Studien zur Geschichte der russischen Literatur des 18. Jahrhunderts, Band 4 [Reprint 2021 ed.] 9783112554920, 9783112554913


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German Pages 510 [508] Year 1971

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Studien zur Geschichte der russischen Literatur des 18. Jahrhunderts, Band 4 [Reprint 2021 ed.]
 9783112554920, 9783112554913

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HERAUSGEGEBEN

VON

HELMUT GRASSHOFF / I L I

LEHMANN

STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER RUSSISCHEN LITERATUR DES 18. JAHRHUNDERTS

BAND IV

AKADEMIEVERLAG BERLIN

STUDIEN ZUR G E S C H I C H T E DER R U S S I S C H E N L I T E R A T U R D E S 18. J A H R H U N D E R T S IV

DEUTSCHE AKADEMIE DER W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N V E R Ö F F E N T L I C H U N G E N DES I N S T I T U T S FÜR SLAWISTIK

Herausgegeben von

H. H. B I E L F E L D T

Nr.

28/IV

STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER RUSSISCHEN LITERATUR DES 18. JAHRHUNDERTS Herausgegeben von

H E L M U T G R A S S H O F F und U L F L E H M A N N unter Mitarbeit von

A N N E L I E S L A U C H und R O S W I T H A L O E W BAND

IV

Dem Andenken P A V E L NALTMOVlC B E R K O V S 1896-1969 gewidmet

AKADEMIE-VERLAG 1970

.

BERLIN

Erschienen im Akademie*Verlag G m b H , 108 Berlin, Leipziger Straße 3—4 Copyright 1970 by Akademie-Verlag G m b H Lizenznnmmer: 202 • 100/279/70 Offsetdruck und buchbinderische Weiterverarbeitung: V E B Druckerei Thomas Müntzer", 582 Bad Langensalza Bestellnummer: 2040/28/IV EDV 751 672 5 • ES 7 I 59,-

VORWORT

Die kritische Rezeption des progressiven humanistischen Erbes kann an einem so bedeutenden Wendepunkt der weltgeschichtlichen Entwicklung, wie ihn die Aufklärung darstellt, umso weniger vorübergehen, als im 18. Jahrhundert auch die internationalen Kontakte der bürgerlichen Aufklärer systematisch gepflegt werden. Innerhalb der engen deutsch-russischen Beziehungen in der Vergangenheit stellen sie einen Teil des lebendigen Erbes dar, der einer Beachtung durch die sozialistische Literaturwissenschaft der DDR würdig ist. Der vierte Teil der "Studien..." bietet ein breites Spektrum verschiedener Materialien: Die russische Frühaufklärung findet in diesem Bande besondere Beachtung. Eingeleitet durch einen Aufsatz über die historische Problematik des russischen Absolutismus und der Aufklärung, der gleichermaßen materialreich und methodologisch interessant ist, wird mit der nachfolgenden Darstellung neuer deutscher Quellen über den russischen Bauernkrieg unter der Führung Stepan Razins ein Rückblick in das 17. Jahrhundert gewagt. Die Erforschung einer für die russische Theatergeschichte so wichtigen Etappe wie der des Moskauer Wirkens von Gregorii erfährt duroh die Analyse von dessen Judith-Drama eine umfassende und gründliche Durchleuchtung. Die Rußlandkontakte des vielseitigen leipziger Aufklärers Menoke stehen im Mittelpunkt der nächsten Studie. In zwei Beiträgen spiegelt sich die frühe Entwicklung des akademischen Druckwesens in Petersburg wider: Das Repertoire der Druckerei und die Hachrichtenvermittlung durch die Petersburger Zeitung stellen zwei wertvolle Bausteine für die Durchforschung dieses Komplexes dar. Eine Serie von Artikeln behandelt den auch bei uns in den letzten Jahren wieder stärker beachteten russischen Dichter Karamzin, dessen Schaffen in der Vorpuskinzeit wegbereitend war. Als Historiker hat dieser Dichter auch auf die Literaturgeschichtsschreibung Einfluß genommen, wie aus einem der beiden Aufsätze zu diesem Problemkreis hervorgeht. Es wird somit der Beginn der russischen nationalen Literaturhistoriographie als auch ihr Übergang zum Historismus gewürdigt. 5

Eine notwendige Ergänzung zu den bisherigen deu^tschei^ Radiscevforschungen wird durch die Studie über einige deutsche Anregungen zu Hadiscevs Abhandlung über die Zensur geboten. Die Untersuchung der deutsch-russischen Wechselseitigkeit im 16. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird ebenfalls in einer Anzahl von Abhandlungen weitergeführt. Solche Persönlichkeiten wie Schlözer, Anton, Böttiger, Bernoulli, aber auch die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften rüoken dem Leser in den hier veröffentlichten Beiträgen näher und bieten Veranlassung zu weiteren Arbeiten. Die Herausgeber können mit Befriedigung vermerken, daß die große Zahl bekannter sowjetischer Forscher, die an diesem Bande beteiligt sind, unserem gemeinsamen Bestreben nach Vertiefung der deutsch-sowjetischen Zusammenarbeit entspricht. Zugleich ist durch die Mitwirkung mehrerer Historiker und Germanisten erneut sinnfällig geworden, daß die Erforschung der Aufklärung der komplexen Anstrenungen verschiedener Pachdisziplinen bedarf,

Helmut Graßhoff Ulf Lehmann

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INHALTSVERZEICHNIS

P. Hoffmann Aufklärung, AbsolutIsmus, aufgeklärter Absolutismus in Rußland

9

E. Günther Das Moskauer Judithdrama von Johann Gottfried G-eorgii

41

A. L. Gol'dberg Deutsche Quellen des 17. Jahrhunderts über Stepan Razin

209

E. Winter Der Hallenser Pietist August Hermann Francke und Rußland

233

0. Grau Johann Burkhard Menokes Rußlandkontakte P. N. Berkov der Petersburger Akademie der Wissenschaften Die Druckerei in den ersten Jahren ihres Bestehens T. A. Eyko-va Zur Geschichte der ersten deutschsprachigen Zeitung der Petersburger Akademie

245 263

273

ff. Rieck Eine anonyme Kanzelsatire als Verteidigungsschrift des W olf f ianismus

285

W. Zeil Zur Bedeutung der "Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften" in Görlitz für die kulturell-geistige Entwicklung der Slawen und für die Geschichte der Slawistik

291

A, Lauch Anfänge einer nationalen Literaturgeschichtsschreibung in der russischen Aufklärung

301 7

H. Pohrt August Ludwig von Schlözer und Karl .Gottlob von Anton. Ein Beitrag zur frühen deutschen Slawistik im 18. Jahrhundert H. Graßhoff Eine deutsche Quelle für Radiscevs "Kurzen Bericht über die Entstehung der Zensur" aus der "Heise von Petersburg nach Moskmi" H. D. Koöetkova Zur Geschichte des Gedichts "Die Gesetze verurteilen .. von N. M. Karamzin R. Ju. Danilevskij ITikolaj M. Karamzin und V/ieland U. Lehmann Karl August Böttiger. Zur .Yürdigung eines deutschen Rußlandkenners IT. B. KoSetkova Nikolaj M. Karamzin und IT.' Batjuskov M. ^sterby IT. M. Karamzins "Bornholm" - Wirklichkeit und Dichtung U. Ramspott Johann Bernoullis "Reisen durch Brandenburg, Pommern, Preußen, Curland, Rußland und Pohlen, in den Jahren 1777 und 1778". Ein Beitrag zur Erforschung der deutsch russischen kulturellen Beziehungen im 18. Jahrhundert M. Raab Die Entwicklung des Historismus in der russischen Literatur des 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts Personenregister Mitarbeiterverzeichnis

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P. Hoffmann Aufklärung, Absolutismus, aufgeklärter Absolutismus in Rußland

Die spätfeudale Entwicklung zeigt in allen Ländern bestimmte Gemeinsamkeiten, wie unterschiedlich auch das Jeweilige Entwicklungsniveau sein mag. Der sozial-ökonomische Inhalt dieser zum Kapitalismus überleitenden Periode ist die Entwicklung kapitalistischer Elemente und Beziehungen im Rahmen der weiterbestehenden und sich in einzelnen Ländern vorübergehend sogar noch einmal festigenden Feudalordnung, das allmähliche Hinüberwachsen des mittelalterlichen Städtebürgertums in die moderne Bourgeoisie sowie die Herausbildung vor- bzw. frühproletarischer Schichten. Diesen neuen Tendenzen steht das Bemühen der alten feudalen Kräfte gegenüber, unter Ausnutzung des mit der kapitalistischen Entwicklung verbundenen Aufblühens der Wirtschaft und unter Anpassung an die neuen Segebenheiten, die bestehende Gesellschaftsordnung und vor allem die Standesprivilegiea des Adels zu konservieren. Die verschiedenen Aspekte der mit der ursprünglichen Akkumulation sich in der gesellschaftlichen Basis vollziehenden Prozesse wurden vor allem von marxistischen Historikern für verschiedene Länder relativ gut erforscht, auch wenn über ihre Einschätzung wie die Diskussion sowjetischer Historiker über Prägen der ursprüng1 liehen Akkumulation in Rußland beweist - teilweise erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestehen. Hinsichtlich der russischen Entwicklung sind sich die Historiker einig, daß etwa, seit der Mitte des 17. Jahrhunderts neue Tendenzen in der sozial-ökonomischen Basis des Landes zu erkennen sind und sich kapitalistische Formen entwickeln, die aber bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts noch teilweise erheblich von der herrschenden Feudalordnung deformiert werden konnten. Trotz der schon in ihren Anfängen verkrüppelten kapitalistischen Entwicklung wird auch Rußland unter dem Einfluß der sich herausbildenden gesamteuropäischen Gemeinsamkeiten immer stärker in die allgemeine Entwicklung miteinbezogen, die vor allem von den weiter fortgeschrittenen Ländern England und Frankreich bestimmt

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wurde. Das zeigt sich besonders deutlich in einigen Erscheinungen, die Überbauoharakter tragen. Dazu gehört auch die inhaltliche Abgrenzung der mit den Termini Aufklärung, Absolutismus und aufgeklärter Absolutismus bezeichneten im Mittelpunkt unserer Untersuchung stehenden Phänomena. Der vorliegende Beitrag will einen Überblick über die bisherige Diskussion geben und zur Klärung einiger strittiger Prägen beitragen. Dabei soll versucht werden, von der gesamteuropäischen Entwicklung ausgehend einige Besonderheiten der Entwicklung in Rußland zu erfassen und zu deuten. I. Die Stärkung des Bürgertums ist - international gesehen - die Grundlage für die seit dem Humanismus der Renaissance sich ständig klarer abzeichnenden Tendenzen einer Emanzipierung des Denkens von der Vorherrschaft der Religion und des Glaubens. Die fortschrittlichen Denker jener Zeit waren von der Macht des Verstandes überzeugt, sie vertraten die Ansioht, es genüge, Bildung und Kenntnisse zu vermitteln, u m Aberglauben und Bückständigkelt zu überwinden und eine bessere Welt aufzubauen. Diese optimistische, auf eine Aufwärtsentwicklung der menschlichen Gesellschaft orientierende Ideologie in der Zeit des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus wird international als Aufklärung bezeichnet. Entsprechend der jeweiligen Entwicklung zeigt die Aufklärung in verschiedenen Ländern unterschiedliche Wirkungen. Gerade die Gesohichte der Aufklärung läßt erkennen, daß progressive Pormen der Ideologie, w e n n sie entstanden sind, von verschiedenen gesellschaftlichen Schichten aufgenommen und unterschiedlichen Interessen dienstbar gemacht 2 werden können. Diesen Zusammenhang drückte Engels durch die Charakterisierung "adlig-bürgerliche Internationale der Aufklärung" aus.^ Dabei war die ideologische Punktion der Aufklärung in den verschiedenen Ländern unterschiedlich, obwohl ihr GrundCharakter als im wesentlichen antifeudale, bürgerliche Ideologie in der Zeit des Überganges vom Peudalismus zum Kapitalismus bei allen Spielarten der Aufklärung wirksam blieb. In Prankreich wurde die Aufklärung zum ideologischen Wegbereiter der Revolution. In solchen sozial-ökonomisoh noch weniger entwickelten Ländern wie Preußen, Österreich und Rußland konnte die Aufklärung eine derartige Rolle nicht übernehmen; aber auch in diesen Ländern wirkte sie auflockernd, half sie, mittelalterliche Scholastik und Aberglauben zu überwinden, dem Neuen den Weg zu bereiten. 10

Für die russische Geschichte ist die Anwendung des Begriffs Aufklärung umstritten. Die Mehrzahl der sowjetischen Literaturwissenschaftler vertritt die Ansicht, daß erst mit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vom Beginn der Aufklärung in Rußland gesprochen werden könne^. Sie berufen sich dabei auf Lenin, der in dem Beitrag "Von welchem Erbe sagen wir uns los?" die Vertreter der revolutionären Demokratie als "Aufklärer" bezeichnet habe. In der angeführten 1898 legal erschienenen Arbeit setzt sioh Lenin mit den Lehren der Haehfolger der Narodnikl auseinander. Er geht auf eine Schilderung des russischen Bauernlebens unmittelbar nach der Reform ein, die P. P. Elenev unter dem Pseudonym Skaldin 1867 in den "Otecestvennye zapiski" veröffentlicht hatte, und kommt zu der Schlußfolgerung: "Dem Charakter seiner Anschauungen nach kann man Skaldin einen bürgerlichen Aufklärer nennen. Seine Ansichten erinnern sehr stark an die Ansichten der Ökonomen des 18. Jahrhunderts... und der allgemeine 'aufklärerische' Charakter des 'Erbes' der sechziger Jahre ist von ihm hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Gleioh den westeuropäischen Aufklärern, gleich den meisten Literaten der sechziger Jahre ist Skaldin leidenschaftlicher Gegner der Leibeigenschaft und all ihrer Ausgeburten auf ökonomischem, sozialem und juristischem Gebiet". Lenin geht dann auf die weiteren "Charakterzüge" der Aufklärer ein: "die leidenschaftliche Verteidigung der Bildung, der Selbstverwaltung, der Freiheit, der europäischen Lebensformen und überhaupt der allseitigen Europäisierung Rußlands"; und als drittes die "Interessen5 Vertretung der Volksmassen, hauptsächlich der Bauern.n> Diese drei Merkmale kennzeichnen nach Lenin "das Erbe der sechziger Jahre"® natürlich das demokratische Erbe - in seiner Gesamtheit. Lenins Erage lautet nun, genügt es bereits, sich allgemein auf dieses "Erbe" zu berufen, und diese Präge verneint er eindeutig, aber im Druck konnte er das nicht so deutlich sagen, dort mußte er sich auf die verklausulierte Anmerkung beschränken, es sei "aus verschiedenen Gründen schwierig", den wirklichen Repräsentanten des Erbes zu nennen^. Wen Lenin meinte, hat er in seinem Brief an A. N. Potresov vom 26. 1. 1899 gesagt: nicht den bürgerlichen V Aufklärer Skaldin, sondern den revolutionären Demokraten Cerny" 8 sevskij. Was ist der Kern dieser Ausführungen? Lenin vergleicht die revolutionären Demokraten in Rußland mit der französischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts, die seinerzeit die Revolution ideolo11

gisch vorbereitet hatte. Aus Zensurgründen war er gezwungen, diesen Gedanken zu verkleiden. Darf man daraus die Schlußfolgerung ziehen, daß lenin die revolutionären Demokraten als Aufklärer bezeichnete? In illegalen Arbeiten und in späteren Veröffentlichungen hat lenin nicht mehr vom "Erbe" und von "Aufklärung" gesprochen, wenn er die revolutionären Demokraten der 40-er bis 60-er Jahre meinte. letztlich sind die revolutionären Demokraten doch "Aufklärer" einer neuen historischen Epoche; sie gehen über die Aufklärung hinaus, da sie bereits die internationalen Erfahrungen nicht nur der Großen Französischen Revolution von 1789, sondern auch die der Hevolutionen von 1830 und 1848, nicht nur die revolutionären Lehren Radiscevs, sondern auch die Erfahrungen der revolutionären Aktion der Dekabristen aufgenommen und weitergeführt haben. Der Terminus "Aufklärer" kennzeichnet also nur einen für Lenin im gegebenen Fall Jedoch außerordentlich wichtigen Teil der Lehren und des Wirkens der revolutionären Demokraten. Der Widerspruch in der Auffassung des Begriffs "Aufklärung", der für West- und Mitteleuropa ausschließlich für das 18. Jahrhundert bis zur Französischen Revolution gebraucht wird, zugleich aber für Rußland bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts weiterbenutzt wird, läßt sich also lösen, wenn m a n die Itastände berücksichtigt, unter denen Lenin seine Arbeit verfaßt hat. Bisher hatte nur P. N. Berkov versucht, den Inhalt der Leninsohen Äußerung zu analysieren. Er stellt fest, daß die obengenannten Ausführungen im Gesamtschaffen Lenins isoliert stehen, sucht aber den Widerspruch dadurch zu überbrücken, daß er mit den Begriffen "Prosvescenie" und "prosvetitel'stvo" operiert^. Damit hat er aber - begünstigt durch die Ausdrucksfähigkeit der russischen Sprache - das eigentliche Problem umgangen. Wichtig und wertvoll ist Berkovs Versuch, zu einer inhaltlichen Abgrenzung in der Terminologie zu gelangen. Er hebt hervor, daß die von Lenin für die französische Aufklärung des 18. Jahrhunderts gegebenen Kennzeichen nicht ohne weiteres auf die gleichzeitige russische Aufklärung übertragbar sind. Das allgemeine Zurückbleiben der russischen gegenüber der französischen Entwicklung bedingte auch, daß in Rußland einzelne Grundfragen der Aufklärung, vor allem das Problem der Leibeigenschaft, erst verhältnismäßig spät und dann meist nur inkonsequent aufgenommen wurden, daß vielfach versucht wurde, die Bauernfrage im Rahmen der bestehenden feudalen Ordnung zu lösen. Die von Lenin weiterhin genannten Merkmale - Bildungsstreben, Verteidigung der Interessen 12

der Volksmassen - gelten voll und ganz auch für die russische Aufklärung des 18, Jahrhunderts. Berkov hebt in diesem Zusammenhang vor allem die Sprachkenntnisse hervor, die es den russischen Aufklärern gestatteten, die internationale Entwicklung zu verfolgen, er weist auf die umfangreiche Obersetzungstätigkeit hin, auf die Entwicklung des Bildungswesens usw.. Diese Seiten in den Ausführungen P. N. Berkovs können wir nur unterstreichen. Der Terminus "Aufklärung" hat in fast allen europäischen Sprachen 10 eine Doppelbedeutung. Das macht die Abgrenzung zuweilen schwer, weil von vornherein terminologische Klarheit und Exaktheit in ffrage gestellt sind. In der Mittel- und Westeuropa behandelnden geistesgeschichtlichen Xiteratur wird das 18. Jahrhundert allgemein als das Jahrhundert der Aufklärung bezeichnet. Für unser Thema ist es wiohtig, diesen geistesgeschichtlichen Epochenbegrlff klar abzugrenzen, ihn in den GesamtZusammenhang der Geistesgeschichte einzuordnen und seine Anwendbarkeit auch für die russische Geistesgeschlchte zu prüfen. Wir werden keinen Widerspruch finden, wenn wir die Aufklärung als Ideologie des erstarkenden, aber noch nicht zur Macht gekommenen Bürgertums in der spätfeudal-rn Epoche bezeichnen. In diesem Sinne nimmt die Aufklärung das Gedankengut des Humanismus auf und entwickelt es weiter. In Jüngster Zeit hat sioh für die Anfänge dieser Entwicklung der Terminus Frühaufklärung eingebürgert. 1 Auch wenn dabei eine terminologische Unschärfe hingenommen werden muß, halten wir diesen Begriff für geeignet, gerade in Ländern mit einer verzögerten Entwicklung bürgerlich-kapitalistischer Verhältnisse, wie in den meisten deutschen Staaten und vor allem auch in Bußland, die sich seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert durchsetzenden neuen Tendenzen zu charakterisieren. In diesem Sinne ist das 12 Buch von E. Winter "Frühaufklärung" bedeutungsvoll, auoh wenn der Verfasser sich auf die Darstellung der geistesgeschichtlichen Zusammenhänge beschränkt und eine Definition des Begriffs Erühaufklärung umgeht. P. N. Berkov spricht von einer Periode der frühen Aufklärung (period "rannego prosvetitel'stva"), zu der er Simeon PolookiJ, Sll'vestr Medvedev und Karion Istomin 1 3 rechnet, also bereits die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts . Auoh in der weiteren Periodisierung der Entwioklungsetappen der Aufklärung stimmen E. Wint e r 1 4 und P. N. Berkov1"* weitgehend überein, wobei wir den von Berkov betonten Unterschied der Begriffe "prosvetitel'stvo" nnd "Prosvescenie" hier absichtlich ignorieren. 13

E. Winter läßt die russische Aufklärung mit Radiscev enden, P. H. Berkov sieht im Schaffen dieses ersten bewußten russischen Revolutionärs einen Höhepunkt der Aufklärung. Zu beantworten ist die Erage, ob eine bewußt revolutionäre Haltung, wie sie Radiscev zeigte, noch mit der Aufklärung vereinbar ist oder ob es sich hier nicht bereits um eine neue, höhere Qualität handelt. Die französischen Aufklärer, die als Prototyp und Muster gelten, sind bei aller Radikalität ihrer Anschauungen nicht zu revolutionären Schlußfolgerungen vorgedrungen. Erst im Verlaufe der Revolution entwickelte sich in Frankreich eine die Revolution bewußt bejahende Ideologie. Mit der siegreichen Revolution, die die feudale Klassengesellschaft durch die kapitalistische Klassenherrschaft ersetzte, brechen die inneren Widersprüche der Ideologie der Aufklärung auf. Die Aufklärung ist grundsätzlich antifeudal, sie trägt aber in sich die Möglichkeiten einer radikal-demokratischen, revolutionären und einer liberalen Entwicklung. Beide Richtungen zeichnen sich in der russischen Aufklärung schon im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts deutlich ab, Radiscev und Karamzin sind letztlich Repräsentanten dieser divergierenden Entwicklungsmöglichkeiten. In diesem Sinne gehören sowohl Radiscev als Autor der revolutionären Kapitel der "Reise von Petersburg nach Moskau"''® als auch der späte Karamzin nicht mehr zur Aufklärung. In ihrem Schaffen ist die Aufklärung im doppelten Sinne des Wortes bereits "aufgehoben", aber mit einem unterschiedlichen Vorzeichen. Nach dem Sieg der Revolution in Frankreich entwickelten dich diese beiden Tendenzen auf Grund der im internationalen Maßstab neuen Klassensituation in unterschiedlichen Richtungen, aus der Aufklärung gehen sowohl Liberalismus als auch revolutionäre Demokratie hervor. Beide bedeuten sie gegenüber der Aufklärung eine neue Qualität, beide bewahren zugleich wesentliche Züge der Aufklärung, lenin konnte sowohl den liberal-bürgerlichen Publizisten Skaldin als auch den revolutionären Demokraten CernysevskiJ als "Aufklärer" bezeichnen. Im gegebenen Fall kam es ihm darauf an, das gemeinsame gegen die Leibeigenschaft gerichtete Wesen beider Richtungen herauszuarbeiten im Gegensatz zu den um die Jahrhundertwende in das Lager der Reaktion abgeschwenkten liberalen Narodniki. Wenn m a n von diesem Gedanken ausgeht, dann ergibt sich als Schlußfolgerung, daß der geistesgeschichtliche Epochenbegriff Aufklärung auch für Rußland nur auf das 18. Jahrhundert zutrifft. 14

Da aber in Rußland Fragen der gesellschaftlichen Struktur, die in Frankreich von der Revolution zugunsten der kapitalistischen Entwicklung entschieden worden waren, auch weiterhin ungelöst blieben, blieben auoh wesentliche Punktionen der Aufklärung im ideologischen Bereich weiter existent. Im Sinne und in JiTeiterführung der Aufklärung wurden diese Aufgaben vor allem von den Vertretern des revolutionär-demokratischen Lagers, aber auch in gemäßigter Form von bürgerlich-liberalen Kreisen vertreten. Der Begriff "Aufklärer" wird für diese Zeit gewissermaßen zu einem Oberbegriff, der recht heterogene Richtungen mit einbezieht, der in jedem Fall duroh die genauere Definition der Richtung - revolutionär-demokratisch oder aber liberal - zu ergänzen ist. V o n dieser hier zur Diskussion gestellten Auffassung des Begriffs Aufklärung gehen wir bei unseren weiteren Darlegungen aus. II. Kontrovers wie die Problematik der Aufklärung ist auch die Problematik des Absolutismus; während aber bei der Aufklärung die inhaltliche Abgrenzung im wesentlichen klar ist, die Diskussion weitgehend nur über den Anwendungsbereich geführt wird, sind für den Absolutismus selbst die inhaltlichen Kriterien vielfach strittig. Beschränkt sich der Absolutismus nur auf die Form der Regierung? Oder umfaßt der Absolutismus auch über den Bereich der unmittelbaren Regierung und Verwaltung hinausreichende Sphären des gesellschaftlichen Lebens? Diese Fragen werden unterschiedlich beantwortet. Bürgerliche Historiker haben in den letzten Jahren vor allem auf den internationalen Historikerkongressen viele Diskussionen 17 zur Absolutismus-Problematik geführt , in die von marxistischen Historikern mehrfach eingegriffen wurde

1 8 . Unter den sowjetischen

Historikern wurde 1968 die Diskussion zu Fragen des Absolutismus 1Q in Rußland aufgenommen , während diejenigen sowjetischen Historiker, die sich mit Fragen der allgemeinen Geschichte befassen, 20 schon seit längerer Zeit über diese Thematik diskutieren. Die von den sowjetischen Spezialisten verschiedener Bereiche zur Problematik des Absolutismus geäußerten Ansichten widersprechen sich teilweise bis in den Grundauffassungen. Die in letzter Zeit in sowjetischen historischen Zeitschriften veröffentlichten Beiträge geben einen Einblick in die Vielfalt der Meinungen und haben dazu beigetragen, die Standpunkte und Auffassungen zu klären.

15

Für die russische Geschichte wird der Absolutismus von allen Historikern für die Zeit Peters I. anerkannt, damals setzte sich der Absolutismus endgültig durch. Unklar ist, seit wann man von Vorstufen des Absolutismus sprechen kann. Einige Historiker sind 21

geneigt, diese Vorstufen bis in die Zeit Ivan Groznyjs und noch weiter zurückzudatieren. Einigkeit besteht auch darüber, 22 daß man das 18. Jahrhundert als das "Zeitalter des Absolutismus" bezeichnen kann. Von den meisten sowjetischen Historikern wird jedoch der Absolutismus als Herrschaftssystem in Rußland bis in das 20. Jahrhundert weitergeführt, wobei viele dazu neigen, gerade diesen Spätabsolutismus als den eigentlichen Absolutismus zu bezeichnen und ihre Erklärung und Definition des Absolutismus den russischen spätabsolutistischen Begierungsformen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts anzupas23 sen. J Ungenügend geklärt und von einzelnen Historikern unterschiedlich beantwortet ist die Frage der gesellschaftlichen, sozialökonomischen Grundlagen des Absolutismus in Rußland. Die unterschiedlichen Auffassungen, das Pehlen einer erschöpfenden, allgemein anerkannten Definition, letztlich also die Meinungsverschiedenheiten und Unklarheiten der Historiker, spiegeln sich teilweise vergröbert in den Arbeiten von literaturwissenschaftlern wider. Wenn der Absolutismus als "sozialökonomisches System" dem "Mittelalter" gegenübergestellt wird^, dann werden zwei Begriffe unterschiedlicher Dimension zueinander in Relation gesetzt. Mittelalter ist eine allgemeine Bezeichnung für einen nicht exakt bestimmten Zeitraum, der von marxistischen Historikern teilweise als Synonym für Feudalzeit benutzt wird. Absolutismus ist ein Herrschaftssystem des Spätfeudalismus, in der Zeit, in der sich im Schöße des Feudalismus kapitalistische Verhältnisse und Beziehungen zu entwickeln beginnen. Nur in diesem Sinne - nicht aber als "sozialökonomisches System" - bedeutet der Absolutismus das Ende des Mittelalters und zugleich die Überleitung zur neueren Zeit. Dem Absolutismus kommt nur ein abgeleiteter, von den gesellschaftlichen Verhältnissen der spätfeudalen Periode als Ganzes bestimmter Systemcharakter zu, der natürlich bei Untersuchungen über den Absolutismus beachtet werden muß. Auf Grund der im Lande selbst bzw. im internationalen Rahmen gegebenen Klassensituation - das Bürgertum meldet gegenüber dem Feudaladel eigene, von der Entwicklung des Handels und des Gewerbes diktierte Forderungen an, der Feudaladel ist gezwungen, den 16

sich ständig weiterentwickelnden MarktbeZiehungen sich anzupassen erhält der Herrscher die Möglichkeit, den unmittelbaren Einfluß der widerstreitenden Interessen der verschiedenen Feudalstände zurückzudrängen und im Interesse einer allgemeinen Stärkung der Macht des feudalen Staates seine eigene Macht im Staate zu stärken. Er kann sich zu einer für den Absolutismus charakteristischen relativ selbständigen Stellung aufschwingen. Es darf dabei aber nie außer acht gelassen werden, daß es immer die Aufgabe der absolutistischen Hegierung ist, unter den sich verändernden gesellschaftlichen Verhältnissen die Feudalordnung zumindest in ihren Grundzügen unangetastet zu erhalten, d.h. der Absolutismus ist in jedem Fall der Versuch, die feudale Gesellschaft und den feudalen Machtapparat den sich entwickelnden neuen kapitalistischen Verhältnissen anzupassen. Von deutscher Seite hat W. Küttler in einem zusammenfassenden theoretischen Beitrag die gesellschaftlichen Grundlagen und den 25 Entwicklungstyp des Absolutismus in Bußland charakterisiert . Er V hat dabei die von Cistozvonov 1968 vorgelegte These der zwei Ent26 wicklungswege des Absolutismus in Europa weiterentwickelt. Vor allem sieht er nicht, wie 5istozvonov, einen schroffen Gegensatz

zwischen den beiden in Europa vorhandenen Grundtypen des Absolutismus, sondern zeigt auf, daß es sioh um eine in sioh einheitliche Entwicklung unterschiedlichen Reifegrades handelt. Küttler schreibt: Das Entstehen des Absolutismus "setzt den beginnenden Niedergang des ^Feudalismus und die Evolution sozialökonomischer Keimformen der bürgerlichen Gesellschaft voraus ... Der Absolutismus kann sich also auf wirtschaftlichen, sozialen und politischen Grundlagen bilden, deren optimale Konstellation - bei schneller und tiefgreifender Entwicklung des Kapitalismus im Rahmen der sich zersetzenden Feudalordnung - der Kampf der entstehenden Bourgeoisie gegen den Adel ist; die MinimalVariante, die bei einer sehr schwachen oder überhaupt nur in Vorstufen vorhandenen Herausbildung kapitalistischer Elemente wirksam wird, besteht dagegen in der Anpassung des Peudalstaates an die kleine Warenproduktion, die Ware-Geld-Beziehungen und den nationalen Markt durch eine Umschichtung der Feudalklasse und durch eine 27

begrenzte Förderung eines noch unselbständigen Bürgertums." In Jedem Fall ist also eine bürgerliche - wenn auch noch nicht kapitalistische - Entwicklung die Grundlage für die Herausbildung 28 eines absolutistischen Regimes.

17

Lenin unterstreicht, daß der Zusammenschluß der russischen Länder hervorgerufen wurde "durch den zunehmenden Austausch zwischen den einzelnen Gebieten, den allmählich wachsenden Warenverkehr, die Konzentration der kleinen örtlichen Märkte zu einem gesamtrussischen Markt." Er betont in diesem Zusammenhang ausdrücklich: "Da es die kapitalistischen Kaufleute waren, die diesen Prozeß lenkten und beherrschten, so bedeutete die Schaffung dieser nationalen Bindungen nichts anderes als die Schaffung bürger2Q licher Bindungen." ^ Es braucht nicht besonders betont zu werden, daß Lenin hier vom Handelskapital und den Großkaufleuten des Mittelalters spricht, wie sie in Rußland etwa durch die Stroganov, die Kalmykov u.a. bereits seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert zu finden waren. Auf dieser Grundlage entstanden in Bußland bereits im 17. Jahrhundert starke zum Absolutismus hinführende Tendenzen. Peter I. hat - angeregt durch das Vorbild weiter fortgeschrittener Staaten Mittel- und Westeuropas sowie unter dem Zwang der sich immer enger gestaltenden gesamteuropäischen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen - energisch alle diese Tendenzen zusammengefaßt und bewußt in Rußland ein absolutistisches Regime durchgesetzt. Seinerzeit schrieb M. N. Druzinin abschließend über die Ergebnisse der Diskussion um die Periodlsierung Rußlands über die Zeit des russischen Absolutismus: "Der Adelsstaat stand auf der Höhe seiner Kraft lind Macht: Peters Reformen verliehen den fortschrittlichen Tendenzen seiner Zeit Ausdruck und festigten die feudale Monarchie. Die herrschende Klasse fühlte sich sicher und war weit davon entfernt, an ihrer Unbesiegbarkeit und an der Dauerhaftigkeit ihrer Macht zu zweifeln. Hier gab es weder objektive noch subjektive Verfallsmerkmale der feudalen, auf Leibeigenschaft beruhenden Gesellschaftsordnung...Diese Feststellung gilt voll und ganz für die Zeit Peter I. und seiner unmittelbaren Nachfolger. Unberührt bleibt davon, daß diese Zeit trotz der inneren Festigkeit der Feudalstruktur auch in Rußland zur Zeit des niedergehenden Feudalismus gehört^, zu der Zeit, in der im Schöße des Alten bereits das Neue heranzureifen beginnt. Es kann hier nicht auf die Absolutismus-Problematik allgemein und auf die Besonderheiten des Absolutismus in Rußland ausführlicher eingegangen werden. Das muß einem besonderen Beitrag vorbehalten bleiben.Auch die gegenseitige Abgrenzung der Begriffe

18

Selbstherrschaft und Absolutismus, die von einigen sowjetischen Historikern als völlig synonym gebraucht werden, ist hier nicht möglich. Hier muß der Hinweis genügen, daß diese Begriffe sich unserer Meinung nach nur teilweise decken. Versuchen wir einige Schlußfolgerungen zu formulieren: Ursprüngliche Akkumulation, Aufklärung und Absolutismus sind letztlich verschiedene Seiten eines in sich einheitlichen Prozesses, der sich in der spätfeudalen Gesellschaft vollzieht. Dabei darf nicht übersehen werden, daß diese "verschiedenen Seiten" von unterschiedlicher Wertigkeit sind. Die ursprüngliche Akkumulation ist eine unabdingbare Voraussetzung jeglicher kapitalistischen Entwicklung; die Aufklärung als Ideologie der sich entwickelnden neuen Klasse findet sich in unterschiedlicher Ausprägung ebenfalls in allen Ländern, die den Weg vom Feudalismus zum Kapitalismus gegangen sind. Der Absolutismus als Begierungsform hat sich dagegen durchaus nicht in allen Staaten durchgesetzt. Er fehlte beispielsweise in den Niederlanden, in denen schon sehr früh die bürgerlichen Kräfte siegten, er fehlte in Mecklenburg, wo es den Peudalständen gelang, sich mit fremder Hilfe gegen die absolutistischen Bestrebungen ihres Herzogs durchzusetzen, er fehlte auch in Polen, wo die im lande fremden Sachsenkönige gegen den Adel keine Unterstützung bei anderen Bevölkerungsschichten im lande finden konnten. Im Gegensatz zur ursprünglichen Akkumulation und zur Aufklärung, die dem Neuen Bahn brechen und damit während ihrer gesamten Wirkungszeit fortschrittlichen Charakter tragen, kann der Absolutismus als Form der Anpassung des Feudalsystems an die neuen, heranwachsenden gesellschaftlichen Kräfte nur in begrenztem Maße und nur für eine begrenzte Zeit fortschrittlich wirken. Ursprüngliche Akkumulation und*Aufklärung sind ihrer Ausstrahlungskraft nach wesentlich international. Der Absolutismus dagegen bleibt - das liegt in seiner Spezifik - immer im Rahmen eines Landes. Er muß durch die bürgerliche Revolution in jedem Lande für sich überwunden werden. Bleibt diese Revolution aus, dann wird der Absolutismus schnell zu einem Anachronismus, der die weitere Entwicklung immer stärker behindert. Wenn Lenin am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederholt zum Kampf gegen den russischen Absolutismus aufruft, dann meint er nioht das spätfeudale gesellschaftliche System des Absolutismus, sondern die überlebten absolutistischen Staatsformen, die sich trotz grundlegend veränderter gesellschaftlicher Verhält19

nisBe - Rußland war inzwischen zu einem kapitalistischen Land geworden und vollzog den Übergang zum Imperialismus - erhalten hatten. Das bedeutet aber, daß die von Lenin gegebenen Charakteristika der spätabsolutiBtischen Regierungsform nicht ohne weiteres auf den absolutistischen Staat des 18. Jahrhunderts, auf den absolutisti sehen Staat im Zeitalter des Absolutismus, übertragen werden können. III. Der dritte Terminus - aufgeklärter Absolutismus - ist noch weniger klar als die Begriffe Aufklärung und Absolutismus. Er hat in den bisherigen Beiträgen zur Absolutismusdiskussion der sowjetischen Historiker keine wesentliche Rolle gespielt.-^ In der sowjetischen Literatur wird er mit teilweise reoht weit divergierenden Bedeutungen benutzt. P. N. Berkov rechnet beispielsweise Peter I. und Katharina II. zur Zeit des aufgeklärten Absolutismus, den er 35 von der Aufklärung ausgehend überwiegend personengebunden sieht. N. M. Druzinin zählt in seinem speziell dieser Thematik gewidmeten Beitrag Katharina II. und mit Vorbehalten Alexander I. zur Zeit des aufgeklärten Absolutismus^®. In der neuen mehrbändigen Geschichte der UdSSR wird die Politik in den ersten Jahren der Re- 37 gierung Katharinas II. als aufgeklärter Absolutismus bezeichnet. Die Schlußfolgerung aus diesen Ansichten ist, daß nur die Regierungszeit Katharinas II. einstimmig dem aufgeklärten Absolutismus zugerechnet wird. Gehen wir von diesem gemeinsamen Standpunkt aus und versuchen wir das Besondere herauszuarbeiten, das die Bezeichnung aufgeklärter Absolutismus für diese Zeit rechtfertigt, und prüfen wir dann, wie weit diese Charakteristika auf andere Zeitabschnitte übertragen werden können. Methodologisch wertvoll sind verschiedene Bernerlpingen von Marx und Engels. Sie sprechen mehrfach von einem Zusammengehen von Aufklärung und Absolutismus. Für sie gehören sowohl Friedrich II. als 38

auch Joseph II. zum "fortschrittlichen, aufgeklärten Despotismus" J . Marx und Engels sehen aber auch immer die Grenzen dieses "patriarchalichen Despotismus",^ wie sie ihn an anderer Stelle nennen. Eriedrich II. wird als "der Ereund der Aufklärung vermittelst der Stockprügel" charakterisiert.'''® Die russische Politik zur Zeit Katharinas zeigt u.a., wie Engels hervorhob, eine "glückliche Vereinigung liberaler und legitimistischer Phrasen, womit je nach Bedarf... die sogenannte öffentliche Meinung zum Narren gehalten w i r d . . . D i e s e "öffentliche Meinung" - Engels nennt sie ausdrücklich "aufgeklärt" - hatte sich 20

"unter dem gewaltigen Einfluß von Diderot, Voltaire, Rousseau und den anderen französischen Schriftstellern des achtzehnten Jahrhunderts" herausgebildet, und Katharina II. sowie ihr Hof "bekannten i

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sich zu den höchsten Prinzipien der Aufklärung,.." Biese von Marx und Engels mehr am Bande gegebenen Hinwelse sind bei der Definition des aufgeklärten Absolutismus zu berücksichtigen. In den Schriften Lenins finden wir eine Äußerung, die mehrfach zur Definition des aufgeklärten Absolutismus herangezogen wurde, meines Erachtens aber häufig ungenau interpretiert wird, Lenin schrieb in einer zusammenfassenden Übersicht über die Entwicklung des russischen Staates von der "Selbstherrschaft des 18. Jahrhunderts mit ihrer Bürokratie, mit den zum Militärdienst verpflichteten Ständen und den einzelnen Perioden des 'aufgeklärten Absolutismus' , Die von Lenin gesetzten Anführungsstriche sollen bedeuten, daß er offensichtlich diesen Terminus für nicht klar genug hielt, um die gesellschaftliche Wirklichkeit im Bußland des 18. Jh. voll zu erfassen, wohl aber für geeignet, zeitweilige Besonderheiten, hervorzuheben. Lenin kam es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, den aufgeklärten Absolutismus in Rußland zu definieren, die Äußerung steht auch in seinem Gesamtschaffen isoliert, so daß wohl keine weiterreichenden Schlußfolgerungen gezogen werden dürfen, außer der, daß Lenin in der russischen Geschichte im 18. Jh. bestimmte Vorgänge als "aufgeklärten Absolutismus" zu bezeichnen geneigt war, daß er aber doch, wie die Anführungsstriche zeigen, gegen diesen Terminus Vorbehalte geltend machte. Wollen die marxistischen Historiker diesen in der adligen und bürgerlichen Historiographie seit eh und je üblichen Terminus übernehmen - und, wie ein Blick in die Literatur zeigt, geschieht das bereits dann müssen sie diesen Begriff einem konkreten, fest umrissenen Inhalt zuordnen. Versucht man, sich in die Problematik des aufgeklärten Absolutismus einzuarbeiten, dann stößt man schnell auf scheinbar unlösliche Widersprüche. Schon in der bürgerlichen Historiographie wird dieser Begriff durchaus nicht einheitlich gebraucht. Es gibt Autoren, die grundsätzlich Absolutismus gleich Despotie setzen, deshalb den europäischen Absolutismus des 16. bis 18. Jh. allgemein als aufgeklärten Absolutismus bezeichnen. 4 ^ Ein solches Herangehen wird von der Mehrzahl der bürgerlichen Historiker abgelehnt. Die engere, auf einen begrenzten Zeitraum angewandte Auffassung des Terminus "aufgeklärter Absolutismus" ist in der bürgerlichen 21

Literatur Jedenfalls vorherrschend. Aber auoh für diese Auffassung liegen von bürgerHoher Seite kaum Deutungsversuche vor. Der bekannte Historiker F. Härtung hat sich in einem speziell dieser Thematik gewidmeten Beitrag duroh eine Scheinlösung aus der Affäre gezogen, wenn er schreibt, daß die Vereinigung von Absolutismus und Aufklärung den "aufgeklärten Absolutismus" ergebe, wobei er hinzufügte: "Zu einer brauchbaren Abgrenzung werden wir nur dann kommen, wenn wir auoh das Wort "aufgeklärt" in dem Sinne verwenden, das es im gewöhnlichen Sprachgebrauch der Geschichtswissenschaft hat, wo jeder weiß, was er unter Aufklärung zu verstehen h a t . A b e r dieser Begriff "aufgeklärt", "Aufklärung" ist - wie die Diskussionen um die Problematik der Aufklärung in Rußland zeigen - durchaus nicht so eindeutig bestimmt. Nicht besonders betont werden braucht, daß die bürgerlichen Versuche einer Definition schon deshalb für uns nicht annehmbar sind, weil sie den Absolutismus vorwiegend in einer eng verfassungsgeschichtlichen und personengebundenen Sicht und nicht als klassenbedingte gesellschaftliche Erscheinung auffassen. Grundsätzlich muß jede Definition eines gesellschaftlichen Phänomens vom Gesamtsystem der die betreffende Erscheinung bestimmenden gesellschaftlichen Verhältnisse ausgehen. Nur so wird man aüch für den Begriff "aufgeklärter Absolutismus" zu einer annehmbaren Definition gelangen können. Dabei ist zu beachten, daß das Schwergewicht auf Absolutismus liegt, daß es sich um eine besondere Form des Absolutismus handelt. Die Aufklärung ist dabei dieser Hauptproblematik unterzuordnen. Sowohl Aufklärung als auch Absolutismus sind älter als der aufgeklärte Absolutismus. Für beide gilt, daß sie in ihren Auswirkungen sowohl zeitlich als auch räumlich weit über die durch den Terminus aufgeklärter Absolutismus gekennzeichneten Grenzen hinausreichen. Und auch die bloße Verbindung der Begriffe aufgeklärt und absolutistisch bedeutet noch nicht, daß wir bereits vom aufgeklärten Absolutismus sprechen können. Die Zusammenfassung beider Termini zu einem neuen Begriff ist nur dann gerechtfertigt, wenn er eine neue Qualität des Absolutismus mit eindeutig erfaßbaren Eigengesetzlichkeiten kennzeichnet. Versuchen wir, die speziellen Charakteristika dieser Phase des Absolutismus unter einem solchen Gesichtspunkt herauszuarbeiten.

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Hervorzuheben ist, daß eine besondere Phase des aufgeklärten Absolutismus nur in einigen Staaten ihre volle Ausprägung gefunden hat. Als Beispiel für den aufgeklärten Absolutismus werden allgemein Preußen unter Eriedrioh II., die Habsburger Monarohie mit gewissen Einschränkungen unter Maria Theresia und uneingeschränkt unter Joseph II. sowie Rußland vor allem unter Katharina II. angeführt. Sucht man das Gemeinsame im Herrschaftssystem und in den gesellschaftlichen Verhältnissen dieser Staaten, dann findet m a n in allen von ihnen in der betreffenden Zeit ein in sich noch relativ gefestigtes Feudalsystem mit einem starken Staatsapparat, dem ein nur schwach entwickeltes, wenig selbstbewußtes Bürgertum gegenübersteht. Alle diese Staaten gehörten also entsprechend den oben skizzierten möglichen Entwicklungswegen des Absolutismus zu jenen Staaten, in denen sich nur die MinimalVariante durchsetzen konnte. Mit der Differenzierung innerhalb des Adels hatten sich breite Schichten dieser Klasse auf die sich entwickelnde Warenproduktion und auf die sich erweiternden Marktbeziehungen eingestellt, wodurch der scharfe Interessengegensatz zwischen Feudalität und Städtebürgertum zumindest zeitweilig verwischt wurde. Die Entwicklungsmöglichkeiten des Bürgertums wurden eingeschränkt, die Entwicklung zur kapitalistischen Bourgeoisie stark verzögert und gehemmt. Diese sozial-ökonomische Rückständigkeit des russischen Bürgertums des 18. Jh. findet ihre Widerspiegelung in einer ideologischen Rückständigkeit und Enge. Das Gedankengut der Aufklärung fand erst im laufe des 18. Jh. allmählich Eingang in nicht-adlige, bürgerliche Kreise, bis dahin waren in Rußland fast ausschließlich Adlige Vertreter und Propagandisten derartiger Gedanken. Unter diesen Bedingungen war es für die Regierung bzw. für den Herrscher möglich, die in den weiter fortgeschrittenen Ländern vom dortigen Bürgertum entwickelten Gedanken der Aufklärung zur Rechtfertigung und Festigung der eigenen Stellung als absoluter Monarch sowohl im nationalen als auch im internationalen Rahmen einzusetzen, sich selbst für den wahren Vertreter der Aufklärung und des Fortschritts auszugeben. In allen Ländern,, in denen sich ein aufgeklärter Absolutismus entwickelte, wurden die neuen Ideen vom Monarchen als eine Art Tarnkappe benutzt, hinter der die objektiv auf Erhaltung der sich bereits überlebenden feudalen Verhältnisse ausgerichtete Politik verborgen blieb.

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In Jedem Falle ist der aufgeklärte Absolutismus der Versuoh eines Kompromisses zwischen den rückständigen sozial-ökonomisohen Verhältnissen im eigenen Land und den sich immer stärker auswirkenden, ständig enger werdenden von neuen Kräften getragenen internationalen Verbindungen. Dieser internationale Faktor darf bei dem Versuch einer Definition nicht außer acht gelassen werden. Der politische und ideologische Inhalt des aufgeklärten Absolutismus besteht in dem Bestreben, bei noch gefestigter Feudalordnung im Innern den im internationalen Maßstab immer stärker werdenden bürgerlich-kapitalistischen Entwicklungstendenzen duroh einzelne begrenzte Zugeständnisse Rechnung zu tragen. Obwohl alle Maßnahmen der Regierung letztlioh dazu dienen sollen, die bestehenden feudalen Verhältnisse zxi erhalten, begünstigten sie in bestimmten Grenzen eine kapitalistische Entwicklung zumindest soweit, wie diese im Interesse der Stärkung des Staates liegt, also vor allem im rein ökonomischen Bereich. Die Zugeständnisse an die allgemeine Entwicklung sowohl im nationalen als auch internationalen Rahmen werden ideologisch verbrämt, so daß auch von dieser Seite her die Bezeichnung aufgeklärter Absolutismus durchaus berechtigt erscheint. Welcher Art sind diese Zugeständnisse? Im sozialen Bereioh wird eine widersprüchliche Politik betrieben. Solohe Reformen wie die 4.6 Bauernreform in Osterreich unter Joseph II. kennzeichnen durchaus den aufgeklärten Absolutismus, auch wenn sie mit ihrer weitreichenden Aufgabenstellung über das sonst übliche Maß hinausgingen. Es liegt in der Natur der Sache, daß einschneidende Reformen in der Zeit des aufgeklärten Absolutismus in der Regel im Versuch stecken blieben. Gerade dafür bieten die weitreichenden josephinischen Reformen das wohl beste Beispiel. Nach dem Tode Josephs II. wurden sie aufgrund der allgemeinen Opposition des Adels weitgehend wieder zurückgenommen. Auch Katharina II. stieß bei ihren Reformversucher sehr schnell auf den erbitterten Widerstand des Adels als Klasse und gab ihren Reformversuchen - vor allem nach dem Scheitern ihrer Gesetzeskommission - eine andere Richtung. Sie beschränkten sich jetzt fast ausschließlich auf eine Festigung der Staatsmacht, während die bestehenden sozialen Verhältnisse nicht angetastet, sondern konserviert wurden. Der aufgeklärte Absolutismus zeigte auch in der für den Absolutismus allgemein charakteristischen Förderung der ökonomischen Entwicklung seine recht engen Grenzen. Die rasche Manufakturentwicklung sowohl in Preußen unter Friedrich II. als auch in Rußland 24

unter Katharina II .konnte schon bald nicht mehr darüber hinwegtäuschen, daß die durch die feudalen Verhältnisse gezogenen Grenzen die weitere ökonomische und vor allem soziale Entwicklung Btärker zu hemm e n beginnen. Diese im sozial-ökonomischen Bereich konservative, teilweise reaktionäre Politik entsprach der Doppelfunktion des Absolutismus: Erhaltung der FeudalVerhältnisse und zugleich Förderung der neuen kapitalistischen Produktionsverhältnisse in dem für die Macht des Staates notwendigen Umfang. Sie ließ sich jedoch nur solange realisieren, wie einerseits die bürgerlichen Schichten sich ihrer Macht noch nicht voll bewußt waren und andererseits die herrschende Feudalklasse noch die feste Oberzeugung der Unerschütterlichkeit ihrer Maoht besaß. International war diese Doppelfunktion des Absolutism u s mit der Großen Französischen Hevolution von 1789 zu Ende, Der aufgeklärte Absolutismus verlor seine ideologischen und politischen Grundlagen. IM ihre Herrschaft zu erhalten, griff die feudal-absolutistische Regierung in immer stärkeren Maße zu Repressivmaßnahmen im politischen Bereioh und zur Reglementierung des sozialen und ökonomischen Lebens. Mit dieser für die Entwicklung des Absolutismus im internationalen Maßstabe entscheidenden Zäsur - der Großen französischen Revolution von 1789 - endet, welthistorisch gesehen, die Epoche der allein von der Bourgeoisie als der entscheidenden progressiven Kraft geführten Revolutionen beim Übergang vom Feudalismus zum Kap i t a l i s m u s , ^ mit ihr beginnt "eine neue Epoche in der Geschichte der Menschheit".* 8 Bereits in den Kämpfen während der Revolution hatte sich in Frankreloh, wenn auch noch zaghaft und unklar, die neue welthistorische Kraft zu Worte gemeldet, das werdende Proletariat. In den Revolutionen des 19. Jh. tritt dieses Prol ariat dann bereits als ein selbständiger Faktor auf und greift aktiv und entscheidend in das revolutionäre Geschehen ein, während die Bourgeoisie im Kampf gegen das Proletariat Belbst ein Bündnis mit feudalen Kräften nicht scheut. In Rußland kam es aufgrund der engen Verflechtung zwischen entstehender Bourgeoisie und Feudaladel nicht zu einer Polarisierung der Kräfte wie in Frankreich und damit auch nicht zur Revolution. In Rußland galt im 18. Jh. noch nicht "ein Stand für den Stand der ganzen Gesellschaft" und noch viel weniger waren "alle Mängel'der Gesellschaft in einer anderen Klasse konzentriert" 4 ^, wie es für

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eine Revolution notwendig gewesen wäre. Es beginnt die qualvoll lange spätabsolutistische Periode, in der sich zwar die gesellschaftliche Grundlage des absolutistischen Herrschaftssystems grundlegend wandelt, nicht aber die Form der Regierung. Versuchen wir, das Fazit unserer Darlegungen zu ziehen. Für die Weiterentwicklung eines absolutistischen Systems zum "aufgeklärten Absolutismus" gibt es zwei objektive Voraussetzungen: 1. Die allgemeine Entwicklung der bürgerlichen Aufklärung muß im internationalen Maßstab weit vorangeschritten sein; 2. In dem betreffenden land muß ein in sich noch relativ gefestigtes Feudalsystem beim Pehlen stärkerer eigener bürgerlicher Kräfte vorhanden sein. Damit aus diesen Voraussetzungen ein aufgeklärt-absolutistisches Herrschaftssystem entsteht, sind noch zusätzliche subjektive Pak-, toren notwendig. Obwohl die innere Zersetzung des Feudalsystems schon relativ weit fortgeschritten ist - u.a. spielt dabei der ständig wachsende internationale Warenverkehr mit seinen Rückwirkungen auf die Sozialstruktur des eigenen Landes eine Rolle fühlt «ich die herrschende Klasse noch sicher, zweifelt noch nicht an der Unbesiegbarkeit und Dauerhaftigkeit ihrer Macht. Die objektiven Verfallsmerkmale der feudalen Gesellschaftsordnung wurden noch nicht wahrgenommen. Ein weiterer subjektiver Faktor ist die Person des Monarchen selbst und seiner Ratgeber. Diese müssen mit dem Gedankengut der fortgeschrittenen Aufklärung vertraut sein. Die von ihnen der Aufklärungsliteratur entnommenen Kenntnisse und Erkenntnisse versuchen sie unter den Jeweils gegebenen Verhältnissen in Regierungsmaßnahmen umzusetzen, die auf Grund der objektiven - damals aber noch nicht erkannten - Unvereinbarkeit von Aufklärung und Feudalstaat letztlich nur den Charakter eines vorübergehenden Kompromisses tragen konnten. Es ergibt sich die Schlußfolgerung, daß es einen aufgeklärten Absolutismus also nur in der Spätphase der absolutistischen Periode (im Weltmaßstab gesehen) geben kann. Der aufgeklärte Absolutismus leitet das Ende der absolutistischen Periode im Weltmaßstab ein. IV. Vergleichen wir die dargelegten allgemeinen Erkenntnisse mit dem Verlauf der russischen Geschichte, dann werden wir zu der Schlußfolgerung gelangen, daß etwa seit den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts - in Ansätzen bereits vor dem Siebenjährigen Krieg erkenn-

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bar - sich in Bußland solche Verhältnisse herausgebildet hatten, wie sie dem aufgeklärten Absolutismus entsprechen. Bereits unter Elisabeth wird eine Kommission zur Ausarbeitung eines neuen Gesetzbuches einberufen, die aber wegen des beginnenden Krieges kaum mit der Arbeit beginnen konnte. In der gleichen Zeit beginnen die Bemühungen offizieller russischer Instanzen um einen engen Kontakt mit den führenden westeuropäischen Aufklärern. Voltaire, der zu dieser Zeit bereits in Frankreich Verfolgungen ausgesetzt war, erhielt 1755 von der russischen Regierung den offiziellen Auftrag, eine Verteidigungsschrift für die russisohe Politik zu verfassen, denn das war letztlich die gerade in den Jahren des Siebenjährigen Krieges ausgearbeitete "Geschichte des Russischen Reiches unter Peter dem Großen." Als in Frankreich die Weiterführung der berühmten, von Diderot seit 1751 herausgegebenen "Encyclopédie ou Dictionaire raisonné des sciences, des arts et des métiers" verboten wurde, lud Katharina II. ihn - unmittelbar nach der Thronrevolte, die sie zur Alleinherrscherin in Rußland gemacht hatte ein, in Rußland dieses Werk zuende zu führen. Bewußt wurde diese Einladung sogleich auch Melchior Grimm und Voltaire mitgeteilt und damit allgemein bekannt, womit ihr Hauptzweck erreicht war. Gerade in den ersten RegierungsJahren Katharinas bemühte sich Rußland sehr darum, "die öffentliche Meinung möglichst auf seiner Seite zu haben, und es verfehlte nicht, sich diese dienstbar zu machen. Der Hof Katharinas II. wurde zum Stabsquartier der aufgeklärten Männer jener Tage, besonders der Franzosen" (Engels).^® In diesem Sinne wurden die verschiedensten Regierungsmaßnahmen propagandiert. Die Säkularisierung des Kirohenbesitzes weokte sehr viel weitergehende Hoffnungen nioht nur in Rußland, sondern auch bei Aufklärern in anderen europäischen Ländern. Diese Hoffnungen wurden in den folgenden Jahren genährt durch die weithin propagierte Gründung der "lireien Ökonomischen Gesellschaft" in Petersburg, hinter der zwar inoffiziell, aber dooh allgemein bekannt, die Kaiserin persönlich stand. Heuen Auftrieb erhielten diese Hoffnungen durch die 1766 gestellte Preisfrage dieser Gesellschaft über das Eigentumsrecht der Bauern, die u.a. in Zeitungen der verschiedensten Länder, darunter auch in deutschen Zeitungen, nachgedruckt wurde. Besonders deutlich zeigt sich der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Aufklärung im internationalen Maßstab und den Möglichkeiten und Grenzen des aufgeklärten Absolutismus in der berühmten Instruktion Katharinas II. für die Ge27

setzeskommission 1767. Katharina hatte in ihr - nach ihren eigenen Worten - die Schriften der westeuropäischen Aufklärung mehr oder weniger systematisch herausgeschrieben, vor allem Montesquieu und Beccaria. Sie schrieb an Friedrich II,: "Sie werden sehen, daß ich es gemacht habe, wie der Habe in der Jabel, der sich mit Pfauenfedern schmückte. Hur die Anordnung ist von mir und hier und 51 da eine Zeile oder ein Wort."^ Diese Instruktion war zugleich Plagiat und Verfälschung, das letztere verschwieg Katharina wohlweislich. Die Verbreitung der Instruktion wurde zwar von der russischen Regierung aus Vorsichtsgründen im wesentlichen auf Kreise der herrschenden Aristokratie und der höheren Bürokratie beschränkt, aber trotzdem wurde sie in Rußland relativ breiten Kreisen - so allen Deputierten der Gesetzeskommission, unter denen sich auch einzelne Staatsbauern befanden - bekannt. In anderen Staaten, vor allem in Frankreich, wurde die Instruktion sofort bei Erscheinen verboten- und das war durchaus verständlich. Da sie viele Gedanken der westeuropäischen Aufklärer widerspiegelte, fand sie gerade in diesen Kreisen vielfach begeisterte Aufnahme. In der Instruktion schien sich die Vereinigung von Aufklärung und absoluter Monarchie zu realisieren. Von der Forschung wurde zu Recht darauf hingewiesen, daß Katharina sich bemüht hatte, in ihrer Instruktion die "Grenzen zwischen Despotie und Monarchie" klar herauszuarbei52 ten, was eine wohlwollende Aufnahme dieser Instruktion in den Kreisen der westeuropäischen Aufklärung begünstigen mußte. Die in der Instruktion dargelegten Prinzipien waren im wesentlichen bürgerliche Prinzipien, waren - teilweise entstellte, einseitig ausgewählte - Gedanken Montesquieus, Beccarias u.a., die hier aber dazu dienten, die feudale Gesellschaftsordnung in ihrer absolutistischen Form zu rechtfertigen. Neu ist gegenüber den früheren Zeiten, daß sich die Regierung nicht nur in Gesetzestexten, sondern auch in ihrer mehr oder weniger offiziellen Propaganda das waren die Freie ökonomische Gesellschaft mit ihren Preisfragen und auch die Instruktion an die Gesetzeskommission - eingehender mit der Bauernfrage beschäftigen m u ß t e . ^ Die Widersprüche im Sozialgefüge wurden bereits spürbar, aber noch war der Glaube der herrschenden Kreise an die Unerschütterlichkeit der bestehenden Verhältnisse nicht angetastet.

