen, aber noch nicht eine wirckliche. Wir haben blos gezeigt, daß, und wie eine Differenziirung möglich seÿe : aber wie gelangen Wir nun zur | Würcklichkeit derselben ? Der Grund der Wirklichkeit kann nur im Absoluten selbst liegen. – . Dieses hat den Willen, sich zu offenbahren ; folglich muß es auch die Mittel dazu wollen. Qui vult finem debet etiam habere media.8 Ohne Entzweÿung ist keine Offenbahrung möglich : a
Ideale ] vgl. SW : idealiter (S. 11, Z. 7) vgl. SW : eine ideale oder logische (S. 11, Z. 14 v. u.)
b eine ]
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folglich giebt der Wille, sich zu offenbahren, der Entzweÿung die Realitaet, und muß ihr dieselbe geben. | Von der Selbst-Beschranckung Gottes. Der erste Schritt des Absoluten zur Selbst-Offenbahrung besteht darinn, daß es jene blos ideale oder logische Prioritaet in eine wirckliche verwandelt. – freÿwillig die Simultaneität der Potenzen aufhebt, so wie sie ursprünglich in ihm ist. Diese Aufhebung der Simultaneität kann aber nie Aufhebung der innern Einheit seÿn, dann ist gleich das Ideale vor dem Realena gesezt ; so ist weder die innere Einheit noch das absolute Band dadurch aufge | hoben. – Die innere (wesentliche) Einheit nicht ; weil diese nicht auf Simultaneität beruht. – Das Band der Potenzen nicht, weil so, wie nun die erste Potenz gesezt ist, unmittelbar auch die zweÿte und sodann die 3te gesezt werden muß. Wann die Prioritaet der ersten Potenz eine wirckliche wird, so wird die Identität der Potenzen im Absoluten nicht aufgehoben, sondern nur in eine Verkettung oder Cohaerenz derselben verwandelt. Zuerst liegen alle Potenzen in Gott implicite, auch die | ganze Zeit liegt eingewikelt oder als Einheit in ihm. Soll das Absolute in Offenbahrung übergehen, so muß es sich auf die erste Potenz zurückziehen, wodurch hienächst eine Beschränckung in ihm gesezt wird. Da aber diese seinem Wesen widerspricht, indem es seiner Natur nach alle Potenzen ist, so entsteht ein fortschreiten von der ersten Potenz zur 2ten und damit eine Zeit. Hieraus ergeben sich dreÿ Perioden der Selbstoffenbahrung Gottes. | Die erste Periode ist, wenn das Absolute sich auf das Reale A beschränckt oder zurückzieht A. in B. oder . B
das Ideale vor dem Realen ] mglw. falsch anstatt : das Reale vor dem Idealen a
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Die 2te Periode ist, wenn das Absolute vom Realen in’s Ideale übergeht. B. in A. oder A 2 = die dritte Periode, a wenn alle Differenz wieder aufgehoben wird. A 3. Diese Selbst-Einschränckung des Absoluten scheint des Urwesens unwürdig zu seÿn. Wir halten ein Eingeschränckt werden für eine Unvollkommenheit ; allerdings ist es dies, sobald es mit | Passivitaet verbunden ist, wenn die Beschränckung von aussenher kommt ; Aber sich selbst einschräncken, und dies mit Freÿheit, in einem Punckt, bis er zu einer Welt expandirt ist – dies ist die höchste Vollkommenheit. Finden wir doch bei uns selbst eine passende Analogie. Wer grosses will, sagt Göthe \ muß sich zusammen raffen, \ In der Beschränckung zeigt \ sich erst der Meister.
Wenn wir irgend etwas bedeutendes hervorbringen wollen, so sammeln wir | uns zuvor ; d. i. wir Ziehen uns zusammen, wir schräncken uns ein, und erst aus dieser Beschränckung des Geistes, gehen seine herrlichsten Produkte hervor. Indem sich Gott so in’s Reale kontrahiert, so ist dieser Anfang der Schöpfung eine Herablassung Gottes ; sie ist eine Wirkung der göttlichen Entäusserung, dies ist die Menschwerdung, die erste Incarnation Gottes.9 Alles Leben hat seine Perioden ; Contraktion ist überall der Anfang aller Realitaet : jedes Ding fängt vom Kleinen an, und schreitet zum Grosen fort. Gleiches Gesez hat auch das Leben | in Gott : sein Wesen geht nur dadurch in Existenz über, daß er sich contrahirt. Von Nothwendigkeit und Freÿheit. Die Einschränkung Gottes ist freÿwillig, denn er selbst ist es, der sich einschränckt. Nur das Absolute kann sich selbst so beschränken, nur es kann die Identität der Potenzen in eine Vera B.
in A. oder A 2 = die dritte Periode, ] vgl. SW S. 11
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kettung, die Simultaneität in eine Succession verwandeln – das Urwesen muß also Freÿheit haben. Es kann kein necessitirtes Wesen seÿn. | Aber jede Handlung, die aus absoluter Freÿheit kommt, hat wieder etwas Nothwendiges in sich, denn von einer absolut freÿen Handlung läßt sich durchaus kein Grund angeben, sie ist, weil sie so ist, sie ist absolut, schlechthin, und darum nothwendig – Um daher den ächten Begriff von Freÿheit aufzufassen, müssen wir uns von den unrichtigen Begriffen losmachen. – Es sind ihrer vorzüglich zweÿ, die entfernt werden müssen. 1.) Das Aequilibrium arbitrii,10 dem auch Kant zugethan war. Die Anhänger dieses Gleichgewichts sehen nur die | Freÿheit, wo eine Unentschiedenheit voran gieng. Dem Aequilibristen zu Folge läge der Grund der Entschliesung nicht nur nicht in dem Übergewicht der Motive, was etwa eine äussere Nöthigung genennt werden könnte, sondern wenn sie konsequent seÿn wollen, nicht einmal in der eigensten, und inneren Natur und Beschaffenheit des Wollenden, und sich entschliessenden Wesens. Aber gerade jenes Wählen ist eher Beweis mangelnder als vollkommener Freÿheit. Wer wahrhaftig will, der wählt nicht – wer wählt, der weiß nicht, was er will, und will | daher auch nicht. Alles wählen ist die Folge eines unerleuchteten Willens. Wer in der Tugend, oder Laster es bis zur virtuositaet gebracht hat, wählt nicht mehr. Geben wir nur auf uns selbst acht, auf welche Gattung von Menschen sich unsere Achtung hinlenkt, es sind gewiß nicht die Unentschlossenen oder viel mehr die nach langem Wählen sich erst entschliessenden. – Herkules der auf dem Scheidewege steht, und sich da besinnt, ob er sich für Tugend oder für Laster bestimmen wolle ?11 ist für | uns kein Muster, das der Nachahmung würdig wäre. Unentschiedenheit ist Gott am meisten verhaßt. »Ach daß du kalt oder warm \ wärest : weil du aber lau bist \ will ich dich ausspeÿen aus \ meinem Munde.«12
2.) Der zweÿte, noch schlechtere Abweg der Freÿheits Vertheidiger ist die blinde Willkühr,13 die ganz verstandlos, ganz und
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gar unabhängig von vernünftigen Vorstellungen, und vernünftig vorgestellten Beweg | g ründen, mithin im höchsten Grade unnothwendig, – also auch nicht Freÿheit ist, weil in der Freÿheit etwas seiner Natur nach absolutes d. h. zugleich nothwendiges liegen muß. Aber alle Handlungen, die im wahren Sinne freÿ sind, tragen das Gepräge der Nothwendigkeit. So also in Gott. Würde er blos ex ratione boni handeln ; so wäre dies der allergeringste Grad der Freÿheit : dann läge der | Grund, warum er so handelt, nicht in ihm selbst, sondern in der Beschaffenheit des Guten. Daher ist die Leibnizische Wahl der Besten Welt oder der Optimismus Gottes nicht würdig. Über Zeit und Ewigkeit. Zuvor liegen alle Potenzen in Gott implicite, und auch die Zeit. Durch die Selbsteinschränckung Gottes wird nuna ein Anfang der Zeit, aber nicht ein Anfang in der Zeit | gesezt. Gott selbst ist darum nicht in die Zeit gesezt. Die Zeit ist in dem Realen gesezt. nun ist das Reale nicht Gott selbst, obgleich unabtrennlich mit ihm verbunden : denn das Reale in Gott, ist das Seÿn, oder die Existenz, und das Ideale ist das wircklich existierende, das worinn Reales und Ideales Eins sind, der wircklich existierende lebendige Gott. Die Zeit ist in dem Realen (dem Seÿn Gottes) gesezt, Aber er | selbst im Ganzen ist doch auch nicht in der Zeit. Nur das einzelne Eingeschränckte in Ihm schreitet fort, und entwikelt sich. Aber so wäre doch diese Zeit im Realen für Gott selbst gesezt ? Gott also doch mit der Zeit gleichsam bemengt ? Antwort : Indem die Differenz im Realen – und damit Zeit – gesezt ist, ist in Gott auch wieder die Position dieser Differenz = A 2 gesezt, in welchem das alles | zumahl und auf ewige Weise enthalten ist, was in dem A. = B. auf zeitliche Weise sich entwikelt.
a nun ]
vgl. SW : nur (S. 13, Z. 3 v. u.)
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Da nun wieder in Gott absolut betrachtet, d. h. in Gott, so fern er weder blose Existenz (Reales) noch blos Existirendes (Subject) ist, also in Gott als A 3. A.2 und (A. = B) in beständiger Verknüpfung sind, so löst sich auch A = B. in ihm als Subjekt (A 2) oder in seinem Bewußtseÿn unmittelbar wieder wie 3 ina Ewigkeit seines | Wesens auf. A 2 . (Gott als Subject) ist der BrennPunkt oder die Einheit der Zeit. A 3. oder Gott absolut betrachtet ist nicht Ewigkeit, und nicht Zeit, sondern absolute Identität von Ewigkeit und Zeit. Alles was in der Zeit ist, ist in ihm, als Subject ewig, und alles was in ihm als Subject ewig ist, ist in ihm als Objekt zeitlich. Frage : 1) Ist jener Akt der Selbstdifferenziirung in der Zeit ? ist er vor einer unendlichen, oder vor einer bestimmten Zeit erfolgt ? Antwort : Keines von Beÿden. | Er ist überall nicht in der Zeit, ist über alle Zeit, ist seiner Natur nach ewig. Frage. 2. hat das Universum einen Anfang oder keinen ? Antw. Es hat einen Anfang (weil es abhängig ist) aber nicht einen Anfang in der Zeit. Alle Zeit ist in ihm, ausser ihm keine. Eigentlich hat jedes Ding (nicht nur das Universum) die Zeit in sich selbst. Es giebt keine äussere, allgemeine Zeit ; alle Zeit ist subjectiv, d. h. eine innere, die jedes Ding in sich selbst hat, nicht ausser sich. Weil aber jedes | einzelne Ding andere Dinge vor und ausser sich hat ; so kann alsdann seine Zeit mit der Zeit anderer Dinge verglichen werden, da es doch eigentlich nur eine eigene subjective Zeit hat. Dadurch entsteht dann das Absolutumb : Zeit – nehmlich auch durch Vergleichung, Messung. An sich allein gibt es keine Zeit. Das Reale in der Zeit sind blos verschiedene Einschränckungen, durch welche ein Wesen geht. Wir können daher philosophisch eigentlich nur sagen : ein Ding ist durch diese und diese Einschränckungen gegangen, | aber nicht, es hat so und solange gelebt. Diese Bestimmung von so und a wie
3 in ] vgl. SW : in die (S. 14, Z. 19) vgl. SW : Abstraktum (S. 15, Z. 4)
b Absolutum ]
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so lang, kann nur aus Vergleichung entstehen ; Wenn ich aber ein Wesen in Vergleichung betrachte, so betrachte ich es nicht an sich selbst d. h. nicht philosophisch. Beÿ’m Universum fällt nun vollends alle Möglichkeit einer solchen Täuschung hinweg, weil alle Dinge in ihm, keines außer ihm ist, weil es also auch nicht nach der Zeit eines Dings, das vor oder ausser ihm wäre, gemessen werden kann. | Fortsezung der Unterredungen. Den 16en Julius 1810. Wenn in den folgenden Unterredungen das wesentlichste der Schellingschen Philosophie so gut, als die beschränckte Zeit es gestattet, dargestellt werden soll ; so wird es am füglichsten so geschehen können, daß I., Das Verhältnis der Natur zu Gott, oder die Schöpfung ; sodann II., Die Beschaffenheit der Natur, und III, Der Geisterwelt, entwikelt wird. I., Um das Verhältnis der Natur zu Gott richtig zu fassen müssen | 1.) Die in dem Urwessen vorhandene zweÿ Principien als einander reell entgegengesezte und widerstreitende 2.) das Eine dieser Principien als ein Höheres, das Andere als ein Niederes betrachtet, und 3.) aus diesem Beisammenseÿn und Antagonism die Schöpfung der Welt erklärt werden. Anmerckung. Ein passendes Beÿspiel giebt die Bewegung der Welt-Körper, die auf der Centripetal und Centrifugal Kraft beruhet, zweÿ Kräfte von denen der ganze Gang der Welt Maschiene abhängt, ob sie gleich nie für sich eins, sondern stets | auf’s bestimteste einander entgegengesezt sind. Die bisher herrschende Philosophie, oder die gewöhnliche Vernunft-Religion sieht das Absolute als ein gleich von Anfang fertiges, als etwas isolirtes und von allem andern, was ist, getrenntes an. Wir unterscheiden den ursprünglichen Zustand
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desselben von dem, den wir nachher finden, wo nicht der Zeit, doch dem Begriff nacha. Den ursprünglichen Zustand stellen wir uns als einen Stand der Gleichgültigkeit und Unentschiedenheit und Unbewußtheit in Gott vor. Wir sind genöthigt | einen solchen Zustand anzunehmen, weil uns sonst keine lebendige Persöhnlichkeit Gottes begreiflich seÿn würde. Wir nehmen eine Persöhnlichkeit in Gott an, aber den Anfang vermögen wir damit nicht zu machen. Gott theilt gleichsam das Schicksal des Menschen : Der Mensch beginnt mit einem Zustand des stillen Sinnens über sich selbst ; von da geht er erst zum Selbstbewußtsein über, durch welches er ein Höheres und Niederes in sich erkennt, und beede einander entgegensezt. Gerade so verhält es sich mit Gott. Zuerst oder im noch unbewußten | Zustand hat Gott die beide Prinzipien zwar in sich, aber ohne sich als das eine oder andere zu setzen, d. h. sich in dem einen oder dem andern zu erkennen. Der Akt der Selbst-Erkennung aber besteht hiernach in der Erkennung der Zweiheit ; denn diese ist es, die sich in seinem Selbst Bewußtseÿn kennt. Das Absolute kann sich aber nicht in der Zweiheit erkennen, ohne zugleich ein Höheres und Niederes zu erkennen, es kann sich nicht als Object sezen, ohne zugleich sich als Subject zu sezen ; sich nicht als Reales contrahiren, ohne sich als Ideales zu expandiren ; beÿdes ist absolut zugleich ; daher ist | Selbsterkennung zugleich eine Scheidung. Das Höhere sucht sich vom Niedern zu befreÿen, sucht lezteres wegzubringen ; Gott schließt den geringern Theil von sich aus, aber um das Ausgeschlossene wieder zu sich zu erheben. In diesem Ausschliessen und wieder zu sich erheben, bestehet der Akt der Schopfung. Das Ausgeschlossene soll dem Absoluten wieder ähnlich werden ; Schöpfung besteht daher in dem Hervorrufen des Höheren (eigentlich Göttlichen) Aehnlichen in dem Ausgeschlossenen.
a
wo nicht … Begriff nach ] Georgii (vgl. oben S. VIII)
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Es ist allerdings für die gewöhnliche abstrakte BetrachtungsArt auffallend, daß Gott mit dem Höheren zugleich ein | Niederes seÿn soll. Wer sich Gott als eine leere Identität denckt, kann dies nicht begreifen, der Beweis der Nothwendigkeit dieser Annahme liegt in dem allgemeinen Grundsaz des Gegensazes. Um ein Beispiel aus der Natur zu nehmen, so erscheint in dem thierischen Leben jener Gegensaz im Hirn und Herzen ; Der reinste Wein erzeugt wieder seine Heffe, der beste Essig erfordert seine Mutter p.14 So verhält es sich mit allem Leben in der Natur : eben so mit dem Urwesen, in sofern in ihm der Keim zur Persöhnlichkeit und Lebendigkeit liegen soll. | Um uns aber dieses Zugleichsein eines Hoeheren und Niede ren in Gott noch näher zu bringen, dient folgendes : das Reale (relativ untergeordnete) in Gott ist das Seÿn, das Ideale das Seÿende. Lezteres ist Gott selbst, Gott im eminenten Sinn, das Seÿn ist das Niedere, das Seÿende das Höhere. Seÿn ist nur das Praedicat vom Seÿenden, und also nur um des Seÿenden Willen : Lezteres ist um sein selbst Willen. In Gott ist Essenz und Existenz nicht das nehmliche, wie Spinoza unter andern sagt.15 Nehmen wir uns selbst wieder zum Beispiel : Unser Seÿn ist nur Mittel, (Werkzeug) für uns selbst. Der höchste moralische Akt | im Menschen besteht darinn, daß er sich über sein Seÿn erhebe, sich von ihm unabhängig mache und befreÿe ; nur der befangene abhängige Mensch versteht die grosse Kunst des Erhabenen über sein Seÿn nicht. So ist überhaupt das Seÿn im Verhältnis gegen das Seÿende das Organ des Leztern. So erhebt sich auch Gott, indem er schaft, über sich selbst. Ein zweÿter aus dem ersten folgender Ausdruck des Verhält nises beider Prinzipien ist, daß sie sich wie Seÿendes und Nicht seÿendes verhalten. Eben das Wesen des Nichtseÿenden zu erforschen, – darinn liegt eigentlich das | Schwehre, das Kreuz aller Philosophie. Wir greifen ewig darnach und vermögen nicht, es festzuhalten. Dies ist der in allen philosophischen Sÿstemen unentwikelt
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gebliebene Begriff der Existenz, welche zu definiren, man sich bisher vergebens bemühete. Das wahre hievon ist, daß die Existenz eben das unauflösliche selber ist, was ewig im Grunde bleibt, nie sich ganz im dencken aufheben, und verflüchtigen läßt (das dem Denken Activ wiederstrebende)16 Es klingt daher Paradox, und ist doch wahr, daß das Seÿn und Nicht-Seÿende Eines seÿen ; aus Mißverstand dieses | Begriffs ist die Vorstellung einer Schöpfung aus Nichts entstanden. Das oὐκ ὄν der Griechen ist so wenig als die μὴ ϕαινόμενα des Neuen Testaments ein Nichts, es ist nur das nicht-subjective – NichtSeÿende ; aber eben darum das Seÿn selber. Nun aber begehen wir doch selbst, wie es scheint, einen handgreiflichen Widerspruch, indem wir ein Nichtseÿendes annehmen, als doch vorhanden, und in sofern als seÿend. Wir bemercken vorläufig, daß dieser Widerspruch nicht nur hier – auf dem höchsten Gebiet der Speculation, – sondern im alltäglichsten Leben beständig begangen wird ; wie dieses schon im Plato im Sophisten17 | unübertrefflich gezeigt worden ist. Einige Beÿspiele ! Was ist die Kranckheit ? Ein Zustand wider die Natur. In sofern also ein Zustand, der nicht seÿn könnte, und doch ist ! Können wir behaupten, daß die Kranckheit nichts seÿe, während sie uns ihre Realitaet auf eine so fürchterliche Art ankündigt. Der Irrthum ist eine nicht seÿende Erkenntnis. Kaum koennen wir ihn für möglich halten, und doch ist er wircklich. In ihm ist ein Wesen, ob es gleich ein falsches Wesen ist. Das böse ist in der moralischen Welt, was die Kranckheit in der körperlichen ist, | Es ist das entschiedendste Nicht Wesen von einer Seite betrachtet, und hat doch eine so schreckliche Realitaet. Um nun zu erklären, wie das Nicht-Seÿende doch ein reelles seÿn könne, müssen wir erwägen, daß es kein absolutes, sondern nur ein relatives Nichtseÿendes giebt.
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So erscheint die Materie erst als etwas an sich seÿendes, aber in Beziehung auf Organismus wird sie ein Nicht Seÿendes. In dem Stein z. B. ist die Materie, aus der er besteht, so lang er Stein ist und bleibt etwas wesentliches, aber sobald die Materie organisch wird, dann ist das Materielle das | Zufällige, und die Form das Wesentliche. Wer wollte die Theile des thierischen Körpers für etwas wesentliches halten, erneuern sie sich nicht von Zeit zu Zeit, gehen sie nicht ab und zu ? Nur der körperliche Organismus, seiner Form, nach, macht daher das beharrliche Wesentliche aus, alle materiellen Theile sind blos zufällig. So wie daher die Materie in einer höheren Potenz die Substantialitaet verliehrt, gerade so verhält es sich mit dem Nicht-Seÿenden, das in anderer Beziehung wieder ein Seÿendes seÿn kann. Auch die Kranckheit enthält ein Seÿendes, aber ein unter geordnetes, also | relativ-Nichtseÿendes. Die subordinirte Thätigkeit tritt heraus, und will, einem Rebellen gleich, herrschen, während diese Ehre nur dem spiritus rector18 gebührt. Das Böse, das relativ-Nichtseÿende, will etwas seÿn, will thätig werden, an einer Stelle, wo es unthätig seÿn sollte. Es tritt heraus aus dem Mittelpunckt, wird excentrisch, und bekommt dadurch die Form, die es zum Bösen macht. Um noch durch andere Ausdrücke das Verhältnis der Beiden Prinzipien zu erläutern, so können wir das Seÿende und NichtSeÿende auch charakterisiren, als | Bewußtes und Bewußtloses. Jenes ist das Ideale, dieses das reale. Der Künstler, der Dichter, bringt das Bewußtseÿn mit dem Bewußtlosen in Gegensaz. Jeder Innere Schöpfungs Akt besteht darinn, daß das Bewußtsein aus dem Bewußtlosen etwas sich ähnliches emporhebt. In Gott ist die Materie das Bewußtlose : Schöpfung ist Erhöhung des Bewußtlosen ins Bewußtseÿn. Darum stand die Schöpfung im Menschen still : weil unter allem Geschaffenen das wir kennen, in ihm das Bewußtlose auf’s vollkommenste in’s bewußte übergieng. | Im ersten Akt der Schöpfung, der Scheidung, wird
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das Bewußtlose ausgeschlossen. Aber diese Ausschliessung geschieht nur wegen seiner Wieder-Aufnahme und Erhebung ins Bewußte. Noch eine andere Analogie zu Erklärung des Seÿenden und Nicht-Seÿenden, giebt uns die phÿsische Natur durch Licht und Dunkel. Indem wir uns so zum Theil phÿsischer Ausdrücke bedienen, sezen wir eben damit die Identität des Phÿsischen und Geistigen voraus. Wie könnte das Geistige durch das Phÿsische so allgemein bezeichnet werden, wenn nicht zwischen beeden Identität vorhanden wäre. – Schon das deutsche Wort »begreifen« erweißt ja, daß | der Geist mit den Ideen das nehmliche thut, was die Hand mit dem, was sie betaßtet. So ist es also auch mit Licht und Dunkel, das mit den ersten Methaphÿsischen Begriffen eine so fühlbare Analogie hat. Licht ist das Seÿende, das Dunkel ist das Nicht-Seÿende. Aber lezteres ist darum nicht eine blose Beraubung, sondern positiver Gegensaz des Lichts, wie das Seÿn positiver Gegensaz des Denkens, aktive Dunkelheit ist. Wäre in der Natur das blose seÿn, so wäre in der Natur die äusserste Verschlossenheit der Dinge ohne alles Dencken. Auch der Mensch hat in sich die Kraft der | Contraction : einem höchst verschlossenen Menschen schreiben wir ein dunkles Gemüth zu. So ist also das Seÿende gleich dem Licht, das NichtSeÿende gleich dem Dunkel. Durch die Theorie der 2 Prinzipien, die in Gott Eins sind, meiden wir zweÿ Abwege, auf die man sich gewöhnlich in der Lehre von Gott verirrt. Nach der Ansicht der herrschenden Philosophie ist Gott ein einzelnes, abgeschnittenes, von jedem andern völlig geschiedenes Wesen. Nach einer andern Ansicht wird Gott aufgelößt in die blose allgemeine Substanz der Dinge ohne eigene Individualitaet. | Wäre die erste Ansicht wahr, so wäre für die Creatur kein Raum : wäre es leztere, so fehlte es an einem persöhnlichen Gott. Allein Beede Ansichten müssen verbunden werden. Gott ist das Wesen aller Wesen, um dieses seÿn zu koennen, muß er einen Halt haben ; das Individuelle ist die Basis des Allgemeinen in Gott.
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Wie kann das nun seÿn ? Antw. In Gott sind zweÿ Urkräfte. Die eine Kraft ist die Kraft seiner Individualität, seine Selbstheit, sein Egoismus. Die zweÿte Urkraft ist die Liebe in Gott, Egoismus und | Liebe müssen beisammen seÿn, ohne jene würde diese zerfliesen, würde keinen Halt haben. Daher ist der göttliche Egoismus das, worauf die Liebe aufgetragen ist, daher ist in Gott Liebe und Zorn zugleich. Wäre in Gott blos der Egoismus wircksam, so würde keine Creatur existieren können, durch jene würde er ein verzehrendes Feuer, weil er sich auf unendliche Art sezt. Die Liebe schränckt ihn ein, damit eine Creatur möglich werden könne. Die Schöpfung ist die Überwindung des göttlichen Egoismus durch die göttliche Liebe. Würde blos der Egoismus würken, so wäre es, wie wenn blos die | contractive Kraft in der Natur würckte, gerade dadurch daß zweÿ Prinzipien durch einander würcken, entsteht etwas. Aus diesem Begriff folgt, daß wenn das Reale die Kraft ist, die auf Gott selber geht, sie der ganze Gott ist, nehmlich in Beziehung auf die Selbstheit und unter ihrer Form. Die Egoität ist der Deus implicitus. Alles liegt in der göttlichen Individualität involvirt. Ideal ist Gott in seiner Actualitaet. Dadurch, daß diesera Potenz der Egoität = B. die derb Liebe = A. entgegensteht, wird jezt in dem B. selber, das, wie so oft gezeigt worden, das ganze Absolute nur im | Zustand der Involution (Verschlossenheit) enthält, der in ihr verborgene nur nicht offenbare Gegensaz – und mit dem Gegensaz zugleich das göttliche gewekt. Denn was ist das Göttliche ? Antw. Das lebendige (einen Gegensaz in sich enthaltende) Band des Idealen und Realen. A. erregt in B wieder ein A. und ruft also in B. den Gegensaz hervor. B. hat schon zum voraus alles in sich enthalten, jezt wird A gewekt, B wird polarisirt, oder Differenzirt, in A. und B, so, a dieser ] b die
Hs : diese ] der Hs : wie die (vgl. SW S. 24, Z. 6)
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daß das anfängliche B. jetzt selbst ein A. und ein B unter sich enthält.a | B A = B. = Natur. Hier ist also der Begriff eines göttlichen, der aus dem ungöttlichen B. entsteht. Die Natur ist ein aus dem Nicht-Seÿenden entwikeltes Göttliches, indem A. auf B. wirckt, und es nöthiget seine Contraction aufzugeben. Die Natur ist Gott in gewissem Verstand als in der Form des Nicht Seÿenden enthalten, das aus dem Nicht Seÿenden erschaffene Göttliche, das B. wird endlich wieder zur Identität mit Gott erhoben. So mithin gelangen wir zu einem | Begriff von dem Verhältnis der Natur zu Gott. Man hat diesem Sÿstem, ohne es gehörig studirt zu haben, vorgeworfen, es vergöttere die Natur. Was die Vergötterung betrift, so müssen wir diese uns gefallen lassen, wenn nicht etwa angenommen wird, B, seÿe anfanglich ein absolut Ungöttliches, das nachher vergöttert worden ; Allein es ist schon ein ursprünglich Göttliches Prinzip und nur relativ (auf das A) ein nicht Göttliches. In wie fern es aber aus dieser relativen Nicht-Göttlichkeit zum Göttlichen d. h. Seÿenden erhoben wird, | in so fern ist es Gott selbst, (nicht wir sind es, der die Natur vergöttert) Ein anderer Einwurf ist ; Gott seÿe auf diese Art identisch mit der Natur. Verstehen wir unter Natur a) Das reine B., so ist es nicht Gott, sondern nur das vom Seÿenden verschiedene Seÿn Gottes, und dieses wird nicht mit ihm vermischt. Es fragt sich also : b.) ob das A in B. göttlich seÿ ? Allerdings, und in einem höheren Verstande als B., das nur im A. erregt in B wieder ein A. … unter sich enthält. ] vgl. Brief vom 18. 7. 1810 (unten S. 147) a
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weitläufigen Sinn, göttlich heissen kann. Indess ist doch auch | das A. in dem B. von dem absoluten A. dadurch hinlänglich unterschieden, daß es nur ein in B. in dem Nicht Seÿenden gewektes und hervorgerufenes Geistiges ist. c.) Wird unter Natur nicht A noch B, sondern das ganze A = B verstanden, so muß hier zuförderst unterschieden werden, zwischen A = B. als dem aus A und B Verbundenen, und zwischen A. = B. so fern es das lebendige Band beÿder bedeutet oder sofern auf das Verbindende gesehen wird. Jenes ist die Natur als Produkt, oder die Ur-Materie, welche Geist und Körper noch absolut vereiniget, und welche mit | Gott identificirt zu haben, diesem Sÿstem wohl niemand vorwerfen kann, als wer die ersten Elemente davon nicht kennt. Sehen wir aber auf das lebendige Band, so ist dieses nicht blos göttlich, sondern Gott selbst : aber der im Nichtseÿenden, Endliche vom Seÿenden erzeugte Gott, es ist Gott als der von sich selbst erzeugte Gott. So stelt sich aus der Philosophie selbst die Christliche Idee eines Sohns Gottes dar. Die Idee eines von Gott gezeugten Gottes ist eine nothwendige Philosophische Idee. Jenes lebendige Band ist, was Plato und die Bibel den Logos nennen, das Wort | ist die Copula, also das unmittelbar Schaffende aller Dinge, das lebendige Wort ist die Verschmelzung von Selbstlautern und Mitlautern. Selbstlauter ist hier das Ideale, Mitlauter das Reale.
