Strukturelle Semantik des Französischen 9783111662268, 9783484500679


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German Pages 105 [108] Year 1973

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Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Semantik
2. Strukturelle Semantik
3. Strukturelle Semantik des Französischen: Primäre paradigmatische Strukturen
4. Strukturelle Semantik des Französischen: Syntagmatische Strukturen (Lexikalische Solidaritäten)
5. Literaturverzeichnis
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Strukturelle Semantik des Französischen
 9783111662268, 9783484500679

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Romanistische Arbeitshefte

6

Herausgegeben von Gustav Ineichen und Christian Hohrer

Horst Geckeier

Strukturelle Semantik des Französischen

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1973

ISBN 3-484-50067-0 (c) Max Niemeyer Verlag Tübingen 1973 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie,, Mikrokopie] zu vervielfältigen. Printed in Germany

INHALTSVERZEICHNIS

0

Einleitung

1

Semantik

l

1.0 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

1 1 2 5 6 7

2

Bibliographische Kurzhinweise Verschiedene Auffassungen von "Semantik" Zur sprachlichen Bedeutung Zur Terminologie Semasiologie und Onomasiologie Zur allgemeinen Problematik der linguistischen Semantik

Strukturelle Seirantik 2.0 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.4

Bibliographische Kurzhinweise Drei Typen von "struktureller" Semantik Wortsemantik und Satzsemantik Die wichtigsten Vertreter der strukturell-analytischen Semantik. B. Pottier A.J.Greimas E.Coseriu J.Lyons Instrumentarium und Terminologie der strukturell-analytischen Semantik 2.4.1 Wortfeld 2.4.2 Lexikalische Klasse 2.4.3 Lexem 2.4.4 Archilexem 2.4.5 Sem 2.4.6 Klassem 2.4.7 Dimension 2.4.8 Formel zur Bestimmung des lexikalischen Inhalts (im nominalen Bereich) 2.4.9 Oppositionstypen 2.4.10 Kommutationsprobe

3

vn

9 9 9 11 12 12 12 12 20 21 21 22 22 23 23 23 24 24 24 25

Strukturelle Semantik des Französischen: Primäre paradigratische Strukturen

26

3.0.1 3.0.2 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3

26 27 27 27 30 34

Vorbemerkungen Bibliographische Kurzhinweise Skizzen von Wortfeldern Greimas' Skizze des Feldes der Dimensionsadjektive Pottiers Skizze des Wortfeldes "sieges" Pottiers Skizze des Wortfeldes der Bewegungsverben

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.6 3.4.7 3.4.8 3.4.9 3.4.10 3.4.11 3.4.12 4

Strukturelle Semantik des Französischen: Syntagmatische Strukturen (Lexikalische Solidaritäten) 4.0 4.1 4.2 4.3 4.4

5

Ausführlichere Wortfeldanalysen Duchâîeks "Champ conceptuel de la beauté en français moderne" Mounins Versuch einer "structuration du lexique de l'habitation" (Mounins "champ sémantique des animaux domestiques") Das Wortfeld der Verwandtschaftsbezeichnungen Das Wortfeld der Altersadjektive Bemerkungen zu diversen lexikologischen Studien Ad P.Oßwalds Untersuchung von frz. "campagne" und dessen Nachbarwörtern Ad H.Meschonnics "Essai sur le champ lexical du mot 'idée'" ... Ad J.Dubois' Thèse über "Le vocabulaire politique et social en France de 1869 à 1872" Ad K.Baldingers Studie der Verben des Erinnerns Ad Lexikologische Studien traditioneller Ausrichtung Anregungen zu weiteren Wortfeldstudien Zum Wortfeld der Farbadjektive Zum Wortfeld der Temperaturadjektive Zum adjektivischen Wortfeld der intellektuellen Einschätzung .. Zum Wortfeld der Wasserläufe Zum Wortfeld der Verkehrswege Zum Wortfeld "Schall" Zum Wortfeld "Aufstand" Zum Wortfeld der Verben des Zerstörens Zum Wortfeld des Kochens (Zubereiten von Speisen) Zum Wortfeld der Verben der sprachlichen Äußerung Zum Wortfeld der Verben des Tötens Weitere Anregungen

Vorbemerkungen Beispiele für Affinität Beispiele für Selektion Beispiele für Implikation Beispiele mit verschiedenen Typen von lexikalischen Solidaritäten

34 35 38 43 43 52 70 7O 71 71 72 73 74 74 76 76 77 77 78 79 79 80 81 83 84

85 85 86 86 86 90

Literaturverzeichnis

92

5.1 5.2

92 96

Literatur zur Semantik Sonstige zitierte Literatur

0

EINLEITUNG

"Dernière née des sciences linguistiques, la sémantique n'a pas encore atteint la phase des synthèses." (S.Ullmann, Précis de sémantique française, Préface)

Dieser vor 20 Jahren geschriebene Satz gilt heute für die Semantik noch in gleichem Maße wie damals, und v/ieviel mehr für die strukturelle Semantik als einem erst in den 60er Jahren begründeten Zweig innerhalb dieser Disziplin. So gesehen ist der Titel des vorliegenden Rcmanistischen Arbeitsheftes "Strukturelle Semantik des Französischen" viel zu anspruchsvoll, ja geradezu hochstaplerisch. Daher soll gleich von Anfang an klargestellt werden, daß es keineswegs das Ziel dieser Arbeit sein kann, eine Synthese der strukturellen Beschreibung des französischen Wörtschatzes anzustreben, denn dafür fehlen einfach noch die entsprechenden Einzeluntersuchungen. Der Stand der Forschung, was die strukturelle Lexikologie zum Französischen betrifft, läßt noch sehr zu wünschen übrig. Was wir hier versuchen und versuchen können, ist, die wichtigsten auf Grund struktureller Prinzipien (vgl. dazu 2.1) bisher erreichten Forschungsergebnisse im Bereich des französischen Wortschatzes zusairmenzustellen und zu weiteren Studien Anregungen zu geben. Als eine Art Rechtfertigung für das vorliegende Unternehmen mögen Überlegungen von G.N.Leech (für das Englische, sie gelten aber entsprechend auch für das Französische) und von M.Bierwisch angeführt werden, die wir uns zu eigen machen: It is not surprising that semantics should lag behind other branches of linguistic study in this way, in view of the many theoretical issues which confront the investigator before he can devote himself to the actual task of describing meaning in a language such as English. Yet if such an aim were not even contemplated, the study of meaning would remain for ever fragmented and provisional. This is my justification for trying, in this present work, to bring that farfetched dream, "a semantics of English", closer to reality, and for putting aside the cautionary wisdom of "Fools rush in..." in favour of the less prudent motto "Nothing venture, nothing gain" (G.N.Leech, Towards a Semantic Description S.V.). Die systematische Analyse der Bedeutungsstruktur muß an überschaubaren Teilsystemen ansetzen und dabei die nötigen Voraussetzungen und Grundkonzepte

VIII entwickeln. Solche Inseln werden schrittweise zur Einsicht in größere Komplexe und differenziertere Zusammenhänge führen. Auf diesem Wege wird schließlich auch die Analyse der scheinbar verschwommenen und unbestimmten Erscheinungen in der Bedeutung natürlicher Sprachen zur Einsicht in die ihnen zugrunde liegende Struktur führen (M.Bierwisch, Strukturelle Semantik S.74).

Im vorliegenden Arbeitsheft behandeln wir die strukturelle Semantik des Französischen ausschließlich in deskriptiv-synchronischer Sicht (im allgemeinen mit approximativer Begrenzung auf das 20.Jahrhundert) und berücksichtigen die historisch-diachronische Perspektive (vgl. dazu E.Coseriu, Pour une semantique diachronique structurale) nicht. Zur Begründung unserer Bevorzugung einer strukturell-funktionellen Semantik gegenüber den generativ-transforniationellen semantischen Ansätzen, vgl. 2.1 und 2.2.

Da unser Inhaltsverzeichnis stark analytisch gehalten ist, mag es genügen, die einzelnen Kapitel der Arbeit hier nur kurz vorzustellen. In Kapitel 1 wird eine Reihe von Abgrenzungsproblemsn und Unterscheidungen angeschnitten, die zu den allgemeinen Grundfragen der Disziplin "Semantik" zu rechnen sind. Kapitel 2 "Strukturelle Semantik" enthält die Bestimmung des Typs von struktureller Semantik, den wir in der vorliegenden Schrift persönlich vertreten, nämlich der strukturell-analytischen Semantik, in Abhebung gegen andere Auffassungen von struktureller Semantik; des weiteren werden die wichtigsten Vertreter dieser Konzeption vorgestellt und die entsprechenden Grundbegriffe behandelt. Nach diesen beiden theoretisch orientierten Kapiteln folgen zwei Kapitel der Anwendung der strukturellen Semantik auf das Französische. In Kapitel 3 werden verschiedene Skizzen von Wortfeldern sowie ausführlichere Vfortfeldanalysen zum Französischen von Autoren unterschiedlicher linguistischer Provenienz resümiert, schließlich wird versucht, in Form von Entwürfen zu französischen Wortfeldern Anregungen zu weiteren lexikologischen Studien zu geben. Es ist zu bemerken, daß in diesen Kapitel von den primären paradigmatischen Wortschatzstrukturen nur das Vtortfeld und nicht auch die lexikalische Klasse berücksichtigt wird. Auch bleiben die sekundären paradigmatischen Strukturen, d.h. der Bereich der Wortbildung, ausgeklamrert, da diese das Thema eines besonderen Arbeitsheftes bilden könnten. In Kapitel 4 schließlich behandeln wir die syntagmatischen lexematischen Strukturen, d.h. die verschiedenen Typen der lexikalischen Solidaritäten, die wir skizzenhaft mit weitgehend von uns selbst zusanmengesuchten Beispielen illustrieren. Eine noch übersichtlich gehaltene Bibliographie beschließt unsere Ausführungen. Die von uns ad hoc selbst erarbeiteten Materialien zur französischen Semantik erheben keinen Anspruch auf endgültige Richtigkeit der Analyse. Die Zeit, die

IX uns für die Ausarbeitung dieses Heftes zur Verfügung stand, erlaubte es nicht, mehr als Skizzen und Entwürfe zu noch nicht oder noch nicht ausführlich untersuchten Bereichen des französischen Wortschatzes zu liefern. Doch können gerade auch diese vorläufigen Ergebnisse bzw. die Kritik an ihnen Ausgangspunkt für wsitere semantische Studien, deren wir so dringend bedürfen, darstellen. Schließlich muß noch erwähnt werden, daß sich die beiden ersten Kapitel wegen ihrer theoretischen Ausrichtung kaum für leicht verwertbare Aufgabenstellungen eignen. In Kapitel 3 und 4 wurden dagegen zahlreiche Aufgaben eingebaut, ohne daß wir dafür inmer schon fertige Lösungen anbieten könnten. Diese Lösungen zu erarbeiten soll das Ziel von Gemeinschaftsarbeiten, Seminardiskussionen und Referaten sein. Zu dieser vielversprechenden sprachwissenschaftlichen Betätigung möchten wir in diesem Arbeitsheft einladen. Tübingen, im Dezember 1972

1

SEMANTIK

1.0

Bibliographische Kurzhinweise (Genaue Referenzen zu zitierten Autoren finden sich im Schriftenverzeichnis: vgl. 5.1, 5.2)

Handbücher zur Semantik: S.Ulimann, The Principles of Semantics (Das umfassendste z.Zt. vorliegende Handbuch, behandelt sowohl synchronische als auch diachronische Semantik) S.Ullmann, Semantics (theoretisch weniger ausgreifend als das o.a. Werk) H.Kronasser, Handbuch der Semasiologie (sehr traditionell orientiert)

Kürzere Einführungen in die Semantik: P.Guiraud, La sémantique K.Baldinger, Die Semasiologie H.Regneil, Semantik H.E.Brekle, Semantik (bezieht die neuesten Ansätze ein)

1.1

Verschiedene Auffassungen von "Semantik"

1.1.0

In der Verwendung des Terminus

S e m a n t i k

lassen sich im wesent-

lichen drei verschiedene Auffassungen feststellen: 1.1.1

Die

l i n g u i s t i s c h e

S e m a n t i k

ist die Disziplin

innerhalb der Sprachwissenschaft, deren Untersuchungsobjekt die sprachliche(n) Bedeutung(en) ist (sind). Prinzipiell betrifft diese Semantik jede Art sprachlicher Inhalte, also auch die grammatische Bedeutung; üblicherweise versteht man jedoch unter

S e m a n t i k

in erster Linie das Studium der lexikalischen

Bedeutving. Die vorliegende Arbeit wird sich ausschließlich mit diesem Typ von Semantik befassen. 1.1.2

Die

l o g i s c h e

S e m a n t i k

(Semantik der Logiker), so wie

sie z.B. von R.Carnap und von Ch.W.Morris vertreten wird, betrifft eine der drei möglichen Fragestellungen im Rahmen der

S e m i o t i k ,

wo die

s em a n -

2 t ik Die

der

Syntax

Semantik

und der P r a g m a t i k

gegenübersteht.

in diesen Sinne untersucht die Beziehung zwischen Zeichen

und Bezeichnetem, d.h. die denotative Funktion der Sprache, während die tax

die formalen Relationen zwischen den Zeichen behandelt und die

matik

SynPrag-

die Beziehung zwischen Zeichen und Zeichenbenutzer betrachtet (vgl.