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Durch verschiedene Gesetze, Verordnungen und Bestimmungen wurden in Bußland ähnlich wie in Preußen einzelne für die Feudalzeit übliche Mißstände und Ungerechtigkeiten beseitigt oder gemildert, dazu gehört die Einschränkung der Folter, die Proklamierung, nicht aber die Realisierung der Gleichheit vor dem Gesetz, dazu gehört die Schaffung des Ökonomiekollegiums, dem die Bauern auf ehemaligen Kirchenbesitz unterstellt wurden. Diese Säkularisierung des Kirchenbesitzes brachte eine Gleichstellung der ehemaligen kirchlichen und klösterlichen Bauern mit den Staatsbauern, was zu einer spürbaren Verbesserung der läge dieser Bauern führte. Im Grunde genommen entsprach es auch der Grundlinie des Absolutismus, eben der Stärkung der Privilegien des Adels, wenn seit den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts in Rußland keine Staatsbauern mehr an Manufakturen verschrieben wurden, zugleich aber auch nichtadligen Unternehmern verboten wurde, sich Leibeigene für ihre Manufakturen zu kaufen. Damit wurden die nicht aus dein Adel stammenden Unternehmer gezwungen, sich freie Arbeitskräfte zu suchen. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts gab es in Rußland diese Möglichkeit - vor allem waren es Bauern, die sich mit Genehmigung ihrer Grundherren in den Manufakturen Kopfsteuer und Geldobrok erarbeiteten so daß es nicht mehr, wie in der petrinischen Zeit, zu feudalen Eingriffen in diese sich entwickelnden kapitalistischen Produktionsbeziehungen kam. Damit beschleunigte sich die Zersetzung des Feudalsystems, obwohl der Schutz der Adelsprivilegien auf alleinigen Besitz von Leibeigenen bei diesen Maßnahmen Pate gestanden hatte. Letztlich war die Säkularisierung in Rußland durchführbar, weil mit ihr keine unmittelbaren Adelsinteressen verletzt wurden. Die Verteidigung der Adelsinteressen war höchstes Gebot des absolutistischen Staates, was "zugleich bedingt, daß die Interessen einzelner Adelskreise angetastet werden mußten. Der weitere Ausbau des Staatsapparates führte zum Aufbau immer straffer durchorganisierter bürokratischer Verwaltungen. Die Macht der Gutsbesitzer wurde innerhalb ihrer Besitzungen ausgebaut, zugleich wurde ihr unmittelbarer Einfluß sowohl auf die örtliche als auch zentrale Verwaltung immer stärker beschränkt. Die "Gnadenurkunde für den russischen Adel" von 1785 verbot sämtliche Adelskorporationen mit Ausnahme der vom Gouverneur einzuberufenden Adelsversammlungen in den Kreisen. Gerade diese Bestimmungen veranlaßten Scerbatov zu der Bemerkung, der Adel habe nur noch das Recht zu Schreien, wenn er geschlagen werde." 54 Die relative Selbständigkeit des Staates gegenüber der Klasse, deren Interessenvertreter er letztlich war, verstärkte sich. 29

Dieser objektive Hintergrund der Politik Katharinas II. und ihrer Regierung war für die Zeitgenossen im Lande kaum erkennbar, den Ausländern blieben sie vollends verborgen. i Wir müssen Awrech zustimmen, daß das mehrfach auch von Marx und Engels hervorgehobene Bündnis zwischen den Philosophen der Aufklärung und den aufgeklärten Monarchen - "und welcher Füret wollte cc 5g damals nicht aufgeklärt sein"^ - durchaus nioht zufällig war.*' Dieses Bündnis ist für den aufgeklärten Absolutismus charakteristisch. Die französischen Philosophen und Aufklärer, die in einem lande lebten, in dem bereits die Revolution heranreifte, blickten mit vielen Illusionen auf die in sich noch gefestigten Feudalmächte, in denen bestimmte Forderungen der Aufklärung durch ein Edikt des Herrsohers durchgesetzt werden konnten. Aus der Perne war für sie die enge Begrenztheit dieser Maßnahmen nicht zu erkennen. So erwarteten sie von den aufgeklärten Monarchen ständig weitere Maßnahmen in der gleichen Richtung. Viele dieser Philosophen erhofften gerade von den aufgeklärten Monarchen die Verwirklichung ihrer Ideale. Und sie behielten diesen Glauben sogar weitgehend auch dann noch, nachdem sie von der Realität enttäuscht worden waren - so erging es Diderot in Petersburg und Voltaire in Berlin. Aber in den Jahren vor der Großen Französischen Revolution konnten diese eine gemäßigte Richtung der Aufklärung vertretenden Philosophen noch keinen anderen Weg zur Verwirklichung ihrer Ideale erkennen; und selbst viele radikale Aufklärer gelangten erst im Verlaufe der Revolution zu revolutionären Schlußfolgerungen, womit sie aber auch zugleich über die Aufklärung hinausgingen. In Rußland wird die ganze Zwiespältigkeit des aufgeklärten Absolutismus deutlich, wenn man das geistig-kulturelle leben jener Zeit insgesamt zu analysieren sucht. Es ist" durchaus nicht zufällig, daß alle Versuche aufgeklärter Monarchen, ihr Land zu echten Zentren der Aufklärung zu machen, von vornherein zum Soheitern verurteilt waren. "Bürger in der Republik der Aufklärung" konnten nur in der Atmosphäre des sozialen Kampfes, wie sie in Paris bestand, heranwachsen; hier fanden sie ihr Echo in der unmittelbaren Wirklichkeit des Lebens, was nicht durch die abstrakte Anerkennung an den geistig letztlich sterilen Höfen von Peters57

bürg oder Berlin zu ersetzen war. Zwar nahm auch dort das geistigkulturelle Leben einen raschen Aufschwung, aber es begann erst, über die verhältnismäßig engen Kreise des Adels und der meist fremden Intelligenz hinauszugreifen. Die Förderung des Bildungs30

wesens durch die Regierung trug zwiespältigen Charakter. In den ersten Jahren ihrer Regierung hat Katharina II. der Petersburger Akademie die größte Aufmerksamkeit gewidmet. Ähnlich wie in Preußen Friedrich II. hat sie in Rußland die Akademie reorganisiert und sich bemüht, ihrer wissenschaftlichen Institution weltweite Anerkennung zu verschaffen. Es wurden neue Schulanstalten gegründet, es wurde eine allgemeine Schulreform durchgeführt, für die die entsprechenden Erfahrungen in der Habsburger Monarchie berücksichtigt wurden. Beeindruckend ist die statistisch nachweisbare Entwicklung des Buch- und Zeitschriftenwesens in Rußland in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts. Während im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts insgesamt nur 335 Buchtitel herausgegeben wurden, waren es in den sechziger Jahren bereits 1050, in den siebziger Jahren 1466 und in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts 2685, wobei der Anteil der verlegerischen Tätigkeit Novikovs an dieser ständig steigenden Buchproduktion bis zu einem Drittel betrug.^ 8 Gleichzeitig zeigen sich verstärkte Tendenzen der religiösen Toleranz, der Einfluß klerikaler Kreise scheint stark zurückgedrängt, auch wenn die Erhaltung des damals vom Papste verbotest? nen Jesuitenordens gerade in Rußland^ 7 den aufmerksamen Beobachter hätte nachdenklich stimmen müssen. Aber dem Zeitgenossen schien es wichtiger, daß wesentliche Bereiche des Bildlingswesens und des kulturell-wissenschaftlichen lebens nur noch indirekt von kirchlichen Kreisen beeinflußbar waren. Die Zensur war den kirchlichen Stellen - mit Ausnahme der religiösen Literatur - ganz aus den Händen genommen; die Petersburger Akademie und die Moskauer Universität waren von Anfang an der kirchlichen Kontrolle entzogen; in den Erziehungsanstalten des Adels, dem Kadettenkorps usw. beschränkte sich die Tätigkeit der Kirche auf die Abhaltung des Religionsunterrichts durch den Jeweiligen Schulgeistlichen, auf die Gestaltung des übrigen Unterrichts und auf seinen Inhalt hatten kirchliche Stellen keinen unmittelbaren Einfluß. Im russischen Bildungs- und Kulturleben hatte die bürgerliche Ideologie der Aufklärung einen allgemeinen Sieg errungen - so wurde es Jedenfalls von den Zeitgenossen außerhalb Rußlands und auch von vielen im lande selbst aufgefaßt. Die schnelle Entwicklung der Produktivkräfte in Rußland in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts führte aber dazu, daß sich die seit dem Eintreten Rußlands in die spätfeudale Phase ent31

wickelnden sozialen Spannungen rasch verschärften. Damit wurden die Möglichkeiten eines Weiterbestehens der Kompromißlösung des aufgeklärten Absolutismus immer geringer. Die Zuspitzung der sozialen Gegensätze begünstigte und förderte die in der Aufklärung von vornherein imanent vorhandenen Tendenzen der Polarisierung in eine gemäßigte und eine radikale Richtung. Beide sind ihrem Wesen nach antifeudal, bürgerlich, aber die gemäßigte Richtung war stärker bemüht, sich mit den bestehenden Verhältnissen zu arrangieren, sie beschränkte sich auf eine das gesellschaftliche System als Ganzes kaum berührende Kritik an einzelnen Mißständen und Übergriffen. Ihr entgegen stand eine radikale Richtung, die meist zwar in verdeckter Form eine mehr oder minder scharfe Kritik an den Grundlagen des bestehenden sozial-ökonomischen Regimes, vor allem an der Leibeigenschaft, übte. Eine Form dieser Kritik war die in Rußland zeitweilig sehr beliebte Literatur "in tyrannos", die sich scheinbar gegen die orientalischen Despotien richtete, indirekt damit aber vielfach in Rußland herrschende Zustände angriff. Anfangs fühlte sich Katharina von dieser Literatur nicht getroffen und begünstigte sie sogar. Diese radikalere Richtung der Aufklärung fand in den sechziger und in der ersten Hälfte der siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts in der satirischen Literatur ein breites Betätigungsfeld. Katharina II. hatte anfangs gehofft, diese satirische Literatur in ihr genehmen Bahnen halten zu können, sie versuchte sich persönlich als Schriftstellerin und gab selbst satirische Zeitschriften heraus. Aber schon bald mußte sie einsehen, daß sie den Argumenten ihrer Widersacher nicht gewachsen war. In der Diskussion vor allem gegen Hovikov und Fonvizin konnte sie deren auf den historischen Portschritt orientierte Argumentation von ihrer konservativen Position aus nicht überzeugend widerlegen. Ihr blieben nur Zwangsmaßnahmen, um ihr System vor den zersetzenden Angriffen der radikalen Aufklärung zu schützen, und Katharina scheute sich nicht, im Interesse der Erhaltung der Macht des absolutistischen Staates diese Zwangsmaßnahmen voll einzusetzen. Hovikovs Zeitschriften und einige andere satirische Publikationen fielen der Zensur zum Opfer, Ponvizin erhielt Schreibverbot. Zumindest im ideologischen Bereich hatte der Glaube an die Unerschütterlichkeit der bestehenden Verhältnisse einen ersten Stoß erhalten.

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Diese Entwicklung verschärfte sich durch den letzten großen Bauernkrieg, der unter der .Führung PugaSevs das russische Adelsimperium bis in seine Grundfesten erschütterte. Mit diesem Bauernkrieg begann in Rußland die innere Zersetzung des Systems des aufgeklärten Absolutismus, die Aufklärung trat allmählich in den Hintergrund, das aufblühende kulturell-wissenschaftliche Leben wurde anfangs kaum merklich, aber im Verlaufe der Zeit immer stärker kontrolliert und reglementiert. Aber es war nicht mehr möglich, völlig zu den alten Verhältnissen zurückzukehrenj die Kräfte des Neuen waren bereits zu stark. Mit der Reglementierung erwachte der Protest. Das russische Geistesleben, vor allem die Literatur, entwickelte sich entsprechend der allgemeinen Tendenz gegen die Versuche einer Gängelung durch den absolutistischen Staat. Katharina hatte die Kräfte der Volksbewegung im Bauernkrieg gespürt; und sie war klug genug zu erkennen, wie gefährlich eine Bolche spontane Bewegung werden mußte, wenn sie sich mit einer bürgerlichen antifeudalen Ideologie verbinden würde. So war es nur folgerichtig, daß seit den achtziger Jahren die Publikation der Übersetzungen von Schriften der französischen Aufklärung immer seltener gestattet wurde, während anfangs sogar die Arbeiten solch radikaler Vertreter wie Mably erscheinen konnten. Das Katharina diesen Zusammenhang durchaus begriffen hatte, zeigt ihre Äußerung über Radiscevs konsequent die Gedanken der radikalen Aufklärung bis ins Revolutionäre weiterführende "Reise von Petersburg nach Moskau": sie bezeichnete Radiscev als einen "Aufrührer schlimmer als Pugacev".^0 Die Schriften der französischen Materialisten Holbach, Helv6tius und de La Mettrie, die in Berlin auf Grund der persönlichen materialistischen Interessen des Königs Anerkennung gefunden hatten, wurden in Rußland im 18. Jahrhundert und auch im 19. Jahrhundert nicht übersetzt. Gerade diese Entwicklung zeigt deutlich, daß ein Versuch, Aufklärung und Absolutismus, also bürgerliche Ideologie - das ist die Aufklärung letztlich immer -, und spätfeudalen Staat zusammenzufügen, nur scheinbar und nur für eine kurze Zeitspanne möglich ist. Die Aufklärung bereitet der Bourgeoisie ideologisch den Weg zur Macht vor, in diesem Sinne muß sie auf das feudale Gedankengut zersetzend wirken. Während die offizielle Ideologie unter Katharina II. sich gerade auf einige der feudalen Gesellschaftsordnung angepaßten Züge der Aufklärung zu stützen suchte, entwickelten ihre Gegner die

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radikalen, auf die Überwindung des Feudalsystems gerichteten Tendenzen der Aufklärung, die in ihrer Endkonsequenz bis zur Bejahung der Revolution gehen können, wie das Sohaffen Radiscevs beweist. Die Krise des aufgeklärten Absolutismus leitete in Rußland unmittelbar zur Krise des gesamten Feudalsystems über, denn die tiefer liegenden Ursachen des Scheitern des aufgeklärten Absolutismus sind in der allgemeinen sozialökonomischen Entwicklung zu sehen. Eine ernste Erschütterung war der Bauernkrieg; als dann mit der Großen Französischen Revolution auch der Glaube an die ünerschütterlichkeit der bestehenden Ordnung verloren ging, waren die subjektiven Voraussetzungen für den aufgeklärten Absolutismus nicht mehr gegeben. Der Absolutismus als Regierungssystem bestand zwar weiter, aber er hatte nicht mehr die Möglichkeit, sich auf einzelne, aus dem Zusammenhang gerissene und verfälschte Thesen der Aufklärung zu stützen, er hatte seine relative Fortschrittlichkeit eingebüßt, er wurde, wie Awrech feststellt, für Rußland zum "schlechtesten Typ fi 1 der kapitalistischen Entwicklung". Darüber kann auch die "liberale Ära" Alexanders I. nicht hinwegtäuschen. Auf Grund der veränderten internationalen Situation war die Funktion des russischen Absolutismus eine andere geworden, er wurde zum Bollwerk der Reaktion, zur führenden Macht der Heiligen Allianz. Er wurde von einem relativ fortschrittlichen der allgemeinen Entwicklung entsprechenden System zu einer archaischen Regierungsform. Auf diese Problematik kann hier nicht mehr eingegangen werden. Die Analyse der Begriffe Aufklärung, Absolutismus und aufgeklärter Absolutismus und ihres Anwendungsbereiches für die russische Geschichte zeigt die enge Verflechtung der gesamteuropäischen Entwicklung während der spätfeudalen, zum Kapitalismus überleitenden Epoche. In diesem Zusammenhang scheint es wichtig, darauf hinzuweisen, daß diese Begriffe klar abgegrenzt werden müssen, denn nur so läßt es sioh vermeiden, daß unterschiedliche Erscheinungen mit dem gleichen Terminus belegt werden. Im vorliegenden Beitrag wurde versucht, von der jeweiligen gesamteuropäischen Situation ausgehend, eine solche Definition der Begriffe vorzuschlagen und sie in ihrer Anwendbarkeit auf die russische Geschichte zu prüfen. Dabei erwies sich die Große Französische Revolution als ein entscheidender Einschnitt, der für die russische Geschichte bisher nicht genügend beaohtet wurde. Die scheinbare Kontinuität der innerrussischen Entwicklung darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß durch die veränderte 34

Umwelt sich der Charakter bestimmter Erscheinungen in Rußland grundlegend gewandelt hatte. Darauf hat Lenin für die Zeit nach 1861 hingewiesen, wenn er feststellt: "So asiatisch wild unsere Selbstherrschaft auch ist..., so ist die absolutistische Regierung dennoch die Regierung eines kapitalistischen Landes, das durch Tausende unzerreißbare Fäden mit Europa, mit dem internationalen Markt, mit ¿ro dem internationalen Kapital verbunden ist..." Die bisher weitgehend in sich einheitliche Aufklärung spaltete sich im Ergebnis der Lehren der französischen Revolution in eine zum Liberalismus tendierende und in eine revolutionäre v Richtung auf. Die erstere führte von Karamzin ausgehend über Caadaev zu den Slavophilen und zu den Westlern, die andere von Radiscev ausgehend über Griboedov, die Dekabristen und Puskin hin zu den revolutionären Demokraten. Der Absolutismus als Staatsform der Übergangsepoche vom Feudalismus zum Kapitalismus verlor seine relative Fortschrittlichkeit, der absolutistische Staatsapparat wurde zu einem Anachronismus. Der aufgeklärte Absolutismus leitete über zu der langwierigen Krise des Feudalsystems als Ganzes, Dieser Funktionswandel des absolutistischen Staates war in Rußland besonders stark ausgeprägt, er ließ Rußland zum Gendarm Europas werden.

Anmerkungen 1

Vgl. die Darlegung der gegensätzlichen Standpunkte in den beiden Beiträgen: I.A. Bulygin, E.I. Indova, A.A. Preobrazenskij, Ju.A. Tichonov, S.M. Troiokij, Nacal'nyj etap genezisa kapitalizma v Rossii, In: Voprosy istorii, 10/1966, S. 65 ff.; N.I. Pavlenko, Spornye voprosy genezisa kapitalizma v Rossii, In: Ebd., H. 11, S. 81 ff..

2

A.H. Cistozvonov, Ponjatie i kriterii obratimosti i neobratimosti istoriceskogo processa (na materialach genezisa kapitalizma). In: Voprosy istorii, 5/1969, S. 80.

3

F. Engels, Die auswärtige Politik des russischen Zarentums. In: Marx/Engels, Werke (weiterhin zitiert MEW), Bd. 22, Berlin 1963, S. 20.

35

4

5

Tgl. O.Ii. Fisman, A.G. Leniton, Prosvesoenie. In: Sovetskaja istoriceskaja enciklopedija, Bd. 11, Moskau 1968, Sp. 622 ff.; A.I. Volodin, Prosvesoenie v Rossii, Ins Ebd, Sp. 631 ff.; weiterhin H. Graßhoff, Die Humanitätsideale der russischen Frühaufklärung. In: Studien zur Geschichte der russischen Literatur des 18. Jahrhunderts, Bd. III (Veröffentlichungen des Instituts für Slawistik Nr. 28/111), Berlin 1968 (weiterhin zitiert: Studien), S. 206. W.I. lenin, Auf welches Erbe verzichten wir? In: W. I. Lenin, Werke, Bd. 2, Berlin 1963, S. 515.

6

Ebd., S. 516.

7

Ebd., Anmerkung.

8

W.I. lenin, Brief an A.N. Potressow vom 26.1.1899. In: Werke, Bd. 34, Berlin 1962, S. 11-12.

9

P.N. Berkov, Osnovnye voprosy izucenija russkogo prosvetitel'stva. In: Problemy russkogo prosvesoenija v literature XVIII veka, Moskau-Leningrad 1961, S. 5 ff.

10

Vgl. K. Günter, Zur Epochenbezeichnung "Aufklärung" speziell im Deutschen und Russischen. In: Studien III, S. 56.

11

Für Frankreich wird der Begriff "Vor- und Frühaufklärung" im Philosophischen Wörterbuch, hg. von G. Klaus und M. Buhr, Leipzig 1964, Sp. 56, verwandt, bei der Darlegung der Aufklärung in anderen Ländern wird er aber nicht benutzt.

12

Vgl. E. Winter, Frühaufklärung. Der Kampf gegen den Konfessionalismus in Mittel- und Osteuropa und die deutsch-slawische Begegnung, Berlin 1966.

13

P.N. Berkov, a.a.O., S. 10 f.

14

E. Winter, Die Aufklärung bei den slawischen Völkern und die deutsche Aufklärung. In: Zeitschrift für Slawistik II (1957),. H. 2, S. 155.

15

P.N. Berkov, a.a.O., S. 11 ff.

16

Vgl. P. Hoffmann, Probleme des Übergangs von der Aufklärung zu revolutionärer Thematik im Schaffen A.N. Radiscevs. In: Zeitschrift für Slawistik VIII (1963), H. 3, S. 424 ff.

36

17 Vgl. die Materialien des X. Historikerkongresses in Rom 1955 sowie des XII. Historikerkongresses in Wien 1965. 18 Vgl. A. Meusel, Diskussion zum Vortrag von F. Härtung und R. Mousnier: Quelques problèmes concernant la Monarchie Absolue In: ZfG IV (1956), H. 4, S. 777 ff.; E. Mo'lnâr, les fondements économiques et sociaux de l'absolutisme. In: Xlle Congrès International des Sciences Historiques, Vienne 1965, Rapport IV, Methodologie et Histoire Contemporaine, S. 155 ff. 19 Vgl. den die Diskussion eröffnenden Beitrag von A.J. Awrech, Der Absolutismus und seine Rolle bei der Herausbildung des Kapitalismus. In: Sowjetwissenschaft/Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge, 2/1969, S. 166 ff.; vgl, auch den Diskussionsbericht von G.I. Schtschetinina. In: Ebd., S. 183 ff. 20 Vgl. vor allem die Beiträge von B.Ï. Porsnev und S.D. Skazkin; z.B.: S.D. Skazkin, Problema absoljutizma v zapadnoj Evrope (vremena i uslovija ego vozniknoveniJa). In: Iz istorii srednevekovoj Bvxopy (X - XVII w.), Moskau 1957, S. 5 ff. • 21 Vgl. vor allem A.l. Sapiro, Ob absoljutizme v Rossii. In: Istorija SSSR 5/1968, S. 71 ff. 22

Awrech, a.a.O., S. 171.

23

Vgl. ebd., S. 179-

24

Ju. Xotman, Die Frühaufklärung und die Entwicklung des gesellschaftlichen Denkens in Rußland. In: Studien III, S. 94.

25

W. Küttler, Gesellschaftliche Voraussetzungen und Entwicklungstyp des Absolutismus in Rußland. In: Jahrbuch für die Geschichte der sozialistischen Länder Europas, Bd. 13, H. 2, Berlin 1969, S. 68 ff.

26

A.N. Cistozvonov, Nekotorye aspekty problemy genezisa absoljutizma. In: Voprosy istorii, 5/1968, S. 66.

27 Küttler, a.a.O., S. 79. ¿8 Vgl. E. Donnert/P. Hoffmann, Zur Präge der wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen des Absolutismus in Rußland. In: ZfG XIV (1966), H. 5, S. 758 ff. 29 Vgl. W.I. lenin, Was sind die "Volksfreunde" und wie kämpfen sie gegen die Sozialdemokratie. In: Lenin, Werke, Bd. 1, Berlin 1963, S. 147. 37

30

N.M. Drußhinin, Die Periodisierung der Geschichte der kapitalistischen Verhältnisse in Bußland (zum Ergebnis der Diskussion). Ins Zur Periodisierung des Feudalismus und des Kapitalismus in der geschichtlichen Entwicklung der UdSSR (= 20. Beiheft zur "Sowjetwissenschaft"), Berlin 1952, S. 404.

31

Vgl. M.W. Netschkina, Zu den Ergebnissen der Diskussion über das "aufsteigende" und das "absteigende" Stadium des Feudalismus. In: Sowjetwissenschaft/Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge, 11/1964, S. 1198 ff.

32 Vgl. meinen Beitrag Entwicklungsetappen und Besonderheiten des Absolutismus in Rußland. Ins Jahrbuch für die Geschichte der sozialistischen Länder Europas, Bd. 14, H. 2 (im Druck). 33 Vgl. W. Küttler, Zur historisch-politischen Konzeption des russischen Absolutismus in den Werken Lenins. In: Jahrbuch für Geschichte der sozialistischen Länder, Bd. 14, H. 1 (im Druck). 34 Vgl. die Erwähnungen bei Awrech, a.a.O., S. 175; A.M. Davidovic, S.A. Pokrovskij, 0 klassovoj suscnosti i etapach razvitija russkogo absoljutizma. In: Istorija SSSR 1969, H. 1, S. 69 f. 35

P.N. Berkov, Besonderheiten des literarischen Prozesses in Rußland im 18. Jahrhundert. Ins Studien III, S. 38 ff.

36

N.M. Druzinin, Prosvescennyj absoljutizm v Rossii. Ins Absoljutizm v Rossii (XVII - XVIII w.), Sbornik State;) k semidesjatiletiju... B.B. Kafengauza, Moskau 1964, S. 428 ff.

37

Istorija SSSR s drevnejsich vremen do nasich dnej, Bd. 3, Moskau 1967, S. 428. Vgl. auch Sovetskaja istoriceskaja enciklopedija, Bd. 11, Moskau 1968, Spalte 635 f.

38 K. Marx, Das revolutionäre Spanien. Ins MEW, Bd. 10, Berlin 1961, S. 450; vgl. P. Engels, Revolution und Konterrevolution in Deutschland. Ins Ebd., Bd. 8, Berlin 1960, S. 33. 39 K. Marx, Die Taten des Hauses Hohenzollern. Ins MEW, Bd. 6, Berlin 1959, S. 477. 40

Ebd.

41

P, Engels, Die auswärtige Politik des russischen Zarentums. In: MEW, Bd. 22, Berlin 1963, S. 24.

38

42

F. Engels, Was hat die Arbeiterklasse mit Polen zu tun? In: MEW, Bd. 16, Berlin 1962, S. 161.

43

W.I. Lenin, Wie die Sozialrevolutionäre aus der Revolution Bilanz ziehen. Ins Lenin, Werke, Bd. 15, Berlin 1962, S. 335.

44

Tgl. etwa Sir Charles Petrie, Die absolute Monarchie und ihr System. In: Historia mundi. Ein Handbuch der Weltgeschichte, Bd. 7, Bern 1957, S. 249, 253. P. datiert den "aufgeklärten Absolutismus" bis in die Zeit der Renaissance zurück.

45

F. Härtung, Der aufgeklärte Absolutismus. In: ders., Staatsbildende Kräfte der Neuzeit, (West-)Berlin 1961, S. 154.

46

Tgl. R. Rozdolski, Sie große Steuer- und Agrarreform Josefs II. Ein Kapitel österreichischer Wirtschaftsgeschichte, Warschau 1961.

47

Tgl. G. Schilfert, Die Revolutionen beim Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus. In: ZfG ITII (1969), H. 1/2, S. 171.

48

Tgl. W.I. lenin, Sozialismus und Krieg. In: Lenin, Werke, Bd. 21, Berlin 1960, S. 300.

49

K. Marz, Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie. Einleitung. In: MEW, Bd. 1, Berlin 1957, S. 388.

50

F. Engels, Was hat die Arbeiterklasse mit Polen zu tun? In: MEW, Bd. 16, S. 161.

51

Schreiben an Friedrich II. vom 17.10.1767, veröffentlicht in: S b o m i k russkogo istoriceskogo obscestva, Bd. 20, Petersburg 1877, S. 236.

52

Tgl. Awrech, a.a.O., S. 175.

53

Tgl. zu diesem Fragenkomplex M.T. BeljavskiJ, Krest*janskij vopros v Rossii nakanune vosstanija E.I. Pugaceva, Moskau 1965.

54

Tgl. A. Ja. Awrech, Russkij absoljutizm i ego rol* v utverzdenii kapitalizma v Rossii. In: Istorija SSSR 1968, H. 2, S. 99 (in der deutschen Übersetzung wurden diese Ausführungen gekürzt).

55

F. Engels, Die auswärtige Politik des russischen Zarentums. In: MEW, Bd. 22, Berlin 1963, S. 20.

56

Awrech, a.a.O., S. 175.

57

Tgl. I.K. Luppol, Deni Didro. Ocerki zizni i mirovozzrenija, Moskau 1960, S. 58. 39

58

Chrestomatija po istorii SSSR, Bd. II (1682 - 1856), zusammengestellt von S.S. Dmitriev und M.V. Neckina, Moskau 1949, S. 396 ff.

59

Vgl. E. Winter, Rußland und das Papstum, Teil 2: Von der Aufklärung bis zur Großen Sozialistischen Oktoberrevolution (= Quellen und Studien zur Geschichte Osteuropas VI, 2), Berlin 1961, S. 69 ff.

60

D.S. Babkin, Process Radisceva, Moskau-Leningrad 1952, S. 318.

61

Awrech, a.a.O., S. 179.

62

W. I. Lenin, Die ersten Ergebnisse der politischen Gruppierungen. Ins Lenin, Werke, Bd. 9, Berlin 1966, S. 399.

40

K. Günther Das Moskauer Judithdrama von Johann Gottfried Georgii

INHALT A

1. 2. 3.

Übersetzung Kommentar Text Anmerkungen

B

Studie

1. 1.1. 1.2. 1.3. 2. 2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6. 2.6.1. 2.6.2. 2.6.3. 2.6.4. 2.6.5. 2.7. 2.7.1. 2.7.2. 2.8. 2.9. 2.10. 2.11. 2.12.

Überlieferung und Erforschung Textgeschichte Aufführungs geschichte Forschungsgesohi chte Analyse. Titel Prolog Personen Ideen Charaktere Handlung Verhältnis zur Bibel Handlungs eb enen Handlungsorte Komik Einsparung Äußerer Aufbau Akt- und Szenenzahl Szenengestaltung Bühne Kulissen und Requisiten Gestik Spielanwei3ungen Musikalische Elemente

42 42 43 133 135 135 135 137 138 139 139 139 140 144 145 151 151 152 155 155 157 157 157 158 160 164 165 165 166

3. 3.1. 3.2.

Stoffgeschichte Der biblische Bericht Das Judithsujet in der europäischen Literatur (außer der deutschen) 3.3. Die neulateinischen Judithdxamen 3.4. Die deutschen Judithdramen des 16. und 17. Jahrhunderts 3.4.1. Die Volksschauspiele 3.4.2. Die Judithdramen des 16. Jahrhunderts 3.4.3. Die Judithdramen des 17. Jahrhunderts 3.5. Das Judithdrama Gregoriis in genealogischer und typologischer Sicht 3.6. Bibliographie der deutschen Judithdramen des 16. und 17. Jahrhunderts 4. Anmerkungen C. Tabellen 1. Graphisohe Darstellung des Moskauer Judithdramas 2. Abhängigkeitsverhältnis der Judithdramen

168 168 171 176 179 180 180 185 196 198 200

207

A. Übersetzung 1. K o m m e n t a r Der deutschen Übersetzung liegt der von N. S. Tiohonravov edierte Text (T) des Judithdramas zugrunde. Die von S. Sieglova gemachten Korrekturen und Ergänzungen wurden stillschweigend eingearbeitet. Zur Editionsgesohiohte des Dramas vgl. unter B 1.1. auf S. 135. Wir waren bestrebt, einen adäquaten und glatt lesbaren deutschen Text herzustellen, ohne das Original rekonstruieren zu wollen. Deshalb wurde auf eine Historisierung des Ausdrucks verzichtet. Einige Stellen mußten frei übersetzt werden. Es handelt sich dabei um Änderungen der Abfolge der Satzteile, um Änderungen syntaktischer Konstruktionen und um lexikalische Substitutionen bei nicht wörtlicher Wiedergabe. Ergänzungen, die uns für den deutschen Text notwendig erschienen, um ihn sinngemäß zu vergenauern, stehen in eckigen Klammern. Alle diese Fälle einer freieren Übersetzung werden nicht kommentiert. Die Hochzahlen beziehen sich auf die folgenden Anmerkungen. Diese erläutern Stellen, die defekt oder unklar sind oder bei denen unsere Interpretation von der Tichonravovs abweicht, wobei 42

kleinere Konjekturen, wie z.B. andere syntaktische Zuordnung durch Änderung der Zeichensetzung Tichonravovs, nicht vermerkt werden. Die Anmerkungen führen auch einzelne russische Atisdrücke, Eigennamen und EangbeZeichnungen sowie deren deutsche Übersetzung an und erläutern sie. Auf sichere oder vermutliche Germanismen und folonismen konnte in diesem Zusammenhang nicht eingegangen werden; ihnen beabsichtigen wir eine besondere Studie zu widmen. Am Hände des deutschen Textes befinden sich Zahlenangaben, die sich auf die Numerierung der Abschnitte des biblischen Buches "Judith" beziehen. Sie dienen einmal als Nachweie für die inhaltliche Übereinstimmung dieser Stellen im Drama und im biblischen Berioht, zum anderen als Hinweis auf wörtliche Zitierung des biblischen Textes. Die Zählung ist der Lutherbibel (DB) entnommen. Zum Vergleich stand uns der kirchenslawische Text des Buches "Judith" der Moskauer Bibel (MB) von 1663 zur Verfügung. Bei der Übersetzung dieser Stellen folgten wir dem Text des Dramas, der da meist mit dem Text der Moskauer Bibel übereinstimmt, und übernahmen nur dann ganz oder teilweise die deutsche Fassung der Lutherbibel, wo die Texte sich inhaltlich und wörtlich decken. Die Lautung der biblischen Eigennamen in der Übersetzung entspricht der der Lutherbibel und nicht der russischen Lautung des Judithdramas.

2.

T e x t

JUDITH Prolog Großer Aleksej MiohajloviS, Zar und Selbstherrscher, zudem Herr über viele Länder! Dir beugt sich das Volk des Großen, Kleinen sowie des Weißen Rußlands. 0 großer Sürst, Erster der Welt, Beherrscher des Ostens, Nordens und auch des Westens! Doch auch dies ist Dir zu wenig! Es müßte noch eine zweite Welt geben, ja daß die Welt einzig vor Dir sei, wo doch das Erbe' vieler Zaren mit Dir ist! Denn Du bist der Mächtigste in der Welt, weil Du überreichen Ruhm Deinem Reich gegeben hast. Die ganze Christenheit verehrt Dein Zepter, denn mit Gottes Gnade schützt es sie alle vor dem Feind des Kreuzes, dem grimmen Muselmann, auf daß es ihm nicht gegeben sei, die Christen zu besiegen. So schaffst Da es, o Zar, über diesen Feind immer Glück und Sieg und auch 43

2. Könige6; 24, 1317.

Vergeltung zu haben. Der höchste Gott bewahre Dein Reich, denn es ist ein Wall für die ganze Christenheit. Deswegen, o Zar, verschwinden vor Dir alle (feindlichen) Mächte. Wenn auch Ben-Hadad, 1 Jener starke assyrische König, die Stadt Dothan mit großer Kriegsmacht belagerte, so steht doch rings um den Feind ein noch stärkerer Wächter, der diese Stadt beschützt, nämlich himmlische Krieger flammend und schrecklich. So kann der Prophet Elisa zum Diener sprechen: "Weshalb fürchtest Du menschliche Macht, denn derer ist mehr, die mit uns sind als derer, die mit ihnen sind?" Auch Deine, o Zar, Gebiete werden von Feinden, durch flammende Engel beschirmt, die Dein Zarenhaus sicher bewachen. Sieh, großer Zar, hier wird Dir in einer Komödie dies veranschaulicht, indem man offenbart, wie unser Gott in fremdem Land (die Seinen) auf wunderbare Weise fromm und sicher bewahrt und wie er große Trauer in Frohlocken wendet, daß der Kummer schon im Augenblick vergeht, wenn er mit dem Feinde kämpft. Denn er, o allmächtiger Zar, ist der glückselige Anfang allen Herrschern. 1. Akt, 1. Szene Nebukadnezar, Memuchan, Moab, Ammon, Naeman, Kore, Lapidoth, 4 Hellebardenträger, 4 Kämmerer.

Nebukadnezar: Nun, Ihr meine treuen Räte! Wie kann mein Großmut 1,6 dies erfassen? Der schnelle Tigris muß nur auf einen Wink meiner Hand hin stille stehen, der Euphrat stürmt seine stolzen Wogen auf meinen Wunsch bis zu den Wolken hinan und bringt sie auf meinen Befehl wieder zur Ruhe, und selbst der mit Reichtümern 2

gefüllte Hydaspes, in dem die schwarzen Inder baden, muß mir Tribut von seinem Goldsand zahlen. Das große Assyrien rechnet es sich ebenfalls als höchste Ehre an, unter meiner Herrschaft zu stehen. Der tapfere Perser fürchtet sich und gehorcht meinem Gebot, und selbst der kühne König der Meder zittert noch jetzt vor meinem großen Kamen, sah er doch erst im vergangenen Jahr, 1,1 wie die festen und dicken Mauern seiner Hauptstadt Ekbatana von u.6 meinem Atem wankten und erzitterten. Was soll ich noch sagen? Die Sonne selbst, wenn ich zu ihr bete, erbleicht, wenn ich ihr ein Opfer bringe, als sei sie beschämt, daß sich ein solcher 1, Herrscher vor ihr demütigt. Nur dieses ärmliche Geschlecht, die 7-8 Feldmäuse, die in Zilizien, in Damaskus, in Libanon, in Karmel und in Kidar wohnen, noch weniger aber jenes eigenwillige Volk, 44

welches auf ich weiß nicht welohen Gott vertraut und das Jenseits des Jordans in Galiläa, Samaria und Judäa, um Jerusalem lebt, sie wollen mein Zepter nicht küssen, Bondern wagen es, meine Boten mit Schanden zurückzuschicken. 0 Nebukadnezar, wirf Dein Zepter zu Rißen dieses verachtenswerten Volkes nieder oder zücke das Schwert zur Eaohe an diesen Hunden. Ihr aber, Räte, was sagt Ihr?

1, 10 1, 11

Memuohan: Was ist hier, o König, viel zu sagen? Nioht nur die Völker, die Du., allmächtiger Herrscher, genannt hast, sondern noch viele andere, die man gar nicht alle nennen kann und die die Sonne kaum kennt, werden den Staub von Deinen Füßen lecken, 3 ebenso wie... . Nur Jenes ruchlose Volk, das in den Bergen lebt und sich in Höhlen verbirgt, will sich Deinem Worte widersetzen? Hein, König! Greif zu den Waffen! Wenn ein solches ehrloses Volk Dich verachten kann, so wäre die Schande größer als die Ehre, daß Du über eine so große Zahl von Völkern Sieger gewesen bist. Moab: Ja, wahrhaftig, denn was würde es Deiner Majestät nützen, ob Deine unvergleichliche Kraft auch die ganze Welt erschüttert hätte, wenn es zu dieser Schmähung Deiner Hoheit käme. Soll also deshalb Dein übergroßer Name der ganzen Welt verkündet werden, damit nur dies eine Nest der ganzen Welt, dieses Nest voll törichter Mensohen, ihn sohmälern und Deine siegreiche Ehre in den Schmutz ziehen könnte? Fürwahr, bestrafe das nach Gebühr! Amaon: Dem gebührt Strafe, Raohe und Gericht. Nur rate ich, daß Eure Hoheit dieses einsiedlerische Volk Eures Zorns und Ärgers nicht für wert halte, damit sie nicht den Ruhm erwürben, daß sie einen solchen Monarchen hätten leicht in Zorn bringen können. Am meisten strafst Du sie mit Gelächter. Denn nichts bringt den löwen aus seinem Ruhelager, mag auch ein Hund vorbeilaufen, und wenn das törichte Vieh den schlafenden löwen an den Ohren zausen will, so streckt der löwe, darüber nicht aufgebracht, nur seine Pfote aus und straft gleichsam im Sohlaf den Hund und seine Dreistigkeit. So versuche, o mächtigster König, sie nur mit Gelächter zu bekriegen! Ob sie wohl Deine Krieger ebenso verachten können, wie sie Deine Boten geschmäht haben? Wahrlich, ich sage Dir, daß Du mehr ein amüsantes Spiel als einen blutigen Krieg mit zufriedenen Augen erblicken wirst. 45

Naeman; Großmächtigster Monarch! Wenn mir, Deinen untertänigsten Diener, auch ein Wort dazu zu sagen obliegt, so bitte ich zuvor demütig um Freiheit und gnädige Erlaubnis, damit ich ohne jede Gefahr und ohne Deine Hoheit zu verärgern und ohne den Argwohn einer Voreingenommenheit vor diesen weisen Räten sprechen kann. Nebukadnezar: Warum nicht, mein treuer Ratgeber Naeman? Sprich frei und ungefährdet, was Du willst. Denn ich kenne nicht nur Deine Klugheit, sondern auch Dein treues Herz, welches meinem Reich niemals etwas anderes als nur alle Güte gewünscht hat. Denn weshalb sitzt Du auf diesem Platz? Doch nur, damit Du mein Ratgeber bist und, was zur Sache gehört^, damit auoh Du darüber sprichst wie die anderen. Wenn Du mir nämlich nur mit Schweigen dienen wolltest, so brächte das auch der Stuhl, auf dem Du sitzt. Naeman: Gut, allergnädigster Herraeher und König, so spreohe ich denn. Ein zweischneidiges Schwert muß gut geschliffen sein, wenn jemand damit sicher schneiden will. Man muß folglich zum Kriege nicht nur den Anfang, sondern auch seine Beendigung gut bedenken, wenn es gelungen sein soll. Denn was ist leichter, als ein Feuer zu entfachen, aber was ist schwerer, als es wieder zu löschen? Deiner Machtvollkommenheit wird es leicht fallen, eine große Heeresmacht aus diesem ebenen lande herauszuführen, doch schwer, sie über die unzugänglichen idumäischen(= edomitischen]Berge zu führen, noch schwerer, das erschöpfte Heer wieder unversehrt an seinen früheren Platz zur Musterung antreten zu lassen und jeden Krieger wieder in seinem Standquartier unterzubringen. Was zwingt Dich, großer Weltbesieger, zu solchem Zorn gegen dieses ärmliche Volk? Es ist keine Ehre, immer mehr Völker zu besiegen, denn alle kleinen Könige sind Deines siegreichen freudigen Triumphes nicht würdig, noch besteht der Wunsch, Dein Reich zu erweitern, denn Du kannst ihrer leicht entraten, wie auch der Adler eines Schwalbennestes nicht bedarf. Geschieht es um der Beleidigung willen, daß sie Deine angestammte Herrschaft verschmäht haben,? Aber auch darin bleibt eine größere Sohande auf ihnen selbst [[zurück], als daß Dich dies im geringsten entehren könnte. Wenn die wilden Tiere lieber einen Hasen zum König haben wollen als den großmütigen löwen, dann werden sie sich damit selbst blamieren. Wollen nun die unvernünftigen wilden Ziegen oder Gemsen und Murmeltiere, die Ehre und Gnade nicht haben, daß ein so

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großer Herrscher dieser Welt, wie Du es bist, sie beherrschen und beschützen soll, so mögen sie dem größten Kopf, der sioh unter diesen Dummköpfen findet, die Krone aufsetzen und ihn ihren König nennen! Die Sohande wird auf ihnen selbst sein und bleiben, Du aber bleibst Nebukadnezar. flebukadnezar: So wahr wie ich NebukacLnezar bleibe. Doch weißt Du auch das gut, mein Ratgeber! Wie sehr Nebukadnezar mit seiner Größe zufrieden ist, um besagtes Volk für nichts zu achten, so ist er auch wieder allzu groß dazu, u m sich von solchen Hunden beschimpfen zu lassen. Kore: Das ist es, woran auch ich denke, König aller Könige! Wem ist es nicht bekannt, daß eine einzige fliege das teuerste und wohlriechendste Salböl stinkend machen kann? Wer wird wohl daran zweifeln, daß diese idumäischen Heuschrecken nicht auch Deine unvergleichliche Krone wenn nioht kahlfressen, so doch beschmutzen könnten. Deshalb muß man ihnen dies verwehren, bevor ihnen ein noch größerer Schwärm nachfolgt. Denn welcher Verräter oder Aufrührer würde, auf dieses Exempel blickend, nicht auch verstockt werden und sagen: "Was konnte Nebukadnezar den Bewohnern von Zilizien, Samarien und Galiläa schon tun, die seine Gebote verhöhnten?" 0 fürwahr, soll denn der König Uber so eine Beschimpfung nicht empört sein? Es sei dem so: Du magst zu Hause bleiben, essen und trinken, ruhen und Deiner königlichen Muße pflegen, wir aber, Deine Knechte, wollen nicht eher ruhen, bis wir ihnen für solchen Ungehorsam eine gerechte Vergeltung erteilt und diesen ^Ungehorsam) mit Blut getilgt haben. Jiapidoth: Ja, kühn, kühn greift sie an! Wer in der Sache der Ehre des Königs seine Waffe in Jerusalem nicht mit Blut zu färben gedenkt, der ist nicht wert, als ehrlicher Krieger sein leben durch des Feindes Schwert zu verlieren, sondern eher werden die Hunde seines Vaters in Ninive auf dem Marktplatz sein Blut lecken. Wer will wissen, weshalb die Götter, die unserem König sogar einen Platz in ihrem Rat einräumen müssen, es zugelassen haben, daß ein solches nichtsnutziges, armseliges Volk seinem Wort und Befehl zu trotzen wagt? Geschah es nioht aus dem Grunde, daß die Götter ihm damit den breitesten Weg zu größerer Ehre zu zeigen geruhen? Denn unseres Königs Schwert, vom Blute aller Völker der Erde reichlich 47

gerötet, ermangelt nur noch des jüdischen Blutes. Wie seine Krone nicht genügend gezieret wäre, wenn nur ein einziger Edelstein in ihr fehlte, ebenso ist auch sein siegreiches Schwert nicht genügend gefärbt, wenn ihm das jüdische Blut fehlt. Wage es, greif an, unbesiegbarer Nebukadnezar! laß keinen einzigen Ort der ganzen Welt übrig, der entweder Dein Zepter noch nicht geküßt oder Dein Schwert nicht gespürt hätte! Zwinge alle Völker^ zu bekennen, daß Du allein Gott auf Erden bist! Nebukadnezar; So geschehe es, und dies ist die Vollstreckung Eures weisen Rates. Entweder ich werde selbst dieses Zepter in tausend Stücke zerschmettern, oder ich werde mich an diesen Hunden rächen, lapidoth! Geh unverzüglich zu meinem Peldherrn, zu Holofernes, und verkünde ihm, daß all sein Sinnen auf Krieg und Blutvergießen £gerichtet3 sei. Er möge noch heute in mein Geheimgemach kommen, wo ich ihm selbst meinen Befehl verkünden werde. (Trompetenstöße). Man bläst schon zu Tische. Erhebt Euch, Räte, und folget mir! Bei Tisch wollen wir weiter darüber sprechen. 1. Akt. 2. Szene: Sisera, Mosollom, Somnas, Susakim, [später Selum]. Sisera: Wahrlich, Kamerad! Wie Wasser, das nicht fließen kann, sondern stillesteht, in kurzer Zeit Gestank ausströmt, so glaube ich auch schon zu stinken, weil ich so lange untätig herumliegen mußte. Nun aber, da der Kriegsdienst ins Judäisohe land gehen soll, wallt mein Blut, als [stünde ich] schon auf den Wällen Jerusalems. Mosollom; Mir, Bruder, will das Herz gleichsam vorausfliegen. Es ärgert mich, noch solange zu warten, bis sich das Heer endlich in Marsch setzt. Ich wünschte mir, daß schon morgen alle Kriegsleute gemustert würden. Sisera; Es wird, glaube ich, nicht mehr lange dauern. Inh kenne unseren iteldherrn Holofernes zu gut(und weiß], daß er hier in Ninive keine zehn Näohte inehr verweilen wird. So tatend urstig ist dieser großherzige Krieger, daß ich nicht weiß, ob sein Kriegerherz mehr in seiner Tapferkeit' als in seiner Schnelligkeit Glück hat.

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Mosollom: Fürwahr, tapfer ist er in der Schnelligkeit und schnell in der Tapferkeit, zudem ist er wohltätig und freigiebig zu seinen untergebenen Kriegern. Ich glaube schon im Traum sehen zu können, wie er die gekrönten Häupter zu seinen Füßen niederstreckt und uns ihre Kleinodien zuwirft. Sisera: Was, Kleinodien? Ich hoffe zuversichtlich, zwei reiche Kaufmannshöfe in Damaskus zu eigen zu bekommen. Somnas: Was wird uns Armen [zuteilQ

werden?

Sisera: Ihr aber, Krieger, eifert Eurem Anführer nach! Ich versichere Euch: Wie Ihr jetzt aus Assyrien zieht mit nichts als Salz und Hirse, so werdet Ihr mit Gold und Silber beladen wieder zurückkehren. Susakim: Aber, edler Herr Kapitän, darf ich etwas fragen? Sisera: Sag, was ist's? Susakim: Man sagt, daß die Juden kein Schweinefleisch essen? Sieera: Was geht Dich das an? Susakim: Dann werden wir keinen Schweinebraten und keine schweinernen Würste bekommen? Sisera: 0 Du großes Schwein! Du möchtest wohl lieber Schweinebraten als einen Ballen Samt und lieber eine Wurst als eine goldene Kette zur Beute Dir holen? Geh, schäme Dioh.! Somnas: 0 nein! Ich würde Schweine nicht anfassen, doch ein hübsches Mädchen in feschen Kleidern würde ich schon nehmen. Mosollom: Was würdest Du mit ihr machen? Somnas: Die Kleider würde ich ihr wegnehmen und behalten, aber das Mädchen würde ich meinem gnädigen Herrn Kapitän schenken.

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Mosollom: Das wäre schon eine gerechte Teilung! Selum (tritt auf): Kapitäne und Oberste, Soldaten und alle Kriegsleute! Hört die Befehle unseres allmächtigsten Feldherrn Holofernes. (Schlägt die Trommel und ruft aus): Morgen früh in der ersten Stunde des Tages tretet alle an auf dem Marsfeld, das vor den königliohen Toren liegt. Jeder stelle sich mit Beiner Waffe bei seiner Fahne auf. Der Feldherr will selbst den Generalappell vornehmen. Frisch auf, frisch auf, zum angekündigten Krieg! Es lebe Nebukadnezar! Mosollom: Hörst Du, Kamerad! Dort hören wir unseren Wunsch. Trommler! Sieh, da hast Du einen Taler für diese freudige Nachrioht. Sieerai 0 heller Säbel! Freue Dich über diese Nachrichten, denn es gereicht Dir zu größerer Ehre, im Blut stumpf zu werden als im Rost. Komm, Bruder, laß uns heute fröhlioh sein und von unseren Weibern Abschied nehmen. Morgen werden wir weit, weit wegreiten. Wer weiß, ob von uns Ubers Jahr noch die Haut oder gar ein Haar übrig sein wird. 1. Akt. 3. Szene: Nebukadnezar, Moab, lapidoth, Holofernes, Achior (sprechen); Memuchan, Ammon, Naeman, Kore (schweigen). Nebukadnezar; Zieh hin, mein getreuer Krieger! Zieh hin, Holofernes! Sei ein Rächer meiner Ehre! Kehre nicht wieder, bevor Du nicht die gekrönten Häupter dieser Aufrührer mir zuführen kannst. Geh! Nebukadnezars Glück wird Dioh begleiten! Holofernes: Großmächtigster Monaroh, von dessen Gnade ich lebe, ohne dessen Gebot loh tot bin! Dein gewaltigstes Wort, welches Du mir jetzt auferlegt hast, erweckt mioh wahrlioh wieder von den Toten. Solange Holofernes' Sohwert an der Wand hängt, solange bleibt auch sein leben an der Wand hängen. Wenn er aber sein Schwert in warmes Blut tauchen kann, dann erwärmt sich auch sein totenkaltes Blut wieder. Wahrlioh bis zum heutigen Tag war Holofernes unter den Juden tot. Wer kannte ihn dort? Oder wer wußte ihn-zu nennen? Oder wer hat über ihn etwas gewußt? Jetzt aber, so wahr Götter leben, werde ich dort wieder auferstehen. Großer

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Herrsoher! Wenn es mich auch schmerzt, daß Deine Ehre von diesen unwürdigen Hunden befleckt worden ist, so werde ich dadurch befähigt, das große Glück zu gewinnen, Dir meine Treue inmitten einer blutigen Welt zu zeigen und Deine Ehre, welche sich auch vorher nicht anders mehren konnte, durch diese neue Eroberung und durch dieses Mittel zu vergrößern. Ich werde beweisen, wie kostbar des großen Nebukadnezars Ehre ist: Keine noch so mächtigen Festungen, unbesiegbaren Städte, dicken Mauern, hohen Türme, noch fürwahr tausende goldene, mit Edelsteinen aus aller Welt besetzten Königskronen können diese Ehre aufwiegen oder Genugtuung für sie leisten, es seien denn der Jordan, der Amana und Pharphar^ und alle Flüsse und Gräben, die in diesem lande vorkommen, mit menschlichem Blut gefüllt. Nebukadnezar: Ja, Holofernes! Fürwahr, Dir kann es lieb sein, daß ich Dir mein teuerstes Gut, das ich mehr als mein leben schätze und das keine Welt mir aufwiegen kann, nämlich meine Ehre, anvertraue. Deshalb sei darauf bedacht, daß Du den Dienst an diesem Schatz würdig erfüllst. Aber damit Du es aller Welt deutlich zeigen kannst, daß Du nicht nur auf meinen Befehl, sondern vielmehr in meiner Person ausziehst, so beschenke ich Dich mit meinem Schwert, welches mein starker Arm damals trug, als ich den Mederkönig Arphaxad schlug auf dem Felde, Hagau genannt, welches vor-

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1,6

zelten gehört hat Arioch, dem König zu Ellasar . Dieses Schwert trage m a n auf allen Deinen Kriegszügen vor Dir her, auf daß Deine Augen sich an meiner Kraft entflammen und Dein Herz zur Tapferkeit angespornt werde. Deshalb obliegt Dir, in allen Kämpfen dieses Schwert und kein anderes zu gebrauchen. Dann wird mein Glück auch auf Dich übergehen und Dich zum Sieger machen. Holofernes: Wen, o unbesiegbarer König, würde eine so hohe Gunst nicht zur Tapferkeit führen? Mein Arm wird sich der früheren Tapferkeit schämen, wenn er Jetzt das Sohwert Nebukadnezars selbst tragen darf. Wiederum wird der ganze Ruhm Hebukadnezar gebühren, so wahr wie sein eigenes Schwert in meiner Hand die Völker niederbeugt. Nur fürchte ich, daß meine Hand allzu verwegen sein könnte, weshalb ich Dich bitte, daß Du, mächtigster Gebieter, mir das Vorhaben festlegen mögest, wie weit ich niederhauen, töten und verwüsten darf.

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Nebukadnezar: Dieses Schwert, welches noch vom Mederblut feucht ist, wird dir das Maß zeigen. Wie es einst in das Blut des Arphaxad und all seiner Völker ohne Erbarmen getaucht wurde, so möge es auch jetzt in das Blut meiner Verächter getaucht werden. Achior: Allmächtigster König aller Könige! Darf Dein untertänigster Diener nur ein einziges Wörtchen mit allem Vorbehalt sagen? Hebukadnezar: Ich höre, Achior, mein treuer Hauptmann, der Du über der Ammoniter Heer befiehlst. Achior: Allergnädigster König und Herr! Es gibt zwei Säulen, auf welchen nicht nur jedes Reich, sondern auch die ganze Welt gegründet ist und gehalten wird; sie heißen Gerechtigkeit und Milde. Die eine soll der anderen Hilfe leisten, nicht aber sie zu Fall bringen. Wenn man immer nur gerecht sein will, so wird das Reich bald veröden und seine Untertanen verlieren. Will man andererseits immer nur milde sein, so wird der Pöbel ^ herrschen, der König aber muß sich fürchten. Denn die Milde hält die ganze Welt im Übermaß, die Gerechtigkeit dagegen im Zwang. Deshalb meine ich, großer Monarch, und halte es fürs 'beste, daß Gerechtigkeit und Milde Gefährten des Holofernes sein mögen und daß sie uns gemeinsam mit ihm regieren mögen. Wenn wir alle niederhauen, töten und im Blut ertränken, dann wirst Du, großer Nebukadnezar, wohl König über zahlreiche Länder, nicht aber über viele Menschen sein. Du wirst große Wüsteneien ohne Untertanen erhalten. Wenn wir aber den Bittenden Milde gewähren, so werden Dir die, so Dioh heute verachten, mit noch größerem Schrecken und mit Demut die schuldige Ehre erweisen. Das Recht kann wohl töten, nicht aber einen Toten zu Deinem Dienst wieder erwecken, lassen wir sie aber am leben, so können wir sie mit Deinem Rechte zum Staatsdienst zwingen und sie dann leioht durch Milde dazu erziehen. Hebukadnezar; Wahrlich, Achior, Du hast wohl gesprochen. Ihr, meine Räte, was haltet Ihr davon, was sagt Ihr? Moab: Ja, wahrlich, allergnädigster König und Herr! Wahr hat Achior gesprochen. Denn im Grunde wäre es bedauerlich und unwürdig, wenn die armen unschuldigen Untertanen dafür büßen sollten, was ihre halsstarrigen Führer verschuldet haben. Außerdem können die am

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leben gebliebenen leute Deine herrlichen Taten ihren Nachkommen besser vermelden, als wüste Städte und Mauern, Asche und Steine es vermöchten. lapidoth: Und Seine Siege, o großer Nebukadnezar, werden viel herrlicher sein in Deinen landen, wenn Holofernes die gekrönten Häupter mit so vielen tausenden ruhmreichen Kriegern, die er lebend gefangen genommen hat, überallhin mit sioh führt und schließlich im Triumph hierher nach Ninive bringt. Ein großer und prächtiger, des Sieges einer solchen königlichen Majestät würdiger Empfang und Einzug wird um vieles besser Bein, als wenn tote Feinde in ihrem eigenen Blut auf den idumäischen Feldern lägen und unsere Kühnheit mit ihnen zusammen zugrunde ginge. Nebukadnezar: Ja, das ist wahr. Vor allem aber meine ich, daß die Strafe an diesen Aufrührern sehr viel schwerer sein wird, wenn sie in Gefangenschaft und in Schmach ihr leben fristen als wenn sie ehrenvoll ihr leben verlieren. Zieh denn aus, Holofernes! Geh und suche alle diese törichten Völker heim, welche gen Westen wohnen und meine Gebote verachten. Suohe sie heim, nioht wie ein freundschaftlicher Gesandter, sondern wie ein Richter und Rächer ihres Eigensinns. Dasjenige Volk aber, welches sich nur im geringsten dem Wink Deiner Hand widersetzt, das sollst Du ausrotten und nicht Q

einen im lande übriglassen, und wenn er an die Wand pißt . Aber den Königen, die mein Schwert küssen und um Gnade bitten, sollst Du das Leben schenken, aber so, daß sie bei Deiner Rückkehr als freiwillige Gefangene Dir folgen und mein Siegesfreudenfest nicht nur zieren, sondern auch hier zu meinen Füßen niederfallen und sich meine Sklaven nennen. Zieh denn hin, Nebukadnezars Segen und sein Glück werden Dich begleiten! (Hier legt der König das Zepter auf das Haupt des Holofernes) Holofernes: (fällt auf die Knie und spricht): lebe, König aller Könige! Lebe Nebukadnezar! Alle Deine Feinde werden den Staub von Deinen Füßen lecken. Alle; Der König lebe hoch! Der König lebe hoch! Hoch lebe der große Nebukadnezar!

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1. Akt. 4. Szene Holofernes, Achior, Sisera, Melech, Messula, Oded. (letzterer trägt das Schwert vor Holofernes her). Holofernes: Ihr wackeren Krieger, Ihr meine treuen Hauptleute, denen ich jetzt mein leben und die Ihr mir Euer Glück anvertraut habt. Zieht mit diesem starken Heer, dem vortrefflichen Werk des großen Nebukadnezars, die vorgezeichnete Bahn. Sobald ich aus des Herrschers Schatz genug Gold und Geld für Euch und für mein ganzes Heer in Empfang genommen habe, komme ich Euch sofort nach. Gebt mir jetzt das Verzeichnis des ganzen Heeres, welches mir zu führen aufgetragen. Wieviel Fußvolk, Reiter, Schützen sind es? Sisera: Großer Feldherr! Sieh, hier habe ich das Verzeichnis des ganzen Heeres, so, wie es gestern gemustert wurde. Holofernes: lies es mir vor, Sisera! Sisera: Assyrisches Fußvolk 50 000 Mann, der Meder waokeres Fußvolk 34 500 Mann, Ammoniter, welche Achior führt, 13 500 Mann. Ich führe die 22 000 Mann angeworbenen Fußvolkes. Holofernes: Wie groß wird also das ganze Fußvolk an Zahl sein? 2,7 Sisera: Insgesamt werden es 120 000 Mann an Zahl sein, unter ihnen findet sich keiner, der nicht geschickt und stark genug wäre, es mit drei Männern aufzunehmen. Holofernes: Fürwahr, das ist ein vortreffliches Heer, damit könnte m a n auch eine neue Welt erobern. Achior: Ja, ein solches Heer verleiht dem guten Krieger hohen Mut, jetzt werden wir unseren endgültigen Erfolg erlangen. Entweder wird diese große Macht alle in Angst und Schrecken versetzen und wir werden Herren und Gebieter sein können, oder dieses schreckliche Heer wird alles im Blut ertränken, dann werden wir eben Sieger sein, da wir alles überwunden haben. Aber dies wiederum liegt in der Götter Händen, wie sie es zu tun belieben.

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Holofernes: Die Götter aber können Nebukadnezar nicht verwerfen. Wieviele Reiter und Bogenschützen sind aufgeboten? Melech: Großer Feldherr! Ich habe unter meinem Befehl an die 7600 tapfere parthisehe Heiter und 4400 erlesene medisohe Kriegsleute, fürwahr, von solcher Art, daß jeder von ihnen gut geeignet wäre, selbst so ein Heer zu befehligen. Zudem eifert Jeder, einem solchen Hetman, wie Du einer bist, o tapferster Holofernes, Gefolgschaft zu leisten. Holofernes: So befinden sich an Heitern 12 000 Mann im Aufgebot?

2,7

Melech: Es sind ihrer 12 000 an Zahl, gnädiger Feldherr! Holofernes; Ha, ich ersohrecke, ein solches Heer im Felde zu sehen. Die Erde, auf der ich stehe, entzündet sioh unter mir. Ich muß jetzt gehen und alle besten und dringendsten Kriegsvorräte, das bedeutet 2f eine Menge Goldes und Silbers, aus der königlichen Schatzkammer 10 zu entnehmen. Denn ohne Geld findet sioh bei keinem große Lust. Geht Ihr denn, meine treuen Obersten, mir voran und führt das 2,8 Heer gut! Nehmt Hinder, Oohsen, Schafherden und Kamele nach des Königs verbrieften Befehl, soviel ihr braucht. Getreide aber und 2,9 jegliche [andere] Wahrung, wie ich schon mit meinem Befehl verfügt habe, soll euch reichlich aus Syrien zukommen. Seid großzügig und stimmt das Heer froh, bis ich sie selbst durch meine Ankunft um so mehr erfreuen werde. Mosollom: Heil! Gesegnet sei der Anfang Deiner Xeitung. •Melech: 0h, Holofernes! Mit Deinem Glück brechen wir heute noch auf. Sisera: Geh denn mit Glück, Holofernes! Jedooh nicht ohne uns. Achior: Das Heer mag mit Glüok ziehen, jedoch nicht ohne dich! Holofernes: Zieht mit Glü.ck hin, ihr tapfren Krieger, die ich in drei Tagen wieder zu begrüßen wünsche, oder ich möchte auf Erden nicht länger leben.

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2. Akt. 1. Szene: Jojakim, Sadok, Melchia. Jo.lakim: 0 Gott, welch traurige Zeiten haben wir vor uns, wir armen Leute! Welch schlimme Nachrichten dringen Jetzt über unsere Grenzen. Alle Briefe, alle Boten, alle Reisenden und Wanderer, die in den letzten vier Monaten aus Judäa angekommen sind, berichten uns von nichts anderem als von Gefangennahme, Brandschatzung, Totschlag und Blutvergießen, welches dieser grausame Peiniger Holofernes, der Feldherr des Königs Nebukadnezar, mit seinem starken Heer anrichtet.

2,

Sadoks Ja, es ist furchtbar und schrecklich, was von ihm erzählt wird. Man hört, er soll alle lande der Zilizier durchzogen und

12 2,

nicht nur alle festen Städte, sondern auch die Dörfer eingenommen haben. Die berühmte Stadt Melothi^ konnte ihm nicht widerstehen,

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er zerstörte auch Thaxsis, die sehr reiche Stadt, und schlug alle Söhne Ismaels, die da wohnten gegen die Wüste und gegen Mittag des Landes Chellon, mit der Schärfe seines Schwertes, Und wen er nicht sofort tötete, den ließ er in schwerer Knechtschaft am Leben. 0 Gott! Wie weit soll dieses wütende Schwert nooh fressen?