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{ Den 18en Jul. 1810. II. Natur Ansicht. } Verhältnis des Schellingschen Sÿstems zu andern Sÿstemen. Gegen das Cartesianische, Spinozische, Leibnizische, Französisch Materialistische, Hÿlozoistische, Kantische, Fichtische, wovon bereits oben. | ⌜ [10] Überhaupt läßt sich folgende Genealogie aller Philosophischen Sÿsteme und Parallele mit dem Schellingischen angeben, Cartesius statuirt zweÿ absolut verschiedene Substanzen, A: Ideales oder Geistige Substanz.
und
B: Reale, ausgedehnte oder materielle Substanz.
NB. Spinoza ist absoluter Antidualist. d. h. er setzt A = B. Die denkende unda ausgedehnte Substanz als Eines, er sezt Identität, – hebt aber allen Dualismus auf, | indem ihm die denkende und die ausgedehnte Substanz wirklich numerisch einerleÿ sind. Leibniz nimmt B. ganz weg, und statuirt blos A. Er hat damit zwar auch eine Identität, weil nehmlich ihm zu Folge, alles blos geistiges Wesen ist, aber er hat nur eine relative, oder einseitige – keine absolute – zweiseitige – Identität. Die Franzosen (z. B. das Sÿstème de la Nature) nehmen A. d. h. das geistige ganz hinweg ; sie haben blos B. d. h. die Materie, als ein rein äusserliches, und damit zwar auch eine Identität, die aber durch einen an allem Geistigen | begangenen Todschlag entsteht. Leibnitz statuirt wenigstens in oder unter dem A. noch ein A. und B. indem er die Realität der Körper-Welt wenigstens in so fern zugiebt, als auch in dieser Monaden sind. z. B. unsere Seele ist eine Monas – unser Leib auch –.19 Jene ist also im Ganzen zwar nur A, aber unter dem A doch noch ein A und ein B. a und ]
Hs : oder (vgl. Brief vom 18. 2. 1810-1)
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K ant, und noch entschiedener F ichte , haben vollends das B. auch unter A weggenommen. Nach Fichte kommt dem Körper, oder der Aussenwelt nicht einmal eine ideale – | sondern gar keine Existenz zu. Das Ideale ist nicht das Einemal subjectiv (in uns) das anderemal objectiv (ausser uns) sondern es ist überall nur subjectiv gesetzt. – Idealismus in seiner höchsten Steigerung, oder äussersten Einseitigkeit. Was die Grundansicht des Herrn Schellings betrift, so besteht diese in der Verknüpfung oder absoluten Identität der Einheit und des Gegensatzes Herr Schelling unterscheidet sich a.) Von Cartesius dadurch, daß er keinen absoluten Dualismus | behauptet, d. h. einen solchen, der I dentität ausschließt. b.) Von Spinoza dadurch, daß Er keine absolute Identität in dem Sinne behauptet, daß sie allen Dualismus ausschließt. c.) Von Leibniz dadurch, daß Er Reales und Ideales, (A und B) nicht wieder in‘s blose Ideale (A) auflößt, sondern einen reellen Gegensatz beÿder Principien beÿ ihrer Einheit behauptet. d.) Von dem eigentlichen materialistischen dadurch, daß er nicht das Geistige und Reale blos in’s Reale (B) | auflößt, was übrigens nur noch bei den geistreicheren Materialisten – den Hÿlozoisten – der Fall ist. Denn die eigentlich französische Materialisten haben auch von A. und B. unter B. wieder A. hinweggenommen, und also ein bloses B. zurückgelassen. (Atomisten und Mechaniker) die also das Gegenstück zu Fichte sind, der von A. und B. unter A. nur A. zurückgelassen hat. e.) Von Kant und Fichte dadurch, daß Er – weit entfernt, auch das Ideale wieder blos subjectiv (im Ich) zusezen, vielmehr diesem Idealen ein reelles | Reales entgegensetzt – also zweÿ Principien, deren absolute Identität Gott ist.⌝ a
a
Vgl. oben S. VIII f.
92 (Forts.) – 96
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[92] Der nächste Gegensatz, der Schellingschen | Natur Ansicht
ist a.) in der Phÿsik, wo der Atomismus, dem Dÿnamismus entgegengesezt ist. Der Atomismus besteht im gänzlichen Läugnen von allem In nern der Dinge, kraft dessen alle Dinge nichts als äussere Aggre gate ohne ein inneres Lebens Prinzip sind. Ächt französische Manier b.) in der Philosophie erklärt sich Schelling gegen reine objec tive Natur. Lehre von der Quantitativen Differenz. Die beeden Prinzipien sind sich wesentlich entgegengesezt : aber es ist Nichts, das nicht beede wesentlich enthielte. | Beispiel von dem Magnet : Wie die Natur nach dem Ursprünglichen–Gesez der Scheidung alle Potenzen in den Körpern durchlauft, (Sie verliert sich in die körperlichste Substanzen, wie die Metalle. Diesem Reich der herrschenden Körperlichkeit steht wieder ein Geistiges gegenüber, wohin Elektrizität, Licht pp. gehören. Aber selbst die körperlichste Substanzen, wie Metalle bilden doch wieder ein Ganzes : denn in der einen Reihe sind wieder körperliche Substanzen – in einer andern flüssige, wie Queksilber pp) | so ist es ein Grund-Gesez in der Natur, daß alles in allem wiederkehrt, Alles in Allem, das Ganze im Einzelnen, der Theil gleich dem Ganzen ist. Die zwei Urkräfte aller Körper sind 1.) Die Contractive Kraft, oder das Prinzip der Korperlichkeit = B. 2.) Die Expansiv Kraft, die Kant die repulsive nennt = A. Kant hat durch seine Metaphÿsische Anfangs-Gründe der Natur-Wissenschaft den Grund der Dÿnamik gelegt.20 | Das A = B. d. i. das Reale, das Ideale, und die Copula, beides manifestirt sich auch in den dreÿ Dimensionen. Die erste Dimension der Materie, ihre Länge, oder Cohaerenz entspricht der Potenz des Realen, dem Egoismus, und ist die Selbstheit, Starrheit.
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Die zweite Dimension, die Breite entspricht dem Idealen ; Sie bricht das Egoistische und Beschränkt sie durch Expansion. Die dritte Dimension, Tiefe, ist die Sÿnthese der Länge und Breite.
{ d. d. 19. Jul 1810. } In der ersten Potenz erscheint als das beherrschende, in dem entschiedensten | Übergewicht über das Ideale Prinzip die Schwehrkraft. Sie ist das Reale Seÿn in der grösten Uneingeschränktheit, sie entflieht vor dem Licht, sie ist der Halt, die nicht erscheinende Basis aller Dinge. Das Produkt, das von der Schwehrkraft gesetzt wird, ist die den Raum erfüllende Materie. Ruhende Qualitäten der Materie. Eintheilung der Qualitaeten nach den vier Elementen, zu denen die neuere Chÿmie zurückkehrt. Die Aufgabe ist aus A = B. | die verschiedene Qualitaeten zu entwikeln. B. ist das Erd-Prinzip jezt Kohlen Stof genannt. Hier sind die Metalle das Tiefste : die zerfallende Erde das dem A. sich am meisten näherndea. A., das Ideale, also dem B. entgegengesezte ist die Luft. C. die lebendige Identitaet, durch welche beede Prinzipien verbunden sind, ist in der Einheit mit dem Produkt dieb geddämpfte Lebens-Flamme. Jedes Ding hat eine innere Wärme. Wann aber das Element in Widerstreit | mit dem Produkt geräth, dann wird es verzehrendes Feuer. Feuer ist der Feind der Eigenheit und Selbstheit. D.) Wasser, das negative Element ist das Produkt, das aus dem Widerstreit des Produkts mit dem Producirenden entsteht : keine Flamme brennt ohne Mit-Wirckung des Wassers. a nähernde ]
Hs : nährende in der Einheit mit dem Produkt die ] Georgii korr. aus : ist die in der Einheit mit dem Produkt innere b ist
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Überall finden sich Feuer und Wasser zusammen, besonders im Meer. Wasser ist die objective Flamme : in ihm ist alle Eigenheit und Selbstheit gehoben : selbst das Wasser hat ein brennbares | Wesen in sich. E.) Das fünfte Element der Alten ist das der Wärme entsprechende Element, d. h. das Produkt in der völligen Gleichheit mit dem Producirenden, oder die Ur-Materie, in der sich A. und B. absolut durchdringen. Wäre diese Ur-Materie rein vorhanden, so wäre sie ein durch das Feuer unzerstörliches Element. Die neuere Phÿsik nennt das ihr noch am meisten verwandte Stik-Stoff. Alle Thiere sind Cristallisationen des Stick Stoffs. Daß dieser sich dem Ur-Element annährt, erhellt aus seiner | schwehren Verbrennlichkeit. Blos durch den Elektrischen Funcken wird der Stick Stoff der Atmosphäre zum Verbrennen genöthiget, sonst verbrennt er nur in der Verbindung mit schlechteren Stoffen. Auf diese 5 Elemente lassen sich alle Qualitaeten der Materie zurückbringen. Qualitaet ist eine in dem Unthätigen ruhende Thätigkeit. Denn solange wir die Materie als Produkt betrachten, enthält sie alle Potenzen in sich als ruhende Potenzen. Was nun Potenziell gesezt wird, muß auch actuell gesezt werden. Dies ist der Dÿnamische Prozes in der Natur, der A 2 in der Natur darstellt. |
{ Dynamischer Prozess. } Zum Dÿnamischen Prozeß gehören alle lebendige Bewegungen in der Natur, die aus einem innern Prinzip kommen. Dieser Prozeß besteht darinn : daß A.2 oder das evolvirende Prinzip, das in der Materie nur implicite gesezt ist, sich explicite zu sezen sucht ; Hiebei verhält sich die Schwerkraft nicht leidend, sondern strebt der Evolution stets entgegen.
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Aus diesem Conflict gehen alle Erscheinungen des Dÿnami schen Prozesses hervor. 1.) Grundgesez des Dÿnamischen Prozesses.21 Alle Thätigkeit in der Materie kann | blos durch Differenzirung oder Polarisirung gesezt werden. Um die Schwehrkraft aus ihrer tiefen Ruhe herauszureissen, gibt es kein Mittel, als daß das Produkt differenzirt wird. So wie die Polaritaet gesezt ist, tritt das innere Prinzip aus seiner Ruhe hervor, hierauf sucht es die beede Prinzipien A und B. zu neutralisieren. 2.) Grundgesez des Dÿnamischen Prozesses. homogenes stößt sich zurück, heterogenes zieht sich an : durch die Polaritaet entsteht eine höhere Gravitation. | Diese Schwehrkraft höherer Ordnung ist eigentlich feindselig gegen alle Potenzen, weil sie aller Evolution Feind ist. Einzelne Erscheinungen des Dÿnamischen Prozesses. 1.) Magnetismus. Das thätige ist die Schwehrkraft, die feindselig gegen alle Polarisirung wirkt ; Solang in der Natur die Polarisirung nur in einer Richtung der ersten Dimension geschieht, so entsteht daraus die Cohaerenz, und so der Magnetismus, der darauf beruht, daß in jedem Magnet sich die entgegengesezte Prinzipien als entgegengesezte | Pole zeigen. 2.) Elektrizität. In ihr ist der Gegensaz zwischen Producirendem und Produkt. Als die Elektrische Periode der Erde eintrat, entstand der Kampf zwischen dem Produzierenden und Produkt. Aus dem Magnetischen und Elektrischen folgt 3.) Der chemische Prozeß. In dem Chemismus unterscheiden sich a.) Galvanismus b.) Verbrennungs Prozeß. | Dies sind Categorien der Phÿsik, oder des Lebens der Natur.
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georgii-nachschrift
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Bisher wurde der Dÿnamische Prozeß betrachtet, in sofern das Product dadurch beseelt wird : In demselben muß aber auch das innere Producirende beseelt werden. Das B. selbst muß actualisirt werden. Die Substanz, die bindende Copula zwischen A. B ist, hat a.) eine Ideale, b.) eine Reale, c.) eine indifferente Seite. Klang ist die Erscheinung des Inneren Wesens der Materie von seiner realen | Seite. Er ist das in die Materie gesprochene Wort. Er entsteht dadurch, daß ein starrer Körper aus seiner Indifferenz gerissen wird.22 Licht oder A2 ist das entgegengesezte der Schwehrkraft. Weder die Neutonische Hÿpotese, welche das Licht für Emission einer Materie aus der Sonne hält, noch die Eulerische, die das Licht für einen bewegten Aether angiebt, mithin aus dem Licht eine blos mechanische Erscheinung macht, sind richtig.23 Sondern das Licht ist der positive Gegensaz der Materie ; in sofern geistige Materie. |
{ Organismus. } Übergang aus dem Dÿnamischen Prozeß ins Organische NaturReich. Die Schwehrkraft hat bis izt ihre Substanzialitaet behauptet, da sie doch nur eine untergeordnete Potenz ist. Endlich muß die Schwehrkraft dem Licht untergeordnet werden. – So entsteht Organismus, dadurch, daß die Materie herabgesezt wird zu einem blossen accidens, das zuvor Wesentliche wird im Organismus – Form – also auch umgekehrt die Form wird wesentlich. Der Organische Prozeß besteht darinn, | daß Licht und Schwehr kraft sich durchdringen, und Form eines und eben desselben Wesens werden. Auch hier findet ein Kampf statt. Wenn Licht und Schwehrkraft sich in der ersten (egoistischen, realen) Dimension, durchdrungen haben, so entsteht Wachsthum.
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109 – 112
In dem Licht liegt eine unendliche Möglichkeit, wenn sie mit dem realen des Produkts verbunden ist, so ist in dem Product eine unendliche Möglichkeit von sich, aber noch nicht von andern Dingen. Daher fangt die organische Natur mit den Pflanzen an. Alles Sprossen ist nur Conti | nuation seiner selbst. Dies ist die erste Stuffe des organisches Prozesses. Seine zweite Stuffe ist, wenn Licht und Schwehrkraft sich in der zweiten Dimension durchdringen, wo dem organischen Wesen eine äussere Welt aufgeschlossen wird, jedoch so, daß es noch im Verhältnis der Differenz mit ihr bleibt. Irritabilitaet in der organischen Natur. Die einzelne Form derselben. a.) Die dem Magnetismus entsprechende Circulation. b.) Die der Electrizitaet entsprechende | Respiration. c.) willkührliche Bewegung. Die dritte Stuffe des organischen Lebens ist, wenn das Product die Möglichkeit anderer Dinge in sich enthält, ohne im Differenz Verhältnis mit ihnen zu seÿn, wenn es sie in sich selbst anschaut, (Sensibilität thierisches Anschauungs-Vermögen) hier ist das B., das im Anfang (in der unorganischen Materie) die höchste Gewalt ausübte, überwunden, und als zuvor erkanntes, izt in das erkennende verwandelt. In der Sensibilität ist das B. bis zu A 3. gesteigert. | Die Sensibilität wiederholt alle frühere Formen.
{ Die fünf Sinne. } Gefühl ist der reale Pol. Gesicht der ideale. Gehör erste Dimmension unter den Sinnen. Geruch entspricht der Electricitaet. Geschmack chemischer Sinn. Nachdem durch die Sinne A 3 oder A in der dritten Potenz eingetretten ist, wäre die Natur eigentlich geschlossen. Allein noch kündigen sich Praesagia der höheren Welt des bewußten Geistes an. Über den Sinnen tretten daher auf Instinkt, Kunsttrieb. |
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Die Seite der organischen Natur von der sie sich in Ruhe verliehrt, ist das Pflanzenreich. Dem stehet entgegen das Thierreich.
{ Mensch. } Der Indifferenz Punckt zwischen Pflanzen und Thierreich der äussern Gestalt und inneren Formation nach, ist der Mensch. An der Pflanze unterscheiden wir nichts als ein oben und unten, kein Rechts und Links, kein Hinten und Vornen. Diese verticale Richtung wird im Thierreich in die horizontale verwandelt. | Im höchsten Punckt sind alle Dimensionen aufs vollkommenste ausgebildet, dies ist der Mensch.
{ Geschlecht. } Wie Thier und Pflanze sich verhalten, so verhalten sich beide Geschlechter zu einander. Weib ist die Pflanze, Mann das Thier. Wie sich in der Natur Licht und Schwehrkraft verhalten, so die Geschlechter. Das Weib ist das reale, der Mann das Ideale Prinzip. Die Liebe ist das vermitlende Verhältniß von Identität, die, wie die absolute oder göttliche, Dualität nicht ausschließt. | Das Göttliche, Seÿende, bedurfte als sua natura Seÿendes, das Seÿn nicht. Auch das Seÿn konnte für sich existiren, das freÿwillige Band, das beede verbindet, ist die Liebe. Eben so die beeden Geschlechter, von denen jedes ein SelbstGanzes, also der Existenz nach von dem andern abhängigesa ist, und doch nicht ist, noch seÿn will, ohne das andere.
a abhängiges ]
mglw. falsch anstatt : unabhängiges (vgl. SW S. 37, Z. 14)
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115 – 118
{ Den 21en Julius 1810. } Von der Veränderlichkeit der Natur ins geistige Leben. Der gröste Zweck und die Tendenz des Ganzen ist, daß die Natur in’s | Geistige übergehe. Haben wir nehmlich gleich A. unda der dritten Potenz in B gesehen, so ist dieses noch immer nicht das an Sich Selbst Seÿende absolute A 2. B. soll ganz in dieses A 2 . erhoben werden. Bei dieser Progressiven Tendenz finden wir Mittel-Erscheinungen, zwischen dem Natur und Geisterreich. Dahin Gehören die Instinkte des Thierreichs. Nach Cartesius Phisik, die die Thiere zu blosen Maschinen macht, sollte man lieber die Instinkte läugnen, wie der mechanische Philosoph ohnedies alles | Innere der Natur läugnet. Eher erklärt die Instinkte der Hÿlozoiste und Intellektualist, welchen zu Folge jene auf duncklen Vorstellungen beruhen. Der Ausdruck »dunckle Vorstellungen« ist aber zu allgemein. Neuerlich erklärte man den Instinkt als einen Grad der Vernunft : oder analogon der Vernunft, was aber auch unzureichend ist. Das Eigenthümliche des Instinkts besteht darinen, daß das Thier ganz vernünftige Handlungen begeht, ungeachtet man in dem Thier keine subjective Vernunft | wahrnimmt. Der Verstand der Thiere ist also blos objectiv ohne Bewußtsein. Dies läßt sich so erklären : In dem A 3 als dem zur höchsten Stufe entwickelten B. liegt implicite auch das Geistige. – Durch die Einwirckung des A 2 wird in dem A 3. der blos objective Verstand, sein Selbst unbewußt erregt. In den Instinkten der Thiere treffen wir Stufenfolgen an : 1.) Der Niederste Grad ist Liebe zur Selbst-Erhaltung, Liebe zur Gattung, oder zu den Jungen Auch in den Thieren wohnt die Sehnsucht : Dahin gehört auch der Trieb der Zugvögel. | a und ]
mglw. falsch anstatt : unter/in
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2.) Eine höhere Stufe des Instinkts treffen wir in dem Divina tions-Vermögen, auch in dem Kunst Trieb der Thiere an. Nur zweÿ Künste sind den Thieren gestattet, Musik und Architektur. Analogie, die zwischen diesen beeden Künsten herrscht, Archi tektur ist Musik in Concreto. 3.) Der höchste Grad des Instinkts ist die Charakter-Fähigkeit der Thiere. Wir beachten am Fuchs die List, am Tiger die Grausamkeit, am Löwen der Muth p. p. Die Charaktere der Thiere gehen durch die ganze Gattung, so, daß die | ganze Gattung nur ein Individuum ausmacht, während im Menschen-Geschlecht jedes Individuum etwas speci fisches hat. In allen diesen Erscheinungen zeigt sich zwar ein Geistiges Prinzip : aber nur ein objectives ; noch im Nicht Seÿenden versunkenes. Erst im Menschen geht das absolute A 2 auf ; das an sich Seÿ ende ist seiner Natur nach Geist : aufgegangen im Menschen also aus B. ist es erschaffener endlicher Geist. Das seiner Natur nach Seÿende ist auch das das-seiner Natur nach Unsterbliche : der eigentliche Beweis der | Unsterblichkeit, dessen sich auch Socrates und Plato24 bedienen, besteht aber darinn, daß das seiner Natur nach Seÿende, wenn es einmal gewekt ist, nicht mehr aufhören kann. Der Mensch ist Geist und ihm folgt das Leibliche. Aber das vollendeteste Leibliche. Aus lezterem erklären wir, warum das absolut Geistige erst im Menschen entwickelt wird : Der Geist ist das erkennende, die Natur das erkannte. In jedem andern Natur-Wesen ist nur ein Theil des objektiven, nur der Mensch ist höchster Innbegriff deselben. | Nur deswegen kann sich das Geistige in ihm entwickeln, weil nur da, wo das vollständige objektive (Mikrokosmus)a gegeben ist, auch das absolut subjective d. h. der Geist gesezt sein kann. a (Mikrokosmus) ]
Georgii nach gestr. : (μικροκοσμos)
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122 – 126
Mann könnte einwenden ; Nicht der Mensch allein, auch die Welt Körper seÿen vollkommen, d. h. alles begreifende Totalitäten, und doch seÿen sie keine Intelligenzen. Aber vielleicht sind sie es, wie noch Keppler behauptete.25 Wahrscheinlicher aber ist es lezte Bestimmung der WeltKörper, sich zur Intelligenz zu erheben : Daß in den Welt-Körpern | etwas Intelligentes liege, fließt aus ihrer Bewegung. Da sie zwar die Totalität aller Elemente aber noch nicht den höchsten Grad der Harmonie haben, der zur Entwicklung zur Geistigkeit nothwendig ist ; so kann der Mensch den Welt Körpern blos vorgeeilt seÿn. Daß in den Welt Körpern etwas Intelligentes ist, erhellt auch daraus, daß die Erde zu unserm Gemüthe spricht, wie wäre dieses möglich, wenn sie nicht selbst etwas Gemüthliches in sich hätte. Die Erde zeigt Antheil am Menschlichen, daher Praesagia Naturae. Gewisse Gegenden haben | ihren eigenen Genius, nicht jedes Clima erzeugt Nachtigallen, Dichter pp.26 Es kann daher der Erde noch eine höhere Verklärung bevorstehen. Das sogenannte 1000 jährige Reich27 hat sogar phisikalische Wahrscheinlichkeit. Wie öfters ein Mensch vor seinem Ende noch in eine Art von verklärten Zustand kommt, so kann auch der Erde ein gleiches Schicksal vor ihrem Ende bevorstehen. Jedoch, dem seÿe wie ihm wolle, so ist wenigstens im Menschen die Entwiklung des Geistes allein möglich, weil nur in ihm die Natur vollendet ist. | Der Mensch ist das in der Natur erwartete Band zwischen dem Göttlichen und Natürlichen, der Indifferenz Punkt, zwischen Geist und Natur, es ist der eigentliche Sohn Gottes. Alle andern Creaturen, die in A = B. begriffen sind, stehen nur in mittelbarem Verhältnis mit dem absoluten A 3. Auf den Menschen allein fällt, wie Baco sagt, der göttliche Strahl in directer perpendiculerer Richtung.28 Der Mensch ist das lebendige Wort, was zwischen beeden Welten als Mittelpunckt eintritt. Er ist der Verklärungs-Punckt der Natur, in ihm ist gleichsam die Kette des | Universums geschlossen.
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Dadurch, daß der Mensch zwischen Geistiger und phÿsischer Welt als lebendiges Band eintritt, tritt auch die phÿsische Natur und jedes Ding in der Natur in Rapport zunächst mit dem A 2, dadurch aber auch mit dem A 3, dem schlechthin ewigen, d. h. durch jene Verbindung ist die ganze Natur und jedes Ding zur Beständigkeit und Ewigkeit erhoben worden. Allein hier entspricht die Möglichkeit dem Begrif nicht, wie er a priori construirt ist. Denn die Erfahrung zeigt uns, daß die Natur nicht ins ewige emporgehoben ist. | Schon der Tod und seine Nothwendigkeit lehrt uns dies. Woher also dieser Widerspruch ? Er fließt nicht aus dem Nothwendigen, sondern dem Zufälligen, aus der menschlichen Freÿheit. Der Mensch war bestimmt, das Band des Idealen und realen zu seÿn, allein Er hat dessen Zweck verfehlt, die Schuld davon liegt in seiner Freÿheit. Alles an sich Seÿende ist freÿ, dieses wird durch sich selbst, nicht von aussen bestimmt. Darum ist Gott das absolut freÿe. |
{ Begriff der menschlichen Freiheit. } Der Mensch hat eine andere Freiheit als Gott. Er ist relativ von Gott unabhängig, indem er eine von Gott unabhängige Wurzel seines Daseÿns hat. Sonst würde er sich zu Gott, wie ein Strahl zur Sonne verhalten : aber so ist es nicht. Der Mensch als geschaffenes Wesen ist ursprünglich nicht Gott, obgleich in Gott. Aber eben dieser dunkle Flek unserer Existenz,29 unserer Abstammung aus dem B. d. h. dem relativen Nicht-Göttlichen rettet unsere Persöhnlichkeit. So wie aber der Mensch von einer Seite unabhängig von Gott ist, so ist er‘s von der andern auch | von der Natur durch das Prinzip, das er von Gott hat. Der grosse Zweck, der durch den Menschen erreicht werden sollte, war, die Leibliche, Natürliche-Welt der Geistigen zu unterwerfen ; die Leibliche Welt sollte nur die Staffel zur Geistigen seÿn.
