BAND 62 Die Syntax des Imperativs: Eine strukturelle Analyse zum Westgermanischen und Romanischen 9783050085272, 9783050041896

Die Analyse des Imperativs stellt vor allem für die generative Syntaxtheorie eine Herausforderung dar. Denn weder kann d

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German Pages 264 Year 2005

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Table of contents :
Einleitung
1. Der Imperativische Modus und seine morphologische Repräsentation
1.1. Einleitung
1.2. Der Imperativische Modus im System der Modalitäten
1.3. Flexionsmorphologie
2. Die Imperativische Verbbewegung
2.1. Einleitung
2.2. Verbbewegung
2.3. Die Imperativische Verbbewegung in vergangenen Forschungsarbeiten
2.4. Die Imperativische Verbbewegung nach INFL
2.5. Die Imperativische Verbbewegung nach C
3. Imperativierung und Negation
3.1. Einleitung
3.2. Satznegation
3.3. Die Negation in vergangenen Forschungsarbeiten
3.4. Die Repräsentation und Identifikation von Negationsoperatoren in Imperativischen Strukturen
4. Das Imperativische Null-Pronomen
4.1. Einleitung
4.2. Die subjektivischen Null-Pronomen PRO und pro
4.3. Das Imperativsubjekt in vergangenen Forschungsarbeiten
4.4. Die Lizenzierung und Identifizierung von Imperativischen Subjekten
Schlussbetrachtung
Bibliographie
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BAND 62 Die Syntax des Imperativs: Eine strukturelle Analyse zum Westgermanischen und Romanischen
 9783050085272, 9783050041896

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Melani Wratil Die Syntax des Imperativs

studia grammatica Herausgegeben von Manfred Bierwisch unter Mitwirkung von Hubert Haider, Stuttgart Paul Kiparsky, Stanford Angelika Kratzer, Amherst Jürgen Kunze, Berlin David Pesetsky, Cambridge (Massachusetts) Dieter Wunderlich, Düsseldorf

studia grammatica 62

Melani Wratil

Q j g

S y i l t a X

des Imperativs Eine strukturelle Analyse zum Westgermanischen und Romanischen

Akademie Verlag

ISBN 3-05-004189-7 ISSN 0081-6469 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2005 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. All rights reserved (including those of translation into another languages). No part of this book may be reproduced in any form - by photoprinting, microfilm, or any other means - nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Druck und Bindung: MB Medienhaus Berlin Printed in the Federal Republic of Germany

Vorwort

Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich im Juli 2004 an der Philosophischen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt a. M. eingereicht habe. Allen, die zu ihrer Entstehung beigetragen haben, möchte ich herzlich danken. Mein allererster Dank gilt meinen beiden Betreuern Günther Grewendorf und Peter Gallmann für ihre wohlwollende Förderung und ihr unermüdliches Interesse. Sie haben mir während der vergangenen Jahre stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Ohne sie wäre diese Arbeit sicherlich niemals fertig gestellt worden. Bedanken möchte ich mich auch für die wertvolle wissenschaftliche und/oder seelische Unterstützung bei Wolfgang Brauneis, Mark Brüderle, Manfred Consten, Tobias Czybulka, Eva Dobler, Eric Fuß, Jost Gippert, meinen lieben Freunden und Kollegen aus dem Graduiertenkolleg Satzarten: Variation und Interpretation - darunter ganz besonders Magda Schwager und Marina Stoyanova - , Kleanthes Grohmann, Liliane Haegeman, Horst Lohnstein, Rosemarie Lühr, Mark Matter, Cecile Meier, Florian Meier, Peter Ohl, meinen beiden lieben Postdocs Christian Plunze und Malte Zimmermann, Peter Seils, Daniel van den Eijkel, Rainer Voßen, Marina Wratil und Ede Zimmermann. Abschließend möchte ich Manfred Bierwisch und dem Akademie Verlag für die Aufnahme der Arbeit in der Reihe studia grammatica meinen ganz herzlichen Dank aussprechen. Köln, Juli 2005

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

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1. Der Imperativische Modus und seine morphologische Repräsentation 1.1. Einleitung 1.2. Der Imperativische Modus im System der Modalitäten 1.2.1. Die Modalebenen 1.2.1.1. Epistemik und Deontik 1.2.1.2. Agensorientierte und sprecherorientierte Modalität 1.2.2. Der Imperativische Modus 1.2.2.1. Direktivität 1.2.2.2. Grammatikalisierung 1.2.3. Zusammenfassung 1.3. Flexionsmorphologie 1.3.1. Die Flexionskategorien des Imperativischen Verbs 1.3.2. Die Imperativische Flexionsmorphologie im Westgermanischen und Romanischen 1.3.3. Imperativierbarkeit 1.3.4. Zusammenfassung

15 15 15 15 15 17 21 21 22 26 27 27

2. Die Imperativische Verbbewegung 2.1. Einleitung 2.2. Verbbewegung 2.2.1. Die Prinzipien- und Parametertheorie 2.2.1.1. X-bar-Schema und Satzstruktur 2.2.1.2. Die Repräsentationsebenen 2.2.1.3. Verbbewegung und Split-INFL 2.2.2. Das minimalistische Modell 2.2.2.1. Die Schnittstellenebenen LF und PF 2.2.2.2. Verkettung und Bewegung 2.2.2.3. Die Prinzipien der Ökonomie 2.2.3. Zusammenfassung 2.3. Die Imperativische Verbbewegung in vergangenen Forschungsarbeiten 2.3.1. Rivero und Terzi (1995) 2.3.2. Han (1998) 2.3.3. Belletti (1999) 2.3.4. Rupp (2003) 2.3.5. Zusammenfassung und Kritik

43 43 43 43 44 46 51 58 58 60 64 65 66 67 70 73 77 82

30 36 42

8

Inhaltsverzeichnis 2.4. Die Imperativische Verbbewegung nach INFL 89 2.4.1. Die Imperativische Verbbewegung formal markierter Imperative . . . . 89 2.4.2. Die Imperativische Verbbewegung formal unmarkierter Imperative .. 91 2.5. Die Imperativische Verbbewegung nach C 95 2.5.1. V2 und die Entwicklung der Imperativischen V-nach-C-Bewegung .. 95 2.5.1.1. Die Imperativische V-nach-C-Bewegung in den modernen westgermanischen und romanischen Sprachen 95 2.5.1.2. V2 und VI im Westgermanischen und Romanischen 100 2.5.1.3. V2 und die Entwicklung der CP 104 2.5.1.4. Die Restrukturierung von Matrixsätzen als C-Projektion . . . 105 2.5.1.5. VI und die Fixierung der Imperativischen V-nach-C-Bewegung 108 2.5.1.6. Imperativische V-nach-C-Bewegung auf LF: das moderne Englische 112 2.5.2. Split C 116 2.5.2.1. Die interne Struktur der C-Projektion 116 2.5.2.2. Der Imperativische Null-Operator in SpecFoc 125 2.5.3. Imperativierung und Klitisierung 128 2.5.3.1. Romanische Enklitika 128 2.5.3.2. Die Proklitisierung und ihre Entwicklung 131 2.5.3.3. Das affixale Enklitikon imperativierter und anderer finiter Verben 135 2.5.3.4. Klitisierung in infiniten Konstruktionen 140 2.5.3.5. Westgermanische Klitika 142 2.5.4. Zusammenfassung 145

3. Imperativierung und Negation 3.1. Einleitung 3.2. Satznegation 3.2.1. Jespersens Zyklus 3.2.2. NegP 3.2.3. Das Neg-Kriterium 3.2.4. Overte Negationsoperatoren 3.2.5. Coverte Negationsoperatoren 3.2.6. Jespersens Zyklus und Verbbewegung 3.2.7. Negative Konstituenten 3.2.8. Zusammenfassung 3.3. Die Negation in vergangenen Forschungsarbeiten 3.3.1. Zanuttini (1997) 3.3.2. Han (2001) 3.3.3. Zusammenfassung und Kritik 3.4. Die Repräsentation und Identifikation von Negationsoperatoren in Imperativischen Strukturen 3.4.1. Überblick: Der Imperativische Modus und seine Negationsunverträglichkeit 3.4.2. Imperativische Negationsinkompatibilitäten 3.4.3. Imperativische Negationskompatibilitäten

149 149 149 149 153 155 156 161 162 165 167 169 169 173 175 179 179 184 187

Inhaltsverzeichnis 3.4.4. Imperativische Negationsauxiliare 3.4.5. Die Negation englischer Imperative 3.4.6. Zusammenfassung

9 191 193 197

4. Das Imperativische Null-Pronomen 4.1. Einleitung 4.2. Die subjektivischen Null-Pronomen PRO und pro 4.2.1. PRO 4.2.2. pro 4.2.3. Zusammenfassung 4.3. Das Imperativsubjekt in vergangenen Forschungsarbeiten 4.3.1. Platzack & Rosengren (1998) 4.3.2. Potsdam (1998) 4.3.3. Zusammenfassung und Kritik 4.4. Die Lizenzierung und Identifizierung von Imperativischen Subjekten 4.4.1. Die kanonische Subjektlosigkeit formal unmarkierter Imperative . . . 4.4.2. Overte Imperativsubjekte 4.4.3. Vokativ vs. Imperativsubjekt 4.4.4. Coverte Imperativsubjekte 4.4.5. Topik-NP-Deletion und Subjektlosigkeit 4.4.6. Die Einsetzbarkeit von Null-Pronomen 4.4.7. Die Lizenzierung und Identifizierung des Imperativischen Null-Pronomens 4.4.8. Die Lizenzierung overter Imperativsubjekte 4.4.9. Zusammenfassung

199 199 199 199 203 208 209 209 212 215 218 218 220 224 227 229 232 236 239 240

Schlussbetrachtung

243

Bibliographie

247

Einleitung

Der Imperativ wird im Allgemeinen als unbequem empfunden. Der Sprecher nimmt nämlich, indem er durch dessen Verwendung nicht etwa seinen persönlichen Standpunkt hinsichtlich der Existenz eines bestimmten Ereignisses kundtut, sondern letzteres als Handlungskondition seinem Adressaten unmittelbar auferlegt, zumindest fur ein gewisses Intervall des sprachlichen Diskurses eine Autorität an sich, die rein intuitiv nicht selten mit Zudringlichkeit oder Bevormundung assoziiert wird. Der Imperativ erfreut sich daher, obgleich er im konkreten Gebrauch natürlich keineswegs stets derartige Befindlichkeiten der Belastung oder Unterdrückung evoziert, keiner großen Beliebtheit. In der Linguistik sollte dieses Unbehagen eigentlich nicht zu verspüren sein. Dennoch lässt sich beobachten, dass zumindest innerhalb der generativen Syntaxforschung der Imperativische Modus und der mit ihm verbundene Imperativische Satztyp zunächst nicht gerade überschwänglich mit Aufmerksamkeit bedacht wurden. Diese anfangliche Vernachlässigung ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass im Rahmen der grammatischen Theoriebildung zunächst ausschließlich diejenigen Phänomene berücksichtigt wurden, welche über die grundlegenden syntaktischen Gesetzmäßigkeiten Aufschluss zu geben vermochten. Im Gegensatz zu Deklarativ- und Interrogativsätzen, die sich zwar hinsichtlich ihrer Wortstellung, jedoch nicht in ihren verbalen Flexionskategorien unterscheiden und von denen man daher annahm, dass vornehmlich sie relevante Einblicke in die strukturellen Generierungs- und Transformationsregularitäten gewähren, erschienen reine Imperativsätze dadurch, dass sie mittels distributioneller Verschiebungen satztypenspezifisch nicht modifizierbar sind, wenig geeignet für die Ermittlung syntaktischer Universalien. Erst im letzten Jahrzehnt, seitdem die Rektions- und Bindungstheorie im Rahmen des Minimalistischen Programms weitestgehend komprimiert und generalisiert worden ist, wurden häufiger Versuche unternommen, den Imperativ in die aktuelle Syntaxtheorie zu integrieren. Zu nennen wären hier unter anderem die ausschließlich auf das Englische bezogenen Analysen von Henry (1997), Potsdam (1998) und Rupp (2003) und auch die Ansätze von Rivero & Terzi (1995), Zanuttini (1997), Han (1998), Platzack & Rosengren (1998) und Belletti (1999), welche in ihre Betrachtungen verschiedene Sprachen einer oder mehrer Sprachgruppen der indoeuropäischen Sprachen mit einschließen. In all den genannten Arbeiten, so unterschiedlich sie auch konzipiert sein mögen, wird eines stets deutlich: dass der Imperativ zumindest für den Syntaktiker zweifelsohne außerordentlich unbequem ist - aber gerade deshalb seine speziellen Reize in sich birgt. So kann die nur auf äußerst wenige Sprachzweige beschränkte Eins-zu-eins-Korrelation zwischen seinem morphologisch kodierten Verbmodus und der entsprechend operational determinierten Satzstruktur unmöglich von einem gängigen Verbanhebungsprozess

12

Einleitung

herrühren. Der Imperativische Satztyp ist der einzige, der eine auf Einzelsprachen beschränkte Negationskompatibilität aufweist. Seine in zahlreichen Sprachen zu beobachtende kanonische Subjektlosigkeit entzieht sich darüber hinaus scheinbar jeglichen generellen Prinzipien, da sie vielfach durch die lexikalische Realisierung einer Nominativ-DP, für die unter den bekannten Leer-Kategorien kein non-overtes Pendant existiert, aufgehoben werden kann. Noch dazu sorgt das imperativierte Verb zum Beispiel hinsichtlich seiner morphologischen Repräsentation oder seines syntaktischen Verhaltens gegenüber klitischen Elementen in einer Anzahl von Sprachen für weitere Überraschungen. Insofern mag es nicht verwundern, dass die erschöpfende und vor allem übereinzelsprachliche Explikation der Imperativischen Syntax bislang nach wie vor ein Desideratum darstellt. Ziel meiner Arbeit ist es deshalb, eine umfassende syntaktische Theorie fur den Imperativ zu entwickeln, auf deren Basis nicht nur sämtliche ihn begleitenden Phänomene struktureller und morphosyntaktischer Art von den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten des modernen minimalistischen Prinzipien- und Parametermodells reflektiert oder unmittelbar abgeleitet werden können, sondern auch eine Reihe nicht rein imperativischer Phänomene theoretisch fassbar werden. In meiner Analyse werde ich den Fokus hauptsächlich auf die Imperativische Satzstruktur der westgermanischen und romanischen Sprachen richten. Um diese einerseits von anderen möglichen strukturellen Repräsentationen des Imperativischen Modus abzugrenzen und andererseits Parallelen der Imperativsatzbildung aufzuzeigen, werde ich weitere indoeuropäische Sprachzweige und auch Sprachen aus gänzlich anderen Sprachfamilien in meine Untersuchungen mit einbeziehen. Hierbei wird sich herausstellen, dass der Prozess der Imperativierung nicht etwa, wie in den oben genannten Ausfuhrungen vielfach behauptet oder zumindest angedeutet wird, in sämtlichen Sprachen in gleicher Weise vonstatten geht, sondern dass diesbezüglich gravierende Unterschiede zu verzeichnen sind. Diese lassen eine Kategorisierung in zwei Hauptgruppen der Imperativierung zu, von denen eine Subgruppe im zweiten Teil dieser Arbeit besonders ausführlich behandelt wird. Da ich im Verlauf meiner Forschungen zu dem Schluss gelangt bin, dass für die vollständige Explikation der Imperativischen Syntax diachrone Analysen unverzichtbar sind, werde ich in meiner Arbeit Sprachwandelprozesse berücksichtigen und daher anders als die oben angegebenen Autoren sowohl Daten aus verschiedenen älteren westgermanischen Sprachen als auch Daten älterer romanischer Sprachen in meine Untersuchungen mit einfließen lassen. Anhand dieser werde ich zeigen, dass sich die Imperative der germanischen und romanischen Sprachen in distributioneller Hinsicht immer weniger von den anderen verbalen Modi unterscheiden, je weiter man auf deren historischen Entwicklungspfad zurückgeht, und dass somit die Imperativische Verbbewegung, wie sie heute in den betreffenden Sprachgebieten anzutreffen ist, eine relativ junge Entwicklung darstellt. Sie ist aus der Etablierung von V2-Stellungsmustern hervorgegangen und beeinflusst sowohl die Genese bestimmter klitischer Elemente als auch die Imperativische Negationsverträglichkeit. Die vorliegende Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Kapitel 1 gibt einen einleitenden Überblick über die modale Einordnung des Imperativischen Modus und dessen morphologische Repräsentation. Dort wird sich herausstellen, dass der Imperativ schon aufgrund seiner individuellen Grammatikalisierung zwei unterschiedliche Gruppen der flexionsmorphologischen Markierung bildet, wobei

Einleitung

13

sich eben dies in seiner spezifischen Kookkurenz mit anderen morphologisch repräsentierten Flexionskategorien niederschlägt. In Kapitel 2 werde ich mich mit der Imperativischen Verbbewegung befassen. Ich werde zeigen, dass das imperativierte Verb abhängig von seiner flexionsmorphologischen Konstitution und dem syntaktischen Werdegang der jeweiligen Einzelsprache verschiedene Anhebungsprozesse durchläuft. Meine besondere Aufmerksamkeit werde ich dabei der Entwicklung der Imperativischen V-nach-C-Bewegung in den westgermanischen und romanischen Sprachen widmen. Ich werde sonach untersuchen, wie sich diese spezielle Anhebung im Laufe der Sprachgeschichte etablieren konnte und welche Konsequenzen sie damit für die heutige strukturelle Repräsentation und Lizenzierung des Imperativischen Modus nach sich zieht. Des Weiteren werde ich erläutern, warum romanische Komplementklitika in nicht-negierten Imperativsätzen gegenwärtig grundsätzlich als Enklitikon untrennbar mit dem Imperativischen Hauptverb verbunden sind. Kapitel 3 behandelt das Verhältnis zwischen Imperativierung und Negation. Dort wird verdeutlicht, dass die Imperativische Negationsunverträglichkeit in den indoeuropäischen Sprachen im Allgemeinen und in den westgermanischen und romanischen Sprachen im Besonderen sowohl mit der jeweiligen Repräsentation der Satznegation als auch mit der spezifischen Anhebung des imperativierten Verbs in einem Zusammenhang steht. Hierdurch wird ersichtlich, warum die Imperativische V-nach-C-Bewegung mit genau einer Satznegationsstrategie inkompatibel ist. Ferner werde ich zeigen, dass diese Negationsunverträglichkeit in einigen Sprachen und Dialekten durch die Einfuhrung spezieller imperativischer Negationsauxiliare aufgelöst werden kann. In Kapitel 4 schließlich werde ich dafür argumentieren, dass sämtliche Imperativsätze grundsätzlich ein syntaktisches Subjekt beherbergen. Ich werde versuchen, zu belegen, dass es sich bei diesem in seiner coverten Form um ein Nullpronomen handelt, welches je nach struktureller Repräsentation des Imperativischen Modus zu seiner Charakterisierung als pro-Subjekt spezifische PRO-Merkmale zu sich nimmt und grundsätzlich nicht nur in Imperativsätzen anzutreffen ist.

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische Repräsentation

1.1. Einleitung Bevor der Imperativ in den nachfolgenden Kapiteln zum Gegenstand ausschließlich syntaktischer Analysen gemacht wird, sollen in diesem ersten Kapitel zunächst seine modalen und morphologischen Charakteristika knapp umrissen werden. In 1.2. wird demnach erläutert, auf welcher modalen Ebene sich der Imperativische Modus befindet und welchen Sprechakt er sonach in seiner kanonischen Verwendung indiziert. Dass der Imperativ im Zuge seiner modalen Etablierung verschiedene Grammatikalisierungspfade beschritten hat, aufgrund derer eine Unterscheidung zwischen zwei Typen seiner morphologischen Repräsentation vorgenommen werden kann, wird darüber hinaus unter Punkt 1.2.2.2. verdeutlicht. In 1.3. wird ermittelt, mit welchen flexivischen Markierungen die Imperativische Flexionskategorie je nach ihrer eigenen Beschaffenheit kookkurriert und wie sie selbst morphologisch konstituiert ist. Letzteres soll, da in den folgenden Ausfuhrungen vornehmlich die westgermanischen und romanischen Sprachen im Zentrum der syntaktischen Untersuchungen stehen, unter 1.3.2. speziell an deren imperativierten Verben exemplifiziert werden. Der Frage, welche Verben sich überhaupt fur die Imperativierung eignen, soll schließlich in 1.3.3. nachgegangen werden.