2,

Melchia: Ja, gib des weiteren davon Kunde, wie er schon nahe an unseren Grenzen[alles] grausam zerstört. Der Zilizier Gebiete sind zum Teil noch weit von uns entfernt, aber der Midianiter Land liegt näher bei uns, wo er alles gefangen genommen und er-

16 2,

schlagen hat, was er finden konnte. Damaskus ist uns noch näher, wo er nicht nur im Menschenblut gewütet hat, sondern auch alle

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Früchte der Erde, nämlich das Getreide dem Feuer, die Obstbäume den Äxten, die Weinreben den Sensen überantwortet hat. So hat er in allen uns benachbarten Ländern grausam gehaust, so daß wir schon vermeinen, daß wir hier in Judäa den Brand riechen und das Wehklagen der Gefangenen hören können. Das Blut der Toten, so scheint's, schwimmt schon in unseren ELüssen. Jo.lakim: Was sollen wir noch länger warten, daß er nur über unsere Grenzen springt und uns im Schlaf, ohne daß wir es befürchten, umbringt und uns schlimmer traktiert als alle anderen Völker?

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Melohia: Er selbst ist heidnischer Abstammung und trotzdem ehrt er nicht die heidnischen Götter. 0 Gott, um wieviel weniger wird er unser Heiligtum und unseren Tempel schonen!

4,2

Jo.lakim: Was? Schonen! Unser Tempel zu Jerusalem ist wegen seines Schmucks und Reichtums an Gold und Silber in der ganzen Welt so berühmt, daß alle Moscheen sich gegen ihn wie elende Häuser ausnehmen, Versteht ihr nicht, daß er darüber sogar im Schlafe nachdenkt, wie er diese Kirche ausrauben und den Reichtum aus ihr kriegen könnte? Sadok: 0 Gott unserer Väter! Lasse Dein Heiligtum nicht von unbeschnittenen Heiden besudeln, noch daß Deine Leute ihnen zu Schimpf 4, und Schande ausgeliefert werden. 9 Jo.lakim: So laßt uns, meine geliebten Kinder, zu Gott mit demütigem Herzen und mit Buße beten, auf daß wir Gnade erhalten. Währenddessen dürfen wir nicht in Erstarrung verfallen oder schlafen, sondern dem Feinde zuvorkommen und alle nötigen Maßnahmen 10 treffen . Denn Gott tut kein Wunder, es sei denn, daß alle menschlichen Vorkehrungen nicht mehr ausreichen. Sadok: Was aber rätst Du uns, heiliger Vater, was sollen wir tun? Jo.lakim: Ihr seid die Ältesten der Gemeinde, geht also und eröffnet meinen Hat Eurem Richter, den Vorstehern und allen anderen Altesten, auf daß sie ins ganze Land Samaria bis nach Jericho senden und die Gipfel der Berge besetzen und mit Mauern ihre offenen Dörfer umgeben und alle Vorräte, die zum Kriege nötig sind, herbeischaffen.

4, 3-4

Melchia: liirwahr, es ist höchste Hot, dies auszuführen. Die Natur selbst lehrt auch dem kleinsten Wurm, daß er sich, wenn er auch keinen Widerstand leisten kann, vor seinem Bedrücker wenigstens zusammenkrümmt. Jo.lakim: Außerdem schreiben wir an alle, so gegen Esdrelom wohnen, welches gegen das große Feld bei Dothaim liegt, und an alle, wo der Jeind durohkommen mag, daß sie alle felsigen

4,5

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Berge und Wege im Gebirge gegen Jerusalem gut mit Wachen besetzen sollen. Wenn der ifelke keinen Zugang findet, sitzt die Taube in ihrer Höhle sicher. Sadok: Aoh, wenn die Nachbarn an unseren Grenzen uns beistehen wollten, dann würde uns große Hilfe und Schutz geleistet werden.

4, 78, 11

11 Jo.lakim: Sie haben keine Zeit, dies zu tun, denn ihnen reicht das Wasser noch mehr bis zum Mund als uns. Aber Gott der Herr wird unser bester Verteidiger und Hetter sein, zu ihm laßt uns mit Eifer rufen, und unsere Brauen und Töchter mögen sich mit Pasten und Beten vor ihm demütigen, die Priester und Leviten mögen sich Säcke anziehen, und die Kinder mögen im Staub auf der Erde vor dem Tempel des Herrn liegen. Ja, auch der Tempel selbst soll trauern, und den Altar des Herrn werde ich mit einem Sack bedecken, hoffend, daß Gott auf unsere Demut blicke und sich unserer erbarme. Melohia: Ja, fürwahr, laßt uns beten, schluchzen, weinen, äohzen, stöhnen und klagen ohne Unterlaß, bis der Herr uns erhöre. Sadok; Er wird zeigen, daß er stärker ist als alle heidnischen Götter. Jo.lakim: Geht nun und tut deshalb, was ich Euch geraten habe. Grüßt von mir die Ältesten und Torsteher der Gemeinde. Ich werde gehen, das ganze Volk-' zur Buße zu ermahnen, lebt wohl, geliebte Jireunde! Gott soll Euch segnen! Melchia: Gott stärke Bich zu allfriedliohem Trost! 2. Akt. 2. Szene: Holofernes, Sisera, Melech, Oded, zwei Hellebardenträger, Saval, Thathnai, Phul, Hhagma - vier Boten aus Syrien, Mesopotamien, Libyen, Apamäa. Holofernes: Dies ist der wahre Weg, der uns zur Tugend führt und unseren Namen unsterblich machen kann. Wahr ist, daß die ihrer Kronen beraubten Könige und gefesselten Herrscher und Edlen Jetzt bekennen, daß Nebukadnezar der König aller Könige und Herrscher

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aller Herrscher ist. Alle verwüsteten Moscheen und gestürzten Götzen bezeugen, daß er der alleinige Gott ist, vor dem alle anderen Götter niederfallen müssen. Doch die zerborstenen Wände, die zerstörten Säulen, ja soviele unzählige tausend Grabhügel werden noch nach vielen Jahren davon künden, was für ein Krieger Holofernes einst war. Sisera: Fürwahr, der Barne Nebukadnezars ist erfüllt mit Macht, der des Holofernes mit Glück. Deshalb kommt alles zu einem guten Abschluß. Alle noch so festen Städte öffnen uns die Tore, und andere Orte überreichen uns ihre Schlüssel. Zudem kommen Tins alle 3,8 Herrscher und Pürsten entgegen und empfangen uns mit Weiden, Kränzen und Kerzen, singend und jauchzend, mit Pauken und Pfeifen. Andere Völker, an die wir noch gar nicht gedacht haben, schicken zu uns ihre Boten und bitten um Erbarmen und frieden. Meieoh: Auch jetzt, großer Feldherr, bitten vier Boten, der syrische, mesopo-tamische, libysche und apamäische, um gnädiges Gehör. Holofernes: Führe sie hier herein und bringe ihnen bei, daß sie sogleich beim ersten Eintreten zum Zeichen ihrer Unterwerfung das Schwert Nebukadnezars küssen sollen. Melech: Gut, gnädiger Herr! Holofernes; Ich glaube, daß die Götter ihren Donner in das Schwert Nebukadnezars und den Blitz in meine Augen gelegt haben, weil sich alle vor mir so fürchten. Oded, tritt hierher! Wenn sie hereinkommen, dann hebe ihnen das Schwert an den Mund und gib acht, daß sie es mit aller Demut und mit Ehrerbietung küssen zum Zeichen ihrer Unterwerfung. Danach befiehl ihnen, die Kronen, die sie gewöhnlich mit sich bringen, auf das Schwert zu legen zum Zeio&en meines Sieges. Oded: Gnädiger Feldherr! Da kommen sie schon. Küßt das unüberwindliche Schwert des großen Nebukadnezars! legt auf dieses Schwert die Kronen und bekennt, daß er Euer Besitzer, Herrscher und Gebieter ist!

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Holofernes: 0 barbarische Brut von törichten Menschen! Woher kommst Du hierher? Worum geht Dein Antrag? Seid Ihr nicht von Jenen Spitzbuben, die das göttliche Gebot meines Königs verachteten? Was sagt Ihr? Was steht Ihr so, als wolltet Ihr in Staub zerfallen. Saval: (spricht zitternd wie vor großem Schrecken): Allergnädigster Herr! Du stärkster Besieger einst unüberwindlicher Völker! Du fiuhm Nebukadnezars, Schrecken der ganzen Welt! Schrecke nicht mehr die ohnehin kleinmütigen Könige und Pürsten, die sich auch so schon ihrer Nennung schämen und freiwillig ihre Kronen und Zepter Dir zu Füßen legen. Ich bin der Gesandte des syrischen Königs, dieser ist gesandt aus Mesopotamien, der dritte ist gesandt aus Libyen, der letzte aus Apamäa. Wir bitten Dich bei Deiner Ehre, daß es geschehen möge, daß diese Königreiche und Länder, noch ehe Du es ihnen befohlen hast, sich Dir unterwerfen. Weshalb trägst Du dann bei dir das Schwert des stärksten Königs der Welt? Willst du damit alle Völker zum Gehorsam bringen? Wir aber haben uns Dir gebeugt, noch bevor, wir dieses Schwert geküßt oder noch bevor es das Volk zu Gesicht bekommen hat. Wisse also, daß wir nicht so töricht sind, wie Du vielleicht von uns denkst, denn wir, als vernünftige und kluge Männer, halten es für besser und rechnen es uns als ruhmvolles Glück an, dem großen Nebukadnezar zu dienen und in seiner Gnade zu leben als in seinem Zorn zu sterben und dafür nichts zu erhalten, als unseren Besitz, alle Leute, Güter, Frauen und Kinder, Ja, was noch mehr ist, auch das Leben mit allen unseren Freiheiten zugrundezurichten. Siehe also, hier liegt alles, was ich nannte, Dir zu Füßen mit der Krone, die der syrische König bis jetzt mit solchem Weltenruhm getragen hat, daß diese Krone noch kein Monarch auch nur mit einem Finger berühren konnte. Selbst magst Du jetzt erwägen, o weisester Fürst, welcher Ruhm Dir ("zuteil] wird, daß Du sie mit den Füßen zertreten kannst! Thathnai: Mächtigster Krieger! Die Achse, um die sich Jetzt die ganze Welt drehen muß, liegt hier, und das Zepter des mesopotamischen Reiches und mit ihm zusammen all seiner Länder Städte, Besitztümer, Berge, Hügel, Felder, Ochsen, Schafherden, Ziegen, Pferde und Kamele und alles, was wir haben oder vielmehr gehabt haben, ist jetzt Dein. Willst Du noch Tiere fangen, die von selbst Dir in die Uetze gehen? Oder möchtest Du die kostbare Perle lieber aus dem Meer fischen, die Dir von selbst ohne die geringste Mühe 60

in den Schoß fällt? Was begehrst Du mehr, wenn alles schon Dein ist? Es mag Dir genug sein, daß wir freiwillig Deine Sklaven und Sklavinnen sind, denn auch Deine Macht kann nicht mehr erreichen, Phul: Ebenso, glücklichster Fürst und Sieger, eilt in Gehorsam zu Dir das noch unüberwundene libysche Reich, welches dunkle und wilde Wüsten anstelle von Befestigungsmauern und wilde Tiere, Löwen, luchse und Leoparden zum kriegerischen Schutz hat, weshalb es schier unmöglich ist, uns ohne unsägliche Mühen und große Vorsicht zu überwältigen. Indessen, um uns zur Unterwerfung und Hörigkeit zu bewegen, hast Du nichts anderes nötig, als daß Du uns ge12

bietest. Wenn Du aber das Dritte von uns zu erhalten begehrst, so werden wir vor Deiner Macht, welche bei weitem glücklicher als wir sein wird, fliehen oder uns in die unwegsamen Wüsten verkriechen. Dann wirst Du nicht mit Menschen, sondern mit unseren wilden Tieren Krieg führen müssen. Deshalb, gnädiger Herr, magst Du weislich erwägen, was besser ist, freiwillig gehorchenden Menschen zu gebieten oder mit Löwen und anderen wilden Tieren einen zwecklosen und unwürdigen Kampf zu führen. Hier liegt zu Deinen Füßen das Diadem unserer einstigen Freiheit. Denn wenn es auch bislang dem Nebukadnezar allenthalben zum Lobe gereichte, daß er aus seinen Hörigen Edle machen konnte, so bedenke doch, ob es nicht ein noch größerer Euhm wäre, daß er freie, ehrenwerte und edle libysche Bürger zu seinen Hörigen machen kann, Baghma: Was denn, unvergleichlicher und tapferer Krieger! Welche großen Worte verlangst Du hier, da doch des einen Wort unser aller Wort ist und unser aller Mund des einen Mund ist? Obendrein ziehen umständliche Heden gewöhnlich den Verdacht böser List nach sich. Es ist besser, wenn Du Dich selbst davon zu überzeugen geruhst. So beliebe denn nur kundzutun, daß Du zu uns ins Beich Apamäa entweder ohne Schwert und Menschen kommst, wenn Du uns glaubst, oder mit Deiner ganzen Kriegsmacht, wenn Du unsere Fürsorge und Speisung, welche wir Deinen Kriegern geben wollen, nicht verachtest. So komme also und sei unser gnädiger Herr! Wir werden Dir so dienen, daß wir Dich durch unsere Treue dazu bringen werden, zu bedauern, daß Du einmal Haß auf uns gehabt hast. Hier sind die Schlüsse] zu allen Toren unserer Städte, die ich auf Befehl aller unserer Fürsten mit mir nahm, teils deshalb, damit ich Dich umso besser unserer freiwilligen Unterwerfung versichern kann, teils auch deshalb, 61

daß Du, wenn ich, dieses Glückes so große Ehre empfangend, alle unsere Tore vor Deinen Augen zu öffnen würdig bin, dann am großen Beispiel meines Dienstes, wenn ich Dir alle unsere Städte aushändige, erwägen kannst, um wieviel mehr als alle anderen Völker die Unsrigen bereit sind, sich Dir zu unterwerfen. Komm nur, wir erwarten sehnsüchtig Deine Ankunft. Holofernes: Fürwahr, Bure Feigen sind sehr schmackhaft, doch will ich sie, bevor sie nicht gereift sind, nicht kosten, denn sie sind noch bitter> nooh begehre ioh sie, wenn sie alt und faul geworden sind. Dooh bringt mir eine volle Schüssel von Suren feigen, die 13 ausgereift sind und frisch von den Bäumen gepflückt sind . Dann wird sie mein Gaumen begierig aufnehmen. Hättet Ihr folglich diese Worte, die loh jetzt zu spät höre, unserem großen Nebukadnezar zur rechten Zeit vorgetragen, so hätte er sie gnädigst und wohlwollend vernommen. Jetzt weiß ich nicht, ob Ihr nioht zu lange gezögert habt. Meleoht Großer Siegerringer! Überwinde Deine Bedenken daran und besiege die einstige Torheit und Unwissenheit dieser unbelehrten Völker. Denn diese Toren haben begriffen, wie weit sie vom Dios entfernt sind, dessen Donner ihnen [noch] nioht schaden konnte. Hun aber, da sioh der Blitz nur anzukündigen beginnt, so handeln sie noch weise und kommen ihm mit ihrer Demütigung zuvor, damit er nicht mit Donner selbst mitten unter sie fährt. Holofernes: Ja, fürwahr, so ist es. Auch das Tier, das man mit den Händen lebend fängt, ist um vieles süJ3er als jenes, welches man mit dem Jagdspeer tötet. Deshalb sei es so: Eure Länder und Menschen, Städte und Dörfer, Felder und Wiesen, Wälder und Äcker, Ja Frauen und Söhne mit Euren Töchtern und all Euer Hab und Gut sei mein. Ich werde dann zu Euch kommen, damit ioh mir das Meine nehme. Und wenn sich Eure Befehlshaber, Regenten, Ältesten und Untertanen, überhaupt alle, dem Geheiß des großen Nebukadnezars, wie hörige Knechte, gehorsamst beugen, so werden sie sehen, daß Kebukadnezar ein solcher Gott ist, der ebenso barmherzig sein kann, wie er stark ist. So geht denn und bereitet Euoh vor, mich überall mit Ehre und Begrüßung zu emvfangen. Ich aber werde Euch in Bälde folgen.

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2. Akt. 3. Szene: Solanasf Sueakom, Salman (am Pranger angebunden), Selum, [später Oded). Somnas: Wer möchte jetzt noch einem Bauern dienen für solch ein lieben, wie wir es haben, Bruder? Susakim: Ja, Bruderherz, ich glaube, daß Zeus, Ares, Aphrodite und all die Götter im Himmel kein besseres Leben haben können als wir hier unten auf der Erde. Somnas: loh wünschte, daß ein solches Leben ewig währte, dann würde Ich gern den Göttern den Himmel abtreten. Aber loh fürchte, daß dieses Leben bald ein Ende nimmt. Denn wenn man uns nur einmal an den Ohren nimmt, daß [einem] Hören und Sehen vergeht, so schwindet im Nu auch alle Ereude, oder wenn, wie es zudem beabsichtigt ist, mit allen Völkern Frieden geschlossen wird, dann werden wir nach Hause zurückkehren und wieder tüohtig Getreide dreschen müssen, und niemand mehr wird uns "gnädiger Herr" nennen. Suaakim: Fürchte Dioh nicht, Bruster! Wir werden soviel durch Diebstahl, Raub und Plünderung erbeuten, daß wir in unseren Ländern die großen Herren sein werden. Wenn wir aber sterben, so werden sioh Hunde und Krähen aus uns ein Mahl bereiten. Somnas: Was aber sollen unsere armen Krauen und Kinder machen? Suaakimi Ach, ein anderer wird sie schon durchfüttern. Geh, Bruder, laß uns unsere traurigen Gedanken in einem Weinfaß begraben. Geh mit mir zum Erühatüok, ich lasse Dir ein Paar Würste braten. Somnas (laoht): Hahaha! Ich lache daß Du Dich an Sohweinebraten und Du noch ein Jahr hier bleibst, so zu Wllrsten werden und daß Du Dioh delst.

darüber. Immer hast Du gefürchtet, Würsten nicht genugtun kannst. Wenn will ich meinen, daß Deine Gedärme selbst in Schweinefleisch verwan-

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Susakim: Nein, Bruder! Ich will kein Schwein sein, sonst könnte womöglich ein Schinken von mir unserem Feldherrn auf den Tisch gelangen. Komm, Bruder, laß uns heute lustig sein! Gott weiß, wielange wir noch leben! Wenn wir auch nicht in den Himmel kommen, so wenigstens daneben. Salman: Kameraden, Kameraden, nehmt mich mit! Ich möchte lieber mit Euch essen und trinken als hungrig am Pranger stehen. Susakim: Welcher Teufel hat Dich an den Pranger gebracht? Salman: Meine Herrin, dieses Luder, hat mich gestrigen Tages ange«4 i

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klagt, deshalb hat mich der Kriegsmarschall binden lassen,

an diesen Pranger

Somnas: Was hast Du denn der Herrin Böses getan? Salman: Sie wollte mir und meinen Gästen geben, und ioh habe ihr dafür ein ganzes auslaufen lassen. Sie brachte sofort die stehe ich schon ganze 24 Stunden hier am

nichts mehr zu trinken Paß Wein in den Dreck Klage vor, und dafür Pranger und leide Durst.

Susakim: Dummkopf! Hättest Du den Wein in Deine Kehle gegossen, dann hättest Du nicht solche Not zu leiden brauchen! Salman: Still, still! Dort kommt der Kriegsmarschall Oded. Ich bitte Euoh, Kameraden, legt ein gutes Wort für mich ein und bittet fiir mioh! loh will Euch heute noch gehörig mit Wein tränken. Odedi Biohte alles ordentlich dem Melech aus, hörst Du, Selum? Selumi Sehr wohl, gnädiger Herr! Oded: Sage ihm, daß Holofernes befohlen hat, sofort 150 Mann berittene Kundschafter an die judäische Grenze zu senden und alle dortigen Furten ausfindig zu machen. Selum: Jawohl, ich habe es schon verstanden.

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Oded: Und sie sollen nicht zurückkehren, bevor sie nicht Gefangene gemacht haben. Selum; Auch dies werde ich sagen, ohne es zu vergessen. Oded: Wenn der Rittmeister, der diese Erkundung leitet, wider den Befehl etwas nicht ausführt, so wird ihm der höchste Baum und eine Hanfschnür zum Lohne. Selum: Ich werde sohon alles gut ausrichten. Somnas: Gnädiger Herr Marschall! Wir bitten für diesen Armen, erbarme Dich seiner, befiehl, daß man ihn befreie! Nicht absichtlich hat er es getan, Oded: Was, nicht absiohtllch getan, wenn dieser Dickschädel ein ganzes Paß Wein im Keller hat auslaufen lassen? Susakim: Gnädiger Herr! Er hat sich versehen, er wollte sich nur einen kleinen Krug abfüllen und vergaß den Spund in der Hand, und während er aus dem Kruge trank, lief der ganze Wein auf die Erde aus, Oded: 0 Ihr Schlaumeier! Ich kenne Eure bösen Taten. Sag an, willst Du der Erau den Wein bezahlen? Salman: Womit, gnädiger Herr, soll ich bezahlen? Ich habe doch nichts. Susakim: Dummkopf! Du kannst doch einmal mit ihr schlafen! Oded: Was sagst Du? Willst Du bezahlen oder nicht? Salman: Ach, gnädiger Herr, ich werde mit ihr schon einig werden. Oded: Mach ihn los! Aber wenn wieder Klagen über Dich kommen, so schwöre ich Dir, daß Du solange am Pranger stehen sollst, bis Du schwarz wirst. (Salman wird losgebunden, verbeugt sich tief. Oded geht ab).

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Susakim: Kommt, Brüder, laßt uns WUrste essen! Somnas: Wein, Bruder, zuerst laß uns gehen und Salman mit seiner Wirtin versöhnen! Salman: Gut, Bruder! loh vd.ll ihr den Wein bezahlen, aber sie soll mir auch meine Qual und meinen Durst, den ich gelitten habe, bezahlen, zudem auch die Striemen an meinen Händen. Somnas: Bin guter Vorschlag zum Brieden, aber wie willst Du ihr zuvor den Wein bezahlen? Salman: Ich werde ihr das Paß mit Wasser füllen, sie aber soll mir meinen leeren Bauch mit Braten und Wein füllen, meine geschundenen Hände aber mit arabischem Golde heilen, Susakim: Dann möchte ich alle Wochen dreimal am Pranger stehen. Kommt, Brüder, laßt uns zum nämlichen Orte gehen! 3. Akt. 1. Szene: Osias, Othniel, Abdija, Thinees. Osias: Mein lieber Ereund Othniel! Jetzt ist es an der Zeit, daß sich unser Vaterland treu erweise, welches bis zum Tode in Beständigkeit verharre. Die Schreckenszeichen des barbarischen Holofernes mehren sich bei uns, so daß sogar schon Berge und Steine davor zittern und beben. Der heilige Vater Jojakim, unser treuester Oberpriester, warnt uns in seinen Briefen und ermahnt uns aus ganzem Herzen, daß wir um Gottes willen ein wachsames Auge auf die alte Freiheit der Israeliten haben und ferner wegen der heiligen Kirche in Jerusalem alle unsere Grenzen befestigen sollen. Unsere Stadt Bethulia steht diesem Hund von feiniger in erster Linie im Wege, und wie wir hören, hat er schon seinen Schlund geöffnet, um sie zu verschlingen. Wisse, Du unser ehrenwerter Hauptmann, daß die Stärke und Wut der Assyrer ihr Prüfstein werden wird, an dem sich Deine Treue und Kühnheit erproben muß.

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Othniel: Weiser Osias, wie kannst Du so resignieren und sprechen. Sei getrost und fasse solchen Mut, der vor keinem Feind zurück15 schreckt . In der Tat, Holofernes ist sehr schrecklich, seine Heere sind stark und tapfer und das Glück, das ihm bis zu dieser Zeit beschieden war, ist in allem beständig und unbesiegbar. Jedoch all dies ist trügerisch. Weißt Du nicht, daß, wenn auch hohe Bäume lange wachsen, sie doch plötzlich schnell von einem einzigen Donnerschlag und von einem großen Sturmwind vernichtet werden können? Wie oft schon haben die geschmähten Haben auch den stärksten Iiöwen gefressen, und das festeste Eisen zerfrißt täglich der Host, der nur Staub ist. Wer weiß, ob nicht auch Holofernes sein Verderben vor unseren Mauern findet? Denn der Herr und Gott Israels ist mit uns und wird seinen Huhm nicht an Götzen verraten und sein Volk nicht der Schande preisgeben. Osias: Äirwahr, das ist unsere Hoffnung, daß Gott der Herr selbst für uns kämpfen wird. Ich sage das nicht aus Furcht, sondern zur Ermahnung, daß wir gemäß dem Bat unseres Oberpriesters auf der Hut seien und in der Zeit der Hot einem solchen starken Iteind nach Art unserer Vorfahren tapfer widerstehen. Denn zu einem Schlafenden kommt auch eine Maus ins Bett, die sich vor einem Wachen nicht einmal zu zeigen wagt. Othniel: Was mein Amt anbetrifft, so werde ich alles erfüllen und werde am Tage trauern und bei Nacht wachen. Und wenn es Zeit zum Kampf sein wird, so bin ich bereit, und auf den Mutzen der Stadt wird jetzt und immer mein Tun gerichtet sein. Soll der Feind nur kommen, aber er mag sich lange Beine oder Greifenflügel 1 ® mitbringen, sonst dürfte es ihm schwer fallen, über unsere Mauern zu steigen. Abdi.ja; Wahr sprichst Du, ehrwürdiger Herr Hauptmann, daß die Stadt Bethulia ein harter Kern ist, an dem sich viele die Zähne ausbeißen werden. Aber ich habe in meiner Demut ganz andere Gedanken. Othniel: Was für Gedanken hast Du denn?

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Abdi.ja; Wer weiß, ob Holofernes nicht so schlau ist, daß er unsere Stadt Bethulia beiseite läßt und alrekt gegen Jerusalem zieht? Dann wären wir in noch größerer Gefahr, als wenn er uns belagerte. Insofern wäre es besser, wenn wir belagert würden, weil wir dann vom ganzen judäischen Land Hilfe erhielten, das Bethulia als Grenzstadt und vortrefflichen Schild nicht allein lassen könnte, es sei denn, man wollte dem Feind die Tore zu allen seinen Ländern öffnen. Wenn er aber vorbeizieht, was könnte dann unser Nest gegen ihn machen? Denn wir werden dann leichter überwunden werden, wenn wir uns für sicher halten, als dann, wenn wir Gelegenheit haben, uns zu verteidigen. Othnlel: Nein, nein, mein guter Abdija! Der Fuchs geht nicht in eine solche Grube, aus der er nicht mehr herauskommen kann. Holofernes ist nicht so töricht, in seinem Rücken auch nur die geringste Gefahr oder Macht zurückzulassen, dessen eingedenk, daß er Jerusalem nicht so leicht nehmen kann wie andere Städte und Dörfer, die, ihre Ohnmacht erkennend, sich ihm unterworfen haben. Wenn er nun zwischen Jerusalem und Bethulia geschlagen wird, wo sollte er entkommen? Denn wir würden ihn im Verein mit anderen Grenzstädten nicht wieder durchlassen. Und gebe Gott, daß dies so geschähe! Dann hätten wir den Puchs in der Falle. Thinees: Auch mich dünkt, daß Du wahr gesprochen, hochverehrter Othniel, und alles Künftige gut überlegt hast. Jetzt rate ich dies, daß die Bürger die Stadt mit allen Getreidevorräten vom Lande füllen, damit uns nicht der Hunger eher als das Schwert des Feindes bezwinge. Du tapferer Othniel, Schild unserer Kleinmütigkeit, wirst Deine Sache erfüllen. Osias: Der Herr und Gott Israels wird alles gutmachen. Othniel: Jeder gehe an seine ihm bestimmte Aufgabe. Du aber, Osias, [halte Dich] an den Rat des Oberpriesters Jojakim, damit Du alles wohl bestellen mögest. Und die Bürger werden Dir in allem was nötig ist, mit Freuden folgen. Ich aber will gehen,

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um die Mauern und Schanzen zu besichtigen, die man außerhalb der Stadt an den felsigen Bergen angelegt hat, und um das, was ich schadhaft finde, auszubessern. lebt wohl! Osias: Leb wohl, teurer Freund! Alle; leb wohl, leb wohl, leb wohl! 3. Akt. 2. Szene: Holofernes, Achior, Sisera, Melech, Mosollom, Oded, Oreb, Selum, Somnas, Salman, Susakim. Holofernes: Wie soll ich nicht staunen und nicht vor Wut bersten, daß diese Leute, die in den Bergen wohnen und auf der Welt kaum bekannt sind- und wo man sie kennt, dort schätzt man sie nicht, sondern schimpft auf sie - meine Stärke dennoch zu verachten wagen und sich ihr zu widersetzen gedenken? Sisera: Edler Hetman! Ich kann nicht glauben, daß Beine große Macht ihnen diesen Widerstand anrechnet, denn diese Leute sind kleinmütig. Wie sich Maulwürfe, wenn sie ihrem Instinkt nach das Kommen des Unwetters bemerken, in ihre tiefen Höhlen verkriechen, ebenso verstecken sich diese Leute zwischen den Bergen und Steinen hinter Schanzen und Wällen. Und das tun sie nicht aus Tapferkeit, um Beiner großen Heeresmacht Widerstand zu leisten, sondern aus Angst, weil sie die blutigen Stürme der großen assyrischen Heere, des aufsteigenden Zornes Beines Gesichtes fürchten. Melech: Nicht so ist es, werter Gefährte, [wie] Bu sagst. Biese Leute haben sich nicht aus Angst in den Bergen festgesetzt und andere in den Hinterhalt hinter Schanzen und Wälle gestellt, sondern sie wollen sich verteidigen. Denn gestern sind die 150 Reiter von der Erkundung zurückgekommen, und die mit 'ihnen gewesenen Offiziere haben uns neun Gefangene, die man an verschiedenen Orten ergriffen hat, abgeliefert, und diese haben einmütig beim Verhör ausgesagt, daß das ganze judäische Land und das samaritinische und galiläische einen Bund geschlossen haben, uns mit allen ihren Kräften Widerstand zu leisten für ihre alte Freiheit und für ihre Srauen und Kinder und bis zum Tode nicht zu weichen. Biese Heiter erspähten aus der Perne ihre starken Schanzen an vielen Stellen 69

5.1 im Gebirge und mit Menschen besetzte Wälle, und daß sie alle Wege versperrt haben. Und so sicher, wie wir bisher mit der Eroberung von Menschen und Ländern nur ein Spiel trieben, so wird sioh jetzt dieser ganze Spaß in blutigen Sohweiß verwandeln. Mosollom: Das ist wahr! Denn wieviele Moabiter, die unter meinem Befehl stehen, erzählen und erinnern sich aus alten Beispielen, daß dieses Judenvolk derart halsstarrig und unerschütterlich in seinem Entschluß ist, daß sie eher bereit sind, .jämmerlich in ihrem Blut zu sterben, als unter der Herrschaft des großen Nebukadnezare in allem Glück zu leben. Holofernes; Sagt mir, was ist dies für ein Volk, das im Gebirge 5.2 wohnt? Wie beschaffen und wie zahlreich sind ihre Städte und wie groß ist ihre Stärke? Und welcher ist ihr Mut und wie sind ihre Waffen, und wer ist der Oberste ihrer Krieger? Ist der König bei Verstand, daß er seinen Besitz zugrunde richten und sioh mir nicht lieber freiwillig ergeben will, wie diejenigen getan haben, die den Osten innehaben und die sich erhaben über uns dllnkten, uns nicht friedlich aufnehmen wollten und uns nicht entgegengingen? Achior: Wenn Du hören willst, gnädiger Herr, so will ioh Dir die 5,4 Wahrheit sagen über dieses Volk, das im Gebirge wohnt, und kein faisohes Wort wird aus meinem Munde kommen. Holofernes 8 Ebenso wie ich vor Wut dieses Volkes Blut trinken und meinen Durst löschen möchte, so bin ich begierig, das Wichtigste Uber das leben dieses Stammes zu erfahren. Achior: Höre, o großer Hetman, gnädig zu, ich will Dir die Wahr5.4 heit sagen. Dies Volk ist vom Stamme Chaldäas. Sie wohnten zuerst 5.5 in Mesopotamien, denn sie wollten nioht folgen den Göttern ihrer 5.6 Väter, die im lande Chaldäa lebten. Darum verließen sie die Sitten 5.7 ihrer Väter, welohe viele Götter hatten, und verehrten den einzigen Gott des Himmels, weloher ihnen auch gebot zu ziehen von dannen 5.8 und zu wohnen in Kanaan. Da nun im ganzen Lande Hunger war, zogen sie nach Ägypten. Da sind ihrer in vierhundert Jahren so viel ge5.9 worden, daß ihre Menge nioht gezählt werden konnte. Da aber der König in Ägypten sie besohwerte mit der Erbauung seiner Städte aus 17 Sohlamm und Ziegelsteinen, riefen sie zu ihrem Herrn.

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Dieser schlug das ganze ägyptische Land mit verschiedenen Plagen. Als nun die Ägypter sie von sich ausgestoßen hatten, und 5. die Plage von ihnen abließ, wollte er sie wieder fangen und zu 10 seiner Fron zurückführen. Den Fliehenden aber tat der Gott des Hinmiels das Meer auf, und die Wasser standen fest wie Mauern, und sie gingen trockenen Fußes mitten durch das Meer. Als aber das 5. zahllose Heer der Ägypter ihnen nacheilte, so bedeckte sie das 11 Wasser, und es blieb von ihnen nicht einer übrig, der es hatte ansagen können. Und als sie das Rote Meer überschritten hatten 5. und in die Wüste des Berges Sinai kamen, wo nie ein Mensch woh12 5. nen konnte und kein Menschensohn sich dort jemals aufhielt, da wurden ihnen die bitteren Quellen zum Trinken süß, und sie beka- 13 men vierzig Jahre lang Brot vom Himmel. Und wo sie gingen ohne 5• Pfeil und Bogen, ohne Schild und Schwert, da beschirmte sie Gott 14 und siegte. Und niemand konnte ihnen widerstehen, als allein, wenn sie ab- 5. wichen vom Dienst an ihrem Gott. Sooft sie fremde Götter außer 15 ihrem Gott anbeteten, wurden sie in Gefangenschaft und Schande ge-5. geben. Wenn sie aber bereuten, daß sie vom Dienst an ihrem Gott 16 abgewichen waren, gab ihnen der Gott des Himmels Stärke zum Sieg. 5. So besiegten sie den König der Kanaaniter, der Jebusiter, der 17 Pheresiter, der Hethiter, der Heviter, der Amoriter und alle Ge- 5. waltigen £zu Hesbon] und nahmen ihr Land und ihre Städte ein. Und 18 solange sie sich nicht an ihrem Gott versündigten, war das Glück 5. und Wohlergehen mit ihnen, denn ihr Gott haßt das Unrecht. Vor 19 diesen Zeiten, wenn sie vom Wege abwichen, den ihnen Gott gab und 5« auf dem sie wandeln sollten, sind sie in die Gefangenschaft ge20 trieben worden von vielen Völkern, und viele Gefangene sind in 5. fremde Länder weggeführt worden. Neulich sind sie zu ihrem Gott 21 aus der Verbannung zurückgekehrt, die verstreut waren, und haben sich wieder vereint und sind in dieses ganze Gebirge hinaufgezogen 17 und herrschen wieder über Jerusalem, wo ihr größtes Heiligtum ist. Darum, mein Herr, laß forschen, ob sie sich versündigt haben an 5. ihrem Gott, so wollen wir hinaufziehen, und ihr Gott wird sie Dir 22 gewiß in die Hände geben, und sie werden unter das Joch Deiner Stärke fallen. Haben sich diese Leute aber nioht versündigt an ihrem 5. Gott, so schaffen wir nichts wider sie, denn Gott der Herr wird 23 sie beschirmen, und wir werden zu Spott werden dem ganzen Land.

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Sisera: Wie kannst Du, Hund, dieses dem edlen Hetman in die Augen sagen, daß sich das Volk Israels wider den unbesiegbaren König Nebukadnezar und sein Heer erwehren sollte? Melech: 0 Verräter und schon jetzt nicht mehr unser Kamerad! Aus Deinen Reden erkennt man, wie treu Du dem großen König Nebukadnezar bist. Denn Du bist vom Stamme der Ammoniter und in der Nachbarschaft der Judäer geboren. Deshalb wünschest Du eher, daß die Judäer uns überwänden und uns in Gefangenschaft nähmen, als daß der große Nebukadnezar sie vertilge. 0 Verräter, o weh, o! Was möchte ich [tun], aber ich wage es nicht! Holofernes: Halte Dich noch etwas zurück, Melech! Mosollom: Was sollen wir Tapferen uns noch zurückhalten gegen diesen verräterischen Obersten, der nicht würdig ist, auch nur einen tapferen und ehrlichen Soldaten in Deinem Heer weiter unter 18 seiner Führung zu haben, weniger als die nackten erbärmlichen leute von Bethulia unter den Völkern Israels geachtet werden, denn sie waren niemals Kriegsleute. Ja, fürwahr, wenn ich ihm auch jetzt nicht mit meinem Schwert seinen Kopf in Stücke hauen kann, so schwöre ich doch beim Schwerte Nebukadnezars, daß [ihm] das nicht vergessen werden wird und daß ich ihm seine falsche Zunge zusammen mit seinem tückischen Herzen aus dem Leibe reißen werde, sobald wir mit unseren Kißen auf den Köpfen der toten Israeliten stehen werden. Sisera: Das wird tatsächlich geschehen. Wenn er die Wahrheit gesagt hat, dann wird ihm guter Lohn werden, uns aber Unheil. Wenn er aber falsch prophezeit hat, - wie ich ihm auf den Kopf zugesagt habe, daß er wie ein Verräter gelogen hat, - so möge das Unheil über ihn kommen. Denn unter allen anderen Juden, die wir gefangen nehmen werden, werde ich ihm zuerst mit meinem Schwert die Rippen durchbohren. Holofernes: 0 törichter Achior! Wie konnte Dir das in den Sinn kommen, daß unter unseren tapferen Kriegern einzig und allein Du die Ehre des großen Nebukadnezar in den Schmutz zu ziehen wagst. Denn daß Nebukadnezar wie ein Gott die Welt erobern kann, bezeugt heute die Vielzahl seiner Reiche und Länder, die ich ohne Jede 72

Mühe und gleichsam im Schlaf unterworfen habe. Wenn aber der Gott der Judäer Nebukadnezar besiegen kann, so will ich Deinetwegen mein Leben zur Sühne geben, aber nicht in so verräterischer Furcht, wie Du jetzt bist. Soldaten! Nehmt ihm die Waffen ab und haltet ihn solange gebunden, bis ihm der gerechte lohn gegeben wird. Ihr aber, tapfere Krieger, rüstet Buch, morgigen Tages aufzubrechen und diese Grenzstadt in Judäa zu belagern. Dann werde ich zeigen, daß Nebukadnezar der wahre Gott auf Erden ist, so wahr wie ich in Bälde der Rächer seiner Ehre an Achior sein werde. Achior: Ist dies der Lohn für meine Treue, o Holofernes? Sei eingedenk, daß noch ein anderer größerer Gott über Nebukadnezar ist, gegen den Du nichts auszurichten vermagst. Holofernes: Gehe, Hund! Soldaten! Was steht ihr herum? Packt ihn und führt ihn aus meinen Augen und verwahrt ihn, daß kein ehrliches Auge ihn mehr erblicke! ( Soldaten: Geh, geh, gnädiger Herr! 3. Akt. 3. Szene: Jojakim, Sadok, Melchia Jo.lakim:' Ja, mein verehrter Freund! Hier ist ein Schreiben von den Bethullern, in dem Osias mir mitteilt, daß der Feind bereits an ihre Grenzen herankommt. Sadok: 0 Gott, unser Gott! Was können wir anderes erwarten als das, was andere Länder und unzählige Städte und obendrein alle unsere benachbarten Völker zum Teil sogar bis zum schmählichsten Tode erlitten haben, zum Teil aber in schändlichen Ketten und Fesseln noch erleiden. Melchia: Und doch sind alle diese Sklaven und Gefangenen des Holofernes, die er von allen Völkern und Stämmen mit sich führt, in ihrem Elend um vieles glücklicher, als wir in unserem jetzigen freien Leben es sind. Sadok: Weshalb, mein werter Herr und Freund?

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Melohia: Weil näinlioh die Angst vor dem Tode viel bitterer ist als der Tod selbst, der niemals mehr als einen Augenblick quälen kann. Ebenso ist unsere Besorgnis, die uns jetzt unter tausend Leiden Verzweiflung bringt, ob wir leben oder sterben werden, ob wir, unsere Krauen und Kinder hingerichtet werden oder, was noch schlimmer ist, ob sie bis zu ihrem Tode in Schande leben werden, tausendmal größer als wenn wir dieses Unglück schon durchgemacht und alles erlitten hätten. 0 ihr Gefangenen des Peinigers Holofernes! Obwohl ihr jetzt in Ketten und Pesseln geht, so seid ihr doch viel glücklicher als wir in unserer jetzigen Freiheit, die wir ein noch viel bittereres Elend befürchten müssen. Jo.lakim: 0 Du mein geliebter IVeund und einst so weiser Melchia!. Wie sprichst Du jetzt so verzweiflungsvolle Worte! Es steht einem nicht an, für sich das Kreuz zu schmieden, sondern mit frommen Vertrauen abzuwarten, bis Gott der Herr einem selbst das Kreuz auferlegt, trnd es dann geduldig zu tragen. Wenn wir auch Kunde von unserem Feinde haben, so finden sich hier noch nicht seine Wut und Pein. Bisher hat Holofernes tatsächlich viele Völker besiegt, wir aber hoffen fest, daß er diesmal nicht so leicht Gottes Volk und Gut überwinden und erobern kann. Melchia: Ja, heiliger Vater, wir müssen zuversichtlich sein und auf Gott den Herrn vertrauen, daß er seine Israeliten nicht im Stich läßt und sein Allerheiligstes nicht den Heiden zur Schändung überläßt. Aber unsere Sünden machen uns eine verdiente Angst. Sadok: Ja. fürwahr, unsere Sünden schrecken uns, dieser Schrecken aber versetzt ganz Judäa und alles, was zu ihm gehört, in Resignation. Gedenke denn, heiliger Vater! Schon jetzt geraten die Herzen aller Menschen in Verzagtheit, wo doch der Feind kaum unsere Grenzen überschritten hat. Was wird erst dann geschehen, wenn er nur die erste Grenzstadt, nämlich Bethulia, eingenommen hat und nach seiner Gewohnheit elendiglich -verwüstet? Werden sich dann nicht alle anderen Städte Qioch] vor seiner Ankunft zerstören?

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Jo.lakim: 0 liebe Brüder! Laßt uns nicht so sprechen. Denn wenn wir auf die Städte vertrauen, so werden wir leicht zugrunde gehen, laßt uns auf Gott vertrauen und zu ihm unsere Zuflucht nehmen. Denn er allein kann uns verteidigen. Ich mahne Buch deshalb, daß 4, Ihr unserem Gott zu Füßen fallt, Eure Sünden beichtet und ihn um 10 Gnade bittet. Wißt also, daß Gott der Herr Eure Gebete hören wird, 4, wenn Ihr nicht ablasset mit Pasten und Beten vor dem Herrn. Geden- 11 ket an Mose, den Diener des Herrn, der die Amaliter, die sich auf 4, ihre Kraft und Macht, auf ihre Krieger, Heiter und Wagen verließen,12 nicht mit dem Sohwert, sondern mit heiligen Gebeten schlug. So 4, soll es auch allen Feinden Israels gehen, wenn Ihr Euch in dieser 13 Saohe bemüht, wie Ihr angefangen habt. Sadok: Ja, fürwahr, mit ganzem reinen Herzen wollen wir uns zu Gott wenden. Er möge uns gnädig sein.

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Melohiat Wahrlich, laßt uns unter Tränen fasten und uns und unsere Kinder in Säcke kleiden, damit Gott unsere Demut erblicke. Jo.lakim: Geht also, geliebte Brüder, tut nach Eurer Absicht! Ich aber will in die Kirche des Herrn gehen und alles zum morgendlichen Bußgottesdienst vorbereiten. Gehabt Euch wohl! 3. Akt. 4. Szene: Oded, Achior, Selum, Susakim, Somnas, Holofernes. Holofernes: Es sei so, unsinniger Achior! Weil Du so ein Prophet bist, daß Du weissagen kannst, daß das Volk Israels solle von seinem Gott Schutz haben, so gehe zu ihnen, auf daß Du selbst Dir ein guter Prophet bei den Israeliten sein wirst, die doch, wie ich höre, gerne Propheten aufnehmen und bei sich halten. Aber sei dabei sehr vorsichtig, damit Deine Prophezeihung nicht ins I«ere gehe. Denn wenn wir alle diese elenden Juden bis auf den letzten niedergehauen haben, dann wirst Du deutlich sehen, daß kein anderer Gott ist denn allein Uebukadnezar. Dann wird es nur gerecht sein, wenn auch Du zusammen mit den Juden durch der Assyrer Schwert umkommst und die verdiente Strafe als Verräter empfängst. Fürwahr, ich sage Dir, daß es [mir] dann nicht leid sein wird, einem solchen Hund mein Schwert durchs Herz zu bohren, u m damit zu bekräftigen, daß Nebukadnezax der Herr der ganzen Welt ist.

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Aohior: Edler Feldherr! Was habe ich getan? Du hast mich um Rat gefragt, und ich habe Dir geantwortet, wie mein Gewissen mir befahl zu sprechen. Wenn mein Hat Dir nicht beliebt, so versuche, die Sache nach Deiner Weisheit auf andere bessere Weise zu machen. Ihr Ausgang wird mir ein Beweis sein, daß ich Dir nichts Böses geraten habe. 6,4 Holofernes: Gut, dann hast Du nichts Böses zu befürchten. Wenn Du gut und wahr geweissagt hast, so gehe ohne jede Furcht und Beben zu den Israeliten in der Erwartung, daß Deine Prophezeihung in Erfüllung gehe. Ich lasse Dich dorthin geleiten. Oded! lasse ihn sofort unter starker Bewachung in die Stadt Bethulia führen und den Israeliten in die Hände geben und verkünde ihnen, daß ich diesen sauberen Ammoniter ihnen und ihrem Gott in Verwahrung gebe. Achior: Holofernes! Ich versichere Dir, daß der Gott Israels Deinen Stolz zähmen wird, sein Volk: aber vor Deiner Drangsal bewahren wird. Holofernes: Was redest Du noch, Du Hund! Oded! Soldaten! Geh, Hund! (Geht im Zorn ab). Achior: Ich gehe mit Freuden weg. Oded: Geh, geh, törichter Achior! Wo ist Dein Verstand geblieben, daß Du so verächtlich von den siegreichen Waffen Hebukadnezars zu sprechen und unserem Feldherrn so hartnäckig zu widersprechen wagst. 0 Du armer, unglücklicher und verrannter Dummkopf! Achior: Einst glücklicher als Ihr armen Leute, die Ihr in allen Euren Ehren nicht mehr seid als des Holofernes vortreffliche Knechte, die Ihr nichts anderes tun und sagen dürft, als was er gern haben oder hören will, und wenn dies auch Gott, der Wahrheit, dem Gewissen und allen Gesetzen zuwider wäre. Oded: Gut, gut, Du Elender! Sprich Du jetzt die Wahrheit in Bethulia! Wir werden mit Holofernes bald Dich und alle Juden in Bethulia aufsuchen und Dich persönlich fragen, wo der starke Gott Judäas ist und Dein Gewissen. Soldaten! Packt ihn, schleppt ihn weg und händigt ihn an den Toren in Bethulia der Wache namentlich aus! Hört Ihr? 76

Selum: Ich höre, ich höre, gnädiger Herr! Noch nie hatte ich so feine Ohren wie heute, da ich einen so vortrefflichen Hauptmann unter meinem Befehl haben soll. Susakim; Ich möchte alle Tage so einen gnädigen Herrn wegschleppen, dann würde am Ende auch einmal für uns ein Plätzchen frei, um Hauptmann oder Oberst zu werden. Somnas: Und mich dünkt, daß ich jetzt schon ein Oberst bin, wenn ich so einem edlen Kirsten so tüchtige Püffe in die Seite geben kann. Marsch, marsch, gnädiger Herr! Marsch, marsch! 3. Akt. 5. Szene: Achior, Vaneja mit vier Kriegsleuten oder Schützen. Achior: (hier an den Baum angebunden, sagt): Hier hänge ich nun, ein Bild der Unbeständigkeit und ein Zeugnis des trügerischen und schwankenden Glücks. 0 verfluchtes und verräterisches Glück! Wie bist du doch in allen Vorkommnissen der allergrausamste Peiniger! Sich von dir freizumachen und dich nicht zu genießen, ist ärmlich, fürwahr, und unerträglich, aber wiederum ist es besser, als in deinem trügerischen Schöße zu ruhen. Denn wem du günstig bist, der muß diese Gunst mit Furcht und Zittern gebrauchen und bald, ach, sofort mit dem schrecklichen Sturz dein trügerisches Wesen erkennen, wünschend, daß er nie im Glücke geweilt hätte. 0 ich Armer! 0 welcher Besitztümer konnte ich mich gestern noch rühmen, als ich in den Armen dieses trügerischen Glücks lag, und solche Ehren noch vermehren! Was [bleibt mir] jetzt als mein Unglück und meine Schande? Wenn ich nicht als Fürst geboren und niemals Kriegshauptmann gewesen wäre, wenn ich nie Seite an Seite mit Holofernes gesessen und keinerlei Reichtümer, Besitz und Schätze gehabt hätte, so wäre mir dieser Sturz keine Schande, sondern vielmehr eine solche Schande nur eine Gewohnheit gewesen. Schon früher habe ich Gefangene und Sklaven gesehen, die, gebunden und in Fesseln, trotzdem lachten und spielten, denn aus Gewohnheit kümmerten sie sich nicht um ihre Fesseln. Aber diese Hände, die nur gewöhnt waren, 1Q Völker zu besiegen, und mit ihnen * zusammen auch meine Freiheit, die ebenso gefesselt ist, - das macht mir den meisten Kummer,

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denn gefesselt habe ich nicht so viel Freiheit, daß ich nur eine Hand in meinem eigenen leib umdrehen und so meiner unglücklichen Schande mit dem großzügigen Tod ein glückliches Ende bereiten könnte. Vane.ja: Hier ist der Ort, an dem ich die assyrischen Hunde von der Mauer aus mit eigenen Augen gesehen habe. Wo sind sie bloß so plötzlich hin? Achior: Weh mir! Ich höre Menschen sprechen. Vane.ja: Wie schade, daß wir diese Galgenvögel nicht gekriegt haben. Mit ihnen hätten wir einen lustigen Tanz aufgeführt. Achior: Wenn doch löwen oder andere wilde Tiere zu mir herbeieilten, die mir ein schnelles Ende bereiteten! Ich fürchte die Menschen, die grausamer sind als löwen und Tiger. Vane.la: Wer wehklagt, wer schluchzt hier? Achior: 0 weh, weh! Eine beklagenswerte Ausgeburt des trügerischen Glücks und erbarmenswerte Quälerei grausamer Menschen! Vane.ja: Wer bist Du? Und wie bist Du hierher gekommen? Und wer hat Dich hier angebunden? Achior: Ihr selbst seht, daß dies nicht löwen, noch Bären, noch Wölfe getan haben, sondern Menschen, die grausamer sind, als alle wilden libyschen Tiere. Vane.ja: Was sagst Du von den Menschen? Sprich, weshalb bist Du hier angebunden? Was hast Du Böses getan oder verbrochen? Achior: Daß ich den Gott Israels geachtet habe.20 Vane.la: Den Gott Israels? Bist Du nicht vom Heer der Assyrer und ein Heide?

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Aohior: loh bin einer von Holofernes' Hauptleuten, der Fürst der Ammoniter. Doch fürchte ich den Gott Israels mehr als alle heidnischen Götter. Deshalb bin ich in dieses Unglück geraten. Yane.la: Daß Du um unseres Gottes willen hast leiden müssen, das sei fern. Sage mir nur unter Eid: Ist nicht irgendeine Heimtücke, ein Betrug oder Verrat dahinter verborgen? Aohior: So wahr Euer Gott der einzige Gott ist, der Himmel und Erde geschaffen hat, so wahr erleide ich dies nicht wegen einer Übeltat, sondern nur deshalb, weil ich für das ganze Volk Israels die Wahrheit gesagt habe, nämlich, daß ihr Gott sie leicht von der ganzen Macht Nebukadnezars befreien kann. Daraufhin hat mich dieser Peiniger Holofernes zu Euch nach Bethulia verjagt, damit ich im Schutze Eures Gottes gemeinsam mit Euch lebe oder sterbe. Aber die Krieger haben mich aus Furcht, von Euch gefangen genommen zu werden, hier angebunden und sind davongelaufen. Yane.la: Kann man dem ohne Gefahr und ohne lug glauben? Aohior: Wollt Ihr mir nicht glauben und befürchtet Ihr eine list, so tut eines von beiden: Entweder tötet mich, was meine betrübte Seele mit großem Verlangen wünscht, oder nehmt mich gebunden in Eure Stadt und erprobt mich mit Martern! loh aber werde [Euch] darüber eindeutiger und über andere Dinge mehr die Wahrheit bekennen. Vane.la: Krieger! Bindet ihn los, damit wir ihn als Gefangenen mit uns nehmen. Wenn Du, wie Du sagst, zu unserem Gott Vertrauen hast, daß er Hilfe geben und retten kann, - gut, dann wirst Du es genießen und Deinen Kummer loswerden. Wenn aber irgendeine böse List oder ein Betrug dahintersteckt, dann wehe Dir, wehe! Denn dann werden Dir dieser Baum nur als eine angenehme Behausung und alle jetzigen Sorgen nur als ein Schlaf.erscheinen gegen die Not und Qual, die auf Dein Haupt kommen wird. Achior: Es gesohehe nach Deinem Wort. Aber der Gott Israels, der wunderbar befreien kann, der auch mich wunderbar aus meinem Kummer errettet hat, er selbst weiß, daß ich von jedem Betrug rein und in dieser Sache wahrhaftig und untadelig bin. Er möge Euch Gnade gewähren, wie Ihr sie an mir geübt habt.

Vane.ja: Komm dann, komm in die Stadt, bevor der Feind von uns Kunde •bekommt und uns unterwegs abfängt. Interszenium nach dem 3. Akt vor der 1. Szene des 4. Aktes. Salmaneser, Adar, Ag&g, Amarfal, [später] Oded. Salmaneser: 0 Quäler! 0 Du toller und an Menschenblut unersättlicher Hund Holofernes! Sind das die kühnen Taten, sind das die ruhmreichen Kriegersitten - zuerst selbst zum Frieden aufzurufen, Gnade zu versprechen und die Freiheit mit einem Schwur zu bekräftigen, und danach denen, die auf Grund dieses Vertrages auf solche Gnade hofften und sich unterworfen haben, Land und Leute wegzu21

nehmen und gekrönte Häupter in Fesseln zu schlagen? 0 Drachen wie ihn die ganze Welt noch nicht getragen hat!

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Adar: Aber, mein verehrter Freund und Gefährte, den keine glückliche Fügung, sondern ein Mißgeschick und Sklavenbande zu meinem Freund gemacht haben, weshalb sollen wir uns noch viel erzürnen? Weshalb sollen wir Holofernes die Schuld daran geben, wo es doch vielmehr unsere Schuld ist? Weswegen haben wir diesem Betrüger geglaubt? Weshalb haben wir so töricht Land und Leute in seine Hände gegeben? Weshalb haben wir nicht lieber unsere Köpfe mit größerer Tapferkeit unter seinen wütenden Säbel zu legen gewagt, als daß wir sie in diese Sklavenfespeln gesteckt haben. Bestimmt werden unsere ehemaligen Untertanen uns mehr als den Holofernes verfluchen. Agag: Wenn dies wirklich wahr ist, - aber wiederum, wer hätte dieser seiner großen Macht Widerstand leisten können? Wie hätte man vor einer solchen Schnelligkeit entfliehen können? Und wer hätte diesen prächtigen Fürstenworten nicht glauben mögen? Wenn nur einer von dem Überfall auf den andern erfahren hätte, dann hätten wir, durch ein solches Beispiel des Erfahrenen klug geworden, gerüstet und einmütig vereint festen Widerstand geleistet oder wären diesem Unglück durch bessere Vorsicht zuvorgekommen. Aber bevor die Nachricht von Holofernes' Grausamkeit von einer Grenze zur andern gedrungen war, waren wir schon allesamt durch die betrügerische Abmachung gefangen genommen.

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Amarfal: 0 weh, in Gefangenschaft zu sein! Es ist fürwahr ein unerträgliches Joch, denn ich bin es nicht gewöhnt. Aber in eisernen Ketten Q u liegen] und noch eine goldene Krone auf dem Haupte zu haben, ist eine Schande, die weit mehr schmerzt als der bitterste Tod und die schwersten Itesseln. Wie sehr ich gezwungen bin, mein gekröntes Haupt vor ihm zu beugen, so sehr wünsche ich mir heimlich im Herzen, daß mein Haupt nie eine Krone getragen hätte oder daß sein Kopf ,zur Kreude am schönen Schauspiel von einfachen Leuten, wie wir jetzt welche sind, auf einer lanze herumgetragen würde. Agag: Ha! Wenn dieser Wunsch in Erfüllung ginge, dann könnten wir unsere Freiheit und unser früheres Glück wiedergewinnen. Amarfal: 0 wenn mir doch soviel Glück übrig bliebe, daß ich diese Hände und Püße frei haben könnte, so würde ich etwas zu tun wagen, was vielen, ja vielen Reichen Nutzen brächte. Oh wie ich mir das freudiger wünschte, als so in Fesseln zu leben und mein leben zu verlieren. Adars 0 Herren! laßt uns solche eitle Reden nicht umsonst führen. Wenn es einen Gott gibt, der alle Betrügereien und Heimtücken zu bestrafen pflegt und uns von dem Drangsal dieses heimtückischen Feindes befreien will, so wird er auch einen Arm und eine Hand finden, die er zur Rache und zum Verderb dieses Peinigers erziehen und stärken wird. Unsere Größe können wir jetzt nur darin zeigen, daß wir seine Grausamkeit verachten, unser Unglück aber durch Geduld erleichtern. Still, still! Dort kommt der Kriegsmarschall zu uns. 22

Oded: Ihr unglücklichen Monarchen \ Was steht Ihr so ängstlich und zweifelnd da, denn jetzt habt Ihr kein schlimmeres Unglück zu fürchten als das, was Ihr schon erduldet. Salmaneser: Aber auch solches nocu länger zu erdulden, schafft uns täglich große Angst und bringt uns endlich in Verzweiflung, die wir jedoch nicht fürchten, sondern weit mehr als jenes mit Sehnsucht erstreben.

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Oded: Weshalb? Was ist für Euch so unerträglich zu erdulden, das Euoh zur Verzweiflung bringt? Amnrfal: Aufrichtig, verehrter Herr Marschall, daß diese Kronen, vor denen sich früher große Pürsten tief verneigten, jetzt sogar der kleinsten Gemeinde zu Schimpf und Schande dienen. Dies ist königlichen Herzen unerträglich. Oded: Hicht doch, großherzige Herren! Ihr solltet vielmehr daran denken, daß Holofernes, unser Herr, Euch dafür noch erlaubt, in Eurer Gefangenschaft die Königskronen auf den Köpfen zu haben, und daß Ihr von allen anderen Gefangenen Vorrang, Ehre und Achtung genießt. Adar: Sehr gut paßt es nicht zusammen, die goldenen Königskronen mit den eisernen Sklavenketten. Agag: Es kann keine Ehre sein, zum hohnvollen Schauspiel durch alle Länder geschleppt zu werden. Oded: Herrschaften, ich will Euch etwas raten. Salmaneser: 0, das wäre noch ein Glück, einen guten Satgeber zu haben. Oded: Hört mioh an! Wenn der große Peldherr Holofernes die Stadt Bethulia in Besitz nimmt, was in einigen Tagen geschehen wird, dann bittet ihn kniefällig um Gnade, und wenn er sich über den Sieg freuen wird, so wird er Euch bestimmt Eure kesseln erleichtern, wir aber werden selbst nicht versäumen, für Euch bei ihm zu bitten. Agag: Der schon so lange währende Schmerz läßt keinerlei Hoffnung mehr zu. Oded: 0! Ja, wenn Ihr duroh unser demütiges Bitten wenigstens soviel erreicht, daß er Buch nicht mehr mit sich durch verschiedene Länder zur Schau führt, sondern Euoh in der Stadt Bethulia läßt, und den Kriegern, die dort sein werden, zur Bewachung übergibt. 82

Salmaneser: 0 gäben doch die Götter, daß Bethulia unsere Befreiung würde. Oded: Geht denn und seid nicht mehr betrübt! Wer weiß, ob Euch nicht in fünf oder sechs Tagen Gutes zustoßen kann! Salmaneser: Verehrter Herr Oded! Wir danken Dir für Deinen guten Trost. Oded: Geht in frieden! Ich muß zum Feldherrn gehen, um ihm zu dienen. (Oded geht ab. Die Könige aber, 4 Mann, singen sehr klagend folgendes Lied:) Salmaneser (singt Strophe 1): Wenn wir stolz sein könnten in diesen Königskronen, und in Gefangenschaft wären in Schande und in kesseln diesUnglück würde nicht schmerzen, Schmach wäre es nicht. Adar (singt Strophe 2):

Quäler Holofernes! Das veränderliche Glück kann auch bald Dir einen grausamen iall bringen [vielleicht] schlimmer, als wir von Dir gepeinigt werden.

Agag (singt Strophe 3):

Die wir Reiche und Menschen, einst beherrschet haben, müssen Jetzund dulden leid und große Sohmach. Aber wer sich rühmt mit allem, wird sofort zusohanden.