Ch.W.Morris, Foundations SS.6-7, 13, 21, 30; R.Carnap, Introduction S.9). 1.1.3 Die a l l g e m e i n e mantics"

Semantik

("general

s e -

) stellt eine in erster Linie von A.Korzybski in den USA be-

gründete und v.a. durch S.Chase, H.R.Walpole und S.I.Hayakawa der breiteren öffentlichkeit bekannt gemachte Bewegung dar, welche das Ziel hat, gegen angebliche schädliche Auswirkungen der 'Macht der Sprache über das Denken' im Zusammenleben von Menschen anzukämpfen und sonit eine Art "semantische Aufklärungsarbeit" (H.Regneil) durch "Semiotherapie" (A.Rey) betreiben möchte. Diese Richtung ist jedoch von verschiedenen Seiten mit Recht scharf kritisiert worden (so z.B. von M.Schlauch, M.Black und E.Coseriu). Für die linguistische Semantik kann dieser Ansatz kaum von Nutzen sein.

1.2

Zur sprachlichen Bedeutung

1.2.0 S.Ulimanns Feststellungen: "Meaning is one of the most ambiguous and most cantroversial terms in the theory of language" (Semantics S.54) und "The definition of meaning is the central problem of all semantic studies" (The Concept of Meaning S.12) umreißen die Problematik, die wir im Rahmen dieses Arbeitsheftes nur streifen können. 1.2.1

Nun fassen wir die sprachliche (hier: lexikalische)

Bedeutung

als einen Beziehungsbegriff auf und betonen weiter die Notwendigkeit, die deutung

von der B e z e i c h n u n g

Be-

klar zu trennen.

Die sprachlichen Zeichen sind Einheiten von signifiant und signifie und stehen als sprachliche Einheiten der außersprachlichen Realität, den Sachen, gegenüber. Wir bestürmen nun die B e d e u t u n g

als Beziehungen auf der Inhaltsebene,

d.h. als Verhältnisse von signifies zueinander (auch Saussures "valeur" ist ein Beziehungsbegriff), vgl. zur Illustration das weiter unten folgende Schema. Un zu zeigen, daß wirklich die Bedeutung von der Bezeichnung streng zu unterscheiden ist, greifen wir auf schon fast klassisch gewordene Beispiele zurück. So führt G.Frege Abendstern und Morgenstern an, deren Bedeutung wohl verschieden

3 ist, nicht aber ihre Bezeichnung, d.h. sie bezeichnen jeweils den Planeten Venus (Vorsicht! Freges Terminologie ist anders). E.Husserl illustriert diese Unterscheidung an Der Sieger von Jena - der Besiegte von Waterloo, wo wiederum die lexikalische Bedeutung der beiden Svntagmen verschieden, ja diametral entgegengesetzt ist (was das nctnen ccmune betrifft), und doch ein und derselbe "Gegenstand" damit bezeichnet wird, nämlich Napoleon I. Wir definieren die

B e z e i c h n u n g

als Bezug von sprachlichen Zeichen im

ganzen auf "Objekte" der außersprachlichen Wirklichkeit. Die Bedeutung ("Sprachbedeutung", ...) ist der einzelsprachlich gegebene Inhalt eines Zeichens oder einer Fügung; die Bezeichnung hingegen der Bezug auf einen außersprachlichen Gegenstand oder Sachverhalt und die dadurch gegebene Komponente der Redebedeutung (E.Coseriu, Bedeutung und Bezeichnung S.105). En principe, seulement les rapports de signification sont structurables; les rapports de désignation ne le sont pas. La désignation concrète (d'un objet déterminé) est un fait de "discours", tandis que la signification est un fait de "langue" (technique du discours). Aussi les rapports de signification sont-ils constants (du point de vue synchronique), tandis que les rapports de désignation concrète sont inconstants (variables). En outre, la désignation peut être métaphorique, tandis que la signification ne l'est pas, du point de vue synchronique et distinctif (...) (E.Coseriu, Structure lexicale S.209). Die Bedeutung kann also als Möglichkeit oder Virtualität der Bezeichnung definiert werden. ... Bedeutung und Bezeichnung sind also völlig verschiedene sprachliche Funktionen: die Bedeutung ist begrifflich, die Bezeichnung dagegen gegenständlich (E.Coseriu, Das Phänomen der Sprache SS.14, 15). Die Bezeichnung ist also eine Möglichkeit der Sprache, die auf der Sprache als Bedeutung beruht. Die Bezeichnung führt uns nun zur Welt der Dinge hin, die folglich als gestaltete Welt erst durch die Sprache erreicht werden kann (E.Coseriu, Der Mensch S.76). Resümierende schatetische Darstellung (nach E.Coseriu, Structures lexêmatiques S.3) : signifiant Désignation

H

\

signifié Signification Bedeutung

\Bezeichnung * y

'

signifié

\

\

V Désignation signifiant

"

4 1.2.2

Arten der Bedeutungsbestimnung in der Sprachwissenschaft

1.2.2.0 In der Linguistik werden und wurden verschiedene Verfahren angewandt, um Bedeutungen zu bestimmen: 1.2.2.1 Besonders durch L.Blocmfield und nach seinem Vorbild wurde eine s i t u a t i o n e i l e Bestimnung der Bedeutung angestrebt, d.h. die Bedeutung wird nach dem behaviouristischen Modell als "Situation" interpretiert, wobei man unter "Situation"- die Gesamtheit der außersprachlichen Zusammenhänge, in denen ein Wort vorkommt, versteht. Ein Beweis der praktischen Gangbarkeit dieses Weges wurde jedoch nie geliefert. 1 . 2 . 2 . 2 K o n t e x t u e l l e Bedeutungsbestimnung ist Bestimmung der Bedeutung aufgrund des Kontextes als Methode (nicht zu verwechseln mit den Kontextbedeutungen oder Redebedeutungen oder Varianten der Rede). Die Bedeutung eines Wortes ergibt sich aus der Surrme der verschiedenen Kontexte, in denen es vorkamt (Sunme seiner sprachlichen Distributionen). Näheres dazu führt aus: H. Geckeier, Strukturelle Semantik SS.49-58, 62-68. 1.2.2.3 Die i n t r o s p e k t i v e Bedeutungsbestimnung geht davon aus, daß die sprachlichen Inhalte nicht materieller, sondern geistig-begrifflicher Natur sind und eben nicht mit Situation und/oder Kontext identisch sind. Der "native Speaker" kennt dank seiner Sprachkctnpetenz i n t u i t i v die Bedeutungen und Bedeutungsunterschiede in seiner Muttersprache (Modell des einsprachigen Individuums) . Die über die Intuition gewonnenen Einsichten in inhaltliche Verhältnisse müssen, um als sprachwissenschaftlich gesichert gelten zu können, an den sprachlichen Fakten objektiv nachweisbar und beweisbar sein (Vermeidung des Vorwurfs des Psychologismus). 1.2.2.4 In der r e a k t i v e n Bedeutungsbestimnung, wie sie von der Psychosemantik (z.B. Ch.E.Osgood) praktiziert wird, wird mittels des sogenannten "semantic differential" versucht, Bedeutungen zu "messen" (vgl. Ch.E.Osgood - G.J. Suci - P.H.Tannenbaum, The Measurement of Meaning). Was dabei jedoch wirklich •gemessen' wird, sind nicht sprachliche Bedeutungen, sondern vielmehr Reaktionen von Hörern oder Lesern auf sprachliche Inhalte. Diese Reaktionen bewegen sich auf einer siebenteiligen Skala zwischen vorgegebenen Oppositionspaaren von Adjektiven (z.B. zwischen "rough" - "smooth", "fair" - "unfair", "active" "passive").

5 1.3

Zur Terminologie

1.3.0 Die Schwierigkeiten, die sich inner wieder bezüglich der Terminologie bestimmter Wissenschaften ergeben, beruhen nicht auf einer falschen Einschätzung des Wesens der Terminologie (anders als im Bereich der "natürlichen" Sprache fallen im Fachwortschatz Bedeutung und Bezeichnung zusanmen, daher auch seine vielgerühmte 'Präzision', 'Eindeutigkeit' und übersetzbarkeit im Verhältnis 1 : 1), sondern einfach auf der D i v e r s i t ä t der Terminologien, die es in einer wissenschaftlichen Disziplin geben kann. Eine solche terminologische Diversität bestand lange und besteht z.T. noch im Bereich der Semantik (hinzu konntt noch die Problematik von 1.1). 1.3.1 Bedeutungslehre - Semasiologie - Semantik Für die Bezeichnung der Disziplin, die sich mit dem Studium der sprachlichen, v.a. der lexikalischen Bedeutungen befaßt, führte K.Reisig vor 1829 in seinen "Vorlesungen über lateinische Sprachwissenschaft" den Terminus S e m a s i o l o g i e ein, der neben dem aus Elementen der deutschen Sprache gebildeten Terminus B e d e u t u n g s l e h r e bis in die 50er Jahre unseres Jahrhunderts sehr üblich war. Aus der französischen linguistischen Tradition stammt dagegen der Konkurrenzterminus S e m a n t i k (1883 erstmals von M.Breal gebraucht, vgl. auch dessen Monographie von 1897: Essai de semantique (Science des significations), die dieser terminologischen Neuerung Verbreitung verschaffte), der sich seit der Mitte unseres Jahrhunderts immer mehr durchsetzte und heute S e m a s i o l o g i e als Bezeichnung für die Gesamtdisziplin praktisch verdrängt hat. Vgl. auch A.W.Read, 'Semantics'. Zur S e m a s i o l o g i e "im engeren Sinne", vgl. 1.4 Es ist klar, daß die Semantik, wie jede linguistische Disziplin, entweder deskriptiv-synchronisch oder historisch-diachronisch orientiert sein kann. In der vorliegenden Arbeit verfolgen wir eine ausschließlich deskriptiv-synchronische (analytische) Ausrichtung. 1.3.2 Semiologie - Semiotik Nicht zu verwechseln mit den im vorhergehenden erläuterten Fachbegriffen S e m a n t i k und S e m a s i o l o g i e (vgl. dazu auch 1.4) sind die Termini S e m i o l o g i e und S e m i o t i k , die je nach der wissenschaftsgeschichtlichen Tradition eine allgemeine Wissenschaft von den Zeichen und den Zeichensystemen bezeichnen. F.deSaussure hat in seinen Cours de linguistique