1.2. Der Imperativische Modus im System der Modalitäten 1.2.1. Die Modalebenen 1.2.1.1. E p i s t e m i k u n d D e o n t i k Nach Jespersen (1924: 313) wird Modalität als Art und Weise der Stellungnahme des Sprechers hinsichtlich der Geltung des in seiner Äußerung denotierten Sachverhalts definiert. Modalität kann mittels Intonation, bestimmter Lexeme, Partikeln, Klitika oder Modalverben oder auch unmittelbar flexivisch am entsprechenden Hauptverb zum Ausdruck gebracht werden (Palmer 1986: 5ff.). Im letzteren Fall ist im Zuge der Grammatikalisierung die vollständige Funktionalisierung des modal verwendeten Elements innerhalb einer verbalen Flexionskategorie erfolgt, wobei eine formal grammatische Modalmarkierung - der Modus - ausgebildet wurde (Palmer 1986: 2Iff.). Als morpho-

16

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

syntaktisches Merkmal des Verbs operiert der Modus auf der Gesamtsatzstruktur und definiert dadurch die Interpretation der jeweiligen Proposition als spezifische Relation zwischen bestimmten Äußerungs- und Auswertungswelten (Lohnstein 2000: 127). Die linguistische Modalitätstheorie basiert auf der sprachphilosophischen Teildisziplin der Modallogik, die die sprachliche Konzeption der Vorstellungen von Möglichkeit und Notwendigkeit untersucht und im Wesentlichen auf die Betrachtungen von Jespersen (1924) und von Wright (1951) zurückgeht. Jespersens (1924: 320f.) Modalsystem gliedert sich in die beiden Hauptklassen „ moods containing an element of will" und „ moods containing no element of will", denen insgesamt 20 Subkategorien angehören. 1 Von Wright (1951: If.) nimmt eine Einteilung in die vier Modaltypen „alethic modes, or modes of truth ", „epistemic modes, or modes of knowing", „deontic modes, or modes of obligation " und „ existential modes, or modes of existence " vor. Seine Unterscheidung zwischen epistemischer und deontischer Modalität, die annähernd Jespersens Grundklassifizierung entspricht, wird noch in der neueren Modalforschung als essentiell betrachtet. Nach von Wright (1951) ist die Epistemik unmittelbar mit dem Wissen, dem Glauben und der Meinung des Sprechers verknüpft. Die epistemische Modalität drückt innerhalb einer Äußerung dessen individuelle Einstellung bezüglich der Wahrhaftigkeit der jeweiligen Proposition aus. Sie gibt, wie hier in (la,b,c), eine subjektive Bewertung über die Möglichkeit oder Notwendigkeit der Existenz eines bestimmten Sachverhalts ab und benennt damit das persönliche Verhältnis zum neutral-semantischen Gehalt der Satzaussage (Lyons 1977: 794). In Jespersens Kategorisierung bildet sie die zweite der beiden Hauptklassen: „ moods containing no element of will " (Jespersen 1924: 320). (1)

(Deutsch) (a) Diese Behauptung kann durchaus zutreffend sein. (b) Daniel soll ziemlich viel Kohle haben. (c) Lola muss den Dieb erkannt haben.

Im Gegensatz dazu stellt die deontische Modalität, Jespersens erste Klasse: „ moods containing an element of will" (Jespersen 1924: 321), stets einen Bezug zu einem bestimmten zukünftigen Verhalten her. Sie bringt nach normativen Gesichtspunkten mögliche oder notwendige Sachverhalte zum Ausdruck, die erst in die Existenz überfuhrt werden sollen (vgl.: (2a,b,c)). Die Deontik ist demnach mit sozialen Funktionen von Genehmigungen und Verpflichtungen befasst (Lyons 1977: 823); sie verweist innerhalb von Äußerungen auf bestimmte subjektiv definierten Normen entsprechende Welten. 2

1 „ 1. Moods containing an element of will: Jussive - Compulsive - Obligative — Advisory - Precative Hortative - Permissive - Promissive - Optative - Desiderative - Intentional; 2. Moods containing no element of will: Apodictive - Necessitative - Assertive - Presumptive - Dubitative - Potential - Conditional Hypothetical-Concessional" (Jespersen 1924: 320f.) 2 Für Palmer (2001) ist die entscheidende Distinktion zwischen den Modalitäten nach wie vor am ehesten in der traditionellen Terminologie von Jespersen (1924) zu beschreiben. „ Moods containing no element of will" geben an, auf welche Art und inwieweit der Sprecher sich der propositionierten Wahrheit seiner Äußerung verpflichtet. Sie behandeln Sprache als Informationseinheit - im Gegensatz zu den „ moods containing an element of will", auf deren Ebene Sprache als Aktion begriffen wird. Der Sprecher bringt mittels ihrer seine persönliche Haltung gegenüber einer potentiell aktualisierbaren Handlung zum Ausdruck. Die Domänen der Epistemik und der Deontik sind demzufolge, so Palmer (2001: 7f.), in eine erweiterte Modaldichotomie einzubetten, nämlich in die von propositionaler und Ereignismodalität.

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische Repräsentation (2)

17 (Deutsch)

(a) Du kannst den Schirm behalten. (b) Gisela soll endlich still sein. (c) Susanne muss heute noch einkaufen gehen.. Die beiden modalen Eigenschaften, die das epistemische und das deontische System miteinander teilen, sind die der Nicht-Faktizität und Subjektivität (Palmer 1986: 96). Die epistemische Modalität erklärt nicht etwa den im Satz ausgedrückten Sachverhalt für uneingeschränkt gültig, sondern unterwirft diesen einer bestimmten individuellen Beurteilung. Sie gibt den Grad der Verbindlichkeit seitens des Sprechers gegenüber der in der jeweiligen Äußerung enthaltenen Proposition an und ist insofern als nichtfaktisch und subjektiv zu betrachten. Durch Nicht-Faktizität ist auch die Deontik charakterisiert. Auf ihrer modalen Ebene werden Pflichten auferlegt oder Genehmigungen erteilt, bestimmte Zustände durch spezifische Verhaltensweisen erst real existent werden zu lassen. Da derartige Auflagen den persönlichen Belangen des Sprechers entstammen, ist die deontische ebenso wie die epistemische Modalität mit dem Merkmal der Subjektivität verbunden.

1.2.1.2. Agensorientierte und sprecherorientierte Modalität Für die komparative Linguistik ist die Kategorie des Modus am ehesten als eine Reihe miteinander diachronisch verbundener Funktionen zu betrachten. Laut Bybee (1985: 191 ff.) erlaubt dort erst die eingehende Erforschung modaler Entwicklungsschritte eine sinnvolle Strukturierung und Explikation der verschiedenen Modalitätstypen. Wie unter anderem Heine (1995) und Bybee & Fleischmann (1995) eruieren konnten, stellen Übergänge zwischen den einzelnen Modalsystemen evolutionär die Regel dar. Die deontische Modalität geht in einer Reihe ihrer Verwendungen in der Epistemik auf. Bestimmte, im eigentlichen Sinne rein deontische Formen erhalten daher eine epistemische Zusatzbedeutung, wobei letztere sich im Laufe der Sprachentwicklung verfestigt. Zahlreiche Modalmarkierungen, wie zum Beispiel einige Modalverben des Englischen (vgl.: (3a)) und Deutschen (vgl.: (3b)) oder verbale ModalsufFixe im Tamil, einer drawidischen Sprache (vgl.: (3c)), befinden sich noch gegenwärtig in einem derartigen Stadium modaler Polysemie (Palmer 1986: 119; Palmer 2001: 27).

(3) (a) She may leave tomorrow. sie AUX weggehen morgen „Sie darf morgen gehen." > deontisch „Sie wird vielleicht morgen gehen." > epistemisch

(Englisch)

(b) Dieter soll anständig sein. > deontisch / epistemisch

(Deutsch)

(c) Gatjeecan ippa Mannarkufiyile irukka-η um. (Tamil) Ganesan jetzt Mannargudi seiDEBITIV „Ganesan muss jetzt in Mannargudi sein." > deontisch „Soviel ich weiß, müsste Ganesan jetzt in Mannargudi sein." > epistemisch

18

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

Nach Bybee & Fleischman (1995) lassen sich sämtliche deontische Verwendungen auf eine gemeinsame Kernbedeutung zurückfuhren. Sowohl die Auflage bestimmter Verpflichtungen als auch die Erteilung von Erlaubnissen implizieren die generelle Möglichkeit oder Fähigkeit des Agens, die propositional vorgegebene Handlung auszufuhren bzw. den angestrebten Zustand zu erreichen. Diese Präsupposition einer Grundmöglichkeit (Root possibility) ist das auslösende Moment für den Wechsel auf die epistemische Ebene (Bybee 1988). Dort gilt Möglichkeit als subjektives Bewertungskriterium hinsichtlich der Existenz bestimmter Sachverhalte oder Vorgänge und bildet nicht mehr den Ausgangspunkt für die Aufstellung persönlicher Bedingungen. Je nachdem wie das Urteil über die faktische Existenz des ausgedrückten Sachverhalts seitens des Sprechers ausfällt, indiziert dieser ihn innerhalb seiner Äußerung als spekulativ, deduktiv oder assumptiv (Palmer 2001: 24ff.). Im Englischen und Deutschen kann eine derartige epistemische Differenzierung mit Hilfe verschiedener Modalverben vollzogen werden (vgl.: (4)); unter anderem in der australischen Sprache Ngiyambaa (vgl.: (5)) und in den Indianersprachen Imbabura und Wintu stehen hierfür spezielle Flexionsmorpheme zur Verfugung (Donaldson 1980: 159ff; Levinsohn 1975; Schlichter 1986). (4) (a) spekulativ: Jack may be in the saloon. Jack AUX sein in der Kneipe

(Englisch)

Jack mag in der Kneipe sein.

(Deutsch)

(b) deduktiv: Jack must be in the saloon. Jack AUX sein in der Kneipe

(Englisch)

Jack muss in der Kneipe sein.

(Deutsch)

(c) assumptiv: Jack 7I be in the saloon. Jack AUX sein in der Kneipe

(Englisch)

Jack wird in der Kneipe sein.

(Deutsch)

3 Vater (1975; 1983) betrachtet werden + Infinitiv-Konstruktionen im Deutschen generell als reine Modalverbkonstruktionen, da sie seiner Meinung nach primär inferentielle Modalität - also die Bezeichnung einer Sprechereinstellung zur Wahrscheinlichkeit eines propositional vorgebrachten Geschehens ausdrücken.

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

19 (Ngiyambaa)

(5) (a) spekulativ: yururjgu rjidja-l-aga. Regen regne-SPEKULATiv „Es könnte Regen geben." (b) deduktiv: yuruqgu yidja-l-i. Regen regne-DEDUKTiv „Es muss Regen geben."

Annähernde Gewissheit darüber, dass bestimmte Sachverhalte de facto vorliegen, kann der Sprecher entweder durch Informationen aus zweiter oder dritter Hand oder durch sensorische Erfahrungen, wie visuelle, auditive oder taktile Eindrücke, erlangen. Die Art der gewonnenen Evidenz für propositionierte Gegebenheiten kann wiederum im Ngiyambaa, aber auch unter anderem im Tuyuka und in der auf Neuguinea gesprochenen Sprache Fasu verbalflexivisch spezifiziert werden (Donaldson 1980: 2 7 5 f f ; Barnes 1984; Foley 1986: 165). Im Deutschen ist es immerhin möglich, mittels der Modalverben sollen und wollen zwischen verschiedenen der jeweiligen Evidenz zugrunde liegenden Typen der externen Berichterstattung zu unterscheiden (Hammer 1983: 231 f.) (vgl.: (6)). (6)

(Deutsch) (a) Rudolf soll ziemlich arrogant sein (, erzählt man sich). (b) Herr Schneider will (, so gab er zu Protokoll,) sieben Fliegen erschlagen haben.

Prädiziert die fundamentale Bedeutungskomponente einer Basismöglichkeit lediglich allgemeine Verhaltenskonditionen speziell für den Agens der Proposition, so zeigt sich dies meist in einer stark lexikalisch geprägten Morphosyntax des jeweiligen Ausdrucks (Bybee 1985: 168). Bybee, Perkins & Pagliuca (1994: 177ff.) erachten deshalb eine Umkategorisierung der traditionellen Modalitätsdomänen als sinnvoll. Sie unterscheiden zwischen der agensorientierten, der epistemischen und der sprecherorientierten Modalität. Die agensorientierte Modalität richtet sich in ihrem konditionalen Ausdruck allein nach dem agentivischen Subjekt der jeweiligen Proposition. Ihre Koordinaten bilden sowohl die psychisch-physische und sozial-gesellschaftliche Verfasstheit des Agens als auch dessen grundsätzliche Fähigkeit oder Bereitschaft, die prädizierte Handlung zu vollziehen. In der sino-tibetanischen Sprache Lisu zum Beispiel wird mittels flexivischer Kodierungen zwischen geistigem und physischem Vermögen einerseits (vgl.: (7a,b)) und verpflichtenden und unverbindlichen Verhaltensauflagen andererseits (vgl.: (7c,d)) unterschieden (Hope 1974: 122ff.).

20

l. Der Imperativische Modus und seine morphologische

(7)

Repräsentation (Lisu)

(a) asa nya ami khwa kwú -q. Asa TOP Feld pflüg PSYCH-DEKL „Asa weiß, wie man das Feld pflügt." (b) òsa nya ami khwa kwhu-q. Asa TOP Feld pflüg PHYS-DEKL „Asa ist körperlich dazu in der Lage, das Feld zu pflügen." (c) òsa nya ami khwa wq -q. Asa TOP Feld pflüg OBLIGAT-DEKL „Asa ist verpflichtet dazu, das Feld zu pflügen." (d) òsa nya ami khwa da -q. Asa TOP Feld pflüg PERMISS-DEKL „Asa darf das Feld pflügen." Die agensorientierte Modalität indiziert somit als Teil der Proposition zwar keinerlei persönliche Stellungnahme seitens des Sprechers, bereitet aber in ihrer Verwendung den Weg für die Grammatikalisierung subjektiver Standpunkte (Heine 1995). Bybee, Perkins & Pagliuca (1994: 177ff.) sehen daher in ihr - gleichgültig, über welchen modalen Status sie selbst verfugt - die Quelle der Epistemik und der sprecherorientierten Modalität. So bezeichnet der Vorläufer des englischen Modalverbs may noch im Altenglischen das Vorliegen einer bestimmten Kompetenz (vgl.: (8a)). Im heutigen Standardenglischen kann may neben der Existenz einer nicht-verpflichtenden Verhaltensauflage auf agensorientierter Ebene auch innerhalb der epistemischen Domäne eine von dem Sprecher ausgehende Stellungnahme hinsichtlich des jeweils denotierten Sachverhalts zum Ausdruck bringen (vgl.: (8b)).

(8) (a) A mœg God wyrcan wundor œfter wundre. (Altenglisch) vermög-3SG Gott wirken Wunder nach Wunder „Gott kann ein Wunder nach dem anderen vollbringen." > agensorientiert (Beowulf and the Fight of Finnsburg 930) (b) God may work wonder after wonder. (Englisch) Gott AUX wirken Wunder nach Wunder „Gott darf ein Wunder nach dem anderen vollbringen." > agensorientiert „Es ist möglich, dass Gott ein Wunder nach dem anderen vollbringt." > epistemisch Die sprecherorientierte Modalität bezieht sich anders als die agensorientierte Modalität nicht mehr auf allgemeine Gegebenheiten, die innerhalb der Proposition fur den Agens relevant sind, sondern überläset, wie in den folgenden Beispielkonstruktionen verschiedener sprecherorientierter Modi zu erkennen ist (vgl.: (9)), dem Sprecher als einzig relevanter Autorität die persönliche Vorgabe derselben in Form von Handlungskondi-

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

21

tionen an einen Adressaten. Sie erstreckt sich somit über einen Teilbereich der traditionell determinierten Deontik.

(9) (a) ¡Salta!

(Spanisch)

spring(IMP)

„Spring!" (b) kassä-yi bahw

(Caddo)

PROHIB 2SG-AGENS-IRR- s e h

„Schau es nicht an!" (c) h'iwä:te:ti :c.

(Sierra Miwok)

lauf-ADHOR-DUAL-PL

„Lasst uns laufen!" (d) ó: pai génoio patrós eutukhésteros oh Kind werd-AOR+OPT-2SG des Vaters glücklicher „Oh Kind, mögest du glücklicher als dein Vater werden!" (Sophokles Ajax 550)

(Altgriechisch)

Deontische Verwendungen, welche kein direktives Verhältnis zwischen dem Sprecher und dem von ihm unmittelbar angesprochenen Adressaten herstellen, sind nach Bybee & Fleischman (1995) nach wie vor der agensorientierten Modalität zuzuordnen.

1.2.2. Der Imperativische Modus 1.2.2.1. Direktivität In den meisten Sprachen existiert zumindest eine grammatisch voll funktionalisierte Modalkategorie, welche sprecherorientierte Modalität repräsentiert. Als imperativischer Modus indiziert sie den Vollzug eines Direktivs und kookkuriert in einer Anzahl von Modalparadigmen mit anderen sprecherorientierten Modalmarkierungen der verbalen Flexionsmorphologie, wie mit Prohibitiven, Admonitiven, Permissiven, Adhortativen oder Optativen (Bybee, Perkins & Pagliuca 1994: 21 Of.). Für Searle (1975: 346f.) ist der illokutionäre Akt des Direktivs im Gegensatz zu dem des Assertive bezüglich des sprechakttheoretisch motivierten Klassifikationskriteriums der Anpassungsrichtung zwischen Wort und Welt dadurch charakterisiert, dass die Welt mit dem durch ihn geäußerten Sachverhalt in Übereinstimmung zu bringen ist. Indem er auf die Möglichkeit oder Notwendigkeit gewisser Zustände oder Vorgänge verweist, initiiert er, um deren Verwirklichung in potentiellen, zukünftigen Welten einzuleiten, gemäß dem individuellen Sprecherstandpunkt einen entsprechenden Aktionsverlauf. Laut Lyons (1977: 745f.) handelt es sich demnach bei direktiven Äußerungen um Sprachhandlungen, mittels derer Sprecher ihrem Adressaten ein bestimmtes Handlungsschemá oder Verhaltensmuster auferlegen oder vorschlagen. Die direktive Teilklasse der MANDS (Lyons

22

I. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

1977: 745) 4 unterliegt hierbei einer besonderen sprecherbasierten Gelingensbedingung: Derjenige, der eine Forderung, einen Befehl, ein Verbot, eine Bitte oder ein Gesuch äußert, ist grundsätzlich daran interessiert, dass ihr oder ihm Folge geleistet wird. Der zu erreichende Zustand gilt im Sinne des subjektiven Empfindens des Sprechers als notwendig und wünschenswert. Andere Direktiva, wie Warnungen, Ratschläge, Erlaubnisse, Ermunterungen oder Empfehlungen, präsupponieren zwar ebenso wie MANDS die prinzipielle Fähigkeit des Angesprochenen, das propositional vorgegebene Verhalten an den Tag zu legen bzw. den angestrebten Zustand faktisch existent werden zu lassen, schaffen jedoch hinsichtlich der Erfüllenskonditionen eine Distanz zu den persönlichen Bedürfnissen des Sprechers. Für diesen liegen die in der Zukunft zu erlangenden Gegebenheiten lediglich im Bereich des Möglichen; als notwendig und begehrenswert erachtet sie allenfalls der Adressat. Direktive Verwendungen sind folglich auf jeder Intensitätsstufe der deontischen Modalität anzutreffen. Im Falle eines Befehls bürdet der Sprecher in vollem Bewusstsein seiner Autorität seinem Gegenüber die unbedingte Pflicht auf, die in der Proposition enthaltene Handlung oder Verhaltensweise auszuführen. Bei der Erteilung einer Erlaubnis hingegen befreit der Sprecher den Adressaten von jeglichen Auflagen und stellt die Ausschöpfung der gegebenen Möglichkeit allein in dessen Ermessen.