Amarfal (singt Strophe 4):

0 erzürnter Gottl Wenn in Bethulia noch irgend Rettung ist, Dann hilf uns! Wenn nicht, dann nimm uns zu Dir aus diesem Leben. 83

4. Akt. 1. Szene: Osias, Othniel, Achior, Abdija, Thinees. OsiaB: Wohl, Achlor, wir glauben alsdann Deinen Worten, daß sie wahr und nicht falsch sind, und nach allem, was wir sehen, glauben wir, daß Du all das dem rasenden Holofernes ins Gesicht gesagt hast, was Du uns jetzt erzählt hast. Achior: Ja, Osias, mein Herr! So wahr wie Euer Gott, auf den Ihr vertraut und über dessen großen Namen ich seit meiner Jugend vieles gehört habe, die volle Wahrheit ist, so wahr habe ich dem Holofernes alles offenkundig dargelegt, was ich Buch heute wiedergesagt habe. Wegen dieses Vergehens hat er mich gebunden zu Euch geschickt . Othniel: Verzeih mir, mein teurer Ereund Osias! Ich weiß nicht, mit welcher Vorsicht ich diese verdächtige Sache aufnehmen soll. Osias: Weshalb, mein Ereund Othniel? Othniel: Wie sehr es sich ziemt, sich der Wahrheit freudig anzuschließen, so sehr ist es angebracht, auf der Hut zu sein, damit nicht alles für wahr gehalten werde, was wahr zu sein scheint. Denn die dreifach geriebenen Schelme pflegen ihre bösen Absichten hinter den besten Taten zu verbergen. So verbirgt der heimliche Mörder sein todbringendes Gift im allersüßesten Wein, der heuchlerischeffreundverbirgt sein heuchlerisches Herz in tiefer Ergebenheit, der Verräter verbirgt seine tückischen Ratschläge und Absichten in Treue und Wahrhaftigkeit. Ich weiß sehr gut, daß in einem solchen Bild, wie wir es Jetzt an Achior sehen, oftmals eine sehr große Kriegslist verborgen ist, und wir sollten nicht allzusehr vertrauen. Achior: Mein sehr verehrter und tapferer Herr Othniel! Wie konnten Dir solche Gedanken über mich in den Sinn kommen? Wenn die Fesseln, die Ihr heute von meinen Armen gelöst habt, und diese Karben, die ich jetzt noch von diesen Stricken vorweisen kann, nicht genug Zeugnis davon ablegen, daß ich mit meinem Bericht, den ich Euch heute wiedererzählt habe, den Holofernes so in Wut gebracht habe, daß er mich deshalb ergreifen ließ und zu Euch geschickt hat, - gut 84

denn, laßt mir diese Stricke wieder anlegen und haltet mich solange bei Euch in Pesseln, bis [es] Euer Gott, auf den ich jetzt schon vertraue, nach seinem Willen zu Ende bringt. Dann werdet Ihr mir 23 glauben , daß ich nach des Holofernes mörderischen Ausspruch zusammen mit Ruch nur eines von beiden zu erwarten habe: entweder elendiglich mit Euch den Tod zu erleiden oder umso glücklicher als bisher mit Euch zu leben. Othniel: 0 guter Ereund Achior! Wenn nur das Dritte nicht versteckt lauerte, nämlich der Verrat! Denn, wie ich denke, kann Holofernes niemals besser einen Verräter in unsere Stadt einschmuggeln als auf diese Weise, als einen verjagten und gefesselten Menschen! Achior: Es sei denn so! Glaubet also und haltet mich wie einen Verräter und legt mich gefangen in einen Winkel, nur gebt mir luft zum Atmen, Brot und Wasser, und prüft bis zum Abschluß der Sache mit Eurer Weisheit, ob ich gelogen habe oder ob Eure Gedanken Euch betrogen haben. Denn ich verlange nicht die Schlüssel Eurer Stadt, noch Wachdienst oder einen Platz auf Euren Mauern, viel weniger freien Ein- und Ausgang durch Eure Tore und was dergleichen m a n als Verrat auslegen könnte. So aber verlange ich nur Euer Wohl und Wehe zu teilen, welches Urteil mir der stolze Holofernes verkündete und zu dessen Vollstreckung er mich hierher zu Euch geschickt hat. Ich will beim Gott aller Götter bezeugen, ja, ich will es bei meinem Gewissen vor dem Gott des Himmels und der Erden bezeugen, daß ich mit frohem Herzen von Holofernes diesen Ausspruch vernahm, denn ich weiß gewiß, daß Euer Gott Euch retten und verteidigen, den Holofernes aber mit allen seinen Kriegern zuschanden machen wird, wie ich es ihm ins Gesicht gesagt habe, Osias: Wahrlich, lieber Othniel, die Augen fülleD sich mir, da ich dies höre, mit Tränen, und es steht mir nioht an, irgendetwas Böses von diesem gerechten Manne zu denken. Holofernes, dieser Barbar, hat nicht ihn so entehrt, wie er unseren Gott verhöhnt und das ganze Geschlecht Israels geschmäht hat. Wie sollten wir ihn nicht lieben und ihm nicht Gutes tun, der unseretwegen gelitten hat? Er sucht Hilfe bei unserem Gott, und wir sollten ihn nicht aufnehmen, sondern ihn von uns stoßen? 0 nein, es darf nicht geschehen, Othniel, daß wir uns vor unserem Gott und a n dem verjagten Eremdling so versündigen.

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Othniel: Jetzt bekenne ich, mein Ereund und Herr Osias, daß ich durch Achiors Erzählung zum Mitleid genötigt und zu einem anderen Urteil gebracht worden bin. Aber ich schwöre hierbei: Wenn Holofernes, dieser unersättliche Bluthund, nur zu uns kommt, dann soll er erfahren, daß die Katze, wenn sie in Bedrängnis ist, oftmals schlimmer kratzen, als der Hund beißen kann.

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Osias: 0 geliebte Ereunde! Jetzt laßt uns nicht von Raufereien oder von Katzen und Hunden sprechen! laßt uns vielmehr klagen und am Boden liegend Gebete zu Gott dem Herrn richten und um die einzige Hoffnung Israels flehen. Der Gott unserer Väter möge sich unserer erbarmen. (Betet). 0 Herr unser Gott, Gott des Himmels und der Erden! Erblicke den Hochmut dieser Heiden und unsere Demut!

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Thinees: 0 Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs! Siehe das Heiligtum gnädig an und zeige, daß Du nicht verlassest, die auf Dich trauen, und stürzest, die auf sich trotzen und mit ihrer Stärke prahlen. Osias: So, geliebte Brüder, so! laßt uns zu Gott dem Herrn Zuflucht nehmen. Ich weiß nämlich, daß er, wie ein gnädiger und barmherziger Vater, den Stab seiner Strafe, welchen er für uns bereitet hat, wieder zerbrechen und ins Feuer werfen, sich unserer aber als seiner Kinder erbarmen wird. Aohior: Auch ich bin in fester Zuversicht. Ich glaube, daß so bittere Tränen vor dem mildtätigen und barmherzigen Gott, nicht umsonst vergossen werden können, den Ihr mit so großem Eifer anfleht. Othniel: Du aber, Achior, sei versichert, daß der Gott unserer Vä-

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ter, dessen Macht Du gepriesen hast, Dir's vergelten wird, daß

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nicht sie über Dich frohlocken werden, sondern daß Du vielmehr ihren Untergang sehen wirst.

6,

Osias: Ja, unser sehr angenehmer und geliebter Gast Achior! Noch bist Du fremd unter uns, aber wenn unser Gott uns, seinen Knechten, die Ereiheit geben wird, so wird dieser Gott auch mit Dir mitten

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unter uns sein, und, wenn es Dir recht ist, so magst Du mit aller den Deinen bei uns wohnen.

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Aohiort loh danke Buch für Eine wohlwollende Aufnahme, derer ich mich noch für unwürdig erachte, und versichere Euch, daß ich mir auf der ganzen Welt nichts lieber wünsche als zwei Dinge: erstens, daß ich mit all den Meinen nach Form und Sitte Eurem Gott zusammen mit Euch dienen könnte, der selbst der wahre Gott des Himmels und der Erde ist, und zweitens, daß alle Heiden vor Euch Gerechten züsohanden würden. Alle (sprechen): Amen, Amen, Amen! Osias: Komm alsdann, Du lieber Mann, ich kann Dich nicht alleinlassen. Komm in mein Haus und empfange eine angenehme Bewirtung 6, und das Abendmahl, das ich Dir mit Gottes Segen reichen werde. Ihr 18alle, liebe Freunde, kommt mit mir, damit wir diesen Gast ehren, 19 den Gott uns gesandt hat, und ein Stündchen oder zwei bei einem kärglichen Abendmahl, das ich bereitet habe, fröhlich seien, auf Gott vertrauend, daß er uns eine kleine Stärkung einzunehmen gestatte. Ich werde auch die anderen Priester zu mir rufen. Othniel: Sehr wohl, verehrter Osias! Wir kommen gern Dir nach, denn die Versammlung weiser Ratgeber wird mehr sein als ein zusätzliches Mahl» Thinees: Gott kann es ja nicht erzürnen, wenn wir schicklich und enthaltsam, dazu auch versöhnlich uns etwas stärken und fröhlich sind.

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Abdi.ja: Um so mehr als wir so lange gefastet haben. Osias: Kommt, liebe Freunde, laßt uns etwas essen und uns ein wenig stärken. Danach aber, wenn die Sterne am Himmel zu leuchten beginnen, v/erden alle Leute aufgerufen, damit wir die ganze Nacht zusammen beten, um Beistand von Gott dem Herrn Israels zu erflehen.

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4. Akt. 2. Szene: Holofernes, Sisera, Melech, Mosollom. Holofernes: Der Anfang ist nun fürwahr gemacht, Ihr meine tapferen Krieger. Bethulia ist schon so gut wie in meinen Händen, denn es liegt bereits eingeschlossen im Schöße meines Heeres. Aber es wundert mich sehr, daß sich diese armen Leute vor meiner großen Heeresmacht nicht fürchten und durch ihre Boten Gnade zu erbitten nicht begehren. Ha, ich halte sie für fester und fühlloser als ihre Mauern und Steine. Sisera: Und wenn sie auch fester wären als Eisen und Stahl, Bisen und Stahl kann man doch bezwingen: Denn Feuer macht Stahl weich wie Ton, der Hammer aber zermalmt Eisen wie Spreu. Großer Feldherr ! Sie haben Deine Tapferkeit wohl noch nicht selbst kennengelernt, sondern nur von Ferne ihr Grollen vernommen, und das Feuer Deines Zorns hat sie noch nicht versengt, sondern sie haben nur von Ferne den Brand gehört. Aber laß nur Deine Stärke und Wut auf sie los, dann werden sie nichts mehr bereuen, als daß sie gewünscht haben, aus Stahl und Eisen zu sein. Holofernes: Aber ich weiß nicht, ob diese Sperlinge in ihrem elenden Nest überhaupt soviel wert sind, daß man nur einen einzigen Arm gegen sie ausstreckt. Ich habe ein einfacheres Mittel für sie und denke, ohne große Mühen ihre starrsinnigen Schädel zu zähmen, daß sie in wenigen Tagen mit Weibern und Kindern selbst zu mir herauskommen werden. Und wer [jetzt nochT] den Born meiner Gnade verachtet, wird es sich dann für das höchste Glück anrechnen, kaltes Wasser zum Trinken erhalten zu können. Sisera: Das wäre wirklich ein vergnüglicher Spaß, aber auf welche Weise, weiser Feldherr! Holofernes: Gestern ging ich rings um die Stadt und, als ich alle 7,6 Positionen und Örtlichkeiten in Augenschein genommen hatte, entdeckte ich eine große Quelle außerhalb der Stadt gegen Süden, aus der das Wasser in Röhren in die Stadt fließt. Ich glaube, daß sie nur diesen einen Brunnen haben, aus den sie sich selbst und ihr Vieh in Bethulia mit Wasser versorgen. Deshalb habe ich alle Röhren so durchhauen lassen, daß ich sicher bin, daß sie heute keinen 88

einzigen Tropfen Wasser mehr haben. Was werden sie nach einigen Tagen weiter tun? Ha, der unerträgliche Durst wird sie in mein Lager treiben, oder sie werden aus Wassernot viel erbärmlicher, als wenn sie in ihrem eigenen Blut badeten, sterben. Meieoh: Fürwahr ein weiser Plan! Aber hast Du gesehen, gnädiger Wirst, daß es nicht weit von den Mauern viele andere kleine Brunnen 7,7 gibt, aus denen sie heimlich Wasser schöpfen, soviel sie wollen? Holofernes: Ich sah nur sehr kleine Q u e l l e n ^ , aus denen m a n kaum eine kleine Viehherde tränken kann. Deshalb kann ich nicht glauben, daß sie genug Wasser für die ganze Stadt geben können. Mosollom: Wenn auch nicht ausreichend für den täglichen Bedarf, so doch für eine tägliche Erfrischung. Deshalb, wenn mein Wort ge- 7, fällig sein kann, rate ich, daß an alle Brunnen Wachen gestellt 10 werden, damit die Einwohner Bethulias kein Wasser daraus schöpfen. Dann werden sie entweder wirklich ohne Schwert umkommen oder sich beeilen, ihre Stadt, die sie jetzt für uneinnehmbar halten, weil 7,9 sie auf den Bergen steht, an uns zu übergeben. Holofernes: Wahrlich, dieser Rat ist gut. Denn wer ein Tier aus seiner Höhle vertreiben kann, der hat es schon gefangen. Wenn wir ebenso diese furchtsamen Hasen aus ihren Bauen, Höhlen und Gruben mit Hunger und Durst verjagen können, dann werden sie unser sein. PS Deshalb geht sofort, Ihr Zenturionen Melech und Mosollom, und stellt starke Wachen an alle Brunnen, die sich nahe der Stadtmauer befinden, und zwar an jeden Brunnen 100 Mann. Am Tage und in der Nacht soll an ihrer Stelle Ablösung sein. Meleoh: Jawohl, gnädiger Feldherr, sofort wird das ausgeführt werden. Holofernes: Du aber, Sisera, komme mit mir. Ich will selbst noch einmal rund um die Stadt gehen und alles erkunden, ob ich nicht irgendeinen Plan finden kann, wie ich ihnen die vorderste Wache, die auf den Felsen steht, wegnehmen kann. Sisera: Jawohl. (Beide gehen ab).

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4. Akt. 3. Szene: Judith, Abra. Judith: 0 mein Gott! Wichte Unglücklicheres gibt es als den Menschen, und für den Menschen ist wiederum nichts gewohnter als die Sorge. Unser leben ist nämlich nichts anderes als nur Furcht. Der Tod ist uns ein dauernder Schrecken. Doch kann uns nichts Besseres [zuteil] werden als ein guter Ausgang des Todes. Vor drei Jahren und sechs Monaten dachte ich, daß ioh die unglüokliohste und trau8, rigste Frau auf der Welt sei, weil Gott mir meinen guten und lie2-4 ben Gatten Manasse durch einen schnellen Tod aus dieser Welt nahm. Heulte aber danke ich dem Herrgott und freue mich über den Weggang meines Mannes ins ewige Leben, daß er nicht mehr mit uns dieses schreckliche Elend und Unglück zu erleben brauchte, welches uns alle mit dem bittersten Tode bedroht. Ich habe damals bitterlich geweint, als ich ihn zu Grabe trug; jetzt weine ich noch bitterlicher, daß ich nicht bei ihm im Grabe liegen kann. Abra» Meine allergnädigste Herrin! Wie bist Du heute so überaus betrübt? Wo Du doch manchmal in allem Kummer und Unglück geduldig ausharren und andere trefflich trösten kannst. Judith: Auch heute vermag ich den Willen Gottes und eine gerechte Strafe zu ertragen. Aber das müßte ein steinernes .und kein menschliches Herz sein, welches sich nicht über solch große Kot dieser bedrängten Stadt erbarmte. Der Richter und der Älteste gehen mit allen Bürgern und suchen Wasser, wo keines zu finden ist. Die Kinder und Säuglinge schreien Tag und Nacht vor Durst. Ihren Müttern versiegt die Miloh in den Brüsten, denn sie haben selbst nichts, womit Bie ihre Seele letzen können. Das Vieh steht ebenso und leckt die Wände vor übergroßem Durst. Und wieviele Tiere von meinen Sohafherden sind bereits verendet. Abra: Ach, meine geliebte Herrin! Gestern hat mir selbst das Herz im leibe wehgetan, als ioh ein Schaf in unserem Garten zwei tote Lämmer gebären sah, die die Zungen aus dem Maul heraushängen ließen zum Zeichen, daß sie im Mutterleib vor Durst gestorben sind. Auch das Schaf gab gleich darauf seinen Geist auf.

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Judith: So sehr dauert Dich ein unvernünftiges Gesohöpf., um wieviel mehr müssen mich so viele vernunftbegabte Seelen dauern, die ebenso wie die Tiere vor Durst zu Bterben gezwungen sind, wenn Gott der Herr nicht auf wunderbare Weise Hilfe gewährt. Abra: Ja, groß ist das Elend, das auch heute noch vielen Menschen den Tod bringen wird. Judith: Ist denn kein Wasser mehr in den Brunnen? Abra: 0 meine Herrin! loh sah heute morgen mit eigenen Augen, daß eine Mutter ihr dreijähriges Kind in einen Brunnen legte, damit es nur die Tropfen vom Boden auflecke und seine ermattete ausgetrocknete kleine Zunge wenigstens ein bißchen benetze. Judith: 0 barmherziger Gott! Schicke uns aus der Höhe des Himmels Deine Hilfe herab! Denn die Not ist jetzt so groß, daß sie kein anderer als nur Gott der AI1mäohtige allein abwenden kann. Ich weiß, und mein Herz verkündet es mir, daß Gott der Herr uns bald wunderbare Hilfe gewähren wird. Du, Abra, geh füglioh auf den Markt, um zu hören, worüber unsere Ältesten und Richter beraten, was sie vorhaben, wie sie der Stadt Bat zu schaffen gedenken und welche Kunde sie von den Feinden haben. Ich gehe wieder in unser Haus, um in meiner Kammer das Meine zu tun. Du aber kehre bald wieder zurück und bringe mir eindeutige Antwort. Abra: Sehr wohl, Herrin! Ich werde mich nioht lange aufhalten.

5. Akt. 1. Szene: Abdija, Thinees, Osias, Othniel, Abra. Abdi.la: Ach, o wehe unseren armen Brauen und Kindern! Thinees: 0 wehe, wehe unseren iltesten und Rijohtern dieser Stadt, die uns so elendiglioh dem jämmerlichsten Tode des Verdurstens preisgeben.

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Abdi.la: 0 wieviel besser haben es jetzt die, denen des Holofernes schneller Säbel mit einem augenblicklichen und gleichsam nicht zu fühlenden Hieb dieses unglückliche leben verkürzt hat und sie zum Ausruhen ins Gras gestreckt hat. Thinees; 0 wie gern möchte ich meine fünf armen Kinder, welche zu Hause liegen und sich im letzten Durst hin- und herwerfen, vor des Pfi

Holofernes zweigeschliffenes opfertötendes Sohwert werfen und meine durstige Seele wenigstens einmal mit ihrem Blut tränken und ihren Durst stillen. Abdi.ja: Ich möchte noch heute sterben, damit ich morgen das furchtbare Elend meiner Verwandten und Diener nicht mehr zu sehen brauche. (Osias und Othniel kommen). Osias: Ach, verehrter Othniel! Wenn es wahr ist, so gibst Du uns den guten Trost, daß Holofernes mit all seiner Heeresmacht unseren Mauefn nichts anhaben kann. Doch womit soll ich die armen Bürger mit ihren Brauen und Kindern trösten, die ich, damit sie sich einmal an kühlem Wasser satt trinken können, nicht einen Tag mehr vor dem Tode erretten kann? 0 grausamer Durst schlimmer als selbst Holofernes . Abdi.la: 0 Ihr Ältesten! Thinees: 0 unbarmherzige Richter! Othniel: Was für lärm? Was für Geschrei? 7, Thinees: Gott sei Richter zwischen Euch und uns, daß Ihr uns in 13 solche Hot gebracht habt, weil ihr nicht erlaubt, daß wir mit den Assyrern Brieden schließen, denen uns Gott doch in die Hände gegeben hat. Osias: Geliebte Brüder, liebe Kinder! Tut nicht so etwas Böses! Erwartet Hilfe von Gott! 7, Abdi.la: Wir haben keine Hilfe mehr, sondern müssen vor den Augen 14 der Heinde vor Durst Jämmerlich verschmachten und umkommen.

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Othniel: Was sollen wir tun, Ihr Lieben? Was sollen wir anfangen, wenn Gott uns noch, nicht seine Hilfe gewähren will? Ist es uns möglich, die Pforten des Himmels zu öffnen und Wasser und Regen herabzulassen? Abdija: Es ist nicht nötig in den Himmel zu steigen! Ihr könnt hier unten auf der Erde Hat und Hilfe finden. Osias: Wie, sagt an! laßt uns hören! Abdi.ja: Fordert das Volk zusammen, damit wir uns dem Holofernes 7, freiwillig ergeben. Denn es ist besser, daß wir uns ergeben und 15 am Leben bleiben und also Gott loben, als daß wir umkommen und vor aller Welt zu Schanden werden und sehen sollen, daß unsere Krauen und Kinder vor unseren Augen so fürchterlich sterben müssen. Othniel: 0 liebe Freunde! Das ist kein guter Rat. Denkt daran, wie das ganze Land Judäa auf unsere Grenzstadt sein Vertrauen setzt. Wenn wir untergingen, geht auch ganz Israel zugrunde. Wollen wir deshalb Verräter am ganzen Volk Israels werden? Kein! Das sei fern, geliebte Brüder, daß wir solches tun. Osias: Erinnert Euch, wie der treue Oberpriester Jojakim uns er27 mahnt hat, daß das ganze Volk Gottes beständig Krieg führt Und wenn wir uns jetzt diesem grausamen Feind ergeben, dann werden wir Einwohner Bethulias bei allen Israeliten für immer in Schimpf und Schande sein. Ja, sie werden uns dann aus dem Geschlechte Abrahams und seiner Abstammung streichen und uns mit unseren Nachkommen den Heiden gleichstellen. Thinees: 0! Wir bezeugen heute vor Himmel und Erde und vor unserer 7, Väter Gott, der uns jetzt straft um unserer Sünden willen, daß wir 17 Euch gebeten haben, die Stadt des Holofernes Kriegern zu übergeben, daß unser Ende kurz sei im Rachen des Schwertes und daß wir nicht vor Durst verschmachten. Weh, weh, weh! 7, (Er weint, alle schreien und klagen) 18 Thinees: Wir haben gesündigt, wir haben gesündigt samt unseren

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Vätern, wir haben übel gehandelt und sind gottlos geworden.

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7, Abdi.ja: Da aber, o Herr, der du barmherzig bist, sei uns gnädig 20 und in deiner Strafe sühne unsere Schuld und übergib uns, die dich bekennen, nicht den Heiden, die dich nicht kennen, daß sie nicht 7, sagen und sich rühmen: Wo ist nun ihr Gott? 21 (Hier weinen und klagen wiederum alle). Osias: Schweigt, liebe Brüder! Hört mich an! Die Not ist groß und 7, der Durst unerträglich. Doch schon zwanzig Tage haben wir aus lie12 be und Treue zu unseren Brüdern in Israel durchgehalten, und soll7, ten wir nicht noch eine kurze Zeit diese Kot ertragen können? 0 lie22 be Brüder! Habt noch Geduld und laßt uns noch fünf Tage des Erbarmens von Gott dem Herrn erharren, ob er seinen Zorn abhauen und Huhui seinem Hamen geben werde. Wenn uns nach diesen fünf Tagen keine Hilfe kommt, so werden wir tun, was Ihr gebeten habt, und uns dem Holofernes ergeben. Thinees: 0, wir wollen gern, wie gehorsame Bürger, dies tun. Was uns Männer anbetrifft, so können wir noch fünf Tage den Durst ertragen. Aber wie wir unsere armen Erauen und Kinder durchbringen sollen, das wissen wir wahrlich nicht. Osias: Hört mich an, liebe lireunde! Auf dem Marktplatz steht noch ein Brunnen voller Wasser, den ich bislang für die höchste Not unter Verschluß hielt. Jetzt lasse ich ihn aufschließen und täglich an Jedes Haus nach der Zahl der Personen ein bestimmtes Maß Wasser austeilen, daß man sich wenigstens ein bißchen erfrischen kann. Othniel: Ich lasse einen Ausfall machen zu einer Quelle nahe des rjQ

Uschtores , ob ich nun dem Feinde Wasser oder wenigstens Blut abgewinnen kann. Abdi.ja: Aber wir möchten noch sagen, daß wir länger nicht aushalten können. Wenn fünf Tage vorüber sind, werden wir entweder frei sein oder uns dem Feind in die Sklaverei übergeben. Osias: Gott möge uns retten! Geht nur und tröstet Eure Mitbürger, Krauen und Kinder. Betet und ruft zu Gott dem Herrn, daß er uns Hilfe gewähre!

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Thinees: Das wollen wir schon ausrichten. Gott möge uns hören. (Gehen ab). Abra: Auf diese Weise werden sich hier nach fünf Tagen wunderbare Szenen abspielen. Ich fürchte, daß dann uns Mädchen die assyrischen Gäste freien werden. Meinethalben mag es geschehen, wie sie es vorhaben. Vielleicht kriege ich bei solcher Gelegenheit auch einen Mann auf ehrliche Art. Inzwischen will ich all dies meiner Herrin melden und ihr raten, daß sie rechtzeitig Gold, Silber, Perlen und Edelsteine vergrabe und in der Erde verstecke, damit sie den assyrischen Kriegern nicht zur Beute werden. Wenn aber ein guter Krieger kommt und sich wirklich mit mir verbinden will, so werde ich ihm helfen, den Schatz zu finden, und so mit ihm auch mich bereichern und im Wohlstand leben. Denn meine Herrin hat kein Kind und keinen Erben, und so kann sie mir dies für meine treuen Dienste abtreten. 5. Akt. 2. Szene: Oreb, Selum, Somnas, Salman und Susakim. (trinken fröhlich, während sie bei einem Brunnen auf Wache stehen. Vane^a überfällt sie plötzlich mit sechs Mann und vertreibt sie vom Brunnen). Oreb (singt):

0 Brüder mein! Nicht getrauert, noch bekümmert, sondern freut Euch! Wer weiß, wer von uns morgen noch lebt. Kühn gewagt, solang ihr lebt! Nicht verzagt, sondern freut Euch, solange das Herz noch im Leibe schlägt.

Selum:

Geliebte Brüder! Trinkt aus den Wein! Kräfte gibt er, Herzen stärkt er, daß man den Tod nicht fürchten muß.

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Wein doch macht, daß sich freut der Mensch im leben, und auch beim Sterben ganz erfüllt ist von Tapferkeit! Somnas:

Geliebte Brüder! Erfrischet Euch! Den Schlaf vertreibet, die Waff' bereitet! Es lebe Holofernes, er lebe hoch! ich bin so lustig, freue mich auch und trinke Dir zu, Bruder, auf die Gesundheit der schönen Mädchen in Bethulia.

(Hier erfolgt der Ausfall). Vane.la: Greift sie an, Krieger, drauf los, drauf los! Susakim: Wer da! Wer da! Wer da! Vane.la: Greift diese Hunde an, auf sie, auf sie! Salman: Alarm, Leute

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! Alarm, Alarm!

Vane.la: Drauf los, drauf los, frisch gewagt! Nehmt diesen Hund gefangen! Susakimi Verschonet [mich], meine Herren! Verschonet mich, schenkt mir das leben. Ich habe mein leben lang keinen einzigen Juden erschlagen. Vane.ja: Du, Hund! Wozu hast Du Säbel und Waffe? Susakim: Mit dieser Waffe habe ich nur Schweine getötet, und [mit dem Säbel]30 H e i s c h zu Wurst gehackt, aber nie im leben damit einen Menschen berührt.

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Vane.ja: Wenn doch Dir und allen Deinen Genossen alle unsere Schweine mit Haut und Haar in Euren Bäuchen steckten, und wir wenigstens Ruhe vor Euch hätten. Sage mir, Du Hund! Was hat Euer Holofernes vor? Was macht er? Sueakim: Er macht dasselbe wie wir, er ißt und trinkt, freut und vergnügt sich. Vane.ja: Umgibt ihn eine starke Wache? Susakim: Ja, um ihn sind beständig 1000 Mann seiner Leibwache. Jedoch ist Euer guter Wein noch stärker, denn er erlaubt es dieser Wache bei Nacht nicht, munter zu bleiben. Vane.la: Was denkt Holofernes? Will er nicht einmal die Stadt im Sturm angreifen? Susaklm: Nein, dazu hat unser Heer keine Lust.- Holofernes aber hofft, daß Ihr selbst zu ihm aus der Stadt herauskommt und um Gnade bitten werdet, wie es schon andere Länder gemacht haben. Vane.la: So, so! Wir werden zu ihm kommen mit Pech und Schwefel, mit Eisen und Stahl. Soldaten! Nehmt diesen Hund und führt ihn gebunden in die Stadt, damit wir dort noch mehr aus ihm herausholen! Indessen sollen die Bürger herauskommen und sich etwas Wasser schöpfen. 5. Akt. 3. Szene: Osias, Judith, Abra, Chabri, Charmi, Othniel. Osias: Es geschieht sicher nicht umsonst, daß die edle i^rau Judith zu uns geschickt hat und wünscht, daß wir uns hier versammeln und ihre Ankunft erwarten einer dringenden Unterredung wegen. Chabri: Ja, sie hat mich und Charmi gebeten, daß wir Euch an diesen Ort rufen, und selbst wollte sie sogleich hierher zu Euch

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kommen und Euch etwas für die Stadt Nützliches vorschlagen. Da kommt sie schon selbst zu Euch gegangen.

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Judith: Was, Abra, hast Du richtig gehört, daß Osias und Othniel gedenken, nach fünf Tagen dem Peind die Stadt zu übergeben. Abra: Ja, ehrwürdige Herrin! Ich habe mich noch nie verhört. Wie sollte ich das nicht gehört haben? Sieh, da sind die Ältesten versammelt, auf daß Du selbst sie darob befragen magst. Judith: Gott segne Euch, gute Väter dieser Stadt! Osias: Gott segne und liebe Dich, tugendreiche und fromme Krau! Nach Deinem Wort sind wir hier versammelt, um zu hören, was Dein kluger Rat uns Gutes mitteilt. Judith: Wo[mit] soll ich beginnen? Was ich zuerst sagen und fragen 8,9 möchte: Ob Ihr erlaubt habt, die Stadt den Assyrern zu übergeben, wenn uns innerhalb dieser fünf Tage keine Hilfe kommt? Osias; Die übergroße Not und die Ungeduld der Bürger zwingen uns dazu. 8, 10

Judith: Weh mir! Wer seid Ihr, die Ihr Gott den Herrn versuchet. Das ist kein Wort, welches Gnade hervorruft, sondern vielmehr Zorn erweckt. Wollt Ihr der Gnade des Herrn nach Eurem Gefallen Zeit und Tag bestimmen, wann er uns helfen soll? Osias: Verehrte Herrin! Keineswegs wollten wir damit der Gnade des Herrn eine Zeit bestimmen, sondern nur die Empörung des Volkes und seine Ungeduld beschwichtigen und ein wenig eindämmen, in der festen Hoffnung, daß Gott der Herr uns inzwischen echte Hilfe gewähren wird.

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Judith: Doch Gott ist geduldig. Darum laßt uns das leid sein und Vergebung suchen mit Tränen. Denn Gott zürnt nicht wie ein Mensch, daß er nicht vergebe. Darum sollen wir uns demütigen von Herzen

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vor ihm und ihm beständig dienen. Othniel: Immer haben wir, ehrwürdige Herrin, ein tapferes Herz gehabt, u m dem Gegner bis zum letzten Blutstropfen Widerstand zu leisten und eher zu sterben als uns diesen Barbaren zu ergeben. Aber die innere Qual und Not dieser so lange schon belagerten 98

Stadt sind so groß, daß sie auch den tapfersten Krieger in große Zweifel bringen. Judith: Was bringt in Zweifel? Eher steht' es uns an, in Zuversicht zu sein, daß wir uns nach diesem Jammer wieder freuen mögen, daß 8, wir nicht gefolgt sind den Sünden unserer Väter, die ihren Gott 15 verließen und fremde Götter anbeteten, darum sie ihrer Sünden willen ihren Feinden auf Verderben und Schmach übergeben wurden. Wir 8, aber kennen keinen anderen Gott als den, von dem wir Hilfe erhof- 16 fen. Er wird unser Blut an unseren Feinden rächen und alle Völker, 8, die gegen uns aufstehen, demütigen und sie ehrlos machen, der Herr,17 unser Gott! Chaxml: Fürwahr, daran zweifeln wir nicht. Aber wie kann man unterdessen uns armen Leuten Hilfe schaffen, die aus Ungeduld über dieses unerträgliche Elend beinahe in Verzweiflung geraten? Ja, wie sollen wir unsere armen Frauen und Kinder fernerhin trösten, die schon vor Durst sterben und ferner keinen Trost annehmen wollen? Chabrl: Zur Zeit ist allerdings in der Stadt das Weinen und Klagen der armen Bürger verstummt, denn die festgesetzte fünftägige Frist deutet das Ende ihrer Hot und einen besseren Abschluß ihres Leidens an. Indessen stellen sie am Morgen ihre geöffneten Münder unter den herabfallenden kühlen Tau, um ihre vertrockneten Zungen zu erfrischen. Am Abend zählen und überrechnen sie, wieviele Stunden ihnen noch zu ihrer Rettung oder zum erwünschten Untergang bleiben. Wenn aber diese festgesetzten fünf Tage verstrichen sein werden, o mein Gott, welch ein Jammer, welch Weinen und Klagen wird sich unter den Bürgern erheben! - Und sie werden sich entweder selbst aus Verzweiflung gegenseitig umbringen oder uns von den Mauern hinabstürzen und dem Feinde selbst die Tore öffnen. Judith: 0 Ihr lieben! Sprecht nicht so! Dieweil Ihr die Ältesten seid, steht es Euch an, die Menschen zu belehren und sie mit Eurer Weisheit zu ermahnen, auf daß sie bedenken, wie unsere Väter auch versucht wurden, ob sie ihrem Gott den Dienst leisten. Ist nicht Abraham auf mancherlei Weise versucht worden und erst nach vielen Anfechtungen Gottes Freund geworden? Haben nicht auch Isaak und Jakob und Moses und alle, die Gott den Herrn lieben, ständig viele Trübsale erduldet? Aber die vielen in Israel, die in Kot wa-

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ren und mit Ungeduld wider Gott den Herrn gemurrt haben, sind vom Verderber vernichtet worden oder von den Schlangen umgekommen! Darum laßt uns in diesem leiden nicht ungeduldig werden, sondern lieber bekennen, daß diese Strafe Gottes geringer ist als unsere Sünden, und glauben, daß wir die Strafe erhalten wie Knechte zur Besserung, und nicht zum Verderben. Osias: 0 welch heiliges und gottesflirchtiges Weib Du bist! Wie wahr und untadelig hast Du gesprochen. Leine Herzen bewegenden Worte geben uns nicht nur Trost, sondern stellen uns auch unsere Sünden vor Augen. 0, bitte für uns zu Gott dem Herrn, wir aber wollen Deinem weisen Vorschlag folgen. Wissen wir doch, daß er von Gott kommt.

8, Judith: Wohl denn! Weil Ihr anseht, daß aus Gott sei, was ich Euch 25 gesagt habe, so wollet auch prüfen, ob das, was ich zu tun vorhabe zum Nutzen unseres Vaterlandes, auch aus Gott sei. Ich will nicht, daß Ihr meine Tat erfahrt, die ich mir auszuführen vorgenommen habe, sondern richtet nur Gebete für mich zu Gott dem Herrn, auf daß er mir dazu Hilfe gebe. Richter Othniel: 0 Krone aller weisen, von Gott begnadeten brauen! Debora 4, hat einst die Israeliten von der Plage des kanaanitischen Jeldherrn 4 Sisera befreit. Gebe Gott, daß Du unsere Debora wirst und uns von der Plage des Holofernes befreist! Judith; Still, still! lärmt nicht! Denn ich weiß nicht, was Gott 8, tun will. Aber Gott ist bekannt, was ich zu tun gedenke.. Betet zu 26 ihm, daß er in diesen fünf Tagen, wie Ihr gesagt habt, die Seinen aufsuchen möge. Charmi; Dann machst Qu uns Hoffnung für' die fünf Tage! 8, Judith: 0, geduldet Buch und erforschet mich nicht mit vielen Wor27 8, 26 8, 27

ten, sondern versammelt Euch diese Nacht und Ich werde mit meiner Magd hinausgehen und im liehen Lagers zu Gott dem Herrn beten. Betet zu Gott dem Herrn, daß ich Euch weiter sagen sollt.

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erwartet mich am Tor. Angesicht des feindauch Ihr währenddessen kann, was Ihr tun

Oblas: Gehe denn, süßeste Trösterin unseres Kummers! Gehe hin in Frieden, tue nach Deinem Gutdünken, und der Herr sei mit Dir zur Bache an unseren Feinden. Judith: Ich gehe Jetzt in meine Kammer, und bereite mich vor zum Dienst an Gott zu dem, was Gott mir in den Sinn gibt. Lebt wohl, liebe Freunde! Osias: leb wohl, ehrwürdige Freundin! Wir werden ebenfalls solange beten und in Schweigen und Zuversicht verharren. 5. Akt. 4. Szene: Achior, Vaneja, Susakim. Achior: Wenn es auch nur wenig Wasser war, das Du, tapferer Vaneja, dem Feinde abgerungen hast, so war es doch eine große Erfrischung wenigstens für die kleinen Kinder. Wahrhaftig, Du hast allen eine treffliche Tat getan. Vane.ia: 0 wenn doch alle assyrischen Krieger solche ängstlichen Hunde wären wie die, die ich vom Brunnen verjagt habe, dann würde ich mich unterfangen, ihnen alle Brunnen wegzunehmen. Ja fürwahr, Holofernes1 Deute sind richtige Säufer und ängstliche Nichtstuer. 31 Schau nur gnädiger Purst Achior, was das für ein Früchtchen-^ ist, das wir gefangen und hierher gebracht haben. Achior: Sieh her, Du noch ungehenkter Dieb! Wie bist Du bisher dem Galgen entronnen und hierher gekommen? Susakim: Ich bin von meiner Natur aus ein guter Kavalier und habe den Herrn Leutnant Vaneja von unseren Brunnen bis hierher sogar in sein Haus begleitet. Aber in Bethulia gibt's gar sehr grobschlächtige Leute, die einem Kavalier wenig Ehre erweisen, denn niemand will mich jetzt zurück in mein Lager geleiten. Vaneja: An den Galgen mit Dir, Hund! Dort wird Dir Meister Nikel das ist der Henker^2- als Begleiter zur Seite gestellt. Achior: Du aber, Generaloberster^ aller Verräter! Kannst Du noch so höhnen? Kennst Du mich noch? 101

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Susakim: Wie sollte ich Dich kennen, gnädiger Herr? Kenne ich mich doch wegen dieser Scherze selbst nicht mehr. Achior: Jetzt nennst Du mich gnädiger Herr. Wie hast Du mich damals genannt, als Du mich an den Baum fesseltest? Susakim: (spricht heimlich zu sich): 0 hätte ich ihn doch damals erwürgt, so könnte er jetzt nicht so großtun. Achior: Was brummst Du da, Hund? Was murrst Du? Wieso schweigst Du, Du Eindvieh, Du Eselsfüllen? Rede, Du Gaudieb! Susakim: Ich bin kein Dieb, kein Eselsfüllen, kein Rindvieh, ich bin kein Hund und überhaupt kein Mensch. Achior: Was bist Du denn? Susakim: Ich bin ein Ding, das den Dorfleuten ärger zusetzt als Schaben, aber Namen habe ich keinen. Achior: 0 Galgenvogel? Kenne ich Dich nicht? Heißt Du nicht Susakim? Susakim: Nein, gnädiger Herr! Diesen Namen habe ich damals in den Brunren fällen lassen, als mich Vaneja gefangen nahm. Achior: 0 Du spielender Spaßmacher! Vane.ja: Gnädiger Fürst Achior! Sieh, dort kommt ein Stadtherr, unser Oberster Othniel. Othniel: Mein Herr Achior! Ich freue mich, daß ich Dich hier gefunden habe. Ich bitte Dich inständig, zum Nutzen dieser Stadt mit mir in mein Haus zu gehen und über die Vorhaben der iteinde etwas heimlich unter uns zu besprechen. Achior: Sehr wohl, mein ehrenwerter Herr Othniel! Doch ich bitte Dich, m^r zu raten, was ich mit diesem Galgenvogel machen soll?

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Othniel: Mit welchem? Mit diesem Gefangenen? Aohior; Mit diesem! Dieser Henkersknecht hat mich an den Baum gebunden, an dem mich der Herr Leutnant hängend gefunden hat. Othniel: 0 Du verdammter Kerl! Wie hast Du gewagt, derart an einem solchen Pürsten zu handeln. Susakim: Was Holofernes befahl, hat man es nicht richtig und gut ausgeführt? Achior: Doch Holofernes hat nicht befohlen, mich an den Baum zu binden, sondern ungefesselt und frei an Bethulia auszuliefern. Susakim: Und mich hat Vaneja gefesselt und gefesselt hierher geführt. Othniel; 0 trefflicher Vergleich zwischen Dir Früchtchen und solch einem Herrn, wie Achior ist. Susakim: Wenn Du, allerstrengster Herr und Stadthauptmann, der Oberhetmann Holofernes wärest und der schreckliche Oberhetmann Holofernes - Othniel wäre, dann würde ich auf Deinen Befehl den Holofernes, der Othniel war, bei Lebenszeiten hängen lassen. Wäre das nicht gerecht? Othniel: Gut, gut! Diese Scherze werden bald ein Ende nehmen. Was meinst Du, mein gnädiger Herr Achior, wollen wir diese Portion Diebsfleisch dem Holofernes zur Schau an der Mauer aufhängen und fragen, ob es recht getan ist? Susakim: Hein, meine Herren! Ich bitte Euch, verschont mich mit solchen Scherzen. Mein Hals ist nicht gewöhnt zu hängen. Besser wäre es, ich hätte auf solche Weise gar keinen Hals. Achior: Es Bei denn so! Dein Wort gehe an Dir selbst in Erfüllung, daß Du in Zukunft ohne Hals sein wirst. Mein Herr Othniel! Ich ersuche Dioh, wenn meine Bitte Dir recht ist, so lasse ihm den Kopf abhauen und ihn ohne Hals laufen, dann braucht er nicht zu hängen. 103

Othniel; Mein Herr Achior! Nichts, worum Du bittest, soll Dir verweigert werden. Soldaten! Packt ihn also und führt ihn zum Scharfrichter Dooch, damit ihm gegen Morgen der Kopf abgehauen werde! Mit Dir, Verräter, wird kurzer Prozeß gemacht. Sueakim: Ja, fürwahr, kurzer Prozeß, wenn eine Spanne meiner Länge abgeht. Othniel: Führt diesen Hund fort, fort! (Hier packen die Soldaten Susakim und führen ihn weg). Achior: Mein ehrenwerter Herr Othniel! Ich bin durch Deine zuvorkommenden Worte kühn geworden, da Du mir versichert hast, daß [alles], worum ich auch immer bitten werde, mir nicht verweigert werde. Othniel: Ja, gnädiger Fürst! Ich wiederhole meine getane Bede mit allem Nachdruck. Achior: Ich bitte Dich denn, daß die Hinrichtung an diesem erbärmlichen Menschen nicht vollzogen werde, denn wie Dir selbst ersichtlich ist, ist er nicht ganz bei vollem Verstand. Er soll nur um des Schrecks wegen hinausgeführt und, wenn er unter dem Schwert niederkniet, begnadigt werden. Wird er dereinst vom Heidentum bekehrt werden, dann werden wir der Anlaß zur Rettung seiner Seele sein. Othniel; Fürwahr, Du hast weise gesprochen, gnädiger Fürst! Herr Leutnant Vaneja! Gib Befehl, daß man ihn am Morgen um des Schrecks wegen unter das Tor zur Hinrichtung führe, und, wenn er auf die Knie fällt, befiehl dem Scharfrichter, daß er statt eines Schwertes einen Fuchsschwanz benutze. Danach verkünde ihm, daß er durch die Fürbitte des Fürsten Achior sein Leben geschenkt erhielte. Vaneja: Jawohl! Mein Herr und Oberst! Dieses Schauspiel wird uns alle in unseren Kümmernissen ein wenig erheitern.

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Othniel: Ehrwürdiger Fürst Achior! Beehre mich, daß Du zu mir in mein Haus zu kommen geruhst. Ich habe noch einen kleinen Krug Wein, den ich mit niemandem lieber als mit Deiner Wohlgeboren teilen möchte. Dabei will ich mich gern über Holofernes' Lager, und seine Kriegsgewohnheiten unterrichten lassen. Achior: Sehr wohl, mein Herr Othniel! Kein Geheimnis soll Dir von mir verborgen bleiben, soweit ich über Holofernes' übliche Kriegspläne Bescheid weiß. Ich kann dazu auch einige Hinweise geben, wie man sich über sein Heer Gedanken machen kann. Othniel; Herr Leutnant! Geh indessen auf die Stadtmauern und richte alle Wachen fest ein! Ich komme in zwei Stunden wieder zu Euch. Vane.la: Meine Pflicht werde ich erfüllen und nichts unterlassen. Lebt wohl! (Gehen ab). 5. Akt. 5. Szene: Judith: (in ihrer Betkammer): Wenn auch die Not groß ist, so muß doch das Vertrauen zu Gott dem Herrn noch größer sein. Wenn alle menschlichen Bemühungen zunichte geworden sind, so ist die Allmacht Gottes nicht zunichte. Wenn die Hoffnung schwach ist, so muß das Gebet umso stärker sein. Ich will meine Knie beugen und die Hände zu Gott dem Herrn erheben, meine Tränen aber an seinen gnadenvollen Füßen vergießen, mit meinem Seufzen sein barmherziges väterliches Herz rühren. Denn ich weiß, daß ich so für mich Rat und Stärkung, meinem Volk aber Hilfe erwirke. (Hier kniet Judith nieder und betet): Herr, Gott meines Vaters 9,2 Simeon, dem Du das Schwert gegeben hast, die Heiden zu strafen, die Notzüchtiger waren in ihrer Unzüchtigkeit und das Fleisch der Jungfrau zur Schande entblößten, und der Du gegeben hast ihre Weiber und Töchter in Gefangenschaft und alle Gefangenen Deinen Knechten zur Beute, die da in Deinem Eifer geeifert haben! Hilf mir armen Witwe, Herr mein Gott, ich bitte Dich! Denn Du hast ge- 9,3 tan das Frühere und gedacht das andere danach, und es geschah, was Du gesagt hast, denn alle Deine Wege sind ausgetreten, und Du 9,4 hast Deine Geschicke in Deiner Vorsehung festgelegt. Schaue jetzt auf der Assyrer Lager, wie Du vorzeiten auf der Ägypter Heer 9,5 105

schautest, da sie Deinen Knechten bewaffnet nachjagten, vertrauend auf ihre Wagen, Reiter und großes Kriegsvolk. Du aber schau9.6 test auf ihre Krieger, die Sinsternisse erschöpften sie, und der 9.7 Abgrund ersäufte sie, und die Wasser bedeckten sie. Also geschehe 9.8 auch Jetzt diesen, Herr Gott, die da trotzen auf ihre Vielzahl und sich brüsten mit ihren Wagen und Reitern Und Pfeilen und Lanzen und nicht wissen, daß Du unser Gott bist, der Du die Kriege vernichtest von Anfang, denn Herr ist Dein Name. Strecke aus Deinen Arm wie 9.9 vorzeiten und zerschmettere ihre Macht an Deiner Macht, auf daß ihre Stärke falle, durch Deinen Zorn, die geloben, Dein Heiligtum zu schänden und das Vermächtnis Deines Namens zu verderben und mit ihrem Schwert das Horn Deines Thrones abzuhauen. Mache, Herr, daß 9, mit seinem eigenen Schwert sein Hoohmut abgehauen werde und daß er 10 von seinen Augen an mich gefesselt werde und daß Du ihn mit den 9, schönen Worten meines Mundes betörst. Gib mir ins Herz den Mut, daß 11 ich deine Macht vernichte und ihn sttirze. Denn das wird Deinem Na9, men zum Gedenken sein, wenn die Hand eines Weibes ihn erschlägt. 12 Denn nicht in der Menge ist Deine Stärke, Herr, noch in starken 9, Rossen Dein Wille, und nicht die Hoffärtigen haben Dir je gefallen, 13 aber allezeit haben Dir gefallen die Demütigen und Sanften mit ihrem 9, Gebet. Gott des Himmels, Schöpfer der Wasser und Herr aller Schöpfung! 14 Erhöre mich Arme, die ich bete und auf Deine große Barmherzigkeit 9, vertraue! Gedenke, Herr, an Deinen Bund und gib das Wort in meinen 15 Mund und stärke in meinem Herzen den Rat, auf daß Dein Haus in Heiligkeit bleibe und alle Heiden erfahren, daß Du allein Gott bist und kein anderer außer Dir ist,

6. Akt. 1. Szene: Osias, Chabri, Charmi, Othniel, Judith, Abra. Osias: Was sagst Du, Chabri? So schmüokt sich Judith prächtig und will zu Holofernes ins Lager gehen? Chabri: Ja, eben kam ich von ihr und sah sie angetan mit ihrem 10, schönsten Gewand, wirklich einem Engel gleich. Sie befahl auch 6 ihrer Magd, ein Gefäß mit Wein, einen Krug mit Öl und Mehl, Feigen, Brot und Käse mit auf den Weg zu nehmen. Mioh aber bat sie, daß ich Euch Herren beim Tor zusammenrufe, und sie selbst wollte unverzüglich hierher kommen. 106

Gharnli Seht, dort kommt sie schon! Osias: 0 Gott! Das ist das Bild eines Engels. Ich sah sie noch nie 10, in soloher Schönheit. Mich dünkt, daß Gott selbst ihr diese Anmut 5 in die Augen gelegt hat. Judith: Gott wird Euch zu Hilfe kommen, Ihr lieben! Öffnet mir die kleine Tür dieses Tores und laßt mich hinausgehen. Othniel: Aber, ehrenwerteste Herrin, bringst Du Dich, Deine Ehre und Dein Leben nicht selbst in große Gefahr, vor allem Deiner unvergleichlichen Schönheit wegen? Judith: Nicht aus fleischlicher Lust habe ich mich geschmückt, son-10, d e m Gott dem Herrn zu Buhm und Ehre. Er wird meine Schönheit für 5 den, der sich von ihr verführen läßt, in eine falle verwandeln. Doch haltet mich nicht länger zurück! Osias: Wohl denn, nichts mehr wollen wir Dich gemäß Deinem Worte 10, fragen, noch verlangen wir Dein Vorhaben zu erfahren. Geh in Jrie- 9 den! Der Gott unserer Väter gebe Dir Gnade und stärke Dein Vorhaben mit seiner Kraft, daß sich Israel Deiner rühme und Dein Name unter die Heiligen und Verehrenswürdigen gerechnet werde. Alle: (sprechen): Amen, so sei es! Judith: Abra, folge mir! Abra: Ach, gnädige Herrin, eine solche Furcht ist über mich gekommen, daß mir schier das Herz aus dem Leibe springt. Judith: Weshalb fürchtest Du Dich so, Törin? Abra: Sage mir, meine Herrin! Wie sind die Assyrer? Sind sie so wie Menschen? Judith: Und wären sie wie Kälber, was machte es Dir?

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Abra: Kälber fürchte ich nicht und Menschen auch nicht. Aber was die Assyrer für Tiere sind, das kann ich nicht wissen. Judith: Aber wenn ich mich nicht fürchte, was hast Du dann zu befürchten? Abra? 0! Mein leben ist mir auch lieb. Meiner Mutter hat es viel Mühe gemacht, bis sie mich auf die Welt gebracht hat. Wenn mich aber die Assyrer umbringen, so kann ich fürwahr ein so schönes leben auf dem Markte nicht für fünf silberne Kreuzer^ kaufen. Judith: Schweig, Du Schwatzhafte, mit diesen Märchen! Bete lieber und folge mir! 6. Akt. 2. Szene: Holofernes, Sisera, Melech, Mossolom (sitzen im Zelt und trinken). Holofernes: In drei Tagen muß diese Stadt endgültig in unseren Händen sein, oder ich, Holofernes, will den Kopf nicht mehr auf den Schultern tragen. Sisera: Gnädiger Feldherr! Weshalb lange warten? Wolle morgen den Trommler zu ihnen senden und ihnen verkünden lassen, daß sie sich bald ergeben sollen, solange noch Hoffnung besteht, Gnade zu erhalten. Wenn nicht, so befiehl dem Heer zu stürmen. Ich meine, diese Stadtmäuse werden dann anders zu piepsen beginnen, wenn sie die [rauhe] Wahrheit erkennen. Holofernes: Was soll ich diesen Hunden noch die Ehre erweisen, daß ich zu ihnen schicke? Hein, wahrhaftig, ich schwöre bei Nebukadnezars unvergleichlicher Krone: Wenn sie sich innerhalb von drei Tagen nicht freiwillig ergeben wollen, dann lasse ich die ganze Stadt so zerstören, daß ihre Teile bis nach Ninive fliegen werden und daß das Blut ihrer Bewohner sogar im Euphrat schwimmen wird. Melech: Wenn wir die Stadt kräftig stürmen, dann werden diese ängstlichen Hunde schon klein werden und sich ergeben wollen. Aber dann wird es zu spät sein.

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Sisera: Nein, mein Kamerad! Sie sind noch nicht so furchtsam, denn gestern haben sie einen Ausfall gemacht, unsere Wache vom Brunnen vertrieben und einen von unseren Kriegern, einen tüchtigen Kerl, gefangengenommen. Holofernes: Wagen diese Angsthasen noch so etwas zu tun? Sisera: Weil sie nicht herauszukommen wagen, denn dazu zwingt sie die große Not. Holofernes: Aber was macht dieser törichte Achior bei ihnen? Sisera: Ich glaube, daß er im Beten und Pasten verharrt und ihnen prophezeit, daß der Bürgermeister von Bethulia König von Ninive, er aber sein Hetman sein wird. Holofernes: 0 nein! Diesen neuen Propheten werde ich diesem neuen 35 König zur Warnung aufrecht stehend, mit vom Schwert durchbohrten Herzen malen, zur Erinnerung an seine irophezeihung. Aber ich hätte gern einen Gefangenen aus der Stadt. Melech: 0, das ist nicht leicht zu machen, wenn nicht wieder ein Ausfall geschieht. Holofernes: Gut, schickt rund um die Stadt Krieger aus, damit sie einige der Auskunft halber aus der Stadt herausholen. Inzwischen entschuldigt mich, ich gehe zur Ruhe. Alle: leb wohl, leb wohl, Holofernes! Ruhe wohl. Wir sind bei Deiner Gnaden. 6. Akt. 3. Szene: Selum, Somnas, Salman (stehen auf Wache). Judith und Abra (kommen heraus). Selum: Wie mag es jetzt unserem Bruder Susakim ergehen? Som-nns: Er wird wohl kaum noch gehen oder stehen, sondern in seiner ganzen länge am Galgen hängen.

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Salman; 0, wie wird OB ihm um den Hals kitzeln! Selum: Er war so ein guter Saufkumpan, seine Gurgel war sehr weit; zudem hat er ausgezeichnet gesungen. Salman; Ach, wenn doch dieser Dummkopf hätte ebenso gut laufen können wie er singen konnte, so wäre er längst ausgerissen wie wir. Somnas: Ja, wenn ihm die Pliße am Galgen noch nicht starr geworden sind, so könnte er auch jetzt noch ausreißen. Aber was lärmt hier in der Höhle? Selum: Wer da? Salman: Wer da? Judith: Gut Ereund, gut Ereund! 10, Selum: Wer bist Du? Woher kommst Du und wohin gehst Du? 12 (Abra verbirgt sich erschrocken hinter Judith) 10, Judith: Ich bin ein hebräisches Weib. 13 Abra: (spricht gleichzeitig): Ich hebräischer Ton. Judith: Und jetzt bin ich aus Bethulia geflohen. Abra: Aber ich wäre lieber wieder dort. 10, Judith: Ich weiß, daß sie in Buren Händen sein werden, denn sie 13 haben Buch verachtet und wollten nicht bei Euern Peldherrn Gnade suchen und sich willig ergeben. Selum: Können wir Dir das glauben? Abra: Ja, meine Herren, ich kann es bezeugen.

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Judith: fiirsten die ich daß ein

Selbst werdet Ihr es erfahren, wenn Ihr mich zu Eurem 10, Holofernes führt. Senn Ich will Ihm alle Heimlichkeiten, 14 weiß, offenbaren, wie er sie leicht überwinden könne, ohne einziger seiner Krieger umkommt.

Selum: Das wird Dir Sein Leben bewahren, daß Du eine solche Absieht hast. So gehe zu unserem Herren und wisse, daß, wenn Du vor ihn kommst, so wird er Dir gnädig sein und Du wirst in seinem Herzen die Liebste sein.

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Jadith: Gott sei mir. gnädig, wenn ich vor sein Antlitz trete. Abra: Mir auch. Selum: Was meinst Du, Bruder, wird Holofernes nicht die Augen aufreißen, wenn er ein so schönes Weib erblickt? Solanas: Wenn sie nicht selbst zu unserem ieldherrn gehen wollte, so wüßte ich schon was mit ihr anzufangen. Selum: Was denn? Somnas: Ich würde ihr das schöne Kleid ausziehen, das eine gute Beute wäre, um es meiner Brau als Andenken mitzubringen, und dieses hübsche Weib würde ich meinem Hauptmann als Geschenk darbringen, wie ich ihm schon vordem versprochen habe, und ich bin gewiß, daß er mich dafür reichlich beschenken würde. Salman: Halt, Bruder! loh glaube, auoh mir wird daraus ein Los zuteil. Somnas: 0, kann man Dich vielleicht mit diesem schönen Geschlecht zufrieden stellen, das hinter ihr steht?

}

Salman: So ein häßliches Habenaas möchte ich nicht geschenkt haben, und wenn sie ganz mit schönem arabischen Gold angetan wäre.

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Abra: 0 liebe Herren! Beleidigt mich nicht! Ich meine, mein leib und meine Herkunft sind nicht sehr schlecht beleumdet.•Ihr könnt mich in dunkler Nacht sowieso nicht gut erkennen. Judith: Schweig und rede nicht, Sohwätzerin! Euch aber, meine Herren, bitte ich; Mich und meine Magd beleidigt nicht! Sonst beklage ich mich über Buch beim Pürsten, wofür er Euch streng bestrafen lassen wird, Somnas: Schönes Weib! Kimm Deine Magd nicht zu sehr in Schutz! Ich weiß, daß kein ehrenwerter Mensch sie anrühren wird, aber von Dir spreche ich gar nicht. Selum: Nein, unsere Götter mögen uns vor so einem Unglück bewahren. Dir schönes Weib, wird von uns nicht die geringste Beleidigung zugefügt werden, sondern wir werden Dir jegliche Ehre erweisen. Gib mir Deine schöne Hand, ich werde Dich zu unserem Peldherrn führen. Judith: Ich bin kein kleines Mädchen, daß man mich an der Hand führen muß, Gott sei Dank kann ich selbst zu ihm gehen. Selum: So wollen wir Dich hinbegleiten. Judith: Was? Begleiten? Nur darum bitte ich Euch, daß Ihr mir den Weg zu Eurem Peldherrn Holofernes zeigt. Was zögert Ihr noch lange? Wollt Ihr nicht noch solange warten, bis die Soldaten aus Bethulia kommen, mich kriegen und Euch gefangannehmen oder erschlagen, wie sie es mit Eurem Genossen getan haben, den sie gefangennahmen? Salman: 0 Himmel und Erde! Tatsächlich, sie haben unseren ehrenwerten Bruder Susakim erwischt. Hier dürfen wir, Bruder, nicht weilen, laß uns schnell von dannen eilen. Abra: Und ich mit Euch, meine Herren! Und ich mit Euch!

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6. Akt. 4. Szene; Holofernes, Sisera, Judith, Mosollom, Melech, Oded, Abra. Holofernes: Was habe ich gehört? Unsere Krieger- haben diese Nacht ein edles hebräisches Weib gefangengenommen? Sisera: Ein gar wunderschönes Weib. Ich habe ihresgleichen mein Leben nicht gesehen. Mosollom wird sie sofort zu Deiner Gnaden bringen. Oded; Großmäohtigster Feldherr! Bort kommt Mosollom und bringt die Gefangenen mit. Holofernesi Welche himmlische Schönheit erstrahlt dort? 0 Wunder! 10 20 Wer von Euch Tapferen hätte geglaubt, daß es bei den stinkenden Hebräern so schöne Weiber gibt? Sisera: Wer schmäht noch die Hebräer, bei denen es so schöne Wei- 10 ber gibt? Und wie sollten wir nicht gegen sie zu Felde ziehenl

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Judith: Edelster und gnädigster Körst! Zu Deinen Füßen hat sich eine gehorsame Sklavin aus hebräischem Geschlecht gebückt, die in der Hoffnung gekommen ist, daß Deine Tapferkeit nicht nur die Widerspenstigen zähmen kann, sondern auch außerdem den Willfährigen Gnade zu erweisen bereit ist. Holofernes: Sisera und Mosollom! Richtet sie auf! Erwache, schö- 11 nes Weib, und sei getrost und fürchte Dich nicht in Deinem Herzen, 1 denn ich habe nie einen Mann getötet, der dem König Nebukadnezar 11 dienen wollte. Wenn Dein Volk mich nicht verachtet hätte, so hätte 2 ich nie einen Spieß aufgehoben wider sie. Nun sage mir, aus wel- 11 chem Grund Du von ihnen weggegangen und zu uns gekommen bist. 3 Judith: Gnädiger Fürst! Kimm die Worte Deiner Magd [gnädig] auf,

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mein Herr! Wenn Du nach den Worten Deiner Magd tust, so wird es

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Gott der Herr mit Dir wohl ausrichten. Holofernes: Wer hört nicht gern eine so wohlgefällige Rede? Sprich unbesorgt, schönes Weib!

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11, Judith: Gott der Herr gebe Glück und Heil dem großen König vieler 5

Länder Nebukadnezar, der Dich ausgeschickt hat, alle Ungehorsamen zu strafen, denn nicht nur die Menschen dienen ihm um Deinetwillen,

11, sondern auch die Tiere auf dem Feld gehorchen ihm. Denn Deine Weis6

heit ist allen Völkern bekannt, und es geht in aller Welt der Ruhm, daß Du allein in seinem ganzen Königreich gesegnet und gewaltig bist, und Dein Regiment wird allen Mächten gepriesen. Holofernes! Genug, schönes Weib, genug, meinen Ruhm zu loben. Sage uns, was zur Sache dient.

11, Judith: Nicht verborgen blieb, was Achior vor Dir sagte, und be7 kannt ist uns, was Du ihm dafür zu tun befohlen hast. Aber was 11, Achior gesagt hat, ist wahr: Denn der Herr unser Gott weiß, daß 8 wir ihn erzürnt haben mit unseren Sünden, er hat durch seine Propheten zu den Menschen gesprochen, daß er sie den Feinden in die 11, Hände geben werde wegen ihrer Sünden. Weil nun die Söhne Israels 9

wissen, daß sie jetzt ihren Gott erzürnt haben, deshalb fürchten sie sich vor Dir. Holofernes: Beginnen sie mich also zu fürchten und ängstigen sie sich vor meiner Macht?

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Judith: Am meisten leiden sie Hunger, und wegen des Wassermangels verbinden sie sich vor Durst mit den Toten^®. Auch haben sie vor, daß sie ihr Vieh schlachten und dessen Blut trinken und die heiligen Opfer ihres Gottes essen, der ihnen sie anzurühren verboten hat. Deshalb werden sie gewiß umkommen. Holofernes: Wenn es so ist, dann hat Achior wahr gesprochen.

11, Judith: Genauso ist es, und ich bin deshalb von ihnen geflohen, um 12

mein Leben zu retten, und Gott der Herr hat mich gesandt, um Dir dies anzuzeigen. Holofernes: Nun, edle Erau, dann werden wir Dich bis zu dieser Zeit in gebührender Ehre halten.