6

générale die S e m i o l o g i e entworfen als "une science qui étudie la vie des signes au sein de la vie sociale", scmit: "la linguistique n'est qu'une partie de cette science générale, les lois que découvrira la sémiologie seront applicables à la linguistique, et celle-ci se trouvera ainsi rattachée à un domaine bien défini dans 1'ensemble des faits humains" (CLG S.33). Während S e m i o l o g i e der in der französischsprachigen Tradition (F.deSaussure, R. Barthes) übliche Terminus ist, hat sich in der angloamerikanischen Welt (durch die Linie Ch.E.Peirce - Ch.W.Morris) der Fachausdruck S e m i o t i k durchgesetzt, vgl. Morris, Foundaticns of the Theory of Signs. Über die verschiedenen Anwendungsbereiche der Semiologie - Semiotik orientiert resümierend: P.Guiraud, La sémiologie. 1.3.3 Auf weitere terminologische Variationen, wie etwa S e m e m i k (z.B. bei S.M.Lamb), S e m o l o g i e (z.B. bei M.Joos) usw. brauchen wir wegen ihrer nur begrenzten Annahme durch die Linguisten in diesem Rahmen nicht einzugehen. 1.4

Semasiologie - Cncmasiologie

Innerhalb der Gesamtdisziplin der Semantik verfolgen die S e m a s i o l o g i e "im engeren S i n n e " und die O n o m a s i o l o g i e zwei ganz bestürmte Fragestellungen. Die S e m a s i o l o g i e geht von einem s i g n i f i a n t aus und untersucht die damit verbundenen Bedeutungen ( s i g n i f i é s ) in ihrer Vielfalt ( "semasio logisches Feld", K. Baldinger) und in ihrem Wandel (Bedeutungswandel), während die O n o m a s i o l o g i e (der Terminus wurde von A. Zauner 1902 eingeführt) von einem s i g n i f i é bzw. Begriff (in der Praxis sogar teilweise von einem Gegenstand der außersprachlichen Realität) ausgeht und die verschiedenen s i g n i f i a n t s ("oncmasiologisches Feld") betrachtet, die den betreffenden Inhalt 'bezeichnen' können (in diachronischer Perspektive = Bezeichnungswandel). Schematisch: Fragestellung der Semasiologie signifiés 2 — Cl

(i- — ri

o — ci

signifiant

Onomasiologie signifiants g — f

e — f

e — f

signifié

c—4-

7 Zur Illustration: Titel von semasiologischen

Arbeiten:

H.Rheinfelder, Das Wort "persona". Geschichte seiner Bedeutungen mit besonderer Berücksichtigung des französischen und italienischen Mittelalters, Halle 1928. H.H.Christmann, Latein "calere" in den romanischen Sprachen mit besonderer Berücksichtigung des Französischen, Wiesbaden 1958. Titel von onomasiologischen

Arbeiten:

A.Zauner, Die romanischen Namen der Körperteile, Erlangen 1902. R.Hallig, Die Benennungen der Bachstelze in den romanischen Sprachen und Mundarten, Diss. Leipzig 1933. E.Schott, Das Wiesel in Sprache und Volksglauben der Romanen, Diss. Tübingen 1935. L.Söll, Die Bezeichnungen für den Wald in den romanischen Sprachen, München 1967. Über den Stand der onomasiologischen Forschung bis zur Jahrhundertmitte orientiert ausgezeichnet: B.Quadri, Aufgaben und Methoden

In den letzten Jahren haben K.Baldinger und K.Heger die theoretischen Grundlagen von Semasiologie und Oncmasiologie verschiedentlich untersucht und eine Reihe terminologischer Differenzierungen eingeführt; vgl. dazu: K.Baldinger, Semasiologie et onomasiologie. K.Baldinger, Problêmes fondamentaux de 1'onomasiologie. K.Heger, Die methodischen Voraussetzungen von Onomasiologie und begrifflicher Gliederling. K.Heger, Die Semantik und die Dichotomie von Langue und Parole. Neue Beiträge zur theoretischen Standortbestimmung von Semasiologie und Onomasiologie.

I.5

Zur allgemeinen Problematik der linguistischen Semantik

Die strukturalistische Auffassung, daß die Sprache ein System (F.deSaussure), oder vorsichtiger, ein System von Programmen (M.Wandruszka) oder ein System von Systemen, ein Diasystem (E.Coseriu) sei, setzte sich früh im phonischen Bereich, d.h. in der Phonologie bzw. Phonematik, durch. Die Übertragung dieser Auffassung in den granmatisehen Bereich (wo diese übrigens schon inner implizit vorhanden gewesen war) folgte dann auch bald durch R.Jakobson. Doch im lexikalischen Bereich sollte es bis in die jüngste Zeit hinein dauern, bevor der systematische Charakter des Wortschatzes oder zumindest eines Teils des Wortschatzes anerkannt wurde, so daß man heute von lexikalischen oder lexematischen Strukturen sprechen kann. In traditioneller Sicht wurde der Wortschatz als eine Anhäufung, ein Konglomerat von isolierten Elementen betrachtet. So stellte z.B. A.Maillet den systematischen Charakter der 'Phonetik' und der Granrnatik dem nichtsystematischen Charakter des Wortschatzes gegenüber. Diese atomistische Auffassung des Wortschatzes sieht sich durch die Konzeption des alphabetisch angeordneten Wörterbuches gestützt.

8

So finden wir beispielsweise in dem 1971 erschienenen Micro Robert nachstehende Lenmata in unmittelbarer Aufeinanderfolge: oculiste

- odalisque

- ode - odeui

- odieux

usw.

oder puce

- pucelle

- pudding

- pudeur

- ... - puer

- puericulture

usw.

Nun existiert jedoch bereits die Auffassung des Wortschatzes als einer gegliederten Ganzheit, d.h. als strukturiert, seit J.Trier und der Wortfeldlehre. Bei J.Trier wie auch bei L.Weisgerber fehlt jedoch noch die explizite strukturelle Methode. Die Verbindung von Wbrtfeldtheorie und struktureller Methode wird erst in der strukturellen Semantik v.a. europäischer Provenienz, also bei E.Coseriu, B.Pottier, A.J.Greimas, vollzogen (vgl. 2.3). Es läßt sich gerade in der beschreibenden semantisch-lexikalischen Forschung ein großer Rückstand feststellen im Vergleich zum Stand der deskriptiven Forschung auf anderen Sektoren der Linguistik (phonischer und graimiatischer Bereich) . Für diesen Rückstand lassen sich verschiedene Gründe anführen; wir wollen hier nur zwei Problemkreise streifen. Die Beschreibung lexikalischer Strukturen wirft Probleme qualitativer und quantitativer Art auf. In qualitativer Hinsicht ist zu sagen, daß die Erforschung der Inhaltsebene wesentlich größere Schwierigkeiten bereitet als die der Ausdrucksebene, handelt es sich doch bei den (lexikalischen) Inhalten um Phänomene nicht-materieller, d.h. geistig-psychischer Natur. In quantitativer Hinsicht muß auf die fast unbegrenzten Ausmaße des Wortschatzes im Vergleich zu den 'geschlossenen Listen' der phonologischen und granrnatisehen Einheiten einer Sprache verwiesen werden. Semit stellt sich für die Erforschung des Wortschatzes das methodologische Problem der Reduktion des zu untersuchenden Materials (vgl. z.B. die verschiedenen Reduktionsvorschläge von L.Hjelmslev und E.Coseriu). In der Geschichte der Linguistik tauchte die Bedeutungslehre (Semasiologie, Semantik) als eine spät begründete Teildisziplin auf. Dieser Nachzüglerstatus schon innerhalb der traditionellen Sprachwissenschaft wiederholte sich in der modernen Linguistik, und zwar gleich zweimal. Zum einen gelang es der Semantik erst sehr spät, ein fest integrierter Bestandteil im Strukturalismus, besser, in den verschiedenen Strukturalismen, zu werden (Die negative nordamerikanische Einstellung zur Semantik - Blocmfieldismus - wirkte auch lähmend auf Europa). Zum andern wurde die Semantik auch im generativ—transformationeilen Grarrmatikmodell erst in seiner fortgeschritteneren Phase (also noch nicht in Chomskys Syntactic Structures) als eigenständige Komponente anerkannt. Heute steht die Semantik im Brennpunkt der (wie auch inner orientierten) deskriptiven Linguistik.

2

STRUKTURELLE SEMANTIK

2.0

Bibliographische Kurzhinwsise

E.Coseriu - H.Geckeier, Linguistic especially Functional H.Geckeier, Strukturelle Semantik, v.a. Kap. V und VI G.Mounin, Clefs pour la sémantique K.Baldinger, Teoria semântica A.Rey, Remarques sémantiques T.Todorov, Recherches sémantiques

2.1

Semantics

Drei Typen von "struktureller" Semantik

2.1.0 Die neueren und neuesten Richtungen innerhalb der Semantik haben sich jeweils als strukturell verstanden oder als strukturell bezeichnet. So lassen sich zumindest drei mögliche Arten von "struktureller" Semantik unterscheiden: 2.1.1

"Strukturell": aufgefaßt als Struktur oder vielmehr als

r a t i o n

von

A s s o z i a t i o n e n

K o n f i g u -

eines Zeichens mit anderen

Zeichen im Wbrtschatz. Diese Assoziationen können jeweils auf Ähnlichkeit oder auf Kontiguität a) zwischen signifiants b) zwischen signifiés c) zwischen signifiés und signifiants beruhen. Assoziative Beziehungen können jedoch auch einfach durch die Kopräsenz der "Sachen" in der außersprachlichen Wirklichkeit bedingt sein. - F.deSaussure behandelte im CLG die "rapports associatifs" und erläuterte, ausgehend van Beispiel frz. enseignement, eine "série" bzw. "famille associative", wobei er feststellte: "Un terme donné [d'une famille associative] est conte le centre d'une constellation, le point où convergent d'autres tentes coordonnés, dont la sortme est indéfinie" (CLG S. 174). - Ch.Bally charakterisiert sein Assoziativfeld, illustriert anhand des Beispiels frz. boeuf, folgendermaßen: "Le champ associatif est un halo qui entoure le signe et dont les franges extérieures se confondent avec leur ambiance" (L'arbitraire du signe S.195).

10 Weitgehend assoziativ bestinnrte Feldtypen sind ebenfalls P.Guirauds "champs morpho-sémantiques" und G.Matorês "champs notionnels". Auch unter O.Duchâceks verschiedenen Feldtypen befinden sich "champs associatifs" (vgl. 3.2.1). Van Gesichtspunkt der strukturell-analytischen Semantik, so wie wir sie in Übereinstimnung mit einer Reihe europäischer Linguisten nachstehend vertreten (vgl. 2.1.3), müssen hinsichtlich der oben erwähnten assoziativen Konfigurationen, die oft als zu einer strukturellen Semantik gehörend angesehen werden, folgende Einwände erhaben werden: 1. Die Assoziationen haben, wenn nicht gar unendliche Verkettungsmöglichkeiten, so doch eine unkontrollierbare Extension. 2. Die Assoziationen sind weitgehend individuell verschieden und deshalb (vcm Linguisten) nicht vorhersagbar und auch nicht strukturierbar. 3. Die Assoziationen sind nicht unbedingt im Sprachlichen begründet, sie können ebensogut auch durch die Sachen selbst (außersprachliche Realität) bedingt sein. - Assoziative Konfigurationen sollten also nicht mit sprachlichen (insbesondere semantischen) Strukturierungen verwechselt oder gleichgesetzt werden. 2.1.2

"Strukturell": verstanden als

t a t i o n

eines

s i g n i f i a n t

S t r u k t u r .

der

I n t e r p r e -

Hierbei handelt es sich im Grunde um

eine semasiologische Fragestellung: Welches oder welche signifié(s) ist bzw. sind einem bestinmten signifiant zuzuordnen ("disambiguation")? Auf diesem Ansatz beruht die Semantik (zumindest die "dictionary"-Kcrnponente der TG-Semantik; die Wortsemantik wird hier übrigens sehr vernachlässigt, das Hauptgewicht liegt auf der Satzsemantik) der generativ-transformationellen Gramnatik, so wie sie zuerst von J.J.Katz und J.A.Fodor entworfen und danach v.a. von Katz weiterentwickelt wurde (vgl. ihr bekanntes Beispiel engl, baohelor).