1.2.2.2. Grammatikalisierung Die Verwendung des Imperativischen Modus erstreckt sich über die gesamte direktive Teilklasse der MANDS. Als formal grammatisches Merkmal des Verbflexivs nimmt er Sätze in seinen direktiven Skopus auf und determiniert so ihren Status als Befehl, Verbot oder Bitte bzw. als eine Zwischenstufe dieser Sprachhandlungen. Nur in Sprachen, in denen neben dem Imperativ zusätzlich ein spezielles Modusflexiv für seine Negation existiert, wie zum Beispiel in der sino-tibetanischen Sprache Garo, der nordirokesischen Sprache Caddo (vgl.: (9b)) oder der nordamerikanischen Indianersprache Ojibwa (Bybee 1985: 173), fallen sämtliche stark deontischen Varianten des Verbots dem sprecherorientierten Modus des Prohibitivs zu. Die Grammatikalisierung des Imperativischen Modus zur eigenständigen verbalen Flexionskategorie lässt sich meist bis zum futurischen Flexionsparadigma zurückverfolgen. Diese hauptsächliche Entwicklungslinie über eine rein temporale Kategorie zeigt sich unter anderem in den noch oftmals heute bestehenden Bedeutungsüberlappungen zwischen den beiden Paradigmen (Bybee, Perkins & Pagliuca 1994: 21 Off.; Paul, Grosse & Wiehl 1998: 299). Derartige Überschneidungen sind zum Beispiel in der australischen Sprache Tiwi und im Hawaiianischen, einer polynesischen Sprache der austronesischen Familie, zu beobachten. Im Tiwi ist es die flexivische Markierung ca bzw. je nach morphologischer Umgebung ta, pa oder ra, und im Hawaiianischen die Partikel e, welche nicht nur futurischen Tempus, sondern auch Imperativischen Modus kodiert (Zhang 1990: 153ff.) (vgl.: (10,11)).

4

Der Terminus M A N D entstammt ursprünglich Skinners behavioristischen Theorie. Lyons ( 1 9 7 7 ) verwendet ihn als zusammenfassenden Ausdruck für die unterschiedlichen Sprechhandlungen, w e l c h e im Allgemeinen unter dem Typus „Befehl" subsumiert werden.

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

(10)

23 (Tiwi)

(a) awunu-pa -kupauli Mann FUT-komm zurück „Der Mann wird zurückkommen." (b) ni- rajakupauli! ihr ( F U T ) / I M P geh zurück „Geht zurück!" (11)

(Hawaiianisch) (a) E

hele 'oe FUT geh du „Du wirst gehen."

(b) E

hele 'oe

(FUT)/IMP g e h

du

„Geh!" Die Etablierung des Imperativs ist dabei laut Bybee & Pagliuca (1987) als Spätfolge einer direktivischen Reinterpretation des Futurmarkers der 2. Person zu betrachten. So stellen Äußerungen im Indikativ Futur generell die bevorzugten indirekten Sprechakte dar, Direktivhandlungen unter der stärksten sprecher-basierten Gelingensbedingung zu vollziehen. Hierbei erklärt der Sprecher durch den Gebrauch einer futurischen Temporalmarkierung das in der Proposition vorgebrachte Ereignis nicht nur für wahrscheinlich oder notwendig, sondern auch fur unzweifelhaft vorhersagbar und drückt damit auf deontischer Ebene die unbedingte Pflicht des Agens aus, dieses eintreten zu lassen (vgl.: (12)). (12) (a) You are going to accept my invitation. du sei-2SG gehend/in Begriff zu akzeptieren meine Einladung „Du wirst meine Einladung annehmen." (b) Du wirst dich sofort bei Tante Elsbeth bedanken.

(Englisch)

(Deutsch)

Eine der häufigsten Quellen der futurischen Temporalkategorie - neben lexikalischen Bewegungsverben wie dem englischen go („gehen") (vgl.: (12a)) oder dem niederländischen „gaan" („gehen") und volitionalen oder debitiven Hilfsverben wie dem englischen „ will " (ehemals: „wollen", „brauchen") oder laik („mögen", „gern haben") in der Kreolsprache Tok Pisin - findet sich in Modalmarkierungen, die auf der Ebene der agensorientierten Modalität das Vorliegen einer extern auferlegten Verpflichtung ausdrücken. Dies ist unter anderem im Spätlateinischen und im Dänischen der Fall, wo das Futurflexiv bzw. das futurische Auxiliar morphologisch eindeutig einem verbalen Element entstammt, das in Verbindung mit dem Infinitiv ursprünglich ausschließlich der Indizierung einer starken Obligation diente. Sowohl das lateinische habere („haben") als auch das dänische skal („schulden") bezeichneten dabei den Zustand der Schuldigkeit, die jeweils prädizierte Handlung auszufuhren und erlangten erst im Laufe der

24

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

Sprachgeschichte zusätzlich den temporal futurischen Status einer Intention oder Vorherbestimmung des zukünftigen Geschehnisses (Leumann, Hofmann & Szantyr 1965: 314f.; Bybee, Perkins & Pagliuca 1994: 258f.). In einer Anzahl von Sprachen führte dieser inhärente Prospektivcharakter der agensorientierten Obligation auch unmittelbar zur Institutionalisierung des Imperativs, des Prohibitivs oder anderer sprecherorientierter Modi. So kennzeichneten sowohl die athabaskanische Partikel sáná im Slavi (vgl.: (13)) als auch das Flexiv ca? der in Nepal gesprochenen Sprache Chepang (vgl.: (14)) ehemals lediglich gewisse propositionierte Ereignisse oder Zustände als fur das agentivische Subjekt möglich oder erreichbar. Das ca?-Morphem, welches zunächst die zusätzliche Funktion eines indefiniten Futurmarkers annahm (vgl.: (13a), kodierte im Laufe der Sprachgeschichte schließlich einen Admonitiv, um später, ebenso wie sáná (vgl.: (14a)), auch in Äußerungen, in denen der Sprecher gemäß seinen persönlichen Bedürfnissen seinen Adressaten zu einer aktiv kontrollierbaren Unterlassenshandlung verpflichtet, als deontisch verstärkter Prohibitiv eingesetzt zu werden (Caughley 1982: 102; Rice 1989: 412) (vgl.: (13b, 14b)). (13)

(Slavi) (a) wot 'ée

sáná

2 S G + O P T - v e r b r e n n FUT/ADM

„Du wirst dich verbrennen." / „Verbrenn dich nicht!" (b) goots'í

sáná

2SG+OPT-lÜg PROH

„Lüg nicht!" (14)

(Chepang) (a) ηαη haste ?-ca ? du

Spuck-INDEF-FUT

„Du wirst krank werden." / „Werd nicht krank!" (b) jugaymate ?giyurjh-ca ? jemals

je

geh-INDEF-FUT/PROH-2PL

„Geht niemals aus dem Haus." Eine flexionsmorphologische Entwicklungsbasis für den Imperativischen Modus auf sprecherorientierter Ebene bilden in zahlreichen Sprachgruppen Optative und Adhortative. In einem Einzelfall ist dies sogar in den romanischen Sprachen zu beobachten. Dort entstammt das lateinische Negationsauxiliar noli / nolite ursprünglich dem Optativparadigma. Modalmorphologisch gänzlich unspezifiziert bleiben unter anderem in aller Regel die imperativierten Vollverben der indoeuropäischen Sprachen. Die Repräsentation des Imperativischen Modus als grammatische Kategorie des Verbs erfolgt dort normalerweise non-overt. Zumindest in den ältesten Sprachstufen bedarf sie grundsätzlich auch keiner weiteren flexivischen Spezifikation. Insofern zeichnet sich der ursprüngliche Imperativ des Indoeuropäischen durch die Absenz jeglicher verbaler Flexionsmorphologie aus und erscheint dementsprechend bei athematischen Verben als reiner Verbstamm (vgl.: (15a))

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische Repräsentation

25

und bei allen thematischen als Verbwurzel mit suffigiertem Themavokal (vgl.: (15b)) (Schwyzer 1939: 797; Mayrhofer 1978: 65ff.; Szemerényi 1990: 263). (15) (a) da

(Hethitisch)

geb(iMP)

„Gib! / Gebt!" (b) cala

(Sanskrit)

eil(lMP)

„Eile! / Eilt!" Eine allmähliche Ablösung derartiger Imperativformen von temporalen oder anderen modalen Paradigmen lässt sich somit nicht nachweisen. Laut Bybee (1990) ist deren diachronische Entwicklung stattdessen als genuin Imperativisch zu betrachten. Als rein funktionale Direktivindikatoren fanden sie von jeher keinen Eingang in etwaige modalmorphologische Grammatikalisierungsprozesse. Sie sind daher sowohl durch formale als auch durch semantische Unmarkiertheit charakterisiert. Der Imperativische Modus bringt in den betreffenden Sprachen folglich nicht nur deontisch starke Direktiva wie MANDS zum Ausdruck, sondern deckt in seiner Verwendung die gesamte direktive Klasse ab. Formal entspricht der Imperativ hierbei der Proposition, welche das jeweils angestrebte Handlungsmuster angibt und verhält sich hierin analog zum modalmorphologisch ebenfalls unrepräsentierten Indikativ. Dieser stellt seinerseits auf epistemischer Ebene formal diejenige Proposition dar, die dem Hörer lediglich zur Kenntnisnahme präsentiert wird, und erstreckt sich sonach über die gesamte Klasse der Assertiva.5 Der Status des Imperativs innerhalb der deontischen Domäne definiert sich in gleicher Weise wie der des Indikativs in der Epistemik: Er ist das unmarkierte Glied seines modallogischen Systems (Palmer 1986: 108) und kann demzufolge ebenso wie dieser als essentieller Modus bezeichnet werden. Dass eine derartige Kategorisierung in der Tat ihre Berechtigung verdient, zeigt insbesondere die sprachhistorische Entwicklung verbaler Paradigmen: Im Indoeuropäischen überleben stets vor allen anderen Modi der Indikativ und der Imperativ. Während im Italischen, Keltischen, Germanischen und Armenischen Optativ und Konjunktiv sowohl semantisch als auch formal verschmelzen und bereits im hellenistischen Griechischen das Absterben des Optativs beginnt, sind im Balto-Slawischen sämtliche Modi 5

Austin ( 1 9 6 2 ) trug am Anfang seines sprechakttheoretischen Werkes „How to do Things with Words" dieser besonderen Unterdeterminiertheit Rechnung, indem er indikativische Feststellungen als Konstativa von Performativen abgrenzte. Im letzten Teil seiner Betrachtungen verwarf er jedoch seine Performativ/KonstativDistinktion, nachdem er erkannt hatte, dass alle sprachlichen Äußerungen den Vollzug einer Handlung seitens des Sprechers darstellen und somit uneingeschränkt als performativ zu klassifizieren sind. Der Indikativ ist danach ebenso wenig wie der Imperativ als non-modal zu bewerten. Er dient nicht, w i e etwa Eichler & Bünting (1978), Heidolph et al. (1980) und Dietrich (1992) annehmen, der ausschließlichen Beschreibung der faktisch gegebenen Realität. Selbst der charakteristisch indikativische Sprechakt des Assertive, Austins (1962) ehemaliger Konstativ, drückt per definitionem eine gewisse Sprechereinstellung aus (Bierwisch 1980; Lang & Pasch 1988). Diese beruht aber nicht, w i e Lyons (1977: 809) annimmt, notwendigerweise auf dem grundsätzlichen Wissen um die Wahrheit der Satzaussage, sondern kann, so Searle (1979: 12), bereits in deren Vermutung gründen. Assertiva finden sich folglich wie Direktiva auf den unterschiedlichsten Rangstufen ihrer zugrunde liegenden modalen Ebene.

26

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

bis auf den Indikativ und Imperativ gänzlich verschwunden und im Hethitischen sogar von Anfang an gar nicht erst belegt (Schwyzer 1939: 303). Anders als der Indikativ impliziert der Imperativ allerdings keine Aufforderung zur Akzeptanz der vorgegebenen Proposition, sondern eine zu ihrer prospektiven Realisierung. In seiner formalen Unmarkiertheit etabliert er somit eine direktive Relation zu einem zukünftigen Verhalten, welche flexivisch nicht kodiert wird. Ihre individuelle Evaluation wird entweder, wie zum Beispiel ehemals im Sanskrit oder Vedischen, mittels verstärkender Partikel bestimmt (Mayrhofer 1978: 65ff.; Szemerényi 1990: 263) oder bleibt gänzlich dem Hörer überlassen. Dieser wird durch die Äußerung eines Imperativsatzes dazu angehalten, den deontischen Wert der ihm angetragenen Verhaltensauflagen situationsgebunden zu interpretieren. Tritt deren deutliche Abhängigkeit von einer ausschließlich an den Bedürfnissen des Sprechers orientierten Erfüllensbedingung zutage, wie dies in der deontisch starken Direktivklasse der MANDS der Fall ist, so handelt es sich bei ihnen um die Zuweisung einer jeweils mehr oder weniger bindenden Verpflichtung, den Propositionsgehalt tätlich umzusetzen. Das subjektive Verlangen des Sprechers kann dabei die präsupponierte Möglichkeit seiner potentiellen Befriedigung überdecken. Dies ist insbesondere in Verwünschungen und guten Wünschen der Fall, wo die Erreichbarkeit des persönlich begehrten Zustandes an Relevanz verliert. Sobald sich der Sprecher offensichtlich als persönlich begehrende Autorität von seinen Verhaltensvorgaben distanziert und sie stattdessen einer neutralen oder agensbasierten Gelingensbedingung unterwirft, wie in Warnungen, Ratschlägen, Erlaubnissen und deren direktiven Abstufungen, steht ihr mehr oder weniger notwendiges Befolgen als deontisch schwache Handlungsoption in der Verantwortlichkeit des Hörers.

1.2.3. Zusammenfassung Der Modus ist eine formal grammatikalisierte Verbalkategorie, die wie diverse andere modale Elemente dazu dient, die semantische Kategorie der Modalität in einem Satz zu repräsentieren. Die traditionelle Modalklassifizierung beruht auf der Epistemik/DeontikDichotomie, wovon beide Modalitätsdomänen durch ihre Nicht-Faktizität und Subjektivität modal definiert sind. Die epistemische Modalität drückt innerhalb einer Äußerung die individuelle Sprechereinstellung bezüglich der Möglichkeit oder Notwendigkeit der Existenz des in der jeweiligen Proposition angegebenen Sachverhalts aus und benennt damit das persönliche Bewertungsverhältnis zum neutral-semantischen Gehalt der Satzaussage. Auf deontischer Ebene werden gemäß den subjektiven Belangen des Sprechers Genehmigungen erteilt oder Pflichten auferlegt, entsprechend mögliche oder notwendige Zustände durch spezifische Handlungsweisen faktisch existent werden zu lassen. Die psychisch-physische oder sozial-gesellschaftliche Verfasstheit, die letztendlich die Handlungsmotivation des Agens determiniert, stellt die modale Grundlage für alle möglichen bzw. unter gewissen Bedingungen realisierbaren Propositionen dar und ist daher nicht nur bei allen deontischen Verwendungen semantisch impliziert, sondern darüber hinaus in diachronischer Hinsicht als die elementare Bedeutungskomponente jeder Modalitätsentwicklung zu betrachten. Die fundamentale agensorientierte Modalität besteht somit in der wertfreien Angabe gewisser agensspezifischer Handlungs-

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische Repräsentation

27

Voraussetzungen und bildet insofern die Ausgangsbasis für die grammatische Funktio-

nalisierung der Epistemik und der sprecherorientierten Modalität. Der

Imperativische

Modus

konstituiert

innerhalb

eines

spezifischen

Sprecher-

Adressaten-Verhältnisses eine direktive Relation zu einer zukünftigen Handlung oder Verhaltensweise. Er ist daher der sprecherorientierten Modalität zuzuordnen. Seine Grammatikalisierung zur eigenständigen verbalen Flexionskategorie lässt sich oftmals bis zum futurischen Paradigma zurückverfolgen, wo die indirekt-direktivische Verwendung des Futurflexivs den Ursprung fur seine Etablierung als Modalindikator deontisch starker Direktiva bildet. Imperative, bei denen sich eine derartige Ablösung aus temporalen oder etwaigen anderen modalen Paradigmen nicht nachvollziehen lässt, entbehren dagegen jeder morphologischen Moduskodierung und entsprechen demzufolge rein formal der Angabe der Proposition, welche das jeweils prospektiv zu realisierende Handlungsmuster enthält. Deren Status innerhalb der deontischen Domäne definiert sich in gleicher Weise wie der des Indikativs in der Epistemik: Sie bilden das unmarkierte Glied ihres modallogischen Systems.

1.3. Flexionsmorphologie 1.3.1. Die Flexionskategorien des Imperativischen Verbs Im vorangegangenen Kapitel wurde bereits deutlich, dass sich der Imperativische Modus hinsichtlich seines Grammatikalisierungsprozesses in zweierlei Varianten aufspaltet. Die erste Variante ist das Ergebnis einer fortschreitenden deontischen Funktionalisierung morphologischer Markierungen des futurischen Tempus oder der agensorientierten Modalität, welche als modalmorphologische Kodierung innerhalb des Verbalflexivs realisiert wird und dort, wie sämtliche anderen Modi der jeweiligen Einzelsprache auch, weitere flexivische Spezifikationen verlangt. So verbinden sich die formal markierten Imperative zum Beispiel der nordamerikanischen Indianersprache Maricopa (vgl.: (16a)) obligatorisch mit einem modalen Realismorphem, während die Imperative der austronesischen Sprache Sursurunga (vgl.: (16b)) und des Zentral Pomo eine Irrealismarkierung fordern. Die auf Neu Guinea gesprochene Sprache Alamblak hingegen lässt eine solche nur in höflich distanzierten Imperativen und nur in Kombination mit einem Futurflexiv zu (vgl.: (16c)) und das Tsakhur verwendet sie zum Ausdruck von Wünschen oder von in der Vorzeitigkeit ergangenen Aufforderungen (vgl.: (16d)). Morphologische Markierungen des futurischen Tempus finden sich ebenfalls als Indikatoren einer erwünschten zeitlichen Verschiebung der auszuführenden Handlung unter anderem in den Imperativen der amerikanischen Indianersprachen Tubatulabal (vgl.: (16e)) und Takelma. Neben morphologischen Spezifikationen bezüglich der Verbalkategorien des Aspekts, der Aktionsart, des Verbalgenus, der Objektkongruenz (vgl.: (16f)) und der Subjektkongruenzkategorien des Numerus und des Genus kommt in einer Anzahl von Sprachen auch ein Subjektpersonenkongruenzmorphem als obligates Flexiv vor, wie zum Beispiel im Alamblak, Amele, Sursurunga und im Tibeto-Burmanischen (vgl.: (16b,c,g)) (Palmer 2001: 179ff.; Aikhenvald 2003).

28

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

(16) (a) k-tpuy-m

(Maricopa)

IMP-tÖt-REAL

„Töte es!" (b) u- na rumrum

i

mama-m

maikaka-m.

(Sursurunga)

2SG-IRR respektier-LMP-OBJ Mutter-2SG u n d Vater-2SG

„Respektiere Mutter und Vater!" (c) (nikë) wa- roh-twa(ihr)



(Alamblak)

IMP-setz- FUT-IRR+IMP-2PL

„Setzt euch bitte!" (d) ali-w-s-i sa dawar kauf-LMP-IRR ein Lamm „Du solltest ein Lamm kaufen." (e) pa'agina-hai hau-

taatwa-l-a

(Tsakhur)

(Tubatulabal)

IMP+FUT M a n n - A B S - A C C

„Hau den Typen später!" (f) nuat wa-ya-n -t Krapfen IMP- ess-2sG-3sG+Oßj „Iss den Krapfen!" (g) daju-bhai

mun-dhupt-a-chi!