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Judith: Ich, Deine Sklavin, bin so in meinem Vorhaben fest. Ob 11, ich gleich zu Dir gekommen bin, zu Gott unserem Herrn werde ich 13 auch jetzt noch beten, da ich bei Dir bin. Und Deine Sklavin wird hinausgehen und zu ihrem Gott und Herrn beten, und er wird mir sagen, wann er ihnen ihren lohn geben will für ihre Sünden, und ich will dann kommen und Dir's anzeigen. Und so werde ich Dich mitten durch Jerusalem führen, und Du wirst alles Volk Israel haben wie Schafe, bei denen kein Hirte ist, und nicht ein Hund wird Dich anbellen. Holofernes; Ihr habt wohl getan, meine Götter! Wer von Euch hat dieses schöne Weib gesandt, um den Weg mir zu weisen. Judith: Mein Gott hat mir das offenbart, weil er über sie erzürnt 11, ist, und hat mich gesandt es anzuzeigen. 14 Holofernes: Was haltet Ihr, edle und tapfere Herren, von solcher Absicht? Sisera: Itowahr, hier wohnen Schönheit und Keuschheit gemeinsam in einem Körper. Melech: Ich bekenne, daß auf Erden solchem Weibe Gleiche an Schön-11, heit und Weisheit nicht zu finden ist. 16 Mosollom: Ich wundere mich darüber, daß sich bei solcher Weisheit auch Schweigen findet, denn ich habe bei strengem Verhör kein einziges Wort aus ihr herausbekommen. Holofernes: Dein Gott, wohlgestaltes Weib, hat gut getan, daß er 11, Dich hergesandt hat, bevor er dieses Volk in meine' Hände gibt. 17 Wird nun Dein Gott solches ausrichten, was Du gesagt hast, so soll er auch mein Gott sein. Und Du sollst groß werden im Hause Nebükadnezars, und Dein Warne soll gepriesen sein im ganzen lande. Judith: Unser Herr und Gott, Du hast mehr geschickt, als ich gewünscht und gesagt habe. Holofernes: Mosollom! IHihre sie in meine Schatzkammer und befiehl ihr dort zu bleiben, und ordnet an, sie von meinem Tische zu speisen! 115

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12, Judith: Gnädiger Herr! Ich bitte Dich untertänig, daß Du erlaubst, 2 solche hohe Ehre abzuweisen, weil ich nicht von Deinem Tisch essen darf, daß ich mich nicht versündige. Aber das, was ich mitgebracht habe, das will ich essen. 12, Holofernes: Wenn Dir das ausgeht, was Du mit Dir gebracht hast, 3 was sollen wir Dir schaffen? 12, 4 12, 6

Judith: Bei Deiner lebenden Seele, o Herr! Deine Sklavin wird dies alles nicht aufgezehrt haben, bis Gott der Herr durch meine Hand das ausrichten wird, was ich vorhabe. Auch bitte ich untertänig, mir die Erlaubnis zu geben, in der Nacht vor Sonnenaufgang hinauszugehen zum Gebet und zu Gott zu beten.

Holofernes: Wohl denn, Mosollom! Tu alles nach ihrer Anordnung und lasse sie von niemandem beleidigen. Und ich befehle, daß sie essen 12, könne, was sie mit sich gebracht hat, und daß sie in diesen drei 7 Tagen frei aus- und eingehen könne, um zu Gott zu beten. Ihr aber, meine Obersten, versammelt Euch um Mittag bei mir zur Beratimg dieser Dinge! 6. Akt. 5. Szene: Susakim, Vaneja, Dooch mit Hellebardenträgern. Susakim: Fürs erste den Susakim hängen, fürs zweite nach Gebühr fragen, fürs dritte, ihm den Kopf abhauen. 0, vortreffliche Späße. Ich halte das alles für einen Scherz. Yane.la: Bald wirst Du erfahren, daß es kein Scherz ist, wenn Dir dieser Meister mit seinem großen Schwert den Kopf abschlägt, daß er zwei Ellen vom Körper wegfliegt. Susakim: Mein Kopf wird vom Hals fliegen? Kann denn der Meister machen, daß die Köpfe fliegen können? Dann bitte ich, daß er auch Flügel an meinem Körper anmache, und ich werde Kopf und Körper tausend Werst weit wegwerfen. Vane.1a: Jfa, na! Es kann auch passieren, daß der Rabe Deinen Gaunerleib noch weiter fortträgt.

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Susakim: Ich höre! Dann habe ich eben dem Haben zu Gefallen meinen Leib mit Schweinebraten ausgefüttert. 0 Vane.ja: 0 Schweinebauch und Rabenfraß! Genug, ich kann nicht den ganzen Tag mit Dir verquatschen. Hör auf, denn ich habe noch andere Dinge zu tun. Susakim: Mein lieber Vaneja! Ich bitte Dich, geruhe doch ein Weilchen mit Dooch zu Deiner Wohnung zu gehen und Deine Dinge zu er37 ledigen^ , ich will mich hier schon selbst mit meinem Kopf amüsieren. Vane.ja: 0 nein! Vorher muß der Kopf ab! Susakim: Was? Kopf ab! 0 mein Ereund und Gefährte! Darm werde ich ein gar adliges leben führen, weil ich niemals mehr die Mütze in den Händen zu halten brauche. Wenn kein Kopf mehr da ist, wo soll man sie aufsetzen? Vane.la: 0 Du häßliche Ausgeburt eines Affen! Du willst noch Witze machen zu einer Zeit, wo Du den Tod vor Augen siehst? ELihk, flink, auf die Knie? Susakim: Mein Herr! Der Befehl über mich besagt, daß man mich um eine Spanne kürzer mache. Wenn ich aber auf die Knie falle, dann verkürze ich meine Größe um vier Spannen. Und wenn mir der Kopf abgeschlagen wird, so werden fünf Spannen an meiner länge fehlen, und es geschieht mir nicht nach Befehl. Vane.la: Du bittest und bettelst, was wider den Befehl ist, wenn Du die länge und die Quer rechnest. Doch meine Rechnung ist schon fertig, und jetzt werde ich sie an Dir mit dem Schwert vollziehen. (Dooch und die Hellebardenträger packen ihn und wollen ihn fortschleppen) . Susakim: 0 gnädiger Herr Scharfrichter! Ach, ach, o weh mir! Du, mein gnädiger Herr Vaneja! Hört Euch wenigstens noch ein einziges Wort von mir an!

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Vane.ja: Sprich, was verlangst Du! Aber fasse Dich kurz! Susakim: Nein, nein! Sei es denn wahr, daß ich mit Witzen nicht davonkomme und daß Ihr mir meiner Zeche gemäß den Kopf abschlagen wollt. Doch ich bitte Euch, schenkt mir Zeit, auf daß ich von der Welt Abschied nehme, die ich fürderhin nicht mehr sehen soll. Vane.ja: Da hältst wunderliche Galgenreden. Mach schnell und verkünde uns, welches Dein weiser Abschied ist. Susakim: leb wohl, du wunderbare, vortreffliche und ehrbare Welt. Ich wünsche, daß ich in meinem leben nicht sündig war. Und weil mich dieser Schuft von einem Scharfrichter nicht länger leben läßt, so bitte ich dich, edle Welt, - denn bald werde ich dich nicht mehr schauen, - bekümmert euch nicht gar zu sehr über meine baldige Tötung, es bleiben nach meinem Tod noch viele Gauner und Bösewichte zu bändigen. lebt wohl, meine fünf Brüder, die ihr in Ninive wohnt! Wenn ihr mir auch jetzt keine Gesellschaft leistet, so werdet ihr doch bald diesen Weg gehen, leb wohl, meine alte Schwester, die oo du in Ninive großen Handel treibst mit Schwefelhölzchen^ , Stricken, 39 Schusterleisten und Läusegift. Ich habe oft bei dir Krapfen gegessen, aber die hiesigen Därme haben gemacht, daß alles in Vergessenheit geriet. Mögest du auch nach meinem Tod deine Waren und Krapfen genießen! lebt wohl, ihr meine edlen Verwandten aus fünf Berufen: Büttel, Tschury, Schornsteinfeger, Mistfahrer und ihr edlen geistlichen Berufe, die ihr euch vor der Kirche durch Almosenbetteln ernährt. Wenn ich eine solche Kunst gelernt hätte, hätte ich nicht den Weg eines so bitteren Todes betreten. Vane.ja: 0, um die Wahrheit zu sagen, Du bist ja sehr feiner Herkunft. Ich spucke auf Dich. Ist Dein Abschiednehmen nicht bald zu Ende? Susakim: Nein, nein'. Noch eine Rede ist fällig. Vane.ja: Sprich schnell, damit auch Dooch seine Rede ausführen kann.

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Susakim; lebt wohl, ihr neun Künste, die ihr meinem Fleische gefällig ward: Trunk, Totsöhlag, Würfelspiel, Hurerei, lügnerei, Betrügerei, Dieberei, Räuberei und Gaunerei. Vane.ja; 0 Du verdammter Gauner! In all diesen Künsten bist Du geübt? Susakim; Ich wäre ein feiger und armseliger alter Krieger, wenn ich in diesen Künsten nicht geübt wäre. Vane.ja: Wahrlich, Dir ziemte es ein Doktor in der Wissenschaft dieser Künste zu sein. Dooch! Ergreife ihn und kleide ihn in ein vortreffliches und schönes Gewand von blutroter Farbe und Damast. (Dooch packt ihn wieder an). Susakim: 0 Herren! Nur einen Ausspruch will ich noch tun. Vane.ja: Wann hört das endlich auf? Susakim: Sofort, sofort ist's geschehen. lebt wohl, ihr vielen Freuden und Jahreszeiten^®: im Frühling junge Küken, Lämmer, frische Eier, gemästete Kapaune und gebratene Kälber, zu Ostern Milch, Sahne, Hörnchen aus Weizenmehl mit Butter und junge gebratene Tauben, im Sommer Stare und Lerchen, junge Rebhühner, im Herbst junge Hasen und Kaninchen, fette Gänse, Enten, Sauerkraut, Wein, Braten und Hammelfleisch in Pasteten, im Winter Pelzmantel, Fausthandschuhe und warme Mütze, gebratene Schweinedärme, Schweineschinken und -köpfe, Sülze, Schweinerippchen und -bäuche in allen Schenken! Lebt wohl, lebt wohl! Vane.ja: Wieviel Abschied willst Du noch nehmen und wieviel tausend Reden willst Du noch halten! Dooch, vollziehe an ihm sein letztes Wort! Schlag ihm den Kopf ab! Susakim: 0 nein, nein! Laßt mich noch ein Wort aussprechen und mehr nicht. Wenn ich dann wieder spreche, so schlage mir tausendmal den Kopf ab. Vane.ja: Tausendmal ist gar nicht nötig, es genügt auch einmal. Mach sofort ein Ende! 119

Susakim: leb hunderttausendmal und hundert und nochmal hundert und tausendmal wohl, mein Kopf, der sich von meinem leib trennen soll! Wie Kot aus dem leib der Kuh, fahr wohl! Du wirst ein prächtiges Kinderspielzeug sein, woran die Hunde sich amüsieren werden in den Abdeckergruben. Und du, wohlgeborener leib, wirrst als Speise dienen den großen Herren, die deine Richter sein werden, die allen Gaunern und Bösewichtern das Ende bereiten und ihr Fleisch und Blut wie ein väterliches Erbe unter sich teilen. 0 ihr edlen Raben! lebt wohl und nehmt zum Dank meinen leib, den ihr fressen werdet! Vaneja: Nun, da hast Du Ja. schon Deine Gäste geladen! Es ist an der Zeit, den Tisch zu decken. Dooch! Sofort tue das Deinige! (Hier schlagen sie Susakim zu Boden, schlagen ihn auf die Beine und statt mit dem Schwert mit dem Schwanz eines Fuchses auf den Hals, bis er davon hinfällt und wie ein Toter am Boden liegt. Vaneja und seine Kameraden treten unter Gelächter ab. Dann richtet sich Susakim auf, steht wieder auf und spricht mit Schrecken:) Susakim; Was jetzt mit mir geschieht, weiß ich nicht, lebe ich oder bin ich tot? Eigentlich kann ich es nicht genau wissen, ob ich wirklich gestorben bin. Ich fühle wirklich, daß das leben von mir aus den inneren Eingeweiden in das rechte Bein gewichen ist, aus dem Bein in die Kehle, und aus dem rechten Ohr ging die Seele heraus. Nur scheint es mir noch, daß ich mich noch an einiges aus der Welt erinnere: Hier sind meine Strümpfe und Schuhe, dort liegt mein Hut, hier mein Umhang und meine Hosen. Kur das weiß ich nicht, wo mein Kopf ist. (Sucht überall seinen Kopf). 0 Ihr Herren! Wenn einer von Euch aus liebe und Freundschaft meinen Kopf versteckt hat, so bitte und flehe ich untertänig und ohne Hut, daß er ihn mir wiedergebe. Oder hat ihn dieser Dieb Dooch mit in seine Wohnung genommen? Nach dem Tode werde ich nichts anderes sein als nur ein Gespenst oder ein Traumgebilde. Heute Nacht will ich in Doochs Zimmer gehen und ihn so erschrecken, daß er mir meinen Kopf wiedergibt. (Hierauf geht er von der Bühne).

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7. Akt. 1. Szene: Holofernes, Sisera, Meleeh, Mosollom, Oded, Bagoa^ 1 Holofernes: Ja wahrhaftig, laßt uns heute fröhlich sein, meine tapferen Krieger! Jetzt traktiere ich Euch noch in einem Zelt, doch hoffe ich, in Bälde, nämlich über einen Tag, Euch in Bethulia in besseren Gemächern bewirten zu können. Sisera: Dann müssen Deine Gnaden auch den großen Propheten und neuen Herrscher Achior zum Mahle laden. Holofernes: 0, fürwahr, sein Kopf soll endlich auf dem Tisch vor mir liegen. Aber was denkt Ihr, Herren, soll ich nicht das schöne hebräische Weib rufen lassen, bevor wir uns zu Tisch setzen, nicht nur um noch mehr Kunde von dieser Stadt und von Achior zu' erhalten, sondern auch um uns mit ihr an ihrer Schönheit zu ergötzen. Melech: Ja, so sei's! Was ist das für ein Gelage ohne Wein? Was ist aber Wein, und sei's der beste, ohne jede Herzensfreude? Und was ist die ganze derartige Ereude ohne ein hübsches und amüsantes Weib? Mosollom: Sie ist wahrhaftig wert, daß sie allein unter allen Juden die Ehre erhält, Dich, großer Feldherr, bei Tisch zu bedienen. Aber weshalb befiehlst Du ihr, die in Gefangenschaft ist, nicht vielmehr, als daß Du Dich um sie bekümmerst? Holofernes; Wahr hast Du gesprochen, ßagoa! Gehe und bitte das hebräische Weib, sie möge zu uns kommen. Denn es ist eine Schande vor den Assyrern, daß eine ffrau darüber lachen könnte, bei

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mir gewesen zu sein und unberührt wegzugehen.

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Bagoa: Gut, gnädiger Herr! Ich zweifle nicht, daß sie kommen will. Holofernes: Weswegen?

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Bagoa: Dieses Weib hat in ihrem ganzen leib nicht soviel Ereuden, wie ich Geld bei meinem Gelage habe, was nur 2 Silbermünzen^ sind. Senn sie macht nichts anderes, als Tag und Nacht zu weinen, beten, fasten und schluchzen. Ich möchte lieber drei Tage auf Wache sitzen, als nur eine einzige Stunde bei ihr. Sisera: Das tut sie, wenn sie allein ist. Wer aber weiß, worüber sie seufzt? Wenn sie aber unter Leute kommt und des Holofernes Gunst zu sich sieht, dann wird sich ihre Trauer in Ereude verwandeln. Holofernes: Bagoa! Geh' und erfülle meinen Befehl! Aber Du sollst sie in aller Höflichkeit bitten, daß sie zu mir zum Abendessen komme, und sie meiner beständigen Gunst versichern! Bagoa: Ich will mein Bestes tun. Aber, gnädiger Feldherr, wenn ich dies schöne Weib dazu bringe, daß sie zu Dir kommt, welcher lohn wird mir dafür zuteil? Holofernes: Ich kaufe Dir neue Stiefel. Bagoa: 0, damit ich besser flüchten kann? Darüber wäre ich nicht froh. Holofernes: So will ich Dir meinen Säbel schenken. Bagoa: 0, ich fürchte, daß der Kopf davonfliegt. Holofernes: Geh schnell! Jetzt habe ich keine Zeit, lange Gespräche' zu führen, ich werde Dich schon nach Gebühr belohnen. Indessen, Herrschaften, wollen wir uns ein wenig erfrischen, bis das Abendessen bereitet ist. Du, Oded, bereite die Tafel! (Gehen ab). Oded: (trinkt): Ich bin froh, Deiner Gnaden zu dienen, wo man ißt und trinkt. Auf Dein Wohl!

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7. Akt. 2. Szene: Judith, Abra, Bagoa. Judith: Abra, ich habe schon von Mosollom, dem S e k r e t ä r ^ des Peldherrn, gehört, wovon Du mir jetzt berichtest: daß Holofernes mich zum Abendessen zu sich laden will. Und deshalb habe ich mich so geschmückt! Abra: Und wirst Du, meine Herrin, zu ihm gehen? Judith: Weshalb sollte ich nicht gehen, wenn ich von so einem Herren eingeladen werde. Abra: Auch ich habe mich schön gemacht. Nimmst Du mich mit? Judith: Ja, Du mußt mit dort sein, denn Du trägst mir mein Essen. Aber wer kommt dort? Bagoa: Du Krone aller Tugenden! Zierde aller Schönheiten und vor treffliche Schöne! Nimm in Ehren meinen Auftrag entgegen, denn derjenige IHirst, vor dem alle Menschen zittern und der alle Welt für nichts achten kann, das heißt der große Holofernes, hat den Wunsch, Dich bei seinem Abendmahle zu sehen, weshalb er mich zu Dir gesandt hat mit der Bitte, daß Du Dich zu ihm bequemst! Judith: 0, ich armes Weib bin dieser Ehre nicht würdig. Bagoa: Mein Herr achtet Dich mehr als alle, und deshalb schöne Herrin, weigere Dich nicht zur Tafel meines Herrn zu kommen, daß Du issest und trinkest und fröhlich seist. Denn Deine Schönheit und Holofernes' Gnade können Euch beide glücklich machen.

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Judith: Wie darf ich's einem so großen Herrn versagen? Alles, was 12, ihm beliebt, will ich herzlich gerne tun bis zum Ende meines Le-- 14 bens. Bagoa: 0 wie bin ich jetzt glücklich! Kommst Du sofort mit mir? Judith: Ja, ich habe mich schon vorbereitet.

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Abra: 0, was soll ich jetzt sagen? Alles Wasser fließt bergauf, alle Berge und Hügel tauchen in die Tiefe des Meeres, alle Welt verwandelt sich, wenn meine Herrin einmal heiraten will. Wenn sie aber den großen Holofernes heiratet, dann kann ich irgendeinen assyrischen Soldaten heiraten, der ebenso hübsch is-t, wie ich selber bin. 7. Akt. 3. Szene: Holofernes, Sisera, Melech, Mosollom, Oded, Oreb, Bagoa, Judith, Abra. Holofernes: (hält den Becher in der Hand und spricht): Meine ehrenwerten Obersten! Ich trinke auf die Gesundheit all derer, die ihr Blut für den großen Nebukadnezar vergießen wollen. Das ist kein guter Krieger, der im Bett zu sterben gedenkt. (Man trompetet. Alle trinken). Es lebe Hebukadnezar! Bs lebe der große Monarch! Oded: Edler Holofernes! Sieh, welch herrlicher Stern hier kommt. Holofernes: Fürwahr, m a n kann sie eine hebräische Göttin nennen. Bagoa: Gnädiger Herr! Gebt mir die Stiefel oder Euren Säbel, obgleich ich fliehen oder den Kopf verlieren müßte. Holofernes: Was sagst Du, Dummkopf? Bagoa: Ich meine, daß derjenige wert wäre, den Kopf zu verlieren, der vor so einem schönen Weib davonliefe oder sich fürchtete. Holofernes: Wer sollte davonlaufen und sich fürchten? Keineswegs, vielmehr begehre ich, daß ich diese Nacht mein Haupt in ihren Schoß bette. Judith: Gnädiger Herr! Gott kann Deinen Wunsch erfüllen. 12, Holofernes: 0, sitz nieder, Besiegerin meines Mutes, Besitzerin 18 meines Herzens! Setze Dich zu mir, iß und trink mit mir und sei fröhlich! Denn wie Du allein meinen unbesiegbaren hohen Mut erobert hast, so sollst Du selbst auch meine Gunst ohne Zutun eines anderen genießen. 124

Judith: Ja, mein Herr! Ich will von Herzen fröhlich sein. Hiemals habe ich eine solche Ehre empfangen. (Sie sieht sich um und spricht): Abra! Gib mir die Speise, die Du für mich bereitet hast. (leise): Gehe nicht eine Spanne von mir weg, hörst Du?

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Abra: (gibt ihr die Speise und spricht): Wo sollte ich hingehen? Die Hunde würden mich auffressen. Holofernes: 0 Ihr, meine Krieger! Ich trinke Euch zu auf die Gesundheit dieser Schönen, die in Zukunft den Assyrern noch ein Schutz sein wird. Sisera: Ja, wahrhaftig, der große Nebukadnezar heißt Gott Jupiter, Du aber, Holofernes, bist Mars. Womit kann der assyrische Himmel besser geziert werden als durch solch herrliche Sonne? Bagoa: Dann will ich Merkur sein, denn ich habe die Göttin Venus dem Mars zugeführt. Abra: (für sich): Ich werde wenigstens ein kleiner Planet am Ofen sein. Holofernes: Zum Wohl, meine Krieger! Auf die Gesundheit dieses schönen Weibes! Alle: Hoch lebe Holofernes mit seiner Schönen! Judith: Ich bitte Euch, meine Herren, daß Ihr mich mit dieser Bezeichnung verschont, denn ich bin des Holofernes Magd, er aber ist mein gnädiger Herr und Gebieter. Holofernes: Ja, als Du noch in der Stadt Bethulia warst, da war ich wahrhaftig Dein Gebieter, jetzt aber, da Du aus diesem Nest weggegangen bist, bist Du eher meine Gebieterin geworden. Denn Du warst tapferer als Holofernes: Er hat noch nicht einmal Bethulia gestürmt, Du aber, vortrefflichste Städterin, hast schon des Holofernes Herz erobert, das mehr als die ganze Welt gilt.

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Judith: Ja, wahrhaftig, wenn ich Deiner Gnaden Herz in meinem Besitz hätte, so würde ich meinen, daß ich die ganze Welt zu eigen bekommen hätte. Holofernes: Dies zu bekommen, geben Dir die Götter in dieser Nacht Gelegenheit. Judith: Gottes Wille möge mit meiner Hoffnung in Erfüllung gehen. Holofernes: Siehst Du nicht, schöne Göttin, daß die Macht Deiner Schönheit mich fast schon übermannt? Ich schaue Dich an, doch kann ich Dich bereits nicht mehr sehen. Ich will etwas sagen, doch mit der Zunge (hier lallt er wie ein Betrunkener) kann ich nichts mehr sagen. Ich will, ich will, aber ich kann nicht. Nicht so sehr vom Wein, sondern von der Macht Deiner Schönheit stürze ich nieder. Mosollom: Weshalb, meine Gnaden, gehst Du nicht zur Ruhe? Wir halten Dich doch nicht vom Genuß und Vergnügen zurück. Holofernes: Ja, wahrhaftig! Nicht alle zusammen wollen wir uns heute erfreuen, sondern uns noch etwas enthalten, bis wir nach Bethulia kommen. Aber zur glücklichen Nacht laßt uns nooh einmal trinken! Bagoa: Mein Herr, soll ich Euch nicht dazu eins singen? Holofernes: Ja, singe, Bagoa, etwas über meine liebe! Bagoa: Der tapfere Holofernes ist schon überwunden, denn er gibt sich selbst in Gefangenschaft und fesseln. Was Feindes Schwert und Säbel nicht vermocht, das brachte zustande Weibesschönheit aus der Stadt Bethulia. Deshalb wird ihr Ruhm für immer in die Chronikbücher eingehen, daß auf wunderbare Weise, eh' die Stadt genommen wurde, ein Weib zu eigen sich erwarb den kühnen Holofernes! 126

Holofernes; Was? Verdarb? Bagoa: Wein, zu eigen sieh erwarb! 4 ^ Holofernes: Ja, das ist wahr, schöne Judith, daß ich mich Dir zu eigen gab. Judith: Dann erst werde ich mich glücklich nennen, wenn ich mit dem, den ich zu eigen bekam, da6 werde tun können, was ich selbst möchte. Holofernes: Gut, Schöne! Geh nicht weg von mir! Ich will nur ein wenig ruhen. (Fällt auf sein Bett, die anderen treten leise ab). Judith: Abra! Abra: Was wünschst Du, meine geliebte Herrin? Oder willst Du Deine Kleider ablegen? Judith: 0, schweige mir mit solchen Beden! Bleibe hier vor der Tür und gehe nicht weg!

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Abra: Gut! Ich werde niemanden hineinlassen. Erfülle nur, was Du willst! Judith: (tritt ans Bett und betet zu Gott): H6rr, Gott Israels! Stärke mich und sieh zu dieser Stunde gnädig auf das Werk mei-

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ner Hände, wie Du Deiner Stadt Jerusalem gelobt hast, sie zu erhöhen, auf daß ich vollbringe, was ich, vertrauend auf Dich,

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mir habe vorgenommen. (Hier tritt Judith an das Bett, langt das Schwert, zieht es aus der Scheide und schlägt ihm den Kopf ab mit den Worten:) Herr, mein Gott! Stärke mich in dieser Stunde! - Ruhm Dir, Herr, daß es gut vollbracht ist, und ich sage Dir großen Dank! - Abra!

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Hier nimm das Haupt dieses Peinigers, vor dem ganz Judäa zitterte. Huhm dem Gott, daß sich jetzt keine Jungfrau mehr zu fürchten braucht.

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Abra: O gnädige Herrin! Ich aber fürchte mich noch. Judith: Tu dies leise in Deinen Sack. Komm, laß uns fliehen! Abra: Ist das nicht des Holofernes Kopf? Judith: Was fragst Du? Was betrachtest Du [ihn]? Komm schnell, laß uns fliehen! Abra: 0, nie wäre ich so verwegen gewesen! Ach, einem so tapferen Krieger hat sie den Kopf abgeschlagen! Mag der Teufel meine Herrin auf solche Weise lieben! Was wird dieser arme Mensch sagen, wenn er aufwacht, und Judith ist mit seinem Kopf auf und davongegangen. 7. Akt. 4. Szene: Die letzte Szene des 7. und letzten Aktes . Judith, [Abra], Vaneja, Osias, Othniel, Chabri, Achior. 13, Judith: Wache! Tut das Tor auf! Hört Ihr, Wache! Öffnet, sag' ich 12 Euch, das Tor! Vane.ja: Wer da? Wer ruft? Wer lärmt da? Bürger 4 4 an die Waffen! Judith: Ich, Judith bin hierher gekommen! Abra: Und ich, Abra, bin auch hier! 13, Judith: Gott ist mit uns, denn er hat uns Sieg gegeben!

12 Osias: 0 Judith, Judith! Du kommst wieder zu uns! Wir haben Dich mit großer Sehnsucht erwartet, fast haben wir schon a n Deiner HUckkehr gezweifelt. Was bringst Du uns Gutes? Hast Du für uns gute Botschaft? Wenn nicht, so naht morgen die Prist unseres Verderbens. Judith: Was sollte ich Besseres bringen als das Euch Erwünschte? Osias: Wir wünschen uns, daß uns Holofernes nicht mehr peinigt.

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Judith: Abra! Gib das Haupt des Peinigers her, in dem vom Schlag einer schwachen i'rau die Augen brachen. Abra: (reicht Judith das Haupt und küßt es): 0 treffliches Haupt! Nie hätte ich geglaubt, daß ich die Ehre haben würde, Dich ehrenwerter Krieger, zu küssen. Osias: Was? Das ist das Haupt des Holofernes? Judith: Ja, das! Rühmet den Herrn, unseren Gott, daß er nicht verläßt diejenigen, so auf ihn trauen, und hat uns Barmherzigkeit erzeigt durch mich, seine Magd, und hat diese Nacht den I*eind seines Volkes durch die Hand einer schwachen Srau umgebracht. Sehet, dies ist der Vorhang und die Decke, darunter er lag. Schaut auf das Haupt des assyrischen Peinigers Holofernes, welcher trunken auf dem Bett lag. Dieser Arm hat ihm das Haupt abgeschlagen. So wahr der Herr unser Gott lebt, der mich in dieser meiner Sache gestärkt hat, daß ich nicht für alle Zeiten meines lebens dort verunreinigt würde, und hat mich ohne. Sünde wieder hergebracht mit großerffreudeund Sieg. Erweiset ihm Ruhm und verherrlicht ihn alle dafür!

13, 17 13, 19

13, 20 13, 21

Ott-mi el: Aber ist dies wirklich des Holofernes Haupt? Abra: Eragt mich nur, meine Herren! Ich kenne ihn gut, ich habe ihn mehr als drei Stunden angeschaut: Bald öffnete er den Mund und seufzte, bald verdrehte er seine Augen, denn er war [in liebe] entbrannt zu meiner Herrin, in gleicher Weise, wie Ihr ihn Jetzt seht. Judith: Was hast Du darüber zu reden! Meine Herren! Wenn Ihr daran zweifelt, so ruft Achior, denn er, meine ich, wird das Haupt des Holofernes [sicherj erkennen. Vane.la: Seht, dort kommt Achior selbst schon zu uns. Chabri: 0, gelobt sei der Herr! Daß er durch Dich hat unsere Feinde zuschanden gemacht.

13, 22

129

13, 23 13, 24

Oaias: Gesegnet bist Du, Tochter, vom Herrn, dem höchsten Gott, vor allen Weibern auf Erden! Und gelobt sei der Herr, der Himmel und Erde geschaffen hat, der Dich befähigte, d e m Feldherrn unserer Feinde das Haupt abzuschlagen, und der heute Deinen Namen so herrlich gemacht, daß Dein Huhm nicht aus dem Munde der Menschen vergehen werde, die des Herrn Werk achten, darum daß Du Deines Lebens nicht geschont hast um der Trübsal und Kot Deines Volkes willen, sondern hast es vor dem Sturz errettet vor dem Angesicht unseres Herrn und Gottes.

13, Alle; (sprechen): Amen, so sei es, so sei es! 2

5 Judith: Mein Herr Achior! Kennst Du dieses Peinigers Haupt? Achior: 0 Götter! Aber noch mehr, o Gott aller Götter! Osias: Sürst Achior! Erschrick nicht! Was ist Dir? Komm zu Dir und erwache!

13, Judith: Achior, freue Dioh, denn der Gott Israels, von dem Du ge26 zeugt hast, daß er sich an seinen Feinden rächen wird, dieser nämlich ist es, der in dieser Naoht das Haupt dieses Gottlosen durch 13, meine Hand abgeschlagen hat. Steh auf, Aohior, und komme zu Dir! 27 Sohau! Ist das nicht das Haupt des Holofernes, der mit dem Trotz seines Stolzes den Gott Israels gelästert und Dir mit dem Tode ge13, droht hat, da er sprach: "Wenn das Volk Israels gefangen sein wird, 28 so lasse ich Dir mit dem Sohwert die Bippen durchbohren"? Othnielt Erwache, Fürst Aohior! Wieso bist Du stumm und ist Deine Seele verwirrt? Sag uns die Wahrheit, ob dies das Haupt des Holofernes ist! Aohior: 0! Ja, wahrhaftig, das ist das Gesicht dieses Hundes und 13, Peinigers! Gesegnet bist Du vom Herrn Deinem Gott in allen Hütten 31 Jakobs, wie bei allen Völkern, die Deinen Hamen hören werden, der Herr und Gott Israels gepriesen werden wird tan Deinetwegen. Und weil ich jetzt mit eigenen Augen klar sehe, daß der Got,t Israels so wunderbar Hilfe zu geben vermag, so wünsche ich vom Unglauben abzulassen und nur an ihn allein zu glauben. Deshalb, liebe Brüder,

130

45 verwehrt mir nicht, gemeinsam mit Euch Euren Glauben anzunehmen.14, loh empfange gern die Beschneidung. Uehmt mich nur auf und zählt 6 mich mit den Euren zum Geschlecht Israels! Osiasi 0, herzlich gern! Welch größeren Dank können wir Gott abstatten, als wenn wir so viele ungläubige Seelen ihm zuführen! Unser Bruder sollst Du sein und alle Deine Nachkommen in Ewigkeit. Judith: Höret mich, liebe Brüder! Hänget diesen Kopf auf den Mauern unserer Stadt auf und, sobald die Sonne aufgeht, nehmt Jeder Eure Waffen und fallet allesamt plötzlich aus mit Macht und Geschrei! So werden die Wachen gezwungen werden, zu ihrem

14, 1-2

Jeldherrn zu laufen, um ihn zu wecken zur Schlacht. Wenn aber die Hauptleute zu des Holofernes Lager kommen werden und ihn ohne Kopf in seinem Blut liegen sehen, so wird Schrecken sie befallen. Und wenn ihr merkt, daß sie fliehen, so greift sie kühn an, daß sie Gott der Herr unter Euren Füßen vernichte!

3 14, 4 14, 5

14,

Othniel: Ja, wahrhaftig, ein kluger Hat! Sohon graut der Tag. Vaneja, hänge den Kopf auf den Mauern auf! Gehe mit fünfzig Mann Kriegsleuten und besetze gut die gefährlichsten Stellen gegenüber dem feindlichen Lager. Ich werde sofort mit allen Bürgern ausfallen und den Feind kühn angreifen. Gott der Herr möge uns seine Hilfe geben. Osias: Gott der Herr gebe uns Glück! Dann werden wir ihm ewigen Ruhm und Dank spenden. (Hier wird mit Trompeten und Pauken Alarm gegeben, m a n hängt den Kopf auf die Mauer hinaus, und Vaneja ruft aus): Vane.ja: Hier hängt der zornige Kopf des Peinigers und verkündet, daß Gott der Herr den Hochmütigen Einhalt gebietet, den Demütigen aber Gnade gewährt. (Wieder machen sie Lärm und Geschrei, dann blasen sie die Trompeten zur Freude und singen folgendes Lied).

131

16, Alle: 2-4

Tönt dem Herrn mit Paukenschlag, Singet ihm ein neues Lied» freuet Euch mit Zimbelnklang, Ihm dankend immerdar, tfber Freiheit und Sieg, Den er uns gewähret hat, Vernichtend der Feinde Stolz! Herr und Gott! Darüber nun, Daß du Fried' erhalten hast, Streue Dich, o Israel!

16, 5-6

Assur hat von Mitternacht Einst uns sehr erschrecket, Als er mit seiner Heeresmacht land und Flüss' bedecket, Drohend uns mit grausem Tod, Mit Feuer, Schwert und Schande, Und Weib und Kind mit Fesseln, Mit jeglicher Beleidigung. Gott hat dieses abgewendt. Deshalb freue Dich, o Israel!

16, 7-8

Solche Stolzen straft Gott selbst Mit eines Weibes Arm, Wenn er sie tot hat hingestreckt ohne jeden Kampf. Denn kein Riese war es ja Ihn zu überwinden, ihn erschlug ein Weib Judith, dort, wo er gelebt, Dort hat sie ihn umgebracht. Freut Euch in Bethulia!

16, 914

Anmut und Schönheit Trafen seinen Geist. In den schmeichlerischen Worten Fing sich auch sein Herz. Und so haute sie ihm ab seinen Kopf und Ruhm.

132

Das Heer entsetzte sich darob, Wir aber jagten kühn ihm nach Und machten reiche Beute. Freue Dich, Bethulia! Laßt \ins preisen Deinen Namen Nach gewes'nem großen leid, Das des Durstes wegen war!

16, 1519

Sreue Dich, o Herr! Denn uns hast Du Trost gebracht, Die Guten hast Du stark gemacht, Den Stolzen aber nimmst Du Mut. Deshalb sind im ganzen Land Deine Wunder offenbar. Ereue Dich, o Vaterland!

3. Anmerkungen 1

Benhadad; Hs. i ven- gadad 1 ; X Avengadad. Die Lautung des Eigennamens entspricht in der Hs. der der DB; I substituiert die Lautung der MB.

2

Hydaspes; T, MB Adoson.

3

Diese Stelle im Text der Hs. ist nach T unleserlich.

4

T: i, eze k delu, prislusaes*. Offensichtlich fehlinterpretiert. Lies prislusaet "dazugehört".

5

vsenarodie. Das Wort hat im Text verschiedene Bedeutungen: 1. alle Völker; 2. das ganze Volk; 3. Pöbel.

6

Amana, Pharphar; T Aman, iarfar. Flüsse bei Damaskus (2. Könige 5,12).

7

Arioch, König von Ellasar; T, MB eriocha, carja elikorska (Judith 1,6).

8

i ize k stene mocitsja. Sinn unklar. Emphatisch-expressiver Ausdruck?

9

Melothi; T Melofil 1 ; MB melofit (Judith 2,13).

133

10

i v s j a k i j a promyslennyja s r e d s t v i j a v z y s k a t i .

11

T o t k a z y v a t i . R i c h t i g wohl o k a z y v a t i .

12

d.h. die gewaltsame Unterwerfung.

13

T s n j a t i ( I n f i n i t i v ) . R i c h t i g wohl s n j a t y .

14

Kriegsmarschall. T v o j s k o v o j morsalok, an anderer S t e l l e auch voinskoj marsalok.

15

neopasna e s t ' . Nicht e i n d e u t i g .

16

Greifenflügel. T kryla g r i f o v y j a .

17

An d i e s e r S t e l l e k l a f f t i n HB. A 1

( T . S. 114) eine lücke von

einem B l a t t . Sie wurde nach Hs. A 2 ( S c e g l o v a ) 18

ergänzt.

Die Beziehung von men'si "weniger" i s t nicht e i n d e u t i g , i s t o f f e n s i c h t l i c h Achior gemeint, der "weniger a l s

doch

die....

Leute von Bethulia . . . geachtet werden s o l l " . 19

d.h. die Hände.

20

T p o c t i l est' 1 . R i c h t i g sicher p o c t i l esm 1 .

21

Hs. ursprünglich o k o r k o d i l e "o K r o k o d i l " ( a l t e russisch-kirchenslawische Form), dann i n Hs. k o r r i g i e r t und am Rande ergänzt o zmij "o Drachen".

22

v e l i k o n a c a l ' n i k i . E i g e n t l i c h "Oberbefehlshaber, Sonst nur a l s Anrede des Holofernes gebraucht.

23

proveste mi. R i c h t i g wohl p r o v e r ' t e mi.

24

videch ne tokmo z e l o malye t e i s t o c n i k i . Die P a r t i k e l . n e o f f e n s i c h t l i c h f e h l am H ä t z , und e i n späterer Einschub.

25

Zenturionen. T s o t n i k i .

26

Jeldherrn".

ist

opfertötendes Schwert. T mec "ubivajusöe;) z e r t v e . R i o h t i g wohl ubivajuscij.

27

T tvorim. R i c h t i g s i c h e r

tvorit.

28

nahe dem P i s o h t o r e . T b l i z rybnych v r a t .

" l i s c h t o r " wurde e i n

Stadttor an der Kordseite Jerusalems genannt. 29

Alarm, Leute! T Spoloch, dvorjane!

30

s a b l e j u von T ergänzt.

31

Prüehtchen. T n e b y l i c a .

32

Meister N i c k e l . T majster K i k e l ' - s e e s t '

134

palac.

33

Generaloberster. T general'ny j voevoda.

34

T za pjat' altyn; an anderer Stelle dva altyna.

35

zur Warnung. T v znamja eigentlich "in die Jahne" bzw. "zum Zeichen".

36

T, MB: s mertvymi socetajutsja. DB: und müssen vor Durst verschmachten.

37

T Ispolnite. Richtig * sicher ispolniti.

38

T sernymi treski. Unklar.

39

T bliny prjazenye "in Butter gebackene Pfannkuchen".

40

T prostite sed'm' vy veselija godovyja vremena. Unklar.

41

T führt auch Judif•, Abra auf, die in dieser Szene jedoch nicht vorkommen.

42

Sekretär des Feldherrn. T voevodskogo tajnogo slugi.

43

Der russische Text weist an dieser Stelle einen Reim auf, der das Mißverständnis des Holofernes erklärt: cto? Ubila? - Ni! V svojstvo polucila.

44

Bürger. T dvorjane.

45

mit den Euren. T s vasimi. Gemeint ist wohl "mit den Meinigen".

B. Studie 1. Überlieferung und Erforschung 1.1. Text- und Editionsgeschichte Die Textgeschichte und Textüberlieferung des Moskauer Judithdramas ist bisher nirgends dargestellt worden. Sie wird erst in der neuen Ausgabe der russischen Texte der Dramen des ersten russischen Theaters (1672-1676) zu erwarten sein, die die Moskauer Forscherin O.A. Derzavina zum Jubiläumsjahr des 300-jährigen Bestehens des russischen Theaters vorbereitet. Der deutsche Originaltext des Dramas, der zweifelsohne von Johann Gottfried Gregorii verfaßt wurde, ist überhaupt nioht überliefert. Erhalten ist nur die russische Passung des Dramentextes in zwei späteren, aus dem 135 Anfang des 18. Jahrhunderts stammenden Abschriften, die beide in der Iiandschriftenabteilung der Bibliothek der Akademie der

Wissenschaften der UdSSR aufbewahrt werden und von S. ^eglova beschrieben und verglichen worden sind. Die erste Abschrift (A1) des russischen Textes befindet sich in der Hs. 31.6.2., umfaßt 125 Bl. und ist in Sohnellsohrift mit Anlehnung an die Halbuniziale (Poluustav) der Vorlage geschrieben. Sie ist defekt, denn es fehlen 3 Blätter an verschiedenen Stellen, wovon 2 erst in neuerer Zeit verlorengegangen sind. Die zweite Abschrift (A2) ist in einer anderen Hs. (Signatur 16.17.7.) enthalten, zählt 123 Bl. und weist verschiedene Handschriften von Schreibern auf. A 1 überliefert trotz der Micken den Text genauer und ist als die authentischere Passung zu werten, während A 2 nicht nur nachlässiger geschrieben ist, sondern auch wesentliche Texteingriffe, wie Ergänzungen und Streichungen, des Abschreibers enthält. So hat A 2 einen besonderen Prolog in zwei Fassungen und eine besondere Schlußszene, die den Schluß der biblischen Erzählung (nach der Rückkehr Judiths nach Bethulia) teils erzählend, teils in direkter Rede bringt, doch beweisen Spraohe, Schrift und Gestaltung, daß es sich bei diesem Prolog und .bei der Schlußszene um erläuternde Nachträge aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts handelt, die mit der ursprünglichen Passung des Dramas nichts zu tun haben. An einigen Stellen jedoch kann A 2 zur Ergänzung und Korrigierung von A 1 dienen. Ediert wurde bisher nur A 1, und zwar zweimal: das erstemal durch 2 3 N. I. Novikov, das zweitemal von N. S. Tichonravov, beidemale nicht originalgetreu, sondern mit Auflösung der Kürzel und einer gewissen Modernisierung. Beide Ausgaben sind nicht fehlerfrei. Die wichtigsten Fehler berichtigte Sceglova in ihrer genannten Arbeit.^ leider hat Tichonravov seine Edition ohne jeden Kommentar gelassen.^ So konnte selbst ein so großer Kenner der Geschichte des russischen Theaters wie Ysevolodskij-Gerngross zu einer völlig irrtümlichen Darstellung der Handschriften des Judithdramas kommen. Ein von P. N. Popov ediertes und analysiertes russisches Schuldrama über das Judithsujet Aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts"^ stellt ein eigenes Werk dar und kommt für den Text des Moskauer Judithdramas nicht in Betracht. Sljapkin hat ein wertvolles Bruchstück des Judithdramas aus dem Anfang des 18. Jahrg hunderts mit den Noten zur Arie des Amarfal veröffentlicht. Demnach gibt es vom Moskauer Judithdrama zwei fast vollständige, sioh ergänzende Abschriften und ein Bruchstück mit Noten, die alle aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts stammen. 136

1.2. Aufführungs- und Wirkungsgeschichte

Bank der Quellenpublikation S. K. Bogojavlenskijs9 sind wir über die Aufführungsgeschichte des Judithdramas einigermaßen informiert. Im Gegensatz zur Aufführung des Estherdramas, welche erstmals am 17. 10. 1672 in Preobrazenskoe bei Moskau stattfand, ist jedoch das Datum der ersten Aufführung des Judithdramas nicht bekannt. Nach dem Estherdrama und einem verschollenen, offensichtlich bald abgesetzten Stück über Tobias führen es die Urkunden als drittes Drama an. Es wurde offensichtlich nicht von deutschen Jugendlichen aus der Ausländer- oder Deutschenvorstadt gespielt wie das Estherdrama, sondern von Anfang an von Kindern und Jugendlichen aus der Kleinbürgervorstadt (Mescanskaja sloboda), wo vorwiegend Polen, Weißrussen und Juden wohnten. Mitte Juni 1673 begann man mit dem Unter10 rieht dieser Kinder, d.h. mit dem Einüben des russischen Textes. Beim Einüben der ersten drei obengenannten Dramen und beim Abschreiben der deutschen Texte stand dem Pastor Gregorii, der die Dramen verfaßte und dem die Leitung der Theateraufführungen oblag, in den Jahren 1672-1674 ein Deutscher namens Johann Palzer zur Seite, wie aus einer Bittschrift Palzers um Bezahlung 11 seiner Dienste, für die ihm 5 Rubel zuerkannt wurden, hervorgeht. Am 15. Februar 1674 wurde auf Anordnung des Bojaren A. S. Matveev an den Magister Johann Gottfried Gregorii für die Ausstattung der Holofernes-Komödie (k stroeniju Alofernovoj komedii) rotes und dunkelblaues Tuch ausgegeben, um damit fünf Spieler als Krieger (rot) und1 2zwei als Bethu-

lische Bürger (dunkelblau) kostümieren zu können. Ob das Judithdrama noch im Februar dieses Jahres in Moskau über der Apotheke zur Aufführung gelangte, läßt sich aus den Urkunden nicht ersehen. Mitte Oktober 1674 begann erneut die Unterweisung von 50 Kindern für die bevorstehenden Aufführungen. Am 9., 11. und 13. November wurden die Schauspieler - 48 Kinder aus der Neuen Kleinbürgervorstadt und 36 deutsche Kinder aus der Deutschenvorstadt - sowie 48 Körbe mit Kostümen auf Pferdefuhrwerken nach Preobrazenskoe transportiert. An allen drei Tagen brachte man auch den Organisten Hasenkrug mit seinen 8 Leuten (offensichtlich Musikanten) dort13 hin. Das würde bedeuten, daß an diesen drei Tagen auch die Aufführungen stattfanden. Was man damals spielte, darüber berichtete der preußische Agent (d.h. Berichterstatter in diplomatischem Auftrag) am Moskauer Hofe Herrmann Dietrich Hesse in einem Schreiben vom 9. 12. 1674 an seinen Vorgesetzten Scultetus nach Berlin 14s

137

"Ihr Czar(ische) MaJ(estät) haben wir vor 3 Wochen ein Ballet praesentiret, wovor Jedwede Person mit ihrer Tafel begnadiget. Es wurden auch zugleich Comedien, die eine von polnischen Knaben handelnde von Judith und Holoferne, die andere handelnde von Ahasvero von deutschen Knaben gepraesentiret." Interessant ist dabei vor allem der ausdrückliche Hinweis, daß polnische Knaben das Judithdrama aufführten. Am 16. 2. 1675 starb Gregorii, an seine Stelle traten zunächst sein Gehilfe Georg Hübner, später Stefan Cizinskij -(Czyzynski) und der Ingenieur lim. Im November 1675 fand in Preobrezenskoe eine richtige Theaterwoche statt, 15 wahrend der insgesamt sechs Dramen aufgeführt wurden. ^ Am 9. Dezember bezahlte man dem Buchbinder 1 ft Johann Ell(ing)husen für das Binden von 7 Büchern 15 Rubeln Es handelte sich dabei um die Dramen Artaxerxes, Judith, Temir-Aksak, Hlg. Georg, Joseph sowie Adam, von denen eines offensichtlich in zwei Exemplaren vertreten war. 4 Bücher wurden in roten Saffian mit Goldverzierungen auf Rücken und Deckel, 3 Bücher in buntes Papier gebunden. Diese Tatsache zeugt davon, daß das Judithdrama bis zum jähen Ende des Moskauer Hoftheaters, das durch den Tod des Zaren Alexej Miöhajlovic herbeigeführt wurde, zum festen Repertoire gehörte. Ein Bruohstück des Judithdramas mit Noten zum Gesang des Amarfal aus dem Interszenium fand sich im Theaternachlaß der Prinzessin Natal'Ja Alekseevna, einer Schwester Peters I., die von 1707 bis zu ihrem Tode im 17 v Jahre 1717 auf ihrem Schloß in Preobrazenskoe Theater spielen ließ, ein Beweis für das Portleben dieses Stückes. Danach aber geriet das Judithdrama wie die anderen Stücke in Vergessenheit, ebensp wie die Kenntnis vom ersten russischen Hoftheater gänzlich verlorenging. Als Novikov den Text des Judithdramas in seiner "Alten russischen Bibliothek" veröffentlichte, wußte er nichts von der Bedeutung und Geschichte dieses Dramas. 1.3. Forschungsgeschichte. Nach Novikovs Publikation vergingen fast hundert Jahre, bis man dem Stück die gebührende Beachtung schenkte. Es ist das unbestreitbare Verdienst N. S. Tichonravovs, mit seiner - leider unkommentiert gebliebenen - Edition der Dramentexte und seinen Arbeiten über das erste Moskauer Hoftheater die Grundlage für die weitere Forschung geschaffen zu haben. 1875 griff A. N. Veselovskij in 18 einer in deutscher Sprache erschienenen Studie die literarhistorische Problematik des ersten russischen Theaters auf und vertiefte 138

die bereits von Tichonravov geäußerte These über die Herkunft der ersten russischen Dramen dieses Theaters aus dem Repertoire der sogenannten Englischen Komödianten. Diese Ansicht verbaute in der Folgezeit immer wieder den Blick für den Eigenwert und die Eigen1Q art dieser Dramen. Am gründlichsten analysierte P. 0. Morozov 7 das Judithdrama. Spätere Darstellungen, meist im Rahmen von lite20 ratur- und Theatergeschichten Rußlands, fußen im wesentlichen auf seinen Angaben. Meines Wissens wurde dem Judithdrama bisher 21 keine SpezialStudie gewidmet, wie das für einige andere Dramen, insbesondere für das in den fünfziger Jahren wiederaufgefundene 00 Estherdrama (Artaxerxovo dejstvo) der Fall ist.

2. Analyse. 2.1. Titel Die Handschriften geben als Titel des Dramas "Ijudif'" an; die Urkunden nennen es "Judifina komedija" oder "Olofernova (bzw. 23 Alofernova) komedija". Demnach wurde das Drama vorwiegend nach der Hauptheldin benannt und nicht, wie es beim Estherdrama (Artaxerxovo dejstvo) der Fall ist, nach dem darin vorkommenden König, Übrigens figuriert in der Buchbinderrechnung für Johann Ellhusen vom 24. Februar 1674 das Buch der "Komödie vom König Hebukadnezar" (komidija o care Havuchodonosore) 2 ^. Wahrscheinlich ist damit das Judithdrama gemeint gewesen. 2.2. Prolog Dem Judithdrama geht ebenso wie den anderen Dramen ein Prolog

25 voraus. Seinem Inhalt nach steht er dem Prolog des Estherdramas am nächsten. Er enthält die gleichen Elemente der Anrede an den Zaren, den Beherrscher des Ostens, Nordens und Westens, dem Gebieter über Groß-, Klein- und Weißrußland, dem Beschützer der Christenheit, der wert ist des Ruhmes und Ranges seiner Vorfahren (Estherdr.) bzw. einer zweiten Welt, weil er der Mächtigste auf dieser Welt ist (Judithdr.). Während der Prolog des Estherdramas nun zur Deutung des Sinns der biblischen Geschichte übergeht, verherrlicht der Prolog des Judithdramas den Zaren als Beschützer der Christenheit vor den Muselmanen (d.h. Türken) und sein Reioh als einen Wall für die anderen christlichen Länder. Deshalb werden sein Reich und Haus von Gott und seinen Engeln bewacht und

139

beschirmt, was mit einem Vergleich aus der biblischen Geschichte unterstrichen wird. Auch die Komödie soll zeigen, wie Gott die Geschicke der Völker lenken kann und denen hilft, die ihm vertrauen. Die Sinndeutung des Spiels fällt wesentlich kürzer aus als im Prolog des Estherdramas. Der Prolog des Judithdramas spielt somit unmittelbar auf die damalige politische Situation Rußlands an, das sich um ein Bündnis der europäischen Staaten gegen die Türkei angesichts eines bevorstehenden Krieges bemühte. Morozov hat nachgewiesen, daß zumindest der Anfang des Prologs versifiziert und gereimt war. Einen Epilog hat das Judithdrama ebensowenig wie das Estherdrama. 2.3. Personen Das Stück hat kein Personenverzeichnis. Man zählt 40 genannte und etwa 10 ungenannte Personen, so daß man mit etwa 50 Rollen rechnen 27 kann, von denen einige vielleicht zusammengelegt und von einem oder zwei Spielern ausgeführt worden sein mögen, wie es auch im Estherdrama der Fall war, zu dem ein 28 Personenverzeichnis mit den Kamen der Spieler überliefert ist. Die Personen des Dramas gruppieren sich in drei Kreise. Den ersten und größten bilden die Assyrer: Der König Nebukadnezar ist umgeben von seinen sechs Räten Memuchan, Moab, Ammon, Naeman, lapidoth, Kore. Ihn bewachen vier Hellebardenträger und vier Kämmerer. Seine beste Stütze ist der Feldherr Holofernes, dem seine Hauptleute und Offiziere Melech m d Messula oder Mossollom, der Kriegsmarschall Oded, der Kapitän Siasra sowie sein Kammerdiener Bagoa (Vagav) zur Seite stehen. letzterer weist komische Züge auf. Auch der•Ammoniterfürst Achior, den er verstößt, ist ihm unterstellt. V o n den einfachen Soldaten lernen wir nur einige kennen: Somnas, Susakim, Selum und Salman, sowie Oreb (Oriv), die alle komische Rollen spielen. Die Israeliten sind weniger zahlreich. An ihrer Spitze stehen die drei Priester von Jerusalem, Jojakim, Sadok und Melchia. In der Stadt Bethulia wirken der Priester Osias (Josia), der Oberste Othniel (Gofoniil), die Ältesten Charmi und Chabri sowie die Bürger linees und Abdija. Zu den Soldaten, die im Gegensatz zu den assyrischen keine komischen Züge tragen, gehören der Sergeant Vaneja und vier anonyme Soldaten sowie vier Hellebardenträger. Der Henker Dooch dagegen ist eine komische Rolle. Der Hauptheldin Judith folgt wie ein Schatten die Dienerin Abra, die zum erstenmal in einem Judithdrama als komische Person charakterisiert ist. 140

Eine besondere Personengruppe, die mit dem Kreis der Assyrer zu tun hat, stellen die vier unterworfenen Könige Salmanasser, Adar, Agag, Amarfal und deren Boten Saval, Thathnai, M L a , Regma dar. Sie herrschten über Syrien, Mesopotamien, Libyen und Apamea, unterwarfen sich dem Holofernes und wurden von ihm gefangengesetzt. Für jedes Drama ist die Namengebung der erfundenen oder neu benannten Personen aufschlußreich. Manchmal kann man daraus Schlüsse ziehen über Zusammenhänge mit anderen Dramen oder über andere Quellen. Sie gibt auch Auskunft über Bildung und Wissen des Autors. Der Humanist Birck gebrauchte gräzisierende und latinisierende Hamen, der Schulmeister Hebel versah die Landsknechte mit drastischen, aussagekräftigen deutschen Namen, Greff wiederum gab seinen Personen biblische Namen, Auch Pastor Gregorii greift in seinen Dramen 'Artaxerxes' und 'Judith' ganz auf biblische Namen zurück. Einige hat er offensichtlich aus hebräischen Silbenelementen selbst gebildet. Lateinische und griechische Namen finden wir in seinen biblischen Dramen so gut wie gar nicht, wenn wir von dem stereotypen Namen "Thraso" und den Appellativa (Camerarii, Consiliarii, Centurio, Virgines) absehen. Natürlich muß die russischkirchenslawische Lautung der biblischen Namen besonders berücksichtigt werden. Wie die Analyse der Namen des Estherdramas er29 gab *, kommen nur die im Estherbuch auftretenden Namen in kirchenslawischer Lautung vor, während alle anderen Namen in der Lautung der Lutherbibel verwendet werden und einfach transkribiert worden sind. Auch im Judithdrama haben die Namen der im Judithbuch vorkommenden Personen die kirchenslawische Lautung, während wir die übrigen biblischen Namen nicht anhand der russisch-kirchenslawischen Bibel von 1663 überprüfen konnten. A n a l y s e der Namen der im Judithdrama vorkommenden Personen 30 in folgender Reihenfolge^ : Name in Umschrift oder - wenn einwandfrei ermittelt - in der Lautung der deutschen Bibel (DB = Lutherbibel). Punktion, Stellung oder Rang der genannten Person im Judithdrama. Lautungen von biblischen Namen, auf die der betreffende Personenname in Zweifelsfällen zurückgeführt werden könnte. Der Sinngehalt des hebräischen Namens (B).

141

Sein Vorkommen in der Bibel mit Bestimmung der so genannten Personen (V). Abdija - Avdi;)a "Bürger von Bethulia". Abdijah. B: Knecht Gottes. V: Verschiedene Personen (1. Chronik 6, 44; 2. Chronik 29, 12; Esra 10, 26). Abra "Magd Judiths". B: aramäisch habrä 'Genossin 1 , griech. ccßpa "lieblingszofe" (vgl. H. Erisk, Griech. Etym. Wb., Bd. 1, S. 4s äßpa). Vs Jud. 10, 2 ff. als Appellativum: in IIB "Magd", in MB 1663 otrokovica. Achior "Fürst oder Hauptmann der Ammoniter". Bs mein Bruder ist ... Vs Jud. 5,3 ff. Adar - Ader "unterworfener König". Bs herrlich. Vs 1) Monatsname (Esther 3,7); 2) Personenname auch Addar (1. Chronik 8,3). Agag "unterworfener König". Bs Brennen, heftig. Vs König der Amalekiter (1. Samuel 15, 8). Amarfal "unterworfener König", unklar. Ammon "Hat Nebukadnezars". Bs der Volkliche. Vs Sohn lots (1. Mose 19, 38). Jud. 5,1 u. 5,3s Ammoniter = Kinder Ammon. Bagoa(s) - Vagav "Kammerdiener des Holofernes". Bs unbekannt. Vs Jud. 12, 11. Ein Bagoa kommt auch im Estherdrama vor, vgl. Kudrjavoev, S. 298. Benaja s. Vaneja. Chabri "einer der Ältesten von Bethulia". Bs unbekannt. Vs Jud. 8,8. Charmi "einer der Ältesten von Bethulia". Bs Winzer. Vs Jud. 6,10 und 8,8. Dooch "Scharfrichter in Bethulia*. Vielleicht Doeg. Bs Zitterer. Vs Idumäer im Gefolge Sauls (1. Samuel 21, 7 u.a.). Pinees "Bürger von Bethulia". unklar. Thinees? Phinehas? Fafnai s. Thathnai. Fula "Bote des Königs von Libyen". Ihola? Bs lecken. Vs 2 Personen (Richter 10, 1 u. 1. Mose 46, 13) oder Phul? Bs assyrisch Sohn?. Vs 2. Könige 15, 19» Gofoniil s. Othniel. Holofernes - Olofern "Peldherr des Nebukadnezars". B ?; Jud. 2,4 ff. Jojakim - Ioakim "Hoherpriester von Jerusalem". Bs Jehova richtet auf. Vs Jud. 4,5 u. andere Personen. Josia s. Osias.