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Allein von Seiten Gottes ist es nicht auf eine gezwungene Unterwerfung angesehen ; Er will König freÿer Geister seÿn. Vehementer cupit vitam.30 Nur durch freÿwillige Unterwerfung sollte die große Kette geschlossen werden. In sich selbst | sollte der Mensch das Natürliche dem Geistigen unterwerfen. Von ihm hieng es ab, ob die beeden Welten in Harmonie, oder Disharmonie seÿn sollten ? Aber dies geschahe nicht. Der Mensch hat seine Stelle nicht erfüllt. Daß dem so seÿe, daß dies so kommen mußte, läßt sich nicht wissenschaftlich demonstrieren, es ist ein factum, das wir für wahr halten müssen, weil es die ganze Natur bezeugt, und weil nach einer vom göttlichen ausgehenden Philosophie Natur und Welt, ohne einen solchen Vorgang eine ganz andere Gestallt zeigen müßte. | Durch seinen Fall hat der Mensch der Natur ihren Verklärungs-Punckt genommen. Die Natur mußte daher nolens volens sich zu einem für sich Seÿenden erheben, sie war genöthiget, sich zu einer eigenen Welt zu constituiren. So schwang sich das untergeordnete Prinzip über das Höhere empor : so rührt die Zerrüttung in der Natur vom Menschen und der Verfehlung seiner Bestimmung her. Im Menschen verdorben, wie er jezt ist, schließt das geistige Leben das phÿsische, und das phÿsische das Geistige aus. | Dies ist der Natur der Sache nach keineswegs nothwendig, beede verhalten sich ja nur gegeneinander, wie Wesen und Form, die sich eigentlich nicht ausschliessen, sondern gegenseitig fordern. Aber es beweißt nur, daß der Mensch in sich das Verhältniß der Prinzipien nicht so gesezt hat, wie es Gott gesezt hatte. Daß nun eine solche Abweichung des Menschen von seiner Bestimmung, und hiedurch eine Corruption der ganzen Natur geschehen seÿe, erhellt 1.) Aus dem Anblik der Natur. | Von Rechts wegen sollten Himmel und Erde sich nicht im Gegensaz befinden. Der Himmel sollte auf der Erde, die Erde im Himmel seÿn. Nun finden wir aber in der Natur, einen Mangel an Voll
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endung, an fester Einheit. Die Natur strebt darnach, aber sie findet sie nicht. 2.) Aus der unläugbaren Gegenwart des Bösen in der phÿsi schen und Moralischen Natur. Das Böse ist von einer Seite ein Nicht-Wesen ; von einer andern aber etwas sehr positives. Es ist ein zum Seÿenden eri | girtes Nicht-Seÿendes. So beweißt das Gift die Corruption ; – die Kranckheit den Ausfluß des Bößen in der Natur pp. Endlich 3.) aus dem Tod und seiner Nothwendigkeit. Er wäre nicht nothwendig, wenn der Mensch das Verhältnis zwischen Geist und Natur nicht gestöhrt hätte. Dadurch, daß die Natur nicht wie sie sollte, ewig werden konnte, sank sie in die Zeit herab und ward auf der ersten Potenz die erste Periode des Universums. Daher ist das jezige Leben nur der Vorhof zum höchsten Leben : daher bedürfen wir des Todes, um zum rechten Leben zu gelangen. | Der nächste Zweck des Natur Prozeßes ist Verbindung des phÿsischen mit dem geistigen. Das Wesen des Menschen gehört ursprünglich weder der geistigen noch der phÿsischen Welt ausschließlich an : nura soll das phÿsische dem geistigen mit Freÿheit untergeordnet werden ; Es soll sich durch das Geistige ins Ewige erheben ; Dann b dies nach dem jezigen Verhältnis des Phÿsischen zum Geistigen nicht mehr in dem jezigen Leben geschehen kann, so ist der Tod schlechthin nothwendig. |
{ Den 23en Jul. 1810. } Würkung des menschlichen Verderbens auf die Natur. Eine der wichtigsten Folgen des Falls des Menschen ist ein allgemeines Zurücksincken der Natur auf eine tiefere Stufe. Das Verhältnis des Menschen zur Natur und der Natur zum Menschen mußte sich bedeutend ändern. Kraft seines ursprünglichen Verhältnises sollte der Mensch Herr der Natur seÿn ; Er a nur ]
mglw. falsch anstatt : nun mglw. falsch anstatt : Wann
b Dann ]
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war bestimmt auf die Natur eben so unmittelbar zu würcken ; so wie jezt auf seinen Leib. Von jeher hat der Glaube an die | Möglichkeit einer unmittelbaren Einwirckung des Menschen auf die Natur statt gefunden. Dies beweißt der Glaube an die Magie, an Allchimie, oder mögliche Veredlung der Metalle, das Forschen nach einem Unsterblichkeits Tranck. Alle Artikel dieses Glaubens sind nur die Trümmer des ältesten Natur Glaubens, daß der Mensch der Erlöser und Heÿland der Natur werden sollte. Seit der Mensch dies nicht leisten kann, so erhebt sich umgekehrt die Natur zum Herrn des Menschen, B macht sich | zum Gott, das doch nicht Gott ist. Da nun die Macht der Natur, verglichen mit der Macht des Menschen, unvergleichbar höher ist ; so beginnt damit der Kampf der Natur mit dem Menschen. Daher auch der Egoismus der Natur, sie ist gleichsam gefühllos gegen den Menschen, sie behandelt Gute und Böse, Gerechte und Ungerechte gleich. Gott läßt seine Sonne scheinen über Gute und Böse, läßt regnen über Gerechte und Ungerechte.31 Freÿlich konnte der Mensch, das Vorrecht Geist zu seÿn, nie verlieren ; durch sein | Geistiges kann er der Natur manches abgewinnen, er muß gleichsam den kleinen Krieg mit der Natur machen, und ihr durch List abgewinnen, was er mit offener Gewalt nicht kann. Ebendaher ist auch Arbeit dem Menschen nothwendig, um die über die Natur verlohrene Herrschaft wieder zu behaupten. Wirckung des menschlichen Falls auf sein Inneres. Nicht blos äusserlich ist der Mensch der Macht des Seÿns anheim gefallen ; auch in seinem Innern wird er von des | Seÿns oder der Natur eisernen Banden festgehalten. Der gröste Beweis hievon liegt in der Beschaffenheit des menschlichen Gemüths : wie alles beim Menschen auf die Erhaltung der Unterlage abzweckt, daher muß alles Geistige sich unter der Gestalt des
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phÿsischen oder des Nüzlichen zeigen ; daher wird das erhabenste Studium zum Brod-Studium herabgewürdiget. pp.
{ Begriff des Staats } Vom Staat. Nichts beweißt mehr, daß der Mensch, als Geist, zu einem phÿ sischen | Wesen herabgesuncken ist, als die Construction des Staats. Die Vielheit der Menschen verlangt nach einer Einheit. Die Einheit freÿer Wesen ist nur Gott : seitdem diese verlohren gieng, suchen die Menschen eine Natur Einheit. Es verhält sich hier wie mit dem Anorgismus in der Natur. Nachdem der Mensch der Vereinigungs-Punckt der Natur nicht geworden war, konnte die Natur nicht organisch werden. Daher der Anorgismus der Natur, so widersprechend er auch scheint ; | Auch er Gehört in das Geschlecht des Nicht-Seÿenden ; er sucht nach einer Einheit, ohne sie finden zu können. Gerade in der nemliche Lage befindet sich der Mensch. Er ist vom Göttlichen getrennt, und sucht daher Natur-Einheit. Er sucht eine zweite Natur über der erstern. So entsteht der Staat, der eine blose Folge der Deterioration des Menschen-Geschlechts ist. In dem Staat liegt ein wahrer Widerspruch : er erklärt sich für eine Natur-Einheit, die doch zugleich eine Einheit freÿer Geister seÿn soll, auf die in der | lezten Instanz nur mit rein geistigen Motiven gewürckt werden kann, über die er doch nicht zu gebieten vermag. Daher ist ein Vernunft Staat etwas unmögliches. Die wahre Republic kann nur in Gott seÿn ; der ächte Staat muß auf zweÿ Prinzipien Freÿheit und Unschuld beruhen. Woher sollen die in unsern Staaten kommen ? Man beruft sich auf Platos Republic, und bemerckt nicht, daß sie von gewissen Seiten mehr Scherz als Ernst ist, indem Plato einen solchen Staat aufstellte, wollte er nicht sagen, gehet hin und machet einen | solchen ; sondern versucht, ob ihr einen sol-
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chen zu wege bringt ? ihr werdet es bald finden, daß es unmöglich ist. Eben die Unmöglichkeit, die wahre Einheit in den Staat zu bringen, zeigt sich bei Verfertigung der Constitutionen. Will man dem Staat die Kraft-Einheit geben, so verfällt er in den abscheulichsten Despotismus : beschränckt man die Oberste Staats-Gewalt durch Verfassung und Stände, so hat er nicht die gehörige Kraft : Es ist bei diesem antagonismen nicht zu verwundern, wenn gerade consequente Köpfe in der Theorie zum Despotismus | zurückkehren. Die höchste Verwicklung entsteht, aus der Collision der Staaten. Das Pheenomen der ewig gesuchten und ewig nicht gefundenen Einheit ist der Krieg. Ein Zustand, der bleiben wird, solange nicht die Natur des Menschen wieder veredelt wird.
{ Offenbahrung
wiederErhebung des Menschen. } Wieder Erhebung \ Des Menschen \ Offenbahrung. Wir betrachteten bisher den Menschen in seiner Degradation : jezt gehen wir über auf seine Wiedererhebung. | Sie ist alsdann vorhanden, wenn die Principien der phÿsischen und Geistigen Welt wieder coincidiren. Dieses Band kann nur Gott wiederherstellen, daher ist eine Offenbahrung Gottes nothwendig. Sie ist so alt, als die Trennung der Natürlichen und Göttlichen Welt. Hieraus ergiebt sich eine philosophische Nothwendigkeit, die Offenbahrung als wircklich zu sezen. Man nimmt an, der Mensch hätte sich selbst empor arbeiten können ; allein das ist durchaus unwahrscheinlich. Wäre | dies, so würde der Grad von Cultur mit der Idee von Gott Parallel laufen : Allein schon in den ältesten Zeiten treffen wir die höhern Ideen von Gott an, während der Mensch in Ansehung seiner eigenen Bedürfnisse noch ganz unwissend war.
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Einen weitern Beweis der Offenbahrung finden wir in der Übereinstimmung der ältesten Traditionen. Schon die alte Indische Religion enthält Spuhren der jüdischen und christlichen Religion : sie enthält sie in einem Zustand der Depravation, der nothwendig eine | frühere Mittheilung voraussezt. Die Offenbahrung muß daher so alt seÿn, als die Trennung Gottes vom menschlichen Geschlecht. Sie muß eben daher, weil das ganze Geschlecht getrennt ist, auch allgemein seÿn, und kann sich daher nicht auf Christen und Juden beschräncken. Die Offenbahrung muß Stuffen haben ; Die höchste Stuffe ist, wenn Gott selbst verendlicht, wenn er Mensch wird. Schon die Indische Religion enthält die Idee der göttlichen Menschwerdung :32 wenn das Endliche eine Manifestation Gottes enthält, so bestehet die höchste | Sÿnthese darinen, daß Gott selbst im Endlichen ist. Dies sind nur die allgemeinste Begriffe der Offenbahrung. Eine andere Frage ist, wie und wo die Menschwerdung Gottes geschehen seÿ ? Dies ist blos eine Historische Frage, deren Untersuchung zu gegenwärtigem Zwecke nicht gehört. Was wird aber nun durch diese Offenbahrung bewirckt ? Kann die Welt des Seÿns wider veredelt werden, oder ist dies nicht möglich ? Auf die Welt des Seÿns kann sich die Offenbahrung nicht erstrecken, sie | kann keinen unmittelbaren Rapport zwischen der Welt des Seÿns, und Gott herstellen, sie müßte denn jene ihrer ganzen gegenwärtigen Beschaffenheit nach aufheben d. h. vernichten. Aber indem eine Vermittlung zwischen Gott und Menschen entsteht, wird jener Rapport zwar nicht directe hergestellt, aber doch die Möglichkeit eines solchen indirect gegeben. Indem der Mensch dem geistigen Leben zurückgegeben wird, wird er wieder in den Stand gesezt, zu seiner ersten Bestimmung zurück zu kehren und leitendes | Medium zwischen der geistigen Welt und der Natur, in so fern also Veredler der Natur zu werden. –.
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Christus war der eigentliche göttliche Mensch : durch ihn als ein durchsichtiges göttliches Medium, konnte die geistige Natur auf das Irdische durchwircken. Ein gleiches wäre in jedem Menschen, absolute betrachtet, möglich : jeder Mensch könnte die leitende Verbindung zwischen Gott und Natur herstellen. Die Kraft des Menschen, Wunder zu thun, die eigentlich von dem Willen abhängt, wie es anfänglich nur von dem | Willen des Menschen abhing, die Communication zwischen der Geistigen und phÿsischen Welt permanent zu machen, oder zu stören, ist ein esoterischer Grundsaz der Phÿlosophie. Dies ist wenigstens die wahre Erklärung der Wunder Christi. Dieser Mensch im eminentesten Sinn hatte das göttliche Band zwischen der geistigen und phÿsischen Welt hergestellt, er war das, was jeder Mensch ohne Depravation geworden seÿn würde ; Leiter und Herr der Natur.
{ Kirche. } Die Kirche ist die Sÿmbolische Anschauung Gottes, die ideale nicht reale re | praesentirende Erscheinung Gottes. Methoden Lehre S. 185.33 Wäre nicht die Trennung zwischen dem Aeussern und Innern so mächtig, so würden Staat und Kirche coincidiren, aber jezt werden sie getrennt seÿn, so lange die phÿsische und geistige Welt getrennt bleiben, wie sie es jezt sind. Der Fehler der Hirarchie bestand nicht in dem Eingreiffen der Kirche in den Staat, sondern darinn, daß sie dem Staat Eingang in sich verschafte ; nicht darinn, daß sie die Herrschaft des geistigen Prinzips über | das Irdische ankündigte, sondern daß sie das Irrdische in die Kirche aufzunehmen bemüht war. Grosmüthig hätte sich die Kirche als die triumphirende geriren sollen, aber sie verfolgte Ketzer und äusserte dadurch die Furcht, als ob sie selbst unterliegen könnte.
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Durch die Hirarchie hatte eine innere Einheit hervorgerufen werden sollen, sie gieng dadurch zu Grunde, daß sie selbst Staat werden wollte. Das Andere dem Misbrauch der Kirche entgegengesezte Experiment ist das, was man izt in den Staaten macht. | Alle innere Einheit soll aufgegeben ein Zusammenhalten blos des Äussern durch die Mittel, die dem Staat zu Gebott stehen, soll die Stelle des innern Bandes vertretten. Dadurch entsteht nun gänzlicher Anorgismus eine Zerrüttung, die zur gänzlicher Destruction führt, wenn nicht irgend eine Restauration des Geschlechts in die Mitte tritt, und die Entwicklung herbeiführt.
{ Lezte Entwicklung auf Erden. } Was wird den also die lezte Entwicklung der Geschichte unseres Geschlechts seÿn, und wird es eine solche geben ? Es ist zu hoffen und zu glauben, | Daß selbst auf der Erde noch die Macht des Bösen gebrochen, und die Herrschaft des guten Prinzips wieder hergestellt werden wird, daß die Menschheit durch innere Einheit, das ist, durch die Einheit in Gott wieder vereinigt werden kann. Es läßt sich an sich gedencken, daß in dem Staat selbst sich das religioese Prinzip wieder entwickelte, daß die religiöse Einheit durch das eigene Gefühl der Menschen sich wieder festseze. Ja man könnte es sogar nicht unwahrscheinlich finden, daß der Druck des Bösen dazu würckte, um die Verbesserung hervorzubringen. | Indessen ist die gröste Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Verbesserung durch eine Verklärung der Natur, durch eine Erhebung der Erde zur Intelligenz vor sich gehen wird. Diese möchte wohl das Mittel seÿn, um die Menschen von ihrer Abwendung vom göttlichen zurückzubringen, und so würde die Idee des erwarteten 1000 jährigen Reichs realisirt werden.
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24 Jul. 1810. Vom Menschen. Wir kehren zu der Beobachtung des Menschen zurück, und unterscheiden in ihm als Geist 3 Potenzen : Gemuth, Geist, Seele. |
{ Gemüth. } I.) Das Gemüth ist die reale Seite des Geistes, es ist das, was der Mensch von der Natur empfangen hat, daher es im bestimmtern Raport mit diesem Niedrigern, in undeutlicherm mit dem Höhern steht : die Ahndung des Göttlichen liegt in ihm, aber nur dunkel. In dem Gemüth unterscheiden wir wieder 3 Stuffen. a.) Die Sehnsucht, oder die innere Schwehrkraft des Geistes : daher die Schwehrmuth und Ahndung p. p. b.) Die dem Geist entsprechende Stuffe ; Sein allgemeiner Charakter besteht in | einer Sucht nach dem Seÿn. Diese Sehnsucht nach dem Seÿn ist in jeder Begirde anzutreffen, sie hat etwas unauslöschliches und unsterbliches : eben dies liegt im Geist. Besteht nun das Wesen des Geistes überhaupt in Sucht, so wird die dem Geist im Gemüth entsprechende Stuffe Lust und Begierde seÿn. c.) Das Gefühl, das Höchste im Gemüthe, und ebenso, wie in der Organischen Natur die Sensibilität das Höchste ist :
{ Geist. } Ohne das Gemüth ist II.) Der Geist im engern Sinn (l. Esprita) durchaus unfruchtbar. Dieser | macht die eigentliche Persöhnlichkeit des Menschen aus. Das Allgemeine des Geistes ist Bewußte Begierde, und Wille, in dem eine dreifache Seite zu betrachten ist ! a.) Der Eigenwille, oder das Untergeordnete, wodurch der Mensch gegen sich selbst gekehrt ist. (Reale Seite) a
l. Esprit ] lies : l‘esprit
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Er ist nicht an sich selbst das Böse, sondern das nothwendige Organ des Guten, insofern alles einen Gegensaz erfordert. Daher eine Nothwendigkeit des Bösen im Guten eintritt. Das wahre Gute ist, was der überwältigtea Eigenwillen enthält. b.) Der Verstand, als das Ideale, steht | dem Eigenwillen entgegen. Ohne ihn wäre der Eigenwillen blind, durch ihn erhält b er sich zum besonnenen Willen. c.) Der eigentliche Wille ist der Indifferenz Punckt zwischen Verstand und Eigenwillen. Allein diejenige Indifferenz, aus welcher die Freÿheit des Willens im höchsten Sinn folgt, ist, daß der Geist – also der Wille selbst, sich als 2te Potenz verhält, und wieder zwischen das Relativ-niedere, (die blinden Antriebe des Gemüths und des Eigenwillens) und ein höheres, das über dem Geist, auch soferne er Wille und Verstand ist, angenom | men werden muß, in die Mitte tritt. – Daß es ein Höheres, als der Geist gebe, erhellt aus den Begriffen der Geistes-Verrüktheit, des Irrthums und der Sünde. Wäre nicht ein Höheres in Uns, als der Geist, so würde es keine Wahrheit geben können, weil, wenn es nicht eine höhere Instanz gäbe, kein Richter vorhanden seÿn würde, der entscheidet, was wahr oder falsch ist. Der Irrthum ist keine blose Privation, er ist etwas Positives, nur etwas Verkehrtes. Daher kann es einen höchst Geistreichen Irrthum geben. Eben so verhält es sich mit dem Bösen, auch dieses besteht nicht in einer blosen | Privation des Guten, sondern in einer positiven Disharmonie der Kräfte. Ein Vorurtheil ist es, daß der Grund alles Bösen im Leibe liege. Der Leib ist indifferent gegen Gutes und Böses : das Niedrigere kann nicht auf das Höhere wircken. Wer die Misterien des Bösen kennt, weißt, daß die höchste Corruption die Geistige ist. Das Böse ist das reinste Geistige in der ganzen Natur : es führt den steten Kampf gegen das Natürliche : es lüstet gegen Natur und Creatur. a
der überwältigte ] mglw. falsch anstatt : den überwältigten (vgl. SW
S. 51) b erhält ] mglw. falsch anstatt : erhöht
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So z. B. verschwindet die Wollust in Grausamkeit. Das Böse kann also nicht aus dem Seÿn abstammen, mit dem es in ewigem | Kriege steht. Giebt es also etwas Höheres, als den Geist, so ist dies
{ Seele. } III Die Seele. Sie ist das unpersöhnliche im Menschen. Der Geist weißt : die Seele ist die Wissenschaft. Der Geist kann nur gut seÿn, weil er zugleich auch des Bösen fähig ist ; die Seele ist die Güte selbst : Der Geist ist schön : die Seele die Schönheit selbst. Es kann daher nur von Geistes und Gemüths, nicht von Seelenkranckheiten die Frage seÿn. Der Ausdruck »Das ist eine falsche, eine schwarze Seele« ist nur so gültig, wie man auch wohl von einer falschen Tugend spricht. Wann Jemand ruchlos handelt, sagt niemand, daß er mit Seele, wohl | aber kann man oft sagen, daß er mit Geist gehandelt habe. Die Gesundheit des Geistes besteht darinn, daß zwischen Gemüth, Geist und Seele keine Unterbrechung stattfindet. Daß die Leitung zwischen ihnen ihren ungestöhrten Gang geht. Es giebt a.) Gemüths-Kranckheiten, wenn die Sehnsucht nicht mehr durch das Gefühl geleitet wird, so entsteht, Schwehrmuth, Melancholie. b.) Geistes-Kranckheiten, Wenn die Leitung unterbrochen ist zwischen Gemüth und Verstand, so entsteht Blödsinn, oft ist in ihm viele GemüthsKraft, auch | Eigenwillen, aber unschädlicher. c.) Wenn die Leitung zwischen Verstand und Seele unterbrochen ist, so bricht der Wahnsinn hervor. Der Verstand sezt den Wahnsinn als seine Basis voraus. Jeder Mensch hat einen Wahnsinn in sich ; Nullum ingenium sine mixtura dementiae. Ist der Wahnsinn von der Seele durchdrungen, so entsteht daraus die höchste Begeisterung. Bricht hingegen das Dunkle des Geistes zügellos hervor, dann entsteht Wahnsinn ; er entspringt daher aus dem Nichtseÿenden. Auch der Verstand verhält sich wieder
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zur Seele, wie ein relativ verstandloses dunckles Prinzip. | So entsteht Irrthum, wenn die untergeordnete Kräfte für sich wircken wollen, wenn der Geist sich nicht der Seele unterwirft. – Eben so endlich entsteht die Sünde ; – Gerade darinnen besteht die Freÿheit, daß der Mensch zwischen Gemüth und Seele im Indifferenz Punckt steht, daß er den Eingebungen der Seele, oder des Eigenwillens folgen kann. Folgt der Mensch der Seele, so ist er gut, folgt er blind dem Gemüthe, oder dem eigenen Willen, so wird er böse. –. Die reine Seele ist das Höchste, Göttliche im Menschen, sie hat keine Stuffen, jedoch verschiedene Beziehungen mit dena | Untergeordneten.
{ Kunst. } A.) Wenn sich die Seele auf Sehnsucht und Selbstkraft bezieht, wenn sie in Verbindung mit der Sehnsucht steht, so schaft sie die Kunst. In der Kunst zeigt sich Eigenwille und Selbstkraft in ihrer Naivetät. Wercke, denen die Selbstkraft mangelt ; so ideal sie auch seÿn mögen, mangeln der Realität. Umgekehrt Wercke voll Natur, ohne von der Seele beherrscht zu seÿn, sind ohne Realitaet b. Die ächte Kunst bestehet in Durchdringung des Realen vom Idealen.
{ Philosophie. } B.) Beziehet sich die Seele unmittelbar auf Gefühl und Verstand, so entsteht daraus die | höchste Wissenschaft, oder Philosophie. Hier entsteht zu erst die Frage : wohin die Vernunft gehöre, welche eine neuere Philosophie dem Verstand entgegengesezt hat. Allein ein Gegensaz zwischen beÿden kan nicht angenommen werden.
a den ]
korr. aus : dem vgl. SW : Idealität (S. 55, Z. 19)
b Realitaet ]
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In der Vernunft liegt mehr von dem sich hingebenden, in dem Verstand mehr Thätigkeit als Empfangendes. Vernunft ist der Verstand selbst, aber in ihrer Hingebung unter die Seele. In dieser Hingebung zeigt sich die Vernunft mehr leidend als thätig. Sie ist | das Buch, in das die Seele ihre Schöpfungen einzeichnet. Was die Vernunft nicht in sich eintragen läßt, kommt nicht von der Seele : sie ist eben das, was in der Geometrie der Raum ist. Vernunft ist daher das receptaculum der Ideen und der Probier-Stein der Wahrheit. Die wahre Philosophie besteht also aus Gefühl, Vernunft, Seele. So nur ist das Erkennende und das Erkannte Eins in ihr, beides Göttlich. Die Gefühls-Philosophie ist nicht zureichend : doch taugt sie noch besser als die Verstands Philosophie.
{ Begierde und Willen. } C.) Die dritte Beziehung der Seele | ist auf Begierde und Wille. Hieraus entsteht Tugend als Reinheit, und Stärcke der Seele. Das höchste Prinzip der Moral ist : Lasse die Seele in dir handeln : Handle als seliger Mann : Handle unpersöhnlich. Dies ist das Kantische handeln nach der Tauglichkeit der Maxime zu einer allgemeinen Gesez-Gebung :34 Das unpersöhnliche wird in der Kunst, der Wisenschaft, so wie in dem praktischen Leben am höchsten geschäzt. Seligkeit, Religioesitaet D.) Die höchste Stuffe der Seele ist endlich, daß sie unbedingt und ohne alle | Beziehung würckt. Dies ist der Zustand der Religiositaet, der innern Seligkeit des Gemüths und Geistes. Die Seele = A 3 ist = der absoluten göttliche Liebe, sie mani festirt sich a.) in der Kunst b.) in der Wisenschaft oder Philosophie, (denn der Mensch, der zum Philosophen gebohren ist, empfindet dieselbe Liebe in sich, wie das göttliche. c.) in der Tugend ; endlich im Höchsten d.) in der Religion.
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Dies ist die oberste Stuffe, jedoch noch immer innerhalb der ersten Potenz d. i. im Erdenleben.
{ Geisterreich } Übergang zur absoluten zweiten Potenz | A 2 oder zum Geisterreich :
{ Tod. } 1.) Der Übergang dahin kann nur durch den Tod gemacht werden. Seine Nothwendigkeit ergiebt sich aus der Betrachtung der Prinzipien, die nothwendig geschieden werden müssen. Das zu scheidende ist unverträglich nicht blos dem andern entgegengesezt. Nur wiedersprechende Prinzipien sind unverträglich, aber nicht die blos entgegengesezten. Der Widerspruch entsteht alsdann, wenn das Nicht-Seÿende das Seÿende seÿn will ; er ist vorhanden in der Opposition des Guten und Bösen. Dieser Widerspruch hat sich vom Menschen auf die Natur verbreitet, daher | befindet sich der Mensch während des gegenwärtigen Lebens nur zum Theil in seinem Esse, zum Theil aber in einem Nicht-Seÿn. Der innere Mensch, welcher aber der Mensch selber ist, ist immer entweder Gut oder Böse : aber in der Natur findet sich diese entschiedenheit nicht : dort sind die Prinzipien gemischt. Die Unentschiedenheit der Natur äussert sich auch in dem Gemüth des Menschen oder dem Naturel, und eben so im Leibe. Aus der Unentschiedenheit der Natur im jezigen Zustand entsteht auch der Unterschied zwischen dem innern Menschen oder dem Geist, sodann dem äussern oder scheinenden Menschen. Im leztern ist Gutes und Böses gemischt. | Bei dem Guten ist das Gute das Innere, das Böse das Äussere. Bei dem Bösen ist es umgekehrt. Vermöge dieser Contrarietaet erscheint der Geist des Menschen nie in seinem wahren Esse. Der Seÿende Mensch ist dem Geist nach entweder gut oder Böse, der scheinende Mensch ist gemischt.
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Aus diesem erscheinenden Leben, aus diesem zweÿdeutigen Zustand muß der Mensch einmal heraustretten, in sein wahres Esse, d. h. in sein eigenes A 2. Der Tod ist also nothwendig, um den Menschen in sein eigentliches Esse in A der zweiten Potenz zu erheben. |
{ Was folgt dem Menschen.? } 2.) Von dem, was dem Menschen folgt Ihm folgt ins andere Leben alles, was er selber war ; Nicht blos mit seinem Geiste gehet der Mensch über, sondern auch, was im Leibe er selber ist, und zu ihm selber gehörte. Es ist daher ein äusserst wichtiger Saz, daß auch im Leibe ein geistiges Prinzip liegt, daß nicht der Leib den Geist, sondern dieser jenen korrumpirt. Der Tod ist also keine absolute Lossreissung des Geistigen von dem Phÿsischen ; auch lezteres gehet mit, insofern es vom Menschen selbst gebildet ist. Daher ist auch der ganze Mensch unsterblich. Der Prozeß, der im Tode vorgeht, ist wie wenn in der Natur | aus einer Pflanze ihre Esenz gezogen wird, wie z. B. der Mellissen Geist aus der Melisse.35 Tod ist daher nicht Trennung, sondern Essentification der Prinzipien. Alles wird abgeschieden, was in die Essenz des Menschen ohne sein Zuthun eingegriffen hatte. Was also von dem Menschen in die andere Welt übergeht, ist das Daemonische ; es ist weder Phÿsisch allein, noch Geistig allein. Das Phÿsische nicht dem Menschen angehörige wird von seinem Geistigen, umgekehrt, das einem Theil seines Phÿsischen nicht angehörige, wird von diesem Theil geschieden. Das Daemonische ist diesemnach | ein höchst wirckliches Wesen : es ist das, was die Volks Sprache einen Geist nennt.