Brüder

sprech-IMP- 2DUAL

(Alamblak)

(Tibeto-Burmanisch)

„Sprecht zu jedem wie mit Brüdern!" Anders verhält es sich bei dem formal unmarkierten Imperativ. Er findet sich unter anderem in den semitischen Sprachen, den Turksprachen und vor allem ursprünglich im gesamten indoeuropäischen Sprachraum. Dessen Repräsentation als grammatische Kategorie des Verbs wird nicht durch die morphologische Agglutination oder Fusion entsprechender Flexionsmerkmale bewerkstelligt, sondern geschieht grundsätzlich covert. Eine modale Funktionalisierung bestimmter Flexionsmorpheme etwaiger anderer Verbalparadigmen kann bei ihm zunächst nicht belegt werden. Viel eher erreichte er als Default-Modus der deontischen Modalität unmittelbar den Status eines direktiven Illokutionsindikators und benötigte in dieser Funktion zunächst keinerlei weitere flexionsmorphologische Spezifikation (vgl. 1.2.2.2). Erst in späteren Sprachperioden erlaubte er in weiten Gebieten die Affigierung flexivischer Kodierungen bestimmter Verbalkategorien (Schwyzer 1939: 797ff), wie zum Beispiel des Aspekts 6 6

Der Aspekt determiniert ausgehend von der Sprecherperspektive und der jeweiligen Sprechsituation die interne zeitliche Struktur von Verben und kann in dieser Funktion das subjektive Verhältnis zur angegebenen Proposition auf modaler Ebene mitdefinieren. Unter einem derartigen Einfluss steht vor allem der Imperativische Modus im Russischen. Dort verursacht die Alternation der Aspektkategorie stets eine modale Verschiebung auf der Ebene der Deontik. Während die Imperative des imperfektiven Aspekts sprecherbasierten Gelingensbedingungen unterliegen und daher als deontisch stark einzustufen sind, gehören die

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische Repräsentation

29

(vgl.: (17a)), des Verbalgenus (vgl.: (17b)), der Subjektnumeruskongruenz (vgl.: (17c)) und der Subjektgenuskongruenz (vgl.: (17d)). (17) (a) Smotti!;

Posmotri!

(Russisch)

schau(lMP) PERF-schau(iMP)

„Schau!"; „Schau! / Du musst schauen!" (b) Paideyei!;

Paideyoy!

(Altgriechisch)

erziehe(iMP) erziehe(iMP)-PASSiv

„Erziehe!"; „Werde erzogen!" (c) ¡Tira!;

¡Tirad!

(Spanisch)

zieh(iMP) zieh(iMP)-PL

„Zieh!"; „Zieht!" (d) ktub;

ktubii

(Standardarabisch)

schreib(lMP)+MASC schreib(lMP)-FEM

„Schreib!" Prinzipiell ausgeschlossen blieben dabei allerdings, um innerhalb der modalimmanenten Prospektivität und Adressatenbezugnahme jede modale Redundanz zu vermeiden, von Anfang an morphologische Markierungen des Tempus (vgl.: (18a)) und der Subjektpersonenkongruenz (vgl.: (18b)).7 (18) (a) Fiorisci!; *Fioriscirai! blüh(iMP)

(Italienisch)

blüh(iMP)-FUT

„Blüh!" (b) Spring!;

*Springst!

(Deutsch)

s p r i n g ( l M P ) spring(lMP)-2SG

„Spring!" In einigen der betreffenden Sprachen sind zwar eindeutig hinsichtlich ihrer Personkongruenz overtmorphologisch kodierte Imperative der 1. Person Plural, so genannte Adhortative, und solche der 3. Person Singular und Plural zu verzeichnen. Ob aber derartige Formen tatsächlich als echte Imperative zu bewerten sind, wird vielfach angezweifelt (vgl. Palmer 1986: 111). Zum einen repräsentieren sie nämlich nicht die für den unmarkierten Modus der deontischen Modalität charakteristische Relation zwischen der Sprecherperson und dem von dieser als Gegenüber angesprochenen und mit einer Direktive zu belegenden Adressatenindividuum; zum andern gehen sie, anders Imperative des perfektiven Aspekts, da die durch sie aufgestellten Handlungskonditionen allein an der psychisch-physischen Verfasstheit des Agens orientiert sind, den deontisch schwachen Direktiva an (DurstAndersen 1995; Wiemer 2001). 7 Vgl. hierzu jedoch 1.3.2.

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1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

als Imperative der 2. Person, morphologisch sehr häufig auf benachbarte modale Paradigmen - oftmals auf den Konjunktiv, Subjunktiv oder Optativ - zurück oder bilden ein unabhängiges, den Jussiv, aus. Der Adhortativ ist somit zwar zweifelsohne der sprecherorientierten Modalität zuzuordnen (vgl. 1.2.2.1.), dem Imperativ entspricht er jedoch nicht vollständig. Insbesondere im Altindischen, Altgriechischen und Lateinischen existieren darüber hinaus Bildungen, die im Allgemeinen als Imperativ Futur oder Imperativ II gelten. Dieser jussivische Modus drückt eine unter zukünftig gegebenen Umständen generell zu befolgende Vorschrift aus, die sich meist an eine indefinite 3. Person richtet, und wird daher seit der klassischen Periode fast ausschließlich in Gesetzestexten verwendet (Rubenbauer, Hofmann & Heine 1980: 251 f.). Seine modale Repräsentation vollzieht sich durch die Suffigierung eines -tod, -to (-tote), oder -tad-Morphems (vgl.: (19)), wobei jedoch keine dieser Endungen ein genuin futurisches Flexiv des entsprechenden Temporalparadigmas darstellt. Stattdessen entstammen diese einheitlich dem erstarrten Ablativ Singular des Pronomens to, das ursprünglich ,νοη da, danach' bedeutete (Szemerényi 1990: 264f.) und nunmehr tatsächlich als overte modusspezifische Flexionsmarkierung eine erweiterte Imperativische Prospektivität erzeugt. (19) (a) gaccha-tad gehIMPII „du sollst / er soll gehen"

(Altindisch)

(b) Salus publica suprema lex esto! Wohlbefinden öffentliches oberstes Gesetz sei-lMPll „Das öffentliche Wohl soll das oberste Gesetz sein." (Cicero De Legibus 3,8)

(Lateinisch)

1.3.2. Die Imperativische Flexionsmorphologie im Westgermanischen und Romanischen In den folgenden Analysen werden Imperative der 1. und 3. Person, da sie zum einen nicht als originär Imperativische Formen tatsächlich in sämtlichen Imperativparadigmen vorhanden sind und zum anderen in struktureller Hinsicht normalerweise nicht die spezifisch Imperativischen Eigenschaften, wie zum Beispiel Subjektlosigkeit, Negationsinkompatibilität, und das spezielle Verhalten gegenüber klitischen Elementen, an den Tag legen, nicht näher behandelt. Insofern bleiben auch Imperative der höflichen Distanz, die sich formal an eine 3. Person richten, außerhalb der Betrachtungen. 8 Das für die weiteren Ausfuhrungen relevante genuine Imperativparadigma der indoeuropäischen Sprachen besteht aus dem Imperativ Singular und dem Imperativ Plural, wobei beide Formen gegebenenfalls spezifische Aspekt-, Verbalgenus- oder Subjektgenuskongruenzmorpheme zu sich nehmen.

8 Insbesondere in den westgermanischen und romanischen Sprachen besetzten Imperative der höflichen Distanz regulär das konjunktivische, subjunktivische oder indikativische Paradigma.

l. Der Imperativische Modus und seine morphologische Repräsentation

31

Obgleich sich der Imperativische Modus demnach sowohl auf dem westgermanischen als auch auf dem romanischen Sprachzweig ursprünglich durch seine fehlende flexionsmorphologische Realisierung auszeichnet, hat er dennoch bezüglich seiner Repräsentation am verbalen Element im Laufe der Sprachgeschichte zum Teil tief greifende Veränderungen erfahren. Paradigmenübergreifende Verschmelzungen, Erosionen und Überkreuzungen innerhalb der Konjugationssysteme haben die morphologische Konstitution der Imperativischen Flexionskategorie oftmals so stark beeinflusst, dass die imperativierten Verben der Gegenwartssprache bisweilen unter Umständen in ihrer Formenbildung gar nicht mehr ausschließlich von dem Stamm des zugrunde liegenden Verbs ausgehen, nicht mehr rein imperativischer Herkunft sind oder sogar andere Modalparadigmen morphologisch in sich vereinnahmt haben. Derart gravierende Einschnitte in das Flexionsparadigma des Imperativischen Modus sind in den westgermanischen Sprachen bislang nicht zu beobachten. So stimmen die singularischen Imperative des Deutschen mit ihrem entsprechenden Präsensstamm überein, wobei sie jedoch teilweise fakultativ ein weiteres Endungsschwa zu sich nehmen (vgl.: (20)). (20)

(Neuhochdeutsch) (a) Geh weg! (b) Rat(e) mal! (c) Sorge dich nicht!

Bei diesem handelt es sich aus ontogenetischer Sicht nicht etwa um ein spezifisch imperativisches oder anderes modales Flexiv, sondern viel eher um einen Themavokal, der auf die charakteristischen Konjugationskennlaute der schwachen Verben des Indoeuropäischen zurückgeht und dort bei deren Imperativierung in Abgrenzung zu den starken Verben und zur Kennzeichnung der drei schwachen Verbklassen obligatorisch an den präsentischen Stamm suffigiert wurde (vgl. Paul, Grosse & Wiehl 1998: 238ff.) (vgl. (21,22)).9 (21) schwach

(Althochdeutsch)

(a) Suochi! (b) Salbo! (c) Lebe! (22) stark

(Althochdeutsch)

(a) Nim! (b) Ruofi (c) Halt!

9

Grundsätzlich kein Themavokal findet sich in älteren Sprachstufen bei der gesamten Konjugation der Wurzelverben und im Indikativ Präsens einiger kontrahierter Verben. Neben regulären athematischen Imperativbildungen ergaben sich noch im Mittelhochdeutschen bei den Wurzelverben Imperativische Sonderformen, die gegenwärtig nicht mehr existieren.

32

1. Der Imperativische

Modus und seine morphologische

Repräsentation

Dessen Imperativische Apokope bzw. Affigierung richtet sich im Neuhochdeutschen hauptsächlich nach der einheitlichen Prosodie des entsprechenden Konjugationsmusters 10 (Raffelsiefen 1995: 33ff.; Eisenberg 1998: 391). Eine Vokalhebung und der obligatorische Wegfall der Schwaendung finden sich nur noch bei den imperativierten starken Verben mit präsentischem e-i-Wechsel. Der betreffende /-Umlaut tritt noch im Mittelhochdeutschen anders als im Neuhochdeutschen nicht nur beim Stammvokal der 2. und 3., sondern auch bei dem der 1. Person Singular des indikativischen Präsensparadigmas jener Verben auf (Paul, Grosse & Wiehl 1998: 238ff.) (vgl.: (23)). Da die entsprechende Imperativform gemäß der starken Flexion durch den jeweiligen Präsensstamm repräsentiert wird, zeigt sie dort im Singular den angehobenen Vokal, der später in die neuhochdeutsche Imperativierung (vgl.: (24)) mit eingeht." (23)

(Mittelhochdeutsch) (a) ich nime / Nim! (b) ich hilfe / Hilf !

(24)

(Neuhochdeutsch) (a) (b)

Nimm! Hilf!

Im Niederländischen und im Englischen ist die Suffigierung eines Endungsvokals an den Imperativischen Verbstamm seit einigen Sprachperioden grundsätzlich nicht mehr möglich. Dort wurde ebenso wie im Deutschen bereits im frühen Mittelalter die konjugationsspezifizierende Funktion des Themavokals aufgehoben, was im Mittelniederländischen zunächst dessen optionale Suffigierung (vgl.: (25)) und im Mittelenglischen unmittelbar dessen obligatorische Apokope bei allen imperativierten Verben bedingte (vgl.: (26)) (Franck 1910: 11 Iff.; Brunner 1951: 163ff.). (25)

(Mittelniederländisch) (a) Peinse!

Peins!

denk(iMP)

(b) Come! Com! komm(iMP)

10 Sobald der überwiegende Anteil der morphologisch unterschiedenen Präsensformen im Indikativ eines Verbs und dessen Infinitiv zusammen mit der letzten Silbe des Verbstamms phonotaktisch einsilbig realisiert ist, kann im Zuge des paradigmatischen Ausgleichs das präsentische Flexiv der 1. Pers. Ind. zumindest in der Umgangssprache getilgt und das stammbildende Suffix des Imperativs weggelassen werden. Speziell bei Verben, deren maximaler Stammsilbe noch ein Liquid folgt, ist auch eine Löschung des Schwas vor dem konsonantischen Auslaut möglich (Eisenberg 1998: 391). Dominiert hingegen bei den angegebenen Flexionsformen aufgrund eines niedrigen Sonoritätsgrad des Stammauslauts Zweisilbigkeit, so entfallt in der Regel die Deletion der Personalendung, während der Themavokal bei Imperativierung meist am Verbstamm verbleibt. Das Schwasuffix erscheint obligatorisch, falls es zusätzlich einer Auslautverhärtung vorbeugt. 11 Einzige Ausnahme ist hier der Imperativ von werden. Seine Bildung vollzieht sich mittlerweile unter Verbleib des Themavokals ohne die Vokalhebung des präsentischen Paradigmas.

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische Repräsentation (26)

33 (Mittelenglisch)

(a) Far! fahr(iMP) (b)

Drink! trink(lMP)

Während zu dieser Zeit, ebenso wie noch heutzutage im Deutschen, in beiden Sprachen der Imperativ im Plural grundsätzlich durch eine spezifizierende Endung markiert war (Franck 1910: 113; Mossé 1969: 104ff.) (vgl.: (27)), findet im gegenwärtigen Sprachgebrauch keine morphologische Differenzierung bezüglich der Imperativischen Numeruskongruenz mehr statt. Niederländische und englische Imperative sind grundsätzlich gleich lautend mit dem Verbstamm (vgl.: (28)) und entsprechen damit in ihrer flexionsmorphologischen Konstitution der ursprünglichen Imperativischen Verbform des Indoeuropäischen. (27) (a) Comet! Comt! komm(iMP)-PL

(Mittelniederländisch)

(b) Drinkep! trink(iMP)-PL

(Mittelenglisch)

(a) Kom! komm(iMP(PL))

(Niederländisch)

(28)

(b) Drink! trink(lMP(PL))

(Englisch)

Im romanischen Sprachraum ist die ä-Konjugation des Lateinischen in ihrem Status der 1. Konjugation erhalten geblieben und stellt dort als bevorzugter Entstehungsort verbaler Neubildungen die produktivste der Verbflexionsklassen dar (Lausberg 1972: 198). Ebenso wie im Lateinischen definiert sie sich durch den a- bzw. bei dessen Abschwächung durch den Schwa-Kennlaut, welcher sich mit der Verbwurzel zum Präsensstamm verbindet. Die Imperativierung ihrer Verben wird seit dem Lateinischen in sämtlichen romanischen Sprachen bis heute unverändert weitergeführt (vgl. Lausberg 1972: 198ff.; Lloyd 1987: 268ff.; Rheinfelder 167: 205). Die Imperativischen Verbelemente der 1. romanischen Konjugation bestehen sonach im Singular gegenwärtig grundsätzlich aus ihrem jeweiligen Präsensstamm und verfugen damit über eine genuin Imperativische Morphologie (vgl.: (29)).

34

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

(29) (a) (b) (c) (d) (e)

Canta! ¡Canta! Canta! Cìnta! Chante! sing(iMP)

(Lateinisch) (Spanisch) (Italienisch) (Rumänisch) (Französisch)

In den anderen Konjugationen zeigt sich zumindest bei den französischen Imperativen eine starke Abweichung von der ursprünglichen Null-Repräsentation der modalinhärent kodierten Personenkongruenzkategorie. Bereits im Mittelfranzösischen erfolgte nämlich die graphische Assimilierung des singularischen Imperativischen Verbelements der ehemaligen lateinischen ê-Konjugation an sein indikativisches Pendant der 2. Person Singular Präsens (vgl.: (30a,b)), woraufhin sich dieser analogische Ausgleich konjugationsübergreifend ausdehnte (Rheinfelder 1967: 207). Dies betraf sowohl die restlichen Klassen der französischen 3. Konjugation (vgl.: (30c)) als auch die französische 2. Konjugation, welche als lebendiger Erweiterungsbestand gemeinsam mit der 3. Kategorie der 3. Konjugation aus der lateinischen ï-Konjugation, hervorgegangen war (30d). 12 (30) (a) tu vois / Voi! du seh-2sG seh(iMP)

(Altfranzösisch)

(b) tu vois / Vois! du seh-2SG seh(iMP)

(Französisch)

(c) tu vends / Vends! du verkauf-2SG verkauf(lMP)

(Französisch)

(d) tu fleuris / Fleuris! du blüh-2SG blüh(IMP)

(Französisch)

Obgleich die 1. Konjugation hiervon bislang unberührt geblieben ist (vgl.: (29e)), differieren hier die genannten Formen des Indikativs und des Imperativs in ihrer lautlichen Gestalt ebenso wenig wie in den anderen Konjugationen. Da nämlich die -i-Endung der beiden Modi in den präsentischen Paradigmen grundsätzlich nicht phonetisch realisiert wird, unterscheidet sich die Imperativische Morphologie im Singular der 1. Konjugation lediglich auf orthographischer Ebene von der der 2. und 3. Konjugation (Kayne 1992). Im pluralischen Paradigma sind sogar sämtliche imperativierten Verben mit ihren indi12 Die 3. lateinische Konjugation ist im Italienischen und Französischen mit der 2. Konjugation zusammengewachsen. Während im Italienischen eine geradezu vollständige Verschmelzung innerhalb der 2. Konjugation stattgefunden hat, konstituieren die beiden Konjugationen im Französischen verschiedene Unterkategorien der 3. Konjugation. Im Spanischen ist die lateinische 3. Konjugation im Zuge ihrer Auflösung teilweise in der 2. Konjugation aufgegangen. Die 4. lateinische Konjugation wird im Spanischen als eigenständige 3. Konjugation weitergeführt; im Italienischen und Französischen erfährt sie eine Abspaltung ehemaliger Zustandsverben, welche sich nach dem Zusammenschluss mit ihren inchoativen Gegenstücken einem speziellen Akzentausgleichs-Verfahren unterziehen konnten (Lausberg 1972: 243f.; Lloyd 1987: 283f.).

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische Repräsentation

35

kativischen Gegenstücken der 2. Person Plural vollständig deckungsgleich, weil sich bereits im Altfranzösischen das entsprechende indikativische Flexiv innerhalb der 1. Konjugation zusätzlich als Imperativische Pluralmarkierung etablieren konnte (vgl.: (31a)) und in dieser Doppelfunktion über den gesamten Verbbestand verbreitet wurde (vgl. Lausberg 1972: 200) (vgl.: (31b,c)). (31)

(Französisch) (a) vous chantez / Chantez! ihr

s i n g - 2 P L sing(lMP)-PL

(b) vous fleurissez / Fleurissez! ihr

blüh-2PL

blüh(lMP)-PL

(c) vous vendez / ihr

Vendez!

v e r k a u f - 2 P L verkauf(lMP)-PL

Insofern scheint die Frage berechtigt, ob im heutigen Französischen überhaupt echte Imperative existieren oder ob indikativische Formen sie mitsamt ihren morphosyntaktischen Eigenschaften verdrängt und somit ein rein suppletives Imperativparadigma geschaffen haben.13 In diesem Sinne problematisch sind unter anderem auch die pluralischen Imperative des Italienischen, denn diese haben durch ihre Paradigmenüberschreitung im 16. Jahrhundert und die darauf folgende Verdrängung der pluralischen Markierung der 2. Person Indikativ Präsens -tis (vgl.: (32a)) ihre vollendete flexivische Übereinstimmung mit einer indikativischen Form gleichsam selbst geschaffen (vgl. Lausberg 1972: 198ff.) (vgl. (32b)). (32) (a) cantatis / Cantate!