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Judith - Iudif' - "reiche Witwe in Bethulia". B: Jüdin. V: Jud. 8,1 ff. Kore - Korei "Rat Nebukadnezars". B: Rebhuhn, Schreier. Vs 2 Personen (1. Chronik 9, 19; 2. Chronik 31, 14). Lapidoth - lapidof "Rat Nebukadnezars". B: Packeln. V: Mann der Debora (Richter 4,4). Melchia - Melchija "Priester von Jerusalem". Malchia. Bs Mein König ist Jehova. V: Priester zur Zeit Nehemias (Nehemia 10,3) u. andere Personen. Melech "Offizier des Holofernes". Bs König (meist in Komposita als Eigenname). Vs 1. Chronik 8,35. Memuchan "Rat Nebukadnezars". Bs Magier. Vs Einer der 7 Prinzen von Persien und Medien (Esther 1, 14 ff.). Schon im Estherdrama. Messula (identisch mit Mossollom) "Offizier des Holofernes". Messulam. Bs Vertrauter Gottes. Vs Verschiedene Personen (2. Könige 22,3 u.a.). Moab - Moav "Rat Nebukadnezars". Bs Wasser des Vaters. Vs Sohn lots (1; Mose 19, 37). Jud. 5,1: Moabiter. Mossollom s. Messula. Naeman - Neeman "Rat Nebukadnezars". Bs Lieblichkeit. Vs Syrischer Feldherr (2. Könige 5,1 ff.) u. andere Personen. Nebukadnezar - Navuchodonosor "König der Assyrer". Bs Gott Nebo schirme die Krone. Vs König von Babylon um 600. Jud. 1,6. Oded - Odid "Offizier des Holofernes". Bs Aufrichtend. Vs Propheten Israels (2. Chronik 15,1 u. 8; 2. Chronik 28,9). Oreb - Oriv "assyrischer Soldat". Bs Rabe. Vs Midianiterfjirst (Richter 7,25). Osias - Iosija. "Oberster Priester in Bethulia". Josia. Bs Gott hält oder heilt. Vs Jud. 6, 10s Ältester von Bethulia. Othniel - Gofoniil "militärischer Oberster von Bethulia", Bs Meine Stärke ist Gott. Vs Richter Israels (Richter 1,13); Jud. 6, 10s zweiter Name Charmis. Regma "Bote des Königs von Apamea". Raghma. Bs Zittern. Bs Stadt der Kuschiten (1. Mose 10,7). Reg(h)e. Bs Ereund. Vs (1. Mose

11, 18-21). Sadok "Priester von Jerusalem". Zadok. Bs Gerecht. Vs Hoherpriester unter David und Salomo (2. Samuel 8,17) und verschiedene Personen. Im Estherdrama Zadok. Salman "assyrischer Soldat". Bs Abkürzung für Salmanasser, s.d. Vs (Hosea 10, 14). 143

Salmanasser - Salmanasar "unterworfener König". B: Gott Salman begnadige. V: König von Assyrien (2. Könige 17,3 ff.). Saval "Bote des Königs von Syrien", unklar. Selm "assyrischer Soldat", unklar. Selomi? Sallum? Sisera "Offizier des Holofernes". B: Anführer. V: kanaanitischer Feldherr (Richter 4,2) und andere Personen. Somnas "assyrischer Soldat", unklar. Susakim "assyrischer Soldat", unklar. Thathnai - Fafnaj "Bote des Königs von Mesopotamien". B: lehre. Vs Statthalter des Darius im Land westlich des Euphrat (Esra 5,3 ff.). Vagav s. Bagoas. Vaneja - Vaneja "Leutnant in Bethulia". Vielleicht Benaja. B: Jehova erbaut. V: Hauptmann Davids (2. Samuel 8, 18) u.a. Zadok s. Sadok. Eindeutig bestimmen lassen sich die aus dem biblischen Judithbuch stammenden Namen: Navuchodonosor, Olofern, Vagav, Ammon, Moav, Achior, loakim, -Gofoniil, Chabri, Charmi, Ijudif•, Abra. Mit völliger Sicherheit lassen sich auf biblische Namen außerhalb des Judithbuches zurückführen: Avdija, Ader, Agag, Fafnaj, Kore j, lapidof, Melchija, Melech, Memuchan, Messula bzw. Mossollom, Neeman, Odid, Oriv, Sadok, Salman, Salmanasar, Sisera; mit einiger Wahrscheinlichkeit: Vaneja, Dooch, i'ula, Regma. Unklar bleiben: Amarfal, K.nees, Saval, Selum, Somnas, Susakim, die aber hebräische Bildungselemente aufweisen. An Bezeichnungen komuen vor: spal'niki (vgl. im Personenverzeichnis des Estherdramas die camerarii) und protazanliiki (von protazan "Hellebarde"). In direkter Rede werden auch die Ränge, Titel und Berufe der einzelnen Personen genannt. 2.4. Ideen Obwohl der Autor im großen und ganzen der biblischen Erzählung und ihrer religiösen Motivierung folgt, bleibt er, was Idee, Personencharakteristik und Situationsschilderung anbetrifft, bei weitem nicht bei dem stehen, was die Bibel bietet. Er sucht zu vertiefen, zu vermenschlichen, zu konkretisieren. Dabei erweist er sich als ein Kind seiner Zeit und sieht die Geschehnisse aus der Sicht seines Jahrhunderts. Die schrecklichen Erlebnisse des Dreißigjährigen Krieges, die eigenen Erfahrungen während des polnisch144

schwedisch-russischen Krieges, die langen und unruhigen Jahre in der Fremde haben ihn geprägt und spiegeln sich sowohl im zeitgenössischen Kolorit als auch in der Grundidee seines Judithdramas wider. Das biblische Thema der unbedingten Glaubensfestigkeit und des unerschütterlichen Gottvertrauens variiert mit dem typisch barocken Thema von der Nichtigkeit und Hinfälligkeit irdischer Größe, die allzu leicht ein Spiel des launischen Schicksals werden kann, vor allem dann, wenn der Mensoh sich auf dem Gipfel seiner Macht und Herrlichkeit wähnt und mit seinem Glücke prahlt. Die Macht Nebukadnezars, der fiuhm Holofernes' werden in dem Augenblick zunichte, da sich Herrscher und Feldherr ihres Sieges und Triumphes ganz sicher sind. Ihren Sturz und Untergang erlebt nur der leser und Zuschauer. Aber das "wechselwunderliche Spiel des falschen Glücks", wie es im Prolog des Estherdramas heißt, erfahren auch andere Personen des Judithdramas, wie die vier gestürzten Könige, wie Achior und die Bethulier, am eigenen leibe und bringen dieses Erlebnis zum Ausdruck. Die paradoxe stoizistische Vorstellung, daß der Glückliche unglücklich, der Unglückliche, der den Fall bereits hinter sich hat, aber glücklich zu schätzen sei, geht wie ein roter Faden durch das Drama. Umso höher ist Judiths Entschluß und Tat zu bewerten. Sie verbindet ihr Gottvertrauen mit der Tat unter Einsatz ihrer Ehre und ihres Lebens. Sie zeigt, daß der Mensch Bezwinger und Gestalter seines Schicksals sein kann. 2.5. Charaktere Aus spärlichen Angaben oder gar Andeutungen des biblischen Berichts vermag der Autor lebensvolle Gestalten vor seinem Publikum entstehen zu lassen und sie im gegenseitigen Zusammentreffen von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Nebukadnezar möohte in unersättlicher Machtgier sein Beich über die ganze Welt ausdehnen und in frevelhafter Überheblichkeit als Gott verehrt werden, vor dem selbst die Sonne vor Scham erbleicht, wenn er ihr opfert. Er duldet nicht, daß ihm ein kleines fernes Volk die Huldigung versagt. Seinen Räten, deren Meinungen er zwar anhört, obwohl sein Entschluß zum Feldzug schon feststeht, erklärt er mit unköniglichem Eifer, daß er sich an diesen "Hunden" rächen wolle. Immerhin läßt er sioh von seinen Räten dazu bewegen, seinem Feldherrn Holofernes zur Schonung derer zu raten, die sioh freiwillig unterwerfen, doch über ihre Könige will er triumphieren und sie im Staub zu seinen Füßen sehen. Seine Räte wissen sehr wohl, daß ihnen Ungnade droht, 145

wenn sie eine Meinung äußern, die ihrem Herrscher mißfällt. Deshalb versichert sich sogar Naeman, der Nestor unter den Räten, der ausdrücklichen Erlaubnis, seine Ansicht vorbringen zu dürfen. Er versucht, die Sache zu bagatellisieren und Nebükadnezar die Gefahren eines Feldzuges in unwirtliche Länder auszumalen. Er wird von Ammon unterstützt, während alle anderen Räte den Intentionen ihres Kirsten entgegenkommen und zum Kriege raten, damit nicht die Ehre des Herrschers und des Staates durch ein unbotmäßiges Volk befleckt werde. Allerdings sprechen sich zwei von ihnen, Moab und Lapidoth, auf der nächsten Beratung für eine gemäßigte Kriegsführung aus, weil der Staat an menschenentlehrten, wüsten Ländern keinen Nutzen hätte. "Vielfältiger und plastischer erscheint der eigentliche Held der assyrischen Seite, der Feldherr Holofernes. Er sagt von sich, daß er erst zum Leben erwache, wenn es in den Krieg gehe. Seinem König ist er treu ergeben. Er ist bestrebt, das Vertrauen Nebukadnezars zu rechtfertigen und den Willen seines Königs rigoros zu vollstrecken. So erbittet er sich von Nebükadnezar genaue Anweisungen für den Feldzug. Als Feldherr ist e-r bei seinen Offizieren beliebt und geachtet. Er informiert sich eingehend über Stärke und Zustand des Heeres, sorgt für Sold und Verpflegung und verheißt seinen Leuten Ruhm und reiche Beute. Bei der Belagerung Bethulias geht er umsichtig zu Werke. Er selbst hat die Wasserröhren entdeckt und gibt Befehl, die Wasserzufuhr der Stadt zu unterbrechen. Er hofft, daß ihm dadurch Bethulia wie eine reife Frucht in den Schoß fallen werde. Sein herrisches und überhebliches Wesen zeigt sich beim Empfang der fremden Boten, die die freiwillige Unterwerfung der vier Könige anbieten, und bei der demütigenden Behandlung dieser Könige. Er möchte zunächst die Unterwerfung gar nicht annehmen und die Länder mit Krieg überziehen. Erst Meleohß Hinweis auf Nebukadnezars mäßigenden Befehl vermag ihn umzustimmen. Über die Hartnäckigkeit der Juden ist er aufs äußerste empört. Als Achior es wagt, ihn vor diesem Volk und seinem Gott zu warnen, verstößt er ihn im Zorn, doch gestattet er nioht, daß seine Offiziere Aohior auf der Stelle umbringen, sondern sohiokt ihn zu den Bethullern, damit er mit ihnen zugrunde gehe. Als er den Sturm auf die Stadt ankündigt, prophezeiht er prahlerisch, daß ihre Teile bis Ninive fliegen werden und daß das Blut der Bethulier sogar in den Euphrat fließen werde. Daß er Judiths List nicht durchschaut, wird ihm zum Verhängnis. Er wiegt sioh 146

in Sicherheit. Von Judiths Schönheit betroffen, begegnet er ihr als Kavalier, gestattet ihr, was sie verlangt und verspricht ihr seinen Schutz. Er liebt sie nicht, er begehrt sie nur. In der Nacht vor dem Sturm kommt ihm in den Sinn, Judith zu dem Gelage einzuladen und zu besitzen. Im Grunde betrachtet er sie als Dirne, die es sich zur Ehre anrechnen müßte, sein Lager zu teilen. Die Hintergründigkeit ihrer Antworten entgeht ihm. So erfüllt sich sein Schicksal: Der mächtige Erleger, vor dem die Welt zittert, fällt durch den Arm eines Weibes. Seine Offiziere Melech, Mossollom, Sisera, Oreb und der Kriegsmaxschall Oded sind rauhe, erfahrene Krieger. Nichts freut diese Landsknechtsnaturen mehr als die Nachricht, daß ein Feldzug bevorsteht. Wählt Holofernes für sich den Vergleich, wie ein Schwert zu sein, das untätig an der Wand hängt und nach Blut lechzt, so vergleicht sich Sisera prosaisch mit stehendem fauligen Wasser. Sie schwören auf ihren Feldherrn, der sie zu Ruhm und Ehren, aber auch zu Reichtum bringen wird. Ihre Beutewiinsche sind nicht gerade besoheiden und zeigen, daß sie den Krieg als blutiges Handwerk und einträgliches Geschäft betrachten: Sisera hofft, zwei reiche Kaufmannshöfe in Damaskus zu bekommen. Zu den einfachen Soldaten bewahren sie Abstand, lassen sich mit "gnädiger Herr" anreden, sparen selbst aber nicht mit Schimpfwörtern oder derben Scherzen. Mitunter gibt man sich auch jovial-ironisch, wie Oded den gefangenen Königen oder dem angebundenen Somnas gegenüber. Mit Holofernes verbindet sie auf dem Peldzug ein fast kameradschaftliches Verhältnis. In den Beratungen hört sich Holofernes ihre Vorschläge aufmerksam an, bei den Gelagen sind sie seine Zechkumpane. Sie sind nicht zimperlich, respektieren aber Holofernes' Vorrecht auf Judith. Nur wenn einer gegen ihre Prinzipien verstößt und an ihrer Unbesiegbarkeit zweifelt, reagieren sie hart und unerbittlich, wie es Achior erfahren muß, dem sie Feigheit, Verrat und Ungehorsam vorwerfen. Bagoa, Holofernes' Diener, ist ein besserer Spaßmacher und das Pendant zu Judiths Abra. Er verlangt von seinem Herrn Botengeld für die Einladung Judiths. Ohne es zu ahnen, spielt er mit seinen Scherzen über seinen Lohn (Stiefel zum Fliehen, Säbel zum Kopfabschlagen) auf Holofernes' und sein eigenes Schicksal an. Die einfachen assyrischen Soldaten Somnas, Salman, Selum und Susakim sind ebenso wie die Diener Bagoa und Abra als komische Personen gezeichnet und bestreiten im wesentlichen die komischen Szenen. Selum gehört nur bedingt zu ihnen: Er tritt einmal als 147

Trommler und Ausrufer, zum anderen als Melder auf. Somnas ist der gewitzigste und hat es auf schöne Mädchen abgesehen. Gefragt, was er denn mit einem Mädchen machen würde, antwortet er vorsichtig, daß er ihr nur die Kleider wegnehmen und sie dann seinem Hauptmannüberlassen würde, was diesem nicht übel gefällt. An Judith wagt er sich trotz heftiger Gelüste nicht zu vergreifen. Ein großer Held ist er ebensowenig wie seine Gefährten, denn bei der Annäherung eines Feindes, ja sogar bei seiner bloßen Erwähnung nimmt er gleich Heißaus. Salman ist einfältiger. Er hat seiner Wirtin aus Zorn ein Paß Wein auslaufen lassen und muß dafür am Pranger büßen, weil er sich nicht herauszureden wußte. Die anderen machen sich über ihn lustig, helfen ihm aber auch, vom Pranger loszukommen, und geben ihm scherzhafte Ratschläge, wie er seine Wirtin entschädigen könnte. Somnas will ihm sogar die häßliche Abra andrehen, doch dafür bedankt er sich. Der komische Hauptheld ist Jedoch Susakim, ein verfressenes, unverwüstliches, dummdreist-pfiffiges Subjekt, das vor allem auf Schweinefleisch erpicht ist. An dem gestürzten Achior lassen er und seine Gefährten ihren Haß gegen die "feinen Herren" aus und traktieren ihn mit Püffen und Verhöhnungen. Als Gefangener spielt er in Bethulia den Dummen, der sich an nichts mehr entsinnen kann. Seine Hinrichtung sucht er durch lange Heden zu verschleppen, sagt schließlich seinen Kollegen vom Gewerbe der Taugenichtse ein letztes Lebewohl, empfiehlt seinen Kopf und leib den Hunden und Raben zum Praß und glaubt nach seiner vermeintlichen Hinrichtung als Toter oder als Gespenst wieder aufzuwachen, das seinen Kopf suchen muß. Achior gehört zu den kompliziertesten Gestalten, denn ihm kommt im Drama große ideelle Bedeutung zu. Nach der Bibel ist Achior Purst der Ammoniter und Vasall Nebukadnezars, im Drama, das ihm diesen Titel läßt, ist er nur einer von Holofernes' Offizieren. Aber er unterscheidet sich wesentlich von diesen landsknechtstypen (mit Ausnahme in seinem Verhalten zu dem gefangenen Susakim). Bereits vor Nebukadnezar wagt er seine Stimme für das Gleichgewicht von Recht und Barmherzigkeit zu erheben, wobei er unter Recht strenges und unduldsames Vorgehen versteht, und vor übertriebener Härte gegen die unterworfenen Völker zu warnen. Im Rate des Holofernes gibt er bereitwillig Auskunft über das Volk der Juden und über die Chancen, es zu besiegen. Erst als man seine Umsicht als Feigheit und Verrat auslegt, ihn schmäht, verstößt und zu den Bethuliern schickt, erkennt er den frevelhaften Hochmut der Assyrer und die Wandelbar148

keit irdischen Glücks. In einem großen Monolog (III^) beklagt er seinen Fall, verflucht sein einstiges Glück, das ihn hindert, sein jetziges Schicksal mit Gelassenheit zu tragen und verwünscht seine Fesseln, die ihn daran hindern, seinem leben ein Ende zu setzen. Ton den Menschen erwartet er nichts mehr. Nur mit Mühe kann er das Mißtrauen der Bethulier überwinden, die ihn schließlich in ihren Kreis aufnehmen. Danach behandelt man ihn als Fürsten mit Ehrfurcht, zieht ihn ins Vertrauen und befragt ihn um seine Meinung. Für den gefangenen Susakim, mit dem er nicht gerade milde umgeht, erbittet er nur eine Scheinhinrichtung, um ihm für seine Grobheit einen Denkzettel zu erteilen. Bei der Rückkehr Judiths ist er vom Anblick des Hauptes Holofernes so betroffen, daß er sich unverzüglich zum jüdischen Glauben bekehrt. Achior ist durch sein unbeirrtes Einstehen für menschliches Verhalten dem Besiegten gegenüber und für Wahrhaftigkeit und durch seinen Sturz ein gewisser, wenn auch schwacher Gegenpol zu Nebukadnezar und zu Holofernes und ein Symbol der im damaligen deutschen Barockdrama als vorbildlich geltenden stoischen Haltung, die selbst im Unglück an seinen moralischen Prinzipien festhält. Während aber Gryphius1 Pammachius in diesem Kampf untergeht und zu tragischer Größe aufsteigt, bringt Achiors Sturz ihm nicht den Untergang, sondern die Rettung. Eine tragische Figur ist er folglich nicht. Achiors Klage findet unmittelbar eine Fortsetzung und Vertiefung in den Klagen und Liedern der vier gefangenen Könige (Interszenium) und in der Klage Judiths über die Kot der Stadt (IV^). Achior gelangt gegen seinen Willen in das lager der Bethulier, aus der despotisch-höfischen oder militärischen Sphäre in die beschränkte, stadtbürgerllch-demokratische Sphäre ein,es Bürgerwesens und -staates. Im fernen Jerusalem bewegt den Hohepriester Jojakim und die beiden Altesten von Jerusalem Melchia und Sadok die Sorge um ihr land und um das Heiligtum ihres Gottes. Mit großer Umsicht gibt Jojakim die Befehle zur Verteidigung des Landes. Er weiß, daß "Gott keine Wunder tut, es sei denn, daß alle menschlichen Vorkehrungen versagen". Melchia und Sadok zeigen nicht den gleichen Grad an Entschlossenheit und Vertrauen.. Sie glauben sich schon verloren, als die Nachricht vom Herannahen des assyrischen Heeres eintrifft und empfinden, daß die Angst vor dem Tode bitterer sei als der Tod selbst. Aber sie lassen sich von Jojakim wieder aufrichten und befolgen willig seine Anordnungen. Als Gegenbild gegen Nebukadnezar und seine Räte wirken Jojakim, Melchia und Sadok viel schwächer und konturloser. Das kann man von der Schilderung der Bethulianischen 149

Verhältnisse nicht sagen. Die Geschicke der Stadt bestimmen zwei Personens Osias, der das Amt des "Bürgermeisters" und des Oberpriesters in seiner Person vereint, und Othniel, der Stadtkomandant, dem die Sicherheit der Stadt obliegt. Diese Zweiteilung der Macht ist zwar schon im biblischen Bericht angedeutet (6, 10), in den anderen Judithdramen aber unberücksichtigt geblieben. Neben Osias und Othniel treten zunächst (III-p IV^, V 1 ) die beiden Bürger Äbdija und Finees, die sich an den Beratungen beteiligen, meist die Furchtsamen spielen und unter dem Druck der Not die Übergabe der Stadt fordern, auf. In barocker Übertreibung schildern sie die gräßlichen leiden der Bevölkerung unter Hunger und Durst. In den letzten Bethulia-Szenen (V^, VI^, VII^) treten an ihre Stelle Charmi xind Chabri, die die herkömmlichen Rollen spielen, wie sie der biblische Bericht beschreibt. Dagegen sind die Gestalten des Osias und Othniel im Drama wesentlich konkretisiert und vertieft. Othniel erweist sich in den Beratungen als der umsichtige Stratege, er inspiziert selbst die Wachen und Verteidigungsanlagen, verhält sich dem gefangenen Achior gegenüber mißtrauisch und ablehnend, denn er hält ihn zunächst für einen Spion. In seinem Handeln läßt er sich ganz von seiner Verantwortung für die Sicherheit der Stadt leiten. Als die Bürger rebellieren, sucht er sie bei ihrer Ehre zu packen und sie davon zu überzeugen, daß die Übergabe der Stadt den Untergang des ganzen Landes zur Folge hätte. Er ordnet auch den Überfall auf die Wasserstelle an, Judiths phantastisch klingenden Bericht vom Tode des Holofernes schenkt er erst Glauben, als Achior die Identität von Holofernes' Haupt bestätigt. Mit dem bekehrten Achior verbindet ihn bald echte Freundschaft, er berät sich mit ihm Uber militärische Dinge und lädt ihn zu sich auf einen Krug Wein ein. Im Vergleich zu Othniel ist Osias weicher, nachgiebiger. Er bringt es nicht über sich, Achior zu mißtrauen,und sucht auch Othniel von Achiors Glaubhaftigkeit zu überzeugen. Als die Not ihren Höhepunkt erreicht, vermag er dem Drängen des Volkes nicht zu widerstehen und willigt schweren Herzens in den Kompromiß ein, die Stadt in fünf Tagen zu übergeben, wenn bis dahin keine Rettung kommt, was ihm Judith zum Vorwurf machen wird. Die eindrucksvolle Schilderung der Not macht die Haltung Osias verständlich, verstärkt aber auch den Eindruck von Judiths Uhbeirrbarkeit. Judith ist offensichtlich der am schwersten zu gestaltende Charakter. Sie tritt, wie in den meisten Judithdramen, verhältnismäßig spät auf (IV^). Der Autor hat die unnahbare biblische Heldin zu vermenschlichen gesucht. 150

Sie erlebt die Not des Volkes und sucht sie zu lindern. Sie beklagt ihr Schicksal und nennt ihren toten Mann glücklich, weil er das Elend nicht mehr erlebe. So gibt auch sie der Vanitasidee Ausdruck. In den folgenden Szenen hält sich der Autor streng an das biblische Judithbild und übernimmt weitgehend den biblischen Wortlaut ihrer Heden, doch lockert er beides durch genremäßige Züge auf, z.B. in den Gesprächen Judiths mit ihrer Dienerin Abra, die sie herablassend behandelt, oder mit den assyrischen Soldaten, dessen Zudringlichkeiten sie sich verbittet. Vor Holofernes spielt sie die SrommNaive, obwohl ihr Plan längst feststeht, ihn mit ihrer Schönheit zu verstricken und zu Fall zu bringen, worauf sie beim Gelage hintergründig anspielt, ohne daß Holofernes ihre List durchschaut. Sie bleibt von seinem Werben ungerührt, vollbringt allein die Tat und verkündet in Bethulia den Triumpf über den Peiniger. Ihre Dienerin Abra ist ihr genaues Gegenteil und paßt ganz zu Susakim. Sie ist häßlich "wie ein Rabenaas", dumm, feige, egoistisch. Sie erzählt Schauergeschichten über die Wassernot, freut sich im stillen auf die Assyrer, denn sie hofft, bei dieser Gelegenheit einen Mann zu ergattern. Andererseits fürchtet sie sich vor ihnen und fragt Judith, "was die Assyrer für Tiere seien". Bei der Begegnung mit assyrischen Soldaten äfft sie vor Angst Judiths Antworten nach und verteidigt ihr Aussehen gegenüber Salman, dem vor ihr graust, mit dem Argument, daß man sie in dunkler Nacht sowieso nicht erkennen könne. Judith muß ihr mehrmals das Wort verbieten. Abra ahnt nicht, welches Spiel ihre Herrin mit Holofernes treibt, und glaubt, daß Judith den Holofernes heiraten oder mit ihm schlafen wolle. Als sie dann seinen Kopf in den Händen hält, ist sie entrüstet und bedauert ihn, weil er beim Aufwachen seinen Kopf suchen wird (vgl. Susakim nach der Scheinhinrichtung). In Bethulia küßt sie Bogar Holofernes' Lippen und beteuert die Identität des Kopfes, habe sie doch stundenlang zusehen müssen, wie Holofernes Judith angeschmachtet habe. 2.6. Handlung 2.6.1. Verhältnis zur Bibel Der Autor stützt sich mas auf das biblische gen er dem biblischen verwertete öder sogar

bei der Konzipierung und Abfassung des DraBuch "Judith". Es fragt sich, welche PassaBericht wörtlich entnahm, welche Teile er ausbaute, welche er ausließ und welche Hand151

lungsmomente er von sich aus hinzufügte. Große Partien des biblischen Textes finden sich wörtlich in direkter Rede, wie in der Rede Aohiors vor Holofernes (Illg), in Judiths Gebeten (V^, VII^) und im Bericht Judiths vor Holofernes (VI^) und vor den Ältesten (VII^). Auf die Bibel gehen - z. T. unter wörtlicher Verwendung des biblischen Textes - folgende Szenen zurück: Gespräch der Priester in Jerusalem (II.,, III^); Holofernes befra:gt und verurteilt Achior (III 2 4)5 Achior in Bethulia (IV.,); Holofernes befiehlt die Unterbindung der Wasserzufuhr (IVj); Osias verkündet die fünftägige Erist (V.,)j Unterredung Judiths jnit den Ältesten (V^); Judith betet und bricht auf (V^); Judith verläßt Bethulia (VI.,); Judith vor Holofernes (VI^); Bagoa vor Judith (VII 2 ); Gelage und Tötung des Holofernes (VII^); Judiths Rückkehr und das Preislied (VII^). Schon in diesen Szenen verfuhr der Verfasser mit seinem Stoff frei, indem er zahlreiche Handlungsmomente hinzuerfand. Bei den übrigen Szenen konnte er sich nur auf kurze Hinweise und Andeutungen der Bibel stützen, oder er gestaltete und vertiefte die im biblischen Bericht vorgegebene Handlung nach eigenem Gutdünken. Das gilt vor allem für folgende Episoden: Nebükadnezar und Holofernes (I.j ^ 4)» Unterwerfung und Gefangenschaft der vier Könige (II^, Interszenium); Aohiors Meditation und Gefangennahme (III^); die Schilderung der Not in der Stadt (IV., 3); Holofernes' Ungeduld über die lange Belagerung und über Judith (VI 2 , VII.,), das Gelage (VII 3 ). Völlig frei erfunden ist die komische Handlung mit dem Soldaten Susakim als Mittelpunkt (I2» II3» III4, Vg VIj). Nicht verwertet werden bestimmte Einzelheiten der Vorgeschichte (1-3) und die abschließenden Episoden des biblischen Buches (14,8 ff; 15J 16, 22 ff.), darunter die Schilderung des Überfalls, der Entdeckung des getöteten Holofernes, der Verwirrung und Flucht der Assyrer, der Plünderimg des assyrischen Lagers und der Siegesfeier. 2.6.2. Handlungsebenen. Welche Verteilung hat die Handlung der biblischen Geschichte im Judithdrama Gregoriis gefunden? Welche Handlungsebenen lassen sich feststellen? Rein äußerlich läßt sich zeigen, auf welcher der beiden Seiten der Nachdruck liegt: Von 30 Szenen stellen über die Hälfte (nämlich 18) die assyrische Seite dar, während die übrigen auf hebräischer Seite spielen. Diese Betonung der assyrischen Seite zeigt sich in dem starken Ausbau der Vorgeschichte, insbesondere 152

in der Nebukadnezarepisode (I-j-I^), ferner in der Schilderung des Aufbruchs des Holofernes (l 4 , 11^) und in der Einbeziehung der Episode von der Unterwerfung der vier Königreiche ( I ^ » Interszenium). So erstrecken sich die Episoden der Vorgeschichte über die ersten beiden Akte, in denen bis auf eine Szene nur die assyrische Seite zu Wort kommt. Besondere Beachtung verdient, wie die Episode von der Unterwerfung der vier Könige ausgeführt wird. Die Handlung knüpft an Szene an, in der Nebukadnezar den Befehl zum Feldzug und zur Unterwerfung dieser Reiche erteilt. Auf die bloße Nachricht hin schicken die Könige ihre Boten, die in 1I 2 die Unterwerfung ihrer länder dem Holofernes anbieten, der sie schließlich annimmt. Die Folgen ihrer freiwilligen Unterwerfung und ihres leichtfertigen Vertrauens in Holofernes* Wort zeigt der Autor im Interszenium zwischen dem 3. und 4. Akt: Die vier Könige schmachten in der Gefangenschaft, sie beklagen ihr los, an dem sie selbst schuld sind. Ihre freiwillige Unterwerfung hat ihnen und ihrem land nichts genützt. Ihre länder sind verwüstet, sie selbst eine Trophäe für Holofernes' Triumphzug. So sind sie Mahnung und Warnung zugleich vor dem Schicksal, das auch das jüdische Volk, insbesondere Bethulia, erleiden soll. Die ersten drei Szenen, die die hebräische Seite daxstellen (11^, III^, IIIj) gehören ebenfalls noch zur Vorgeschichte und schildern die erste Beaktion der Hebräer auf die Nachricht vom Aufbruch und Herannahen des Holofernes. Zwei davon (11^, III^) spielen in Jerusalem und bringen ein Gespräch des Hollepriesters mit den beiden anderen Priestern Sadok und Melchia, nur eine Szene (III-|) spiegelt die Situation in Bethulia wieder, wo Osias und Öthniel die ersten Maßnahmen zur Verteidigung der Stadt treffen. Erst im 3. Akt setzt die Achiorepisode ein, die die eigentliche Haupthandlung einleitet. Sie erstreckt sich über mehrere nicht unmittelbar aufeinanderfolgende Szenen (Illg» H I 4 » Z U j » IV 1 ). Zwischengeschaltet ist die zweite Jojakim-Szene (III^) und das Interszenium. Die Achiorepisode wird recht traditionell entfaltet. Holofernes verlangt Auskunft über die Juden, Achior berichtet und lenkt damit die Ungnade des Holofernes auf sich und verärgert die anderen Offiziere (III 2 ). Nachdem sich Holofernes eine Strafe ausgedacht hat, verurteilt er Achior und läßt ihn abführen. Die Wachsoldaten machen sich über Achior lustig (III^). Es wird nicht gezeigt, wie sie ihn an einen Baum anbinden und vor den Bethuliern entfliehen. In der unmittelbar folgenden Szene (III^) beklagt Achior in einem Monolog sein los, wird von Vaneja entdeckt, losgebunden und in die Stadt 153

gebracht. Erst nach dem Interszenium erfolgt seine Aufnahme in Bethulia (IV-|), wobei sein Bericht über seine Behandlung durch Holofernes als bekannt vorausgesetzt wird, so daß es in der Szene im wesentlichen um Achiors Glaubwürdigkeit geht. Nun beginnt die verschärfte Belagerung Bethulias, Holofernes schneidet der Stadt die Wasserzufuhr ab (IV 2 ), worauf der Wassermangel eine entsetzliche Not in der Stadt verursacht, deren Folgen in dem Monolog Judiths, in ihrem Gespräch mit Abra (IV^) und in den Klagen der Bürger (V.|) geschildert werden. Sie gipfelt schließlich in dem Aufbegehren der Bürger und dem Schlichtungsversuch des Osias, der eine fünftägige Jurist bis zur Übergabe festsetzt (V^). Der geglückte Überfall Vanejas auf die zechende Brunnenwache, bei dem Susakim gefangengenommen wird, unterbricht als halbkomisches Intermezzo die ernste Haupthandlung. Nun erst (V^) greift Judith in das Geschehen ein, indem sie den Ältesten Vorwürfe macht und ihren Entschluß bekannt gibt, ins feindliche Lager zu gehen. Eine komische Szene (V^), die das Zusammentreffen Achiors mit seinem Peiniger Susakim und dessen Verurteilung bringt, schiebt sich dazwischen, ehe die Haupthandlung fortgesetzt wird. Judith betet (V^) und verläßt die Stadt (VI-j). Die weiteren Szenen des 6. und 7. Aktes führen die Handlung in mehr oder weniger traditioneller Weise zu Ende. Sie spielen mit Ausnahme der komischen Szene von der vermeintlichen Hinrichtung Susakims (VI^) und der Schlußszene, die die Rückkehr Judiths nach Bethulia beinhaltet, ausschließlich im assyrischen Lager. In einem Gespräch mit seinen Offizieren äußert Holofernes seine Unzufriedenheit über die lange Belagerung der Stadt (VI 2 ). Judith trifft auf die assyrischen Wachen (VI^). Holofernes empfängt sie, hört sie an und gewährt ihr freundliche Aufnahme. (VI^). Im Kreise seiner Offiziere entschließt er sich, Judith einzuladen (VII^). Bagoa überbringt Judith die Einladung, die bereits darauf vorbereitet ist (VII 2 ). Unmittelbar schließt sich das Gelage und die Ermordung des Holofernes an (VII^). Die letzte Szene bringt Judiths Rückkehr nach Bethulia und ihre anfeuernde Rede an das Volk und schließt mit dem Aufbruch der Bethulier zum Angriff und ihrem Triumphgesang, womit der siegreiche Ausgang der Schlacht angedeutet wird. Ein Triumphlied der Juden beendet auch das Esther dirama.

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2.6.3. Die Vielfalt der H a n d l u n g s o r t e spiegelt sich auch im Drama wieder: der Königspalast des Hebukadnezar (i^, Ij), die Straße in der Hauptstadt Winive (lg)» das "Marsfeld" als Musterungsplatz der Truppen (I^), Jerusalem (11^, III^), Holofernes Zelt unterwegs (II^), Stadt in Assyrien (II^), Bethulia (IILj), Holofernes Zelt im lager vor Bethulia (Illg, I H 4 » 1V 2 » Vlg, VI4» VILj, VII^), Ort im assyrischen lager, wo die vier Könige gefangen gehalten werden (Interszenium), Ort vor Bethulia, wo Achior angebunden steht (III^), Ort vor Bethulia, wo assyrische Soldaten an einem Brunnen Wache stehen (V 2 , VI^), Bethulia - auf dem Markt (IV^, V 1 ) . Bethulia - am Stadttor (VI-,, VII^), Bethulia - in Judiths Haus (IV^, V^), nicht näher bestimmter Ort in Bethulia, wo Susakim gefangengehalten und zum Schein hingerichtet wird (V^, VI^). Betrachtet man diese Zusammenstellung, so erkennt man einen ständigen Wechsel des Ortes, wenngleich die Örtlichkeiten vom 3. Akt an im wesentlichen auf Bethulia und das assyrische Lager beschränkt bleiben. 2.6.4. Komik Das Moskauer Judithdrama kennt außer der Ebene der beiden Parteien und außer der lokalen Ebene noch eine Ebene, die sowohl sozialen als auch stimmungshaltigen Charakter hat. Die s o z i a l e Wertung erfolgt natürlich nach den damals gültigen Maßstäben des Herr Diener - Verhältnisses bzw. des Offizier - Soldat - Verhältnisses im militärischen Bereich. Der sozialen Wertung entspricht die Verteilung von Ernst und K o m i k , d.h. die Personen der gehobenen Schicht haben nur ernste Rollen. Wenn sie auch gelegentlich mit den komischen Personen zusammentreffen und selbst scherzen, so zeigen sie sich doch erhaben und wirken selbst nicht komisch: vgl. z. B. den Scherz Nebukadnezars (I-j), daß ihm ein Rat, der nicht den Mund auftäte, ebensoviel wert sei, wie der Stuhl, auf dem er sitzt; ferner die Scherzreden, die Holofernes mit Bagoa wechselt (VII^), und die Art, wie sich Judith über Abra mockiert (VI^, VII^) oder wie Achior mit dem gefangenen Susakim umgeht (V^). Die komischen Personen gehören dagegen den unteren Schichten an, sie sind Diener oder einfache Soldaten, der Hauptheld Susakim stammt sogar aus dem "Lumpenproletariat". Es ist ein großer Vorzug des Dramas, daß die komische Handlung nicht selbständig und zur Haupthandlung beziehungslos nebenherläuft, sondern in die Haupthandlung einbezogen wird, indem beide Personenkreise promiscue auftreten. So finden sich komische Handlungselemente in den ernsten Szenen, und umgekehrt treten 155

auch Personen der oberen Ebene in ausgesprochen komischen Szenen auf. In beiden Fällen soll eine Kontrastwirkung erzielt werden, die jedoch den vorwiegend ernsten bzw. heiteren Charakter der betreffenden Szene nicht zerstört. Zum ersten Mal sind in einem Judithdrama die beiden Dienerrollen Bagoa und Abra komisch gestaltet, wodurch sie in starken Kontrast zu Holofernes und Judith treten, zumal sie ja deren Vertraute sind. Abra tritt in den Szenen IV^, V-j , VL| u.^, V H 2 - 4 Bagoa nur in den Szenen VII^ ^• Die eigentliche komische Nebenhandlung wird aber nicht von den Dienern, sondern von den Soldaten Somnas, Selum, Salman und Susakim sowie dem Scharfrichter Dooch bestritten. Auch die Offiziere Mossollom, Sisera und Oded und auf bethulischer Seite Leutnant Vaneja nehmen an ihr teil. Sie besteht aus Szenen, die das Soldatenleben mit allen seinen Auswüchsen schildern: Erwartungen und Befürchtungen vor dem Feldzug (Ip)» Gespräche über Essen und Trinken, Zustände im Standquartier, Erlösung eines am Pranger stehenden Soldaten, der seiner Wirtin ein Paß Wein auslaufen ließ (11^); Susakim und Genossen freuen sieh, einen Hauptmann wie Achior abführen zu dürfen (111^); Zecherei mit Trinklied und Gefangennahme Susakims (V2)> Verhör Susakims durch Vaneja und Achior (V^); Judith und Abra treffen auf die Brunnenwache (VI^); Susakims Hinrichtung (Vlc;). Als roter Paden zieht sich durch diese Nebenhandlung das Schicksal Susakims, eines verfressenen, aber gewitzten Subjekts, das die Holle des Hanswurstes spielt. Es ist leicht zu erkennen, wie die komischen Szenen mit ernsten abwechseln, wenn auch nicht in regelmäßigen Abständen. Auch im Estherdrama gibt es eine komische Nebenhandlung, jedoch ist sie zum Unterschied vom Judithdrama literarisch nicht fixiert, sondern nur aus der liste der dem Stück vorangestellten "stummen Bilder" in lateinischer Sprache zu ersehen; ferner ist sie nicht mit der Haupthandlung verknüpft, wenn man von der einzigen ausgeführten Szene absieht, in der der Scharfrichter (spekuljator) den Haman zum Galgen geleitet (VI^), sie erscheint ferner lediglich in Intermedien und wird nicht in- die Akt- und Szenenabfolge einbezogen. Komische Personen, die den Hauptpersonen als Diener u.ä. assistieren, kommen mit Ausnahme des Scharfrichters im Estherdrama nicht vor. Somit stellt das Judithdrama im Hinblick auf die Einbeziehung der komischen Elemente eine bedeutende Weiterentwicklung dar.

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.Im Judithdrama kommen keine Geister- oder Totenerscheinungen vor, wie sie die zeitgenössische deutsche Dramatik kannte, ebenso keine allegorischen Gestalten. Der Autor des Judithdramas handhabt die Technik der Ebenenbrechung bereits sehr geschickt. Es kommt nicht vor, daß zwei aufeinanderfolgende Szenen dieselbe Ebene beibehalten. 2.6.5. Einsparung Auch die Technik der Einsparung ist dem Autor bekannt. Während man vorher die Handlung gemäß dem biblischen Bericht voll ausführte und Wiederholungen in Kauf nahm, knüpft Gregorii die nächste zusammengehörende Szene keineswegs immer da an, wo die vorangegangene aufhört. Am deutlichsten zeigt sich die Einsparungstechnik in der Achiorepisode (Illg 4_5> IV-| ): Achior wird weggeschleppt (III^), aber es wird nicht gezeigt, wie ihn Susakim an den Baum bindet, sondern in H I 5 steht er bereits an den Baum gefesselt da und beklagt sein Schicksal. Ebenso setzt die Szene IV-| seinen Bericht vor den Altesten Bethulias bereits voraus. Der Zuschauer hat Ja das Geschehen in Szene Illg selbst miterlebt, so daß für ihn der Bericht Achiors nur eine Wiederholung von bereits Bekanntem wäre. Vielmehr geht es jetzt um das Problem der Glaubwürdigkeit Achiors, das in den meisten Judithdramen nicht aufgeworfen wurde. Auch in den Szenen VI^ und VI^ wird eine Wiederholung der Gründe für Judiths Kommen vermieden. Judith hält es einfach unter ihrer Würde, sich den Soldaten lange zu erklären; erst dem Holofernes offenbart sie ihre scheinbaren Beweggründe. Auch die Handlungsebene der vier unterworfenen Könige ist nur in drei Szenen, die verschiedene Entwicklungsetappen statisch zeigen, dargestellt: Xj Auftrag an Holofernes, Ilg Empfang der Abgesandten und Annahme der Huldigung. Interszenium: die Könige in Gefangenschaft. Nicht hierher gehört die Weglassung des Schlusses der biblischen Erzählung, der Episode des Überfalls und des Triumphes, die m. E. mit der besonderen Sinndeutung des Stückes zusammenhängt und nicht nur auf eine technische Einsparung zurückgeführt werden darf. 2.7. Äußerer Aufbau 2.7.1. Akt- und Szenenzahl Das Dr&ma wird mit einem Prolog (predislovie) eingeleitet. Ein Epilog ist nicht überliefert. Es hat 7 Akte (dejstvo), die in Szenen (sen 1 ) eingeteilt sind. Die Zahl der Szenen beträgt bei den einzel157

nen Akten: 1 - 4 ,

II - 3, III - 5, Interszenium (mezdosenie), IT - 3,

V - 5, VI - 5, VII - 4; insgesamt also 30 Szenen. Die Benennung der einzelnen Szene erfolgt nach dem Schema: "Des x Aktes Szene x" (z.B. pervago dejstva sen' pervaja). 2.7.2. Szenengestaltung Die Szeneneinteilung richtet sich nach Handlungseinheiten, nicht nach Auf- und Abtritten. In einer Szene treten höchstens 7 sprechende Personen auf, mit den stummen zusammen sind.es nicht über 1 0 - 1 2 Personen, ungenannte Personen, wie Volk, Soldaten u.ä. natürlich nicht einbegriffen. Meist liegt die Zahl der Sprecher bei 3 - 5 . Auch viele Dialoge kommen vor, allerdings auch in Szenen, in denen weitere redende oder stumme Personen auftreten (Ig, H ^ , H I 4 , I H j » IV 3 , V 4 , V I 5 , VII 2 , VII 3 ). Echte Monologe sind selten (III 5 , und bedingt IV^, VII^). Einige Male äußert Abra durch Beiseitesprechen ihre Meinung (V 1 , VI^, VII p , VII^). Sonst sprechen nur noch die beiden komischen Personen Bagoa und Susakim beiseite (V 2 , V^, VI^, VII 3 ). Es gibt Szenen, deren P e r s o n e n s t a n d konstant bleibt, z.B. bei Beratungen u.ä. (1^ ^ 11^, IV1-4, VI2 VI^). Die Zahl der Personen kann aber auch innerhalb einer Szene wechseln, indem Personen hinzukommen oder abtreten. Dies ist besonders bei Szenen der Fall, die reich an Handlung sind und in denen das Geschehen dargestellt wird (II 2 Empfang der vier Boten, III^ Achiors Befreiung, V 2 Vanejas Überfall, VI 1 Judiths Weggang, VII^ Gelage und Ermordung - in einer Szene!). Auch in weniger belebten Szenen treten Personen einzeln oder zu zweit zuerst auf oder kommen später hinzu: I 2 zwei Offiziere unterhalten sich, bevor sie mit den hinzukommenden Soldaten Somnas und Susakim ein Gespräch anknüpfen; schließlich tritt auch der Trommler Selum auf. 11^ Susakim und Somnas plaudern, während Salman am Pranger steht; dann kommen Oded und Selum und besprechen einen Auftrag; erst nach Selums Abtritt wendet sich Oded den drei Soldaten zu und geht auch früher weg* I H 4 Holofernes geht im Zorn vorher ab. Interszenium: Oded tritt später zu den gefangenen vier Königen und geht vor ihrem Klagegesang ab. V^ Osias fragt Chabri nach Judith; diese kommt dann selbst mit Abra und spricht noch kurz mit ihr, bevor sie zu den Ältesten tritt. V4 Achior spricht mit Vaneja, dann wenden sie sich Susakim zu. Als Othniel kommt und Vaneja und Susakim weggehen, besprechen Achior und Othniel Susakims Verurteilung. VI, bevor Judith und Abra herauskommen, unterhalten 158

s i c h die d r e i Soldaten. VI4 J u d i t h wird angemeldet, ehe man s i e h e r e i n f ü h r t . V l l g J u d i t h und Abra u n t e r h a l t e n s i c h , ehe Bagoa e r s c h e i n t und die Einladung ü b e r b r i n g t ; a l s J u d i t h und Bagoa weggehen, b l e i b t Abra etwas zurück und macht a l l e i n i h r e Glossen. V I I ^ Der e r s t e , den J u d i t h und Abra b e i i h r e r Rückkehr begegnen, i s t Vaneja; er r u f t e r s t die anderen h e r b e i . Ihrem I n h a l t nach sind die Szenen r e c h t v e r s c h i e d e n . Die Handlungsszenen ( 1 ^ , I I 2 , I I j , I I I 5 , V 2 , V I 5 , V I I ^ ) sind a l l e r d i n g s weniger bewegt, a l s man annehmen möchte. E i n i g e s t e l l e n f e i e r l i c h e Handlungen d a r , z . B. die Überreichung des Schwertes an Holofernes ( I ^ ) oder der Empfang der Boten, die d i e s e s Schwert küssen und die Kronen i h r e r Herrscher darauf l e g e n müssen ( I l g ) . Die losbindung Salmans ( 1 1 ^ ) , die B e f r e i u n g Aohiors ( I I I ^ ) und der Ü b e r f a l l Vanej a s (Vg) s i n d einander ä h n l i c h g e l a g e r t e Handlungen. Die scheinbare Hinrichtung Susakims (VI^) i s t eine Parodie auf die t a t s ä c h l i c h e Ermordung des Holofernes ( V I I ^ ) , welche unmittelbar auf die Dars t e l l u n g des bewegten Gelages f o l g t . Mehrere Szenen enthalten Beratungen oder Besprechungen, i n denen v e r s c h i e d e n e , zum T e i l sogar g e g e n s ä t z l i c h e Meinungen zur Sprache kommen (I., ^ 4» H-, > I I ] : 1 _ 3 » I V -|-2> 3' VI2' 4^* B e s o n d e r e c h a r a k t e r i s t i s c h i s t die Szene I . , , i n der Nebukadnezar s i c h mit s e i n e n Räten über den geplanten Feldzug b e r ä t , gegen den zwei Räte Vorbehalte zu äußern wagen. Auch Holofernes h ä l t Besprechungen mit s e i n e n O f f i z i e r e n ( I ^ , I I I 2 , IVg, V I I . , ) . Auf j ü d i s c h e r S e i t e besprechen s i c h die d r e i P r i e s t e r i n Jerusalem ( I I . , , I I I 3 ) bzw. die Ä l t e s t e n von B e t h u l i a ( I I I . , , IV.,, V.,, V j mit J u d i t h , V I I 4 ) . E i n i g e von d i e s e n und e i n i g e andere Szenen sind ausgesprochene K o n f l i k t oder K o n f r o n t a t i o n s s z e n e n , i n denen unvereinbare Meinungen a u f e i n a n d e r p r a l l e n oder zwei Gegner einander gegenüberstehen ( I l g Holof e r n e s und die Boten; I I I 2 ^ Holofernes und Achior; H I 5 Achior und V a n e j a ; IV., Achior und die Ä l t e s t e n ; V., Osias und d i e r e v o l t i e r e n den B ü r g e r ; V j J u d i t h und O s i a s ; VI^ J u d i t h und die Wache; VI 4 J u d i t h und H o l o f e r n e s ; VII^ J u d i t h und H o l o f e r n e s ) . E i n i g e Szenen haben Revuecharakter, d . h . e i n e Reihe von Personen, d i e im S p i e l keine tragende R o l l e haben ind meist nur i n der b e t r e f f e n d e n Szene a u f t r e t e n , äußern s i c h zu einem Thema, p a s s i e r e n gleichsam Revue. Hierzu gehören d i e große Beratung Nebukadnezars (X-,), die Reden der v i e r Boten ( I I 2 ) , die Klage der Könige ( I n t e r s z e n i u m ) . Andere Szenen haben m e d i t a t i v e n Charakter oder e n t h a l t e n Passagen d i e s e r A r t , s i e dienen dem Ausdruck p e r s ö n l i c h e r Stimmungen, Empfindungen

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und Gedanken. lyrische, monologhafte Pormenelemente sind in ihnen vorherrschend: III^ Melchia und Sadok wollen über der Gefahr verzweifeln und werden von Jojakim getröstet; III^ Achiors Monolog über die Eitelkeit des Glücks; Interszenium: die Klagen der Könige über ihr Schicksal; IV ^ Judiths Meditationen über die Not Bethulias; Vpj Judiths Gebet zu Gott; VI^ Susakims Abschiedsreden vor seiner Hinrichtung, VII, Judiths Gebet vor der Tat. j

2.8. Bühne' Bas Judithdrama setzt dieselben Bühnenverhältnisse voraus wie das 31 Estherdrama. Es handelt sich um die Verwandlungsbühne, die im laufe des 17. Jahrhunderts aufkam. Dieser Bühnentyp arbeitet mit zwei Bühnenflächen: Die breite, lange Vorderbühne bleibt ohne wesentliche Dekorationen, wird nicht verändert und stellt meist eine offene Örtlichkeit, wie Straße, Vorhof, Platz u.a. dar. Die dekorierte Hinterbühne ist nicht so breit, aber tiefer und dient zur Darstellung von Innenräumen. Ihre Dekorationen bestehen vorwiegend aus gemalten Kulissen oder Prospekten, die sich auswechseln lassen. Die vorderen Prospekte, die wie Schiebewände zur Seite geschoben werden können, verschließen die Hinterbühne, so daß diese umgebaut werden kann, während das Spiel auf der Vorderbühne v/eitergeht. So ermöglicht dieser Bühnentvp einen schnellen Wechsel des Schauplatzes, indem man von der flachen Vorderbühne zur tiefen Hinterbühne übergeht und umgekehrt. Das Prinzip der Ebeneribrechung bzw. des Schauplatzwechsels findet somit seine bühnentechnische Erklärung. Ein Vergleich mit dem Estherdrama zeigt, daß dort die Hinterbühne in der Hegel Räume im königlichen Schloß darstellt, wogegen die Vorderbühne den Ort vor dem Palast andeutet. Während im Estherdrama die Einheit des Ortes vom Sujet her viel größer ist, sind die Schauplätze des Judithdramas differenzierter, liegen räumlich weiter auseinander. Der häufige Wechsel des Schauplatzes wird mit demselben Bühnentyp bewerkstelligt. Die Hinterbühne bleibt für die Szenen in Nebukadnezars Thronsaal, in Holofernes' Zelt und in Judiths Gemach vorbehalten. Natürlich kann bei einer solchen Szene auch die Vorderbühne in Spiel und Schauplatz einbezogen werden, denn sie ist ja neutral und stellt dann eben den Vorraum, den Vorplatz u.ä. dar. Der Prolog wird wie beim Estherdrama auf offener Bühne (aperto theatro) in Anwesenheit des ganzen Ensembles von einem Sprecher vorgetragen worden sein. Szene setzt die Hinterbühne voraus, die den Beratungssaal Nebukadnezars darstellt. Der König sitzt auf 160

seinem Thron in der Mitte des hinteren Prospekts mit Blick auf das Publikum, seine sechs Räte gruppieren sich zu dritt an beiden Seiten. Sie diskutieren miteinander, müssen sich also ansehen. Am Schluß fordert Uebukadnezar seine Räte auf, sich zu erheben und mit ihm zu Tische zu gehen. Alle gehen ab. Szene Ig spielt auf der Vorderbühne - einer Straße in Ninive, wo von der einen Seite Sisera und Mossollom, von der anderen Seite Somnas und Susakim auftreten, sich begegnen und beim Kommen Selums sich wieder trennen. Darauf öffnet sich die Hinterbühne wieder und gibt den Blick in Nebukadnezars Thronsaal frei (Ij). Die Szenerie dürfte ähnlich sein wie in : Nebukadnezar und die Räte sitzen, nur Holofernes steht, nämlich beim Empfang des Schwertes, oder kniet nieder - bei der Berührung durch Nebukadnezars Zepter. Das Gespräch des Holofernes mit seinen Offizieren (I^) findet im Freien, also auf der Vorderbühne, statt. Eine besondere Anordnung der Personen ist nicht ersichtlich. Dasselbe gilt für die folgende Szene IL] mit dem Gespräch Jojakims und der Ältesten von Jerusalem. Der Empfang der vier Boten durch den auf einem Thron sitzenden Holofernes (II2) ist in einem prächtig geschmückten Innenraum zu denken, also auf der Hinterbühne, wobei die Boten über die Vorderbühne hereinkommen und vor Holofernes niederknien. Szene 11^ spielt auf der langen Vorderbühne. Salman steht am Pranger, offensichtlich ganz an der Seite, denn Somnas und Susakim bemerken ihn erst, als er sie anruft. Dann kommen Oded und Selum und sprechen miteinander, bleiben also, bis Selum abtritt, auf der anderen Seite der Bühne. Von Somnas angesprochen, tritt Oded zu ihnen, spricht Salman frei und geht vor den drei Soldaten ab. Ein solches Hin- und Hergehen wäre auf der Hinterbühne nicht möglich. Für III.] haben wir keinen Hinweis auf die Bühnenverhältnisse, doch dürfen wir die Vorderbühne als Aktionsfeld annehmen. Auch für die nächsten Szenen fehlen Angaben. Bei Illg handelt es sich tun eine Beratungsszene mit vielen Personen, die die Hinterbühne einbezieht, welche offensichtlich Holofernes' Zelt im assyrischen Lager vor Bethulia darstellt. Im Zelt sitzen oder stehen Holofernes und seine Offiziere und beraten, während die Soldaten vor dem Eingang des Zeltes auf der Vorderbühne Aufstellung genommen haben. Auf Holofernes Befehl treten sie hinzu und führen Achior über die Vorderbühne ab. Für III^ gilt das gleiche wie für IL,, sie spielt auf der Vorderbühne. Szene III^ ist verhältnismäßig kurz und teilt sieh in zwei Abschnitte: Holofernes verkündet Achior sein Urteil, und Achior wird von Soldaten 161

weggeführt. Möglicherweise gelten dieselben Bühnenverhältnisse wie in IIIj, doch ist auch die alleinige Benutzung der Vorderbühne wahrscheinlich. Szene III^ spielt auf der Vorderbühne, auf deren einen Seite der an einen Baum gebundene Achior steht. Vaneja kommt mit vier Kriegsleuten von der anderen Bühnenseite und sucht die Assyrer, bis er auf den geknebelten Achior stößt. Das Interszenium handelt ebenfalls auf der Vorderbühne im Freien. Die Könige sehen Oded von weiten, d.h. von der anderen Bühnenseite her, kommen. Die Achiorepisode (IV^) endet in Bethulia auf freiem Platz, also auf der Vorderbühne. Am Schluß der Szene fordert Osias alle auf, in sein Haus zu kommen. Szene XV 2 bietet keine Hinweise auf die Bühne. Sie könnte sowohl in Holofernes' Zelt, als auch auf der Vorderbühne vor sich gehen. Szene IV^ spielt im IVeien, weil Judith am Schluß der Szene ausdrücklich sagt, daß sie wieder ins Haus gehen wolle. Die Aufruhrszene V^ verlangt die lange Vorderbühne aus folgenden Gründen: Abdija und Pinees befinden sich auf einer Seite der Bühne, von der anderen kommen Osias und Othniel. Die Auseinandersetzung findet in der Mitte der Bühne statt. Abra belauscht sie, an der einen Seite der Bühne stehend. Der Überfall auf die assyrische Brunnenwache (V 2 ) geschieht ebenfalls auf der Vorderbühne mit ihrem beiderseitigen Durchgang: Von der einen Seite stürmen Vaneja und seine Soldaten herein, zur anderen flüchten die AsSyrer hinaus. Auch Vj verlangt die Vorderbühne. Osias spricht mit Chabri, der ihm die Bitte Judiths überbracht hat, a n diesen Ort zu einer Unterredung zu kommen. Judith und Abra treten von der anderen Seite her auf und gehen auf die Ältesten zu. Zum Schluß erklärt Judith, daß sie jetzt in ihr Gemach gehen wolle. Die bewegte lustige Szene V^ handelt auf der Vorderbühne, die das Beiseitesprechen, d.h. die Hinwendung zu den Zuschauern begünstigt. Daß sie im Ereien spielt, zeigen außer der Handlung auch Othniels Worte, der Achior in Bein Haus einlädt. Erst für ist wieder ein Innenraum angegeben: Judiths Betkammer auf der Hinterbühne. Szene VI 1 erfordert wegen der größeren räumlichen Bewegung der Personen die Vorderbühne. Die versammelten Ältesten sehen Judith kommen, wünschen ihr am Stadttor Glück und gehen ab. Judith und Abra ziehen nach der anderen Seite davon. Nun (VI 2 ) öffnet sich der Prospekt vor der Hinterbühne wieder und gibt den Blick frei in das Zelt des Holofernes, in dem Holofernes und seine Offiziere "sitzen und trinken". Am Schluß der Szene begibt sich Holofernes zur Ruhe, während seine Offiziere abgehen. In VI 3 stehen drei Assyrier auf der Vorderbühne auf Wache. Judith und Abra 162

nähern sich ihnen von der einen Seite und verlassen sie naoh der gegenüberliegenden Seite. In VI^ sitzt Holofernes wie in V I 2 in seinem Zelt auf der Hinterbühne. Man führt Judith über die Vorderbühne herein. Die komische Schlußszene des VI. Aktes verlangt die Vorderbühne, auf der die Scheinhinrichtung Susakims vollzogen wird. V o n hier kann sich Susakim auch leicht an die Zuschauer wenden, wenn er seinen Kopf sucht. Szene VII., zeigt wieder Holofernes' Zelt auf der Hinterbühne, wie aus seiner eigenen Bemerkung hervorgeht: "... Jetzt traktiere ich Euch noch in einem Zelt...". Szene V I I 2 verlangte eigentlich einen Innenraum, nämlich Judiths Zelt, wurde aber bestimmt auf der Vorderbühne gespielt, denn erstens ist die Zeit für den Umbau der Hinterbühne zu knapp, zweitens ist die Szene selbst zu kurz, drittens beobachten wir eine stärkere Bewegung der Personen, und viertens wendet sich Abra, allein geblieben, an die Zuschauer. Wieder (VIIj) stellt die Hinterbühne das festlich geschmückte Innere von Holofernes' Zelt dar. An der Tafel sitzen Holofernes und seine Offiziere. Nach dem ersten Toast führt Bagoa Judith und Abra über die Vorderbühne herein. Als Holofernes betrunken aufs Bett fällt, gehen alle leise ab, nur Judith bleibt und heißt Abra, vor dem Zelt, also auf einer Seite der Vorderbühne, zu warten. Nach vollendeter Tat fliehen beide über die eine Seite der Vorderbühne hinaus. Die letzte Szene (VII^) spielt auf der Vorderbühne. Judith kommt und klopft ans Tor, das vermutlich ebenso wie die Stadtmauer auf einem gemalten Prospekt dargestellt wurde. Auf ihren und Vanejas Ruf hin eilen die Ältesten und Bürger herbei. Zum Schluß füllt sich die Bühne mit Spielern, die alle das wuchtige Triumphlied anstimmen. Passen wir die Verteilung der beiden Bühnen auf die einzelnen Szenen zusammen. Die neutrale Vorderbühne ist Handlungsschauplatz von 20 bzw. 21 Szenen, von denen einige unmittelbar aufeinander folgen: I 2 4' I L 1 3 5 I i : r 1 3 ( 4 ) 5' Interszenium; J V 1_4» VI., j 5» V I I 2 4. Auf der Hinterbühne handeln folgende Szenen: I.| II 2 ; III 2 V^; V I g 4 ; VII., y Diese 9 bzw. 10 Szenen verlangen jedoch nur drei verschiedene Innenausstattungen. Der erste darzustellende Raum ist der Beratungs- und Thronsaal Nebukadnezars (L, 3), der, leicht variiert, den Empfangssaal des Holofernes (II 2 J ergibt. Die zweite Dekoration stellt ein Gemach im Hause Judiths dar (Vc). Zum dritten zeigt die Hinterbühne das

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Innere von Holofernes Zelt (III 2

4;

VI2

4;

VII 1

3).