Zur Kritik dieser Semantik-

theorie im Anschluß an E.Coseriu, vgl. H.Geckeier, Strukturelle Semantik Kap. V. 3, siehe auch H.-M.Gauger, Die Semantik in der Sprachtheorie der transformationeilen Granmatik. 2.1.3

"Strukturell": begriffen als Struktur in analytischer Hinsicht, als

S t r u k t u r i e r u n g f u n k t i o n e l l e n

der

I n h a l t s e b e n e

l e x i k a l i s c h e n

aufgrund der O p p o s i t i o n e n .

In dieser primär paradigmatischen Semantik erfolgt die Analyse der lexikalischen Bedeutungen durch Zerlegung der Inhalte in kleinere, unter der Zeichenschwelle anzusiedelnde Elemente (non-signs, L.Hjelmslev), d.h. in (minimale) bedeutungsdifferenzierende Züge. Der différentielle Inhalt eines (in einem Wortfeld

11 funktionierenden) Lexems ergibt sich aus der Struktur seiner inhaltsunterscheidenden Züge (Seme, Klasseme). Diesen Typ von struktureller Semantik halten wir für die eigentliche analytische Bedeutungslehre, die wir deshalb auch in ihrer Anwendung auf das Französische in das Zentrum unserer Betrachtungen stellen werden (vgl. auch 2.2). 2.2

Wbrtsemantik und Satzsemantik

Unter W o r t s e m a n t i k (oder lexikalischer Semantik) verstehen wir dasjenige Teilgebiet der Semantik, dessen Aufgabe die Erforschung der inhaltlichen Strukturen der lexikalischen Einheiten auf Grund deren paradigmatischer Oppositionen innerhalb von Subsystemen oder Mikrosystemen (Wortfeldern) des Wbrtschatzes ist. Handelt es sich bei der Wortsemantik um eine primär paradigmatische Semantik, so geht es bei der S a t z s e m a n t i k um eine syntagmatische oder relationelle (oder, wie auch manchmal gesagt wird, um eine kombinatorische) Semantik. Wir geben im folgenden H.E.Brekles Definition von Satzsemantik wieder: "In einer ersten Näherung verstehen wir unter 'Satzsemantik' denjenigen Bereich der linguistischen Semantik, in dem die inhaltliche Struktur von Sätzen untersucht wird; genauer, in dem jene semantischen Relationen beschrieben werden, die zwischen den inhaltlich gedeuteten Elementen von Wortreihen bestehen müssen um ihnen als Satzeiriheit einen Sinn zu verleihen" (Generative Satzsemantik SS. 47-48). Die Semantik der generativ-transformationellen Grarrmatik, in der heute zumindest zwischen zwei Ansätzen unterschieden wird, dem "interpretativ-semantischen" (Hauptvertreter: J.J.Katz) und dem "generativ-semantischen" (vertreten besonders von J.D.McCawley und G.Lakoff), ist in beiden Fällen eine syntagmatische Semantik; die Probleme einer paradigmatischen Semantik oder Wbrtsemantik werden kaum oder gar nicht gestellt. Man tut so, als ob die semantische Analyse des Wörtschatzes schon vorläge oder zumindest kein Problem darstellte. Wir sind uns völlig im klaren, daß das (Fern-) Ziel der Semantik eine wohlfundierte Satzsemantik sein muß. Dieses Ziel läßt sich unserer Meinung nach aber erst erreichen, wenn wir über eine ausgebaute Wortsemantik verfügen. Zu einer solchen gibt es heute gute theoretische Ansätze, die es zu verfeinern, zu erweitern und dann anzuwenden gilt. Dieser Forschungsstand bringt es mit sich, daß es heute noch verfrüht erscheint, eine umfassende Satzsemantik aufbauen zu können. Der logischen und praktischen Priorität der Wbrtsemantik gegenüber der Satzsemantik gehorchend wird es für uns im folgenden nur darum gehen können,

12

Materialien zu einer strukturellen Wortsemantik des Französischen darzubieten. 2.3

Die wichtigsten Vertreter der strukturell-analytischen Semantik

2.3.0 Im folgenden sollen diejenigen Linguisten angeführt werden, die eine paradigmatische Lexematik, d.h. die eigentliche Inhaltsanalyse im Sinne von 2.1.3, vertreten. Dieser Typ struktureller Semantik wurde von B.Pottier, E. Coseriu und A.J.Greimas etwa gleichzeitig und weitgehend parallel in der ersten Hälfte der 60er Jahre entwickelt. Ein anderer wichtiger Beitrag zur strukturellen Semantik kcimrt aus der englischen Schule der Linguistik, von J.Lyons. Als dieser strukturellen Semantik europäischer Provenienz nahestehend (wir können nicht näher auf J.Apresjan in Rußland eingehen) sollen in den USA U. Weinreich in gewisser Hinsicht und dessen Schüler E.H.Bendix hier einfach erwähnt werden. 2.3.1 B. P o t t i e r (Frankreich) hat für die Inhaltsanalyse in unterscheidende Züge ein adäquates begriffliches Instrumentarium geschaffen, das wir bei der Darlegung seiner Analysepröben, besonders beim Feld "sièges", vorstellen werden (vgl. 3.1.2). 2.3.2 A. J. G r e i m a s 1 (Frankreich) Beitrag (in: Sémantique structurale. Recherche de méthode) zur Irihaltsanalyse, der im wesentlichen auf der Linie von Pottier und Coseriu liegt, hat den Nachteil, nie kanzis und widerspruchsfrei (vgl. die Kritik von G.Mounin, Clefs pour la sémantique SS.246-252, und den review article von E.U.Grosse, Zur Neuorientierung der Semantik bei Greimas) formuliert worden zu sein. Im übrigen geht Greimas' Interesse stärker zu einer Semantik des Textes als zu einer Semantik der langue; in jüngster Zeit widmet er sich in erster Linie der (Text-)Semiotik (siehe sein Buch: Du sens. Essais sêmiotiques). Vgl. trotzdem 3.1.1. 2.3.3.0 Den bisher umfassendsten Entwurf einer Semantik der lexematischen Strukturen hat E. C o s e r i u (Deutschland) (in folgenden Publikationen: Structure lexicale; Lexikalische Solidaritäten; Les structures lexêmatiques) vorgelegt. In seiner .strukturellen Semantik verfolgt er eine zweifache Zielsetzung: Zum einen nimmt er sich vor, in seiner Semantik die Unzulänglichkeiten und Mängel der Ansätze anderer Linguisten zu vermeiden, indem er sein Untersuchungsobjekt genau abgrenzt (vgl. die nachstehend angeführten sieben notwendigen Vorunterscheidungen) ; zum andern geht es ihm darum, all die Problems einer

13

strukturellen Semantik auf ein einziges, vorerst nur skizziertes System zurückzuführen, also scwohl die paradigmatischen Strukturen (d.h. die primären Strukturen wie Wbrtfelder und lexikalische Klassen ebenso wie die sekundären Strukturen, die den drei inhaltlich bestürmten Verfahren der Wbrtbildung entsprechen: "Modifizierung", "Entwicklung", "Katposition") als auch die syntagmatischen Strukturen (d.h. die "lexikalischen Solidaritäten"). Wir werden dieser Konzeption eine etwas ausführlichere Darstellung widmen müssen. 2.3.3.1 Uber eine Stufenfolge von sieben Unterscheidungen, die gleichzeitig eine provisorische Reduzierung des zu analysierenden komplexen lexikalischen Materials bedeutet, gelangt E.Coseriu zu dem geforderten homogenen Untersuchungsobjekt, das erst dann einer semantischen Strukturanalyse unterzogen werden kann. Wir können im Rahmen des vorliegenden Arbeitsheftes diese Unterscheidungen nur kurz anführen und verweisen für eine ausführliche Darstellung auf E.Coseriu, Structure lexicale SS.181-210, für ein Resümee auf H.Geckeier, Strukturelle Semantik SS.179-190. 1. Unterscheidung zwischen der a u ß e r s p r a c h l i c h e n

Wirk-

lichkeit

Hör-'

(den S a c h e n )

und der S p r a c h e

(den

t e r n ): Es geht hierbei in erster Linie darum, den Beitrag der Kenntnis der Sachen zum Sprechen von rein sprachlich Gegebenen (den sprachlichen Inhalten) zu trennen. Vgl. dazu auch E.Coseriu, Bedeutung und Bezeichnung. Hierher gehört auch die Ausklammerung des Fachwortschatzes, der Terminologie. Die Terminologie entspricht einfach einer Nomenklatur und ist als solche nicht von der Sprache her strukturiert, sondern auf Grund der außersprachlichen Realität, auf Grund der Objekte der entsprechenden Disziplin. "En réalité on connaît les 'signifiés' des terminologies dans la mesure où l'on connaît les sciences et les techniques auxquelles elles correspondent, et non pas dans la mesure où l'on connaît la langue: ..." (E.Coseriu, Structure lexicale S. 183). 2. Unterscheidung zwischen S p r a c h e

(Primärsprache)

und

Metasprache : Während das Cfojekt der Primärsprache eine nicht-sprachliche Wirklichkeit ist, ist das Cfojekt der Metasprache etwa Sprachliches. Der metasprachliche Gebrauch stellt eine unendliche tßglichkeit der Rede (parole) dar, und da er keine semantische Strukturierung einschließt, ist er aus einer strukturellen Betrachtungsweise auszuscheiden.

14

3. Unterscheidung zwischen S y n c h r o n i e und D i a c h r o n i e : Auf diese wohlbekannte methodologische Unterscheidung zwischen Synchronie (besser: S p r a c h b e s c h r e i b u n g ) und Diachronie (besser: S p r a c h g e s c h i c h t e ) braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden, vgl. die ausführlichste Diskussion dazu in E.Coseriu, Sincronla, diacronia e historia. Da es unser Ziel ist, die funktionellen Sprachstrukturen zuerst zu beschreiben, so bleiben wir in der Synchronie und scheiden die Diachronie zunächst aus. 4. Unterscheidung zwischen T e c h n i k wiederholter Rede:

des

Sprechens

und

In dieser innerhalb der Synchronie getroffenen Unterscheidung versteht man unter Technik des S p r e c h e n s die frei verfügbaren Elemente und Verfahren einer Sprache, während der Terminus w i e d e r h o l t e Rede all das bezeichnet, was in einer Sprachtradition nur in fixierter, d.h. in nicht mehr frei disponibler Form erscheint. Darunter fallen also fixierte Ausdrücke und Wendungen, Redensarten, Sprichwörter, refranes, Zitate (auch aus anderen Sprachen oder Dialekten), usw. Nur die Technik des Sprechens ist' synchronisch analysierbar und strukturierbar, deshalb stellt gerade nur sie den Gegenstand der weiteren Unterscheidungen dar. 5. Unterscheidung zwischen A r c h i t e k t u r der Sprache (historischer S p r a c h e ) und S t r u k t u r der Sprache (funktioneller Sprache) : Die synchronische Technik des Sprechens innerhalb einer h i s t o r i s c h e n Sprache (wie etwa des Französischen, des Italienischen, des Deutschen u.a.) ist nicht einheitlicher Natur, scndern weist drei Arten innerer Unterschiede auf, die je nach Sprache stärker oder schwächer ausgeprägt sein können: - Unterschiede im geographischen Raum: d i a t o p i s c h e Unterschiede (d.h. Dialektunterschiede); - Unterschiede, bedingt durch die sozial-kulturellen Schichten einer Sprachgemeinschaft: d i a s t r a t i s c h e Unterschiede (betreffen die Sprachebenen oder Sprachniveaus); - Unterschiede in den Ausdrucksabsichten: d i a p h a s i s c h e (betreffen die Sprachstile).