(Lateinisch)

sing-2PL sing(iMP)-PL

(b) cantate / Cantate! sing-2PL sing(lMP)-PL

(Italienisch)

Eine komplette Einnahme des Imperativischen Paradigmas seitens einer benachbarten Moduskategorie ist vor allem auf dem slawischen Sprachzweig zu beobachten. Dort besetzt der Imperativische Modus das ehemals optativische Paradigma, was allerdings nicht ausschließt, dass die Imperativform zahlreicher Verben dennoch dem endungslosen Stamm entspricht. Im Russischen gilt dies für diejenigen Verben, deren Präsensstamm auf einen Konsonanten auslautet und deren indikativische Form der 1. Person Singular Präsens nicht endungsbetont ist (vgl.: (33)). In der Umgangssprache ist die Imperativform jedoch oftmals auch dann mit dem Präsensstamm identisch, wenn die Bedingung der fehlenden Endungsbetonung nicht unbedingt erfüllt ist (Tauscher & Kirschbaum 1989: 302ff.). 13

Ausnahmen bezüglich der vollständigen Assimilierung der Imperativischen Form an die indikativische Form der 2. Person finden sich bei den Verben avoir, être, aller und faire.

36

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

(33)

Repräsentation (Russisch)

(a) Plac'J heul(iMP)

(b) Ver'.' glaub(iMP)

(c)

Vyjd'! geh(iMP)

Der ursprüngliche formal unmarkierte Imperativ hat folglich mittlerweile aufgrund der oben genannten Entwicklungen in einigen Sprachen in unterschiedlichem Ausmaß eine formale Markierung angenommen. Dennoch werden auch im Folgenden indoeuropäische Imperative im Allgemeinen und westgermanische und romanische Imperative im Besonderen wegen ihrer speziellen Genese und ihrer weiten deontischen Verwendbarkeit nach wie vor als formal unmarkierte Imperative behandelt. Dass hinsichtlich ihrer individuellen morphologischen Konstitution eine gewisse Prototypikalität vorliegt, sollte allerdings nicht vergessen werden. Wie in den vorangegangenen Ausfuhrungen deutlich geworden ist, ist zum Beispiel der heutige niederländische Imperativ im Gegensatz zu dem der französischen 3. Konjugation ein prototypischer Vertreter des formal unmarkierten Imperativs.

1.3.3. Imperativierbarkeit Da nun im vorangegangenen Kapitel die flexivische Morphologie von Imperativen im Zentrum der Betrachtungen stand, soll im Folgenden erörtert werden, welche Verben dieser überhaupt zugänglich sind. Nach dem, was diesbezüglich in einigen Grammatiken des Deutschen vermerkt steht, sind es jedenfalls längst nicht alle Verben. Als nicht-imperativierbar bezeichnet zum Beispiel Brinkmann (1971: 347ff.) Verben des „unwillkürlichen Tuns", wie fallen oder frieren. Die DUDEN-Grammatik (1998: 171) schließt sich ihm in gewisser Weise an, indem sie in einer Gruppe grundsätzlich nicht zu imperativierender Verben vereinzelt solche aufzählt, die prinzipiell über kein agentivisches Subjekt verfugen, wie zum Beispiel kriegen oder geraten. Die entsprechende Schlußfolgerung, ein Verb könne nur dann imperativiert werden, wenn es an sein externes Argument eine agentivische Theta-Rolle vergibt, lässt sich allerdings keineswegs bestätigen. Verben, deren Subjekte eine PATIENT-, EXPERIENCER-, BENEFICIARYoder GOAL-Rolle zugewiesen bekommen (vgl.: (34)), können ebenso wie sogar ergative Verben (vgl.: (35)) eine Imperativform annehmen. (34)

(Deutsch) (a) (b) (c) (d)

Erkälte dich nicht! Frier doch! Genieß deinen Urlaub! Krieg endlich mal eine Tochter!

l. Der Imperativische Modus und seine morphologische Repräsentation (35)

37 (Deutsch)

(a) Wach auf. (b) Fall nicht! (c) Gerate nicht in falsche Kreise! Auch die verbale Ereignisstruktur ist - obgleich Vendler (1967: 97ff.) und Dowty (1979: 55) dies durchaus annehmen - nicht unmittelbar mit der Fähigkeit zur Imperativbildung verknüpft. Insofern sind statische Verben, also Verben, die einen nicht aktiv änderbaren Zustand physischer oder psychischer Art eines EXPERIENCER-Subjekts bezeichnen und daher aufgrund ihrer fehlenden Volitionalität und Kontrollierbarkeit gemeinhin fur unimperativierbar gehalten werden, in gleicher Weise im Modus des Imperativs anzutreffen (vgl.: (36)) wie dynamische Verben, die als Vorgangs- oder Handlungsverben stets einen agentivisch beeinflussbaren Zustandswandel oder -Wechsel implizieren (Kenny 1963b) (vgl.: (37)). (36)

(Deutsch) (a) Hab keine Angst! (b) ' Versteh doch, Rüdiger! (c) Glaub doch nicht alles, was deine Großtante dir erzählt!

(37)

(Deutsch) (a) Dreh mir auch eine Zigarette! (b) Such den Knochen! (c) Hau den Lukas!

Des Weiteren gelten für Erdmann (1886: 119), da nach seiner Einsicht eine vollendete Handlung oder das bloße Erleiden eines Vorgangs nicht unter die Selbstbestimmung des Subjekts fallt, perfektivische und passivierte Verben, auch wenn deren aktivische Gegenstücke im Präsens über eine Imperativform verfugen, als grundsätzlich nicht imperativierbar. Wie die folgenden Beispiele zeigen, lässt sich diese Restriktion jedoch ebenfalls nicht generell aufrechterhalten (vgl.: (38)). (38)

(Deutsch) (a) Hab gefälligst bis morgen den Kram erledigt! (b) Werde erst einmal zum Ritter geschlagen, mein guter Siegfried!

In der Tat ausgeschlossen vom Imperativierungsprozess sind hingegen Anhebungsverben (vgl.: (39)) und Impersonalia, die dadurch charakterisiert sind, dass sie ihr logisches Subjekt, falls überhaupt vorhanden, nur als internes Argument realisieren und von daher in ihrem ausschließlichen Vorkommen in der 3. Person Singular konstruktionsabhängig ein nominativisches Expletivum zu sich nehmen können oder müssen. Zu ihrer Gruppe zählen laut Erben (1958: 30ff.) und Jung & Starke (1980: 187ff.) neben implizit-persönlichen Verben und Verben, die eine Situation des Mangels bezeichnen (vgl.: (40)), auch Witterungsverben und Verben, die einen Geschehensvorgang ausdrücken (vgl.: (41)). Während erstere in ihrer Subjektposition de facto höchstens ein semantisch entleertes Formalelement (ei) erlauben, verfugen letztere entgegen ihrer hier angegebenen impersonalen Definition über ein echtes pronominales Subjekt, welches

38

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

einen bestimmten Referenzbezug herstellt und somit seine Personalisierung grundsätzlich zulässt. (39)

(Deutsch) (a) Es scheint, dass Dieter Flöhe hat. (b) Dieter scheint Flöhe zu haben.

(40)

(Deutsch) (a) Es graut mir vor den Flitterwochen. (b) Es fehlt an Kraft.

(41)

(Deutsch) (a) Es regnet. (b) Es geschieht.

Dabei zeigt sich, dass nur diejenigen Verben, welche nicht dazu befähigt sind, ihrem syntaktischen Subjekt eine Theta-Rolle zuzuweisen, für die Imperativierung ungeeignet sind (vgl.: (42a,b,c)). Alle anderen Verben bieten hingegen, da sie die thematische Interpretation eines externen Arguments gestatten, die Grundlage für einen direktiven Adressatenbezug und können deshalb eine Imperativform bilden (Donhauser 1986: 229ff.) (vgl: (42d,e)). (42)

(Deutsch) (a) (b) (c) (d) (e)

*Schein Ute zu lieben! *Grau dir vor dem Christkind! * Fehle an Motivation! Regne doch endlich! Geschieh doch endlich, du großes Wunder!

Als äußerst problematisch stellen sich in diesem Zusammenhang allerdings die Modalverben dar. Während der DUDEN (1998: 171) und Heibig & Buscha (1998: 207) sie für grundsätzlich unimperativierbar halten, entziehen sich laut Eisenberg (1999: 91) vor allem die Verben sollen, müssen und dürfen der Imperativbildung, wohingegen die Imperative von können, mögen und wollen zwar überaus ungebräuchlich, aber in gewissem Maße durchaus akzeptabel sind. Die Imperativierung von Modalverben scheint demnach, zumindest im Deutschen, nur begrenzt in unterschiedlichen Abstufungen möglich zu sein. Eine generelle Restriktion ist diesbezüglich zunächst nicht von der Hand zu weisen: Modalverben können genau dann nicht imperativiert werden, wenn sie in ihrer epistemischen Verwendung auftreten. In diesem Fall ergibt sich eine Inkompatibilität zwischen dem grammatisch kodierten Modus des Verbalelements und dessen semantisch definierten Modalität. Da nämlich der Imperativ als sprecherorientierter Modus auf der Ebene der Deontik die Möglichkeit oder Notwendigkeit eines propositional angegebenen Sachverhalts, der erst in die Existenz überführt werden soll, zum Ausdruck bringt, kann er sich nicht der auf der Ebene der Epistemik stattfindenden, subjektiven Bewertung bezüglich der Möglichkeit oder Notwendigkeit der realen Existenz desselben Sachverhalts unterwerfen (vgl.: (43)).

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

(43)

39 (Deutsch)

(a) (b) (c) (d)

*Mag verhindert gewesen sein! *Soll ein Experte auf dem Gebiet der Quantenmechanik *Kann keinesfalls vor Eva ankommen! *Muss es geahnt haben!

sein!

Satzadverbien, die hinsichtlich dessen eine subjektive Beurteilung denotieren (vgl.: (44a)) oder aber eindeutig eine psychische evaluative Einstellung des Sprechers (vgl. Doherty 1985: 128ff.) ausdrücken (vgl.: (44b)), finden sich demnach ebenso wenig als Modifikatoren imperativischer Verbalphrasen wie Zeitadverbien, die einen Bezug zur Vorzeitigkeit herstellen (vgl.: (44c)). (44)

(Deutsch) (a) * Knack vermutlich den Tresor! (b) *Nimm leider drei Geiseln! (c) *Setz dich gestern ins Ausland ab!

Auf der zirkumstantiellen Ebene ist die Imperativierung von Modalverben dagegen prinzipiell möglich. Zur Ausbildung eigenständiger Direktiva eignen sich im Deutschen aber nur - entgegen der Auffassung von Donhauser (1986: 235ff.), die diese Fähigkeit auch mögen zuschreibt - die Verben wollen und können (vgl. (45)). (45)

(Deutsch) (a) Will doch auch einmal etwas bewirken! (b) Kann gefälligst bis morgen eine Schleife binden! (c) *Mag keine Erdbeeren essen!

Dies ist darauf zurückzufuhren, dass das konjunktivische Präteritalparadigma des modalen Verbelements mögen innerhalb der volitiven Modalität dessen heutige14 agensorientierte Verwendung seit etwa dem 19. Jahrhundert vollständig abdeckt (Diewald 1999: 314ff.) (vgl.: (46a,b)), wodurch eine nicht-epistemische Interpretation der präsentischen Formen nunmehr äußerst bedingt zustande kommen kann (vgl.: (46c)).15 (46)

(Deutsch) (a) Heinz möchte Ute durchschauen. > agensorientiert Heinz mag Ute durchschauen. > epistemisch (b) Rosi möchte schöne Gedichte schreiben. > agensorientiert Rosi mag schöne Gedichte schreiben. > epistemisch

14 Bis ins Frühneuhochdeutsche hinein bezeichnet mugen, mügen fast immer ein physisches Vermögen im Sinne von „zu etwas imstande sein". Die neuhochdeutsche Bedeutung ist aus der Verwendung des Modalverbs in negativen elliptischen Sätzen („einen Widerwillen gegen etwas haben; nicht mögen") und der anschließenden positiven Kontrastierung („gern haben; mögen") entstanden (Paul, Grosse & Wiehl 1998: 264f.). 15 Das jeweilige modalspezifische Verhalten des Modalverbs ist von mehreren Faktoren, wie zum Beispiel Aspekt und Ereignisstruktur des Verbkomplements, Tempus, Personenkongruenz, Satztyp und vorhandener Negation, abhängig (vgl. hierzu Heine (1995)).

40

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

(c) Dieter möchte nicht weglaufen. > agensorientiert Dieter mag nicht weglaufen. > agensorientiert Eisenberg (1999: 90ff.) plädiert zwar dafür, obgleich ein Infinitiv mit dem entsprechenden Präsensstamm möcht- nicht existiert, den Konjunktiv II von mögen als Indikativ Präsens und darüber hinaus als imperativierbar zu betrachten. Allerdings ist dies, wie die Beispielsätze in (47) verdeutlichen, durchaus in Zweifel zu ziehen. (47)

(Deutsch) (a) Möchte einen Film drehen! (b) Möchte auch Schokoladenkuchen!

Eine Imperativform von mögen hält er des Weiteren insofern für vorstellbar, als mögen mit wollen (und „möchten") zu den „transitiven" Modalverben zählt (Eisenberg 1999: 96) und daher zweistelligen Vollverben entsprechend dazu befähigt ist, ein NP-(oder CP-)Komplement 16 als direktes Objekt zu selegieren (vgl.: (48,49)). (48)

(Deutsch) (a) Mathilde mag den Hund. (b) Mag den Hund!

(49)

(Deutsch) (a) Helge will, dass ich singe. (b) Will doch, dass ich singe!

Eine Modalitätsspezifizierung durch die lexiko-semantische Verfasstheit des Hauptverbs ist aufgrund der vorliegenden Subkategorisierung in den genannten Konstruktionen jedoch nicht mehr gegeben, weswegen mögen und wollen in derartiger „transitiver" Verwendung aus der Gruppe der echten Modalverben auszuschließen sind. Müssen, sollen und dürfen lassen, da sie innerhalb der deontischen Domäne stets mit dem Imperativischen Modus konkurrieren, eine Kodierung durch diesen in rein direktivischen Äußerungen dagegen aufgrund modaler Redundanz nicht zu (vgl.: (50)). (50)

(Deutsch) (a) * Muss Strafe zahlen! (b) *Soll endlich abzischen! (c) *Darf den Bräutigam küssen!

Insofern sind Modalverben, sobald sie die agensorientierte Domäne verlassen und eine rein modale Funktion auf der epistemischen oder deontischen bzw. sprecherorientierten Ebene übernommen haben, nicht mehr der Imperativierung zugänglich. Dies ist ebenfalls in anderen westgermanischen Sprachen (vgl.: (51a,b)) und innerhalb der Romania (vgl.: (51c,d)) zu beobachten.

16

Eisenberg (1999: 95) bewertet Satzgefüge, in denen das Matrixverb mögen ein CP-Komplement zu sich nimmt, als wohlgeformt ( Er mag, dass du bleibst.).

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische Repräsentation

41

(51) (a) *Mag aardig zijnl AUX(IMP) nett sein „*Mag nett sein!"

(Niederländisch)

(b) *May

(Englisch)

(c) * ¡Debe hacerlo todo hoy! AUX(IMP) machenKL(PRON) alles heute „*Muß das alles heute machen!"

(Spanisch)

finish by six o'clock! AUX(LMP) beenden bei sechs Uhr „*Mag bis spätestens sechs Uhr fertig sein."

(d) *Dois

payer!

(Französisch)

AUX(IMP) zahlen

„•Soll zahlen!" Im Deutschen finden sich dennoch Imperativformen deontisch verwendeter Modalverben in so genannten konditionalen Imperativen (vgl.: (52)). Als solche bezeichnet man koordinative Satzgefüge, in denen der Imperativsatz mit einem indikativischen Satz verknüpft wird. (52)

(Deutsch) (a) Muss du mal ständig diese Pillen schlucken, und du wirst schon sehen, wie schnell man eine grüne Nase bekommen kann. (b) Soll du mal bei der nächsten Olympiade sieben Meter hoch springen, und du wirst merken, was Stress wirklich bedeutet. (c) Darf du erst mal alle Sorten kostenlos probieren, und du wirst feststellen, schwer man widerstehen kann.

wie

Der konditionale Charakter derartiger Äußerungen besteht darin, dass der Indikativsatz stets eine Folge der im Imperativsatz formulierten Proposition wiedergibt und daher, obwohl keine konditionale Struktur im eigentlichen Sinne vorliegt, oftmals eine Paraphrasierung durch einen Konditionalsatz erlaubt. Lakoff (1966) und Sadock (1970) sprechen hierbei auch von „Pseudoimperativen", weil der Imperativ dieser Konstruktionen dadurch, dass er sich mit einem Teilsatz der epistemischen Modalität zu einer semantischen Einheit verbindet, seinen Direktivstatus verliert. Die Imperativsätze konditionaler Imperative repräsentieren somit keine persönliche Aufstellung von Handlungskonditionen an einen Adressaten, sondern bringen in Kombination mit ihrem koordinierten Indikativsatz eine mögliche Folgebeziehung zum Ausdruck (vgl. Rosengren 1992; Clark 1993; Schwager 2004a). Ein explizit konditionaler Bezug wird also nicht hergestellt. Der Imperativsatz enthält keine Bedingungen, unter denen der indikativisch formulierte Sachverhalt notwendigerweise zutrifft.

42

1. Der Imperativische Modus und seine morphologische

Repräsentation

1.3.4. Zusammenfassung Der Imperativ spaltet sich in flexionsmorphologischer Hinsicht in zweierlei Varianten auf. Imperative, welche über eine eigenständige modalmorphologische Kodierung innerhalb des Verbalflexivs verfugen, nehmen in der Regel genau diejenigen flexivischen Spezifikationen zu sich, die die jeweilige Einzelsprache ihrem gesamten Modalsystem an morphologisch kodierten Verbalkategorien bereit stellt. Formal unmarkierte Imperative dagegen benötigen als genuin direktive Illokutionsindikatoren zunächst keinerlei flexivische Spezifizierung. Sie können aber in einer Anzahl von Sprachen nachträglich hinsichtlich verschiedener verbaler Kategorien flexions-morphologisch gekennzeichnet werden, wobei Markierungen bezüglich der Subjektpersonenkongruenz und des Tempus allerdings prinzipiell ausgeschlossen sind. Im Laufe der Sprachgeschichte haben die formal unmarkierten Imperative des indoeuropäischen Sprachraums aufgrund paradigmenübergreifender Verschmelzungen, Erosionen und Überkreuzungen mittlerweile in einigen Sprachen in unterschiedlichem Ausmaß eine formale Markierung angenommen. So lauten die singularischen Imperative des Neuhochdeutschen fakultativ auf ein Endungsschwa aus, während diejenigen der 2. und 3. Konjugation im heutigen Französischen eine Personenkongruenzkodierung der 2. Person Singular als spezifisches Flexiv zu sich nehmen. Imperativierbar sind sämtliche Verben, die die thematische Interpretation eines externen Arguments erlauben und somit einen Imperativischen Adressatenbezug semantisch begründen. Keine Imperativform bilden dagegen diejenigen Verben, welche nicht dazu befähigt sind, ihrem syntaktischen Subjekt eine Theta-Rolle zuzuweisen. Ebenfalls vom Imperativierungsprozess ausgeschlossen sind Modalverben, die sich nicht mehr auf der rein agensorientierten Domäne befinden, sondern innerhalb der epistemischen oder deontischen bzw. sprecherorientierten Domäne eine rein modale Funktion übernommen haben. Ausgenommen hiervon sind lediglich deontisch verwendete Modalverben in so genannten „Pseudoimperativen".

2. Die Imperativische Verbbewegung

2.1. Einleitung Nachdem nun deutlich geworden ist, wie das imperativierte Verb modal charakterisiert ist und durch welche Flexionsmorphologie es sich auszeichnet, soll im Folgenden eruiert werden, auf welche Weise es diese Eigenschaften im Zuge seiner spezifischen Verbbewegung lizenziert und wie es infolgedessen innerhalb der Satzstruktur positioniert ist. Es wird sich zeigen, dass die Imperativische Verbbewegung je nach morphologischer Konstitution des imperativierten Verbs und der syntaktischen Entwicklung der jeweiligen Einzelsprache durchaus stark variiert, wobei jedoch eine grobe Einteilung in zwei unterschiedliche Prozesse vorgenommen werden kann. Das Unterkapitel 2.2. bildet die theoretische Basis, auf der nicht nur die Analyse der Imperativischen Verbbewegung, sondern auch die theoretischen Grundansätze und Hauptanalysen der nachfolgenden Teile 3 und 4 beruhen. In ihm wird erläutert, wie Bewegung im Allgemeinen und Verbbewegung im Besonderen im Rahmen der modernen generativen Grammatiktheorie motiviert werden und welchen Gesetzen sie folgen. In 2.3. werden vier neuere Arbeiten, die mit der Imperativischen Verbbewegung und deren Konsequenzen für die Konstitution des Imperativischen Satzes befasst sind, vorgestellt und unter 2.3.5. ausfuhrlich kritisiert. Meine darauf folgende Analyse gliedert sich in zwei Hauptteile (2.4.; 2.5.), wovon der zweite und wesentlich detaillierte die Entwicklung und Institutionalisierung der Imperativischen V-nach-C-Bewegung in den westgermanischen und romanischen Sprachen behandelt. Wie letztere vor dem Hintergrund des Split C-Modells genau vonstatten geht und welchen Einfluss sie auf den Prozess der Klitisierung in Imperativischen Konstruktionen nimmt, wird in den Kapiteln 2.5.2. und 2.5.3. ermittelt.