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{ Zustand nach dem Tode. } Vom Zustande nach dem Tode ! 1.) Er wird weit kräftiger seÿn, als im Leben ; weit persöhnlicher, weil die Persöhnlichkeit, statt vermindert zu werden, erhöhet wird. In die zweite Potenz treten wir mit dem wahren Bewußtseÿn ein. 2.) Der Tod ist nichts, als eine Intensificirung des Geistes. Alles Wesentliche ist stärcker, wenn es nicht mit dem Zufälligen gemischt ist. 3.) Man vergleicht den Tod mit dem Schlaf. Die Vergleichung ist in soweit nicht richtig, als man sich unter dem Schlaf völlige Ruhe | und Unthätigkeit denckt, wohl aber in so fern der Schlaf das höhere innere Leben ist, wo sich der Mensch als Mittelpunckt zwischen dem Innern und Aeussern zeigt.36 Der Zustand nach dem Tode ist ein schlafendes Wachen, oder ein wachendes Schlafen. 4.) Die Clairvoyance, der Somnambulen, Magnetisirten ist antizipirtes Höheres Daemonisches Leben. Diese Clairevoÿance ist aber nicht den Guten allein, sie ist auch den Bösen eigen. Schon in diesem Leben giebt es eine Genialitaet für’s Schlechte – Ebenso in der andern Welt – der Zustand der Hölle gleicht dem Wahnsinn. | Ob wir nach dem Tode Erinnerungs-Vermögen haben werden, fragt man oft ? In jenem Leben bedürfen wir nicht der Erinnerung, wie in Gegenwärtigem, weil sie hier blos nothwendige Folge der Zerstreuung ist, in der wir leben. Aber in jenem Conzentrirten Zustand, wo unser Inneres verklärt ist, schauen wir Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zugleich an : Vergangenheit und Zukunft, als solche, sind verschwunden, was war und was ist, sehen wir in gleichem Licht.37
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{ Himmel und Hölle. } 6.) In dem Daemonischen ist Phÿsisches und Geistiges Eines geworden. Daraus folgt die | höchste Innigkeit des Daseÿns. Jezt ist der Geist selbst zu der Basis geworden, weil er etwas Phÿsisches geworden ist : Tritt nun vollends die Seele ein, so gelangt der Mensch zur höchsten Potenz. Daher ist die Seligkeit Innigkeit aller Potenzen. Nun ist das zuvor Subjective ebenfalls Objectiv geworden. Die Unseligkeit wird in dem Unvermögen zur Innigkeit des Daseÿns bestehen, ob sie gleich durch die Verhältnise derer, die sich im geistigen Zustand befinden, gefordert wird. Die Seele kann bei den Unseligen (daher ihr Nahme)38 nicht eintretten, weil der | Geist über die Seele dominirt hat. Der Himmel ist der Zustand der Freÿheit und Unschuld, der Höchsten Einheit und Sÿmpathie. Die Hölle ist das Reich der Zwitracht und der Tÿranneÿ. Die Wesen, die Gott nicht unterworfen seÿn wollen, fallen einem Tÿrannen anheim. Daseÿn und Inneres einer Geisterwelt. Gleich bei der Uranfänglichen Scheidung, als Gott das Reale dem Idealen als ein eigenes Prinzip entgegensezte, mußte er auch das Ideale als ein eigenes Prinzip | und somit auch als eine eigene Welt sezen. Die Geisterwelt ist so alt, als die Natur, so wie die Natur ein Reales, ein Ideales und eine Indifferenz in sich begreift, gerade so auch die Geisterwelt. Was ist das Reale im Idealen ? Antw : das Gemüth ; denn da alle Schöpfung auf einem Realen beruht, so muß auch die Geisterwelt ihre Unterlage haben. Das göttliche Gemüth ist der Stoff, woraus die reinen Geister geschaffen sind. Auch die reinen Geister haben also ein relativ nicht-Seÿendes in sich, dadurch gewinnen sie Freÿheit von Gott als Seÿendem ; | in dem Seÿenden konnten sie sündigen und nicht sündigen.
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{ Teufel. } Auch in der Geistigen Welt konnte daher eine Trennung in Gutes und Böses geschehen. Nach der christlichen ReligionsTheorie ist es der höchste erschaffene Geist, der sündigte und von Gott abfiel. Dieses Mittel-Wesen war vermuthlich bestimmt, Herr der Geisterwelt zu seÿn, und mit ihr die Natur zu vermitteln ; bestimmt den Indifferenz Punckt zwischen Geist und Natur zu werden, wie der Mensch zwischen Natur und Geist, weil in diesem Geist dadurch die Möglichkeit lag, | Herr der Natur zu werden, so läßt es sich sehr gut dencken, wie dieser Geist streben konnte, Herr der Natur, unabhängig von Gott zu werden. Er wollte Herr der Natur für sich, ohne Dependenz von Gott seÿn. Weil nun Satan seine Bestimmung verfehlte, und der Mensch das werden sollte, wozu jener zuerst vorhanden war, Weil nun nur noch der Mensch Vermitler zwischen Gott und Natur werden konnte, womit die Natur als eine von Gott getrennte Welt, wie sie jener zu seiner Herrschaft verlangte, unmöglich wurde, so ist es wohl erklärbar, wie theils Satan ein Feind der Menschen, theils wie es sein | unabläßliches Bestreben werden könnte, auch die Menschen zum Abfall von Gott zu reizen. Daher hat es nichts Vernunftwidriges wenn wir durch eine höhere Offenbahrung belehrt worden, daß der Teufel von Anbeginn der Verführer der Menschen war, daß er den jezigen Mittler Christus zu verführen suchte, und daß er noch jezt nicht müde wird, sein Verführungs-Geschäft unter dem Menschen Geschlecht mit Eifer zu betreiben. Sein Zweck ist immer derselbe, Er, nicht Gott, soll Herr der Natur seÿn. |
{ Verhältnis der Geisterwelt zu der Unsrigen. } Die Geisterwelt enthält die Urbilder Archetÿpa von dem, was wir hier als Abbilder sehen. Zwischen der Geisterwelt und der Natur im Ganzen ist eine unmittelbare Verbindung zwar unmöglich, dennoch hat eine obg leich entfernte Sÿmpathie so gewiß statt, als beede zu
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e inem Weltplan gehören. Daher existiren auch in jener Welt Gesellschaften von Geistern, die eine Art von Vorbild der Erde- Gesellschaften sind. Je geistiger ein Volk auf Erden ist, desto mehr entspricht es seinem himmlischen oder höllischen Urbild in der andern. | Ja jeder Mensch hat einen Bestimmten Rapport zur Geisterwelt. Dieser Rapport ist um so größer, je mehr der Mensch sich selbst daemonisirt. Auch in der Geisterwelt findet sich eine Sehnsucht nach der Natur, wenn sie sich nicht in ein näheres Verhältnis mit dem Menschen sezt, so ist es nur darum, weil sie die Mischung des Guten und Bösen fürchtet ; Wäre der Mensch fähig, sich ganz zu reinigen, so würde er sich in Rapport mit der Geisterwelt sezen können. Aber nicht nur mit dem Menschen, auch mit jedem Ding der Natur steht die | Geisterwelt im Zusammenhang. Jedes Ding hat seinen Rapport in der Geisterwelt. Die Absicht durch Abscheidung alles Guten in einem Ding ihm einen Rapport zu bösen Geistern zu geben, ist die der sogenannten schwarzen Magie, die entgegengesezte liegt der Guten Magie zum Grunde. Übergang zur dritten Potenz des absoluten A 3. Eine solche Periode einer Verklärung des All in Gott muß einmal in der Weltgeschichte kommen. Dann 1.) Die Natur ist ohne ihre Schuld in diese Depravation gekommen, daher sehnt sie | sich verewiget zu werden. 2.) Eben so sehnt sich Gott nach der Natur. 3.) Gleiche Sehnsucht liegt in dem Menschen, Er hat ein Verlangen nach der Natur, um etwas zu haben, was nicht er selbst ist, um sich darinn spiegeln zu können. Dieses andere Selbst ist sein Leib, nach welchem sich der Mensch sehnt. Daher tritt nach dem Tode nicht gleich der höchste Grad der Seligkeit ein, es fehlt dem Menschen noch sein Leib.
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{ Auferstehung des Leibs. } Fragen wir warum der Mensch nicht unmittelbar nach dem Tode in diesen Zustand versezt werde, so müßen wir antworthen : weil dies nach dem gegenwärtigen | Zustand der Natur nicht möglich ist, und die Natur vors erste selbst durch Scheidung vollendet werden muß. Würde diese Vollendung nicht abgewartet, so würde der Mensch nur in seinen jezigen Zustand zurückfallen. In der Natur muß der Prozess der Scheidung des Guten und Bösen weit länger dauren, als im Menschen. Am Ende muß und wird aber diese Crisis eintretten.
{ Jüngstes Gericht. } Das Eintretten dieser Crisis heißt das jüngste Gericht, hier geht in der Natur eben dieselbe Scheidung vor, wie im Menschen. Das nothwendige Produkt dieser Crisis ist eine reine unschuldige | selige Natur, aus der Kranckheit und Tod entfernt sind. Die Ewigkeit der Natur wird also dadurch gesezt, daß sie in das A 2 und A 3 aufgenommen wird. Dann ist jeder Theil der Natur integranter Theil des absoluten Selbst. Jezt tritt die Geisterwelt in das Phÿsische ein, so daß die Lehre von der Auferstehung der Todten ganz in dem Sÿstem liegt. Geist und Leib müssen wieder zusammen kommen und durch diese lezte Verbindung beeder Welten ist der Zweck | der Schöpfung erreicht. Den Prozeß der ganzen Schöpfung können wir uns unter dem Bild eines Umlaufs vorstellen. Er ist eine langsame fortschreitende Umlaufs-Bewegung, worinn das Nicht Seÿende zum Seÿenden erhoben wird. Denn aber auch das Seÿende in’s Nichtseÿende zurückversezt wird.39 Das lezte muß das Erste, und das Erste das Lezte werden. Der grose Kreiß ist erst alsdann ganz vollendet, wenn das Oberste mit dem Untersten geschlossen ist. Weil der Mensch hiebei der Vermittler ist, so ist er so | hoch geachtet in Gottes Augen. Gott liebt die Nidrigkeit, er will das Untergeordnete zum Höchsten machen.
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Es ist sogar eine formale Nothwendigkeit vorhanden, daß endlich eine solche höhere Welt entstehe. Es muß alles der absoluten Identitaet untergeordnet werden, wie zuvor im gegenwärtigen Leben, alle Potenzen, der Ersten, im Geisterleben der Zweiten untergeordnet waren, so endlich alles der Dritten. Alsdann ist das ewige Leben vorhanden. Aber selbst in dieser lezten höchsten Periode müssen wieder mehrere Perioden | angenommen werden. Wenn auch A 3 völlig verwürcktlicht ist, müssen doch in die sem wieder alle Potenzen durchlaufen werden. Hieher gehört vielleicht die Frage von der Apocatastasis Panton40. Was wird dann nun das allerlezte Schicksal des Bösen seÿn ? Sein nächstes ist, daß es ganz vom Guten ausgeschlossen wird, in der lezten Scheidung, wenn das Böse vom Guten ausgeschlossen ist, dann sind seine höchste Zwecke erreicht, weil ja sein Wesen darinn besteht, daß es für sich bestehen will. In der gegenwärtigen Welt hat das | Böse die Wohlthaten der Natur genossen, in welcher das Feuer des göttlichen Egoismus gedämpft, durch Liebe gemildert war. In der Geisterwelt wird es vom Guten gänzlich geschieden. In der lezten Periode bleibt ihm nichts übrig, als sich selbst in den göttlichen Egoismus, in das allverzehrende Feuer, zu flüchten. Da aber dieser Egoismus die Basis der Natur ist, so wird die Hölle selbst das Fundament der Natur werden. Da aber die Sünde nicht ewigen Ursprungs ist, so kann auch die Folge derselben nicht ewig seÿn ; Es ist daher | Unser Wunsch und unsere Hofnung, daß auch das Böse wieder in den Kreis der Ewigkeit eintretten werde. Wir hoffen, daß diese Wiederbringung des Bösen eine Handlung seÿn werde, die noch in eine der Perioden fallen wird, die in der lezten grosen Periode in der dritten Potenz des A entstehen. Alsdann wird Gott seÿn Alles in Allem 1. Cor. XV. Alsdann wird man mit Recht sagen können : daß vorhanden seÿe der voll endeteste Pantheismus.
BEIL AGE
Briefwechsel F. W. J. Schelling – E. F. von Georgii
[ 12. 2. 1810 ]
Ew. Hochwohlgeboren bitte ich überzeugt zu sein, daß ich Bemerkungen, wie die heute gütigst mitgetheilte, nach ihrem ganzen Werthe zu schätzen weiß. Die Gesellschaft hätte ich allerdings kleiner und übereinstimmender gewünscht – (von Mehreren, die das überschickte Schreiben nennt, habe ich bisher nichts gewußt) – überhaupt so wenig Förmlichkeit als möglich in der Sache, indem es gar nicht meine Absicht sein kann, mich hier zum Lehrer zu constituiren. Wie sich meine Ueberzeugungen zu Pestalozzi verhalten, ist mir bis jetzt fast unbekannt. Von meiner Seite hat noch keine Berührung stattgefunden, auch halte ich gern alles mir fern, was nicht meines Amtes ist, d. h. was nicht unmittelbar in den Kreis des Geschäftes eingreift, für welches ich mich berufen und bestimmt glauben darf. Das einstimmige Zeugnis glaubhafter Männer versichert mich übrigens, daß P[estalozzi] ein wesentlich religiöses Gemüth sei : von Herrn Niederera muß ich, zufolge meiner Seelenkunde, nach Einigem, was ich von ihm gelesen, das Nämliche glauben. Gehen wir nun zusammen, so kämen wir auch ohne die hiesige Veranlassung zusammen, wie es nach Ihrer Erwähnung durch Niedererb bereits geschehen ist ; passen wir nicht, so kann das hiesige Experiment in der Hinsicht keinen Schaden anstiften. Uebrigens werden Ew. Hochwohlgeboren durch Ihre Theil nahme das Meiste zu einer erwünschten Richtung des Gesprächs, auch in Rücksicht auf den wichtigen Punct, den Sie in Ihrem Briefe berühren, beitragen können, und ich bitte Sie besonders auch in dieser Beziehung, die Veranlassung zu jeder a Niederer ] b Niederer ]
Plitt : Riederer Plitt : Riederer
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briefwechsel schelling – georgii
Erläuterung zu geben, welche die Sache der Religion oder des öffentlichen Unterrichts fördern zu können scheint. Ich wünsche, daß nichts von meinen Ueberzeugungen in Welt und Leben übergehe, das nicht die Feuerprobe des ernsthaftesten Geistes bestanden hat. Bei dieser Gelegenheit bitte ich Ew. Hochwohlgeboren um die Erlaubnis, meinen Bruder, den Doctor Medicinae, zu den Unterredungen mitbringen zu dürfen, der gewiß kein unnützes Mitglied sein wird. Ich würde Ew. Hochwohlgeboren selbst besucht haben, wenn nicht heute eine Menge zu schreibender Briefe mich nöthigte zu Hause zu bleiben. Empfangen Ew. Hochwohlgeboren die Versicherung meiner vollkommensten Verehrung. Stuttgart, den 12. Febr[uar] 1810. Schelling.
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[ 18. 2. 1810-1 ]
Ew. Hochwohlgebohren werden sich verwundern, das mitgetheilte Heft so stark von meiner Hand interpolirt zu finden ; ich habe mir nämlich, da Sie es doch wieder abschreiben lassen müssten, die Freÿheit genommen, die nöthig geglaubten Veränderungen gleich Ihrer Handschrift beÿzusetzen. Über die pag. 8. 9. aufgestellte Vergleichung des Leibnitzischen u. Fichteschen Sÿstems mit dem meinigen sind mir beÿ genauerer Erwägung doch einige Zweifel entstanden ; ob ich gleich in dem Manuscript nichts ändern mochte, weil es ohne Weitläufigkeit nicht geschehen konnte. Wenn nämlich von Leibnitz gesagt wird : »er habe nur eine einzige Grundform, aber verschiedene Wesen« ; von mir dagegen : »ich habe nur ein einziges Urwesen, aber verschiedene Formen«, so müßten, dem Gegensatz zufolge, unter den verschiedenen Wesen, die Leibnitz beÿ Einer Grundform statuiren soll, auch verschiedene Ur wesen verstanden werden. Diese finden sich aber beÿ Leibnitz nicht. Er statuirt nur Ein Urwesen Gott, u. dieses ist von den abgeleiteten Wesen innerlich nicht verschieden, indem ihm auch Gott nur Vorstellkraft ist, nämlich eine Kraft, unendliche Welten vorzustellen ; indeß die einzelnen Monaden nur die Welt sich vorstellen, die durch ihr Verhältniß zu andern Monaden bestimmt ist. – Sind aber durch die verschiednen Wesen des Leibnitz nur die numerisch-verschiedenen Monaden verstanden, welche er statuirt, so findet in dieser Hinsicht zwischen ihm u. mir kein Unterschied statt, indem ich ebenfalls numerisch verschiedne Wesen (Individuen im eigentlichen Verstand) nicht nur zugebe sondern behaupte. Wollen Ew. Hochwohlgeboren die Genealogie der philo s[ophischen] Sÿsteme bis auf unsre Zeit nach meiner Vorstellung kennen und etwa an der angeführten Stelle einschalten, so wäre sie ohngefähr folgende.
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Cartesius statuirt zweÿ absolut verschiedne Substanzen A Ideales oder Geistige Substanz.
und
B Reale, ausgedehnte oder materielle Substanz.
Er ist absoluter Dualist. Spinoza ist absoluter Anti-Dualist, d. h. er setzt A = B, die denkende u. ausgedehnte Substanz als Eins, er setzt Identität, hebt aber allen Dualismus auf, indem ihm die denkende u. die ausgedehnte Substanz wirkl[ich] numerisch einerleÿ sind. Leibnitz nimmt B ganz weg, u. statuirt bloß A. Er hat damit zwar auch eine Identität, weil nämlich ihm zufolge alles bloß geistiges Wesen ist, aber er hat nur eine relative, oder einseitige – keine absolute – zweÿseitige – Identität. Die Franzosen (z. b. das Système de la Nature) nehmen A d. h. das geistige ganz hinweg ; sie haben bloß B, d. h. die Materie, als ein rein Äußerliches ; u. damit zwar auch eine Identität, die aber durch einen an allem Geistigen begangenen Todtschlag entsteht. Leibnitz statuirt wenigstens in oder unter dem A noch ein A u. B – inwiefern er die Realität der Körperwelt wenigstens in so fern zugiebt, als auch in dieser – Monaden sind. z. b. unsre Seele ist eine Monas – unser Leib auch – hier ist also im Ganzen zwar nur A, aber unter dem A doch noch ein A u. ein B. Kant u. noch entschiedener Fichte haben vollends das B auch unter A weggenommen. Nach Fichte kommt dem Körper – oder äußern Welt nicht einmal eine ideale – sondern eben gar keine Existenz zu. Das Ideale ist nicht, Einmal subjectiv (in uns), das andremal objektiv (außer uns), sondern es ist überall nur subjektiv gesetzt. – Idealismus in seiner höchsten Steigerung, oder äußersten Einseitigkeit. Was mich betrifft, so besteht meine Grundansicht in der Verknüpfung oder absoluten Identität der Einheit u. des Gegensatzes.
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Ich unterscheide mich a. von Cartesius dadurch, daß ich keinen absoluten Dualismus behaupte, d. h. einen solchen, der Identität ausschließt. b. von Spinoza dadurch, daß ich keine absolute Identität in dem Sinn behaupte, daß sie allen Dualismus ausschlösse, c. von Leibnitz dadurch daß ich Reales u. Ideales (A u. B) nicht wieder in’s bloße Ideale (A) auflöse, sondern einen realen Gegensatz beÿder Principien beÿ ihrer Einheit behaupte. d. von den eigentlichen Materialisten, dadurch daß ich nicht geistiges und reales bloß in’s Reale (B) auflöse ; was übrigens nur noch beÿ den geistreicheren Materialisten – den Hÿlozoisten – der Fall ist. Denn die eigentl[ichen] französ[ischen] Materialisten haben auch von A und B unter B wieder A hinweggenommen, u. also ein bloßes B zurückgelassen (Atomistiker u. Mechaniker), die also das Gegenstück zu Fichte sind, der von A u. B unter A nur A zurückgelassen hat e. von Kant u. Fichte dadurch, daß ich – weit entfernt, auch das Ideale wieder bloß subjectiv (im Ich) zu setzen, vielmehr diesem Idealen ein reelles Reales entgegensetze – also zweÿ Principien, deren absolute Identität Gott ist. Ew. Hochwohlgeboren sehen, daß seit Cartesius, dem Vater aller neu-europäischen Philosophie alle mögliche Einseitigkeiten – bis auf die äußersten und härtesten – im Idealismus Fichte’s u. dem Mechanismus der Franzosen – durchlaufen waren ; daß also einem Kopf, der unbefangen die Philosophie von Grund aus wieder untersuchen wollte, kein andres als das alles vereinigende übrig blieb. Erlauben mir nun Ew. Hochwohlgeboren noch ein offenherziges Bekenntniß. Ich sehe es ungern, daß Sie durch die Beschäftigung des Aufschreibens dem Antheil an dem Gespräch, was doch immer Hauptabsicht ist, entzogen werden. Auch würde sich ein dogmatischer Vortrag leichter, als ein genetischer, d. h. die eigne innere Thätigkeit des Zuhörers in Anspruch nehmender zu Papier bringen lassen. Beÿ einem solchen Vortrag wird allerdings manches eingemischt, das nur als Erläuterung,
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Verbindungsmittel dient ; inzwischen geht doch auch durch die Reduktion desselben auf die demonstrative Form manche feinere Nüance, die nachher oft als wesentlich erscheint, und jener geistige Duft verloren, der den lebendigen Zusammenhang des Ganzen unterhält. Selbst ein Geist von Ihrer Penetrationskraft wird schwerlich das doppelte Geschäft jener Reduktion und zugleich das der lebendigen Nacherzeugung der angeregten Ideen immer vereinigen können. Für mich, für die ganze Gesellschaft würde es äußerst instructiv seÿn, wenn Ew. Hochwohlgeboren, ohne während des Vortrags aufzuschreiben, nachher jede einzelne Unterredung zu Papier bringen wollten, indem hiebeÿ eine eigentlich lebendige Reproduktion durch das Medium Ihres Geistes vorginge, wobeÿ auch der Vortragende allein beurtheilen kann, ob er wirklich verstanden worden. Der Zweck der Wiederanknüpfung des Fadens würde dadurch auf eine viel interessantere Weise erreicht, ohne Ew. Hochwohlgeboren mehr Mühe zu machen, indem Sie das Nachgeschriebene doch erst wieder in’s Reine bringen müssen. Sollten Sie aber dieses Geschäft, nicht wie ich doch sehr wünschte, übernehmen wollen, so würde ich mich – um des, freÿlich eigennützigen, Zwecks willen, Sie so viel möglich für das Gespräch zu gewinnen u. Sie ganz dabeÿ gegenwärtig zu wissen – gern anheischig machen am Anfang jeder folgenden Unterredung die vorhergehende kurz zu wiederholen, oder auch die Themata derselben schriftlich aufgesetzt mitzubringen. Verzeihen Sie diese Äußerung dem lebhaften Interesse, welches für mich Ihr Antheil an der Sache hat ; und seÿn Sie der vollkommensten Verehrung versichert, mit der ich stets seÿn werde St[uttgart] d. 18. Febr[uar] 10.
Ew. Hochwohlgeboren geh. Diener Schelling.
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[ 18. 2. 1810-2 ]
Ew. Hochwohlgeb[oren] will ich noch heut Abend einiges auf Ihren Brief erwiedern, weil er mir einen nicht vermutheten Misverstand zeigt. Dieser würde sich zwar im Fortgang von selbst verlieren, weil er auf einer Anticipation über eine Materie beruht, auf die ich vielleicht erst in der 3ten oder 4ten Unterhaltung zu reden komme, u. mir über diese eine Meÿnung beÿlegt, welche nicht die meinige ist. Aber ebendarum, weil Sie dann erst in der 3ten oder 4ten Unterredung bemerken würden, dem Princip einen Sinn untergelegt zu haben, den es nicht hat, halte ich für meine Pflicht, diesen Punkt jetzt gleich zu berichtigen. Ich sehe nämlich aus Ihrer Erwiederung in Betreff des zwischen Leibnitz u. mir angestellten Vergleichs, daß Sie die absolute Identität – wenigstens zugleich oder auch – für eine numerische ansehen, indem Sie ihr die Mehrheit der Wesen entgegensetzen. Sie scheinen der Meÿnung zu seÿn, als habe ich eine substantielle Einheit Gottes und der endlichen Geister (wie Sie es nennen) behauptet ; u. ich sehe wohl, was Sie unter substantieller Einheit verstehen – ohne Zweifel, was ich eine persönliche nennen würde. Eine solche Identität der Geister mit Gott würde allerdings alle Mehrheit von Wesen aufheben. Nun kann aber in dieser Region, worinn wir uns noch zur Zeit mit unsern Unterhaltungen befinden, von einer numerischen (d. h. bloß äußeren) Einheit (unicitas) überhaupt nicht die Rede seÿn – am wenigsten kann sie dem Urwesen zugeschrieben werden –, sondern bloß von der innern (unitas), die wir wohl die logische nennen könnten, wenn wir uns über diesen Ausdruck verständen, oder, deutlicher, die metaphÿsische, im Gegensatz der phÿsischen numerischen. Über Mehrheit oder Nicht-Mehrheit der Wesen im numerischen (persönlichen) Sinn wird hier noch gar nicht entschieden, weil dieser Begriff einer viel tiefern Sphäre angehört u. der Gegend, in der wir uns noch befinden, völlig fremd ist.
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Hat vielleicht der Ausdruck : Identität der Natur- und der GeisterWelt zu dem Misverstand Anlaß gegeben ? Verstehen Sie diese als eine Identität in der Natur- und in der Geisterwelt, die in beÿden alle innere Vielheit aufhöbe ? Mir bedeutet sie vor der Hand nur die Identität zwischen beÿden – das Innere der Natur u. Geisterwelt – also auch ob eine wirkliche Viel- oder Mehrheit darinn stattfinde ? kann hier noch gar nicht verhandelt werden, wo es sich noch von der Existenz dieser beÿden Welten überhaupt handelt. Auf die beÿden Endfragen Ihres Schreibens muß ich diesem gemäß so antworten : ad 1) ob Leibnitz eine mehr als bloß logische – nämlich eine substantielle oder (wie ich es ausdrücken würde) persönliche Identität (mit einem Wort : eine Einerleÿheit) Gottes u. der endlichen Geister statuirt habe ? – diese Frage ist bloß historisch. Beantworte ich sie bloß in diesem Sinn, so behauptet Leibnitz allerdings eine Personalität der Monaden gegenüber von Gott – also nach Ihrem Ausdruck eine Nicht-Identität im substantiellen Verstand. Deßwegen kann aber doch nicht gesagt werden : Leibnitz behaupte eine Mehrheit von Wesen, während ich nur Eines (unicum) behaupte ; der Gegensatz wäre hier unrichtig, weil im ersten Glied desselben (bei Leibnitz) offenbar von abgeleiteten Wesen, im zweÿten (beÿ mir) vom Urwesen die Rede ist. Denn ich habe nur die Einheit (unitatem) des Wesens aller Wesen behauptet, die Leibnitz auch behauptet, wenn er sie gleich einseitig, nämlich idealistisch, bestimmt. Eine andre Frage wäre : ob Leibnitz eine Personalität der endlichen Geister wirklich konsequent behaupten könne ? Diese Frage wäre nach Gründen, die vielleicht in der Folge noch deutlich werden, zu verneinen. Leibnitz ist am aufrichtigsten, wo er die Monaden bloße coruscationes divinitatis nennt ; das kommt von seiner einseitigen Identität. Ohne eine zweÿseitige giebt es keinen wahren Unterschied der Dinge von Gott. ad 2) Die Nothwendigkeit einer substantiellen Einheit Got-
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tes und der endlichen Geister – (wo kommen denn diese schon her ?) – – läßt sich durchaus nicht beweisen. Vielmehr läßt sich das Gegentheil – nämlich eine reelle Differenz der endlichen Wesen NB. als solcher von Gott erweisen. — Ganz deutlich kann ich Ihnen über diesen Gegenstand hier unmöglich werden. Diese Fragen kommen viel zu früh. Ihr durchdringender Geist möchte gern gleich im Princip das Ganze sehen. Dieß ist aber unmöglich. Wir müssen die Entwicklung des Princips abwarten ; auf jede Frage kommt an der rechten Stelle gewiß auch die rechte Antwort. Beÿ jedem Satz ist bloß zu denken, was unmittelbar in ihm liegt, aber keine seiner Folgen, ehe sie eigens entwickelt ist. – – Eine Mehrheit von Wesen kann mit der absoluten Identität des Princips – da diese keine numerische Einheit oder Einzigkeit aussagt – in keinem Widerspruch liegen ; (so viel ist gewiß, schon jetzt) ; wo ich sie aber herbekomme, (jene Mehrheit), kann sich erst in der Folge ausweisen. — Ich lasse den Gründen, (besonders dem einen faktischen), den Ew. Hochwohlgeboren für das unmittelbare Aufschreiben anführen, volle Gerechtigkeit widerfahren u. möchte nun vielmehr bitten, daß Sie damit continuiren. Das Aufsetzen der Thematum könnte ich beÿ genauerer Schätzung der Zeit, die mir meine nothwendigen literarischen Arbeiten übrig lassen, doch nicht mit Gewißheit versprechen. Es wird mir daher angenehm seÿn, wenn Ew. Hochwohlgeboren beÿ Ihrem ersten Vorsatz bleiben. Verehrungsvoll 18. Febr[uar] Nachts 10. Uhr Schelling. PP. Mir fällt bey, daß ich mit H. v. Wangenheim die Verabredung getroffen, ihn zu erwarten, indem er mich in seinem Wagen abholen wollte.
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Ew. Hochwohlgeb[oren] melde ich dieß in Eile, damit Sie mich nicht früher erwarten : bedaurend übrigens, daß ich auch dieses Mal um Ihre vorläufige Belehrung komme, die mir inzwischen auch für die Folge noch von Nutzen seyn wird. Verehrungsvoll Ew. Hochwohlgeb[oren] ganz geh. Diener Schelling.