Unterschiede

(Diastratische und diaphasische Unterschiede treten oft kombiniert auf) Ein solches Diasystem von internen Differenzierungen nennt E.Coseriu in Anlehnung an L.Flydal A r c h i t e k t u r der Sprache. Nun kann die Architektur der Sprache für das von der strukturellen Linguistik

15

erarbeitete Instrumentarium zur sprachlichen Analyse nicht das unmittelbare Untersuchungsobjekt abgeben. Ihr ideeller Untersuchungsgegenstand ist vielmehr die sogenannte f u n k t i o n e l l e S p r a c h e , die eine s y n t o p i s c h e (d.h. ohne Unterschiede im geographischen Raum), s y n s t r a tische (d.h. ohne sozial-kulturell bedingte Unterschiede) und s y m phasische (d.h. ohne Unterschiede in den Ausdrucksabsichten) Technik des Sprechens darstellt. Die S t r u k t u r der S p r a c h e kann nur innerhalb einer völlig harogenen Technik des Sprechens, also nur in einer funktionellen Sprache, untersucht werden, denn nur hier lassen sich die f u n k tionellen O p p o s i t i o n e n einer Sprache feststellen. In der Architektur der Sprache herrscht nicht das Prinzip der Opposition, sondern das der D i v e r s i t ä t . Dies impliziert jedoch nicht, daß im tatsächlichen Sprechen nicht verschiedene funktionelle Sprachen von gleichen Sprecher nebeneinander gebraucht werden. Ganz im Gegenteil, die Sprachbraucher verfügen registerartig über verschiedene funktionelle Sprachen gleichzeitig (Kcmpetenz) und verwenden sie auch nebeneinander in der Sprechtätigkeit (Performanz). Aus methodischen Gründen muß diese Unterscheidung jedoch eingeführt werden, denn das Entscheidende ist, daß jede Opposition in der funktionellen Sprache, in der sie wirklich funktioniert, aufgestellt und beschrieben wird. 6. Unterscheidung zwischen T y p u s , System, N o r m und R e d e : Von diesen vier Ebenen der Strukturierung der Sprache(n), die E.Coseriu im Anschluß an Saus sures Dichotomie von l a n g u e und p a r o l e und an die betreffende Diskussion ganz allgemein für die Technik des Sprechens in einer funktionellen Sprache vorgeschlagen und begründet hat (vgl. Sistema, norma y habla; resümiert auf italienisch in: Sistema, norma e "parola"; besonders für den sprachlichen Typus: Sincronia, diacronia y tipologia SS.275ff.), können wir für eine strukturelle Semantik von der höchsten Abstraktionsebene, nämlich der des T y p u s als der Einheit der verschiedenen Verfahren in einer Sprache ("Der 'Sprachtyp' schließlich enthält die funktionellen Prinzipien d.h. die Verfahrenstypen und die Kategorien vcti Oppositionen des Systems, und stellt semit die zwischen den einzelnen Teilen des Systems feststellbare funktionelle Kohärenz dar", Sprache - Strukturen und Funktionen SS.79-80), und von der untersten Ebene, also der R e d e als des konkret realisierten Sprechens, absehen. Mais la distinction qui nous paraît essentielle pour la lexicologie structurale est la distinction entre s y s t è m e et n o r m e de la langue. La n o r m e comprend tout ce qui, dans la "technique du discours", n'est pas nécessairement fonctionnel (distinctif), mais qui est tout de même traditionnellement (socialement) fixé, qui est usage commun et courant de la communauté linguistique. Le s y s t è m e , par contre, comprend tout ce qui est objectivement

16 fonctionnel (distinctif). La norme correspond à peu près à la langue en tant qu'"institution sociale"; le système est la langue en tant qu'ensemble de fonctions distinctives (structures oppositionnelles). (Structure lexicale, S.205)

Aus dieser Bestimnung der Norm als der Ebene des traditionell Fixierten und nicht notwendigerweise Funktionellen scwie aus der Definition des Systems als der furiktionell-oppositiven Ebene der Sprache ergibt sich, daß für die strukturelle Semantik nostri genevis (vgl. 2.1.3) nur die Ebene des Systems (verstanden als System des schon Realisierten und als System von möglichen Realisierungen) als der Ort der funktionellen semantischen Oppositionen in Frage komttt. Neben der Lexikologie des Systems darf aber auch die Wichtigkeit einer Lexikologie der Norm nicht unerwähnt bleiben. 7. Unterscheidung zwischen B e d e u t u n g

und B e z e i c h n u n g

:

Diese wichtige Unterscheidung wurde bereits in 1.2 behandelt. Es ist klar, daß es in unserer strukturellen Semantik um Bedeutungen und nicht um Bezeichnungen (d.h. nur indirekt) gehen muß. Resümierende schematische Darstellung der Hierarchie der sieben Vorunterscheidungen: Außersprachliche Wirklichkeit „ . |

Metas

sprache \ / PrimärP r a c h e /chronie oia, , ,. < Wiederholte spräche \syn/Rede , • h f . < Historische „ ... des , chronie\NTechnik /Sprache Sprechens \ f U nJctioneI-/ Norm /Bezeichnung le Sprache ^System ,^ Bedeutung (Struktur)

Erst nach methodischer Beachtung dieser sieben Vorunterscheidungen gelangen wir schließlich zu den l e x e m a t i s c h e n

S t r u k t u r e n ,

die E.

Coseriu (Les structures lexêmatiques S.7) folgendermaßen gegliedert sieht: 2.3.3.2

L e x e m a t i s c h e

P a r a d i g m a t i s c h e S t r u k t u r e n (oppositiv) P r i m ä r e Strukturen

S e k u n d ä r e Strukturen

- Wortfeld - Lexikalische Klasse

- Modifizierung - Entwicklung - Komposition

S t r u k t u r e n S y n t a g m a t i s c h e S t r u k t u r e n = Lexikalische Solidaritäten (kombinatorisch) - Affinität - Selektion _ Implikation

17

E.Coseriu bestimmt also das Wbrtfeld und die lexikalische Klasse als primäre paradigmatische Strukturen. P a r a d i g m a t i s c h bedeutet, daß die Lexeme, die an einer bestürmten Stelle der chaîne parlée zur Wahl stehen, ein Paradigma, d.h. ein System von Oppositionen, bilden; so z.B. im Falle des Wortfeldes der französischen Altersadjektive: jeune âgé , vieux : I ancien récent nouveau neuf

chaîne

parlée

'

P r i m ä r bedeutet, daß die Lexeme zum "primären" Vfortschatz gehören, d.h. sie implizieren nicht schon andere Wörter, sie entsprechen der unmittelbaren Erfahrung - im Gegensatz zu den s e k u n d ä r e n Strukturen, die die Vfeiterentwicklung eines primären Wortschatzelementes betreffen (Bereich der Wortbildung) . Die Bestimnung des W o r t f e l d e s als ein lexikalisches Paradigma (für die Definition vgl. 2.4.1) steht durchaus nicht in Widerspruch zur Trier-Vfeisgerberschen Wbrtfeidlehre, vielmehr bedeutet sie eine Fortführung in struktureller Richtung dieser zu sehr auf intuitiver Basis beruhenden Theorie. Ausführliche Orientierung über die Entwicklung der Wortfeldtheorie(n) geben: H.Geckeier, Strukturelle Semantik Kap.III R.Hoberg, Die Lehre vcm sprachlichen Feld. Die wichtigsten Texte, vor allem aus dem ersten Jahrzéhnt der Feldlehre sowie aus den Bemühungen der Sprachinhaltsforschung um den Feldgedanken, erscheinen nunmehr zusammengestellt und somit bequem zugänglich in dem von L.Schmidt besorgten Sannelband "Wörtfeldforschung" (Wage der Forschung, Wissenschaftliche Buchgesellschaft). Was die l e x i k a l i s c h e n K l a s s e n betrifft, vgl. 2.4.2. Die ren

sekundären paradigmatischen (Bereich der Wortbildung) :

Struktu-

Im folgenden soll E.Coserius Ansatz einer Integration der Wortbildung in die Lexematik ganz kurz nachskizziert werden. Je nach der granmatischen Determination der implizierten primären lexikalischen Einheit(en) lassen sich drei Typen von sekundären paradigmatischen Strukturen unterscheiden:

18

A) Modifizierung: Die "Modifizierung" entspricht einer 'inaktuellen' grammatischen Determination, d.h. einer Determination, die keine Satzfunktion des modifizierten primären Lexems einschließt. Die Wortart (pars oratianis) wechselt dabei nicht. Im allgemeinen handelt es sich bei diesem Typ um eine Quantifizierung des primären Wbrtschatzelements, also um Diminutiv- und Kollektivbildungen und um Präfixbildungen bei Verben, z.B.: frz. maison - maisonnette; oriailterj

venir

- revenir

span. mujer - mujer cita-,

frz.

crier

usw.

B) Entwicklung: Die "Entwicklung" entspricht einer grammatischen Determination, die eine Satzfunktion des primären Lexems einschließt, wobei jeweils die Wbrtart wechselt. So z.B. frz. beau + prädikative Funktion -»• beauté prädikative Funktion

départ

("le fait d'etre beau"); partir

("le fait de partir"); barque -*• en barque

quer, usw. Eine ganze Serie von Entwicklungen liegt z.B. vor bei: nation nal

nationaliser

•*•

+

embar-*• natio-

nationalisation.

Kombination von Modifizierung und Entwicklung: z.B. deutsch gehen -*• durchgehen •*• Durchgang. C) Komposition: Die "Katposition" impliziert stets die Anwesenheit von zwsi Grundelementen, die in einer bestimmten grairmatischen Relation zueinander stehen. Es können zwei Typen der Komposition unterschieden werden: 1. Die g e n e r i s c h e

oder

'pronominale'

Komposi-

tion: TyP: frz. poire

•*• poir/ier; span. albariaoque •*• albariaoqu/ero, 1 2 1 2 wo eines der beiden kombinierten Elemente (2) nicht einem in der betreffenden Einzelsprache realisierten Lexem entspricht. Dieser Typ wird traditionell zur Derivation gerechnet. 2. Die s p e z i f i s c h e

oder

'nominale'

Komposition

Typ: deutsch kaufen + Mann ("Mann, der kauft") -+• Kaufmann, wo beide kombinierte Elemente Lexemen, die in der Einzelsprache existieren, entsprechen. Beide Typen können auch kombiniert erscheinen, z.B. deutsch (spezif. Kcmp. [Kindergarten]

Kindergärtnerin

+ gener. Kanp.).

- Aus Raumgründen können wir die sekundären Strukturen in den folgenden Anwendungskapiteln (vgl. 3. und 4.) nicht berücksichtigen.

19

Die

s y n t a g m a t i s c h e n

lische

Strukturen

(oder

lexika-

S o l i d a r i t ä t e n ) :

Die syntagmatischen oder kombinatorischen Strukturen, um die es hier geht, betreffen die Wortsemantik und nicht die Satzsemantik (vgl. 2.2). Es handelt sich hier um eine Syntagmatik nicht auf der Ebene der chaîne parlée, sondern auf der Ebene der Semenstruktur. E.Coseriu (Lexikalische Solidaritäten S.296) definiert nun diese Strukturen wie folgt: * Eine lexikalische Solidarität kann nunmehr als inhaltliche Bestimmung eines Wortes durch eine Klasse, ein Archilexem oder ein Lexem definiert werden, und zwar in der Hinsicht, daß eine bestimmte Klasse, ein bestimmtes Archilexem oder ein bestimmtes Lexem im Inhalt des betreffenden Wortes als unterscheidender Zug funktioniert. Mit anderen Worten: es handelt sich um die Tatsache, daß eine Klasse, ein Archilexem oder ein Lexem auf der Ebene der minimalen Bedeutungsunterschiede zur inhaltlichen Definition des betreffenden Wortes gehört. (Zur Erklärung von "Klasse", "Archilexem", vgl. 2.4.2 und 2.4.4).