2.2. Verbbewegung 2.2.1. Die Prinzipien- und Parametertheorie Unter den generativen Grammatiktheorien ist die Prinzipien- und Parametertheorie die erste, die dem theoretischen Anspruch der explanativen Adäquatheit gerecht wird und damit imstande ist, den Erwerb einer einzelsprachlichen Grammatik aus der Interaktion von biologischer Grundausstattung und sprachlichem Input des Kindes zu erklären. Der Grundhypothese der Prinzipien- und Parametertheorie zufolge spezifiziert ein mental

44

2. Die Imperativische

Verbbewegung

repräsentiertes System von Prinzipien die allen Sprachen gemeinsamen Struktureigenschaften. Der Abstraktionsalgorithmus des kindlichen Erwerbsmechanismus verarbeitet und analysiert vor dem Hintergrund eben dieses Systems sämtliche sprachlichen Inputdaten, wobei nur diejenigen Daten, welche mit diesem in Einklang stehen, weiterhin berücksichtigt werden. Spracherwerb erfolgt auf der Grundlage dieses theoretischen Ansatzes demnach deduktiv: Jeder Sprecher verfugt von Anfang an über eine Anzahl von spezifischen Hypothesen, die er durch seine sprachliche Erfahrung bestätigen lässt. Das Konglomerat der universellen abstrakten Prinzipien konstituiert die genetisch determinierten Eigenschaften der menschlichen Sprachfahigkeit und wird im Allgemeinen als Universalgrammatik (UG) bezeichnet. Die Prinzipien selbst sind in Form von Parametern kognitiv verankert und erlauben daher sprachliche Variation. Der Erwerb einer einzelsprachlichen Grammatik ist folglich als die Fixierung von Parametern der universalen Grammatik zu betrachten (Chomsky 1980b, 1982; Grewendorf 1992). Auch das Nachfolgemodell, das so genannte Minimalistische Programm, erfüllt den Anspruch der explanativen Adäquatheit. Es geht jedoch, wie die Ausfuhrungen in 2.2.2. deutlich machen, theoretisch und methodologisch in vielerlei Hinsicht über die Prinzipien- und Parametertheorie hinaus. Zum Verständnis der folgenden Punkte 2.3., 2.4. und 2.5. werden beide Theorien gleichermaßen von Belang sein. Es wird sich zeigen, dass verschiedene Konzepte, sowohl des Prinzipien- und Parametermodells als auch des Minimalistischen Programms, ihre Berechtigung verdienen und daher innerhalb der syntaktischen Analyse miteinander theoretisch zu verknüpfen sind.

2.2.1.1. X-bar-Schema und Satzstruktur Eines der Grundprinzipien der generativen Grammatiktheorie ist das Prinzip der Strukturabhängigkeit, nach dem sämtliche syntaktischen Regeln und Gesetzmäßigkeiten der natürlichen Sprachen ausschließlich auf die strukturellen Gegebenheiten von Sätzen Bezug nehmen. Sätze weisen nicht nur den Strukturaspekt der Linearität auf, sie sind auch hierarchisch strukturiert. Sie setzen sich aus jeweils unterschiedlichen Typen von Phrasen (XPs) zusammen, wobei diese auf jeder Hierarchiestufe gemäß identischen grundlegenden Strukturprinzipien konstruiert sind. Deren konstitutives Hauptmerkmal besteht in ihrer Endozentrizität: sie werden mittels binärer Verzweigung von genau einem Kernelement aus projiziert und erben von diesem über die Linie ihres Projektionsaufbaus sämtliche morphologischen und kategorialen Merkmale. Die Kernkategorie der Phrase wird als Kopf der Projektion bezeichnet und trägt als minimale Kategorie der XP einen O-Index (X o ). Sie nimmt auf der untersten phrasalen Hierarchiestufe ihr Komplement (YP) als strukturelle Schwester zu sich und wird gemeinsam mit ihm von einem intermediären Mutterknoten unmittelbar dominiert. Dieser bildet die nächsthöhere Hierarchieebene der Projektion von X und wird daher mit einem „bar"-Index versehen (X'). Zusammen mit der phrasalen Kategorie, die als Spezifikator (Spec) der Phrase fungiert, etabliert er eine weitere Projektionsebene, welche mit einem Hierarchiewert von zwei „bar" ( X " ) die maximale Projektion (X max ) und damit die Phrase XP darstellt (Chomsky 1970). Weitere syntaktische Elemente können dieser Phrase als Adjunkte hinzugefugt werden.

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Verbbewegung

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Adjunktionen, gleichgültig ob es sich bei diesen um Phrasenadjunktionen oder Kopfadjunktionen handelt, erhöhen die Komplexität der Gesamtphrase nicht und führen daher grundsätzlich keine zusätzlichen Hierarchieebenen ein. X o bzw. X ' wird durch Adjunktion stets rekursiv aufgerufen (Radford 1981). Eine syntaktische Kategorie der Komplexitätsstufe η wird folglich entweder zu X""1 oder gleich bleibend zu X n expandiert. Der Strukturaufbau von phrasalen Kategorien lässt sich in Form einer universellen Phrasenstrukturregel, dem X-bar-Schema, wie folgt wiedergeben (vgl. Fanselow & Felix 1990b: 40ff.) (vgl.: (1)): (1)

X-bar-Schema: X n

... X m ...; m = η oder n-1

Ausgangspunkte phrasaler Projektionen sind sowohl substantielle lexikalische Kategorien als auch funktionale Kategorien. Funktionale Kategorien unterscheiden sich von lexikalischen Kategorien insofern, als sie keine bestimmte Menge von Lexemen des Lexikons enthalten, sondern abstrakte grammatische Merkmale tragen. Anstatt eines Theta-Rasters, aus dem sich, wie bei den lexikalischen Kategorien, ein syntaktisches Verhalten in Form spezifischer Subkategorisierungseigenschaften offenbart, verfugen sie über rein c-selektionale Eigenschaften. So besitzen Sätze neben einer Subjekt-DP und einer Prädikat-VP grundsätzlich immer auch ein funktionales Element, welches zwischen diesen beiden syntaktischen Kategorien eine spezifische Verbindung herstellt - folglich Tempus, Modus, Aspekt und die entsprechende Subjekt-Verb-Kongruenz repräsentiert. Dieses Element wird covert, als Auxiliar oder als Flexionskategorie am Verb realisiert und nimmt rein strukturell als funktionaler Kopf I(nfl)° die Prädikat-VP als Komplement und die Subjekt-DP als Spezifikator zu sich (Lasnik 1981; Fukui 1986). Eingeleitete Nebensätze verfügen offensichtlich über eine weitere Projektion, die die Konjunktion enthält und die Projektion des Kernsatzes I(nfl)P dominiert. Diese wird als C(omp)P bezeichnet. Das Kopf-Komplement-Verhältnis zwischen ihrem funktionalen Kopf C(omp)° und I(nfl)P macht sich vor allen Dingen darin bemerkbar, dass Finitheit, Tempus und Modalität des Satzes von der jeweiligen Besetzung des C(omp)P-Kopfes in starkem Maße abhängig sind. So fordern bestimmte nebensatzeinleitende Konjunktionen grundsätzlich eine subjunktivische, andere eine infinitivische Komplement-I(nfl)P. Da die C(omp)P außerdem für fast sämtliche operationalen Prozesse und Kodierungen unerlässlich ist und nicht selten selbst, wie zum Beispiel in den westgermanischen SOV-Sprachen, relevante flexivische Merkmale beherbergt (vgl. u.a. Vikner 1989, Haegeman 1992, Shlonsky 1994, Wexler 1994), wird die Einheit des Satzes letztendlich stets prinzipiell als vollständige C(omp)P angesehen. Während also die funktionale Kategorie INFL ein Verhältnis zwischen Subjekt und Prädikat schafft und die entsprechende Proposition temporal, modal und aspektuell einordnet, bettet die funktionale Kategorie COMP diese in den weiteren Kontext, Kotext und Diskurs ein.

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Verbbewegung

2.2.1.2. Die Repräsentationsebenen Gemäß ihrer semantisch-konzeptuellen Beschaffenheit vergeben lexikalische Kategor i e n b e s t i m m t e T h e t a - R o l l e n ( w i e z u m B e i s p i e l AGENT, PATIENT, THEME, EXPERIENCED

GOAL oder andere), welche innerhalb ihrer Projektion als syntaktische Argumente repräsentiert werden. Dies geschieht derart, dass immer eine Eins-zu-eins-Korrelation zwischen verteilten Theta-Rollen und phrasalen Argumentkategorien hergestellt wird und hiermit das unter (2) formulierte Theta-Kriterium universelle Gültigkeit besitzt. (2) Theta-Kriterium: Jede Theta-Rolle muss genau einem Argument zugewiesen werden, und jedes Argument muss genau eine Theta-Rolle erhalten. Eine lexikalische Kategorie c-selegiert folglich genau diejenigen phrasalen Kategorien, denen sie auch eine Theta-Rolle zuweisen kann, und sie s-selegiert nur diejenigen thematischen Kategorien, fur die innerhalb ihrer phrasalen Projektion eine Argumentstelle verfügbar ist. Bei der Derivation eines Satzes werden zunächst die thematischen Selektionsbedingungen lexikalischer Einheiten und die c-selektionalen Eigenschaften von funktionalen Kategorien strukturell abgebildet. Auf der ersten Repräsentationsebene des Satzes, in der so genannten Tiefenstruktur oder D-Struktur (deep structure), befinden sich demnach sämtliche lexikalischen Kopfkategorien und ihre Argumente in ihrer jeweiligen Basisposition innerhalb der Projektion des Hauptverbs, wobei diese das Komplement des Kopfes I o bildet und die CP dessen Projektion IP dominiert. Die tiefenstrukturelle Repräsentation des Satzes (3a) Miriam klaut Wimperntusche, sieht folglich vereinfacht wie in (3b) dargestellt aus.

(3)

(a) Miriam klaut

(Deutsch)

Wimperntusche.

(b) CP

C

Spec



IP Γ

Spec

Io

VP

-t [+fin,+präs]

V'

Spec Miriam DP

Vo

Wimperntusche

klau-

2. Die Imperativische

Verbbewegung

Al

(3b) ist allerdings nicht diejenige Struktur, die den Satz (3a) letztendlich in seiner oberflächensyntaktischen Konstitution repräsentiert. Dies ist vor allem darauf zurückzufuhren, dass dort relevante morphologische Kodierungen einzelner Konstituenten bislang nicht lizenziert sind. So trägt die NP Miriam keinen Kasus, was zweifelsohne den Kasusfilter (Chomsky & Lasnik 1977), nach dem jede N P obligatorisch kasusmarkiert ist, verletzt, und das Verb klau affigiert kein Flexiv, was seinerseits Lasniks Filter (Lasnik 1981), der eine oberflächenstrukturelle Bindung morphologischer Affixe an ein lexikalisches Trägerelement gebietet, eindeutig zuwiderläuft. Um nun Prinzipien, wie die zuletzt genannten, zu erfüllen und somit morphologischen und syntaktischen Lizenzierungsbedingungen gerecht zu werden, werden auf einer weiteren Repräsentationsebene, der so genannten Oberflächenstruktur oder S-Struktur {surface structure), Bewegungstransformationen durchgeführt, bei denen bestimmte Konstituenten mittels move a aus ihrer Basisposition in höhere c-kommandierende Positionen angehoben werden. Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem höchsten Landeplatz, der Ausgangsposition und eventuellen intermediären Landepositionen wird dabei durch Spuren definiert, die das bewegte Element während seines sukzessiven Anstiegs hinterlässt und mit denen es auf diese Weise eine so genannte Kette (Rizzi 1986: 66) bildet. Sowohl Köpfe als auch Phrasen können in Bewegungsoperationen verwickelt werden (Chomsky 1986a). Das Prinzip der Strukturerhaltung gewährleistet, dass Köpfe nur zu X°-Positionen bewegt bzw. an Köpfe adjungiert werden und dass Phrasen nur zu SpecPositionen bewegt bzw. an Phrasen adjungiert werden. Zu den gängigen Kopfbewegungsprozessen gehört neben der Anhebung bestimmter Partikel oder Klitika vor allem die Verbbewegung, deren Grundmotivation darin besteht, den jeweils unter V o basisgenerierten Verbstamm, mit seiner entsprechend funktional determinierten Flexionsmorphologie zu verschmelzen. Die verbale Morphologie entsteht demnach derivationell. So wird das flexivlose Verblexem erst an den entsprechenden funktionalen Köpfen mittels Inkorporation an sein Flexionsmorphem gebunden. In (3a) musste folglich das verbale Kopfelement klau zu dem funktionalen Kopf I o aufsteigen, um dort zu seiner flexivischen Markierung der 3. Person Singular Indikativ Präsens zu gelangen. Weiterhin allerdings erfolgte eine Bewegung an das Kopfelement der funktionalen CP. Letztere so genannte I-nach-C-Bewegung stellt ein spezifisches Charakteristikum der Matrixsätze sämtlicher moderner westgermanischer SOV-Sprachen dar (den Besten 1983). Da deren CP flexionsrelevante Merkmale beherbergt (vgl. 2.5.1.2.) und diese oberflächenstrukturell lizenziert sein müssen, besetzt das finite Verbelement in Hauptsätzen grundsätzlich die C°-Position. In eingeleiteten Nebensätzen kann eine in der Kopfposition der CP generierte Konjunktion diese Lizenzierungsbedingung erfüllen (vgl.: (4)) 1 . In diesem Fall nimmt das flektierte Hauptverb eine topologische Endposition ein.

1 Wie in der Tat unter anderem Daten aus dem Niederländischen zeigen, affigieren nebensatzeinleitende Konjunktionen in einer Anzahl von Dialekten dementsprechend verbale Flexionsmorpheme (den Besten 1983, Haegeman 1992: 47ff.) (vgl. 2.5.1.2.).

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(4)

Verbbewegung (Deutsch)

(a) dass Miriam Wimperntusche klaut. (b) ob Miriam Wimperntusche klaut. Hinsichtlich der Bewegung von Phrasen unterscheidet man zwischen Α-Bewegung und A'-Bewegung. Bei ersterer Bewegungsoperation handelt es sich um eine XP-Bewegung aus einer theta-markierten und nicht-kasusmarkierten Position in eine kasusmarkierte APosition. A-Positionen - ursprünglich Argumentpositionen - sind die Argumentstellen eines c-selegierenden lexikalischen Kopfes und Spezifikatorpositionen, die mit ihren funktionalen Köpfen eine Übereinstimmung von Kongruenzmerkmalen aufweisen (Rizzi 1991a). Subjekte, die zum Zweck ihrer nominativischen Kasusmarkierung den nicht-kasusmarkierten Spezifikator der VP verlassen und in den Spezifikator von INFL angehoben werden, vollziehen demnach eine solche Α-Bewegung. Die DP Miriam in den Sätzen (3 a, 4a,b) wurde folglich von SpecV nach Speci bewegt, um dort innerhalb der Spezifikator-Kopf-Relation zu dem finiten INFL-Kopf Nominativkasus zugewiesen zu bekommen. Der durch die Konjunktion dass eingeleitete Nebensatz (4a) besitzt demgemäß folgende S-Struktur (vgl.: (5)):

(3a) ist jedoch offensichtlich das Ergebnis einer weiteren Bewegung, durch die die Subjekt-DP Miriam s-strukturell noch vor das in C° gelandete finite Verb platziert wird. Bei dieser so genannten A'-Bewegung wird die betreffende Konstituente aus einer APosition in eine nicht-theta-markierte und nicht-kasusmarkierte non-Α- bzw. A'Position bewegt. A'-Positionen sind Spezifikatorpositionen funktionaler XPs, mit deren Kopfelement sie hinsichtlich operationaler Merkmale übereinstimmen (Haegeman 1995: 252ff.). Die prototypische A'-Position ist der Spezifikator der funktionalen Projektion CP. Phrasen, die die Illokution des Satzes spezifizieren oder modifizieren, lizenzieren dort entsprechende Merkmale. In der SpecC-Position befinden sich demnach W-Phrasen, fokussierte und topikalisierte Phrasen.

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Verbbewegung

Da nun das Deutsche wie sämtliche anderen modernen westgermanischen SOVSprachen zu den so genannten Verb-zweit-Sprachen (V2-Sprachen) gehört, verlangt es in der satzinitialen Position seiner kanonischen Deklarativsätze eine topikalisierte Phrase. Diese kann, aber muss nicht das Subjekt des Satzes sein. Demzufolge ist der Spezifikator der CP in den Verb-zweit-Sätzen des Deutschen immer gefüllt (vgl. 2.5.1.2.). Speziell in Interrogativsätzen beherbergt er eine W-Phrase, die von dort ihren Skopus über den Gesamtsatz ausdehnt. Die Oberflächenstruktur von (3a) ist nun unter (6) abgebildet und die eines entsprechenden Interrogativsatzes (7a) unter (7b). (6)

Spec Minami

DP Wimperntusche

(7) (a) Was klaut Miriam? (b)

(Deutsch)

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Die W-Phrase was des Satzes (7a) wurde s-strukturell in die Spezifikatorposition der CP bewegt, damit sie dort gegenüber C° ihr +W-Merkmal lizenziert. Multiple W-Fragen müssten demgemäß sämtliche W-Phrasen in satzinitialer Positionierung versammeln, um jeder einzelnen von ihnen die rechtmäßige Lizenzierung ihres W-Merkmals zu gewähren. In einigen slawischen Sprachen, wie zum Beispiel im Polnischen und Bulgarischen, finden sich in der Tat multiple W-Phrasen, ungeachtet ihrer Anzahl, stets am Satzanfang (Rudin 1988) (vgl.: (8)). Im Deutschen ist dies jedoch nicht zulässig. Dort wird, ähnlich wie im Englischen, oberflächenstrukturell genau jeweils eine W-Phrase nach SpecC angehoben, während alle weiteren in situ verbleiben. Dies illustrieren die Beispiele unter (9). Im Japanischen und Chinesischen scheint die Notwendigkeit, W-Phrasen überhaupt zu bewegen, gar nicht erst zu bestehen, wie (10) zeigt. (8) (a) Kto co robi?

(Polnisch)

w e r w a s tu-3SG

„Wer macht was?" (b) Koj kogo vizda? wer wen

(Bulgarisch)

seh-3SG

„Wer sieht wen?" (9) (a) Wer klaut was?

(Deutsch)

(b) When will Hubert buy what? wann AUX Hubert kaufen was „Wann wird Hubert was kaufen?

(Englisch)

(a) Tamoto-wa naze kubi-ni natta no? Tamoto-τορ warum werd-PRÄT entlassen Q „Warum wurde Tamoto entlassen?"

(Japanisch)

(10)

(b) Ni xihuan shei? du mag wen „Wen magst du?"

(Chinesisch)

Dennoch verfugen in den hier angegebenen Interrogativsätzen (8) bis (10) alle WPhrasen über einen +W-Status und nehmen sonach den Gesamtsatz in ihren Skopus auf. Eine entsprechende syntaktische Repräsentation zeigen aber nur die Beispielsätze des Polnischen und Bulgarischen. Bei den W-Interrogativsätzen des Deutschen, Englischen, Japanischen und Chinesischen hingegen wird die vollständige Lizenzierung sämtlicher W-Merkmale erst auf LF abgeschlossen, wobei im Deutschen und Englischen ein bereits s-strukturell angehobenes W-Element den interrogativen Skopus markiert (Huang 1982; Lasnik & Saito 1984).