Der Wechsel

der Handlungsebenen deckt sich jedoch nicht unmittelbar mit dem Bühnenwechsel, was die Variabilität des Bühnengeschehens erhöht. 2.9. Kulissen und Requisiten Kulissen und Prospekte, soweit sie überhaupt bekannt sind, wurden bereits bei den Bühnenverhältnissen abgehandelt. Sie kommen vor allem bei der Darstellung der Innenräume auf der Hinterbühne in 32 Betraoht. An Requisiten werden vorhanden gewesen sein : Mobiliar zur Ausstattung der Innenräume, wie ein Thronsesael für Nebukadnezar, ein erhöhter Sitz für Holofernes, Stühle für die Räte, Stühle oder Bänke und ein Tisch in Holofernes* Zelt, ein Bett oder eine liege für Holofernes; Insignien, wie die Krone und das Zepter Nebukadnezars (1^ die Kronen der vier sich unterwerfenden Könige, die ihre Abgesandten dem Holofernes überbringen (II 2 ) und die die Könige in Gefangenschaft wieder auf dem Kopfe tragen, während sie mit eisernen Ketten gefesselt sind (Interszenium); verschiedenes Gerät, vor allem zum Trinken, Becher oder Humpen, eine Kanne oder gar ein Paß (V 2 , V I 2 , VII^ Abra trägt in einem Korb lebensmittel für Judith (VI.j • 2 ) .' Zum Anbinden von Salman und Achior und zum Fesseln von Achior und Sueakim sind Stricke nötig. Eine Attrappe von Holofernes' Kopf, seine Decke und den Vorhang von Holofernes' Zelt steckt Abra auf Geheiß Judiths in einen Sack und zeigt sie in Bethulia (VIIj_ 4 ). Mit dem Schwanz eines üTuchses schlägt Dooch auf Susakim ein (VI^). Schriftstücke werden erwähnt: Ein Verzeichnis des gesamten Heeres reicht Sisera dem Holofernes (1^); Jojakim hält ein Schreiben von Osias in seinen Händen (III^). An Versatzstüoken dürfte der Pfahl auf der einen Seite der Vorderbühne sowohl als Pranger von Salman (IIj) als auch als Baum, an dem Achior gefesselt ist (III^) gedient haben. Auch der Brunnen wurde wahrscheinlich durch eine Attrappe angedeutet, vielleicht war er auf einem Prospekt aufgemalt (V 2 , VIj). Eine wichtige Rolle spielen Waffen und Kleidung, obwohl sie nur selten erwähnt werden. Hebukadnezar überreicht sein Schwert dem Holofernes (I^), O'ded muß es vor diesem hertragen (1^), die Boten müssen es küssen und dann die Kronen ihrer Könige darauflegen (II 2 ). Das gleiche Schwert hängt über Holofernes' Bett. Judith schlägt ihm damit den Kopf ab (VII^), nachdem sie es vorher aus der Scheide gezogen hat. Seinen Säbel zieht Sisera und fuchtelt damit vor Freude über den baldigen Peldzug (I 2 ). Die Offiziere tragen alle Säbel, die Leibwächter Hellebarden (I1 II2 Nebukad-

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nezar hat eine besonders prunkvolle Kleidung j). Judith hat sich herrlich gekleidet und geschmückt (VI1 j VII2 . Susakim zählt seine Sachen auf: Strümpfe, Schuhe, Hut, Überrock (kaftan) und Hosen (VI^). An Instrumenten werden nur Trommeln, Pauken und. Trompeten genannt. Bagoa singt vielleicht zur Zither (VII^). 2.10'. Gestik Die Gestik spiegelt sich teils direkt in den Spielanweisungen, teils indirekt in den Reden wider. Besonderer Wert wird symbolischen oder gesellschaftlich bedeutsamen Gesten beigemessen, wie sie das Theater des 17. Jahrhunderts vor allem dem höfischen Zeremoniell absah. Dementsprechend müssen wir uns das selbstherrliche, imposante Auftreten Nebukadnezars vorstellen, der sein Zepter würdevoll hebt und senkt. Ihm gegenüber zeigen die Räte in Reden und Gesten eine unterwürfige, den Rangabstand verdeutlichende Haltung. Vor seinem Herrscher beugt selbst der stolze Holofernes die Knie und empfängt knieend Nebukadnezars Schwert und die Berührung mit dem Zepter. Kniefall und Verbeugung spielen allgemein eine große Rolle, während die Gestik mit den Händen, die sicher ebenso ausgeprägt war, kaum Erwähnung findet. Die vier Boten knieen vor Holofernes, küssen das Schwert Nebukadnezars und legen ihre Kronen darauf. Judith kniet vor Holofernes nieder. Susakim muß sich zur Hinrichtung niederknieen und macht darüber seine Scherze. Die Juden beten knieend und mit gefalteten Händen zu Gott. Salman verbeugt sich dankend vor Oded (IIj). Gebärden, die Gemütsbewegungen ausdrücken oder begleiten, sind schwer faßbar:-Die Boten zittern wie vor Schreck (Ilg), Itocht zeigt Abra, wenn sie sich hinter Judith versteckt (VI^), sie küßt in ihrer Narrheit Holofernes' Kopf (VII^). Besonders in den komischen Szenen dient die Gestik zur Unterstreichung oder Ausdeutung des gesprochenen Wortes, so z.B. wenn Susakim nach der Hinrichtung seinen Kopf sucht, seine Glieder befühlt und seine Sachen zusammenrafft (VI^). 2,11. Spielanweisungen Die Spielanweisungen, die der Text bietet, sind nicht allzu zahlreich. Sie verteilen sich recht unterschiedlich auf die einzelnen Szenen; ain häufigsten kommen sie in den HandlungsSzenen vor. Ihre Form mutet etwas primitiv an (durch die überflüssige Nennung der Sprecher oder des Verbes "sagt, sagen"). Inhaltlich beziehen sich die Spielanweisungen auf Sprechart (z.B. Beiseitesprechen, Schrei165

eri, lallen, gemeinsames Sprechen), auf die Ausdrucksweise (z.B. Klagen, lachen, Weinen), Gestik (s.o.), Auf- und Abtritte von Personen - jedoch keineswegs regelmäßig, auf Vorgänge (z.B."hier erfolgt der Ausfall" V 2 ) , Handlungen, Örtlichkeiten (z.B. Vg, V^,. VI.| ) und auf musikalische Elemente. Die Szene

wird durch ein

kurzes Handlungsresumfee eingeleitet. 2.12. Musikalische Elemente Im ersten russischen Theater kamen Musik und Gesang große Bedeutung zu. Urkunden und zeitgenössische Berichte bezeugen die Anwerbung von Musikanten, die Aufstellung einer transportablen Orgel, die Verwendung von Musik in dem Ballett "Orpheus" und in den Dramen. J Im Judithdrama sind die musikalischen Elemente nicht so stark vertreten wie im Estherdrama. Die Instrumentalmusik beschränkt sich auf die Verwendung von Trompeten, Trommeln und Pauken: Am Ende der Beratung (I.|) ertönen Trompetenstöße (zde vostrübjat), worauf Nebukadnezar mit den Worten "Man bläst schon zu Tische" das Zeichen zum Aufbruch gibt. Selum "schlägt die Trommel und ruft aus", daß am nächsten Tag Appell abgehalten wird (I 2 ). Holofernes will einen Trommler als Parlamentär nach Bethulia schicken (VI 2 ). Als Holofernes auf die Gesundheit seiner Soldaten und Nebukadnezars trinkt, erschallen Trompeten (VII^). In VII^ gibt man mit Trompeten und Pauken das Zeichen zum Alarm, die Bethulier machen lärm und Geschrei und blasen dann jubelnd die Trompeten, um den Sieg zu verkünden. Ob die feierlichen Zeremonien in I^ und Ilg musikalisch untermalt wurden, läßt sich mangels Hinweise nicht sagen, ebenso wenig, ob Bagoa sein lied auf der Zither begleitete. Eine etwas größere Rolle spielt der Gesang. Gegenüber dem Estherdrama, das 10 Einzelgesänge, davon 7 Arien allein im Reigen der Mädchen (II^), und 5 Chöre aufweist, kennt das Judithdrama jedoch nur 3 Lieder und 1 Chor. Darunter ist nur ein Klagegesang (im Interszenium), obwohl es im Judithdrama derartige Situationen gibt, z.B. in III^, IVj, V 1 , die jedoch gesanglich nicht ausgeschmückt sind. Es handelt sich um ein vierstrophiges Klagelied in Reigenform, von dem jeder der gefangenen vier Könige eine Strophe singt. Inhaltlich faßt es noch einmal ihre Meditationen über ihr grausames Schicksal, ihren Fall und £ie Hoffnungslosigkeit ihrer läge zusammen. Jede Strophe hat das Reimschema ababcc und die vermutliche Versstruktur a,c: b: - - -- --. In vielen Verszeilen fallen natürliche Betonung und Versrhythmus nicht zusammen, doch hat m a n sich in 166

diesen ersten syllabotonischen russischen Gedichten nicht allzu sehr um solche Diskrepanzen gekümmert, wie ja auch die russische Übersetzung deutscher Kirchenlieder durch Glück und Paus zu Anfang des 18. Jahrhunderts Verstöße gegen die Wortbetonung, ferner Vokalkontraktionen und -ellipsen kennen. Auch mögen beim Abschreiben des Textes Veränderungen vorgekommen sein, die dem rhythmischen Bau widersprechen. Die Spielanweisungen besagen eindeutig, daß das Lied (pesn 1 ) wirklich gesungen wurde: "Die Könige ... singen sehr kläglich Folgendes". Bei jeder Strophe ist gesondert angegeben, wer sie singt. Die Koten zum Gesang des Amarfal sind erhalten.-^ Das zweite lied (Vg) ist ein dreistrophiges Trinklied, dessen einzelne Strophen jeweils von einem der drei Soldaten Oreb, Selum und Somnas gesungen werden. Es besingt die Freude und Unbekümmertheit, den Wein und seine Zauberkraft, schließlich die Kampfentschlossenheit und endet mit einem Toast auf die schönen Mädchen von Bethulla. Jede Strophe hat 10 Zeilen und das Reimschema aabbcddeec. Das Versmaß für die Zeilen a b d e dürfte einheitlich lauten: ~ - - dagegen ist das der Zeile c, die wesentlich länger ist als die übrigen, nicht eindeutig zu ermitteln. Auch hier widersetzt sich die Wortbetonung in manchen Fällen dem Metrum. Dasselbe MetJrum und Reimschema lassen sich auch im Schlußgesang der Krieger im Estherdrama (VIIj) nachweisen, sie sind in der damaligen deutschen Dichtung, sowohl im Kirchenlied als auch im Gesellschaftslied, geläufig. Ob dem Trinklied ein bestimmtes deutsches Trinklied zugrunde liegt, konnten wir nicht ermitteln. Daß das lied gesungen wurde, geht aus der Anweisung zur ersten Strophe hervor: "Oreb singt". Das dritte lied (VII^) ist nicht so gesichert wie die übrigen Gesänge. Der Kontext bezeugt, daß die Stelle von Bagoa gesungen wurde. Gegen Ende des Gelages entbietet sich Bagoa, dem betrunkenen Holofernes ein liedchen zu singen, und Holofernes befiehlt ihm, etwas über seine liebe zu singen (poj... neöto o ljubvi moej). Das improvisierte Lied hat kein eindeutiges Reim- und Versschema, weshalb wohl auch Tichonravov verzichtet hat, diese Textstelle metrisch und strophisch zu gliedern. Das Lied besteht aus drei ungleich langen Sätzen, die jeweils eine Strophe ausmachen. Vielleicht vermochte die Übersetzung das zugrunde liegende Lied nicht zu bewältigen. Jede Strophe hat eine andere Anzahl von Verszeilen:

167

1. Str. - 4 Zeilen; 2. - 5 ; 3. - 6. Wir M e t e n hier den russischen Text des Liedes nach unserer Gliederung: 1. Prechrabry;) Olofern/ Uäe preodolen e s t 1 , / Sam ubo daetsja v píen/ TakoSde i v uzy. 2. Eäe meó i sablja/ Yraá'ja ne vozmogla,/ To äenskaja krasota/ Sotvorit' uspela/ Iz grada Vefulii. 3. Tem äe slava budet napisana/ V knigi pamjatnye/ öto cudnym obrazom/ Preäde vzjat'sja togo grada/ Zena v svo^stvo poluóila/ Chrabrogo Oloferna. Wie im Estherdrama so beschließt auoh im Judithdrama ein großer mehrstrophiger Chorgesang das Stück. Beide Chöre haben eine besondere Funktion. Sie beziehen praktisoh den Schluß des biblischen Berichts und damit den Ausgang des Geschehens in das Stück ein. Während aber der Sohlußehor des Estherdramas keine direkte Vorlage in der Bibel findet, beruht der Schlußchor des Judithdramas auf dem Triumphgesang der Judith im 16. Kapitel des biblischen Buches Judith, wenn er auch nur bestimmte Passagen verwendet und nicht in der Ich-Form von Judith, sondern in der Wir-Form von den Bethuliern gesungen wird. Dem Chorlied geht die Bemerkung voraus: "dann blasen sie die Trompeten zur Freude und singen folgendes Lied". Es zählt 5 Strophen zu je 10 Zeilen und hat das recht komplizierte Reimschema: a b a b c d d c e e . Das Metrum, das nicht immer eindeutig zu bestimmen ist und manohmal mit der Wortbetonung kollidiert, ist vierhebig: a, o: / _

«

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-

-

- - -. b, d, e:

-

-

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Die Strophen enden mit einem Refrain, der nur gering variiert: "Freue dioh , o Israel!" (I, II), "Freut euch in Bethulia! " (III), "Freue dich, Bethulia" (17), "Freue dich, o Taterland!" (V).

3. Stoffgeschichte 3.1. Der biblische Berioht 3 5 Das Buch Judith gehört zu den apokryphen Büohern der Bibel. Es wird um das Jahr 55 bei Clemens Homanus zum erstenmal erwähnt. Das hebräische Original ist verlorengegangen, es ist nur in griechischer Übersetzung überliefert. Die vorhandenen hebräischen 168

Texte sind spätere Bearbeitungen oder Rückübersetzungen aus dem Griechischen. I*rüh erkannte man die in der Erzählung vorkommenden inhaltlichen Widersprüche und die geschichtliche Fragwürdigkeit der Handlung. Nebukadnezar, König von Babylon - nicht des 612 zerstörten Ninive! -, regierte von 605 - 562 v. u. Z., unterwarf sich das jüdische Reich und zerstörte 586 die Hauptstadt Jerusalem. Ein Orophernes dagegen lebte unter dem persischen König Artaxerxes Ochus (358 - 338) aus der Dynastie der Aohäaeniden und war Satrap (d.h. Statthalter) von Kappadozien. Zusammen mit dem Eunuchen Bagoas unternahm er auf Geheiß des Perserkönigs um 350 v. u, Z. Seidzüge gegen Phönizien und Judäa. Eine Stadt Bethulia läßt sich nicht naohwelsen. Solche sachlichen Diskrepanzen konnten nur einem viel später lebenden Verfasser unterlaufen, der einen geschichtlichen Hintergrund für seine bewußt agitatorische Jabel suchte. So wird man die Entstehung der Erzählung etwa in das zweite Jahrhundert v. u, Z,f in die makkabäische Zeit ansetzen, als das jüdische Volk in starker religiöser Bedrängnis lebte. Der tendenziöse Zweck der Erzählung ist deutlich zu erkennen. Das jüdische Volk soll ermutigt werden, kühn und entschlossen mit. der Waffe in der Hand für seinen Glauben und Kultus einzutreten und auch einem überlegenen Eeind Widerstand zu leisten. Der positive Held der Pabel ist eine jüdische Frau, die mit ihrem unbedingten und grenzenlosen Vertrauen zu Gott ihren an Gottes Hilfe schon verzweifelnden Mitbürgern ein Beispiel gibt und dank ihrer Entschlossenheit und Opferbereitschaft ihre Stadt vor dem drohenden Untergang errettet. Ihre reale oder fiktive Gestalt ging als Symbol des Widerstandskampfes der Juden gegen fremde, andersgläubige Bedrücker in die Sage ihres Volkes ein, aus der sie der Verfasser der biblischen Erzählung übernommen haben mag. Umso höher ist der künstlerische Wert der Judithgeschichte anzusetzen. Schon Luther vermutete, daß es sich bei ihr nicht um einen historischen Bericht gehandelt habe, "sondern um ein geistlich schöne geticht eines heiligen gelst reichen mans, der darinn hab wollen malen vno furbilden des gantzen Jüdischen volcks glück vnd sieg Widder alle ire feinde." Er erkannte, daß sich das Sujet wegen der spannenden und konfliktreichen Handlung für eine dramatische Gestaltung ausgezeichnet eigne: "Und mag sein, das sie (die Juden, erg. K.G.) solch geticht gespielet haben, wie man bey vns die Passio spielet vnd ander heiligen geschieht, Damit sie jr volck vnd die jugent lereten, als inn einem gemeinen bilde odder spiel, Gott vertrawen..." An anderer Stelle betonte er, daß die Judith den Stoff für eine gute Tragödie abgebe. 169

Wir müssen zunächst kurz den biblischen Bericht analysieren. Er ist, was Motivierung und Handlungsführung anbetrifft, die wichtigste Quelle der Dramen des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Anlehnung an die Bibel geht sogar soweit, daß die recht willkürliche Einteilung des biblischen Berichts nach Kapiteln und Versen zur Richtschnur bei der Aufteilung der Handlung nach Akten und Szenen genommen wird. Wörtliche Entnahmen aus dem Bibeltext sind keine Seltenheit. P e r s o n e n k o n s t e l l a t i o n Assyrer Nebukadnezar, König Holofernes, Feldherr Bagoa Oberste u. Hauptleute Kriegsvolk

Juden Jojakim, Hohepriester Judith

-

Magd Oberste und Älteste von Bethulia (Osias, Chaxmi, Chabri) Volk

Achior, Ammoniterfürst Unterworfene Arphaxad, Me derkönig 5 Könige Boten ihre Völker Die biblische Erzählung läßt sich unschwer in drei Teile gliedern: die Einleitung, die die Vorgeschichte enthält: den Aufstieg Nebukadnezars zum König von Assyrien, die Entsendung des Heeres unter Holofernes gegen die westlichen Völker und die Unterwerfung dieser Völker und ihrer Könige, die Aufnahme der Nachricht von Holofernes' Kommen in Jerusalem; - der Hauptteil, bestehend aus mehreren, die Handlung steigernden Episoden: die Achiorepisode als Auftakt und warnendes bzw. retardierendes Moment, die Belagerung der Stadt und ihre Not, das Eingreifen Judiths und ihre Befreiungstat, der Überfall der Bethulier auf das führerlose assyrische Lager, ihr Sieg und ihre Siegesfeier; - der knappe Schlußteil schildert die Preude des ganzen jüdischen Volkes über den Sieg und berichtet über das weitere leben und das Ende Judiths.

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Die biblische Erzählung enthält bereits längere und kürzere Partien meist direkter Hede, sowohl Monologe, als auch Dialoge, die bei einer Dramatisierung leicht übernommen werden konnten. Die erzählenden Partien des Hauptteils sind dagegen weitaus kürzer, sie konzentrieren sich auf das eigentliche Geschehen der Handlung. Außerdem maohen sie den ganzen einleitenden und abschließenden Teil aus. Die paränetischen und didaktischen Partien sind vorwiegend in der Rede Aohiors vor Holofernes, in der Mahnrede Judiths an Osias und die Ältesten, in ihrem Gebet, in ihrem ersten Gespräch mit Holofernes und in ihrer Hede vor den Bethullern enthalten. In gesanglichrezitatorischer Hinsicht ist das Triumphlied Judiths nach Art eines Psalms bemerkenswert. Komische oder burleske Szenen kommen nicht vor. 3.2. Das Judithsujet in der europäischen dramatischen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts Das Judithsujet eignet sich offensichtlich gut zu einer Dramatisierung: Die spannende, in verschiedenen Episoden ihrem Höhepunkt zustrebende Handlung, die Konfrontierung zweier gegensätzlicher Prinzipien in Gestalt des auf seiner weltlichen Macht und kriegerischen Stärke trotzenden Feldherrn Holofernes und des schwachen, nur mit List und Verführung kämpfenden, allein auf Gott vertrauenden Weibes, die pathetische, dialogreiche Sprache haben tatsächlich viele 37 Schriftsteller angeregt, das Judithsujet dramatisch zu gestalten. Dennooh hat es nicht Jene Anziehungskraft ausgeübt wie andere biblische Sujets. Unter den Verfassern von Judithdramen fehlen die klangvollen Hamen. Möglicherweise war daran die allzu große Linearität der beiden Haupthelden schuld, die nur durch Abänderung und Umdeutung der Fabel zu einem wirklichen menschlichen Konflikt zu gestalten war, was eine Abkehr von der biblischen Version und ihrer religiösen Motivierung bedeutet hätte. Zum Teil hängt es damit zusammen, daß das Berufstheater ungern biblische Sujets spielte, um nicht durch eine besondere Interpretation kirchlichen Kreisen Anstoß zu Kritik und Anschuldigung zu geben. Umso mehr fallen biblische Sujets in die stoffliche Domäne des Laientheaters, insbesondere des volkssprachlichen und lateinischen Schultheaters. Das Schultheater war letztlich ein Produkt der Humanisten und damit zunächst (Ende des 15. - Anfang des 16. Jahrhunderts) weniger ein Fakt der Literatur als des Erziehungs- und Schulwesens. Die Aufführungen der bekannten und neu entdeckten Stücke von Terenz 171

und. Plautus, später derjenigen Senecas und der griechischen Dramatiker drangen von den Universitäten her in die Lehrpläne der Lateinschulen ein und galten als beste praktische Übung für die Erlernung und Beherrschung des gesprochenen Latein neben Kolloquien, Disputen und Deklamationen-^ . Die Reformation machte aus diesem Mittel der humanistischen Erziehung zur Eloquenz ein wiohtiges Propagandainstrument, dessen sich zuerst die protestantische und später auch die katholische Partei in gleioher Weise bedienten. Als das Sohuldrama wie das ganze Schulwesen in den Hellglonskampf hineingezogen wurde und zur Propagierung der Thesen der beiden Kirohen diente, trat thematisch der Anteil der römischen und griechischen Dramatiker zurück, denn sie genügten nioht den aktuellen Anforderungen. Verständlioherweise nehmen biblische Sujets im Repertoire dieses religiös motivierten und von der Kirohe unmittelbar oder mittelbar geförderten oder getragenen Sohultheaters den größten Raum ein. In den entwickelteren Ländern, die den Religionskampf nicht in dem Ausmaß erlebten oder ihn bald überwanden und der fortgeschritteneren Form des absolutistischen Staates zustrebten, entstand unter den jeweiligen nationalen Bedingungen ein genständiges Berufstheater, so in Italien, Spanien, England, Frankreich und den Niederlanden. Dieser Prozeß begann in Italien Anfang des 16. Jahrhunderts, in Spanien und England u m 1550, in den andeaq ren Ländern noch s p ä t e r . A l s neue Vergnügungsform findet es bei allen Gesellschaftsschichten Anklang, doch hat es seinen Rüokhalt entweder in der Stadtkultur eines reichen Bürgertums oder an den Höfen und in den Residenzstädten der neuen absolutistischen Herrscher, ihres Dienstadels und ihrer Beamtenschaft. Auoh in Ländern mit festen, professionellen Theatern bleibt das Laientheater, vor allem das Sohultheater, noch bestehen, doch hat es eine bei weitem geringere Bedeutung als z.B. in Deutschland. Die in ihrer Theaterkultur zurückgebliebenen Länder sind auf Theaterimport angewiesen. Zu den ausstrahlenden Ländern gehören um 1600 vor allem Italien, England und Spanien, während Frankreich und die Niederlande erst um und nach 1650 auf die übrigen Länder Einfluß gewinnen. Dank der neuen Form des musikalischen Theaters, nämlich der Oper, sichert sich Italien im Laufe des 17. Jahrhunderts den führenden Rang i n der Theaterkultur, besonders i n der des Adels. Das neu entstandene Berufstheater hängt i n allen Ländern bis zu einem bestimmten Grade mit dem Humanistendrama und mit volkstümlichen Spieltraditionen zusammen. Biblische Stoffe, die dort vorherrschten, sind 172

ihm keineswegs fremd, doch treten sie gegen antike tragische und pastorale Sujets, gegen solche aus der zeitgenössischen Novellenund Romanliteratur und nicht zuletzt gegen historische oder pseudohistorische Sujets aus der Geschichte des eigenen Volkes und anderer Völker in den Hintergrund. Sie bleiben ein Born der Inspiration für die italienische Oper, für das spanische Theater, begegnen aber auch auf der klassischen französischen Bühne, ganz selten allerdings in den Dramen des englischen Berufstheaters. Sie halten sich natürlich am längsten in den veralteten kirchlichen Formen des Dramas, wie in den Sacre rappresentationi, den Autos sacramentales, Mysterien oder Miracle Plays. Aus dem Mittelalter sind uns keine dramatischen Bearbeitungen des Judithstoffes bekannt. In I t a l i e n , dem Geburtsland des modernen Schauspiels und Theaters, erfreuten sich biblische Sujets großer Beliebtheit''"0. Man verwertete sie in allen dramatischen Gattungen, in den Sacre Rappresentationi, gelehrten Dramen, Opernlibretti und Oratorientexten. Die verschiedenen Zentren bewirkten eine ungewöhnlich reiche Produktion an Schauspielen aller Art. Die "Sacra rappresentatio"ne di Judith hebrea" wurde in Florenz häufig aufgeführt und gedruckt (1518, 1554, 1568, 1589, 1590, später noch einige Male in Siena). Die Aufführung eines Dramas "Giuditta e Oloferne" des Doktors luca de Calderino soll in Neapel stattgefunden haben. Weitere Judithdramen stammen von Cesare Sacchetti (Bologna 1564, Florenz 1575), Giovanni Andrea Ploti da Modena (Piacenza 1589), Giovanni Francesco Alberti (Ferrara 1594), Angiola lottini (Florenz 1602, Venedig 1606), Girolamo Gentile (1610?), Maria Anguissola (Piacenza 1629, Venedig .1628), Federigo della Valle (Milano 1627), Filocolo Caputo (Neapel 1635), Giulio Cesare Sorrentino (Neapel 1685), Domenico Repetta (Mantua 1689), Girolamo Gigli (Siena 1693). Opern 41 über das Judithsujet bleiben hier außer Betracht In S p a n i e n hat das Judithsujet seltsamerweise wenig Anklang gefunden . Außer einem kirchlichen "Auto de Judit y Holofern", einem Fronleichnamsspiel aus dem 16. Jahrhundert, sind nur zwei Dramen aus dem 17. Jahrhundert bekannt, beide sind unbedeutend: "Judit yyHolofernes" von Felipe Godinez um 1620 und "El Triumfo de Judit y Muerte de Holofernes" von Juan Vera T&sis y Villaroel. Die großen spanischen Dramenschreiber haben keine Judithdramen verfaßt, obwohl biblische Sujets, besonders Joseph, Esther, Tobias, Verlore173

ner Sohn, Welterschaffung, Sündenfall, Weltuntergang und vor allem die Passion Christi, von vielen Dramatikern, darunter Lope de Vega, luis Velez de Guevara, Calderon de la Barca u.a. gestaltet wurden. Aus E n g l a n d 4 - ' haben wir Kunde von einer Aufführung eines Judithdramas, die 1566 im Hatfield House bei London auf Befehl des Sir Thomas Pope stattfand, um Prinzessin Elizabeth zu unterhalten. Das Drama selbst ist uns nicht erhalten. Ebenfalls verlorengegangen ist ein vermutlich lateinisches akademisches Drama von Ralph Badcliff "De Judith Fortitudine", das vor 1548 entstanden sein muß. Das englische Berufstheater zwischen 1575 - 1642 kennt keine Inszenierung eines Judithdramas, wie überhaupt biblische Sujets verpönt waren. Doch wurde der Judithstoff auf dem Puppentheater in der Mitte der 60er Jahre des 17. Jahrhunderts gespielt. In F r a n k r e i c h 4 4 steht das 16. Jahrhundert noch ganz im Zeichen des Laientheaters. Vermutlich kam die Judith auch in den bis 1552 regelmäßig, später nur noch vereinzelt gespielten Mysterien vor. Bezeugt ist dies für ein Mysterium, das 1585 in Puy zu Pfingsten aufgeführt wurde. Eine Judithtragödie von Antoine Le Devin um 1550 ist verlorengegangen. Zwei anonyme geistliche Judithdramen erschienen in Paris 1'580 und in Amsterdam 1596. In den schwierigen Zeiten der Religionswirren, die 1575 in der Bartholomäusnacht gipfelten, verfaßte eine junge Protestantin aus den Kreisen des Hochadels, Catherine de Parthenay (1554 - 1631) ein Judithdrama- "Holoferne", das 1574 in La Rochelle aufgeführt wurde. Sie war zu ihrer Zeit als Dichterin bekannt und galt als sehr gelehrte Frau, die das Alte Testament im hebräischen Urtext lesen konnte. Ebenfalls eine tragédie sacré schrieb Adrien d'Amboise (+1616) im Jahre 1580. Ein weiteres anonymes Stück mit dem Titel "Ystoire de Judith" wurde 1619 aufgeführt. Ein Schuldrama über das Judithsujet gab man am 22. Mai 1625 im Collège d' Annecy (Savoyen). Balthazar Baro (1600 _ 1650), ein gefeierter Schriftsteller, Sekretär von d'Urfé, dessen berühmten Roman Astrée er nach Entwürfen des Autors zu Ende schrieb, Verfasser vieler Tragödien, Prosapoeme und Gedichte, einer der ersten Mitglieder der neu gegründeten Académie française, verwandte das Judithsujet als eingeschobenes Spiel im 3. Akt seiner "Celinde", eines poeme heroïque, das 1628 aufgeführt wurde. Eine sechsaktige Tragikomödie von Antoine G. Bouvot erschien 1649 in Paris. Die eigentliche Blütezeit des französischen klassischen Theaters kennt nur 174

ein Judithdrama, das am Ende des 1 7 . Jahrhunderts entstand. Es handelt sich um das letzte Drama von Claude Boyer ( 1 6 1 8 - 1 6 9 8 ) . Boyer, der um 1645 nach Paris gekommen war, hatte seit 1646 eine große Zahl 45 von Tragödien, Tragikomödien und Pastoralen geschrieben . Er gehörte zu den zweitrangigen Dramenschreibern der Glanzzeit des französischen Schauspiels. Racine und Boileau waren seine erbitterten Feinde und unterzogen alle seine Werke einer vernichtenden Kritik. Sein Schaffen ist jedoch sehr aufschlußreich für die Entwicklungstendenzen und das Durchschnittsniveau des damaligen französischen Theaters. Trotz der Feindschaft mit Racine scheute sich Boyer nicht, ihm nachzueifern oder nur ihn nachzuahmen. Erst am Ende seiner Laufbahn griff er - auch darin Racine folgend - biblische Sujets auf. Biblische Stoffe fehlen in der klassischen französischen Dràmenliteratur des 1 7 . Jahrhunderts nicht, wenn sie auch nicht gerade sehr häufig sind. Zu erwähnen sind besonders zwei Tragödien von Du Ryer "Saül" ( 1 6 4 2 ) und "Esther" ( 1 6 4 4 ) , sowie eine Tragödie von Hugues de Picou "le Déluge Universel" aus derselben Zeit, Gegen Ende des Jahrhunderts entstanden einige biblische Dramen für das Pensionat für arme adlige Mädchen in SaintCyr, die zunächst nur von den Schülerinnen in geschlossener 'Gesellschaft aufgeführt wurden. Nach langen Jahren der Zurückgezogenheit hatte Raoine auf Bitten von Frau de Maintenon hin zwei Tragödien für das Pensionat verfaßt: "Ester" (verfaßt 1 6 8 8 , aufgeführt 1 6 8 9 ) und "Athalie" (aufgeführt und gedruckt 1 6 9 1 ) 4 6 . Sie blieben seine letzten dramatischen Meisterwerke. Erst 25 Jahre später erlebten sie ihre öffentlichen Aufführungen. Ebenfalls für Saint-Cyr schuf Boyer seine biblischen Tragödien "Jephtê" ( 1 6 9 1 ) und "Judith" ( 1 6 9 5 ) . letztere wurde noch im Frühjahr desselben Jahres öffentlich in der Comédie française gespielt und hatte zunächst großen Erfolg, der jedoch nach den ersten Aufführungen wohl durch Racines Zutun in einen Theaterskandal umschlug. Im Vorwort zu seinem Stück entschuldigt sich Boyer, daß er die Einheit des Ortes nicht einhalten konnte. Er hält sich eng an die Bibel, schaltet aber die Vorgeschichte und Achiorepisode aus und läßt die Handlung erst mit der äußersten Notlage der Bethulier einsetzen. Dadurch kann Judith vom ersten Akt an auftreten. Als komplizitrendes Moment baut er eine erfundene liebesepisode ein: Misael, der Freund ihres verstorbenen Gatten Manasses liebt sie, ohne von Judith wiedergeliebt zu werden. Er geht vor Judith ins feindliche Lager, um Holofernes zu töten, wird gefangen, muß er 175

leben, wie Judith scheinbar ihr Volk verrät und dem Holofernes ihre Liebe schenkt. Er schmäht sie, wird aber durch ihre Fürbitte vor der Hinrichtung bewahrt und freigelassen. In Bethulia schildert er Judiths Verrat, wird aber beschämt, als Judith zurückkommt und ihre Befreiungstat bekannt wird. Im Grunde soll auch dieses Moment der schärferen Profilierung von Judiths Charakter dienen, die allen Anfechtungen zum Trotz ihrem Vorhaben treu bleibt und es verwirklicht. In der großzügigen Behandlung und dramatischen Straffung des Judithsujets erkennt man die Leistung eines geübten Dramenschreibers, der wußte, was er bei aller biblischen Stofftreue seinem Publikum schuldig war. In den N i e d e r l a n d e n ^ war die mittelalterliche Spielund Theaterform noch im 16. Jahrhundert lebendig, doch wurden seit der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts kaum noch die großen Zyklen aufgeführt, sondern geistliche Spiele über einzelne Sujets aus der Bibel, darunter auch über das Judithsujet. Diese Spiele wurden in der Volkssprache gespielt und weisen mit ihrem volkstümlichen Gewand auf die mittelalterlichen Mysterienspiele zurück. Die Niederlande steuerten aber auch die wichtigsten Beiträge zum neulateinischen Humanistendrama bei, darunter das Judithdrama des Schonaeus. 3.3. Die neulateinischen Judithdramen Viele Humanisten waren bestrebt, die antiken "heidnischen" lateinischen Dramen eines Plautus und Terenz durch christliche Dramen mit biblischem oder aktuellem Inhalt zu ersetzen. Diese neulateinische Dramenliteratur fand im Gegensatz zu den volkssprachlichen Dramen weite Verbreitung. Sie war nicht wie diese auf ein Land oder Volk beschränkt, sondern war - natürlich in den Grenzen der Verbreitung des Lateins als damaliger Schriftsprache - international. Besondere Verdienste bei der Schaffung des neulateinischen Schuldramas hatten die Niederländer Gulielmus Gnaphaeus (1493 - 1568), der mit seinem Drama "Acolastus" über die Parabel vom verlorenen Sohn (1529) tonangebend wurde, Georgius Macropedius (1475 - 1558), Cornelius Schonaeus (1540 - 1611) und schließlich Hugo Grotius (1583 - 1645). 48 Schonaeus ist der Verfasser eines viel gelesenen neulateinischen Judithdramas. Er kam nach seinen Studien in Löwen und Haarlern als Lehrer aji die Haarlemer Lateinschule, der er von 1575 an als Rektor vorstand. Obwohl er katholisch war und blieb, genoß er großes Ansehen in Holland. So wurde er 1580 von Prinz Wilhelm zum Leiter einer Kommission ernannt, die das höhere Schulwesen in Holland und 176

Seeland regeln sollte. Schonaeus verfaßte lateinische Gedichte, besonders Epigramme, und verschiedene Dramen ernsten und heiteren Inhalts. Seine ersten Dramen Tobaeus, Nehemias und Saulus erschienen bereits 1570, 1592 gab er sie zusammen mit drei weiteren Dramen (Naaman, Josephus, Juditha) in einem Sammelband heraus, der den bezeichnenden Titel trug "Terentius Christianus, seu Comoediae sacrae sex, Terentiano stylo ... oonscriptae". Weitere biblische comoediae sacrae erschienen seit 1595 in Amsterdam: Susanna, Daniel, Triumphus Christi, Typhlus, Pentecoste, Ananias und Baptistes. Eine Reihe lustiger Spiele oder Kluchten, "fabulae ludicrae", schlössen sich an: Dyscoli, Pseudostratiotae, Cunae und Bitulus. Schonaeus' Dramen, die alle unter dem Titel eines "Christlichen Terenz" geführt wurden, fanden weite Verbreitung und erlebten - meist in dreibändiger Gesamtausgabe - bis ins 18. Jahrhundert hinein immer wieder Ausgaben. Sie waren während dieser Zeit eine beliebte Schullektüre für den lateinunterricht nicht nur an protestantischen, sondern auch an katholischen Schulen, besonders in Deutschland. Wegen seiner Verbreitung müssen wir etwas naher auf Schonaeus' Judithdrama eingehen. Entsprechend den klassischen lateinischen Dramen des Terenz enthält auch die "Juditha" nur eine sehr begrenzte Anzahl von Rollen. Es treten insgesamt 14 Personen auf: Holofernes als Imperator Assyriorum, seine Heerführer Moabus und Ammonides sowie Achior als Sürst der Ammoniter, die beiden assyrischen Soldaten Thraso und labrax, ferner der Kämmerling Bagoas vertreten die assyrische Seite. Auf Seiten der Juden stehen der Oberpriester Ioachimus, Ozyas als consul Betuliensis, drei Bürger von Bethulia mit Namen Sadocus, Melchias und Azarias (alles Namen biblischen Ursprungs) sowie die Witwe luditha und ihre Magd Abra. Die Handlung spielt in Holofernes' Lager oder in Bethulia. Das Drama hat fünf Akte mit durchschnittlich vier Szenen, nur der fünfte Akt hat 8 Szenen. Sein Aufbau ist wenig dramatisch. Die Achiorepisode dient Schonaeus als Exposition, dann aber verzettelt sich die Handlung im Hin und Her der Ereignisse um die Belagerung Bethulias, was dem Dichter allerdings Gelegenheit zu ausführlichen Dialogen und Monologen gibt, in denen er seine rhetorischen Figuren, verschiedenartige, schwierige Konstruktionen, Redewendungen, Synonymik usw. zur Geltung bringen kann. Erst in der 2. Szene des 4. Aktes tritt Judith auf, die Handlung verläuft nun in engem Anschluß an den biblischen Bericht. Joachimus erscheint als Partner des Ozias in Bethulia und trägt mit ihm die Verantwortung für die 177

Stadt. Daß er dadurch für das Versagen des Ozias mitverantwortlich wird, muß Schonaeus in Kauf nehmen - eine wesentliche Abweichung vom Inhalt des biblischen Buches. Handlungsszenen werden soweit wie möglich umgangen, z.B. erfolgt die Ermordung des Holofernes nicht auf der Bühne. Die Gelageszene wird nicht breit entfaltet. So drängt sich das Geschehen um Judith im feindlichen Lager und der Ausgang im fünften Akt zusammen. Komische Passagen kommen nicht vor. Eigene Motive oder Episoden bietet Schonaeus nicht, doch gestaltet er gelegentlich die gegebenen sehr selbständig. Sangliche oder musikalische Darbietungen fehlen. Die szenische Anlage ist denkbar einfach. Schonaeus setzt die Terenzbühne der damaligen Zeit voraus. Regieanweisungen fehlen ganz.-Auf- und Abtritte sind in den Heden der Sprecher bezeichnet. So z.f. sprechen Ozias und Joachim zu Beginn einer Szene mit sich selbst, bis sie einander sehen ("Wer kommt dort? TSt es nicht ....?"), aufeinander zugehen und sich begrüßen. Die Szenen, die an einem Ort handeln, sind miteinander verbunden und werden fortlaufend gespielt. Erst bei Ortswechsel räumen alle Personen der einen Seite die Bühne für die Sprecher der anderen Auf diese Weise eignete sich das Drama sehr gut als Lesestoff oder als Deklamationsübung und erforderte nicht unbedingt eine Aufführung. Besonderer Wert wird den Versmaßen beigemessen, die vor jeder Szene gesondert angegeben sind. Lange vor Schonaeus erschien als erstes lateinisches Judithdrama das Drama oomicotragicum "Judith" des Augsburger* Schulmeisters Sixt Birck (s. unten S. 181) um 1540 in Augsburg, 1544 in Köln^. Es ist auch in dem Dramens ammeiband ""nramata sacra" enthalten, der 1547 in Basel bei Oporin gedruckt wurde. Es handelt sich dabei um die lateinische Übersetzung und Adaption seines 1534 entstandenen deutschen Judithdramas. Als protestantisches Schuldrama hat es trotzdem nicht die Verbreitung gefunden wie die lateinischen Schuldramen der Niederländer. Die katholischen Judithdramen sind fast ausschließlich lateinisch und stammen aus der i'eder von Jesuiten, seltener Benediktinern und i^anziskanern. Selbstverständlich entstanden auch in anderen katholischen Ländern lateinische Ordensdramen, insbesondere Jesuitendramen. In der Regel existieren von den Ordensdramen, deren Verfasser meist anonym blieben, nur Programme oder sogenannte Periochen. Nur wenige Drfemen wurden zu ihrer Zeit vollständig gedruckt, einige haben sieh handschriftlich erhalten.

178

Da man durch die Sprache allein, die einem breiteren Publikum nicht verständlich war, nicht genügend wirken konnte, legte man besonderen Wert auf visuelle und musikalische theatralische Effekte, wie Ausstattung, Bühnenbild und Bühnenmaschinerie, Kostüme, Ballett- und Tanzszenen, musikalische Untermalung und Gesangseinlagen. Auch gestaltete man die Handlungsführung möglichst abwechslungsreich, man führte komische oder burleske Personen sowie allegorische und mythologische Gestalten ein und suchte die Haupthandlung durch eine komische und eine allegorische Nebenhandlung zu umspielen. Eine eingehende Besprechung dieser Dramen erübrigt sich, da sich in Gregoriis Judithdrama keine Anklänge des Jesuitentheaters vorfinden. In seiner Jugend kann er es kaum erlebt haben, und als protestantischer Pastor wird er ihm, wenn es ihm auf seiner Heise nach Südwestdeutschland begegnet sein sollte, keine großen Sympathien entgegengebracht haben. Die wichtigsten in Österreich, Süddeutschland und im Rheinland 50 entstandenen Jesuitendramen über das Judithsujet sind zwischen 1640 und 1760 entstanden. Teils sind sie nach Holofernes, teils nach Judith benannt, teils tragen sie abstrakte oder allegorische Titel wie Victrix fiducia BethUliae, Bethulia liberata usw.. Nur wenige sind vollständig im Druck erschienen, von den meisten existieren nur gedruckte Programme, die teils nur lateinisch, meist aber lateinisch und deutsch abgefaßt sind. Judithdramen-wurden aufgeführt in Salzburg 1640 (Verfasser war der Benediktiner Aemilian Pirckel), Ingolstadt 1642, Wien 1643 (Uraufführung des Judithdramas des berühmten Jesuitendramatikers Nicolaus Avancinus), T.uzern 1650, landshut 1654, Graz 1676, München 1679 und Augsburg 1693, Jülich 1714, Mannheim und Heidelberg 1720, Prag 1743, Düsseldorf 1754 und Monjaviae 1763 (die letzten beiden waren nur deutsch abgefaßt. 3.4. Die deutschen Judithdramen des 16. und 17. Jahrhunderts Die meisten dramatischen Bearbeitungen des Judithstoffes sind in Deutschland entstanden.^1 Sie widerspiegeln die landschaftlichen, religiösen, funktionellen und epochalen Unterschiede der dramatischen Literatur und der Theatertradition des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachbereich.

179

3.4.1. Die Volksschauspiele Rine Sonderstellung nehmen die Volksschauspiele in Süddeutschland, 52 Osterreich und der Schweiz ein , die in katholischen Gegenden gepflegt wurden und bis zu einem gewissen Grade die mittelalterliche Spieltradition und Thematik fortsetzen, später aber entscheidende Anregungen dem Jesuitentheater verdankten und es sogar überlebten. Im Hahmen der alten luzerner Osterspiele, die die ganze biblische Geschichte in Einzelbildern brachte, wurde 1597 auch die "Judith" gespielt. Schon vorher 1565 führte man im Vomperfeld in Tirol ein Volksschauspiel "Judith und Holofernes" auf. Weitere Aufführungen von Judithspielen fanden statt in Chur (1600, Graubünden (1600), luzern (1647 - das Spiel ist handschriftlich erhalten - und 1651?), Einsiedeln (1684, 1701, 1708), Luzern (1755 - die Handschrift des Spiels ist erhalten), Steiermark (1760-1770 - die Handschrift des Stückes ist erhalten, jedoch nicht genauer datier- und lokalisierbar), Afing in Tirol (1770). Sie alle kommen, da sie in damaliger Zeit nicht gedruckt wurden oder erst später entstanden, als Vorlage für Gregoriis Drama nicht in Betracht. 3.4.2. Die Judithdramen des 16. Jahrhunderts Alle sechs überlieferten deutschen Judithdramen des 16. Jahrhuni derts sind in dem knappen Zeitraum von 30 Jahren (1534 - 1566) entstanden. Das ist nicht verwunderlich, denn sie spielen alle auf die damals drohende Türkengefahr an (im Erühherbst 1529 standen die Türken zum ersten Mal vor Wien!). Fünf Dramen stammen aus süddeutschen oder österreichischen landen, nur eines ist aus Sachsen. Zwei Dramen sind der in der Schweiz und im Elsaß gepflegten bürgerlichstädtischen Theatertradition verhaftet, die Elemente des alten volkstümlichen Fastnachtspiels mit solchen des modernen Humanistendramas verbindet; drei Dramen stellen Varianten des neuen deutschen Schuldramas dar, das seine Entstehung dem Humanismus und der Reformation verdankt; ein Drama entstammt der Theaterspielpraxis der Nürnberger Meistersinger. Natürlich erschöpft sich damit nicht die Zahl der einst vorhandenen Judithdramen. Manche, die nur handschriftlich abgefaßt waren, sind verschollen. Aufführungen von Judithdramen, deren Identität nicht feststeht, sind belegt für Eger (1539), Preßburg (1545), Münster (1551), Köln (1553 und 1569), Hildesheim (1555), Eßlingen ¿1559 und 1579, Bartfeld in Ungarn (1566), Zittau (1578, 1622, 1644), München (1580), Straßburg (1580), Bautzen (1593), Nördlingen (1599), Eisleben (1633), ohne daß diese Auf-zählung vollstän180

dig wäre, da die Theatergeschichte vieler Städte noch nicht oder ungenügend erforscht ist. Der Humanist Sixt B i r c k (1501 - 1554), in Augsburg gebürtig, an den Universitäten Erfurt, Tübingen und Basel erzogen, erhielt den entscheidenden Impuls für seine zahlreichen Dramen über biblische Themen in Basel, wo er von 1530 - 1536 als Lehrer wirkte, bevor er 1536 zum Rektor des Gymnasiums seiner Vaterstadt berufen wurde. Der volkstümlichen deutschsprachigen Theaterspieltradition des Schweizer Bürgertums sind seine deutschen Dramen verhaftet, von denen er später zwei, darunter auch sein Judithdrama, in Augsburg zu lateinischen Schuldramen überarbeitete, wie er auch das Augsburger Gymnasium zu einer wichtigen Pflegestätte des neulateinischen Schuldramas machte. Sein Judithdrama, zuerst aufgeführt 1534 in Basel, gedruckt 1539 in Augsburg, erlebte einen weiteren Druck in Straßburg (1559) und in derselben Stadt auch eine anonyme Bearbeitung (1564), die von der Straßburger Bürgerschaft im gleichen Jahre aufgeführt wurde. Bircks Judithdrama, mit 55 Personen für ein starkes Ensemble geschrieben, betont die Darstellung der bethulischen Seite, die er wie ein Schweizer Bürgerwesen mit zahlreichen Genreszenen schildert, z.B. Ratssitzung, Nachtwache mit Nachtwächter., der die Stunden ausruft, Wachaufzug der Bürger, wasserholende Mädchen am Brunnen, Gelageszene mit Zapfenstreich, beutegierige Bürger, die nicht genug wegschleppen können. Das Stück, das keine äußere Einteilung in Akte und Szenen kennt, wird durch Chöre gegliedert. Die lateinische oder griechische Lautung der Namen der zahlreichen frei erfundenen Personen zeugt von den klassisch-philologischen Interessen des Autors, die Gestaltung der Personen aber von den demokratischen und politischen Überzeugungen des Humanisten und selbstbewußten Bürgers einer freien Reichsstadt. Mit seiner Simultanbühne, die sowohl die Stadt Bethulia als auch das Lager des Holofernes darstellt, huldigte er allerdings noch dem mittelalterlichen Bühnentyp, obwohl die Handlung selbst sukzessive und nicht simultan erfolgt. Ziel seines Dramas ist die Erziehung zur Vaterlandsliebe: "Fraw Judith mag vns lernen wol, Wie mand den Türcken schlagen sol". 54 Die a n o n y m e Straßburger Bearbeitung von 1564 verstärkt die volkstümlichen Züge, wälzt die bei Birck geraffte Exposition entsprechend dem biblischen Bericht breit aus und bringt die assyrische Seite stärker zur Geltung, um eine gleichmäßige Kontrastierung der beiden Seiten zu erreichen, nivelliert aber dadurch die Eigenart von Bircks Drama. Von beiden unterscheidet sich in gleichem 181

Maße das Judithdrama des Wegbereiters des neuen Reformationsdramas in Sachsen Joachim G r e i f t (um 1500 - 1550), eines Schülers und Freundes Melanchthons und Luthers. Aus der reichen Bürgerstadt Zwickau stammend, nach einem Studium an der ReformationsUniversität zu Wittenberg als Lehrer an den neuen Lateinschulen in Halle, Magdeburg, Wittenberg und Dessau tätig, war Greff sowohl mit der humanistischen als auch der reformatorischen Bewegung in Sachsen aufs engste verbunden. Greffs "Judith", gedruckt 1536 in Wittenberg - somit das erste gedruckte deutsche Judithdrama - zeigt alle typischen Eigenschaften des neuen Reformationsdramas, das als Gegengewicht zu den bisherigen Passionsspielen konzipiert ist und ein Sprachrohr der neuen Ideen sein soll. Es ist rhetorisch, ideologisch belehrend, weitgehend undramatisch, denn man will nicht durch das Spiel von der Aussage ablenken. Mit 2000 Verszeilen ist es das längste Judithdrama. Die 33 sprechenden Personen tragen biblische Namen. Erklärungen, Akt- und Szenenangaben und Spielanweisungen sind lateinisch - ein Tribut an die humanistische Tradition der Aufführung klassischer und neuer lateinischer Dramen an den Schulen. Greff folgt im Aufbau seines Dramas weitgehend n 51), 198

s. 3-69. bg) Judith. Bin Schöne History in Spyla weiß für die äugen gestelt. o 2 ) Straßburg 1559; Christian Müller. d 2 ) SB Berlin, z. Z. Marburg Yp 8151. Brit. Mus. libr. London 11747, df.25. 3. a) Schmeltzl, Wolfgang, b) Comoedia Iudith... c) Wien 1542; Hans Singriener. d) ÜB Graz (Verlust). Abschrift Weinholds: SB Berlin, z. Z. Marburg, Ms. germ, qu 1330. e) Edition im Rahmen der "Wiener Neudrucke" für 1970 vorgesehen. 4. a) Sachs, Hans, b) Ein comedi, mit 16 personen zu recidirn, die Judith... c) Nürnberg 1551; Sr. Gutknecht. Schweinfurth 1606; Caspar Chemlin. d) ? e) H. Sachs, Werke, hg. v. A. v. Keller, Bd. 6, Tübingen 1872, S. 56-85. 5. a) anonym, b) Ein schön Biblisch Spyl/beide lehrhafft vnd lustig/Judith genent... c) Straßburg 1564; Thiebolt Berger. d) ÜB Weimar 0.1. 178 a . e) 0. 6. a) Hebel, Samuel, b) Ein Spil von der Belagerung der Statt Bethulia... c) Wien 1566; Caspar Stainhofer. d) DB Göttingen Dr. 5877. e) Sommerfeld, a.a.O., S. 70-100. 7. a) Boehme, Martin, b) Tragicomoedia, Ein schön Teutsch Spiel/ Vom Holoferne vnd der Judith, c) Wittenberg 1618. d) SB Berlin Yq 3201 (Verlust). Herzog-August-B. Wolfenbüttel 173.1. Poet. ÜB Yale USA (Signatur nioht bekannt.), e) 0. 8. a) Opitz, Martin, b) Judith, c) Breslau 1635; Georg Baumann, d) SB Berlin, z. Z. Marburg Yq 3681. ÜB Göttingen. DB Wroclaw u.a. e) hg. v. D. W. Triller (Opitz, Teutsohe Gedichte, Bd. 3, Srankf. M. 1746. S. 73-101); hg. v. H. Oesterley (in: Kürschners Deutsche Nationalliteratur, Bd. 27, S. 325ff.); Sommerfeld, a.a.O., S. 114-133. 9. a) Tscherning, Andreas, b) Martin Opitzens Judith, auffs new ausgefertigt, worzu das vordere Theil der Historie sampt den Melodeyen auff iedwedes Chor beygefüget... c) Rostock 1646; Johann Rieoheln Verl. u. Joaohim Wilde Dr. d) SB Berlin, z. Z. Marburg Yq 3686; Yq 3687 (Verlust). H.-A.-B. Wolfenbüttel. DB Wroclaw u.a. e) 0. 10. a) Rose, Christian, b) Holfern... c) Hamburg 1648} Jacob Rebenlein. d) SB Berlin, z. Z. Marburg Yq 4591. Brit. Mus. libr. London 1208 e 15. e) 0. 199

11. a) anonym, b) Programm Der Geschieht von der Hebraeischen Heldin Judith und dem Holoferne. c) Dresden 1669. d) Landesarchiv Dresden, e) M. Fürstenau, a.a.O. (s. Fn 69), S. 326f. 12. a) losius, Johann Christopherus. b) Das Durch Judith von seinem unbilligen und gewaltsamen Verfolger Holoferne endlich Erlöste Bethulien... (Programm), c) Hildesheim 1689; Michael Geißmar. d) Stadt- oder Schulbibl. Hildesheim (Verlust), e) X. Th. Gaedertz, Archivalische Nachrichten über die Theaterbestände von Hildesheim, Lübeck, Lüneburg im 16. und 17. Jahrhundert, Bremen 1888, S. 129f.; K. Günther a.a.O., (s. Fn 67), S. 163f.

4. Anmerkungen zur Studie 1

S. Söeglova, Hovyj spisok dramy "Judif'". In: Juvilejnij zbirnik na posanu M. S. Grusevs'kogo, c. istoricno-literaturna. (Zblrni> istorieno-filologienogo viddilu, Bd. 76,2), Kiev 1928, S. 243252.

2

In: Drevnjaja Rossijskaja Vivliofika, 2. Aufl. Bd. 8, St. Petersburg 1788, S. 187-328.

3

In: Husskie dramaticeskie proizvedenija 1672-1725 godov, Bd. 1, St. Petersburg 1874, S. 76-203.

4

Söeglova, a.a.O., S. 244.

5

Tichonravov hatte seine Quellenpublikation auf drei Bände geplant, von denen nur die beiden ersten erschienen sind: Bd. 1 enthält die Dramen des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts, Bd. 2 die Dramen aus dem ersten Viertel des 10. Jahrhunderts. Der 3. Band sollte die Kommentare und Quellenangaben zu den veröffentlichten Texten sowie die Bibliographie der bisherigen Forschungen, ferner ein Wörterbuch der schwerverständlichen und seltenen Wörter enthalten, doch konnte er nicht erscheinen, weil der Verleger Kozancikov bankrott machte. Vgl. das Vorwort Tichonravovs in Bd. 1, S. IV; ferner M. I. Sokolov, Trudy N. S. Tichonravova po izdaniju pamjatnikov literatury. In: Pamjati N. S. Tichonravova, Moskau 1894, S. 85-91, bes. S. 90.

6

V. Vsevolodskij-Gerngross, Russkij teatr ot istokov do serediny XVIII v., Moskau 1957, S. 109.

200

7

P. N, Popov, Neizvestnaja drama petrovskoj epochi "Iudif' In: TODRL, Bd. 3, Moskau-Leningrad, S. 195-253. v

8

I. A. Sljapkin, Carevna Natal'ja Alekseevna i teatr ee vremeni. (Pamjatniki drevnej pis'mennosti i iskusstva, Bd. 128) St. Petersburg 1898, S. 9-15 (Bruchstücke aus I-I.,, III^, III-|, rv^ , V-]) und S. V (Arie). Die Arie des Amarfal wurde leicht korrigiert abgedruckt bei N. FindeJzen, Ocerki po istorii muzyki v Rossii s drevnejsich vremen do konca JVTII veka, Bd. 1, MoskauLeningrad 1928, S. 320, bei T. Livanova, Ocerki i materialy po istorii russkoj muzykal'noj kul'tury, Bd. 1, Moskau 1938, S. 182 und bei Vsevolodskij-Gerngross, a.a.O., S. 113.

9

S. K. Bogojavlenskij, Moskovskij teatr pri carjach Aleksee i Petre I. (Ctenija v Imp. Obscestve istorii i drevnostej rossijskich pri Moskovskom universitete, Moskau 1913, Jg. 1914, 2. Buch). Leider ohne Angabe der Attennummer des heutigen Staatlichen Zentralarchivs für alte Akten in Moskau.

10

Ebd., S. 26 f.

11

Ebd., S. 59.

12

Ebd., S. 38.

13

Ebd., S. 39 f.

14

Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Bd. 19, Berlin 1906, S. 292f. Zur Rolle Hesses vgl. K. Porstreuter, Preußen und Rußland..., GöttingenBerlin- Frankfurt 1955, S. 165ff.

15

Bogojavlenskij, a.a.O. (ita. 9), S. 50.

16

Ebd., S. 66.

17

Sljapkin, a.a.O., (s. En. 8).

18

Alexis Wesselofsky, Deutsche Einflüsse auf das alte russische Theater von 1672-1756, Prag 1875.

19

P. 0. Morozov, Istorija russkogo teatra do poloviny XVIII stoletija, St. Petersburg 1889, S. 154-168.

20

Gemeint sind die Darstellungen der Geschiohte des russischen Theaters.von Varneke, Kallas und Efros (Hg.), Beskin, Vsevolodskij-Gerngross (1929 u. 1957), Gurevic, Danilov sowie die bekannten allgemeinen Darstellungen der russischen, besonders der altrussischen Literatur. 201

21

Vgl. A. Bulgakov, Komeaija o Tamerlane i Bajazete. In: Starinnyj spektakl' v Rossii, Leningrad 1928, S. 317-357. 0. A. Derzavina, K voprosu sravnitel'no-istoriceskogo izucenija evropejskoj i russkoj dramaturgii XVII v. (Tradicii srednevekov'ja i novye êlementy v p'esach XVII v. ob Iosife). Ins Slavjanskie literatury, Moskau 1968, S. 141-165. Vgl. auch A. Mazon, "Artakserksovo dejstvo" i repertuar pastora Gregor!. In: TODBl, Bd. 14, Moskau-Ieningrad 1958, S. 355-363.

22

Abgesehen von den Vorwörtern und Kommentaren in den Ausgaben des Dramas von Mazon-Cocron (vgl. Anm. 25) und Kudrjavcev (vgl. Anm. 29) s. W. ELemming, Deutsches Barockdrama als Beginn des Moskauer Hoftheaters (1672). Ins Maske und Kothurn, 4. Jg., Graz-Köln 1958, S. 97-124; K. Günther, Neue deutsche Quellen zum ersten russischen Theater. Ins ZfSl VIII, (1963) 5. 664 ff. (mit Literaturangabe) und ders., Das Weimarer Bruchstück des ersten russischen Dramas "Artaxerxovo dejstvo" (1672). In: Studien zur Geschichte der russischen Literatur des 18. Jahr' hunderts", Bd. 3, Berlin 1968, S. 120-178; J. A. Stone, The Pastor and the Tzar: A Comment on The Comedy of Artaxerxes, und die von Yvette Louria angefertigte englische Übersetzung The Comedy of Artaxerxes (1672). In: Bulletin of the New York Public Library, Bd. 72, New York 1968, Nr. 3, S. 139-210 und Nr. 4, S. 125-251.

23

Bogojavlenskij, a.a.O., S. 59, 66 und 38.

24

Ebd., S. 7.

25

A. Mazon und F. Cocron, La Comédie d*Artaxerxès... par Gregorii le Pasteur, Paris 1954, S. 56-63.

26

Morozov, a.a.O., S. 156f.

27

Diese Zahl wird durch die Urkunden bestätigt, wonach 48 Kinder der Kleinbürgervorstadt nach Preobrazenskoe zur Aufführung des Judithdramas transportiert wurden. Bogojavlenskij, a.a.O., S. 39.

28

Mazon-Cocron, a.a.O., S. 54f.

29

I. M. Kudrjavcev, Artakserksovo dejstvo, Moskau-Leningrad 1957, S. 300-303.

30

£02

Wir benutzten für die Identifizierung der Namen das Buch von Abr. Meister, Biblische Namen kurz erklärt, Wuppertal (1958)«

31

W. Elemming, Deutsches Barockdrama als Beginn des Moskauer Hoftheaters (1672), In: Maske und Kothurn, 4. Jg., Graz-Köln 1958, S. 97-124.

32

Die Urkunden über die Beschaffung der für die Aufführungen notwendigen Materialien und Requisiten erwähnen bis auf einen Fall (vgl. oben S. 137) keine Dinge, die speziell für die Judithaufführung gebraucht worden wären. Die Waffen waren übrigens aus Holz und bemalt.

33

N. Eindejzen, a.a.O., (s. En. 8), S. 317 ff. und Günther, a.a.O., (s. En. 22) (1963), S. 669-672.

34

Zum Abdruck der Arie s. En. 8.

35

Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 1, Leipzig 1896, S. 644 ff. und Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Bd. 3, Tübingen 1959, Sp. 1000 f.

36

Martin luthers Werke, Weimarer Ausgabe, Deutsche Bibel, Bd. 12, Weimar 1961, S. 4 u. 6.

37

Die umfangsreichste, wenn auch nicht fehlerfreie und lückenlose Zusammenstellung aller europäischen Bearbeitungen des Judithsujets bietet James de Rotschild, le Mystère du Viel Testament, Bd. 5, Paris 1885, S. CXIX-CLIV.

38

E. Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts..., 3. Aufl., Bd. 1, Leipzig 1919, S. 363-366.

39

M. Herrmann, Die Entstehung der berufsmäßigen Schauspielkunst... Berlin 1962, S. 15-16.

40

S. En. 37, ebd., S. CXXXIIff.

41

Eiir die musikdramatischen Werke (Opern, Oratorien) aller Länder vgl. H. Riemann, Opern-Handbuch, Leipzig 1887, S. 252f. und Supplementband, Leipzig 1893, S. 801.

42

S. En. 37, ebd., S. CÏLIIIf.; ferner A. Schaeffer, Geschichte des spanischen Nationaldramas, Bd. 2, Leipzig 1890, S. 325341 (Register) und J. D. Eitzgerald, La historia de Judit y Holofernes en la literatura espagñola. In: Hispania, Bd. 14, Baitimbre 1931, S. 193-196 (für das Drama unergiebig).

203

43

Edna Purdie, The Story of Judith in German and English l i t e r a ture. (Bibliothèque de l a Revue de l i t t é r a t u r e Comparée, Bd. 39) Paris 1927, S. 4 (Nr. 13), 5 (Nr. 17), 12 (Nr. 42).

44

S. En. 37, ebd., S. CXXIIIff. Zu den biblischen Dramen Jahrhunderts allgemein v g l . H. C. Lancaster, A History +v> Dramatic Literature in the 17 Century, Part. 2, Vol. 1932, S. 348-354 und M. E. Pascoe, Drames r e l i g i e u x du du XVII e s i è c l e , Paris 1932, bes. S. 49-66. C. Brody, The Works of Claude Boyer, New York 1947, S. (über Judith).

45

des 17. of French 1, Paris milieu 80-89

46

J. lichtenstein, Racine - poète biblique, Paris 1934, S. 104-149 u. S. 226-228.

47

Für die Niederlande verzeichnet Rotschild bis 1720 kein Judithdrama, Vgl. aber J. A. Worp, Geschiedenis van het Drama en van het Tooneel in Nederland, T. 1, Groningen 1904, S. 135 u. 202ff. Dramenregister in T. 2, Groningen 1908, S. 479ff.

48

Worp, a.a.O., Bd. 1, S. 218ff; A. H. Garrer, Schonaeus, Haarlem 1889; A. v . Weilen, Biographie des Sch. Ins ADB, Bd. 34, 1892, S. 731 f f .

49

J. Bolte, Xysti B e t u l e i i Susanna. (Lateinische Literaturdenkmäler des XV. u. XVI. Jahrhunderts, Bd. 8 ) , Berlin 1893, S. V f f .

50

0. Baltzer, Judith in der deutschen Literatur, Berlin-Leipzig 1930, S. 18-22 und Purdie, a.a.O. ( s . En. 43), S. 56-72.

51

Über die deutschen Judithdramen gibt es einige Zusammenstellungen: Die älteste bei Rothschild, a.a.O. ( s . En. 37), Bd. V, Paris 1885, S. CXLVff. Material für das 16. Jahrhundert s t e l l t e zusammen H. Holstein, Die Reformation im Spiegelbilde der dramatischen Literatur des 16. Jahrhunderts (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, Bd. 14-15) Halle 1886, S. 104105. Es f o l g t e n Edna Purdie, The story of Judith i n German and English l i t e r a t u r e , a.a.O., Paris 1927 und Otto Baltzer, Judith in der deutschen Literatur ( S t o f f - und Motivgeschichte der deutschen Literatur, Bd. 7) Berlin-Leipzig 1930. Baltzers Buch l i e g t seine bereits 1922 verfaßte Greifswalder Dissertation über die "Dramatischen Bearbeitungen des Judithstoffes" zugrunde« Beide Arbeiten bieten jedoch keine eingehende Analysen der Judithdramen des betreffenden Zeitraumes. Sehr wertvoll i s t

204

die von M. Sommerfeld besorgte Ausgabe "Judith—Dramen des 16./ 17. Jahrhunderts" nebst Luthers Vorrede zum Buch "Judith" (literarhistorische Bibliothek, Bd. 8), Berlin 1933, die eine Reihe schwer zugänglicher Texte bringt und ein knappes, aber aufschlußreiches Nachwort des Herausgebers enthält (S. 192-196). 52

Baltzer, a.a.O., S. 16-18; Purdie, a.a.O., S. 72-76.

53

W. Scherer, in: AHB, Bd. 2, 1875, S. 656 f.; KDB, Bd. 2, S. 256; H. Levinger, Augsburger Sohultheater unter Sixt Blrok (Theater und Drama, Bd, 2), Berlin 1931; J. Bolte, a.a.O. (s. En. 49).

54

M. Sommerfeld, Bas Straßburger Akademietheater um die Wende von der Renaissanoe zum Barock. In: Elsaß-Lothringisohes Jahrbuch, Bd. 12, Frankfurt a. M. 1933, S. 115.

55

R. Buchwald, Joachim Greff. Untersuchungen über die Anfänge des Renaissancedramas in Sachsen, Leipzig 1907.

56

M. Kopeckjr, Nekolik pozn&nek o Kon&oovS hie Judith (Prispevky k dejin&n starsi cesk6 literatury), Praha 1958, S. 167-184.

57

T. Spengler, Wolfgjang! Schmeltzl. Zur Geschiohte der deutschen Literatur im 16. Jahrhundert (Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur und des geistigen Lebens in Österreich, , Bd. 3), Wien 1883. p Sommerfeld, a.a.O., S. 70 ff, u, Anmerkungen; Goedeke II , S. 171 (Hr. 13) u. S. 406 (Hr. 392). BSjiny deskfe literatury, Bd. 1, Praha 1959, S. 355.

58 59 60

Spengler, Martinus Bohemus. Zur Geschichte des älteren deutschen Drama b. In: Xenia Austriaca. Jfestsohrift der österreichischen Mittelschulen, Bd. 1, Wien 1893, S. 41-63.