Bei den lexikalischen Solidaritäten, die den "wesenhaften Bedeutungsbeziehungen" bzw. den "elementaren Bedeutungsfeldern" von W.Porzig entsprechen, können gemäß obiger Definition drei Typen unterschieden werden: a) Bei der A f f i n i t ä t

funktioniert die Klasse des determinierenden

Lexems als unterscheidender Zug im determinierten Lexem. So z.B. die Solidarität zwischen der Klasse "Frauen"

und lat. nubor, oder zwischen der Klasse

"Tiere" und frz. gueule (gegenüber bouohe für "Personen"). b) Bei der

Selektion

funktioniert das Archilexem des determinierenden

Lexems als unterscheidender Zug im determinierten Lexem. So im Falle von deutsch Auto, Zug, Schiff, usw. in bezug auf fähren, d.h. das Archilexem von Auto, Zug, Schiff, usw., also Fahrzeug, funktioniert als unterscheidender Zug in fahren ("sich mittels eines Fahrzeugs fortbewegen"). c) Bei der

I m p l i k a t i o n

funktioniert ein ganzes determinierendes

Lexem als unterscheidender Zug im determinierten Lexem. So z.B. im Falle der frz. Farbadjektive alezan, rouan, die nur auf Pferde bezogen gebraucht werden, d.h. das Lexem Pferd funktioniert als unterscheidender Zug in ihrer Inhaltsstruktur. Soweit also die kondensierte Darstellung des bisher umfassendsten und kohärentesten Versuchs einer Einordnung der lexematischen Strukturen. Auf die Grenzen dieser Semantik, die in erster Iònie durch die methodologische Reduktion (vgl. die sieben Vorunterscheidungen) vorgegeben sind, kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

20 2.3.4 Schließlich soll noch kurz auf J. L y o n s

1

(England) Konzeption

einer strukturellen Semantik eingegangen werden. Nachdem Lyons seine Auffassung erstmals 1963 (in: Structural Semantics) dargelegt hatte, modifizierte und spezifizierte er diese partiell für die Darstellung der Semantik in seiner inzwischen sehr bekannt gewordenen Einführung in die Linguistik (Introduction to Theoretical Linguistics). Wir werden uns im folgenden hauptsächlich an diese neuere Version halten. J.Lyons geht davon aus, daß "the vocabulary of a language will contain a number of

lexical

systems

the semantic structure of which can be des-

cribed in terms of paradigmatic and syntagmatic

sense-relations"

(Introduction S.443). Die "lexikalischen Systeme", die unseren Wbrtfeldern entsprechen, sind aus lexikalischen Einheiten aufgebaut, zwischen denen gerade die erwähnten Inhaltsrelationen bestehen. Lyons bestimrtt nun den Inhalt einer lexikalischen Einheit folgendermaßen: "..., the sense of a lexical item may be defined to be, not only dependent upon, but identical with, the set of relations which hold between the item in question and other items in the same lexical system"

(ibid.).

Lyons unterscheidet m m neuerdings folgende Inhaltsrelationen ("sense-relations"): A)

Synonymie,

wobei er, vergleichsweise im Gegensatz zu S.Ullmann,

betont, daß diese Inhaltsrelation nicht unbedingt zum Wesen der semantischen Struktur einer Sprache gehöre. Von entscheidender Wichtigkeit sind dagegen die folgenden: B) H y p o n y m i e

(gebildet nach S y n o n y m i e ,

A n t o n y m i e )

wird bestinmt als "einseitige Implikation" oder als "Inklusion", z.B. im Falle von engl, soarlet

- red,

tulip

- flower,

wobei jeweils das erste Lexem das "Hypo-

nym", das zweite den "übergeordneten Terminus" (oder auch das "Hyperonym") der Relation darstellt. Diese Inhaltsrelation entspricht in unserer Terminologie dem Verhältnis von Einheit zu Archieinheit. C)

Inkompatibilität,

definiert nach dem Kriterium des kontra-

diktorischen Verhältnisses zwischen Sätzen. So stellen beispielsweise die Farbadjektive einen Verband von inkompatiblen Lexemen dar. Die Inkompatibilität muß von der bloßen Inhaltsverschiedenheit getrennt werden. So sind z.B. die engl. Adjektive crimson und soft

zwar inhaltsverschieden, aber nicht inkompatibel,

während orimson und soar let zwar inhaltlich ähnlich, doch irikcrnpatibel sind. Diese Relation ist besonders wichtig wegen ihrer Verwendbarkeit zur Abgrenzung von Wbrtfeldern.

21

D) B e d e u t u n g s g e g e n s ä t z l i c h k e i t

(engl, "oppositeness

of meaning") mit drei Untertypen: a) K o m p l e m e n t a r i t ä t :

entspricht dem logischen Prinzip des

"tertium non datur"; z.B. engl, s-ingle : married, male : female. b) A n t o n y m i e :

diese Inhaltsrelation besteht zwischen den opposita

"par exeellenoe", z.B. engl, big : small, frz. jeune : vieux-, beau : laid, usw. Ihr Charakteristikum ist die Gradation (vgl. E.Sapirs Begriff des "grading") . c) K o n v e r s i o n

(engl, "converseness"): diese Inhaltsrelation, die

Lyons mit den Beispielen engl, buy : seil, husband : wife illustriert, erscheint nicht genügend definiert. Es handelt sich um eine Relation, bei der das eine Glied das andere impliziert, doch diese Bestimmung reicht nicht aus. Auch scheint es uns, daß die beiden Beispiele nicht dieselben inhaltlichen Verhältnisse aufweisen. Wie wir gesehen haben, hebt sich Lyons' Ansatz zu einer strukturellen Semantik mit seiner Zentrierung auf die Inhaltsrelationen deutlich von der Konzeption von Coseriu (und so auch von der von Pottier und Greimas) ab, bei welcher es um Inhaltsanalyse in unterscheidende Züge, beruhend auf den expliziten Prinzip der funktionellen Opposition, geht.

2.4

Instrumentarium und Terminologie der strukturell-analytischen Semantik

2.4.0

Nachfolgend sollen die grundlegenden Begriffe und Instrumente zu einer

semantischen Strukturanalyse zusammengestellt, definiert und erklärt werden. 2.4.1

Wortfeld

Die beste Definition, die wir bisher gefunden haben, ist die, die E.Coseriu im Aufsatz Lexikalische Solidaritäten S.294 gibt: Ein W o r t f e l d ist in struktureller Hinsicht ein lexikalisches Paradigma, das durch die Aufteilung eines lexikalischen Inhaltskontinuums unter verschiedene in der Sprache als Wörter gegebene Einheiten entsteht, die durch einfache inhaltsunterscheidende Züge in unmittelbarer Opposition zueinander stehen. Vgl. auch 2.3.3.

Beispiele für Wortfelder im Französischen: das Feld der Verwandtschaftsbezeichnungen, das Feld der Altersadjektive, usw.; vgl. 3.1 ff. Die Wortfelder dürfen nicht mit den folgenden Phänomenen verwechselt oder gleichgesetzt werden (für eine ausführlichere Darlegung vgl. H.Geckeier, Strukturelle Semantik SS.199-200):

22 1. Die Wortfelder stellen keine Taxoncmien dar, d.h. keine wissenschaftlichen Klassifizierungen der außersprachlichen Wirklichkeit. 2. Die Wörtfelder sind keine Sachbereiche objektiver Art. 3. Die Wortfelder sind keine Assoziationsfelder (vgl. 2.1.1). 4. Die Wortfelder haben nichts zu tun mit der Struktur der Interpretation eines signifiant (vgl. 2.1.2). Es gibt kein Feld, das nur e i n

Lexem umfaßt.

5. Die Wortfelder sind nicht identisch mit Begriffsfeldern. Jedes Wortfeld ist zwar ein Begriffsfeld, aber nicht jedes Begriffsfeld maß auch ein Wortfeld sein. 2.4.2 Lexikalische Klasse Definition nach E.Coseriu, Lexikalische Solidaritäten SS.294-295: Eine Klasse ist die Gesamtheit der Lexeme, die unabhängig von der Wortfeldstruktur durch einen gemeinsamen inhaltsunterscheidenden Zug zusammenhängen. Klassen manifestieren sich durch ihre grammatische und lexikalische 'Distribution'; d.h. die Lexeme, die zu derselben Klasse gehören, verhalten sich grammatisch, bzw. lexikalisch analog: sie können grammatisch gleiche Funktionen übernehmen und erscheinen in grammatisch, bzw. lexikalisch analogen Kombinationen.

Als Beispiele für Klassen in einer bestimmten Sprache, so z.B. im Französischen, können bei den Substantiven die Klasse der Lebewesen, die Klasse der Nicht-Lebewesen, die Klasse der Personen und die der Nicht-Personen, bei den Verben die Klasse der transitiven (evtl. mit weiteren Untergliederungen) und die der intransitiven Verben angeführt werden. E.Coseriu unterscheidet zwei Arten von Klassen: a)

D e t e r m i n i e r e n d e

Klassen: hierbei handelt es sich um Klassen,

die durch Klasseme (vgl. 2.4.6) charakterisiert sind, so z.B. die Klassen "Personen", "Tiere", usw. b)

D e t e r m i n i e r t e

Klassen: dies sind Klassen, die durch unter-

scheidende Züge wie 'bezieht sich auf die Klasse x' charakterisiert sind, so z.B. frz. bouohe - gueule, jambe - patte ('bezieht sich auf die Klasse der Personen' - 'bezieht sich auf die Klasse der Tiere'). Über das Verhältnis zwischen Wortfeldern und Klassen handelt E.Coseriu, Les structures lexêmatiques SS.12-13. 2.4.3 Lexem Lexeme

nennen wir die Glieder eines Wortfeldes, d.h. die in einem Wort-

feld funktionierenden lexikalischen Einheiten. So funktionieren im Wortfeld der frz. Altersadjektive u.a. folgende Lexeme: vieux, jeune, âgé, ancien, moderne, usw.

23 2.4.4

Archilexem

"Eine Einheit, die dem ganzen Inhalt eines Wortfeldes entspricht, ist ein Archilexem"

(E.Coseriu, Lexikalische Solidaritäten S.294).

Das Archilexem stellt scmit als gemeinsamer Nenner die inhaltliche Grundlage für alle im Feld funktionierenden Lexeme dar. Das Archilexem eines bestürmten Feldes kann in einer Einzelsprache als lexikalische Einheit wirklich realisiert sein (so z.B. im Falle von siège als Archilexem für ohaise, fauteuil, tabouret, canapé, usw.), kann aber auch als ausgeprägte lexikalische Einheit nicht existieren (so gibt es z.B. im Frz. kein archilexematisches Wort für das Feld der Altersadjektive). 2.4.5

Sem

Die (kleinsten) inhaltsunterscheidenden Züge bei der semantischen Analyse von Lexemen können S e m e

genannt werden (frz. auch traits distinctifs oder

pertinents de oontenu, engl, auch distinotive content features oder aomponents). Sie entsprechen teilvreise L.Hjelmslevs "content figurae" oder H.S.SfzSrensens "primitives". So ergibt z.B. B.Pottiers Analyse des Inhalts von fauteuil (vgl. 3.1.2) folgende Seme: 'avec dossier', 'sur pieds', 'pour une personne', 'pour s'asseoir', 'avec bras', 'avec matériau rigide1. 2.4.6

Klassem

"Der Inhaltszug, durch den eine Klasse definiert wird, ist ein

Klassem"

(E.Coseriu, Lexikalische Solidaritäten S.295). Beispiele für Klassare im Frz.: 'belebt', 'unbelebt'; 'Person', 'Nicht-Person'; usw. Klasseme sind eine bestürmte Art von Semen, die auch außerhalb der Wortfelder bzw. durch eine Reihe von Wortfelder hindurch funktioniert. Die Entscheidung, ob es sich im Einzelfall bei einem inhaltsunterscheidenden Zug um den Status eines Sems oder eines Klassems handelt, kann nicht a priori, sondern nur a posteriori getroffen werden, d.h. erst durch den Vergleich von Ergebnissen umfangreicher semantischer Analysen. Die Klasseme sind allgemeine Determinationen im Wortschatz , so daß man diese 'Klassifizierung' des Wortschatzes als eine Art Grairmatik des Lexikons ansehen könnte. Klasse und Klassem dürfen nicht verwechselt werden. So stellen lexikalische Klasse und Wortfeld primäre paradigmatische Strukturen des Wortschatzes dar, während Klassem und Sem zu den unterscheidenden Zügen des lexematischen Inhalts gehören.