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[ 20. 2. 1810 ]
Fahren Ew. Hochwohlgeboren doch ja fort, mir Ihre Einwendungen schriftlich oder mündlich, wie es Ihnen gefällt, mitzu theilen. Ich habe den lebhaftesten Wunsch – nicht Sie zu überzeugen, wozu vieles gehört das weder in meiner noch in der Gewalt der Sache ist, auch nicht à la Fichte Sie zum Verstehen zu zwingen, sondern nur es dahin zu bringen, daß Sie mich über die Hauptpunkte nicht misverstehen. Ihre Fragen, (ohne alle Schmeicheley, die in Dingen der Wahrheit lächerlich ist seÿ es gesagt), sind für mich alle belehrend, sie geben mir Licht über viele andre Mißverständnisse, und der kräftige Ausdruck derselben erhöht ihren Werth, wie Bestimmtheit in allen Dingen den ersten Vorzug ausmacht. Über den Wunsch, daß gleich im Anfang über Personalität u. hÿpostatische Verschiedenheit Gottes von uns u. der Creatur überhaupt die bestimmteste Erklärung gegeben werde, wollen wir also morgen ausführlicher reden. Ich hoffe, Ihnen genügende Antwort geben, so wie überhaupt was diesen Punkt betrifft, Sie befriedigen zu können. Es wird mir lieb seÿn, wenn Sie Ihren Aufsatz morgen zuerst vorlesen wollen. Sollten Sie Gelegenheit haben, die andern Herrn zu bitten, daß Sie wo möglich genau um 5 Uhr kommen : so wär’ es in der Hinsicht nicht übel, als ich morgen gern die Unterredung bis auf einen Punkt führen möchte, wo alles schon lichte ist, und wo möglich auf dem fruchtbaren Boden der Wirklichkeit anzukommen suchen werde – ein Pensum, das beÿ den noch über das Frühere zu ertheilenden Antworten u. Erklärungen etwas stark ist. In Hoffnung Ew. Hochwohlgeboren morgen zu sehen, – da der immer noch sich erhaltende Katarrh beÿ dieser Witterung jeden Ausgang misräth – 20. Febr[uar] 10.
Ew. Hochwolgeboren geh. D[iener] Schelling.
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[ 17. 7. 1810 ]a
S. 2. NB. 〈1〉.b F 1)c Die Worte : »wo nicht der Zeit — nach«d sind von dem Nachschreiber hinzugesezt worden, weil er glaubt, daß diese Worte dem Sÿstem gemäs seyen. S. Abh[andlung] von der Freiheit S. 430. verb[a] Was übrigens jenes Vorhergehen betrift ppp Übrigens bekennt er offen, daß er mit aller Anstrengung nicht fähig war, sich einen Begrif davon zu machen. Er vermag es F 2) sich nicht zu erklären, wie nach dem Sÿstem der Ideale, seyende persöhnliche Gott ohne zeitlichen Anfang da seyn könnte : Es übersteigt nicht nur alle sinnliche Begriffe, F 3) sondern es scheint sogar unmöglich, einen Begrif davon zu haben, wie ein Vorhergehen des Grundes statt haben könne, wenn nicht Gott aus dem Grunde in der Zeit entstanden ist. Wie läst sich ein Sehnen nach Manifestation denken, wenn nicht eine Zeit war, wo das ersehnte noch nicht war ? Was heist Sehnen anders, als wollen, daß etwas werde, was noch nicht ist. ich gebe gerne zu, daß dies eine Form blos menschlicher Anschauung ist : aber wie kan man etwas für wahr halten, was man nicht zu denken vermag ? Wie kan Gott in sich einen Innern Grund haben, der ihm als existirenden vorangeht, E) und doch soll Gott wieder das Prius des Grundes seyn, indem der Grund auch als solcher nicht seyn könnte, wenn Gott nicht actu existirte ? S. 430.e Wie kann sich der Mensch a
Die Bögen sind in der Mitte gefaltet, so daß sich daraus zwei gleich große Spalten ergeben, von denen die rechte den Brieftext wiedergibt und die linke »Bemerkungen« vorbehalten ist. b S. 2. NB. 〈1〉. ] Mglw. ein Verweis auf die Paginierung der ursprüngl. Nachschrift, die im Besitz Schellings verblieb. Darüber, linke Sp. : Bemerkungen c F 1) ] Die Bezeichnung des Textes mit Buchstaben stammt von Schelling (vgl. unten S. 147). d nach« ] Hs : nach e S. 430 ] linke Spalte mit Verweiszeichen
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D) vom Grund einen Begriff machen, wenn diesera nicht Causa Dei ist ? ist diesb aber, wie kan Gott wieder Causa Suae Causae seyn ? Man würde vorerst einen neuen Begrif von Causa, von Grund festsetzen, wenn der alte Begrif nicht gelten kan und soll. A) S. 12b.c NB. 2.d (A erregt sich in B. selbst.) Also würde doch A nicht seyn können, wenn B. B) nicht wäre : A oder der actuale Gott ist also kein Ens a se, weil es um zu seyn, eines andern bedarf. Allein, erwiedert man, A ist B. und B ist A [dieß wird NB nicht erwiedert]e : der Grund ist kein anderer, er ist Idem. Ist dies leztere, so scheinen Wir in der Erklärung nicht sehr viel vorgerückt zu seyn. Denn uns ist es um den actualen, persöhnlichen Gott zu thun ; der, wie wir annehmen müssen, von der Natur Specie verschieden ist ? Woher also diese spezifische Verschiedenheit ? woher das Originale in dem Persöhnlichen Gott, woher seine Differenz von der Natur ? Gerade in Seinem C) Eigenthümlichen muß seine Aseität gesucht werden : dieses Eigenthümliche kann daher nicht wohl mit der Natur einerlei Grundstoff haben.f g A3 A2 = (A =B)
Die Individualität und Personalität so wie die Freiheit des Menschen oder das Vermögen des Guten und Bösen entsteht dadurch (wenigstens so wie ich die Abhandlung über die Freiheit verstehe) daß der Grundstoff des menschlichen Individuums a dieser ]
über gestr. : er über gestr. : das c S. 12b . ] linke Sp. d S. 12b . NB. 2. ] vgl. S. 144, Anmerkung b e dieß … erwiedert ] Schelling linke Sp. mit Verweiszeichen f Persöhnlichen Gott … Grundstoff haben. linke Spalte mit Anschlußzeichen g A3 ] linke Sp. A2 = (A =B) b dies ]
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nicht aus A 2. sondern aus A = B. hervorgehet. d. i. der Individuelle Mensch, (nicht sein Körper, sondern sein eigentliches Ich) wird gebohren, indem und dadurch, daß A. sich in B. manifestirt. Es läst sich kein Gebohren Werden des Individuums denken, so lange A. unentwikelt in sich selbst liegt, sondern erst wenn A. in B. heraustritt. B ist ex hypothesi Prius als A. Würde nun Gott dadurch persöhnlich existirend, würde seine Person dadurch konstituirt, daß ehe er A 2 wird, noch etwas, das nicht in B. läge, zu ihm hinzukäme, oder, daß A. sich nicht in B. ganz manifestirt hätte, so liesse sich eine Differenz zwischen ihm und den endlichen Individuen gedenken, indem leztere das nicht hätten, wodurch der Persöhnliche Gott, oder A 2 erst wird. Alsdann liesse sich erklären, wie in den Individuen eine Möglichkeit des Bösen seyn könne, die in Gott nicht gedacht werden kann. Allein, so ist es ex hypothesi nicht, denn das ganze A. ist in B. Daraus folgt nun nicht, daß nicht etwas in B. seyn könnte, das nicht in A ist, aber doch so viel ist gewis, daß, wenn A. in die zweite Potenz kommt, wenn es A 2 wird (aber dies ausser der Zeit gedacht) nichts weiteres und anderes in ihm seye, oder zu ihm kommen kan, als wie es in B. war. Ist die Formel A = B. richtig, und dieß ist ja gegeben, so kan in A. nichts seyn, was nicht in B. wäre. Entsteht also die Möglichkeit des Bösen in den Individuen dadurch, daß diese aus B. kommen, und nicht aus A 2. : so muss die nehmliche Möglichkeit des Bösen auch in A 2 oder dem Persöhnlichen Gott seyn : weil A und B vollkommen gleich sind. Denn wären A und B. nicht vollkommen gleich, so würde 〈 eben 〉 damit die Identität wegfallen.a NB) Lezteres strich ich weg, weil 2 vollkommen gleiche Dinge darum nicht 1. sind. Aber in keinem von den 2 kan doch etwas angetroffen werden, was nicht im andern auch ist.b a wegfallen. ]
folgt gestr. : Mit andern Worten : Der Unterschied zwischen Identität und Einerleiheit ist zwar gesezt, aber scheint noch nicht 〈 erwießen 〉 zu seyn seyn. b NB) … ist. ] linke Sp.
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Stuttg[art] den 18. Juli 1810.
Ew. Hochwohlgebohren wissen, wie sehr mich alle Bemerkungen, die Sie mir mitthei len wollen, intereßiren, sie mögen nun für oder gegen meine Grundsätze zu seÿn scheinen. Ich bin übrigens gewiß so weit, als irgend jemand, entfernt, etwas behaupten zu wollen, woraus eine Herabwürdigung des Begriffs von Gott folgte ; u. wäre ich auch so unglücklich, dieß zu thun, so würde ich wenigstens von Niemandem verlangen, mir einigen Glauben beÿzumeßen. Die mir gestern mitgetheilten Bemerkungen zeigen mir, daß es mir noch nicht gelungen ist, mich Ew. Hochwohlgeboren verständlich zu machen. Den größten Theil der Schuld will ich gern auf die Unvollkommenheit meines Vortrags nehmen – einen ganz kleinen hat vielleicht auch das Nachschreiben daran. Hier meine Gegenbemerkungen, so weit es die Zeit erstattet sie niederzuschreiben ! Ich habe die entsprechenden Stellen Ihrer Bemerkungen mit Buchstaben bezeichnet, die sich auf die meiner Gegenbemerkungen beziehen ; übrigens mir die Freÿheit genommen, mit diesen von hinten anzufangen, weil ich dort das Misverständniß am deutlichsten hervorheben konnte. Also ad A). Hier sagen Sie : »A erregt sich in B selbst«, und so ist es auch S. 12b. nachgeschrieben. Das habe ich nie gesagt. Es ist vielleicht eine Abbreviatur des Nachschreibers. Ich habe gesagt : »A erregt in B wieder A«, aber ich habe nicht gesagt : es erregt sich selbst. – Denn das in B erregte A ist ein ganz andres als das erregende A – es ist das A so weit es im Nichtseÿenden seÿn kann, anstatt daß das erregende A das ursprünglich seÿende ist. – Daß dieß der Sinn ist, können Sie aus dem folgenden sehen, wo Sie richtig aufgeschrieben haben : »B hat schon zum voraus alles in sich enthalten« – (was ist denn dieses alles ? Antwort : eben vorzügl[ich] A) »jetzt wird A (also das schon vorher in B gewesene
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A) geweckt, was also doch wohl von dem es weckenden (dem absoluten A) verschieden seÿn muß. Ferner ebendas[elbst] : »B wird potenzirt (soll heißen : polarisirt oder differenziirt) in A und B« ; also muß B schon vorher A und B in sich enthalten haben, nur daß A durch die vorherrschende Potenz des B unterdrückt war. Mit diesem Misverständniß fällt also auch der ad B) daraus gezogene Schluß hinweg : A ist also kein Ens a se pp. – A ist von sich selbst, u. an sich selbst das Seÿende, wie der Geist in uns seiner Natur nach das Seÿende ist ; aber wie sich der Geist in uns nur dadurch als dasa seÿende bewährt, d. h. actu seÿendes ist, daß er auf unser Nichtseÿendes – auf das relativ-Geringere und Unedlere in uns – handelt, es zu sich zu erheben u. ebenfalls zu veredeln (zu vermenschlichen) sucht : so ist das in Gott suâ naturâ, also à se, seÿende, doch nur dadurch actu, d. h. es bewährt sich als das suâ naturâ seÿende, dadurch, daß es auch das relativNichtseÿende B, zu sich zu erheben, sich zu verähnlichen, es zu vergöttlichen sucht, welches eben dadurch geschieht, daß es in dem B selbst A u. B, d. h. den Gegensatz, u. mit diesem zugleich die Identität d. h. das Göttliche erweckt. – Zu sagen also : A, (das ich immer für das suâ naturâ – d. h. an sich-seÿende erklärt habe) seÿ kein Ens a se, weil es nur durch seine Wirkung auf B sich actu manifestire, wäre ebensoviel als zu sagen : Der Geist seÿ nicht, (was er doch ist) das an sich seÿende in uns, weil er sich als das seÿende nur d[urc]h seine Wirkung auf das Nichtseÿende bewährt. Ist denn nicht gerade das, was das Thätige ist, auch nothwendig das Seÿende ? ad C.) Das Eigentümliche Gottes, im eminenten Sinn, d. h. inwiefern er = A ist, ist aber dieß, daß erb das seiner Natur (oder, was dasselbe ist seinem Begriff nach) Seÿende ist ; schon vor aller Mani festation, welche ja nichts involviren kann, als daß er als das, was er dem Begriff (der Natur) nachc schon ist, sichd der That nach zeige. – Die spezifische Verschiedenheit Gottes von der Natur besteht a das ]
folgt gestr. : actu Hs : der c dem Begriff ... nach ] über gestr. : 〈 involvirt 〉 d sich ] folgt gestr. : oft b er ]
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darin, daß das Grundwesen der letzteren das blose Seÿn, d. h. das Nichtseÿende ist ; daß sie ihrem Begriff nach, naturâ suâ oder à se das Nichtseÿende ist, (wie Gott seiner Natur nach das Seÿende), u. daß sie nur durch Gott, durch das A belebt wird, indem nämlich in diesem bloßen Seÿn selbst ein eigenes (zuvor unterdrücktes) Seÿendes hervorgerufen wird. ad D.) Von einem Grund Gottes ist meines Wissens nie die Rede gewesen, sondern nur von einem Grund des actualen Existirens Gottes, d. h. des Seÿenden. – Grund kann durchaus nicht mit Ursache verwechselt werden. Das an sich Seÿende ist Ursache (Verursachendes) des (abgeleitet oder secundario modo) Seÿenden im Grunde. – Ursache u. Grund verhalten sich, wie causa u. conditio sine qua non. – Daß ich nicht Ursache unter Grund verstehe, glaubte ich hinlänglich dadurch angedeutet, daß ich den Grund auch Fundament, Unterlage, Grundlage, Basis nannte. – Daß ich auch in der Abh. über die Freÿheit, Grund in keinem andern Sinne brauche, würde, wenn es nicht durch den Sinn des Ganzen ohnedieß klar genug wäre, z. B. aus der Stelle S. 440. Z. 11. erhellen, wo ich das Böse eben darein setze, »daß das Verhältnis der Principien verkehrt, der Grund über die Ursache erhoben werden soll.« – Es bedarf dazu keines neuen Begriffs von Causa u. von Grund. Alle Systeme, die es mit der philosophischen Sprache nur einigermaßen genau nehmen, unterscheiden sehr bestimmt Ursache u. Grund in jeder Beziehung. ad E. Die angeführte Stelle hat den Sinn : »der Grund könnte nicht seÿn, wenn nicht Gott ein seiner Natur nach Seÿendes wäre, (was gar nicht nicht-seÿn kann). Gott könnte gar keinen Grund seines Seÿns in sich selbst haben, wenn er nicht das suâ naturâ Seÿende wäre. – Suâ naturâ Seÿendes seÿn, und den Grund (das Realisirungsmittel) seines Seÿns in sich selbst haben, ist zuletzt einerleÿ, u. eins folgt aus dem andern. ad F 1) Die zugesetzten Worte sind mit der kleinen, angegebenen Veränderung meinem Sinn ganz gemäß. ad F 2) Ich zweifle, ob Ew. Hochwohlgeboren wenn Sie die vorhergehenden Erklärungen gelesen u. gefaßt haben, diesen Einwurf nicht von selbst zurücknehmen. – Es wäre a) schon ein
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doch gar zu arger Widerspruch, wenn »der ideale, seÿende – (doch wohl schon als Idealer, als A, u. demnach seinem Begriff nach seÿende) – Gott noch eines Anfangs bedürfte – noch dazu eines Zeitlichen – um – dazuseÿn. Der Seÿende ist ja doch wohl schon an sich seÿend ? Freÿlich um sich, als der Seÿende, zu mani festiren, bedarf er eines Entgegengesetzten, eines B, eines relativNichtseÿenden, das er ja aber gleich uranfänglich als zweÿtes Prinzipium in sich hat ; u. in der Manifestation nur von sich ausschließt, um sich in ihm zu manifestiren, aber nicht, um in ihm erst Seÿendes zu werden. – Wie dieses, beruht auch das sub F 3) auf der falschen Meÿnung, als seÿ das aus dem Grunde Entstehende Gott κατ᾽ ἐξοχην ; der doch weder zu entstehen braucht, noch etwas anders bedarf, um an sich seÿendes zu seÿn. (der Selbstlauter, mit dem ich A verglichen, ist ja für sich schon Selbstlauter, d. h. er sprichta sich schon allein u. selber ausb ; der Mitlauter aber, B, spricht sich nicht selber aus, und hört nur durch die Verbindung mit A auf, stumm zu seÿn. – So ist das Ideale schon vor aller Manifestation (wirklicher Aussprache) an sich selbst, das Seÿende ; das Reale (B) aber vor der Manifestation in sich selbst, das Nichtseÿende – erst im Worte wird es ein Seÿendes. Der Gott, der in der Natur von Gott gezeugt wird, ist nicht der Gott κατ᾽ ἐξοχην obgleich auch Gott, nur Gott der Sohn. Der zeugende Gott (das absolute A) u. der in B gezeugte sind nicht einerleÿ, (so wenig als Gott der Geist, und Gott der Sohn im Christenthum.) – Das absolute A bleibt, nachdem es einmal B von sich geschieden, so langec über B, also auch über der Natur, u. über dem im Schoß der Natur gezeugten Göttlichen – bis es dieses etwa ganz zu sich erhoben (in fine mundi). – Es hängt mit der Natur, u. dem Göttlichen in ihr zwar immer noch zusammen, durch Gott, inwiefern er weder Seÿn (B), noch Seÿendes (A), sondern absolute Identität beÿder ist – also durch Gott den Vater – ; aber es (als das anfänglich, à se Seÿende), ist außer u. über der Natur. – Nur über gestr. : 〈 kann für 〉 allein ... aus ] über gestr. : 〈 ausgesprochen werden 〉 c so lange ] über gestr. : 〈 ewig 〉 a spricht ] b schon
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der Sohn ist in der Natur, um – zulezt Mensch zu werden. – Wir, nach unserm Beruf, als Philosophen die endliche oder wirkliche Welt abzuleiten, haben freÿlich vor der Hand bloß mit dem in B geweckten oder gezeugten Göttlichen zu thun ; – zu dem, jetzt über der Natur befindlichen, von ihr durch sich selbst geschiedenen, absoluten A, werden wir nur mit den lezten Aufgaben zurückkehren ; denn die Wahrheit zu sagen, unser ganzes Erdenleben hindurch sind wir doch nur im B, u. leben nur in diesem ; in’s absolute A hoffen wir erst im Tode überzugehen. Ich bitte Ew. Hochwohlgeboren diese Blätter aufmerksam zu lesen ; es wird Ihnen schwerlich etwas von Ihren Zweifeln zurückbleiben können. – Verzeihen Sie die Flüchtigkeit der Feder, u. die auf dieser Seite befindlichen Flecken ; ich habe nicht die Zeit das Blatt noch umzuschreiben. Das Manuscript folgt uncorrigirt zurück, wozu ich jetzt nicht die Zeit hatte ; es bedarf, der größeren Flüchtigkeit meines Vortrags halber, sehr vieler Verbesserungen u. Zusätze. Sobald ich kann, werde ich es gern revidiren. Verehrungsvoll
Ew. Hochwohlgeboren gehors[am]ster Diener Schelling
ANMERKUNGEN DER HERAUSGEBERIN
1 Vgl. F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 486 f.
(SW VII. S. 398 f.). 2 Vgl. F. W. J. Schelling, Darstellung, 1801, S. 4: »§. 4. Das höchste Gesetz für das Seyn der Vernunft, und da außer der Vernunft nichts ist, (§. 2.) für alles Seyn (insofern es in der Vernunft begriffen ist), ist das Gesetz der Identität, welches in Bezug auf alles Seyn durch A = A ausgedrückt wird. […].« (AA I,10, S. 118). 3 Zur Darstellung philosophischer Sachverhalte anhand mathematischer Formeln vgl. Schellings Verweis auf Eschenmayer in : ders., Darstellung, 1801, S. XIII (AA I,10, S. 115). 4 Die Bezeichnung des Absoluten als »Urwesen« (»ens originarium«) findet sich schon bei Kant (vgl. z. B. ders., Critik der reinen Vernunft, 1787, S. 606–608; Gesammelte Schriften, Bd. 3, S. 389 f.). 5 Vgl. den ersten »Grundsatz« von Fichtes »Wissenschaftslehre« in : ders., Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, 1794/1795, S. 3–17. – S. 10 (GA I,2, S. 173–463. – S. 259). 6 Das Verhältnis von Identität und Differenz wird schon von Oetinger mit Blick auf die Theosophie Böhmes diskutiert, der in der Überführung der göttlichen Einheit in eine sukzessive Folge von Momenten das begriffliche Instrumentarium erkennt, durch welches die Schöpfung überhaupt denkbar und darstellbar wird. Vgl. ders., Swedenborg, 1765, Teil 2, S. 42 f. – S. 43: »In GOtt ist ein unauflößlich Leben, wird aber Verstands halber als aufgelößt nach und nach beschrieben.« 7 Vgl. Anmerkung 30. Vgl. ferner Oetingers Darstellung der Lehre Hesekiels in ders., Lehrtafel, 1763, S. 204: »Alles Leben offenbahrt sich durch einen Streit der Kräften.« (TGP VII, Bd. 1,1, S. 167); zum gleichen Argument bei Hippokrates und in der Antike vgl. ders., Philosophie der Alten, 1762, Teil 2, S. 6, 37 f. – »Streit« (νείκεος) und »Liebe« (φιλία) stellen auch bereits die Prinzipien des Werdens bei Empedokles dar (vgl. H. Diels / W. Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker, 31 B 17).
154 8 Zur
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Bestimmung von »Licht« und »Finsternis« als den ersten Prinzipien des Seins und der Natur vgl. Fr. Chr. Oetinger, Swedenborg, 1765, Teil 2, S. 2–5. – S. 4: »Es kan also billig das Licht das zweyte Grundwesen in der Finsterniß des ersten genennt, und zugleich durch diß erste Principium die Limitation und Finitudo der Creatur erkanntlicher gemacht werden.« Zum Gesamtkomplex vgl. F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 432–437 (SW VII, S. 360–363). Vgl. auch Anmerkung 11. 9 Zur »Spiegel«-Metapher vgl. 2Kor 3,18; Weish 7,26; 1Kor 13,12. – Vgl. ferner Fr. Chr. Oetinger, Metaphysic und Chemie, [ 1770 ], S. 618, 620. 10 Vgl. Anmerkung 52. 11 Vgl. Gen 1,4. Die Vorstellung einer »Scheidung« am Anfang der Schöpfung findet sich auch bei Böhme. Vgl. z. B. ders., De signatura rerum (1622), Kap. 16, § 11: »Das Wesen aller Wesen ist nur ein einiges Wesen, scheidet sich aber in seiner Gebärung in zwey Principia, als in Licht und Finsterniß, in Freud und Leid, in Böses und Gutes, in Liebe und Zorn, in Feuer und Licht: und aus diesen zweyen ewigen Anfängen, in den dritten Anfang, als in die Creation zu seinem eigenen Liebe-Spiel, nach beyder ewigen Begierde Eigenschaft.« (Schriften, Bd. 6, S. 233); ferner ders., Von der Gnaden-Wahl (1623), Kap. 2; Kap. 4, § 8 f. (Schriften, Bd. 6, S. 12–23; 38 f.). 12 Zum Begriff der »Potenz« vgl. F. W. J. Schelling, Darstellung, 1801, § 42, Erklärung 2, sowie Anm. S. 26 f. (AA I,10, S. 135 f.) Zur Potenzenlehre vgl. auch ders., Aphorismen zur Einleitung, 1805, Nr. 191–196, S. 58–61 (SW VII, S. 179 f.) 13 Vgl. zu dieser Formel F. W. J. Schelling, Aphorismen, 1807, Nr. XXXIII, Anm. S. 13 (SW VII, S. 204 f.). 14 Vgl. Oetingers Darstellung der »Philosophie der Alten«, die jüdischkabbalistische Elemente mit der Grundanschauung der württembergischen Geschichtstheologie vereint, in : ders., Philosophie der Alten, 1762, Teil 2, S. 14: »Die Welt ist nicht ohne Anfang. Die göttliche Freyheit und Willens-Kraft hat sich selbs willkührliche Schrancken gesetzt, die Welt auf solche Art zu schaffen, daß in den ablauffenden Æonen kund werde, was die Tieffen der Gottheit beliebt haben zu äussern.«
vor le sungen · a n mer kungen 15 – 17
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15 Vgl. Oetingers Darstellung der kabbalistischen Lehre von den »zehn
Sephirot« oder »Ausflüssen« Gottes, die er nach den Vorstellungen der lurianischen Kabbala interpretiert, derzufolge Gott erst durch eine Zusammenziehung und Selbstverschränkung ›aus sich selbst in sich selbst‹ Raum für seine Offenbarung schafft (vgl. G. Scholem, Mystik, 1957, S. 285–290), in: Fr. Chr. Oetinger, Lehrtafel, 1763, S. 29: »Durch die erste tritt GOtt als eine Crone oder unermeßliche Peripherie der Ausbreitung seines innersten Puncts (Ps. 150,1) oder Concentration zu seiner Selbs-Offenbarung heraus.« (TGP VII, Bd. 1,1, S. 93). 16 Vgl. die letzte Strophe eines unbetitelten Sonetts von Goethe in : ders., Was wir bringen, 1802, S. 70 f.: »Wer großes will muß sich zusammen raffen. \ In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister | Und das Gesetz nur kann uns Freyheit geben.« (Goethes Werke, Abt. I. Bd. 4. S. 129). 17 Mit dem Terminus »Kontraktion« qua »Einschränkung« oder »Beschränkung« Gottes nimmt Schelling Bezug auf einen neuzeitlichen Grundbebegriff der Kabbala, den hebräischen »Zimzum«, der im Zentrum der Schöpfungslehre des jüdischen Mystikers Isaak Luria (1534–1572) steht. Durch dessen Schüler Chajim Vital (1542–1620) fand diese Idee Eingang und Verbreitung in der europäischen Geisteswelt (vgl. G. Scholem, Kabbalah, 1974, S. 129–135, 420–428, 443–448; ferner ders., Mystik, 1957, S. 277–289). Oetinger besaß sowohl Vitals Schrift »Ez Chajim» als auch das von dem Italiener Immanuel Chai Ricchi ben Abraham (1688–1743), ebenfalls Vertreter der lurianischen Kabbala, im Jahre 1727 verfaßte Werk »Mischnat Chasidim«, welche er als die Hauptquellen seiner kabbalistischen Kenntnisse ausweist (vgl. Fr. Chr. Oetinger, Lehrtafel, 1763, S. 127 f.; TGP VII, Bd. 1,1, S. 133; sowie TGP VII, Bd. 1,2, S. 132, 134). Schelling hat den Begriff der Kontraktion in seiner kabbalistischen Bedeutung offensichtlich über Oetinger rezipiert, eine direkte Lektüre der mystisch-jüdischen Schriften konnte nicht nachgewiesen werden (vgl. Chr. Schulte, Zimzum bei Schelling, 1994, S. 99 f.). Der Auszug aus der Schrift »Mischnat Chasidim« findet sich in: Fr. Chr. Oetinger, Lehrtafel, 1763, S. 127–133. – S. 128: »I. Der AEn Soph, GOtt, der Unendliche, als wäre er noch vor der Schöpffung in einem Vorsatz
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zu schaffen, wie man nach Menschen Art denckt. Da ließt man von einem Zimzum, d. i. Zusammenziehung GOttes in sich selbst, damit er habe schaffen können. Dieses klingt sehr crass von GOTT. Man muß aber wissen, daß, wenn man alles Bild wieder hinweg scheidet, nichts übrig bleibt, als daß GOtt, der Unendliche, nicht habe wollen aus Noth der Unendlichkeit unendliche Dinge schaffen, sondern aus der Freyheit seines Willens habe er sich selbst Schrancken gesetzt und nach einem gewissen Vorsatz alles in endliche Zeiten, Oerter und Vorwürfe ausgestellt, was er schaffen wolte.« (TGP VII, Bd. 1,1, S. 133–135. – S. 133). – Zum Verhältnis von Kontraktion und Expansion vgl. Anmerkung 28. 18 Die »Herablassung Gottes« (»Kondeszendenz«) steht in einem ideengeschichtlichen Zusammenhang mit den Bezeichnungen der »Entäußerung« (»Kenose«) und der »Inkarnation Gottes«, welche die Lehre von der »Menschwerdung Christi« umfassen. Der Gedanke der Herablassung Gottes bildet das Zentrum der Theologie Luthers, an die in kritischer Distanz zur Aufklärungstheologie insbesondere Hamann wieder angeknüpft hat. Gegen die aufklärerische Spaltung von Transzendenz und Immanenz, Gott und Welt wendet sich auch der Deutsche Idealismus (vgl. J. Ritter/K. Gründer, Wörterbuch, Bd. 4, 1976, Artikel: »Kondeszendenz«, Sp. 942–946). 19 In der Freiheitsschrift hat Schelling das »formelle Wesen der Freyheit« bestimmt, das als solches im Einklang mit einer »höheren Notwendigkeit« besteht. Vgl. ders., Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 463–467. – S. 466 f.: »Das intelligible Wesen kann daher, so gewiß es schlechthin frey und absolut handelt, so gewiß nur seiner eignen innern Natur gemäß handeln, oder die Handlung kann aus seinem Innern nur nach dem Gesetz der Identität und mit absoluter Nothwendigkeit folgen, welche allein auch die absolute Freyheit ist: denn frey ist, was nur den Gesetzen seines eignen Wesens gemäß handelt, und von nichts anderem weder in noch außer ihm bestimmt ist.« (SW VII, S. 382–385. – S. 384). Vgl. auch bereits ders., System, 1800, S. 422–426 (AA I,9, S. 292–294). 20 Vgl. G. W. Leibniz, Tentamina theodicææ [1710], in ders., Opera omnia, Tom. I, 1768, S. 35–469. – Pars I, Nr. 7–9, S. 126–129. – Nr. 8, S. 128 (Philos. Schriften, Bd. VI, S. 106–108).