61

H. H. Borcherdt, Beiträge zur Geschichte der Oper und des Sqhauspiels in Schlesien bis zum Jahre 1740. In: Zeitschrift des Vereins für Geschiohte Schlesiens, Bd. 43, Breslau 1909, S. 236-241; A. Mayer, Quelle und Entstehung von Opitzens Judith. In: Euphorion, Bd. 20, 1913, S. 39-53.

62

A. Mayer, Zu Opitz* Dafne. In: Euphorion, Bd. 18, 1911, S. 754-

760. 63

H. H. Borcherdt, Andreas Tscherning, München-Leipzig 1912. Über das Judithdrama S. 107-116 und 290-292. 205

64

Ebd., S. 112 und 290f.

65

Ebd., S. 81 f .

66

H. Begeirwnn, M. Christian Hoses Geistliche Schauspiele S. Theophania und Holofern. (Beilage zum Jahresbericht des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums zu Neuxuppin) lieuruppin 1913.

67

K. Günther, J. Chr. losius, leben und Werk. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Schuldramas um 1700. Diss. Berlin-DDR 1966. Über das Judithdrama S. 163f.

68

H. Kindermann, Theatergeschichte Europas, Bd. 3, Salzburg 1959, S. 394-399.

69

M. Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, T. 1, Dresden 1861, S. 205f; für die f o l genden Angaben S. 223f, 228 f f .

70

Ebd., S. 326-328.

71

Bogojavlenskij, a.a.O., ( s . En. 9), S. I V f f .

72

Ebd., S. 20 f f .

73

C. Speyer, Mag. Johannes Velthen und die sächsischen Hofkomödianten am kurfürstlichen Hof in Heidelberg und Mannheim. In: Neue Heidelberger Jahrbücher. NJ, Jg. 1926, S. 7 5 f f .

74

J. Meißner, Die englischen Komödianten in Österreich. Ins Shakespeare-Jahrbuch, Bd. 19, 1884, S. 145-154 (Nr. 40 auf S. 148.)

206

2. Abhängigkeitsverhältnis der Judithdramen

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direkte Abhängigkeit mutmaßliche Bekanntschaft deutsches lateinisches

Drama Drama

207

1. Graphische Darstellung des Moskauer Judithdramas

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A. 1. Gol'dberg Deutsche Quellen des 17. Jahrhunderts über Stepan Razin

Im Jahre 1667 sammelte Stepan Timofeevic Razin eine Abteilung Donkosaken und zog mit ihr an den Jaik und zum Kaspischen Meer. Bereits drei Jahre später begann Razin, nachdem er aus den entfernten Gegenden zurückgekehrt war und die Volksmassen am Don und an der Wolga zum Widerstand gegen ihre Unterdrücker aufgerufen hatte, den offenen Kampf mit dem Zaren und seinen Wojewoden. Schon wenige Monate nach dem Beginn der Auseinandersetzung wurden Nachriohten über •i den Bauernkrieg in der deutschen Presse veröffentlicht. Kurze Meldungen, die aus Riga, Danzig, Vilnius, hin und wieder auch direkt aus Moskau, einliefen, informierten die deutsohen Leser über die Rebellion, die die Macht deB Moskauer Zaren schwer erschütterte. Das Interesse an den Vorfällen in Rußland war im damaligen Deutschland aus verschiedenen Ursachen sehr groß. Der russische Staat hatte im Osten Europas wichtige Schlüsselpositionen inne. Den politischen Kreisen Deutschlands war es nicht gleichgültig, wie sich die Beziehungen zwischen Rußland, Schweden, Polen, der Türkei und den anderen nicht unmittelbar benachbarten deutsohen Staaten gestaltete, denn diese hingen stark von der Stabilität der russischen Regierung ab. über den Hafen Archangel'sk gelangten auf dem Seewege und durch das Baltikum auf dem Landwege russische Waren in deutsche Städte. Im Heere des Moskauer Zaren dienten außer schottischen, holländischen und englischen Söldnern auch Offiziere und Soldaten deutscher Abstammung. Die politischen und ökonomischen Beziehungen zwischen dem damaligen Rußland und Deutschland finden in den Berichten über die Ereignisse der Jahre 1670/1671 ihren Widerhall. Informationen über Rußland konnte man deutsohen Zeitungsrelationen auch in früherer Zeit, besonders,im Zusammenhang mit dem Smolensker Krieg 1632-1634 anläßlich des ukrainischen Volkskrieges von o 1648-1654 und des Moskauer Aufstandes im Jahre 1662 entnehmen. Doch nie zuvor wurde in Deutschland den "Moskauer Angelegenheiten" so viel Aufmerksamkeit zuteil und ihnen in Zeltungen und Plugschriften so viel Raum gewährt wie Anfang der 70er Jahre des 17. Jahrhunderts. 209

Die Zeitungen aus jener Epoche sind allerdings sehr selten lückenlos erhalten. Nur wenige Bibliotheken verfügen noch über vereinzelte Exemplare dieser Erzeugnisse. Wenn wir uns dennoch eine Vorstellung vom Inhalt der damaligen Presse verschaffen wollen, müssen wir die sog. "Meßrelationen" und die politischen Zeitohroniken in unsere Betrachtungen einbeziehen. Zweimal jährlich fanden in Frankfurt/a.M. und dreimal in Leipzig die bedeutendsten Messen Europas statt, deren Besucher lebhaftes Interesse an allem bekundeten, was in der Welt geschah. Die deutschen Verleger berücksichtigten dieses Informationsbedürfnis und publizierten seit Ende des 16. Jahrhunderts kontinuierlich Nachrichten über das aktuelle Geschehen zwischen den Messen. In Frankfurt wurden diese Berichte im Frühjahr und Herbst unter der Bezeichnung "Relationis historicae oontinuatio" gedruckt, in Leipzig gab m a n sie zu den Neujahrs-, OBter- und Herbstmessen als "Zehnjährige Historische Relation" heraus.^ Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts begannen in Frankfurt a.M. zwei neue Periodika zu erscheinen, die Material sowohl aus Zeitungen als auch aus "Meßrelationen" über eine längere Zeitdauer in sich vereinigten: das "Diarium Europaeum", das jeweils einen Band den Ereignissen während eines Jahres widmete^, und das "Iheatrum Europaeum", das in einem Band die Gec .. schichte mehrerer Jahre umfaßte. Ahnlich waren auch der "Historische Tagweiser" I. Frische^, die in lateinischer Sprache abge7 faßte "Histórica rerum notabiliorum" H. Brewers u.a. angelegt. Diese heute leider nahezu vergessenen Publikationen verdienen sowohl als historische Quellen, aber ebenso auch als Zeugnisse der deutschen politischen Literatur des 17. Jahrhunderts besondere Aufmerksamkeit. Die Jahrgänge dieser Periodika vermitteln in ihrer Gesamtheit eine reoht genaue Vorstellung vom Widerhall der Ereignisse um Stepan Bazin in der deutschen Presse. Die ersten Nachxiohten über den russischen Aufrührer sind in den deutschen Periodika Ende des Jahres 1670 zu finden. Die Frankfurter "Meßrelationen" druckten folgenden Bericht nach: Rebellion wider "Bey so gestalten Sachen im Königreich die Moscauer Polen hatte man auch auß Mosoau unterm dato wird von lag 24 Aug. zu vernehmen, wie daß der bekante zu Tag hefftißebel Stephan Razin nicht allein an Volck ger. täglich zunehme, sondern auch im Astracanischen große Thaten verrichtete, gestalten er dann, nachdem er die wider ihn außgeschickte Strelitzen in 210

die iluoht geschlagen und derselben etliche tausend erlegt, die Statt Astracan mit hefftiger Ungestumme berennt und, als die darinn befindende Besatzung wider deß Commandanten Willen ihme die Thor geöffnet, dieselbe eingenommen und gedachten Commandanten neben denen Kniasen und Bojarn, als welche dem Czar treu verblieben, ohne einige Gnade henoken lassen; die Plünderung der Kirchen aber seye duroh den Metropoliten daselbst noch abgebeten worden. Hierauff habe bemeldter Auffrührer eine Missive oder Brieff an den Archimandriten nach Casan abgehen lassen mit dem Begehren, daß er ihm ebenmäßig die veste Statt lercki, so zu eusserst an dem Caspischen Meer ligt, nicht allein einräumen; sondern o ihn mit gehöriger Reverentz empfangen und bewillkommen solte." Diese Naohricht konnte man auch im "Diarium Europaeum" lesen, hier jedoch mit folgender Ergänzung: Anno 1670 "Diese Rebellion ward durch ein Augustus BerichtSchreiben auß Riga vom 22. dieses schreiben auß Sept. mit folgenden Worten oonfirRiga hievon. mirt: Es continuirt, daß Astraokan duroh die Rebellen, als CoBaoken und vermengte Tartarn, von der Moscau sey abgerissen worden. Von Casan verlautet dergleichen:^ Ist solches auch weg, so ist auch gantz Siberien verlohren. Auff solchen Fall ist der Moscowiter in 10

seinem alten Stande, wie er Anno 1554 gewesen ist, und muß er den Astracanern Contribution geben, umb einenen freyen Handel zu haben. Diese Rebellen sollen in 150000 Mann starok und deren Haupt ein alter heimlicher Feind von Moscau Kähmens Stephan Timothemus Raisin seyn. Was wir auß Moscau selbst hiervon haben ist folgendes vom 14 11 Augusti. Es hat der Rebell Stephan erstlich Saringa und andere Plätze an dem Wasser Wolga, darnaoh auoh auff der Höhe von Astracan einige Oerter überwältiget und darauff mit seinem groben Geschütz die PaBsage von selbiger Revier verhindert. Wie nun der Gouverneur von Astraoan 6000. Mann unter dem VioeGouverneur ihm entgegen gesohiokt, und der Rebell solohe mit einem sonderlichen Stratagemate gantz gesohlagen, so hat er sich daxauff erkühnet, die Vestung Astrakan selbst anzugreiffen. Als nun solohe Besatzung durch die 6000. geschlagen sehr geschwächt und auoh wegen schlechter Bezahlung unwillig gewesen, so hat solche sich wenig zur Gegenwehr gestellet, ist also der Rebell fast ohne einige Resistentz am 5 Julii dieses considerablen Platzes Meister worden... 211

... Wie es scheint so haben diese Hebellen den Vorsatz alle grosse Reusische Herren und zwar meistens die Militärische Häupter hinzurichten. Sie haben in Astrakan einen grossen Kriegs-Vorrath sonderlich von Geschützen bekommen. Es gibt dieser Verlust allhier grosse Bestürtzung, weil ein Vierdter Theil dieses Reichs damit verlohren und der Handel von dannen nach Persien, wie auch das Abbringen von Saltz, Fischen und andern Wahren gesperret ist. M a n sorget, daß dieser Rebell sich weiter hieher begeben werde, weilen er an den Metropolit von Casan geschrieben hat, daß er ihm auff dem Wege begegnen solte, als Possessor von Astracan, und m a n vermerckt es, daß der Zulauff zu ihm selbst von hier groß sey. Befindet m a n sich also fast sehr entblöset ihm mit' rechter Macht zu begegnen, ob m a n schon alle Mittel eyfferigst bedencket und hervor suchet und soll 12 unter einem Knäsen, Juriam Alexius Dolgarincka genannt, ein läger formirt werden: Das Geld aber gebricht, und entschuldiget sich die Gemeine mit ihrer Unvermögenheit. So viel auß der Moscau: Wie es ferner ablauffen werde, soll nit unvermeldet bleiben. Wir liffländer hoffen hierdurch die von Moscau uns schwehr gemachte Tractaten bald etwas leichter zu befinden. Hoch ein anders auß gemeldtem Riga vom 26 dieses (5 Sept.) meldet diese Particularitäten: Man hat von Itantzosisoher Seiten mit Moscau eine Zeitlang sonderliche Correspondentz gepflogen, vlelleioht in Armis eine Diversion zu machen, es wird aber nun schwehrlich geschehen, denn alle Reysende auß Moscau die Rebellion confirmiren. Das Haupt hiervon last sich nun tituliren: Fürst Stephan Razen Ottomann: Er hat nun beyde grosse Königreiche Astracan und Casan so gut als in seiner Gewalt: und nimmt eine Stadt nach der andern ein. Er ist ein Schlechter Kerl gewesen und hat vormale vor einen Hackenschützen bey einem Obristen gedienet, auch mit den Cosacken auf dem Caspischen Meer gestreiffet. Weilen nun dessen Bruder durch Befehl deß Dolhoruoky in Moscau ist gehenckt worden, so kommt dieser also hervor, seines Bruders Tod zu rächen. Er hat erstlich 40 ä 50 Cosacken an sich gezogen, die haben ihm an 6. in 700 Mann geholffen, womit er seine Macht erstmals gebrauchte und die, welohe nicht gut Razinisch schienen oder ihm als einem neuen Pürsten gehorchen wolten, tödten ließ. 1 ^

212

Dieses machte ihm einen grossen Anhang, daß er also hiemit die Stadt Astracan und ein mehrers gewann. Er hat in Astraean deß Groß-Fürsten von vielen Jahren her gesamieten Schatz und sonsten auch einen grossen Reichthumb bekommen, alle Teutsche und Schweden daselbsten in Dienste genommen und auß demselben, wie auch auß denen vor Zeiten gefangenen Polen, die Klügsten an sich gezogen, Reichs-Räthe davon gemacht und also einen völligen Staat fundirt. Seine Macht Ist Jetzo über 100.000 Mann starck. Er begehrt den Dolhorucky, als Moscowitis. Generalen, und noch 14 andere Grosse, oder er will sie selbsten holen. Der Großfürst hat 3 Gesandten an ihn geschickt und ihn von solchem Beginnen abmahnen lassen, er hat aber ihnen allen Steine an die Hälß binden und sie also ins Wasser werffen lassen, vorgebend, daß ihre Briefe seinen Fürst1. Titul nicht auffgehabt h ä t t e n . ^ Alle Völoker, die der Groß-Fürst wider ihn sendet, fallen ab und ergeben sich dem neuen Fürsten. Aller Handel dahin ist nun verlohren. Alles Saltz, was in Moscau gebraucht wird, kam von Astracan: so kamen auch jährlich etlich tausend lasten Saltz-Fische item Caviar und anders. Der Holländis. Envoye Mr. Heinsius ist vor 5 Tagen auß d'Moscau allhier angekommen, welcher alles dieses confirmirt."15 Dieser Auszug weist deutlich auf die Informationsquellen der deutschen Presse über Rußland hin. Es wurden Nachrichten aus Riga und Moskau ausgewertet, wobei die Erwähnung des holländischen Vermittlers dieser Meldung besondere Zuverlässigkeit verleihen sollte. Wie wir noch sehen werden, stützen sich die deutschen Verleger oft auf diplomatische oder Handelskorrespondenzen, verwerteten aber ebenso auch mündliche Berichte von Augenzeugen der Vorfälle im Moskauer Staat. Als Beispiel hierfür mag eine Notiz vom September 1670 im "Diarium Europaeum" dienen: "Von der großen Revolte deß nächsthin gedachten Stephan Razzin, als deß Haupts dieser Rebellion wider Moscau berichteten einige von dannen zu Ham-

Anno 1670 Septemb. Rebellion in der Moscau wird bekräfftiget.

bürg angelangte Schiffe, daß sie bey ihrer Anwesenheit in Archangel vernommen, daß dieser Rebell ein schlechter Kerl gewesen und wegen seines gehangenen Bruders zu solcher Rebellion gekommen sey, daß auoh viel Mensohen, als Tartarn, Cosaoken und Moscowiter, die offt umb ihn gewesen, gesagt hätten,

213

daß er wegen seines unförmlichen Leibs, aber doch guten Verstandes, noch etwas sonderliches begehen würde: dann er wäre kurtz von Statur, hätte einen kleinen leib, aber doch zweyer Männer Schultern; was er erobere, behielte er nicht vor sich zum Schatz, sondern ver16 theilte alles unter seine Anhänger. Den Czar achte er nach deß Thomas Aniello, deß bekandten Hebellen 17 zu Neapolis Weise, gar hoch und sage, daß er nichts mit ihm, sondern nur mit seinem Feldherrn dem Doloruko und einigen von seinen Officirern zu thun hätte. Gantz Moscau fürchte sich vor ihm und wolle niemand mit dem Doloruko wider ihn auffziehen. Jim Gelde gebreche es zu einer rechtschaffenen Armee-Jormirnrig sehr, weilen solches die frembde Patriarchen, welche der zwar auff grosse Unkosten von Constantinopel, Antiochia und Jerusalem verschrieben hatte, deß alten Moscowitischen Patriarchen lehre und Sachen zu 1Q 1ß beleuchtigen , daß Geldgeitz häuffig mitgenommen haben sollen". y In seiner Oktoberausgabe schreibt das "Diarium Europaeum": "Mitlerweil gienge es in der Moscau Anno 1670 noch wunderlich her, dann sich bey den Octob. Rebellen auch ein natürlicher Erbe von Moscau noch den vorigen Königen von Astracan und unruhig. Casan eingefunden, welcher die Sache 20 mit triebe , und wurde vom Smolenzko und mehrern Orten vermeldet, daß die Rebellen schon 75 bis 80 Meilen vor Moscau gewesen wären und in drey Armeen vertheilt marchirten. Daß auch der Feldherr Doloruko zwar mächtig gegen sie außgegangen von vielen seiner Völcker aber, welche das Gewehr nieder geleget und sich zu den Rebellen begeben hätten, sich ändlich wäre verlassen worden. So meldeten auch Brieffe selbst auß Moscau von 16 dito an gute Leute geschrieben, daß nun im Silber und Golde in der Stadt Moscau nichts zu thun stünde, weil die meisten Grossen wider den Rebellen zu Felde gegangen wären und die h i n t e r b l i e b e n mit dem Czar täglich rathschlagten, wie diese grosse Rebellion möchte zu dämpffen 21

seyn". Im Herbst 1670 erlitt das Heer Razins bei Simbirsk eine Niederlage. Razin selbst wurde im Kampf verwundet und zog mit der Kosakenabteilung an den Don. Die Meldungen in der deutschen Presse während dieser Zeit sind einander sehr widersprechend. So wurde im November in dem "Diarium Europaeum" vom Sieg der zaristischen Armeen gesprochen: 214

"Auß der Stadt Moscau hatte man Brieff Anno 1670 Novemb. von dreyerley Datis, das letzte war vom 8/18 Dito, dieses Inhalts: "Daß zwar der Czar annooh eine grosse Musterung unter seinen Leuten halten liesse, daß aber doch indessen die fröliche Zeitung continuirte, wie der Haupt-Rebell Stephan Razin von der Czars Armee unter dem Peldherrn Doloruko nicht allein auß dem Feld geschlagen wäre, sondern auch den Weg hin, den er gekommen wäre, verfolget würde, und man zur 22

Wieder-Eroberung der abgenommenen Länder grosse Hoffnung hätte..." Noch ausführlicher berichteten darüber die "Leipziger Meßrelationen": "Wegen der Rebellion in Moscau lieffen die Zeitungen biß dato noch sehr variabel, darunter gleichwohl das neueste dieses war, daß der Rebell Stephan Razin letzthin den 4. September am Strohm Wolga die 23 Stadt Siembieski mit einer Macht von 20000 Mannen belagert und 15 gewaltige Stürme hinter einander drauff gethan: Die drinnen liegenden aber hätten unter dem tapffern Gouverneur Iwan Bagdanowits Milloslafski solche allerseits tapfer abgeschlagen, indem sie durch 24 die Ankunfft des Peldherrn Knees Jürgen Mickitowits Barrowenskie secundirt, und längst dem Strohme her die Stadt also entsetzt worden: Wie er denn hierauff so gar mit denen Belagerten zugleich auff den Rebellen angefallen und ihn dermassen geschlagen, daß sie entweder das Schwert oder Wasser kiesen müssen, sintemahl der gantze Hauffe der Rebellen, biß auff 600, die gefangen und darnach ebenfalls todt geschlagen worden, geblieben wäre. Er der Rebelle selbst solte ziemlich verwundet mit sehr wenigen auff einer Schluppe noch mit gnauer Noth entkommen seyn und sich nach dessen Niederlage alle Plätze, so er zuvor 25 • eingenommen vor S. Zarische Maj. ... wieder erkläret haben". Aber in denselben Winter- und Erühjahrsmonaten der Jahre 1670/1671 veröffentlichte die deutsche Presse auch Meldungen über Erfolge der Aufständischen: "Was auch eine Zeit her von des Rebellen in der Mosoau gäntzlichen Niederlage verlauten wollen, solches continuirte nun gar nicht, sondern man hatte im Gegentheil sichere Nachricht, daß beyde Iheile wegen des Winters und grossen Korn-Maugels sich nur eine Zeit lang auff eine grosse iterne voneinander begeben hätten. Mit einigen Passagirern aus der Moscau erhilt man von dem Rebellen Stephan Razin so viel Nachricht, daß seinet wegen allda noch immer gute Auffsicht muste gethan werden und daß so viel

215

erschlagene, gehangene und ersäuffte nicht von des Razins Armee, sondern lauter neue rebellirende Moscowitische Bauren gewesen wären". 2 7 Sehr detailliert informierten die frankfurter "Meßrelationen" ihre Leser: "So wurde auoh der Zustand in der Moskau Schlechte Zeiabsonderlich aber in der Haupt-Statt Moskau tungen auß Mossehr schleoht ausgegeben, als von dannen man cau Brieff erhalten, welche beriohten, daß zwischen dem Rebellen Radzin und deß Czaaxen Armee abermahlen ein hartes Treffen vorgangen, wodurch diese gantz ruinirt auß dem Felde geschlagen und der Jeld-Herr Dolorucko, gefangen genommen und auff ein festes Sohloß geführet worden. Hierauff habe man viel fürnehme Cavalliere, so mit im Treffen gewesen, naoh bemeldter Statt Moscau gebraoht, welche zum theil verwundet gewesen. 28 über das wird auß der Wilda vom 30 Wie im gleiohen Jan. dieses gemeldet: Dieses Landes Zuauß der Wilda. stand werde von Tag zu Tag' schlechter und greiffe der Rebell Radzin noch immer weiter umb sich, was sich nicht gutwillig ergeben will, bezwinge er mit Teuer und Sohwerd, verstärcke sich auoh dermassen, daß vor menschlichen Augen ohnmöglioh scheine, demselbigen zu begegnen. Ihre beste Mannschafft seye meistentheils ruinirt, erschlagen und von denselben gefänglich weggeführt: So seye auch der Zufall zu demselben fast unbeschreiblich: Seine Macht bestehe anjetzo über 30000. Mann fast lauter exercirte Soldaten, welche richtig bezahlt und wolgehalten werden: Aller Handel und Wandel sey ins steoken gerathen: Man habe sie lang auff Auxiliar-Völcker vertröstet, es scheine aber, daß es hiemit nichts seyn werde: Es habe zwar der Czaar versucht gedachten Rebellen mit der Güte zu gewinnen, weloher aber bey demselben nlohts verfangen wollen. Bißher der Bericht aus der Wilda. ... Von unterschiedlichen Orten an Moskowitischer den Moßkowitischen (iräntzen wurde für Rebellion Dlutiger gewiß berlohtet, daß vormehr gemeldter Effeot. Bhazin viel grosse Moskowitische Häupter geschlagen, mit welchen auoh einige tapffere Teutsche, als Obrister Münchhausen, Obrister Quehl und Obrister Straßburg gefallen, andere auoh wol bekandte Leut weiß man noch nicht, wo sie alle hingekommen.

216

... Hiebey continuirete noch immer 6 Puncten dem Moskofort, daß deß Groß-Kirsten in der Moskau witisehen Czaar von Armee gantz geschlagen und habe der seinem Rebellen zum Rebell nachfolgende 6 Puncten demselben Vergleich vorgeschla vortragen lassen: 1. Wofern er, der gen. Groß-Fürst, für ferner Verfolgung verschonet bleiben wolte, daß er ihn für einen König über Casan und Astracan erkennen: 2. Den Patriarchen wieder einsetzen: 3. Zwantzig Millionen an Geld erlegen: 4. Zehen von seinen Knesen außliefern: 5. Sein Bildnüss auffrichten und 6, Jährlich einen gewissen Tribut geben solte: Was nun hieran, oder nicht, davon hat man deß Außgangs zu erwarten. Unterdessen wird außgegeben, der Czaar habe zween Currierer, als einen nach Schweden, den andern nach Pohlen abgefertiget, vermuthlich daselbsten umb einige Hülffe anzulangen. Im "Diarium Europaeum" wurden bis gegen Mai 1671 weiterhin Nachrichten über die Erfolge Stepan Razins veröffentlicht. Darunter enthielten einige Artikel sehr interessante Einzelheiten über den Aufstand: "Den Stephan Radzin belangend, gab derAnno 1671 selbe dem Moscowiter annoch so viel zu Februar schaffen, daß er mit seiner erschröckRebell Radzin liehen Kriegsmacht auß Ideffland gäntzmacht dem Moscolich zurück zu bleiben genöthiget ward, witer viel zu massen er zu soloher Extremität gebracht, sohaffen. daß er auch Schwedischer Hülffe benöthiget, außer welcher es mit demselben gant'z gethan zu seyn schiene; zu welchem Ende er dann den Obristen Staden, einen gebohrnen Rigisohen, nach Stockholm abgefertiget, welcher umb Contramandirung deß Sucourses, den gedachter Radzin haben solte, bäte, erböte sich dargegen von allen strittigen Gräntzen zu weichen und der Cron Schweden Satisfactlon zu geben, wofern man ihn nur Hülffe leisten würde. Immittelst musten alle Polnische Edelleuthe, die unter dem Moßoowiter wohnten, zum Entsatz auffsitzen, derer aber wenig wieder 31 kamen, und sie gleichsam nur zur Schlachtbanck gefiihret wurden." "... Den Zustand in der Moßcau betreffend Anno 1671 so war auß der Wilda vom 18 dito folgendes Majus berichtet: Zustand von der Alle diejenige, so auß Moßcau kommen, Moscau. avisiren eifaträchtig, daß die Affairen in 217

der Moßoau sehr schlecht stehen, und viele frembde Officirer abgedanokt haben, umb sich nacher ihren landen zu begeben, weilen sie umfazimlich tractiret worden. Der Feldmarschall Dolorucko ist mit viel Volcks ausgewesen, welcher Differente Plätze und Dörffer spoliret hat und viel alte und junge Menschen auffgehangen, würgen und viel Tormenten anthun lassen, darvon er eine Suspicion hatte, daß sie mit dem Haupt-Rebellen von Razin Correspondentz hielten, wordurch in die Quartiren ein grosser Schröcken kommen ist von solchen Tyrannischen Proceduren. Und thun die gemeine Völcker sich nacher dem vorgeschriebenen Rebell meistentheils begeben, welcher sie mit aller Civilität empfanget und grosse iRreyheiten gibt, so nun wol umbtrendt in 200.000 Mann starck ist, welche längst die Revier de Wolga in die Winter-Quartier gelegen haben, wodurch die Moßcowiter grosse Mühseligkeit haben sollen, weilen bey dem Rebellen mehrere Macht ist, als vorm Jahr, also daß in den Quartieren nichts mehr als ein 32 grosser Orlog zu erwarten ist." Die Widersprüohlichkeit in den Mitteilungen der deutschen Presse von 1670/1671 entsprach jedoch den tatsächlichen Verhältnissen dieser Zeit: Obwohl Razin nach seiner Verwundung gezwungen war, sioh am Don verborgen zu halten, breitete sich der Bauernkrieg immer weiter aus und griff sogar auf weitere Gebiete Zentralrußlands über. An der Spitze der Aufständischen standen meist die örtlichen Statthalter. Ihre Erfolge aber wurden mit dem Namen Razins verknüpft. So gelangten entsprechende Meldungen auch dann noch in die deutschen Zeitungen, als Razin sich bereits im Gewahrsam der zaristischen Regierung befand. Die Nachricht von Razins Gefangennahme erreichte Deutschland erst gegen Ende April/Anfang Mai 1671. Die Meldung enthielt zugleich den Bericht von der Überführung Razins nach Moskau: "... Da sie nun hierauff Kundsohafft bekommen, daß er sioh mit seinem Bruder in einem sohlechten Orte, sich nichts böses besorgend, auffgehalten, hätten sie ihn sampt dem Bruder überfallen, gefangen genommen und mit einer starcken Convoy wohl verwahret dem Groß-Kirsten nach der Stadt Moscau zugeschickt, allda er auch am 2. Jun., von 1000 Soldaten begleitet, nebst dem Bruder wohl behalten einbracht worden... ... und so fort gerade zu nach dem RichtPlatz, woselbst ein Feuer angelegt gewesen, geführet worden. Wie sie nun dazu kommen, hätte m a n den Haupt-Rebellen mit denen Armen empohr gezogen und ihm 18 biß 20 Schläge mit einer Knotze gegeben, 218

die er aber nicht groß geachtet, inmassen er auch dieses gar Männlich ausgestanden, daß man ihn hierauff mit dem Rucken auffs Jeuer geleget und denselben etwas braten lassen, wobey er indessen vom Bojar Dolgerock und etlichen andern über unterschiedliche Dinge befraget worden, auf derer etliche er gar frisch geantwortet, auff einige aber auch gantz keine Antwort geben wollen und zwar solte er, als die Rede ging, hierbey etliche Grandet beschuldigt haben, daß sie mit ihm correspondiret, welches aber annoch in geheim ge33 halten würde. Besonders ausführlich beschrieben die deutschen Zeitungen und Chroniken, wie z.B. die Frankfurter Meßrelationen, die Hinrichtung Razins: "Dem Bericht nach auß bemeldter Stadt Moscau underm Dato 16. Junii ist selbigen Tags die Execution an dem Haupt-Rebellen Stephan Razin vollzogen worden. Damit nun dieselbe von männiglichen (weilen über hundert tausend Menschen zugegen waren) desto, besser möchte gesehen und der übelthäter umb so viel grössere Schmach außzustehen hätte, hat m a n ihn auff einen Wagen sieben Schuh hoch und überaus breit gestellet. Auff dem Wagen war ein Galgen gebaut, darunter stunde der Razin mit Ketten wol verwahret, deren er eine umb den Halß, die zweyte umb die Lenden; die dritte aber umb die Hiß hatte, womit er an den Galgen geschlossen. Beyde Hände waren mit Nägeln auf beiden Seiten des Viagens angenagelt-, aus welchen viel Bluts geflossen. In Mitte Galgens war ein Holtz gemacht, da er das Haupt anlegte. So war auch sein Bruder mit Ketten an Händen und Füssen verwahret und an den Wagen genagelt, wobey er also hergehen muste und sich sehr übel gehube, in dem er in solcher Schande vor so viel tausend Menschen sich sehen müssen: Wie ihn dann der Bruder selbst immer ansehe und weil er mehr und mehr zaghafft wurde; auß Grimm gantz verbittert, ihm also zu sprach: Bruder, was entsetzest du dich viel? Das hätten Wir zuvor ehe wir dieses Spiel angefangen bedencken sollen; Nun ist es viel zu spät: Darumb werffe diese Furcht von dir: Was wir einmal hertzhafft unternommen und angefangen, dabey müssen wir bleiben. Fürchtest du den Tod? Wir hätten doch einmal sterben müssen: Oder besorgest du, es möchte den übrigen unsern Mit-Rebellen und Anhängern auch schlimm ergehen? Sie werden sich schon besser vorsehen und nichts destoweniger in ihrem Vorhaben vom Himmel gesträcket werden, daß sie sich vor solcher Straffe nichts zu befürchten haben. 219

Über welche grimmig außgestossene Reden der Bruder noch mehrers verblasste: Eazin aber liesse sich noch darzu vieler Betrohungen gegen die Moscowiter vornehmen, bis er endlich an den bestirnten Ort seines Todes gebracht worden. Daselbsten begehrten einige fürnehme Teutsche, desgleichen unterschiedlicher Provintzen Legaten, und der Persianische Abgesandter ihnen die Ehre zu thun und sie mit einer starcken Convoy von Soldaten durch das antrungende Volck an den Wagen begleitten zu lassen: so ihnen auch verwilliget worden, damit sie alles wol außsehen und hören und demnach von der vollstreckten Ezecution desto gründlicher referiren könten, gestalt sie denn auch so nahe gewesen, daß einige von ihnen gar mit des executirten Blut besudelt zurücke kommen. Mit solcher execution nun ist es folgender gestalt hergangen: Anfangs hat man ihm beyde Arme, darnach beyde Kisse und letztlich den Kopff abgehauen und diese fünff Stücke auff fünff unterschiedliche Pfähle auffgesteckt, allen frembden daselbst vorüber reysenden zum abscheulichen Exempel: Der also zerstümmelte Leib aber ist des Abends denen hierzu außgehungerten Hunden zu fressen vorgeworffen worden: Welches also der Außgang dieser Execution gewesen. 1,34 Die gleiche Erzählung brachte auoh das "Diarium Europaeum" - Jedoch mit folgendem Schlußteil: "... Daß es aber der rechte Haupt-Rebell Anno 1671 Razin gewesen sey, wolten die meisten nicht Julius glauben, gestalten er selbsten an seinem Ende diese Wort noch gesprochen: ihr tödtet eurer Meynung nach den Razinj ihr habt aber den rechten noch nicht und sind noch viel Razins, welche meinen Tod rächen werden, Dannenhero dann die Innwohner zu Pleßkau kein Danok-Pest halten wollen, weilen sie nicht glaubten, daß diese Ezecution den rechten Haupt-Rebellen betroffen. So war auch der gemeine Mann wegen besagter Execution gantz nicht zufrieden, in Meinung, daß man mit seinem leben wider die übrigen lebende ein mehrers, als mit seinem Tod hätte richten können und 35 daß dieser sein Tod nur grausamer Tyranney verursachen würde..." Aus Rußland gingen jedoch auoh nach der Hinrichtung Razins Berichte über fortdauernde Kämpfe der Aufständischen ein. Im August 1671 heißt es in den Leipziger Meßrelationen: "Brieffe aus Moscau vom 16. Passato bekräfftigen auch nochmahls des offterwehnten Haupt-Rebellen Steffan Razins Todt, meldeten aber daneben, daß seine Armee darum nicht innen hielte rebellisch zu 220

verfahren und fast mehr als zuvor tyranisiren, gestalt sie denn, in der Stadt Astrackan den Metropoliten, den Rath und die vornehmsten Bürger, die auff die Zeitung von des Ilazins Gefängnüß sioh wieder gut Moscowitisoh bezeigen wollen, unmenschlich hingerichtet hatte.«36 Im Dezember berichtete diese Zeitung erneut in ihren Nachrichten aus Rußland über Unruhen an der unteren Wolga: "Was die Stadt Astracan belangte, würde selbigt von Sr. Charischen Maj. Armee annoch gar starck beschlossen und hätten die darinnen findliche Bebellen sich neulich deßwegen auff Gnade ergeben wollen, nachdem ihnen aber solche abgeschlagen worden, solten sie darauff die Resolution gefast haben, sich biß auff den letzten Bluts-Troffen zu wehren und ihr leben endlich beysammen zu lassen, 37 weßhalben es denn auoh nunmehro scharff daher ging." Erst zu Beginn des Jahres 1672 gaben die deutschen Zeitungen die endgültige Niederschlagung des Volksaufstandes in ganz Rußland bekannt. Versuchen wir, diese Nachrichten der deutschen Presse über den Bauernaufstand Stepan Razins zusammenhängend zu beurteilen, so ist zu beachten, daß sioh die Korrespondenten in vielen Fällen nioht auf Tatsachen, sondern auf Gerüohte und mündliche Übermittlungen stützten, daß darüber hinaus Abenteuerlust und Sensationshascherei offensichtlichen Entstellungen bei der Wiedergabe der Begebenheiten Tür und Tor öffneten, wie etwa die Meldung über Razins angeblichen "Reichs-Rath", der auB Deutsohen und Schweden zusammengesetzt sein sollte, oder die Behauptung von der Gefangennahme des Wojewoden Dolgorukij. Abgesehen aber von eindeutigen Falschmeldungen veröffentlichten die deutschen Zeitungen auch viele Einzelheiten, die das uns bisher bekannte Bild vom Bauernkrieg 1670-1671 wesentlich vervollständigen. Vor allem waren es deutsche Presseorgane, die mehr als alle anderen ausländischen Quellen Uber den Massencharakter des Bauernaufstandes und über die panische Furcht informierten, die zur damaligen Zeit die herrschenden Kreise des Moskauer Staates empfanden. Zum anderen aber wurde die Hilflosigkeit der russischen Staatsführung gegenüber den Aufständischen in solchen Berichten übertrieben dargestellt, in denen sich die Meinungen all jener widerspiegelten, denen an der Schwächung des zaristischen Rußlands gelegen war, so etwa der deutschen Minderheit im Baltikum.

221

Allgemein können wir sagen, daß die Berichte in den deutschen Zeitungen und Chroniken über Stepan Razin recht genau die im damaligen Deutschland verbreiteten Vorstellungen über die Ereignisse in Rußland zum Ausdruck brachten. Der Moskauer Regierung lag nichts am Bekanntwerden derartiger Berichte über Ereignisse in Rußland in der ausländischen Presse. Davon zeugt das folgende Beispiel aus der Tätigkeit eines russischen Diplomaten in Schwedens Der russische Botschafter N. Staden gab am 30. 9. 1670 in Stockholm folgende Erklärung ab: "Der Zar hat befohlen, dafür zu sorgen, daß diejenigen Journalisten, die über ihn, den Zaren, .... und über Stepan Razin höchst unangebrachte Reden abdrucken und verbreiten, unverzüglich zu bestrafen 38 sind.nJ Später erhoben russische Behörden gegenüber Schweden den Torwurf: "In der Zeit der Revolte Razins sind in Riga und anderen schwedischen Städten "Avise" gedruckt erschienen, in denen die Zarenwürde herabgesetzt wurde. Und derartige , C. 273, 278, 282, 310 Eichler, E. 258 Eichstädt, H. 398 EJchenbaum, B. 468, 478 Elenev, P. P. 11 Elisabeth 27 Ell(ing)husen, J. 138, 139 Engelke (Theologe) 288 Engels, F. 10, 20, 21, 27, 30, 35, 39 Engelschall, J. P. 395 Erasmus von Rotterdam 378, 393 Ernesti, -J. A. 399 Ersch, J. S. 451 Euler, L. 439, 441-444 Exner, W. F. 365

Eberhard (Prediger) 242 Eckenberg, J. K. 268

Palconet, E. 443 Fechner, A. W. 272

293, 314 Dlugosz, J. 246 Dmitriev, I. I. 370, 393, 426, 476 Dmitriev, S. S. 40 Dmitrij DonskoJ 469 Dobrovsky, J.

38,

485

Fedorov, P. I. 476 Peal, M. J.

Frisch, I. 210, 228, 229, 230 Frisch, J. L.

297, 298 Peyl, 0. 257, 260 Pichte, I. H. 293 Pichte, J. G. 293 Figurovskij, N. A.

247, 248 Pritsch, Th. 246, 248, 249, 256, 259, 261 Fürstenau, M. 200, 206 Fuß, N. 441, 452

261

Findejzen, N. 201, 203

FiSman, 0. L. 36 Pitzgerald, J. D. 203 Flemming, W. 202, 203 Fonvizin, b.I. 32 Fonvizin, M. 471 Forsten, G. V. 230,

Forstreuter, K. 201

Francke, A. H. 233-243 Prancke, J. 228, 235-243 Franckenstein, J. A. 255 Freihold(t), E. Ph. 265, 267, 269, 270, 272 Friedrich II.. 20, 23, 24, 28, 31, 39, 201, 235, 364, 440

486

Gaedertz, Th. 200 Gaglione, M. de 186 Garrer, A. H. 204 Gatterer, J. Ch. 411 Gavrilov, A. V. 273, 282 Geiger, L. 400, 415, 416 Gellert, Ch. F. 333 Gennadi, G. 304 Gentile, G. 173 Georgi, J. G. 302, 310, 406, 410, 411, 444 GeBner, S. 374, 377 Gibbon, E. 467 Gigli, G. 173

Gleditsch, J. F. 246 Gleditsch, J. L. 246 Glück. E. 240 Gmelin (d.Ä.) 242 Gnaphaeus, G. 176 GnediS, N. I. 420, 424 GnediJ, P. 464 Godinez, F. 173 Goethe, J. W. v. 297, 376, 377, 390, 400, 401, 405, 410, 415, 420, 421, 422 Gogol', N. V. 436 Goldbach, Ch. 264, 281 Gol'dberg, A. L. 209, 228, 310 Gorodeckij, B. P. 477 Göschen, G. J. 404, 405 Gottsched, J. Ch. 285-289, 475 Gottsched, L. A. V. 285-289 Graßhoff, H. 6, 36, 257, 260, 333, 365, 416 Grau, C.

Gregorij, J. G. 5, 41, 135, 137, 138, 141, 179, 180, 196, 197, 198 Griboedov, A. S. 35 Grimm (Gebrüder) 293 Grimm, M. 27 Grimm 294 Groddeck, G. E. 387 Gronov, A. 331 Gross, Ch. F. 279 Grotius, H. 176 Gruber, J. G. 451 Gryphius, A. 192 Gukovskij, G. A.' 393, 430, 475, 476, 477 Güldenstädt, A. I. 444 Günther, J. J. 269 Günther, K. 36, 41, 199, 202, 203, 391 GureviS, M. M.

206,

201, 260, 268, 272 Gutknecht, F. 199

245, 2 5 7 ' 2 6 1 , 475, 476 Greff, J. 141, 182, 198

487

Haken, C. W. 327, 332 Hamann, R. 407, 416 Hanaccius, Ch.

(Hanack)

255 Hanka, V. . 293, 296, 297, 298 Harnack, A. 441, 452 Härtung, F. 22, 39 Haupt, L. 296 Hauptmann, G. 413 Hebel, S. 141, 182, 183, 184, 198, 199 Heinemann, A. v. 415 Heinsius, N. 213 Helvetius, C. A. 33, 333 Henriquez, Ch. 325, 332 Herberstein, S. Freiherrn v. 406 Herder, G. 292, 376, 399, 400, 403, 410, 420, 467, 476 Hermann, J. 264 Herrmann, M. 203 Hesse, H. D. 137, 201Heym, J. 413

488

Heyne, Ch. G. 326, 332 Hexelschneider, E. 476, 478 Hindenburg, C. F. 441 Hinze, F. 332 Hoffmann, P. 9, 36, 37, 260, 261, 365 Holbach, P. H. 33 Holstein, H. 204 Hölterhof, F. 445 Horaz 287 Horcanski, J. 293, 294, 296 Horn, F. 393 Hübner, G. 138, 196 Humboldt, A. v. 293 Hume, D. 467 Huyssen, H. v. 227, 232, 246, 247, 248, 250, 258, 259

Ikonnikov, V. S. 478 Imhof, A. 232 Indova, E. I. 35

Ivan IV. ' 16, 459, 473 Ivanov, I. 279

Jablonski, J. T. 249, 259 Jagi6, J. 298 Jarosch, G. 261, 328 Jaroslav Vladimirovic 463 JBcher, J. J. 260, 261 Joseph II. 20, 23, 24 Juverov, D. V. 264, 271

Kaiidas 396 Kallas, V. 201

Kamenov, G. P. 372 Kant, I. 375 Kantemir, A. D. 303, 458, 459 Kantemir, D. 412 Kanunova, F. Z. 395, 397 Kapnist, V. V. 370 Kapp, J. E. 250

Karainzin, N. M. 5, 14, 367-371, 373-398, 411', 412, 414, 419-427, 429-437, 456-462, 466-476, 478-480 Karmasch, K. 365 Kästner, A. G. 337 Katharina I. 274, 280 Katharina II. 20, 21, 23-25, 27, 28, 30-33, 252, 307, 309, 391, 404, 458 Katenin, F. 464 Kehr, G. J. 249, 255, 256 Keimann, Ch. 192 Keppen, P. (Koppen) 310 Kindermann, H. 206

Kirilov, I, K. 282

Klaproth, J. v. 411 Klaus, G. 36 Klenk, K. van 226

Klimm, J. A. 255 Klin, B. A. 293 Klinger, F. M. 408, 417 Klopstock, F. G. 377, 407 489

Kluge (Theologe) 288

Krauss, W. 417

Kluth, K.

Krausholz, C. M.

393 Knauth, Ch.

265, 268, 272 Krbec, M. 329 Kreatova, L. V. 372, 431, 433, 435, 436, 437 Kucank, M. J. 293

293, 294, 296 Knjaznla, Ja. B. 459, 476 Kocetkova, N. D. 367, 392, 419 Koea, F. 255 Koeselitz, G. R. 255 Kohl, J. P. 254, 260, 453 Köhler, K. v. 402, 411 Kon&c, M. 182

Kondoidi, P. 335 Kondratovic, K. 317 Kopecky, M. 205 Kopitar, J. 293, 296, 297, 298 Kornllovii, A. 479 Kotel'nikov, S. 444 Kozanöikov (Verleger) 200 Kozebue, A. v. 380 Kozitzky (Kollegienrat) 447

490

Kucharskl, A. 297 KUchelbecker, V. 465 Kudrjavcev, I. M. 202 Kuprejanova, E. 478 Kutuzov, M. I. 410 KUttler, W. 17, 37, 38

Lafontaine, J. de. 389 La Mettrle, de 33 Lancaster, H. C. 204 Landa, S. S. 479 Laroche, S. de 377, Lauch, 301, 365,

378, 393 A, 310, 311, 313, 328, 416, 417, 453

Laurenz

Livanova, T.

242 Le Clerc 458

201 Lohenstein, D. C. 192 Lok, F. J.

Le Devin, A. 174 Lehmann, U. 6, 261, 399 Leibniz, G. W. 235, 237, 238, 336, 439 Lenin, V. I. 11, 12, 18, 19, 20, 21, 35-40 Leniton, A. G. 36 Lenz, J. 376, 377, 392 Lepechin, I. I. 411, 444 Lermontov, M. J. 459 Leupold, J. 250 Leutmann, J. G. 265, 269 Levimger, H. 205 Levain, V. 461 Lichtenstein, J. 204 Lim (Mitarb.v.Gregori) 138 Linde, 3. B. 297 Linhart, A. T. 314 Linné, C. v. 335 Litomysl, M. V. 184

293 Lomonosov, M. V. 444, 457, 458 Lopuchin 367 Lorer, N. 473, 480 Losius, J. Ch. 192, 200 Lotman, M. Ju. 37, 394, 396, 397, 477, 478, 480 Lottini, A. 173 Louria, Y. 202 Lubjenskij, H. 293, 295, 296 Luca de Calderino 173 Ludolf, H. W. 237, 238, 239, 240 Ludolf, J. 234, 237 Luppol, I. K. 39 Luther, M. 182, 203, 205 L'vov, N. 476

Mably, G. de 33, 333

491

Macropedius, G.

Mazon, A.

176

202

Maintenon, Marquise de 175

13

Makarov, A. V. 273,

Medvedeva, I. N. 480

274

Makogonenko, G. P. 397, 468,

Meißner, A. G.

477-479

Maltiz, P. v. 408

206

285, 287,

Meister, Abr. 288

202 Meister, L.

Maria Pederovna

378, 379,

371

182

407

Mencke, J. B.

Maria Theresia 23

5 , 245-248, 250,

Marivaux, P. C. de Chamblain 429

Mercier, L.-S.

389

394

Martius, J.

Mergus, J.

241

231

Marx, K.

Merkel, G.

20, 21, 30, 38, Masaniello, T. 229

413 330

445 Matthison, F. 337 Matveev, A, S. 137

492

417

Messerschmidt, D. G.

37,

Matthaei, Ch. F.

Mayer, A.

401, 405, 414, 261

Meusel, A.

Matthaeus, G. W. 319, 320,

39,

242, 256,

Mathat, G.

205

252-260

Mensikova, M. 281

Marmontel, J. F.

214,

394

Melancbthon, Pb.

Maria Pavlovna

225,

293 Meißner, J.

Manteuffel

405,

Medvedev, S.

322, 331, 442, 451

Meyer, J. H. C. 442 Meyerberg, A.' y. 406,

412

Michaelis, J. D. 321, 331,

334

Michaelis, J. H. 239 Michaelis (Bruder d. vor.) 239

Michàlkova, V. 329 Mitternacht, J. S. 192 Molière, J.-B. P. 192 Molaàr, E. 37 Montesquieu, Ch. de Secondat 28, 333, 467 Morgenstern, K. S. 403, 410 Moriano 265, 266, 267 Moritz, K. F. 389 Morozov, P. 0. 139, 201 Mosak-Kloeop&lski, K. A. 293 Mühlpfordt, G. 261 Müller, Ch. 199 Müller, G. F. 225, 231, 232, 254, 264, 271, 273, 274, 275, 279, 334, 443, 445, 452, 457, 463 MUnnich, B. Ch. v. 265, 268. Murav'ev, N. 425, 426, 470, 471 Musäus, J. 378, 389, 393, 411

Napoleon I. 402, 463, 468

Natal'ja Alekseevna 138, 264, 281 Nazzius, H. G. 265, 267 Neokina, M. V. 38, 40 Negedly, J. 413 Neledinskij-Meleckij, Ju. A. 426 Nestor 379, 466 Neubauer (Mitarb. Franckes) 238 Neumann, J. G. 297 Neumann (Hofrat) 241 Nicolai, F. 444 Nikon 229 Novikov, N. I. 31, 32, 138, 301-302, 303, 305-307, 376, 447, 448, 449, 453, 458

Oesteriy, H. 199 Oettinger, E. M. 261 Olearius, A. (Oelschläger) 411 Opitz, M. 186-192, 197, 199 Orlov, M. 470, 471, 472

493

Orlov, V.

Peter I.

447 (ísterby, M. 429 Osterman, A. I. 281

16, 242, 252, Peter

Palacky, F. 2 9 3 , 412 Pallas, P. S. 309, 4 1 0 , 4 1 1 , 444 Palzer, J. 1 3 7 , 196 Parlzek, A. V. 293 Parmentier, A. 338 Parthenay, C. de 174 Pascoe, M. E. 204 Patkai 240 Paul(sen), A. E. 195 Paul(aen), C. E. 195 Paul(sen), F. 203 Paul(sen), K. 193, 194, 195 Paus, J. W. 167 Pavlenko, N. I. 35 Pekarskij, P. P. 2 5 8 , 25y Pertz, G. H. 293 494

18, 2 0 , 237, 238, 2 4 0 , 2 4 1 , 243, 246, 2 4 8 , 2 4 9 , 2 5 1 , 302, 458 II.

264, 2 6 6 , 2 8 0 , 281 Petrie, Ch. 39 Petrov, A. A. 3 8 8 , 397 Pescheck, Ch. Adolph 2 9 3 , 295 Pescheck, Ch. August 293 Pescheck, M. 295 Picou, de H. 175 Pirckel, A. 179 Platner, E. 333 Plautus, T. M. 172, 176 Plavll•séikov, P. 459 Pioti da Modena, G. A. 173 Pnin, I. 462 Pogodin, M. 3 9 7 , 372, 470, 479 Pogorelov, V. A. 2 7 5 , 283 Pohrt, H. 2 5 7 , 313, 328, 416 Pokrovskij, S. A. 38 Polevoj, N. 475

Polockij, S.

PUttner, J. 365

13 Ponich, S. B. 2 9 3 , 2 9 4 , 296 Pope, Th. 174 Popov, M. 461 Popov, P. N. 136, 201 Popugaev, V. 462

Raab, H.

Porenev, B. F. 37 Posnikov (Mitarb. Peter I.) 240 Potocki, S. 410 Potresov, A. N. 11 Preobrazenskij, A. A. 35 Prlhonsk^, P. 293 Prijma, P. Ja. 477 Prochizka, F. 410 Prokopovic, F. 245, 266, 2 7 0 , Pufendorf, S. 2 3 4 , 235, 236 Pugacev, £. I. 33 Purdie, E.

456

189, 204, 205 Puskin, A. S. 35, 223, 2 3 0 , 390, 4 2 6 , 4 2 7 , 4 5 5 , 465, 4 6 6 , 4 7 1 , 4 7 2 , 474, 4 7 5 , 4 7 7 , 4 7 8 , 479, 480

475 Raab, AI. 455, 477 Racine, J. B. 175, 476 Radcliff, R. 174 Radiscev, A. N. 5 , 12, 14, 3 3 , 34, 35, 257, 261, 333, 338, 339, 361, 362, 363, 364, 366 Radovakij, M. 259 Ramberg, J. H. 407 Ramspott, U. 439 Ravennas, G. 323, 331 Razin, St. T. 5 , 2 0 9 , 210, 212, 213, 2 1 5 - 2 2 8 , 231 Razumovekij, K. G. 304 Hechenberg, A. 246, 247, 258 Reebenberg (Frau d. vor.) 246 Recke, E. von der 404 Reinbeck (Probst) 2 8 5 , 289 Repetta, D. 173

495

Rhaw, G. 198 Richter, J. G. 411, 412 Riechein, J. 199 Rieck, W. 285 Riemann, H. 203 Rinuccini, 0. 187 Rist, J. 192 Robertson, W. 467 Rose, Ch. 191, 192, 199 Rothe, H. 392, 397, 476 Rotschild, J. de 203, 204 Rousseau, J. B. 21, 333, 378, 382, 383, 385, 386, 387, 394, 396 Rozanov, I. N. 369 Rozdolski, R. 39 Rumjancev, N. M. 406 Rumvoskij, S. 4 444 Ryleev, K. F. 465, 473, 474, 477, 480 Ryleev, P. 412

496

Sachetti, C. 173 Sachs., H. 184, 189, 190, 199 Saitov, V. I. 424, 426 Salvatori, A. 186 Sandomirskaja, V. B. 427 Sandrart, J. 227, 232 Sapiro, A. L. 37 Sarto, A. del 442 S6egl.ova, S. 41, 136, 200 ¿¿erbatov, M. 29, 458 Scetinina, G. I. 37 Scultetus (preuQ. Diplomat) 137 Schaarschmied, J. 237, 239 Schaeffer, A. 203 Scherer, W. 205 Schiada 250 Schilfert, G. 39 Schiller, F. v. 390, 400, 401, 405, 407, 408

Schlegel, A. W. v.

401 Schlözer, A. L. v.

6, 292, 313-326, 328, 330, 331, 334-337, 442, 457, 458, 475 Schmeltzel, W.

182, 183, 199 Schmidt, H.

453 Schmidt, J.

413 Schmidt-Phiaeldeek, Ch. 232 Schober, G.

242 Schöne, W.

228 Schonaeus, C.

176, 177, 178, 184, 189, 190, 191, 197 Schottenloher, K.

228 Schröder, F. £.

414 Schumacher, J. D.

248, 249, 250, 256, 259, 261 SchUtz, H.

186 Schurtzfleisch, K.

225, 226, 231 Schwartz, Ch. J.

268 Shaftesbury, A.

381, 382 Shakespeare, W.

193, 382, 388, 397 Sellius, B. A.

453 Seibt, K. H.

293

Seneca 172 Sengle, F.

391 Serblnovic, K.

474 Serman, I. Z.

427, 478 Seckendorf, S.

395 Seume, J. G.

404, 405, 411 Singriener, H.

199 Sipovskij, V. V.

392 Sismarev, V. F.

272 Skazkin, S. D.

37 Skornjakov-Piearev, G.

281 Sljapkln, I. A.

136, 201, 478, 480 Slonimskij, A. L.

398, 478 Smencovskij, M. N.

231 Smoler, J. A. 296 Skolov, M. I.

200, 406 Sokolovskij, G. N.

264, 271 Sommerfeld, M.

198, 199, 205 Sopikov, V.

304 Sorrentlno, G. C.

173 497

Spener, Ch. M. 247

Stolberg, P. v. 377

Spener, Ph. J.

Stone, J. A. 202

234-238, 240, 246 Spengler, P. 205 Speyer, C. 206 Sreznevskij, I. I. 297 Staden, N. y. 194, 195, 217, 222 Stählin, J. v. 305, 412, 453 Stählin, P. v. 453 Stainhofer, C. 199 Stavenhagen, J. 444 Stejngel', V. 473 Steller, G. W. 242 Stepanov, I. 231 Sternberg, K. v. 293 Sterne, L. 390 Stettner, L. 396 Stieda, W. 441, 451, 452 Stieff, Ch. ¿46 Storch, A. K. 304 Storch, H. 411

498

Strahlenberg, Ph. J. 411 Stritter, G. 443 Struys, J. 225, 226, 231 Suchomlinov, M. I. 282 Sumarokov, A. 475 äuvalov, I. I. 391, 447

'Taddel, J. J. 255 Tappe, A. 413 Tasis y Villaroel, J. V. 173 Tatiacev, V. N. 457, 458, 463, 475 Terenz, A. P. 171, 176 Tetzner, J. 257, 260 Thiele v. Thielenfeldt, J. A. 294 Thomaeius, Ch. 236 Tiander, K. 436 Tichonov, Ju. A. 35 Tichonravov, N. S. 42, 136, 138, 139, 200

Todorskyj

Uschmann, G.

240 Tojbin, I.

Uvarov, S.

479, 480 Tolstov, P. 281 Tomasevekij, B. 477, 480 Tonkova, R. M. • 272 Trap 437 Trediakovskij, V. K.. 301 Triller, D. W. 199 Troickij, S. M. 35 Tschernlng, A. 187-192, 197 Tschirnhauß, E. W. v. 235 Tumanskij, F. 458 Turgenev, A. 479 Turgenev, N. 472

Ulfeldt, C. 435 Ulfeldt, E. Ch. 435 Undol'skij, V. 304 Urfe, H. d' 174

261

408, 410

Vacuro, V. E. 369, 372 Varneke, B. 201 Vater, J. S. 412

Vega Carpio, L. P 174 VSlez de Guevara, 174 Velten, J. 195, 196 Vengerov, S. A. 304, 310 Veselovakij, A. N 138, 394 Vetter 411 Vigel', E. 416 Vjazemenskij, F. 470 Vladimir I. 305, 306 VIhart, Ph. 198 Vogt, 0. 393 Volodin, A. I. 36 Volotov, A. T. 431

Voltaire, F. M. A. de 21, 27, 30, 378, 382, 390,

Voroncov, A. R. 338

Vostokov, A. 462

Vsevolodakij-Gernegroas, V. 136, 200, 201

Vulpiue, Ch. 415

Wilde, J. 393

199

Wildatake, K. 393

Wilfling, I. R. 293

Willamov, J. G. Winkel, H. J. zum 392

Winter, E. 13, 14, 36, 40, 233,

259,

261, 365, 451, 452, 475

Walch, Ch. W. F. 334.

Waasermann 265, 267

Weber, F. 227, 228, 231, 232

Weidmann (Verlag) 246

Wolzogen, C. v. 417

Worp, J. A. 204

Worbs, J. G. 293

Wuttke, H. 290

Wehr, M. 289

Weidner (Theologe) 286, 287

Weilen, A. V. 204

WeiQmann, Ch. E. 327, 332

Wekhrlin, W. L. 364

Wesselofsky, A. 201

Weyde 242

Wickhart, C. V. 226, 227, 231

Wieland, Ch. M. 373-398, 400, 401

500

Young, E. 374

Zdobnov, N. V. 304, 310

Zeil. W. 291, 298, 299, 328, 415, 417

Zejler, H. 293, 295, 296

Ziealer 231

Zimin, A. A. 475

Zlobin, M. 367

Zukovskij, V. A. 380, 422, 426, 462, 463, 468, 476

464,

MIT ARBEITERVERZEICHNIS

Pavel N. Berkov, Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR und der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Prof. Dr. Dr. h.c., Leningrad Tat'Jana A. Bykova, Dr. phil., Staatliche Öffentliche SaltykovScedrin-Bibliothek Leningrad Roman Ju. Danilevskij, Dr. phil., Institut russkoj literatury, Puskinskij dorn, Leningrad Aleksandr L. Gol'dberg, Staatliche Öffentliche Saltykov-ScedrinBibliothek Leningrad Helmut Graßhoff, Dr. habil., Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin Conrad Grau, Dr. habil., Zentralinstitut für Geschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin Kurt Günther, Dr. phil., Zentralinstitut für Sprachwissenschaft der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin Peter Hoffmann, Dr. phil., Zentralinstitut für Geschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin Natal'ja D. Kocetkova, Dr. phil. Institut russkoj literatury, Puskinskij dorn. Leningrad Annelies Lauch, Dr. phil., Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin Ulf Lehmann, Dr. habil., Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin Mads ^sterby, Dr. phil., Universität Odense, Dänemark 501

Heinz Pohrt, Dr. phil., Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin Monika Raab, Dr. phil., Universität Rostock Ursula Ramspott, Dipl.-Russistin, Zentralinstitut für Sprachwissenschaft der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin Werner Rieck, Dr. phil., Pädagogische Hochschule Potsdam Eduard Winter, Prof. Dr. Dr., Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin Wilhelm Zeil, Dr. phil., Zentralinstitut für Geschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin

502

Deutschland und die russische Literatur 1800-1848 Von Prof. Dr. Eberhard Reißner (Veröffentlichungen des Instituts für Slawistik der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin)

1970. XI, 403 Seiten - gr. 8° - 4 1 , - M EDV 751 576 5

Vor dem Hintergrund komplizierter politischer und geistiger Beziehungen zwischen dem deutschen Volk und dem Zarenreich werden die Rezeption der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftsteller Bußlands (Karamzin, Puskin, Lermontov, Gogol u. a.) sowie die Bemühungen deutscher Publizisten (Koenig, Varnhagen v. Ense. Wolfsohn, Lippert u. a.) um die Einbürgerung und Verbreitung der russischen Literatur in Deutschland dargestellt. Daß die Literaturrezeption ein Feld z. T. heftiger Auseinandersetzungen zwischen fortschrittlichen Kräften und den konservativen Mächten gewesen ist, beweist besonders die Periode zwischen den Revolutionen 1830 und 1848. Diese Epoche steht im Mittelpunkt der Darstellung.

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B E R L I N

Wissenschaft und kulturelle Beziehungen in der russischen Aufklärung — Zum Wirken H. L. Ch. Bacmeisters — Von Dr. Annelies Lauch (Veröffentlichungen des Instituts für Slawistik der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin)

1969. 444 Seiten EDV 751 30 65;

4 T a f e l n - gr. 8° - 48, -

M

Bestell-Nr. 2040/51

Vorliegende Darstellung sucht durch neue Analyse der deutsch-russischen Literatur- und Wissenschaftsbeziehungen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts einen Beitrag zur lückenlosen Erforschung der deutsch-russischen Wechselseitigkeit über einen längeren Zeitraum zu geben. Die historische Begegnung der beiden Nationalliteraturen ist in jener Epoche von den progressiven und völkerverbindenden Ideen der Aufklärung geprägt. Aus der Zahl derer, die aktiv Mittler zwischen der deutschen und russischen Aufklärung wurden, ragt H. L. Chr. Bacmeister (1730—1806) als ein bisher zwar wenig bekannter, aber dennoch höchst bedeutsamer deutscher Gelehrter, der mehr als 40 Jahre im Dienst der russischen Aufklärung stand, hervor. Der in Petersburg tätige Bibliograph, Sprachforscher, Herausgeber, Redakteur, Übersetzer und Gymnasiallehrer hat durch seine Forschungen und vor allem durch die von ihm herausgegebene erste russische bibliographische Literaturzeitschrift, die llbändige „Russische Bibliothek" (1772—1789), die eine bis heute wertvolle, jedoch noch nicht erschöpfend gewürdigte Informationsquelle über Rußland darstellt, Bahnbrechendes zur historischen Grundlegung eines deutsch-russischen Verständnissen geleistet.

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