24 2.4.7

Dimension

Zusätzlich zu den von E.Coseriu (und z.T. auch von B.Pottier und A.J.Greimas) für die Wbrtfeldanalyse explizit angegebenen terminologischen Grundbegriffen haben wir noch den Begriff der lexematisehen "Dimension", in Anlehnung an F.G. Lounsbury, in die Semantik eingeführt. Unter einer D i m e n s i o n verstehen wir einen Gliederungsgesichtspunkt, der in einen Wortfeld funktioniert und der sozusagen die Skala für die Oppositionen zwischen bestimmten Lexemen des betreffenden Wortfeldes bildet (vergleichbar Greimas' "axe sémantique"); innerhalb einer Dimension kann dann auch der Begriff des s e m a n t i s c h e n P o l s sinnvoll eingebaut und verwendet werden. Die Dimension stellt eine Art intermediärer Archieinheit zu den betreffenden Lexemen dar. Ein Wortfeld kann durch eine oder auch durch mehrere Dimensionen 'artikuliert1 werden; so funktionieren im Wortfeld der Altersadjektive im heutigen Französisch zumindest die folgenden Dimensionen: "Eigenalter" und "Zeitliche Einordnung", vgl. 3.2.5. 2.4.8

Formel zur Bestimmung des lexematischen Inhalts (im nominalen Bereich)

Mit Hilfe des nunmehr für die Analyse bereitgestellten begrifflichen Instrumentariums läßt sich der Inhalt eines Lexems beschreiben als zusammengesetzt aus: I

2.4.9

=

£Archilexem +

(Dimension (en) + Sem(e)) + Klassem(e)

Cppositionstypen

Als erster unseres Wissens hat E.Coseriu (in: Pour une sémantique diachronique structurale) die in der Phonologie der Prager Schule entwickelten Oppositicnstypen konsequent in die Lexematik übertragen und für diese adaptiert. Von diesen Oppositionstypen sollen uns hier nur jene drei interessieren, die N.S.Trubetzkoy nach dem Kriterium des "zwischen den Oppositionsgliedern waltenden Verhältnisses" folgendermaßen bestimmt hat (Grundzüge SS.66ff.): a) " P r i v a t i v e Oppositionen sind solche, bei denen das eine Cppositionsglied durch das Vorhandensein, das andere durch das Nichtvorhandensein eines Merkmales gekennzeichnet sind, ..." Als Beispiel einer privativen Opposition im Wortschatz führt Coseriu einige lateinische Farbadjektive an:

25 Lichteffekt

+ Lichteffekt

albus

Candidus

äquipollente

a ter

niger

Opposition

(vgl.c))

private Opposition

Es scheint, als cb die privativen Oppositionen den wichtigsten Cppositionstyp darstellen. b)

"Graduelle

Oppositionen sind solche, deren Glieder durch verschie-

dene Grade oder Abstufungen derselben Eigenschaft gekennzeichnet sind, ..." Beispiel für graduelle Oppositionen im Wortschatz: das Feld der Tenper aturad jektive im Frz. (vgl. jedoch auch 3.4.2): gelé

c)

froid

frais

" Ä q u i p o l l e n t e

tiède

chaud

brûlant

Oppositionen sind solche, deren beide Glieder

logisch gleichberechtigt sind, d.i. weder als zwei Stufen einer Eigenschaft noch als Verneinung und Bejahung einer Eigenschaft gewertet werden, ..." Als Illustration von äquipollenten lexematischen Oppositionen kann das Feld der Grundfarbenadjektive im Frz. gelten: so steht ein Farbadjektiv, z.B. ronge, allen anderen Farbadjektiven (jaune, vert, bleu, usw.) 'logisch gleichberechtigt' gegenüber (vgl. auch 3.4.1). 2.4.10 Konnutationsprdbe L.Hjelmslev, Le langage S.173, versteht unter Kcmnutationsprobe: "l'épreuve qui doit servir à montrer si le remplacement d'un élément par un autre dans le plan de l'expression de la langue peut entraîner une distinction dans le plan du contenu, ou si le remplacement d'un élément par un autre dans le plan du contenu peut entraîner une différence dans le plan de l'expression."

Zunächst dient die Kcrrrnutationsprobe zur Identifizierung der funktionellen Einheiten, der Invarianten, innerhalb eines Paradigmas. Diesen Dienst braucht sie jedoch für die Inhaltsanalyse nicht zu leisten, da hier ja die Einheiten als schon identifiziert gegeben sind. Die Kcmnutationsprabe stellt aber andererseits auch das Instrument für die Analyse von Lexemen in inhaltsunterscheidende Züge dar, und als ein solches brauchen wir sie für die Zwecke dieser Arbeit.

26

3

STRUKTURELLE SEMANTIK DES FRANZÖSISCHEN: PRIMÄRE PARADIGMATISCHE STRUKTUREN

3.0.1 Vorbemerkungen Im vorliegenden Kapitel beschränken wir m s bei den primären paradigmatischen Strukturen auf die Wortfelder. Diese Einschränkving ist in erster Linie durch den Forschungsstand bedingt. Noch gibt es viel zu wenig Studien zur Klassematik des Wortschatzes (irrrnerhin zu erwähnen wären hier Projekte zur Untersuchung der Klassematik der Verben von M.Gross und seinem Mitarbeiterteam sowie von W.Busse). Nun ist auch die Lage der Forschung im Bereich der Wortfelduntersuchungen alles andere als glänzend: wir stehen eben noch ganz am Anfang einer strukturell-semantischen Betrachtung des Wortschatzes. Doch ein Anfang ist irrmerhin gemacht, und einige Skizzen und Studien zu Wortfeldern des Französischen liegen vor. Somit macht die relative Dürftigkeit des Angebots Auswahlkriterien geradezu überflüssig: an Richtmaßstäben haben wir im allgemeinen lediglich den eines weitgefaßten strukturell-semantischen 'approach' und den einer approximativen Synchronie des betreffenden französischen Wortfeldes für das 20. Jahrhundert angelegt. Es ist nicht auszuschließen, daß wir, angesichts der rasch zunehmenden Zahl an allgeirein-linguistischen und romanistischen Fachzeitschriften in den letzten Jahren, den einen oder anderen Beitrag, der eine Berücksichtigung in diesem Arbeitsheft verdient hätte, übersehen haben. Dafür möchten wir schon im voraus um Nachsicht bitten. Wir werden dieses umfangreiche Kapitel folgendermaßen gliedern: 1. Skizzen von Wortfeldern, an denen wir selbst Modifikationen und Erweiterungen vorschlagen bzw. in Form von Aufgaben anregen; 2. Ausführlichere Wortfeldanalysen; 3. Berrerkungen zu diversen lexikologischen Studien, die nicht der von uns vertretenen Methode entsprechen; 4. Anregungen zu weiteren Wortfeldstudien, die als zukünftige Aufgaben für die deskriptive Semantik (auch zur Bearbeitung im Rahmen von Seminarübungen) gedacht sind.

27 3.0.2

Bibliographische Kurzhinweise

Handbücher, oder zusammenfassende Übersichten über die strukturelle Semantik der französischen Sprache gibt es, wie gesagt, noch nicht und kann es eigentlich auch noch gar nicht geben (vgl. auch Einleitung). Im folgenden führen wir drei neuere Handbücher zur französischen Semantik an, die jedoch entweder überhaupt nicht oder höchstens ansatzweise der Konzeption einer strukturellen Semantik nahestehen: E.Gamillscheg, Französische Bedeutungslehre (traditionell-historisch orientiert) S.Ullmann, Précis de sémantique française (stellt eine Anwendung der Principles of Semantics auf das Französische dar; synchronische und diachronische Fragestellungen) O.Duchâcek, Précis de sémantique française (enthält eine längere Sektion über "Structure du lexique", der größere Teil des Buches betrifft jedoch den Bedeutungswandel).

3.1

Skizzen von Wörtfeldern

3.1.0

Im folgenden sollen einige Versuche zur Strukturierung von Wortfeldern

vorgestellt werden, die von den betreffenden Autoren vor allem als Illustration einer Methode konzipiert wurden und wo deshalb auf Vollständigkeit der Analyse oder auf volle faktische Richtigkeit der Ergebnisse bewußt weniger Vfert gelegt wurde. 3.1.1

Greimas' Skizze des Feldes der

D i m e n s i o n s a d j e k t i v e

In seiner Monographie Sémantique structurale führt A.J.Greimas (vgl. auch 2.3.2) als Beispiel für eine Inhaltsanalyse seines Typs "le système sêmique de la spatialitê" in seiner adjektivischen Ausprägung im modernen Französisch an. Wir zitieren aus dieser Arbeit (SS.32-33): Dans son aspect adjectival, l'opposition entre haut et bas paraît pouvoir s'interpréter à l'aide de la catégorie de la "quantité relative", qui s'articule en deux sèmes: "grande quantité" vs "petite quantité", constituant le cadre binaire du jugement porté par le locuteur, par rapport à une norme idéale, sur des contenus sémiques variés. Ainsi, la même catégorie et les mêmes termes sémiques se trouvent manifestés dans les couples lexématiques tels que long vs court, large vs étroit, etc. Comme il n'est pas dans notre intention d'entreprendre ici l'analyse sêmique de la catégorie de la "quantité relative", nous pouvons mettre entre parenthèses cette opposition sêmique en utilisant le seul lexême composant le sème "grande quantité" pour désigner les deux lexêmes opposés. A la suite de cette s u s p e n s i o n , il devient plus simple de s'interroger sur la signification de l'axe très général qui comporte les oppositions haut vs long vs large vs vaste vs épais.

28 En donnant à cet axe le nom de "spatialitê", on s'aperçoit qu'une première division dichotomique permet d'en distinguer deux aspects, tels qu'ils se manifestent en français par l'opposition lexicalisée de espace vs étendue, et que l'on peut désigner comme dimensionalitê

non-dimensionalitê

(haut vs long vs large)

(vaste vs épais)

Pour simplifier une fois de plus notre exemple, arrêtons à cet endroit l'analyse de la "non-dimensionalité". Le sème "dimensionalitê" peut à son tour être considéré comme un axe sémique faisant apparaître une nouvelle articulation en verticalité

horizontalité

(haut)

(long vs large)

Le sème "horizontalité", considéré comme axe, s'articule en de nouveaux sèmes, qu'on peut désigner comme perspectivité

latéralité

(long)

(large)

Remarque : ... Toutes ces articulations peuvent être reprises dans un tableau d'ensemble: spatialitê l dimensionalitê 1 1 horizontalité .