21 Das
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Verhältnis von Zeit und Ewigkeit wird von Schelling ein Jahr später in der »Genealogie der Zeit« weiter ausgeführt (vgl. ders., Die Weltalter. Fragmente, 1946, Druck I, S. 73–87). 22 Vgl. I. Kant, Critik der reinen Vernunft, 1787, S. 454–461, 545–551 (Gesammelte Schriften, Bd. 3, S. 294–300, 354–357). 23 Vgl. F. W. J. Schelling, System, 1800, S. 213 f. (AA I ,9, S. 164). – Vgl. A. Augustinus, Confessiones, XI,14–21,24,27. 24 Vgl. F. W. J. Schelling, Die Weltalter. Fragmente, 1946, Druck II , S. 158; ders., Initia philosophiae universae [1820/21], S. 5: »Wahr sagt also auch Hippokrates: ›Alles Göttliche ist menschlich und alles Menschliche göttlich‹, u. ebenso tröstend sagt einer der größten deutschen Schriftsteller, Hamann: ›Die Analogie des Göttlichen ist der große Schlüssel der menschlichen Erkenntniß.‹« Vgl. [J. G. Hamann], Des Ritters von Rosencreuz letzte Willensmeynung, [1772]; Sämtliche Werke, Bd. 3, S. 27). Zu Hippokrates’ Analogie von Göttlichem und Menschlichem vgl. ders., περὶ διαίτης, Buch I, Kap. 5. Zur Methodik des Schließens vom menschlichen auf das göttliche Leben vgl. Ph. M. Hahn, Theologische Schriften, Bd. 1: Aufsätze, 1779, S. 9 f.: »Weil GO tt, nach der Aehnlichkeit der Menschen, die ein Bild GOttes sind, ein Wesen ist, das sich selbst offenbar ist, und sich auch andern ausser ihm offenbaren kan, so glaube ich nicht weit zu irren, wenn ich durch die Betrachtung des Menschen zu der Erkenntniß des dreyfachen Lebens GOttes aufzusteigen suche.« – Zur Lehre von der »imago dei« vgl. auch A. Augustinus, De trinitate, XIV,8. 25 Die Vorstellung von der »Selbstgeburt Gottes« sowie die Darstellung, »nach Menschen Weise (anthropopathos) zu reden«, findet sich auch in der Theosophie Böhmes (vgl. [Chr. A. H. C. v. Haugwitz], Hirten-Brief, 1785, S. 41). 26 Vgl. den Abschnitt »§ 1: Leben und Selbst-Bewegung seyn die ersten Ideen von GO tt« in Oetingers »Neue Metaphysische Erwegungen über das Cabbalistische System […]« (ders., Lehrtafel, 1763, S. 210 f.). Zum Begriff eines »lebendigen« und »werdenden« Gottes bei Oetinger, Böhme und in der kabbalistischen Tradition vgl. M. WeyerMenkhoff, Christus, das Heil der Natur, 1990, S. 149–152. 27 Vgl. Anmerkung 16, S. 178.
158 28 Das
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Begriffspaar »Kontraktion/Expansion« tritt hier an die Stelle der Bezeichnungen »Attraktion/Repulsion«, die schon Schellings Naturphilosophie geprägt hatten (vgl. Chr. Schulte, Zimzum bei Schelling, 1994). Während von naturphilosophischer Seite auf Kant und Newton verwiesen werden kann, findet sich die dynamische Begründung einer Philosophie des Absoluten in der Kabbala und bei Böhme, die Schelling über Oetinger rezipieren konnte, welcher die Grundbegriffe Böhmes, der Kabbala und Newtons wiederholt gegenüberstellt. Zur Identifizierung der Dynamik von »Extension« und »Intension« mit den göttlichen Kräften »Gedulah« und »Geburah«, die den vierten und fünften Ausgang des Absoluten nach der kabbalistischen Lehre von den zehn Sephirot bezeichnen, vgl. z. B. Fr. Chr. Oetinger, Lehrtafel, 1763, S. 36 f. 29 Vgl. F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 431 (SW VII, S. 359) – gemeint ist »die Natur – in Gott« (a. a. O., S. 429; SW VII, S. 358); vgl. auch bereits ders., Anti-Fichte, 1806, S. 53. (SW VII, S. 54). – Vgl. hierzu Hahns Darstellung der »zweyten Person der Gottheit« oder des »Wortes«, durch welche der unsichtbare Gott sich sichtbar macht, in : Ph. M. Hahn, Theologische Schriften, Bd. 1: Aufsätze, 1779, S. 4 f. – S. 4: »Dieser unsichtbare GOtt hat etwas offenbares, zu seinem Wesen gehöriges, das mit ihm eines, aber von ihm in Ansehung seiner höchsten Geistigkeit, wie Seele und Leib unterschieden war, von Ewigkeit in sich verborgen gehabt, welches er bey dem Vorsatz seiner Offenbarung und Schöpfung einer sichtbaren Welt, vor der Schöpfung aller Geschöpfe ausser sich herausgesetzt hat, welches durch eine unerklärliche Geburt oder Zeugung in der Gottheit geschehen; wodurch der unsichtbare, unerkennbare, in sichtbarer geschöpflicher Gestalt sich sichtbar und erkennbar gemacht hat.« 30 Das »Prinzip des Gegensatzes« ist in der vitalistischen Tradition tief verankert und läßt sich von Kant und Newton über Böhme bis in die Antike zu Heraklit und Hippokrates zurückverfolgen. Die Idee von einem »Streit« widerstrebender Kräfte, die allen Dingen zugrunde liegen und ihre Manifestation bewirken, formuliert sich auf akademischer Ebene in Ploucquets »principium luctae« (vgl. R. Schneider, Geistesahnen, 1938, S. 102–113).
31 Vgl.
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Platon, Sophistes, 236d–242b. – Vgl. F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 451 Anm. (SW VII, S. 373); ders., Weltalter. Fragmente, 1946, Druck II, S. 141 f. 32 Vgl. Hebr 11,3. 33 Eine Anspielung auf die Thronwagenvision von Hesekiel (vgl. Ez 1–3; 10), wie ein Fragment zum zweiten Buch der »Weltalter« bekräftigt (vgl. F. W. J. Schelling, Die Weltalter. Fragmente, 1946, S. 250). 34 Pheidias (Φειδίας, lat. Phidias), ca. 500–432 v. Chr., Marmorbildhauer, Erzgießer, Toreut und Maler aus Athen, berühmt für seine kolossalen Götterbilder aus Gold und Elfenbein. Der »Zeus von Olympia« (röm. Jupiter) stellte das letzte und größte Werk des Phidias dar, von denen sich keines erhalten hat. Von der ursprünglich über zwölf Meter hohen Statue im Zeustempel zu Olympia, die als Symbol der Zeus-Religion galt und zu den sieben Weltwundern der Antike zählte, sind heute nur noch verschiedene Nachbildungen vorhanden (vgl. V. M. Strocka, Pheidias, 2004, S. 210–236. – S. 226– 228). 35 Vgl. Anmerkung 77. 36 Vgl. Dtn 4,24. 37 Die Redeweise von »Liebe« und »Zorn« als göttlicher Qualitäten beruft sich auf ein biblisches Motiv, das inbesondere von Böhme aufgegriffen wurde. Vgl. z. B. J. Böhme, Antistiefelius, (1621/22), § 46: »Kein creatürlicher Geist mag ohne die Feuer-Welt in Creatur bestehen; Denn es wäre auch GOttes Liebe nicht, so nicht sein Zorn oder die Feuer-Welt in ihm wäre; Der Zorn oder das Feuer GOttes ist eine Ursache des Lichtes und der Kraft, Stärcke und Allmacht.« (Schriften, Bd. 5, S. 213); ders., Von der Gnaden-Wahl (1623), Kap. 2, § 38 (Schriften, Bd. 6, S. 23). – Vgl. auch Anmerkung 58. 38 Für die Bezeichnung der göttlichen Prinzipien mit menschlichen Begriffen war Schelling von Eschenmayer im Hinblick auf die Freiheitsschrift des Anthropomorphismus bezichtigt worden (vgl. F. W. J. Schelling, Eschenmayer an Schelling, 1813, S. 39–57; SW VIII, S. 145–152). 39 Vgl. J. S. T. Gehler, Physikalisches Wörterbuch, 1790, Teil 3, Artikel: »Magnetische Wirkungskreise und Vertheilung des Magnetismus«, S. 100 f.: »[…] Jeder magnetische Pol sucht in demjenigen Eisen, oder eisen
160
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haltigen Körpern, welche in seinen Wirkungskreis kommen, einen dem seinigen entgegengesetzten Magnetismus hervorzubringen. […].« 40 Vgl. Oetingers Ausführungen »Von der ewigen Natur« in: ders., Meta physic und Chemie, [ 1770 ], S. 540–544. 41 Zu den prominenten Kritikern des schellingschen Identitätssystems (1801–1808) gehören u. a. Jacobi, Reinhold, F. Schlegel, Köppen und Weiller. Zur Rezeption von Schellings »Darstellung meines Systems« vgl. den Editorischen Bericht in: AA I,10, S. 37–76. – besonders S. 50–53, 62–65, 69 f. – Vgl. ferner Schellings Abweisung des Pantheismusvorwurfs durch die Diskussion des Identitäts-Begriffs (ders., Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 402–416; SW VII, S. 338–348). 42 Vgl. Anmerkung 59. 43 Vgl. F. W. J. Schelling, Bruno, 1802, S. 186 f. (SW IV, S. 310) sowie Anmerkung S. 226–229. – S. 228 f. (SW IV, S. 330–332. – S. 331 f.), wo Schelling Giordano Brunos Materie-Begriff, den er durch Jacobi kannte, zitiert. Vgl. dazu F. H. Jacobi, Ueber die Lehre des Spinoza, 1789, S. 277–294. – S. 290: »Diese Materie, welche den unkörperlichen wie den körperlichen Dingen zum Grunde liegt, ist ein mannichfaltiges Wesen, in so fern es die Menge der Formen in sich schließt; in sich betrachtet aber schlechterdings einfach und un theilbar. Sie ist alles was seyn kann in der That und auf einmal; und weil sie alles ist, kann sie nichts ins besondre seyn.« (JWA 1,1, S. 197 f). – Vgl. auch Anmerkung 61. 44 Vgl. Joh 1,3. 45 d. h. »geächtet« 46 Vgl. Fr. Chr. Oetinger, Lehrtafel, 1763, S. 363: »1. Wort, das Band der ewigen Kräfften, deren keine vor sich allein bestehet, sondern alle in einander seyn, wird von 1–5. Cap. erklärt, daß Christus solches in sich habe. […].« (TGP VII, Bd. 1,1, S. 234). 47 Vgl. F. H. Jacobi, Ueber eine Weissagung Lichtenbergs, 1801, S. 41: »Der in sich selbst gewisse Geist des Menschen bedarf aber, zu seinem Selbstlaute, der Mitlaute Natur und Gott um sein Daseyn auszusprechen, oder richtiger: er ist kein reiner Selbstlaut.« (JWA 3, S. 27). 48 Vgl. F. W. J. Schelling, Zur Geschichte der neueren Philosophie [1830 ff.] (SW X, S. 1–200).
49 Mit
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dem »neueren Identitätssystem« meint Schelling seine eigene Philosophie, wie er sie seit 1801 in der »Darstellung meines Systems« vorgelegt hatte. 50 Vgl. F. W. J. Schelling, Darstellung, 1801. 51 [P. H. Th. d’Holbach], Systême de la nature, 1770. 52 Vgl. zu dieser Formel F. W. J. Schelling, Bruno, 1802, S. 95–98 (SW IV, S. 264–266). 53 Vgl. F. W. J. Schelling, Darstellung, 1801, §§ 23, 38, S. 13–15, 23 f. (AA I,10, S. 125 f., 133). 54 Vgl. F. W. J. Schelling, Darstellung, 1801, § 46, S. 29–31 (AA I,10, S. 138– 140). Die Angabe in eckigen Klammern stammt von K. F. A. Schelling und bezieht sich auf die entsprechende Stelle in: SW IV, S. 137–139. 55 Vgl. Empedokles Lehre von den vier Elementen (in: H. Diels/W. Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker, 31 B 6, 31 A 37). 56 Vgl. WhB S. 9–15 (= »I. Begriff der Elemente«). 57 Vgl. Oetingers Darstellung der Lehre des flämischen Alchemisten und Arztes Franciscus Mercurius van Helmont (1614–1699) in : ders., Philosophie der Alten, 1762, Teil 1, S. 156–181 (= »Extract aus Mercurii \ Van Helmont Lat. Büchlein«). – S. 158: »§. 14. Also hab ich gezeiget, daß das Leben einer jeden Creatur ein Geist seye, aber da es vielerley Arten von Feuer gibt, so will ich ihre Unterschiede erzehlen, und will sie alle auf 3. bringen: Es ist nemlich das natürliche, das Küchen- und das Sonnen-Feuer. \ Das natürliche Feuer der Creaturen ist die Lebens-Flamme, welche sich nach denen ihm gegebenen Kräften einen Leib bildet, und das ist selber der Geist oder das Feuer der Creaturen. […].« 58 Zum Begriff des biblischen Worts vom »Zorn-Feuer« als dem Zorn Gottes, der sich mit dem Aufbegehren Luzifers in der Natur erhebt, vgl. J. Böhme, Aurora (1612), Kap. 16, §§ 57–78 (= »Von der Anzündung des Zorn-Feuers«) (Schriften, Bd. 1, S. 231–234). – Vgl. das Zitat aus F. v. Baader, Ueber Starres und Fliessendes, 1808, S. 203, Anm. 2, das Schelling in der Freiheitsschrift als Beleg für seinen Begriff des Bösen anführt (ders., Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 442 Anm.; SW VII, S. 366 f.). Vgl. auch Anmerkung 37. 59 Vgl. L. M. Principe, Alkahest (syn. Menstruum universale), 1998, S. 40 f.: »Der A. war das universelle Lösungsmittel der Alchimisten,
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mit dem alle Körper – seien sie tierisch, pflanzlich oder mineralisch – in ihre Grundbestandteile zerlegt werden konnten. Dabei behielt der A. seine zerlegende Kraft und ließ sich unverändert abtrennen. Der Begriff A. stammt von Paracelsus, doch verwendet er ihn nur einmal und dann als Name eines Leberheilmittels. Die Bedeutung des A. als eines universellen Lösungsmittels (eigentlich eines Scheidemittels) wurde erst viel später von J. B. van Helmont entwickelt, der den A. mit dem sal circulatum des Paracelsus gleichsetzte, das in dessen ›De renovatione et restauratione‹ vorkommt und Substanzen in ihre Grundbestandteile zerlegen konnte. […] Obwohl dem A. die stärkste Auflösungskraft zugeschrieben wurde, war er doch nur eines von mehreren sog. menstrua, nach denen die Alchemisten suchten. Das Wort ›menstruum‹ wurde bis ins ausgehende 19 Jh. als Oberbegriff aller Lösungsmittel verstanden. […].« 60 Zur Funktion des Sauerstoffs als »Princip alles chemischen Proceßes« und »Mittelglied aller chemischen Verwandtschaften« vgl. F. W. J. Schelling, Erster Entwurf, 1799, S. 136–139. – S. 138: »Der Sauerstoff ist dadurch allen andern Stoffen der Erde entgegengesetzt, daß mit ihm alle andre verbrennen, während er mit keinem andern verbrennt.« (AA I,7, S. 159–161. – S. 160). – Zur Bedeutung des Sauerstoffs für den Verbrennungsprozeß vgl. WhB S. 64–69 (= »II. Antiphlogistische Theorie«); S. 108–114 (= »1. Sauerstoffgas«). 61 Nach Aristoteles besteht das fünfte Element im »Äther«, der ewigen und unveränderlichen Substanz der Gestirne, welcher in der Nachfolge auch der Seele und der Substanz Gottes zugrunde gelegt wurde. Der Neuplatonismus und die Renaissance dachten das fünfte Element im Anschluß an Aristoteles u. a. als Mittelding und Bindeglied zwischen dem Immateriellen und dem Stofflichen, für letztere avancierte es schließlich zum allgemeinen ›Lebenselexier‹. Das fünfte Element wurde dabei als eine nahezu immaterielle Materie vorgestellt (vgl. P. Moraux, Quinta essentia, 1963). – Der Gedanke von einem »fünften Element«, das »ein mittleres, das theils göttlich, theils creatürlich ist«, und aufgrund seiner zusammensetzenden Funktion der vier Elemente zur Idee einer »unzerstörlichen Leiblichkeit« führt, findet sich auch bei Oetinger (vgl. ders., Metaphysic und Chemie, [ 1770 ], S. 414 f.). Vgl. auch Anmerkung 43.
62 Vgl.
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F. A. C. Gren, Handbuch der Chemie, Teil 1, 1794, § 238, S. 160: »Die Luft, die nach dem Verbrennen der hinlänglichen Menge von Phosphorus im vorigen Prozeß (§. 236) übrig bleibt, hat ganz und gar nicht mehr die Eigenschaften der atmosphärischen Luft. Sie dient nicht mehr zum fernern Verbrennen von Phosphorus, und es kann der vorige Prozeß damit keinesweges wiederholt, und überhaupt kein entzündlicher Körper darin in Brand gesetzt werden. Wir wollen diesen Rückstand durch den Namen des Stickgas (Gas azoticum, Gas azote) unterscheiden; sonst nennt man sie auch phlogistisirte Luft (aër phlogisticatus), verdorbene Luft (aër vitiatus), mephitische Luft (aër mephiticus).« Vgl. auch J. S. T. Gehler, Physikalisches Wörterbuch, Teil 2, 1789, Artikel: »Gas, phlogistisiertes«, S. 404–411. 63 Die römische Göttin »Vesta« (gr. »Hestia«) galt als Beschützerin des öffentlichen Feuers, welches von sechs Priesterinnen, den Vestalinnen, gehütet wurde. Der Ursprung dieses Kults liegt mglw. in Vestas Funktion als Beschützerin des Herdfeuers (vgl. C. R. Phillips, Vesta, 2003, Sp. 130–132). – Vgl. auch F. W. J. Schelling, System der gesammten Philosophie [1804] (SW VI, S. 368). 64 Vgl. F. W. J. Schelling, System der gesammten Philosophie [1804] (SW VI, S. 407 f.); sowie ders., Aphorismen zur Einleitung, 1805, Nr. 163, S. 52 (SW VII, S. 174). 65 Vgl. Phil 2,8–9. 66 Vgl. Schellings Ausführungen zum Instinkt der Tiere in : ders., System der gesammten Philosophie [1804] (SW VI, S. 456–470). 67 Vgl. R. Descartes, Discours de la Methode, 1637, Teil V,9–12, S. 55–60 (Oeuvres, Bd. VI, S. 55–60). 68 Zur Bestimmung des »Instinkts« als »connoissance«, »perceptions« oder »idées confuse(s)« vgl. G. W. Leibniz, Nouveaux essais, 1765, Buch I, Kap. II, § 4; Buch II, Kap. XX , § 6; Buch IV, Kap. XVII, § 9, S. 48, 123, 455 (Philos. Schriften, Bd. V, S. 83, 151, 469 f.). 69 Vgl. J. Locke, Essay, 1690, Buch II , Kap. 11, §§ 5–11. – § 11. – Vgl. ebenso G. W. Leibniz, Nouveaux essais, 1765, Buch II, Kap. XI, § 11, S. 99 (Philos. Schriften, Bd. 5, S. 130). 70 »Gott ist die Seele der Tiere.« In Bayles »Wörterbuch« steht der Satz exemplarisch für jene Autoren, welche die Vernunft der Tiere auf eine äußere Ursache zurückführen. Die Position, nach der die Ver-
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nunft Gottes in Form von »geheimen Triebfedern« in den Tieren wirke, wird von Thomas von Aquin sowie allen alten Kirchenvätern vertreten (vgl. P. Bayle/J. Chr. Gottsched, Wörterbuch, Teil 4, 1744, Artikel: »Rorarius«, S. 78–94. – S. 88). 71 Vgl. F. W. J. Schelling, System der gesammten Philosophie [1804]: »Ich sage nun zwar nicht: das Göttliche an sich, wohl aber das göttliche Princip, sofern es Grund von Existenz ist, sey das Beseelende der Thiere.« (SW VI, S. 464). 72 Schelling nimmt Bezug auf seine »Philosophie der Kunst«, welche u. a. die rhythmische Anordnung und Gestaltung der Säulen antiker Bauten behandelt (vgl. ders., Philosophie der Kunst [1802–1805], §§ 114–118; SW V, S. 590–598). – Zu Schellings Kenntnissen und Quellen in der Archtitektur vgl. Vitruvius, Baukunst, 1796, Bd. 1, Buch III, Kap. 2, S. 123–132; Buch IV, Kap. 1 f., S. 152–164. 73 Die Nachschrift führt die »Divination« im Unterschied zum »Werke«Text nicht unter der dritten, sondern unter der zweiten Potenz der Tierinstinkte nach den »Kunsttrieben« an und folgt damit der Einteilung in Schellings Würzburger Vorlesungen (vgl. ders., System der gesammten Philosophie [1804]; SW VI, S. 467–469). 74 Vgl. Demokrit: »[…] ἐν τῶι ἀνθρώπωι μικρῶι κόσμωι Óντi […].« Übers.: »Der Mensch, eine kleine Welt.« (H. Diels/W. Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker, 68 B 34). 75 Vgl. Platons Identifizierung der Planeten mit gottgeschaffenen, lebendigen Wesen, die als solche in ihrer Vollkommenheit selber dem Geschlecht der Götter angehören (in : ders., Timaios, 38c–40d); sowie Anmerkung 25, S. 178 f. 76 Zum Begriff einer »Freyheit von GO tt« vgl. Oetingers »Neue Metaphysische Erwegungen über das Cabbalistische System […]« in : ders., Lehrtafel, 1763, § 9 (= »Was ein Wille seye vor dem Verstand«), S. 221 f.: »Ohne Verschiedenheit der Kräfften könnte der Creatur keine Selbst-Bewegung mitgetheilt werden; dann die zwey widrige Central-Kräfften, welche Neuton aus der Natur erfunden, sind der Grund der Selbst-Bewegung. GOtt hat aus dem Grund seiner Freyheit der Creatur zwey widrige Kräfften eingesenckt, damit die Creatur einen Anfang und Ende habe und die unerschöpfliche Contingenz der Creatur einen wahren Grund in der Freyheit GOt-
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tes habe, dabey aber doch den Character der Freyheit von GOtt in der Selbst-Bewegung empfange, dadurch wird der Spinozismus und Pantheismus aus der Wurtzel getilgt. \ Durch die Selbst-Bewegung verändert ein Ding seinen Zustand aus sich selbst, ohne Bewegung von einem andern, und diese thätige Kraft aus sich selbst ist in den Seelen der Wille, in den Cörpern aber ein Selbst-Trieb. […].« (TGP VII, Bd. 1,1, S. 175). 77 Zum »Begriff der Persönlichkeit« als der »zur Geistigkeit erhobenen Selbstheit« vgl. F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 447 f.; sowie S. 438 f.: »Das aus dem Grunde der Natur emporgehobne Prinzip, wodurch der Mensch von Gott geschieden ist, ist die Selbstheit in ihm, die aber durch ihre Einheit mit dem idealen Prinzip Geist wird. Die Selbstheit als solche ist Geist; oder, der Mensch ist Geist als ein selbstisches, besondres, (von Gott geschiedenes) Wesen, welche Verbindung eben die Persönlichkeit ausmacht. […] Dadurch, daß sie Geist ist, ist also die Selbstheit frey von beyden Prinzipien.« (SW VII, S. 370; 364). 78 Zur Zwischenstellung des Menschen und seiner vermittelnden Funktion von Natur und Geisterwelt sowie seinem Fall und dessen Folgen vgl. F. W. J. Schelling, Clara [um 1811] (SW IX , S. 31–35). Vg. auch J. G. Herder, Ideen, 1784. Teil 1. Buch 5, VI (= »Der jetzige Zustand der Menschen ist wahrscheinlich das verbindende Mittelglied zweener Welten.«). 79 In der Freiheitsschrift hat Schelling zuerst den Begriff des Bösen aufgestellt, der sich als eine Verkehrung der ursprünglichen Ordnung der Schöpfungsprinzpien bestimmt, welche am Menschen in dem Verhältnis von »Eigenwille« (reales Prinzip) und »Universalwille« (ideales Prinzip) gefaßt werden. Der Gedanke einer »positiven Verkehrtheit oder Umkehrung der Prinzipien«, bei welcher der Eigenwille sich über den Universalwillen erhebt, läßt sich bei Oetinger und Kant nachweisen (vgl. F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 438–442; SW VII, S. 364–366). – Vgl. ferner I. Kant, Religionsschrift, 1793, S. 30 f.: »Folglich ist der Mensch, (auch der Beste) nur dadurch böse, daß er die sittliche Ordnung der Triebfedern, in der Aufnehmung derselben in seine Maximen, umkehrt: […] er die Triebfeder der Selbstliebe und ihrer Neigungen
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zur Bedingung der Befolgung des moralischen Gesetzes macht […].« (Gesammelte Schriften, Bd. 6, S. 36). – Vgl. auch Fr. Chr. Oetinger, Lehrtafel, 1763, S. 366: »Das Böse bricht nicht bloß aus dem Nichts herfür, sondern die Lust gebiehrt sich aus der Erhebung einer Krafft über die andere, die einander die Wage halten sollten.« (TGP VII, Bd. 1,1, S. 235). Vgl. ferner Platon, Politeia, 589d. Vgl. auch Anmerkung 95. 80 Vgl. Sir 2,5; 1Kor 3,13;15; 1Petr 1,7. 81 Vgl. F. W. J. Schelling, System, 1800, S. 405 f. (AA I,9, S. 281 f.). 82 J. G. Fichte, Der geschloßne Handelsstaat, 1800. 83 Vgl. Platon, Politeia, 592a–b. 84 Zur Realisierbarkeit eines philosophisch regierten und auf Freiheit, Vernunft sowie den vier Tugenden (Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit und Gerechtigkeit) beruhenden Staates vgl. Platon, Politeia, 427d–428a; 502a–c; ders., Nomoi, 701d. 85 Zur Vorstellung einer »zweiten Offenbarung« bzw. eines »zweiten göttlichen Menschen« vgl. Oetingers Böhme-Interpretation in ders., Grundweisheit, 1774, S. 15: » GO tt zog menschliches Fleisch und Blut an; der Sohn GOttes sollte in Menschen-Gestalt, als der zweyte Adam, die Herrschaft des Lichts wieder herstellen, und die Macht der Finsterniß zu Boden werfen […].« – Vgl. ebenso J. Böhme, Von der Gnaden-Wahl (1623), Kap. 6, § 44: »[…] stelle nur Christum in Adams Stelle, so findest du allen Grund des Alten und Neuen Testaments; stelle Adam in das geformte Wort der Creation, und laß ihn das Bilde der äussern und innern ewigen Natur aller drey Principien seyn: und stelle Christum in das ewig-sprechende Wort, nach der wahren Göttlichen Eigenschaft, darinnen kein Böses entstehen mag, sondern nur die Liebe-Geburt Göttlicher Offenbarung nach dem Reiche der Herrlichkeit ist; und führe Christum in Adam ein, daß Christus den Adam in sich neugebäre, und mit der Liebe tingire, daß er aus dem tiefen Schlaff aufwache, so hast du den ganzen Proceß Adams und Christi.« (Schriften, Bd. 6, S. 73 f.). – Vgl. auch F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 457 (SW VII, S. 377). 86 Vgl. Gen 1,26;28. 87 Vgl. F. W. J. Schelling, Methodenlehre, 1803, S. 229: »Die Harmonie
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der Nothwendigkeit und Freyheit, die sich nothwendig äußerlich und in einer objectiven Einheit ausdrückt, differenziirt sich in dieser Erscheinung selbst wieder nach zwey Seiten, und hat eine verschiedene Gestalt, je nachdem sie im Realen oder Idealen ausgedrückt wird. Die vollkommene Erscheinung derselben im Ersten ist der vollkommene Staat, dessen Idee erreicht ist, sobald das Besondere und das Allgemeine absolut Eins, alles was nothwendig zugleich frey und alles frey geschehende zugleich nothwendig ist. Indem das äußere und öffentliche Leben, in einer objectiven Harmonie jener beyden, verschwand, mußte es durch das subjective in einer idealen Einheit ersetzt werden, welche die Kirche ist. Der Staat, in seiner Entgegensetzung gegen die Kirche, ist selbst wieder die Naturseite des Ganzen, worinn beyde Eins sind.« (SW V, S. 313 f.). 88 Vgl. F. W. J. Schelling, System, 1800, S. 411 f. (AA I,9, S. 285). 89 Eine ähnliche Arbeit stellt das »Anthropologische Schema« (um 1838) dar (SW X, S. 287–294), von dem sich eine zweite Variante im Nachlaß von König Maximilian II. befindet, die Schelling in den Briefen an seinen Schüler als »psychologisches Schema« bezeichnet (vgl. W. E. Ehrhardt, Schelling Leonbergensis, 1989, S. 16–22). – Elemente aus dem Schema von 1810 finden sich auch in der »Psychologie« der Spätphilosophie (vgl. F. W. J. Schelling, Einleitung in die Philosophie der Mythologie, Buch II; SW XI, S. 462–489). 90 Vgl. F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 487 (SW VII, S. 399). 91 Vgl. J. Böhme, De signatura rerum (1622), Kap. II (= »Von der Wiederwertigkeit und dem Streit in dem Wesen aller Wesen«), §§ 7–10. – § 8: »[…] und mag doch auch keine Offenbarung geschehen, als nur durchs Wesen der Begierde: und iemehr der wiedergefaste Wille der Offenbarung begehret, iemehr und strenger zeucht die Begierde in sich, und macht in sich drey Gestalten.« – § 10: »Dieweil aber die Begierde, als die Herbigkeit, dadurch nur strenger wird, […] so wird der erste Wille zur Begierde gantz strenge und ein Hunger: […].« – § 30: »Der finstern Welt Begierde ist nach der Offenbarung, als nach der äussern Welt, dieselbe Wesenheit in sich zu ziehen, und den grimmen Hunger damit zu stillen; […].« (Schriften, Bd. 6, S. 10, 11, 16). Vgl. auch Fr. Chr. Oetinger, Swedenborg, 1765, Teil 2, S. 75 f.