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LF (Logical Form) ist also diejenige Repräsentationsebene, auf der die rein semantischen Relationen von Sätzen kodiert sind. Die gesamte funktionale und operationale Interpretation syntaktischer Entitäten findet auf ihr statt. Folglich werden Elemente, die ihre semantisch-logische Funktion nicht sichtbar oberflächensyntaktisch reflektieren (wie zum Beispiel Quantoren oder W-Phrasen in situ), covert bzw. auf LF in entsprechende Lizenzierungs- und Skopuspositionen bewegt (Hornstein 1984; May 1985). Zwischensprachliche Unterschiede hinsichtlich der strukturellen Repräsentation bestimmter funktional oder operational kodierter Konstituenten ergeben sich insofern lediglich aus verschiedenen s-strukturellen Bewegungsrestriktionen. Die LF-Ebene ist grundsätzlich universell determiniert. Unsere Grammatik verfugt also auf der Grundlage der klassischen Prinzipien- und Parametertheorie über verschiedene Repräsentationsebenen. Das X-bar-Schema generiert zunächst eine spezifische D-Struktur, in der lexikalische Einheiten in ihren thematischen Positionen basisgeneriert werden. Transformationsprozesse, die auf der Basis dieser d-strukturellen Repräsentation ausgeführt und auf der Satzoberfläche sichtbar werden, repräsentiert die S-Struktur. Diese gelangt auf der Ebene der PF (Phonetical Form) durch lautliche Prozesse zur Aussprache. Funktionale und operatio-nale Relationen des Satzes werden auf LF, der Ebene der semantischen Repräsentation, interpretiert. Die Konzeption der einzelnen Repräsentationsebenen wird innerhalb der Grammatiktheorie als so genanntes T-Modell wie in (11) dargestellt.

(Π) D-Struktur

2.2.1.3. Verbbewegung und Split-INFL Das flektierte Verb ist, wie bereits in 2.2.1.2. deutlich wurde (vgl.: (5, 6)), als das Ergebnis eines derivationellen Prozesses zu betrachten. Das unter V o basisgenerierte Verbelement steigt zum Kopf der IP auf, um sich dort mit seinen funktional determinierten Flexionsmorphemen zu verbinden und somit Lasniks Filter zu befriedigen. I o müsste nun unter dieser Annahme in sich ein Konglomerat von verschiedenen Flexionsmerkmalen vereinigen, die alle gemeinsam mit der einmaligen Landung des Verbs lizenziert und mit dessen Stamm verschmolzen werden. Letzteres jedoch erscheint in Anbetracht der Konstitution von Verbalflexiven nicht unbedingt plausibel.

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So zeigt unter anderem das deutsche Verbalflexiv sehr deutlich eine höchst strikte Rangfolge von Flexionsmorphemen. Während das Tempusmorphem, so vorhanden, grundsätzlich unmittelbar an die Verbwurzel affigiert, bilden Kongruenzmorpheme immer die am äußersten Rand gelegenen Suffixe (vgl.: (12)). (12) du klau

(Deutsch) -te-st

PRÄT

2SG

sie klau - te - 0 PRÄT

wir klau

3SG

-te-η

PRÄT

lPL

Sollte nun die verbale Flexionsmorphologie tatsächlich durch Kopfbewegung zustande kommen, so wäre angesichts dieser Daten eine schrittweise vollzogene Affigierung und somit sukzessive Anordnung von Flexionsmorphemen eher denkbar. Das finite Verbelement würde in diesem Fall innerhalb der IP an verschiedene Köpfe adj ungieren, um dort jeweils unterschiedliche Flexionsmerkmale zu lizenzieren. Diesen Grundgedanken fasste Pollock 1989 in eine Theorie der gespaltenen IP. Gemäß dieser ist die INFL-Projektion in separate funktionale Phrasen unterteilt, von denen eine an ihrem Kopf ein Tempusmerkmal (T° (tense)) und eine andere an ihrem Kopf Kongruenzmerkmale (Agr° (agreement)) beherbergt. Empirische Evidenz dafür, dass Tempus- und Kongruenzmerkmale in der Tat nicht in ein und derselben funktionalen Projektion verankert sind, liefern zahlreiche Sprachen wie zum Beispiel das Standardarabische (vgl.: (13)). Dort wird in Anwesenheit der Negation mit laa Tempus nicht wie in affirmativen Sätzen ebenso wie Kongruenz flexivisch am Verbstamm ausgedrückt, sondern an dem besagten negativen Kopfelement (Ouhalla 1994; Benmamoun 2000; vgl. auch Grewendorf 2002: 37f.). (13)

(Standardarabisch) (a) ?anta katab- ta du

s c h r e i b - P R Ä T + 3 MASK. SG

„Du schriebst." (b) Lam

ya-

dhab-uu

NEG+PRÄT 3 M A S K - g e h -

MASK.PL

„Sie gingen nicht." In den mit laa negierten arabischen Konstruktionen existiert somit offensichtlich zwischen den beiden Projektionen AgrP und TP eine zusätzliche funktionale Projektion, die ausschließlich Satznegation repräsentiert (Ouhalla 1994; Benmamoun 2000). Diese sogenannte NegP findet sich allerdings nicht nur in Sprachen wie dem Standardarabischen, deren Negationselemente verbale Flexive zu sich nehmen, sondern sie bildet nach Meinung zahlreicher Vertreter der Split-INFL-Theorie (vgl. Pollock 1989; Laka 1990; Chomsky 1995; Haegeman 1995) vielmehr einen essentiellen Bestandteil sämtlicher negierter Strukturen. Ebenso wie die beiden INFL-internen Phrasen AgrP und TP besitzt auch sie einen Kopf und einen Spezifikator. Im Falle der einfachen satz-

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relevanten Negation sind entweder sowohl Neg° als auch SpecNeg oder nur eine von beiden Positionen lexikalisch gefüllt (vgl. 3.2). Eine weitere funktionale Projektion innerhalb der IP bildet eine Phrase, die ebenso wie AgrP Kongruenzmerkmale kodiert. Anders als diese beherbergt sie jedoch keine phiMerkmale, die in Kongruenz mit dem Subjekt stehen, sondern solche, die mit der Person, dem Numerus und dem Genus des direkten Objekts übereinstimmen. In Abgrenzung zu der Subjektkongruenzphrase, die in theoretischen Ausführungen vielfach als AgrSP erscheint, wird sie verkürzt AgrOP genannt. Eindeutige Evidenz fur die Existenz einer derartigen funktionalen Projektion erbringen Sprachen, wie zum Beispiel die sahaptische Sprache Nez Perce (Rude 1991) und das Ungarische (Kiss 1981), in denen Kongruenzbeziehungen mit dem Akkusativobjekt overt flexivisch am Verb repräsentiert sind (vgl.: (14)). (14) (a) 'áayato-na ράα'naxpayk-a 'níit- pe Frau -OBJ 3SUBJ+3OBJ bringPRÄT Hütte-Loc „Er brachte die Frau zur Hütte"

(Nez Perce)

(b) Janós

(Ungarisch)

szere-ti Màrià-t lieb- 3SG+3SG Maria-AKK „Hans liebt Maria." Hans-NOM

In diesen Sprachen können nicht sämtliche Kongruenzmerkmale unter ein und demselben Knoten versammelt sein, da die Spezifikatoren des jeweiligen Kongruenzverhältnisses strukturell unterschiedliche Positionen einnehmen. Man muss also davon ausgehen, dass das verbale Kopfelement innerhalb der IP zu einem funktionalen Kopf AgrO° aufsteigt, um sich dort mit einer in SpecAgrO gelandeten Objektphrase in eine Spezifikator-Kopf-Relation zu begeben. Innerhalb dieses Kongruenzverhältnisses wird neben der Lizenzierung von /?/?i'-Merkmalen auch die Vergabe des objektivischen Kasus bewerkstelligt. Unter der generellen Annahme, dass alle Sätze, die ein Akkusativobjekt enthalten, auch eine AgrOP projizieren, ist folglich struktureller Kasus grundsätzlich das Ergebnis einer Spezifikator-Kopf-Beziehung. Der traditionelle konzeptuelle Unterschied zwischen Kasuszuweisung durch Rektion und Kasuszuweisung durch Kongruenz ist damit aufgehoben (Chomsky 1995: 120). Infolge Pollocks richtungsweisender Split-INFL-Hypothese von 1989 sind zahlreiche weiterfuhrende Dekompositionen der INFL-Projektion vorgeschlagen worden. So argumentiert zum Beispiel Zanuttini (1997) fur die Kookkurenz mehrerer verschiedener funktionaler NegPs. Unter anderem Hendrick (1994), Baker (1997) und Belletti (1999) nehmen an, dass die verbale Kategorie des Aspekts ebenfalls eine eigene Projektion innerhalb der IP ausbildet. Von der Existenz einer MoodP geht neben Rivero (1994a) und Zanuttini (1997) inzwischen auch Pollock selbst aus (vgl. Pollock 1997). Sogar Klitika sind laut Rivero & Terzi (1995) und Sportiche (1996) in einer eigens fur sie vorgesehenen Projektion verankert. Und Cinque (1999) ist der Meinung, dass Adverbien in den Spezifikatoren unterschiedlich definierter funktionaler Phrasen generiert werden. Welche und wie viele INFL-interne Projektionen in der Tat überhaupt anzunehmen sind, scheint also schwer auszumachen zu sein. Hinzu kommt, dass man sich über das

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mögliche Ausmaß der IP-Aufspaltung noch bei weitem nicht einig ist. So meinen Giorgi & Pianesi (1996), dass hinsichtlich dessen starke parametrische Unterschiede zwischen isolierenden und agglutinierenden Sprachen einerseits und flektierenden Sprachen andererseits zu verzeichnen sind. Nur in isolierenden und agglutinierenden Sprachen projizieren laut Giorgi & Pianesi (1996) tatsächlich sämtliche grammatische Kategorien des Verbs eine eigenständige funktionale Phrase; in den flektierenden Sprachen jedoch versammeln sich in der Regel mehrere grammatische Merkmale unter ein und demselben Knoten. Unter anderem Shlonsky (1989) und Sigurösson (1996) plädieren dagegen für eine universell detailliertere Aufsplitterung der IP im Bereich der Agr-Projektion. Welche der genannten Positionen nun letztendlich zu vertreten ist, sei an dieser Stelle offengelassen. Zu vermuten ist jedenfalls, wie auch die folgende Diskussion zeigen wird, dass hinsichtlich derartiger Fragestellungen individuellsprachliche Parametrisierungen in der Tat eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Wenn nun tatsächlich verbale Flexionsmorpheme in den verschiedenen funktionalen Köpfen der IP generiert werden und von dort aus mittels Inkorporation an das sukzessiv aufsteigende Verbelement gelangen, dann müsste sich die interne Struktur der INFLProjektion an der Morphemfolge der verbalen Flexionsmorphologie ablesen lassen können. Baker (1985) geht davon aus, dass dies tatsächlich immer der Fall ist. Morphologische Reflexe auf syntaktische Derivationen folgen seiner Einsicht nach einem universellen Prinzip, welches er als sogenanntes Spiegelprinzip (Mirror Principle) wie in (15) formuliert. (15) The Mirror Principle (Baker 1985) Morphological derivations must directly reflect syntactic derivations (and vice versa). Da die verschiedenen Sprachen innerhalb ihres Verbalflexivs eine höchst unterschiedliche Morphemabfolge aufweisen, ist gemäß Bakers Prinzip anzunehmen, dass die hierarchische Struktur der IP der sprachlichen Parametrisierung unterliegt. So zeigt das deutsche Verb, wie bereits in (14a) verdeutlicht wurde, die Morphemabfolge: (du klau - te - st:) V + Τ + AgrS, wonach die Struktur der entsprechenden IP, wie in (16) darzustellen ist.

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(16) AgrS Spec

Das Verb des Standardarabischen weist hingegen eine andere Linearisierung seiner grammatischen Kategorien auf, nämlich (vgl.: (15b)): (la m ya - dhab-uu) V + AgrS + Neg + T. Im Falle der Satznegation ist die IP dort demzufolge, anders als im Deutschen, wie folgt strukturiert (Ouhalla 1994) (vgl.: (17)). (17)

Ob und auf welche Weise Verben nun innerhalb der IP überhaupt bewegt werden, darüber gibt, so Pollock (1989), unter anderem die Stellung adverbialer Elemente Aufschluss. Pollock (1989) vergleicht in diesem Zusammenhang das Französische mit dem Englischen anhand folgender Beispiele (vgl.: (18)):

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(18) (a) Jean embrasse souvent Marie. Jean küss-3SG oft Marie „Jean küsst Marie oft." (b) John often kisses Mary. John oft küss-3SG Mary „John küsst Mary oft."

(Französisch)

(Englisch)

Wenn man wie Pollock annimmt, dass Adverbien wie souvent bzw. often an die Projektionsebene der VP adjungiert sind, dann ist bezüglich der s-strukturellen Repräsentation ein deutlicher Unterschied zwischen dem englischen und dem französischen lexikalischen Vollverb festzustellen. Während nämlich das französische finite Verb links von dem Adverb souvent steht und somit eine Bewegung in die IP vollzogen haben muss, folgt das englische Verb dem Adverb often. Es hat oberflächensyntaktisch folglich nicht die VP verlassen. Gerade letztere Beobachtung bereitet unter der Voraussetzung, dass die grammatischen Kategorien des Verbs in den funktionalen Köpfen der verschiedenen IP-internen Projektionen kodiert sind und auch nur dort von dem aufsteigenden Verbelement lizenziert werden können, jedoch ein handfestes theoretisches Problem. Es stellt sich nämlich die Frage, wie das finite Vollverb des Englischen, obwohl es doch gar nicht in die IP eindringt, zu seinen funktional determinierten Merkmalen gelangt. Eine traditionelle Vermutung besteht darin, dass die individuelle Beschaffenheit der verbalen Flexionsmorphologie in direktem Zusammenhang mit der Beweglichkeit lexikalischer Verben steht (vgl. u.a. Pollock (1989), Lightfoot & Hornstein (1994), Vikner (1994)). Sprachen, deren flektierte Verben über eine reich ausgebildete Flexionsmorphologie verfugen, wie zum Beispiel das Französische, beherbergen innerhalb ihrer IP demzufolge starke funktionale Köpfe. Diese motivieren eine s-strukturelle Bewegung des unter V o generierten Verbstamms, so dass eine vollständige Verschmelzung des verbalen Elements mit seinen funktional determinierten Affixen gewährleistet ist und somit Lasniks Filter befriedigt wird. Schwache Köpfe, wie sie im flexionsmorphologisch arm ausgestatteten Englischen vorkommen, erlauben dagegen grundsätzlich keine s-strukturelle X°-Bewegung nicht-auxiliarer lexikalischer Verben. Die in der VP verbliebenen Verbelemente gelangen zu ihrer spezifischen Kongruenz- und TempusMorphologie, indem sie, wie unter anderem von Emonds (1985), Pollock (1989) und Chomsky (1991) vorgeschlagen, die durch einen speziellen Lowering-Prozess abgesenkten morphologisch relevanten Merkmale von Agr und Τ in V o erhalten. Absenkung ist dabei allerdings prinzipiell nicht als legitimer syntaktischer Vorgang zu betrachten, denn die Abwärtsbewegung funktionaler Elemente hinterlässt immer Spuren, die von ihrem Antezedens nicht c-kommandiert werden. Pollock (1989) und Chomsky (1991) versuchen diese Unwägbarkeit auf unterschiedliche Weise zu umgehen. Während Pollock (1989) davon ausgeht, dass die Spuren der Affixsenkung von einem nonoverten funktionalen Verbsubstitut innerhalb der IP gebunden werden, argumentiert Chomsky (1991) dafür, dass das lexikalische Verbelement covert nach AgrS° aufsteigt, um die illegitime Kette noch auf LF zu eliminieren.

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Verbbewegung

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Wird ein verbales Element, wie etwa im Französischen oder Deutschen, von seiner Basisposition V o s-strukturell in die funktionale INFL-Projektion angehoben, so folgt diese Bewegung stets bestimmten Prinzipien. Zunächst fordert das Prinzip der Strukturerhaltung, dass Bewegungsprozesse generell keine Strukturveränderung hervorrufen dürfen. Wie bereits in 2.2.1.2. erwähnt, affiziert Verbbewegung - eine charakteristische X°-Bewegung - deshalb nur Köpfe. Das verbale Kopfelement V erreicht seinen Landeplatz innerhalb der IP sukzessiv über Kopfadjunktion. Am Beispiel der deutschen IP-Struktur unter (16) verdeutlicht bedeutet dies, dass V zuerst an Τ in seine spezifische Tempusmorphologie inkorporiert (klau-te). In einem weiteren Schritt wandert es nach AgrS, wo es als Adjunkt von Τ die komplexe Kategorie [ AgrS [V - T] - AgrS] bildet und folglich dort mit seiner Kongruenzmorphologie verschmilzt iklau-te-si). Im Zuge dieser Anhebung nach AgrS darf V keinesfalls den funktionalen Kopf Τ überspringen. Dies verbietet das Prinzip der Kopfbewegungsbeschränkung (HMC (Head Movement Constraint)), welches in Vermeidung von Verletzungen des Leerkategorienprinzips (ECP (Empty Category Principle)) nur die rein zyklische Bewegung von Köpfen gestattet (Travis 1984; Rizzi 1990a; Hornstein & Lightfoot 1994). Sobald also das verbale Kopfelement während seiner Anhebung einen funktionalen Kopf übergeht, hinterlässt es eine Spur, die nicht strikt antezedensregiert ist und somit gegen das ECP verstößt. Antezedensrektion ist nur dann gewährleistet, wenn der Regens das zu regierende Element c-kommandiert, keine Barriere interveniert und die Kondition der Relativierten Minimalität erfüllt wird (Rizzi 1990a: 6). Letztere Minimalitätsbedingung wurde von Rizzi (1990a) formuliert und relativiert blockierende Effekte hinsichtlich der Art des involvierten Rektionsverhältnisses. Ist also in einer linearen syntaktischen Konstellation X . . . Ζ ... Υ Ζ ein potentieller Regens fur Y, so kann Ζ nur dann die Rektion von X nach Y blockieren, wenn zwischen ihm und Y die gleiche Rektionsbeziehung vorliegt wie zwischen X und Y. Folglich kann Ζ als potentieller Kopfregens fur Y nur eine Kopfrektion und als potentieller Antezedensregens fur Y nur eine Antezedensrektion von X nach Y hemmen, wobei hier zusätzlich eine weitere Unterscheidung zwischen blockierenden A- und A'-Elementen getroffen wird. Speziell im Falle der Verbbewegung blockiert demzufolge, wie Beispiel (19), bei dem HMC in der Struktur (19b) offensichtlich nicht eingehalten wurde, illustriert, ein intervenierender Kopf die strikte Rektion der Spur (Rizzi 1990a: 11). (19)

(Englisch) (a) Could, they t¡ have left? AUX-PRÄT sie haben verlassen „Könnten sie gegangen sein?" (b) * Have,,· they could t¡ left? haben sie AUX-PRÄT verlassen

Das bewegte X°-Element have in (24b) kann seine Spur t, aufgrund des Kopfes could nicht antezedensregieren. Denn could ist, da es t¡ c-kommandiert und seinerseits von have c-kommandiert wird, ein intervenierender und somit blockierender potientieller Kopfregens. (24b) scheitert daher an einer ECP-Verletzung.