I perspectivité (long/court)

1 non-dimensionalitê

1 verticalité (haut/bas)

I superficie (vaste/x)

I latéralité (large/étroit)

1

1 volume (épais/mince)

Ce schéma représente (très incomplètement, éteint donné que l'analyse de la "non-dimensionalitê" n'est même pas esquissée) ce qu'on pourrait appeler le s y s t è m e s é m i q u e de la s p a t i a l i t ê . Als Matrix dargestellt sieht das Resultat folgendermaßen aus (Sémantique structurale S.35): SEMES spatialitê

dimensionalitê

verticalité

horizontalité

perspectivité

latéralité

LEXEMES\. ¡haut *bas

+ +

+ +

,long * court

+ +

+ +

,large * étroit

+ +

+ +

, vaste épais

+ +

-

1

_

_

-

-

-

+ +

+

-

-

+

-

-

+

-

+

-

+



+

+ + -

29 + bedeutet: Das betreffende Sem (ggf. axe semique) ist anwesend bzw. positiv in der Semenstruktur. - bedeutet: Das betreffende Sem (ggf. axe semique) ist abwesend bzw. negativ in der Semenstruktur.

Aus der Matrix läßt sich also z.B. für haut /bas folgender gemeinsamer Inhalt ablesen: 'spatialité' + 'dimsnsionalité' + 'verticalité1. Dazu kaimt noch: Die inhaltliche Opposition zwischen den beiden Adjektiven beruht dagegen auf ihrem polaren Verhältnis in bezug auf die Kategorie "quantité relative", die sich in die beiden Seme 'grande quantité' (im Falle von haut) und 'petite quantité' (im Falle von bas) aufgliedert. Entsprechendes gilt für long/court, large/étroit, épais/minee.

In der hierarchischen Gliederung der Seme (z.B. 'horizontalité' ist 'perspectivité' und 'latéralité' übergeordnet) stellt das nächsthöhere Sem dem entsprechend nächstniedrigeren San gegenüber ein "axe sémique", eine Art Archieinheit zu bestimmten Semen, dar (vgl. unsere D i m e n s i o n in 2.4.7). Was nun die faktische Richtigkeit dieser Analyse betrifft, so wollte sich Greimas von vornherein gegen Einwände dieser Art absichern: "les exemples choisis le sont pour illustrer la réflexion et non pour prouver quoi que ce soit: non seulement ils ne se prêtent pas à l'extrapolation, mais ils ne sont mène pas nécessairement 'vrais' dans le domaine restreint qu'ils recouvrent" (a.a.O. S.32). Auch betont er verschiedentlich die Vereinfachung und die Unvollständigkeit seiner materiellen Untersuchung. - Die Kritik, die M.Wandruszka (Der Ertrag des Strukturalismus SS.620ff.) an Greimas' Untersuchungsergebnissen zum "système semique de la spatialité" übt, ist von den Fakten her sicher berechtigt. Einige seiner Einwände sollen hier kurz angeführt werden, im Sinne einer Korrektur und Erweiterung der Greimas'sehen Skizze. Wandruszka ersetzt die Unbekannte in Greimas' 'algebraisch' anmutender Opposition vaste/x durch étroit und stellt dann folgende ternäre Opposition auf: large étroit vaste

Weiterhin weist er auf das Fehlen von profond und plat in Greimas' System hin. Sanit kanttt zur binären Opposition haut/bas eine andere ternäre hinzu:

30

épais I ^plat. Schließlich müßte auch noch das Adjektiv gros berücksichtigt werden. - Diese knappen Bemerkungen erschöpfen natürlich die Komplexität des Feldes der Dimensionsadjektive im heutigen Französisch bei weitem nicht. Aufgabe: Vergleichen Sie die Ergebnisse von Greimas mit denen von M.Bierwisch (Some Semantic Universals of German Adjectivals. In: FL 3 (1967), S.l-36) zur inhaltlichen Struktur der deutschen Raumadjektive. 3.1.2

Pottiers Skizze des Wortfeldes

" s i è g e s

"

Bevor wir auf B.Pottiers Analyse eingehen, soll zunächst das weitgehend von ihm dafür geschaffene begriffliche Instrumentarium (vgl. 2.3.1) kurz vorgestellt werden. Dieses wurde zum Teil in deutlicher Parallele zu schon existierenden Unterscheidungen im phonischen Bereich entwickelt. Als für die Lexematik relevant führt Pottier folgende Terminologie ein: Sem

= "le trait distinctif sémantique minimum" (Vers une sémantique moderne S.124).

S e m e m

= "l'ensemble des traits sémantiques pertinents (ou sèmes) entrant dans la définition de la substance d'un lexême" (Recherches S.8).

L e x e m

= "la formalisation d'un sémême" (Recherches S.8), d.h. dessen lexikalische Realisierung.

L e x i e

= "l'unité lexicale mémorisée" (Grammaire S.16). "Une lexie peut contenir un seul lexême (chaise, à tâtons) ou plusieurs (battre la campagne)" (Vers une sémantique moderne S.119).

A r c h i s e m e m

= "l'ensemble des sèmes communs à plusieurs sémêmes" (Vers une sémantique moderne S.124).

A r c h i l e x e m

(auch c o v e r - w o r d und i n c l u s i f genannt) = die lexikalische Realisierung (effektive Ausprägung) eines Archisemems.

K 1 a s s e m

(dieser Terminus scheint eine Prägung Pottiers zu sein) = "une caractérisation d'appartenance de sémêmes à des classes générales sémantico-fonctionnelles: animation, continuité, transitivité" (Vers une sémantique moderne S.125).

V i r t u e m

(ebenfalls eine Schöpfung Pottiers) = variable Seme, die die konnotative, nicht die denotative Bedeutung betreffen. So wäre das Virtuem oder ein Virtuem von rot: "Gefahr" (nach Présentation S.27) (Die sprachliche Fundierung dieser Kategorie kann bezweifelt werden).

31

Zusaimenfassend und zugleich überleitend zitieren wir aus Pottiers 'Grundlegung einer Theorie der Linguistik' (Présentation S.26): Le contenu sémique d'un lexême est son s ê m ê m e . Le s ê m è m e est l'ensemble des s è m e s . Le s è m e est le trait distinctif minimal de signification, et se révèle par opposition dans un ensemble lexical. Ce n'est donc qu'en travaillant sur de petits e n s e m b l e s l e x i qu'on peut établir les sèmes d'un sémëme. c a u x

Pottier hat nun in der Tat die Analyse eines solchen "petit ensemble lexical", das begrifflich weitgehend unserem W o r t f e l d

entspricht, zumindest in

reduziertsri Umfang durchgeführt und vorgelegt: es handelt sich um das Feld der Bezeichnungen für Sitzgelegenheiten ("sièges") im modernen Französisch (vgl. Recherches SS.11-19). Er beschränkt sich in seiner Untersuchung auf folgende fünf 'Lexien': chaise, fauteuil, tabouret, canapé, pouf.

Nach Pottiers Analyse weist der Inhalt von ohaise folgende Seme auf: sj: 'avec dossier', s 2 : 'sur pied', s^: 'pour 1 personne 1 , s 4 : 'pour s'asseoir'.

Die 'Lexie' fauteuil ist durch dasselbe Semem (S) wie ahaise bestürmt, dazu kennt jedoch noch ein weiteres Sem, nämlich S5: 'avec bras'.

Schematisch in Matrix-Porm dargestellt sieht das Ergebnis von Pottiers Inhaltsanalyse der 5 o.a. Glieder des Feldes "sièges" folgendermaßen aus: S

1

s

2

s

3

s4

s

5

s

6

chaise

+

+

+

+

-

+

fauteuil

+

+

+

+

+

+

= S1 = s2

tabouret

-

+

+

+

-

+

=

+

+

= S4

-

-

= s5

canapé

+

+

-

+

pouf

-

+

+

+

Sj: S2: S3: s4: s5:

S

3

'avec dossier' 'sur pied' 'pour 1 personne' 'pour s'asseoir' 'avec bras'

sg: 'avec matériau rigide'

Anmerkung: In Pottiers Aufsatz La dêfiniticai sémantique erscheint die Einheit pouf nicht mehr in der Matrix; sanit wurde auch das Sem sg irrelevant.

32 Allen erwähnten Einheiten gemeinsam sind die Sane S2 und S4, also 'sur pied' und 'pour s'asseoir'; diese beiden Sene konstituieren das Archisemem des Feldes, dessen lexikalische Realisierung das Archilexan siège ist. Die einzelnen 'Lexien' können nun paarweise so opponiert werden, daß sie sich jeweils nur durch einen einzigen unterscheidenden Zug differenzieren (bei Identität der übrigen Sems) : pouf

- tabouret

: Sg

tabouret

- chaise

: s > w u w

01

3 s

a ai e> c 3 N H a A S M dl •o Cn c 3 M «o .-i M H H

TJ

I£ •H i-l

I

C 01 G O •H •p ai ra & H rH ai o c j 4-1 A •H 01 •o rH •H a 3 ra si u m M 0) ai Oi •H -O C «o •P m t—t rH 0

>

e H

46

47 machen" (L.Weisgerber, Grundzüge S.65). Als Beispiele für solche Zusamtengriffe seien grand-père

(entspricht sowohl der logischen Bestinmung W

(entsprechend auch grand-mère ) und oncle auch tante)

angeführt (Onale und tante

als auch VM)

(= SW/SMV und SVM/SNM) (entsprechend bezeichnen dazu auch noch angeheiratete

Verwandte: z.B. Gatte der Schwester des Vaters oder Gatte der Schwester der Mutter =

onale).

- Nach diesen allgemeineren einführenden Betrachtungen (mit vereinfachtem Anschauungsmaterial) wenden wir uns nunmehr der Beschreibung des Wortfeldes der Verwandtschaftsbezeichnungen im Französischen zu (Dabei stützen wir uns weitgehend auf J.Dubois - L.Irigaray, Les structures linguistiques de la parenté). Die beiden Autoren nehmen eine doppelte Grundopposition für dieses System an: 1° EGO / parent 2° EGO + les parents / les étrangers (wobei hier: "parent définit n'importe quel type de rapport parental", und étranger "dénote toute personne non apparentée (qui n'est pas dans la famille)", a.a.O. S.49). Kamen wir nun zu den strukturellen Dimensionen des Feldes. Das System der Verwandtschaftsnamen gründet sich auf eine Reihe von

D i m e n s i o n e n

(dieser Gebrauch stinnrt mit dem von uns vorgeschlagenen - vgl. 2.4.7 - überein), die sich durch binäre Oppositionen darstellen lassen. Blutsverwandtschaft (consanguinité) Verwandtschaft durch Anheirat bzw. Verschwägerung (parenté par alliance) Hier geht es also um die Gegenüberstellung der Gesamtheit der Glieder einer Familie, die durch Bande des Blutes miteinander verbunden sind, zu denjenigen, die blutsfremd sind, jedoch (durch Heirat) in die Familie aufgenommen werden. Im folgenden werden wir nur die Verhältnisse innerhalb der Blutsverwandtschaft betrachten, doch sollen zur Heiratsverwandtschaft hier noch einige Bemerkungen folgen. In der morphologischen Struktur spiegelt sich diese Opposition sehr klar wider: den einfachen Lexemen der Blutsverwandtschaft wie père, mère, frère, soeur, fils, fille stehen im Bereich der Verwandtschaft durch Anheirat Bildungen mit dem blockierten Morphem beau- - belle- + père, mère usw., gegenüber. Die Sprachbedeutung dieses Morphems könnte man mit "nicht blutsverwandt" angeben, wobei zwei Typen von Redebedeutungen auftreten: In interlingualer Formulierung: 1. die Serie "Schwieger-" (mit Variation), 2. die Serie "Stief-": Beau-père

bezeichnet 1. den Schwiegervater 2. den Stiefvater

Belle-mère bezeichnet 1. die Schwiegermutter 2. die Stiefmutter (marâtre heute nur noch im übertragenen Sinne: "mère dénaturée, mauvaise mère")

Beau-fils

bezeichnet 1. den Stiefsohn 2. den Schwiegersohn (aber viel geläufiger dafür: gendre)

Belle-fille

bezeichnet 1. die Schwiegertochter (seltener dafür bru)

Beau-frère

bezeichnet nur den Schwager.

2. die Stieftochter Die Entsprechung für "Stiefbruder" wäre frère consanguin