168 92 Vgl.
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hierzu die Worte Baaders, der den Fall des Menschen als die Abwendung von seinem »inneren Zeugungsorgan«, ausgelöst durch den Wunsch, sich durch »fremdes Fleisch« auszusprechen, interpretiert. Das daraus folgende »Unvermögen sich auszusprechen« erzeugt im Menschen eine innere Leere, die sich als Sucht nach Sein als Mittel der eigenen Veräußerung manifestiert, in : ders., Ueber die Analogie des Erkenntniss- und des Zeugungs-Triebes, 1808, S. 118: »Eben diese Impotenz des Sich-wirklich-machens oder Seyns, sage ich, macht jene innre Wuth desselben [des »Lügengeistes«], mit der er in bittrer Noth und Armuth eignen Seyns alles fremde Seyn an sich reißt, oder zu reissen strebt, um sich in und mit ihm zu propagiren, aber mit und in allem, dieses alles nur vernichtend und verzehrend wie die wilde Flamme, nur neuen Tod und neuen Hunger anstatt der Sabbatruhe der vollendeten und gelungnen Offenbarung oder Fleischwerdung sich erzeugt.« 93 Vgl. F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 436 (SW VII, S. 362 f.). 94 Vgl. F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 488 f. (SW VII, S. 399 f.). 95 Vgl. Anmerkung 79. – Zur Positivität des Bösen vgl. auch Fr. Chr. Oetinger, Lehrtafel, 1763, S. 364: »Alles, was dem Wort ›Leben‹ und ›Licht‹ entgegen ist, heißt uno verbo ›Finsterniß‹, und diese ist etwas würckliches Nichts und nicht nur eine Verneinung, nemlich eine falsche Verbindung der GOttes-Kräfften.« (TGP VII, Bd. 1,1, S. 234). 96 Zur Assoziierung der »Seele« mit der »Wissenschaft« sowie dem »Mitwissen« vgl. Oetingers Zitat aus den Schriften des flämischen Mystikers Jan van Ruusbroec (1293–1381) in: ders., Metaphysic und Chemie, [ 1770], S. 618: »Rusbroch sagt, als ein erfahrner πνευματιϰὸς: Unser höchstes Theil der Seele sey rein, frey, bilderlos, darein schiese die Klarheit Gottes ihre Lichter, nemlich Gaben, Weißheit, Unterscheidung, Wissenschaft, vernünftiges Mitwissen und Betrachtung.« – Vgl. auch F. W. J. Schelling, Die Weltalter. Fragmente, 1946, Druck I, S. 4. 97 Vgl. J. G. Herder, Gott, 1800, S. 127: »Nicht weise sind seine Gedanken; sondern die Weisheit: nicht gut allein sind seine Wirkungen, sondern die Güte: und das alles nicht aus Zwang, nicht aus Will-
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kühr, als ob auch das Gegentheil statt haben könnte, sondern aus seiner innern, ewigen, ihm wesentlichen Natur; aus ursprünglicher, vollkommenster Güte, d. i. Thätigkeit und Wahrheit.« Vgl. F. W. J. Schelling, Philosophie der Kunst [1802–1805], § 16 (SW V, S. 382). 98 Vgl. Anmerkungen 117 und 119. 99 Vgl. L. A. Seneca, De tranquillitate animi, Kap. 17, Nr. 10–11, S. 238: »Nam siue Graeco poetae credimus ›aliquando et insanire iucundum est‹, siue Platoni ›frustra poeticas fores compos sui pepulit‹, siue Aristoteli ›nullum magnum ingenium sine mixtura dementiae fuit‹: non potest grande aliquid et super ceteros loqui nisi mota mens.« Übers.: »Denn, entweder, wie der griechische Dichter sagt, hat der Unsinn zuweilen auch sein Angenehmes: Oder, wie Plato sagt: Wer bei Besonnenheit war, hat jederzeit fruchtlos an der Musen Pforten angepocht, oder wie Aristoteles: Kein grosses Genie exsistirte noch ohne etwas Raserey. Nur ein begeisterter Sinn wird etwas Erhabenes, ungewöhnlich Grosses hervorbringen.« (C. Ph. Conz [Übers.], Seneka von der Ruhe des Geistes, 1790, S. 79 f.). 100 Vgl. Platon, Phaidros, 265a–b; vgl. auch 244a–245b; ders., Apologie, 22a–c. 101 Vgl. F. W. J. Schelling, Rede, 1807, S. 16 f. (SW VII, S. 300 f.); ders., Philosophie der Kunst [1802–1805], § 18 (SW V, S. 384). 102 Zu Kants »Kategorischem Imperativ« vgl. ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1786, S. 43, 52 (Gesammelte Schriften, Bd. 4, S. 416, 421); ders., Critik der practischen Vernunft, 1788, § 7, S. 54–58 (Gesammelte Schriften, Bd. 5, S. 30–33). 103 SW merkt an: »Grundsätze zu einer künftigen Seelenlehre von Karl Eberhard Schelling, in den Jahrbüchern der Medicin als Wissenschaft, 2. Bd., 2. Heft. S. 190 ff. D. H.« 104 K. E. Schelling, Seelenlehre, 1807, Nr. 65, S. 213: »Diese Objektivität der Seele in Entwerfung ihrer Ideale erreicht der wahre Künstler in seinen Werken, der wahre Held in seinen Thaten, der Philosoph in seinen Ideen. Wo aber ein solcher Gipfel errungen ist, da ist das Zeitliche und alle menschliche Subjektivität abgestreift, und es entstehen Werke, von denen man sagen möchte, die Seele habe sie allein, ohne alles Zuthun des Menschen vollendet.« 105 Vgl. Lavater, der in der »Verwandtschaft der Lebens-Kräfte« den
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Grund des organischen Lebens erkennt, welches jedoch auf Scheidung der Kräfte drängt, sobald diese einander unverträglich werden, in : ders., Aussichten in die Ewigkeit, Teil 3, 1773, S. 318 f. – S. 318: »[…] Tod ist vielleicht nichts anders als die Scheidung heterogenischer Theile, die sich nicht mehr vertragen können, und Auferstehung die Sammlung homogenischer Theile, zu Einem ganzen; einem solchen ganzen, das ewig keine heterogenische Theile mehr annehmen kann.« (Ausgewählte Werke, Bd. 2, S. 547). – Zur Notwendigkeit des Todes vgl. auch F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 496 (SW VII, S. 405). 106 Nach Oetingers Böhme-Darstellung ist der Mensch aus einer »salinischen Materie« geschaffen – einer »Masse, darinn Gutes und Böses unter einander war«. Das dieser Urmaterie »eingemischte Böse«, das sie zu einem »vermischten Erdwesen« machte, ist durch den Fall Luzifers verschuldet, welcher auch den Abriß der Materie von der geistigen Welt mit sich zog. Die ursprüngliche Ordnung der Schöpfung wurde somit durch »verkehrte Mischung der Elementen« außer Kraft gesetzt (vgl. ders., Grundweisheit, 1774, § VIII, S. 11–14). Vgl. auch Anmerkung 114. 107 Zur Unterscheidung zwischen dem »inneren« und »äußeren« Menschen vgl. 2Kor 4,16. 108 Lavater nimmt die Existenz eines »ätherischen Cörpers« an, der sich im Unterschied zum »irdischen Cörper« nach dem Tod erhält und so zum neuen Medium der Seele wird, welche die äußeren Gegenstände sodann durch »ätherische Sinne« wahrnimmt. Vgl. ders., Aussichten in die Ewigkeit, Teil 1, 1768, S. 161–165. – S. 161: »Fast alle Weltweisen nehmen an, daß die Seele nach dem Tode des irdischen Cörpers einen feinern, ebenfalls organisierten mitnehme, der sich zu dem sichtbaren, wie die Quintessenz zu dem Caput Mortuum in der Scheidekunst verhalte; vermittelst dessen sie sich die Dinge der unsichtbaren Welt, die nicht durch die festern Sinnen des izigen Cörpers durchdringen konnten, vorstellen könne; und worinn die wesentlichsten während ihres Aufenthaltes im gröbern Cörper gesammelten Ideen eingedrükt bleiben, und mit ihr selbst unzerstörlich in die andre Welt hinübergehen.« (Ausgewählte Werke, Bd. 2, S. 89–91. – S. 89). Vgl. auch S. 226 f. (Ausgewählte Werke, Bd. 2,
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S. 123). Im elften Brief setzt Lavater seine Ausführungen über die »Vollkommenheit des himmlischen Cörpers« fort, indem er die Herausbildung eines persönlichen, »geistig pneumatischen Leibes« aus dem irdischen, »animalischen« nach der Auferstehung erläutert (vgl. a. a. O., Teil 2, 1769, S. 1–183; Ausgewählte Werke, Bd. 2, S. 245–322). – Überlegungen zur Potenzierung der Materie von einer groben, äußerlichen zu einer feineren, geistigeren Form finden sich auch bei Hahn, der die Endabsicht der Schöpfung in einer allgemeinen Verklärung des Irdischen zum Himmlischen und Unsterblichen erkennt. Hierzu gehört auch die Vorstellung von der Herausbildung eines »feineren Seelensleibs« aus dem »äusseren Menschenkörper«, der sodann in der Form eines »himmlischen Leibs« unsterblich wird (vgl. ders., Vom Himmel, 1780, S. 41 f., 58–62). 109 Vgl. L. M. Principe, Caput mortuum, 1998, S. 96 f.: »Als C. oder Totenkopf bezeichneten die Alchemisten unverdampfbare Rückstände von Destillationen oder Sublimationen. Da man den flüchtigeren Anteilen eine Belebtheit durch einen Geist oder eine Seele zuschrieb, die durch das Feuer freigesetzt und ausgetrieben würde, betrachtete man den Rückstand als tot. […].« – Vgl. auch vorhergehende Anmerkung. 110 Bereits in der Schrift »Philosophie und Religon« spricht Schelling von der Befreiung des »Dämons« im Menschen, durch welche die Unsterblichkeit der Seele erlangt wird (vgl. ders., Philosophie und Religon, 1804, S. 69 f.; SW VI, S. 61). – Zum Begriff des »Dämons« und der Verklärung vortrefflicher Menschen in Dämonen nach dem Tod vgl. auch Platon, Kratylos, 397e–398c. – Der Begriff des »Dämonischen« fällt ebenso in der Schrift »Clara« (vgl. F. W. J. Schelling, Clara [um 1811], SW IX , S. 98), die ebenso das »geistig-körperliche Wesen« des Menschen diskutiert (vgl. SW IX , S. 78–81). 111 »Volkes Stimme [ist] Gottes Stimme«. 112 Vgl. Fr. Chr. Oetinger, Swedenborg, 1765, Teil 1, S. 38 f.: »Ich habe auch zwey ausserordentliche Arten von Gesichtern, welche im Wort vorkommen, erfahren. \ 1) In den Himmel entzückt, und vom Leibe hinweg geführt werden, wie Paulus, heißt: Wenn der Mensch in einen gewissen Mittel-Stand zwischen Wachen und Schlafen versetzt wird, worinnen er nichts anders weißt, als daß er gantz wache. Alle
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Sinnen sind so wachsam, als es bey der höchsten Wachsamkeit des Körpers jemalen seyn kan, sowohl das Gesicht, als auch das Gehör, und was das wunderbarste ist, das Gefühl, welches sodann viel schärfer ist als sonsten.« – Vgl. auch J. C. Lavater, Aussichten in die Ewigkeit, Teil 1, 1768, S. 142–153; Ausgewählte Werke, Bd. 2, S. 80–85. – Vgl. den Hinweis von K. F. A. Schelling in: F. W. J. Schelling, Clara [um 1811] (SW IX , S. 65). 113 Lethe (Λήϑη) = Vergessenheit. Vgl. H. W. Stoll, Lethe (Λήϑη), Sp. 1956 f.: »Quelle und Fluß der Vergessenheit in der Unterwelt. Aus ihm tranken die Verstorbenen nach ihrer Ankunft im Hades Vergessen des irdischen Lebens, und auch die nach orphischer Lehre aus der Unterwelt wieder ins irdische Leben Zurückkehrenden tilgten sich die Erinnerung des Vergangenen durch einen Trunk aus der Lethe.« – Vgl. auch den platonischen Mythos von »Er«, welcher das Schicksal der Seelen nach dem Tod behandelt (Platon, Politeia, 613e–621d. – 621a–621b). 114 Der Begriff der »Mischung« bzw. des »Gemischten« ist von Oetinger und seiner Böhme-Lektüre inspiriert, wonach die Sünde in der »unordentlichen Vermischung der Principien des Lichts und der Finsterniß, des Geistes und Fleisches« in der Seele besteht (vgl. Anmerkung 106). Vgl. ferner Oetingers Auslegung von Böhmes Begriff des Bösen in ders., Grundweisheit, 1774, S. 3: »Moralisch ist der Zorn GO ttes ein Mißfallen am Bösen, aber physisch ist es die unordentliche Mischung der Creatur, ohne Maas und Regul.« 115 Von einem zweifachen Sündenfall spricht Jakob Böhme, den Schelling über Oetinger rezipiert hatte (vgl. ders., Grundweisheit, 1774, S. 11–15). Demnach geht der Fall des ersten Engels, Luzifer, dem Fall des androgynen Urmenschen, Adam, voran. Grund für den Fall Luzifers ist seine Selbstermächtigung: »Der gefallene Morgenstern hat das Licht wollen aus sich selbst schöpferisch hervorbringen, er hat auf keinen positiven Befehl gewartet, wie Saul, er hat das Licht nicht von GOtt empfahen wollen. Daher hat er die Coordination der sieben Kräften turbirt, durch eigenmächtige Erhebung einer Kraft über die andere, und die Finsterniß ist in ihm hervorgebrochen, die hat ihn tartarisirt und beschränkt: doch wollte GOtt ihn nicht ganz unmächtig machen, sondern ließ ihm viel Vermögen.« An die Stelle
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Luzifers sollte darauf der ursprüngliche Mensch treten, der aus der gefallenen Materie erschaffen worden ist und demzufolge die drei Prinzipien oder Anfänge »Finsterniß«, »Lebens-Licht«, »Erde« in sich vereint. Seine Aufgabe hätte in Herrschaft und »Scheidwissenschaft« bestehen sollen, in der Trennung des Lichts von der Finsternis. Die eigenmächtige Entscheidung des Menschen, »von dem zweyten principio der Gottheit in das erste principium und in die Finsterniß« zurückzugehen, schnitt jedoch die »Erde« von dem Einfluß des »Lichts« ab: »Der Mensch hatte ein sensorium gegen der Creatur und gegen GOtt; Keines sollte er ohne das andere gebrauchen. Er bestund aber nicht in dieser Coordination der Kräften des Lichts, sondern trennete das Welt-Sensorium vom göttlichen LichtsSensorio, und fiel aus seinem guten Stand in den bösen. Wäre er bestanden, so wäre er in die Stelle des Morgensterns gekommen; er wäre König des englischen Reichs worden, welches das Reich der Himmel heiset. Er wäre in die Stelle des Lucifers gesetzt worden.« – Eine ausführliche Darstellung des doppelten Falls findet sich auch in dem von Schelling studierten Hirtenbrief, einem Kompendium böhmescher und oetingerischer Theosophie (vgl. [Chr. A. H. C. v. Haugwitz], Hirten-Brief, 1785, S. 66–106) sowie in den Ausführungen Hahns (vgl. ders., Theologische Schriften, Bd. 1: Aufsätze, 1779, S. 33–48). – Zu Böhmes Darstellung des Sündenfalls vgl. z. B. ders., Von der Gnaden-Wahl (1623), Kap. 4–6. – Kap. 6 (Schriften, Bd. 6, S. 36–77. – S. 62–77). 116 Vgl. Fr. Chr. Oetinger, Swedenborg, 1765, Teil 1, S. 85: »So sind alle Seelen der Menschen an eine Gesellschafft gebunden, haben ihre Lage nach ihrer Gemüths-Art, und Statum. Wann sie in der Welt tausend Meilen weg wären, könnten sie doch in einer Gesellschafft seyn. \ Die Menschen, welche tausend Meilen auf Erden weg sind, wann sie im sensu interno erscheinen, sind einander nahe. \ Wann viele wären auf Erden, denen sensus internus eröffnet wäre, könnten sie doch unter einander reden, wann der eine in Asien, der andere in Europa wäre.« 117 Vgl. Fr. Chr. Oetinger, Swedenborg, 1765, Teil 1, S. 110: »Bey einem jeden Menschen sind zum wenigsten zween böse Geister und zween Engel: Durch die bösen Geister hat der Mensch Gemeinschaft mit
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der Hölle, und durch die Engel mit dem Himmel; ohne die Gemeinschaft zu beeden Seiten kan der Mensch keine Minute leben. Demnach ist ein jeder Mensch in einer Gemeinschaft mit denen in der Hölle, welches er gar nicht weiß; er hat aber keinen Theil an ihren Plagen, weil er in der Zubereitung zum ewigen Leben stehet. Ihme wird zuweilen die Gesellschaft, in welcher er war, in dem andern Leben gezeigt, dann er kommt wieder zu ihr, und folglich in das Leben, das er in der Welt gehabt: darauf er entweder der Hölle zu gehet, oder er kommt in den Himmel.« 118 Vgl. 1Petr 1,12. 119 Vgl. Fr. Chr. Oetinger, Swedenborg, 1765, Teil 1, S. 82 f.: »Ein jeder Geist hat mit dem innern und innersten Himmel Gemeinschafft, welches er selbst durchaus nicht weiß, sonst könnte er nicht leben […]. Demnach gibt es im Himmel eine gemeinschafftliche Mittheilung der innersten Dinge, gleichwie in der Geister-Welt eine gemeinschafftliche Mittheilung der Vergleichungs-weiß mehr äusserlichen Dinge: Durch die innere Mittheilungen wird er geschickt gemacht zu den gewissen nützlichen Verrichtungen, worzu er geleitet wird, ohne daß er es weiß (præter quod sciat). So verhält es sich auch mit dem Menschen, er hat durch die Engel Theil am Himmel, das weiß er aber nicht, er könnte aber ohne diß nicht leben, sein Leben ist mit dem Himmel im innersten vereinigt, was davon in die Gedancken einfließt, ist nur unter den letzten Würckungen. Vom Himmel ist des Menschen Leben, und dorther werden alle Bemühungen seines Lebens regiert.« 120 Vgl. Hippokrates, περὶ διαίτης, Buch I, Kap. 24: »[…] ἑνὶ δὲ ἀνθρώπῳ ἄλλα μὲν λέγειν, ἄλλα δὲ ποιέειν, καὶ τὸν αὐτὸν μὴ εἶναι τὸν αὐτὸν, καὶ ποτὲ μὲν ἄλλην ἔχειν γνώμην, ὁτὲ δὲ ἄλλην. […].« (Oeuvres, Bd. 6, S. 496). Übers.: »[…] Auch der Mensch aber kann anders reden als handeln, derselbe und (doch wieder) nicht derselbe sein, bald diese und bald wieder eine andere Meinung haben. […].« (Sämtliche Werke, Bd. 1, S. III/42 f. – S. III/43). 121 Vgl. Röm 8,19–20. 122 Die Idee von der Verleiblichung des Geistigen stellt einen Kernpunkt der »emblematischen Theologie« dar, wie sie Oetinger vertrat. Von Oetinger stammt das berühmte Zitat: »Leiblichkeit ist das
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Ende der Werke GOttes, wie aus der Stadt GOttes klar erhellet Offenb. 20.« (in : ders., Wörterbuch, 1776, Artikel: »Leib, Soma«, S. 407). 123 Vgl. die Auslegung der »Aurea Catena Homeri« in: [A. J. Kirchweger], Annulus Platonis, 1781, S. V: »Das Oberste sollt das Unterste sein, \ Das Unterste wieder das Oberste sein. \ […] \ So muß verkehrt sein Himmel und Erden, \ Solle das Unterste zum Obersten werden: \ […].« 124 Vgl. 1Kor 15,24. 125 Vgl. 1Kor 15,28.
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nachschr if t · a n mer kungen 1 – 6
georgii-nachschrift (s. 69 – 130) 1 G. W.
Leibniz, Monadologie, 1768. 2 Zur Bezeichnung seines Systems als »Naturphilosophie« vgl. Schellings Rückblick auf die eigene Philosophie (in : ders., Zur Geschichte der neueren Philosophie [1830 ff.], SW X, S. 107). 3 J. G. Fichte, Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, 1794/ 1795 (GA I,2, S. 173–463). 4 Vgl. F. W. J. Schelling, Weltalter. Fragmente, 1946, Druck I, S. 4. 5 Vgl. Sextus Empiricus, Adversus Mathematicos, Buch I,303: »ὁ δὲ ἀπὸ φυσικῆς ὁρμώμενος θεωρίας, σαφῶς γινώσκων ὅτι ἀρχαῖον ὅλως τὸ δόγμα ἐστί, τοῖς ὁμοίοις τὰ ὅμοια γιγνώσκεσθαι, ὅπερ ἀπὸ Πυθαγόρου δοκοῦν κατεληλυθέναι κεῖται μὲν καὶ παρὰ Πλάτωνι ἐν τῷ Τιμαίῳ (35 A et 45 B), εἴρηται δὲ πολὺ πρότερον ὑπ’ αὐτοῦ Ἐμπεδοκλέους (B 109 Diels) γαίῃ μὲν γὰρ γαῖαν ὀπώπαμεν, ὕδατι δ’ ὕδωρ, ἠέρι δ’ ἠέρα δῖον, ἀτὰρ πυρὶ πῦρ ἀίδηλον, στοργὴν δὲ στοργῇ, νεῖκος δέ τε νείκεϊ λυγρῷ, συνήσει ὅτι ὁ Ἐμπεδοκλῆς θεὸν ἑαυτὸν προσηγόρευσεν, ἐπεὶ μόνος καθαρὸν ἀπὸ κακίας τηρήσας τὸν νοῦν καὶ ἀνεπιθόλωτον τῷ ἐν ἑαυτῷ θεῷ τὸν ἐκτὸς θεὸν κατείληφεν.« (Opera, Bd. 3, S. 78). Übers.: »Wer von der Naturtheorie herkommt, weiß gewiß, daß die Lehre ›Gleiches wird durch Gleiches erkannt‹ ganz alt ist, von den Pythagoreern auszugehen scheint, auch bei Platon, Timaios (35a), vorliegt, aber viel früher eben schon von Empedokles vorgetragen wurde (DK 31 B 109): \ Denn durch Erde schauen wir Erde, durch Wasser das Wasser, \ Himmlischen Äther durch Äther, verderbliches Feuer durch Feuer, \ Liebe dann durch die Liebe und Haß durch heillosen Haß auch. \ Und er wird dann verstehen, daß Empedokles sich selbst als Gott bezeichnete, weil er allein seinen Sinn vom Bösen rein und unbefleckt bewahrte und durch seinen inneren Gott den äußeren erfaßte.« (Ders., Gegen die Wissenschaftler, 2001, S. 80). – Vgl. auch F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 400 f. (SW VII, S. 337). 6 In der Scholastik bezeichnete die »Aseität« bzw. die Bestimmung Gottes als »causa sui« seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit im Unterschied zu den geschaffenen Wesen. Während Gott den Grund
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seiner Existenz in sich selbst hat, haben die Dinge den Grund ihrer Existenz in einem andern, nämlich Gott, von dem sie abhängig sind (vgl. z. B. Chr. Wolff, Vernünfftige Gedancken von Gott, 1738, Kap. 6, §§ 928–930, S. 574–576). – Vgl. ferner B. de Spinoza, Ethica, 1677, Pars I, Definitiones I, S. 1. 7 Vgl. Fr. Chr. Oetinger, Swedenborg, 1765, Teil 2, S. 137 f. Vgl. auch Oetingers von seiner Böhme-Lektüre und den Kabbala-Studien geprägten Ausführungen in ders., Metaphysic und Chemie, [ 1770 ], S. 620 f.: »Da ist demnach erstlich zu bemerken, daß in Gott ein ewiger Wille sey, sich selbst zu offenbaren. Dieser Wille hat in sich die anziehende Kraft, genannt von dem Sohar, Zimzum. Diese zieht in der ewigen Ausbreitung die Kräften in einen engen Raum, und heißt krátoV t²V dóxhV [= Kraft der Herrlichkeit]«. – Vgl. J. Böhme, Antistiefelius, Buch 2 (1621/22), § 145: »Das Nichts ist GOtt, der führet sich mit der freyen Lust des Nichts in Begierde ein: Denn im Nichts ist ein ewiger Wille zur Offenbarung, welchen keine Creatur, Engel noch Mensch gründen mag. Derselbige Wille offenbaret sich mit der ewigen Lust, durch die Begierde in Dreyfaltigkeit. Der Wille in der freyen Lust heisset GOtt, denn er ist von der Begierde frey.« (Schriften, Bd. V, S. 233 f.). 8 »Qui vult finem debet etiam habere media.« = »Wer den Zweck will, muss auch die Mittel haben.« 9 Zu den Begriffen »Entäußerung« (vgl. Phil 2,7) sowie »Inkarnation Gottes« vgl. oben S. 156, Anmerkung 18. 10 Schelling nimmt die Diskussion über das »System des Gleichgewichts der Willkühr« aus der Freiheitsschrift wieder auf (vgl. ders., Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 463–465; SW VII, S. 382 f.), die in ähnlicher Weise bereits Leibniz geführt hatte (vgl. ders., Ten tamina theodicææ [1710], in ders., Opera omnia, Tom. I, 1768, S. 35– 469. – Pars I, §§ 35, 45–49, S. 145, 153–155; Pars III, § 303 f., S. 345 f.; Philos. Schriften, Bd. VI, S. 122 f., 127–130, 296 f.). 11 Die Erzählung von »Herakles am Scheideweg«, der vor der Wahl zwischen einem Leben der Tugend oder des Lasters steht, wird dem Sophisten Prodikos von Keos zugeschrieben und ist von dessen Zeitgenossen Xenophon überliefert (vgl. ders., Memorabilia, Buch 2, Kap. 1, 21–33).
178 12 Vgl.
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Apk 3,15–16. 13 Vgl. oben Anmerkung 10. 14 Vgl. F. W. J. Schelling, Die Weltalter. Fragmente, 1946. – Entwürfe und Fragmente zum Zweiten Buch, S. 239 f. 15 Vgl. B. de Spinoza, Ethica, 1677, Pars I, Propositio VII, S. 5. 16 Vgl. F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 432 (SW VII, S. 359 f.). 17 Vgl. oben S. 159, Anmerkung 31. – Vgl. ferner F. W. J. Schelling, Aphorismen zur Einleitung, 1805, S. 87 (SW VII, S. 197). 18 »spiritus rector« = »der belebende Geist, die geistige, belebende Kraft; der Riechstoff bei den Pflanzen« (vgl. J. Chr. Heyse, Fremdwörterbuch, 21. Aufl. 1922, S. 820). 19 Vgl. F. W. J. Schelling, Darstellung, 1801, § 126, Zus. 1, S. 104 (AA I,10, S. 195); sowie G. W. Leibniz, Principes de la Nature, 1768, §§ 1, 3 f., S. 32–34 (Philos. Schriften, Bd. VI, S. 598–600). 20 I. Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, 1787. Vgl. besonders S. 31–105 (= Zweytes Hauptstück der Metaphysischen Anfangsgründe der Dynamik) (Gesammelte Schriften, Bd. 4, S. 465– 565. – S. 496–535). 21 Vgl. F. W. J. Schelling, System der gesammten Philosophie [1804], § 145 (SW VI, S. 319 f.). 22 Vgl. a. a. O., § 232: »[…] Der Klang ist der Widerhall der ewigen Affir mation Gottes in der Natur, er ist der erste Ausgang aller Dinge aus Gott, nicht das gesprochene Wort, wie die Materie, sondern das sprechende, der wahre λόγος […].« (SW VI, S. 454 f.) 23 Zu Newtons Emanationssystem und Eulers Wellentheorie vgl. J. S. T. Gehler, Physikalisches Wörterbuch, Teil 2, 1789, Artikel »Licht«, S. 882–904. – S. 893 ff. – Vgl. auch F. W. J. Schelling, Ideen, 1797, S. 26 (AA I,5, S. 128 f.) 24 Vgl. den von Platon im Dialog »Phaidros« geführten Beweis, nach dem das Prinzip der Seele in dem Sich-selber-Bewegenden bestehen soll, welches sodann als das Unsterbliche bestimmt wird, in ders., Phaidros, 245c–246a. 25 Schelling greift indirekt die in der Antike aufgeworfene Frage nach der Bewegtheit der Gestirne auf. Die Vorstellung um das Dasein der Weltkörper, die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften im latei-
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nischen Sprachgebrauch auch als »Intelligentiae motrices« (= »bewegende Geisteskräfte)« bezeichnet und dementsprechend mit Göttern, Engeln und Geistern identifiziert wurden, welche ihre ewige Bewegung willentlich besorgen, lehnte Kepler ab. Demgegenüber führte Kepler die Bewegung der Sphären vielmehr auf natürliche Kräfte zurück. Vgl. J. Kepler, Epitome astronomiae Copernicanae, 1618, Buch IV, Teil 2,2; Teil 3,1 (Gesammelte Werke, Bd. 7, S. 293–296, 331). – Zu Schelling und Kepler vgl. P. Ziche / P. Rezvykh, Sygkepleriazein, 2013. 26 Zur Wirkung des Klimas auf die Bildung des Menschen vgl. J. G. Herder, Ideen, 1786. Teil 2. Buch 7,III. 27 Nach der Offenbarung des Johannes (vgl. Apk 20,1–15) stellt das tausendjährige Reich einen Mittelzustand dar, der mit der Wiederkunft Christi beginnt und als Vorstufe des jenseitigen Äons das Ende des irdischen einleitet. Zu den Grundmerkmalen der auf mannigfaltige Weise ausgelegten Lehre vom »Chiliasmus« (χίλια ἔτη = tausend Jahre) gehören die »Erwartung eines irdischen Reiches […], in welchem Christus nach seiner Wiederkehr mit den verklärten und auferweckten Frommen herrschen werde«; die »Unterscheidung einer doppelten Auferstehung, der Frommen für das tausendjährige Reich […], der übrigen Todten zum allgemeinen Endgericht«; die »Mitherrschaft der Verklärten über die unverklärte Menschheit«. Besondere Verbreitung erfuhr die Lehre vom tausendjährigen Reich im 17. Jh.; in der lutherischen Kirche wurde ihre Entfaltung im Pietismus durch Bengels Apokalyptik angestoßen (vgl. K. Semisch, Chiliasmus, 1854). – Die biblische Vorstellung vom tausendjährigen Reich sowie einer ersten und zweiten Auferstehung wird auch von Lavater und Ph. M. Hahn ausführlich diskutiert (vgl. J. C. Lavater, Aussichten in die Ewigkeit, Teil 1, 1768, S. 199–212; Teil 2, 1769, S. XXIV– CVIII; Ausgewählte Werke, Bd. 2, S. 108–116; 198–236; ferner W. Stäbler, Pietistische Theologie im Verhör, 1992, S. 244–260 [= »Hahns Lehre vom Königreich Gottes und Christi«]). 28 Wahrscheinlich die Abwandlung einer Textstelle aus F. Bacon, De augmentis scientiarum, 1623, Buch 3, Kap. 1: »Philosophiæ autem objectum triplex, Deus, Natura, Homo; et triplex itidem Radius rerum; Natura enim percutit intellectum radio directo; Deus autem, prop-
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ter medium inæquale (creaturas scilicet), radio refracto; Homo vero, sibi ipsi monstratus et exhibitus, radio reflexo.« (Works, Bd. 1, S. 540). Übers.: »Der Gegenstand der Philosophie ist aber dreyfach, Gott, die Natur, der Mensch: und eben so ist der Radius der Dinge dreyfach, denn die Natur erschüttert den Verstand mit dem Direktions Radius; Gott aber, wegen dem unähnlichen Mittel (nemlich den Creaturen) mit dem Refraktions Radius; der Mensch aber sich selbst geoffenbaret und dargestellt, mit dem Reflektions Radius.« (Ders., Über die Würde und den Fortgang der Wissenschaften, 1783, S. 285 f.) – Zum selben Zitat vgl. J. W. Ritter, Fragmente, 1810, Bd. 1, Nr. 256, S. 164–167. – S. 166: »Alles Einzelne in der Natur ist Brechungsmedium für alle Strahlen des Universums. Im Menschen brechen sich göttliche Strahlen. Sie zerlegen sich, und ihre Farben sind das harmonische Spiel seiner Gedanken. Man könnte sprechen von Gedanken, die durch geradlinigtes Begegnen, und andern, die durch schieflinigtes entständen. Das Herz wäre der Strahl Gottes, der senkrecht auf den Menschen fiele; alles übrige fällt schief. Oder auch: der eigentliche Mensch ist das Herz, das Innere, am Menschen, in diesem bricht sich alles Aeußere. Das Leben ist das Farbenspiel, was dadurch im brechenden Medium entsteht.« 29 Mit der Bezeichnung »dunkler Flek« meint Schelling die Erbsünde des Menschen. Vgl. I. Kant, Religionsschrift, 1793, S. 34 f.: »[…] und liegt in dem radikalen Bösen der menschlichen Natur, welches […] den faulen Flek unserer Gattung ausmacht, der, so lange wir ihn nicht herausbringen, den Keim des Guten hindert, sich, wie er sonst wohl thun würde, zu entwickeln.« (Gesammelte Schriften, Bd. 6, S. 38). – Zum Terminus »dunkler Fleck« vgl. auch F. W. J. Schelling, Clara [um 1811] (SW IX , S. 73). 30 »Vehementer cupit vitam.« = »Heftig begehrt er das Leben.« Wahrscheinlich die Abwandlung eines Zitats, das Schelling durch Baader kannte. Vgl. F. Baader, Ueber die Analogie des Erkenntniß- und Zeugungstriebes, 1831, S. 97: »Vehementer cupio vitam.« Der Zweitdruck des zuerst im Jahre 1808 in den »Jahrbüchern der Medicin« erschienenen Aufsatzes trägt die oben zitierte Zueignung. Dabei handelt es sich um die Übersetzung eines geheimen und daher im Original schriftlich nicht mitteilbaren griechischen Zweizeilers,
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der ein Gelübde der Freimaurer ausdrückt, die sich zum Wunsch nach ewiger Erlösung aus einem reinen Glauben bekennen (vgl. J. Ashe / G. Oliver, Masonic Manual, 1843, S. 141). 31 Vgl. Mt 5,45. – Vgl. die dritte und vierte Strophe aus Goethes Gedicht »Das Göttliche« [zuerst handschriftlich in: Journal von Tieffurth (um 1783), Stück 40]: »[…] Denn unfühlbar \ Ist die Natur \ Es leuchtet die Sonne \ Über Böse und gute \ Und dem Verbrecher \ Glänzen wie dem Besten \ Der Mond und die Sterne. \ Wind und Ströme \ Donner und Hagel \ Rauschen ihren Weg \ Und ergreifen \ Vorübereilend \ Einen um den andern.« (Goethes Werke, Abt. I, Bd. 2, S. 83–85. – S. 83 f.). Jacobi stellte das Gedicht seiner im Jahre 1785 erschienenen Schrift »Ueber die Lehre des Spinoza« ohne Goethes Kenntnis voran (vgl. JWA 1,1, S. 3 f.). 32 Vgl. F. W. J. Schelling, Methodenlehre, 1803, S. 194 f. (SW V, S. 298 f.). 33 Die Seitenangabe ist falsch. Vgl. dagegen a. a. O., S. 182 f. (SW V, S. 293). 34 Vgl. zu dieser Formel z. B. I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1786, S. 88 (Gesammelte Schriften, Bd. 4, S. 441). 35 Schelling bezieht sich auf Oetingers »Melissenexperiment«, das den Sitz des Geistes oder »Spiritus Rectoris« der Pflanze, welcher Geruch und Kraft derselben enthalten soll, in der öligen Substanz nachweisen will, die beim Destillieren der Pflanze entsteht. Das auf diesem Weg hervorgebrachte Öl soll sogar die Wiederherstellung der Pflanze aus ihrer Asche möglich machen. Vgl. ders., Philosophie der Alten, Teil 2, 1762, S. 2 f.: »[…] als ich noch Pfarrer in Walddorff bey Tübingen war, schenkte man mir zur Herbst-Zeit eine grosse Menge Melissen. Ich legte sie auf den Obern Boden in den Schatten unter das Dach, wo anfangs noch eine gelinde Wärme durchgedrungen. Den Winter über und den Frühling blieb es unbeweglich liegen. Sommers kam mich die Begierde an, es, da es ganz dürre war, zu zerhacken, und mit Wasser in einer Retorte zu begiessen. Des Wassers war so viel, daß es wie ein Taig war. Ich distillirte in eine grosse Vorlage. Das Wasser war alle herüber und füllte den Drittentheil der Vorlage, zuletzt kam mit gleichem Feuer, womit ich das Wasser getrieben, das Gelbe Oel der Melissen und schwam oben auf dem Wasser, in Form der Melissen-Blätter, so schön, daß
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ich alle Linien der Melissen-Blätter distinctissime wahrgenommen, und meiner Frau es lange vorgezeigt. Das Oel præsentirte sehr viele Melissen-Blätter, ohne Confusion, nur nicht grün, sondern gelb, von einem nicht herben Geschmack. […].« – Vgl. auch F. W. J. Schelling, Philosophie der Offenbarung. Drittes Buch (SW XIV, S. 207). 36 Vgl. F. W. J. Schelling, System der gesammten Philosophie [1804], § 223 (SW VI, S. 440–442); ders., Clara [um 1811] (SW IX , S. 80). 37 Vgl. F. W. J. Schelling, Clara [um 1811] (SW IX , S. 67). 38 Zur Herleitung der Begriffe »Seligkeit«, »Seliges« von dem Begriff der »Seele« vgl. A. C. A. Eschenmayer, Die Philosophie in ihrem Uebergang zur Nichtphilosophie, 1803, § 39, S. 30 f.; S. 78. 39 Vgl. F. W. J. Schelling, Philosophie und Religion, 1804, S. 73 (SW VI, S. 63); ders., Philosophische Untersuchungen, 1809, S. 494 f. (SW VII, S. 404). 40 Die Lehre von der »ἀποκατάστασις πάντων« oder »Wiederbringung Aller« (vgl. Apg ≥,≤±) bezeichnet die theologische Lehre von der ausnahmslosen Aufnahme aller Menschen und Wesen am Ende aller Zeiten in das Reich Gottes zum ewigen Leben. Durch ihre Idee einer »Allversöhnung« oder »Allerlösung« steht die Vorstellung von der Wiederbringung aller Dinge im Gegensatz zur traditionellen Vorstellung vom »doppelten Ausgang«, demnach der kleinere Teil der Menschheit zu Gott gehen wird, während der größere der Verdammung anfällt. Die Lehre von der Apokatastasis panton wurde zuerst von Origenes vertreten und insbesondere vom schwäbischen Pietismus entwickelt (J. A. Bengel, F. Chr. Oetinger, J. M. Hahn) und galt aufgrund ihrer Nähe zum Pantheismus und der Infragestellung menschlicher Freiheit als häretisch (vgl. H. Rosenau, Wiederbringung aller, 2003).
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Per iodic a Journal von Tiefurth [ 1781–1784 ]: (›Es ward als ein Wochenblatt zum Scherze angefangen‹. Das Journal von Tiefurt, hg. v. Jutta Heinz u. Jochen Golz, Göttingen 2011). Morgenblatt für gebildete Stände, hg. v. Johann Friedrich Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1807–1837.
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SACHREGISTER
μὴ ϕαινόμενα 20, 91 oὐκ ὄν 20, 91 πολιτεία 46
Selbst~ 89 Bibel 65, 96 – vgl. Neues Testa ment; Schrift, (Heilige) Böses 17, 20, 43, 46, 51–53, 55, 58–67, 79, 91 f., 111 f., 117, 119– 120, 123, 125, 127, 129 f., 145, 149 – vgl. Mischung; Gutes Möglichkeit des Bösen 146 Wiederbringung des ~ 68, 130 Bund aller Völker 49
Abbild 64, 127 Abfall, Fall 63 f., 110–112, 127 Absolutes 7, 76 f. – vgl. Gott; Identität, absolute; Urwesen Beweis des Absoluten 7, 76 f. aequilibrium arbitrii 85 Ahndung 118 Alchemie 67, 112 Alten 32, 39, 66, 101 Anfang 12, 14, 17, 18 – vgl. Schöpfung, ~ der Anorgismus 44, 113, 117 Anschauungsvermögen 36, 39, 104 Anthropologie 40 Apokatastasis panton 130 Architektur 40, 107 Äther 33 f., 103 Auferstehung 67, 129
caput mortuum 60 Charakter 13, 40, 107 Chemie, Chemismus 31, 33 f., 36, 100, 102 – vgl. Prozeß, chemischer Christentum 13, 48, 64, 96, 150 – vgl. Religion, christliche Christus 47, 68, 116 – vgl. Gottes, Sohn; Mensch, göttlicher Clairvoyance 32, 61, 125 Copula 9, 80, 96, 99, 103
Band, (absolutes) 9, 12, 24, 26, 38, 45, 57, 80 f., 83, 94, 96, 105, 108 f., 114, 116 Begierde 50 f., 54, 56, 118, 122 – vgl. Hunger; Lust; Sucht Bewußtloses, Bewußtlosigkeit 16–19, 50, 92 f. – vgl. Prinzip, bewußtloses Bewußtsein 8, 17 f., 50, 75, 79, 92, 125
Dämonisches, dämonisch 52, 59–61, 65, 124–126, 128 Despotismus 46, 114 Differenz 8–10, 40, 80 f. – vgl. Gegensatz; Identität qualitative ~ 29 quantitative ~ 29, 99 Differenzierung 10 f., 31, 81 f., 102 – vgl. Entzweiung Selbst~ 14, 79, 87
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Ding(e) 14 f., 78, 84, 87 f., 93, 96, 100, 109, 128, 140 Divination 40, 107 Dualismus 6 f., 27, 29, 74 f., 97 f. Dualität 105 – vgl. Zweiheit Dunkel 17 f., 33, 93 – vgl. Finsternis Egoismus, Egoistisches, Egoität 22–24, 51, 67, 94, 99 f., 130 – vgl. Natur, ~ der; Selbstheit; Zorn Einheit 48, 79, 126 ~ des Gegensatzes und der Entzweiung 9 Einschränkung 11 f., 84, 86, 94 – vgl. Gott, Selbstbeschränkung Elektrizität, elektrisch 30, 34, 99, 102, 104 Elemente 31, 100 f. Engel 68 Entzweiung 11, 82 f. – vgl. Differenzierung; Einheit Er / wir selber 18 f., 41 f., 59, 66, 124, 128 Erde 31, 49, 100, 108, 110, 117 Erinnerung 61 f., 125 Erkenntnis, Erkennung 77 Selbsterkennung 89 ~ Gottes 7, 76 esprit 50, 118 Essenz, Essentifikation 60, 90, 124 Ewigkeit 12, 68, 86 f., 109, 128, 130 Existenz 14, 79, 86, 91 – vgl. Grund Existierendes 14, 86, 144
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Expansion, expansiv 13, 17 f., 22, 89, 99 f. – vgl. Kraft Feuer 22, 32–34, 38, 44, 67, 94, 100 f., 130 – vgl. Flamme; Zornfeuer Finsternis 9, 79 – vgl. Dunkel Flamme 32 f., 50, 100 f. – vgl. Feuer Lebens~ 32, 100 Freiheit 12 f., 41 f., 45 f., 51, 54, 63, 65, 79, 84–86, 109, 111, 113, 119, 126, 145 – vgl. Wahl; Willkür Identität von ~ und Notwendigkeit 8, 13 Galvanismus 34, 102 Gefühl 36, 50, 53, 55 f., 64, 104, 118, 120–122. Gegensatz 6, 79, 94 – vgl. Differenz; Einheit; Identität Grundgesetz des Gegensatzes 19, 90 Gehör 36, 104 Geist 40, 50, 68, 107, 112, 118 f., 124, 129, 150 endlicher ~ 40, 107 menschlicher ~ 49, 51–54, 58, 121–123, 148 Geister 37, 60, 63, 65 f., 126, 128, 139 Geisterwelt, ~reich 38, 59, 62– 66, 75, 123, 126 f., 130 Gemüt 22, 47, 49 f., 53 f., 57, 59, 61–63, 93, 108, 112, 118–120, 122 f., 126 Gericht, jüngstes / letztes 67, 129
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Geruch 36, 104 Geschichte 16, 64, 128 Geschlecht 37, 105 Geschmack 36, 104 Gesellschaft(en) 65, 128 Gesicht 36, 64, 104 Gift 43, 52, 111 Gott 7, 16, 25, 62 f., 66, 76, 78 f., 109, 130, 139–141, 148–150 – vgl. Absolutes; Differenzierung; Erkenntnis; Identität, absolute; Individualität; Personalität; Subjekt-Objektivierung; Verstand, göttlicher (Selbst)-Beschränkung Gottes 11–13, 83 – vgl. Einschränkung Entäußerung ~ 84 Herablassung ~ 13, 84 Inkarnation ~ 84 Menschwerdung ~ 47, 65, 68, 84, 115, 151 Sohn ~ 26, 96, 108, 150 f. Begriff von Gott 15, 27, 78, 147 Trennung von ~ 44 f., 53 f., 62, 67, 115 lebendiger ~ 14 f., 27, 78, 86 potenzieller ~ 24 Gravitation 102 Grund (von Existenz) 144 f., 149 f. Gutes, gut 17, 43, 51–53, 55 f., 58–63, 65–67, 79, 86, 112, 117, 119–121, 123, 125, 127, 129 f., 145 – vgl. Mischung Unentschiedenheit von Gut und Böse 89, 123 Handlung, Handeln 13, 39, 56 f., 84, 106
Himmel, himmlisch 37, 46, 48, 55, 65–67, 110, 126, 128 Höheres 17 f., 81, 88 Hölle 61, 65, 68 f., 125 f., 128 Hunger 50, 67 – vgl. Begierde; Lust; Sucht Ich 6 f., 146 Ideales 82, 86, 126 – vgl. Prinzip, ideales Identität 7, 97 absolute ~ 5, 66, 73, 98, 130, 139, 141, 150 Aufhebung der ~ 8, 12, 79 Übergang von ~ zu Differenz 8 ~ der Einheit und des Gegensatzes 29, 97 ~ der Natur und der Geisterwelt 74, 140 ~ des Realen und Idealen 6, 8, 24, 57, 74, 77 f. ~ des Subjekts und Objekts 16, 75 Identitätssystem 27 Indifferenz 12, 18, 31, 44 – vgl. Potenzen, Gleichgültigkeit der Indifferenzpunkt 42, 51, 108, 119, 121, 127 Individualität, Individuelles, Individuum 74, 135 – vgl. Personalität ~ Gottes 22, 93 f. ~ des Menschen 42, 51, 107, 145 f. Instinkt 37, 39 f., 104, 106 f. Intelligenz 48, 108, 117 Irritabilität 36, 50, 104
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Irrtum 51 f., 54, 91, 119, 121 Kampf 8, 36, 44, 46, 102 f., 112 – vgl. Krieg Kirche 47 f., 116 f. Klang 34, 38, 103 Kohärenz 31, 36, 38, 99, 102 Konstitutionen 114 – vgl. Verfassung Kontraktion, kontraktiv 12 f., 15, 17 f., 22, 24, 84, 89, 94 f., 99 – vgl. Kraft Körper, Körperliches 92, 146 – vgl. Leib Kraft – vgl. Expansion; Kontraktion attraktive ~ 7, 75 zurückstoßende ~ 7, 75 Centrifugal~ 88 Centripetal~ 88 Repulsiv~ 99 Ur~ 22, 24, 25, 94 Krankheit 20, 43, 51–53, 67, 91 f., 111, 119 f., 129 Krieg 46, 112, 114, 120 – vgl. Kampf Krisis 67, 129 – vgl. Scheidung Kunst, Künste 40, 55, 57, 121 f. ~trieb 37, 40, 104, 107 ~werk 55, 57, 121 Künstler 92 Leib, leiblich 32 f., 41, 52, 59 f., 67, 97, 107, 112, 119, 123 f., 128 f. – vgl. Körper Lethe 62 Licht 9, 17, 30, 34, 36, 38, 79, 93, 99, 103 f.
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Liebe 22–24, 37, 40, 57 f., 70, 94, 105 f., 122, 130 Logos 96 Luft 32, 100 Lust 50, 118 – vgl. Begierde; Hunger; Sucht Magie 66, 112, 128 Magnet 99, 102 Magnetismus 24, 29, 33 f., 36, 102, 104 Mann 37, 105 Materie 18, 28, 31, 33–36, 92, 100–103 geistige ~ 34, 103 göttliche ~ 67 unorganische ~ 104 Ur~ 26, 32, 96, 101 Qualitäten der ~ 31, 33, 100 f. Medium 115 f. Melancholie 49, 120 – vgl. Schwermut Melisse 124 Mensch 8, 13, 18–20, 37, 40–43, 52, 58, 65 f., 77, 79, 89 f., 92 f., 105, 108, 110, 112, 116, 118, 124, 128, 145 – vgl. Geist, mensch licher; Individualität äußerer ~ 59, 123 ganzer ~ 60, 124 göttlicher ~ 47, 116 innerer ~ 59, 123 menschlich 16, 22 Metalle 30 f., 99 f., 112 Metaphysik 76 Methode 5, 73 Mikrokosmos 41, 107 Mischung 18, 59, 64–66, 123, 128
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Mitlauter 26, 96, 150 Mittler 47, 127, 129 Monade 28, 97, 135, 140 Moral, moralisch 90, 122 – vgl. Welt, moralische Musik 40, 107 Nacht 17, 31 Natur 16, 21, 23 f., 29, 43, 58, 66, 95, 112, 123, 128 f. Egoismus der ~ 112 Einheit der ~ 44 f. Erlöser der ~ 112 Gesetze der ~ 99, 102 Herr der ~ 47, 63, 111, 116, 127 Lebensgeist der ~ 34 Totschlag der ~ 29 Veredler der ~ 115 Vereinigungspunkt der ~ 44, 113 zweite ~ 45, 113 Naturphilosophie 27, 73 Neues Testament 20, 91 – vgl. Bibel; Schrift, (Heilige) Nichts 20, 43, 91 Nichtseiendes 20 f., 23–26, 32, 35, 40, 44, 51, 53 f., 67, 90–93, 95 f., 111, 113, 120, 123, 126, 129, 147–150 Niedere(re)s 17 f., 81, 88, 90 Notwendigkeit 79, 84–86 – vgl. Freiheit Offenbarung 9, 13, 16, 47, 78 f., 82 f., 114 f. Wille zur ~ 79, 82 f. Organismus 35 f., 74, 92, 103
Pantheismus, pantheistisch 21, 68, 130 Periode(n) 36, 43, 68, 83 f., 111, 128, 130 – vgl. Potenz(en) Personalität, Persönlichkeit 56 f., 90, 109, 118, 125, 140, 145 – vgl. Individualität ~ Gottes 15 f., 18, 27 f., 89, 93 f., 143–146 Persönliches 42, 57, 139 Un~ 52 f., 57, 120, 122 Pflanze 30, 37, 104 f. Philosophie 7 f., 55–58, 76 f., 121 f., 137 Physik 101 f. Plastik 40, 64 Poesie 55, 64 Potenz(en) 10–12, 81–84, 86 – vgl. Periode(n) Gleichgültigkeit der ~ 16 f., 89 – vgl. Indifferenz Simultaneität der ~ 83 f. Prinzip, Prinzipien 17, 149 bewußtloses ~ 17 dunkles ~ 17, 25, 31, 34, 49, 56, 121 geistiges ~ 39, 59, 107, 116, 124 ideales ~ 34, 105 reales ~ 42, 105 ~ der Philosophie / des Systems 5, 7, 73, 76, 139, 141 Prozeß chemischer ~ 102 dynamischer ~ 33, 35 f., 101– 103 organischer ~ 36, 104 Psychologie 3
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Quintessenz 32, 67, 101 Reales 13, 82, 86, 126 – vgl. Prinzip, reales; Sein, reales Religion 42, 57, 76, 122 christliche ~ 115, 127 indische ~ 115 jüdische ~ 115 Vernunft~ 88 Religiosität, religiös 48, 117 f., 122 Rest, dunkler 17 Ruhe 75, 102 – vgl. Tätigkeit, ruhende Satan 127 – vgl. Natur, Herr der; Teufel Sauerstoff 32 Scheidung 8 f., 16 f., 19, 23, 25, 30, 58, 66 f., 80, 89, 92, 99, 126, 130 – vgl. Krisis Schlaf 61, 125 Schöpfung 16, 18 f., 23 f., 34, 52, 67, 88 f., 92, 94, 126, 129 Anfang der ~ 13, 47, 84 ~ aus Nichts 20, 91 Schrift, (Heilige) 26 – vgl. Bibel; Neues Testament Schwere, Schwerkraft 31, 33–35, 38 f., 49, 75, 100–104, 118 Schwermut 49, 118, 120 – vgl. Melancholie Seele 38, 40, 49, 52–57, 62, 79, 97, 103, 120–122, 126 Sehnsucht 49, 53–55, 106, 118, 120 f., 128, 144 Seiendes 19–21, 23, 41, 50, 67, 90, 93, 105, 107, 129, 148, 159
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Sein 10, 19, 41, 81, 90, 105 reales ~ 11, 100 Position des Seins 10, 81 Selbstheit 20, 22, 32–34, 94, 99–101 – vgl. Egoismus; Zorn Selbstlauter 26, 96, 150 Seligkeit, selig 57, 62, 66, 122, 126, 128 f. Un~ 62, 126 Sensibilität 36, 50, 104, 118 Sinne, fünf 36, 104 Sonne 103, 109, 112 Spiegel 9, 66, 128 spiritus rector 92 Staat 45–48, 113 f., 116 f. Stände 114 Stickstoff 33, 101 Subjekt-Objektivierung 79 Sucht 50, 67, 118 – vgl. Begierde; Hunger; Lust Sünde 68, 119, 126 f., 130 Sympathie 49, 64, 126 f. System 5, 73, 144 – vgl. Identitätssystem Tätigkeit 23, 31, 75, 102, 148 ruhende ~ 101 Tausendjähriges Reich 108, 117 Teufel 52, 63 f., 127 – vgl. Natur, Herr der; Satan Theologie 7, 76 Thron 21 Tier 30, 37, 39 f., 101, 105–107 Tod 24, 28, 32, 43, 58–62, 109, 111, 123–125, 128 f., 151 Tugend 51, 56 f., 85, 120, 122
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Universum 7 f., 14 f., 30, 58, 65, 67, 77, 87 f., 111 Kette (des Universums) 108, 110 Unschuld 50, 55, 65, 67, 113, 126, 129 Unsterblichkeit, unsterblich 60, 107, 112, 118, 124 Urbild 64, 127 f. Urwesen 6, 8 f., 15 f., 74, 80 f., 84 f., 135, 139 f. – vgl. Absolutes; Gott; Identität, absolute Verbrennungsprozeß 34, 102 Verfassung 114 – vgl. Konstitutionen Verklärung/~spunkt 38, 42, 44, 49, 57, 108, 110, 117, 128 Vernunft 39, 55 f., 76, 106, 121 f. subjektive ~ 39, 106 Verstand 39 f., 51, 53–56, 76, 119–122 göttlicher ~ 5, 73 objektiver ~ 106 Wahl 13, 85 Wahnsinn 53 f., 61, 120, 125 Wahrheit 51, 56, 119, 122 Wärme 30, 34, 38, 100 f. Wasser 32 f., 100 f.
Weib 37, 105 Welt – vgl. Geisterwelt beste ~ 13, 86 moralische ~ 20, 43, 91, 111 ~gegenden 34 ~plan 128 Weltkörper 41, 88, 108 Werden, ewiges 16 Widerstreit 33, 79 Wille 13, 47, 51, 54–56, 116, 118 f., 122 – vgl. Offenbarung, ~ zur besonnener ~ 119 eigentlicher ~ 51, 119 unerleuchteter ~ 85 Eigen~ 51, 55, 118–121 Willkür 85 – vgl. Freiheit; Wahl Wissenschaft 50, 53, 55–57, 120–122 Wollust 52, 120 Wort 26, 96, 103, 108 Wunder 116 Zeit 12–15, 83, 86–88, 144 Zeugungstrieb 40 Ziel 48, 67, 129 Zorn 22, 94 – vgl. Egoismus, Selbstheit ~feuer 32 Zufall 43, 61, 92, 109, 125 Zweiheit 79, 89 – vgl. Dualität