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2. Die Imperativische

Verbbewegung

2.2.2. Das minimalistische Modell Das Minimalistische Programm, wie es Chomsky (1993) formuliert hat, stellt keine Aufhebung, sondern viel eher eine signifikante Weiterentwicklung des Prinzipien- und Parametermodells dar. Es geht in seinem theoretischen Anspruch über Letzteres insofern hinaus, als es innerhalb seiner Ausgangshypothese das grundlegende syntaktische Regelsystem der menschlichen Sprache - die so genannten universellen Prinzipien nicht nur als existent, sondern auch als optimal ansieht (Chomsky 1995: 9) und sich damit zu einer Erklärung dessen verpflichtet, warum die bestehenden strukturellen und funktionalen Eigenschaften der Sprache tatsächlich auf die bestmögliche Art mit anderen kognitiven Systemen interagieren. Der Entwurf einer entsprechenden Theorie erfordert zunächst die Minimierung und Ökonomisierung der bereits vorliegenden Theorie, wobei dies sowohl den methodologischen Apparat an sich als auch den Untersuchungsgegenstand betrifft. Im Sinne der methodologischen Ökonomie sind Kriterien der Eleganz und Einfachheit zu erfüllen. Der resultierende Theorieentwurf muss also mit einem Mindestmaß an Grundbegriffen, -relationen und -Operationen auskommen, um eine größtmögliche Anzahl von sprachlichen Fakten zu erklären. Die kognitive Ökonomie beruht auf der Ausgangshypothese, dass die der menschlichen Sprache zugrunde liegenden Prinzipien und Prozesse nicht-redundant und in höchstem Maße effektiv gestaltet sind und dass auf keiner sprachlichen Repräsentationsebene überflüssige Elemente vorhanden sind.

2.2.2.1. Die Schnittstellenebenen LF und PF Eine der folgenschwersten Minimierungen wird im Bereich der Repräsentationsebenen vorgenommen. Von dem statischen Vier-Ebenen-Modell der Prinzipien- und Parametertheorie bleiben allein die Ebenen PF und LF bestehen. PF stellt eine Verbindung zu dem perzeptuellen System der Spracherkennung und zu dem artikulatorisehen System der Sprachproduktion her, und LF steht mit den kognitiven Systemen der semantischen Kompetenz in Verbindung. Die sprachinternen Ebenen D-Struktur und S-Struktur werden, da sie anders als die beiden Schnittstellenebenen nur innerhalb des von ihnen eigens determinierten Systems motiviert und daher nicht auf unabhängige Eigenschaften des kognitiven Systems zurückgeführt werden können, als konzeptuell nicht notwendig erachtet und eliminiert (Chomsky 1995: 186ff.). Die Sprache basiert nunmehr auf einem Lexikon und einem System syntaktischer Operationen. Das Lexikon besteht aus einer Anzahl von lexikalischen Einträgen, wovon sich jeder einzelne aus drei Komponenten zusammensetzt: erstens aus einer Menge von phonologischen Merkmalen, welche Informationen an das artikulatorisch-perzeptuelle System (PF) weitergibt, folglich festlegt, wie das entsprechende Lexem ausgesprochen bzw. gebärdet wird, zweitens aus einer Menge semantischer Merkmale, welche spezifische Instruktionen an das konzeptuell-intentionale System (LF) liefert, also angibt, wie das entsprechende Lexem interpretiert wird und drittens aus einer Menge syntaktischer Merkmale, welche den grammatischen Status des entsprechenden Lexems definiert und Instruktionen zur Kombinatorik der syntaktischen Struktur enthält. Die Auswahl von lexikalischen Elementen, die einen individuellen sprachlichen Ausdruck

2. Die Imperativische

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Verbbewegung

konstituieren, ist in Form einer Numeration, also als eine Ansammlung von numerisch indizierten lexikalischen Einheiten, repräsentiert. Der Index gibt dabei jeweils an, wie oft das entsprechende Element eingesetzt werden kann. Das System syntaktischer Operationen entnimmt (select) der lexikalischen Auswahl Elemente, um mit diesen sprachliche Ausdrücke zu generieren. Die Derivation eines sprachlichen Ausdrucks besteht sonach aus einer Auswahl von lexikalischen Einheiten und einer Abfolge von syntaktischen Operationen, die jeweils genau eine PFRepräsentation und genau eine LF-Repräsentation dieser Auswahl erzeugen (Chomsky 1995: 168 f.). Die entsprechende Satzstruktur wird mit Hilfe von zwei Arten transformationaler Operationen gebildet. Die Operation der Verkettung (Merge) konstruiert phrasale Strukturen, indem sie zwei syntaktische Entitäten unter einem Knoten vereint. Die Legitimation von deren morphosyntaktischen Merkmalen wird - ähnlich wie im Rahmen des Prinzipien- und Parametermodells - durch die Operation der Bewegung (Move) gewährleistet (Chomsky 1995: 191ff.). Die nicht-transformationale Operation Spell-out sorgt schließlich dafür, dass die Derivation eine overte Form erhält und somit Gegenstand des artikulatorisch-perzeptuellen Systems wird. Dabei unterliegt es der individuellsprachlichen Parametrisierung, an welchem Punkt der Strukturbildung Spellout angewendet wird. Sämtliche Operationen, die nach Spell-out bzw. covert durchgeführt werden, erfolgen ohne Zugriff auf das Lexikon und sind allein auf LF interpretierbar (Chomsky 1995: 189). Invariante Prinzipien bestimmen schließlich, was eine mögliche Derivation und ein möglicher sprachlicher Ausdruck ist. Eine Derivation konvergiert (converge), sobald sich aus ihr ein legitimer sprachlicher Ausdruck ergibt - das heißt, sie kann nur dann als gelungen betrachtet werden, wenn sie zu einer legitimen Repräsentation auf PF und zu einer legitimen Repräsentation auf LF führt. Andernfalls bricht sie zusammen (crash) (Chomsky 1995: 171). Diesen Ausfuhrungen zufolge kann das minimalistische Grammatikmodell wie folgt dargestellt werden (vgl.: (20)): (20) Lexikon

Merge & Move

Spell-out

Move

PF

LF

(coveit)

60 2.2.2.2.

2. Die Imperativische

Verbbewegung

Verkettung und Bewegung

Innerhalb der minimalistischen Theorie wird die strukturelle Repräsentation sprachlicher Ausdrücke als ein genuin dynamischer Prozess angesehen. Anders als im Rahmen des Prinzipien- und Parametermodells werden Strukturen nunmehr nicht von Anfang an stets im Ganzen projiziert, sondern sie werden unter Anwendung der Operationen , Verkettung' {Merge) und .Bewegung' {Move) Schritt für Schritt aufgebaut. Die zentrale Prozedur des Strukturaufbaus besteht darin, lexikalische Elemente im Format des X-bar Schemas strukturell abzubilden. Das lexikalische Material, das dabei innerhalb der Derivation zum Einsatz kommt, wird zunächst dem Lexikon selektiv entnommen und in Form einer lexikalischen Kollektion {Numeration)2 hierfür zur Verfugung gestellt (Chomsky 1995: 225ff.). Eine entsprechende Satzstruktur entsteht dadurch, dass sukzessive jeweils zwei syntaktische Objekte zu einem komplexeren dritten verschmelzen. Diese so genannte Verkettung funktioniert nach dem Prinzip der generalisierten Transformation: Ein Phrasemarker substituiert die Leerstelle eines anderen, expandierenden Phrasemarkers, wobei die phrasale Ebene stets der strukturellen Reglementierung des X-bar Schemas unterliegt (Chomsky 1995: 186ff.). Dies wird im Folgenden am Beispiel des Strukturaufbaus der VP von ((3a) Miriam klaut Wimperntusche) verdeutlicht: Zuerst werden klaut und Wimperntusche in ihrer flektierten Form aus der lexikalischen Kollektion herausgenommen (vgl.: (21)). (21) selegiere klaut selegiere Wimperntusche Im Anschluss daran werden klaut und Wimperntusche miteinander verkettet, indem der Phrasemarker V von klaut expandiert und der Phrasemarker DP von Wimperntusche als Komplement des Kopfes V o die Leerstelle 0 innerhalb der V-Projektion ersetzt (vgl.: (22, 23)). (22) V'

0

2

Vo Mau/

Die lexikalische Kollektion bezeichnet Chomsky (1995:225) auch als Numeration, da die in ihr enthaltenen Elemente einen numerischen Index tragen, welcher angibt, wie oft sie innerhalb der Derivation vertreten sind.

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2. Die Imperativische Verbbewegung (23) V' DP Wimperntusche

Vo klaut

In einem weiteren Schritt wird Miriam selegiert (vgl.: (24)), um daraufhin als V-Spezifikator in die Leerstelle 0 des expandierten Phrasemarkers V' eingesetzt zu werden (vgl.: (25, 26)). (24) selegiere Miriam (25) VP 0

V' DP Wimperntusche

Vo klaut

Die morphosyntaktischen Merkmale der lexikalischen Elemente in (26) sind allerdings offensichtlich noch nicht lizenziert; sowohl dem Hauptverb klaut als auch den beiden DPs Wimperntusche und Miriam fehlt bislang jede funktionale Legitimation. Um diese zu erlangen muss erst eine andere Operation durchgeführt werden - nämlich Bewegung. Die Lizenzierung flektierter Lexeme wird nun dadurch bewerkstelligt, dass diese in die expandierende Domäne der funktionalen Kategorien angehoben werden und dort ihre flexivischen Eigenschaften mit den abstrakten Merkmalen der jeweiligen funktionalen Köpfe abgleichen. Den Anlass zu solchen Bewegungsprozeduren geben die in den funktionalen Köpfen enthaltenen Merkmalsmengen selbst. Da diese sowohl aus Merkmalen, die verbale Kategorien anziehen, so genannten [V]-Merkmalen, als auch aus

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2. Die Imperativische

Verbbewegung

Merkmalen, die nominale Kategorien anziehen, so genannten [N]-Merkmalen, bestehen, lösen sie gleichermaßen X o - und XP-Bewegung aus. Diejenigen funktionalen Merkmale, die maßgeblich an dem Zustandekommen der Subjekt- bzw. Objekt-Verb-Kongruenz beteiligt sind, werden darüber hinaus auch lexikalische oder L-Merkmale genannt, und diejenigen Positionen, die mit L-Merkmalen in einer lokalen Verbindung stehen, L-gebundene Positionen (Chomsky 1995: 196ff.). Das Ziel der Anziehung von Köpfen und Phrasen besteht letztendlich darin, den Schnittstellenebenen einen legitimen strukturellen Input zu liefern. Es müssen also - so verlangt es das Prinzip der vollständigen Interpretation (Full Interpretation Principle) - durch Bewegung Strukturen erzeugt werden, die frei sind von Merkmalen, welche weder auf PF noch auf LF interpretiert werden können (Chomsky 1995: 151). Zu diesen so genannten nicht-interpretierbaren Merkmalen gehören alle Merkmale, die lediglich syntaxintern relevant sind, aber für andere kognitive Prozeduren keine Rolle spielen. Verbalflexivische Kongruenzmerkmale und Kasusmerkmale von nominalen Kategorien müssen demzufolge, weil sie über keine Legitimation auf den Schnittstellenebenen verfügen, im Verlauf der Derivation eliminiert werden. Letzteres wird durch die Überprüfung - das so genannte Checking - von funktionalen Merkmalen erreicht (Chomsky 1995: 277ff.). Von Checking spricht man genau dann, wenn ein minimales oder phrasales Element mit seinen zu überprüfenden Merkmalen in die Checkingdomäne eines fur die jeweilige Überprüfung zuständigen Kopfes bewegt wird und daraufhin sämtliche involvierten nicht-interpretierbaren Merkmale getilgt werden, wobei die Checkingdomäne des Kopfes phrasale und Kopfadjunktionen und die Spezifikatorposition von dessen Projektion erfasst (Chomsky 1995: 172ff.; Grewendorf 2002: 158ff.). Auf welcher Stufe der Derivation Bewegung und damit einhergehendes Checking stattfindet, hängt von der Stärke der beteiligten [V]- und [N]-Merkmale der funktionalen Köpfe ab. Nur starke Merkmale sind auf PF sichtbar und müssen daher, falls sie grundsätzlich nicht-interpretierbar sind, noch vor Spell-out eliminiert werden. Sie lösen demnach, um einen Zusammenbruch der Derivation zu verhindern, overte Bewegung aus. Schwache Merkmale sind dagegen auf PF nicht sichtbar und bleiben sonach vor Spell-out erhalten (Chomsky 1995: 196ff.). Wie Pollock (1989) bereits auf der theoretischen Grundlage des Prinzipien- und Parametermodells eruiert hat, unterliegt die individuelle Stärke von funktionalen Merkmalen der sprachlichen Parametrisierung. So sind die verbalen Positionierungsdifferenzen zwischen dem Französischen und dem Englischen zwar ebenso wie im Rahmen der Prinzipien und Parametertheorie auf die unterschiedliche Stärke von Agr- und T-Merkmalen zurückzufuhren, die derivationellen Konsequenzen sind vom minimalistischen Standpunkt aus jedoch im Wesentlichen anders geartet. Während Pollock (1989) annahm, dass im Französischen der Verbstamm in die INFL-Domäne zu seinen Flexionsmorphemen angehoben und im Englischen das Flexiv zum Verbstamm abgesenkt wird, ist nun davon auszugehen, dass im Französischen overte und im Englischen coverte Kopfbewegung stattfindet. Wie die in 2.2.1.3. bereits genannten Beispiele (18a) und (18b) verdeutlichen, sind die abstrakten [V]-Merkmale von AgrS 0 im Französischen stark und attrahieren daher das verbale Element vor Spell-out, wohingegen sie im Englischen schwach sind und sonach eine entsprechende Verbbewegung erst nach Spell-out auslösen (Chomsky 1995: 198). Analogien zwischen dem Französischen und Englischen bestehen offensichtlich bezüglich der Agr-internen [N]-Merkmale. In beiden Sprachen ist das in AgrS° verankerte

2. Die Imperativische

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[N]-Merkmal stark, das in AgrO° verankerte jedoch schwach, weshalb auch in beiden Sprachen gleichermaßen die Subjekt-DP overt nach SpecAgrS und die Objekt-DP covert nach SpecAgrO bewegt wird. Sprachen, wie das Irische oder das Berberische, deren AgrS-Kopf zwar ein starkes [V]- aber kein starkes [N]-Merkmal beherbergt, weisen im Gegensatz zu den SVO-Sprachen, wie den beiden genannten, und den SOVSprachen, wie dem Deutschen oder Türkischen, eine VSO-Grundwortstellung auf. Der Strukturaufbau selbst ist ebenfalls Gegenstand der sprachlichen Parametrisierung, wobei dies vor allem daran zu erkennen ist, dass die verschiedenen Sprachen innerhalb ihres Verbalflexivs eine unterschiedliche Morphemabfolge aufweisen. Im Rahmen des Prinzipien- und Parametermodells wurde diese Korrelation zwischen morphologischen Derivationen und syntaktischen Derivationen auf ein universelles Prinzip - das so genannte Spiegelprinzip (Baker 1985) - zurückgeführt. Unter der Voraussetzung, dass sämtliche verbale Flexionsmorpheme in den verschiedenen funktionalen Köpfen einer bereits d-strukturell projizierten IP verankert liegen und von dort aus erst mittels Inkorporation an das aufsteigende Verbelement gelangen, schlägt sich die interne Struktur der funktionalen INFL-Projektion nämlich in der Tat notwendigerweise in der verbalen Flexionsmorphologie nieder. Insofern scheint das Spiegelprinzip in der minimalistischen Theorie zunächst keine Anwendung zu finden. Denn ein verbales Lexem, welches bereits mit seiner gesamten Flexionsmorphologie in den Strukturbaum eingesetzt wird, ist nicht auf die Affigierung etwaiger Morpheme angewiesen und daher auch morphologisch unabhängig von der jeweiligen strukturellen Repräsentation funktionaler Phrasen. Sobald man jedoch annimmt, dass die Anordnung der einzelnen verbalen Flexionsmorpheme der Reihenfolge der zu überprüfenden funktionalen Merkmale entspricht, kommt das Spiegelprinzip auch innerhalb dieser Theorie zu seiner Berechtigung (Chomsky 1995: 195f.; Thráinsson 1996). Je näher nun demzufolge Flexionsmorpheme am Verbstamm angelagert sind, desto früher werden deren funktionalen Merkmale innerhalb der Derivation gecheckt. So wird, wie die Beispiele (19) und (20) in 2.2.1.3. bereits illustriert haben, im Deutschen zunächst der funktionale T-Kopf und danach erst der funktionale AgrS-Kopf verkettet, wohingegen im Standardarabischen diesbezüglich eine entgegengesetzte Hierarchisierung festzustellen ist. Das Abchecken der verbalen Merkmale wird durch Kopfadjunktion bewerkstelligt. Im Falle der overten Verbbewegung, wie diese zum Beispiel im Französischen und Deutschen stattfindet, attrahieren die starken [V]-Merkmale der funktionalen Köpfe die entsprechenden morphologischen Merkmale vor Spell-out. Infolgedessen werden diese zusammen mit ihrem lexikalischen Verbelement overt angehoben und lassen als adjungierte Elemente der jeweiligen flexionsrelevanten Köpfe die notwendige Merkmalsüberprüfung und -eliminierung in deren Checkingdomäne vornehmen. Bei der coverten Verbbewegung, wie sie zum Beispiel im Englischen zu beobachten ist, lösen schwache V-Merkmale die Anhebung formaler Merkmale nach Spell-out aus. Da nunmehr kein legitimer Input fur PF erzeugt werden muss, bleibt hierbei, anders als bei der overten Bewegung, eine Bewegung der phonetisch realisierten Kategorie aus. Coverte Bewegung unterscheidet sich demnach von overter Bewegung allein dadurch, dass sie PF-Merkmale in der Basisposition zurücklässt (Chomsky 1995: 26Iff.). Für Groat & O'Neil (1996) ist mit dieser rein merkmalsbasierten Definition von Bewegung das Zwei-Ebenen-Modell der minimalistischen Theorie obsolet geworden. Sie sind der Meinung, dass LF nunmehr die einzige anzunehmende Repräsentationsebene darstellt und Bewegung nach Spell-out als nicht existent betrachtet werden muss.

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2. Die Imperativische

Verbbewegung

Overte Bewegung und coverte Bewegung werden demzufolge gleichermaßen vor Spellout vollzogen. Da starke Merkmale nur mit phonologisch spezifizierten Elementen eine Checkingrelation eingehen, sind bei der overten im Gegensatz zur coverten Bewegung PF-Merkmale involviert. Beide Bewegungsprozesse erzeugen, so Groat & O'Neil (1996), Ketten, deren jedes einzelne Glied aus einer vollständigen Kopie des jeweils bewegten Elements besteht. Ob nun innerhalb einer Derivation das erste oder das letzte Kettenglied ausgesprochen wird, richtet sich nach der Stärke der attrahierenden Merkmale. Im Falle der coverten Bewegung ist das Fußglied phonetisch realisiert und im Falle der overten Bewegung das Kopfglied. Auch Brody (1993) plädiert fur die Reduktion des minimalistischen Zwei-EbenenModells. Gemäß seiner Einsicht gibt es genau eine syntaktische Repräsentationsebene, auf der der Input für das artikulatorisch-perzeptuelle System und der Input für das konzeptuell-intentionale System gleichermaßen abgebildet sind. Anders als Groat & O'Neil (1996) geht er davon aus, dass Ketten nicht unbedingt das Ergebnis einer Bewegungsoperation sind. Er unterscheidet in diesem Sinne zwischen chains und CHAINS. Chains sind Ketten, die aus der overten Anhebung einer attrahierten Kategorie resultieren. CHAINS dagegen sind rein repräsentationeil. Sie verbinden das in seiner Basisposition verharrende overte Element über Koindizierung mit seinem non-overten Kopfglied. 3

2.2.2.3. Die Prinzipien der Ökonomie Um eine maximale Effektivität der menschlichen Sprachfahigkeit zu gewährleisten, muss es eine Reihe von Prinzipien geben, welche die Repräsentation und die Derivation syntaktischer Strukturen so ökonomisch wie möglich gestalten. Bereits in 2.2.2.2. wurde ein Prinzip erwähnt, das die Anwesenheit überflüssiger Symbole auf den beiden Schnittstellenebenen PF und LF unterbindet und infolgedessen die Eliminierung derartiger Elemente im Zuge der Derivation sichert. Dieses so genannte Prinzip der vollständigen Interpretation (FI (Full Interpretation Principle)) stellt das ökonomische Basisprinzip der syntaktischen Repräsentation dar. Es garantiert den legitimen bzw. reinen Input für das perzeptuell-artikulatorische und das konzeptuellintentionale System (Chomsky 1995: 151). Die Bedingung des geringsten Aufwands (Least Effort Condition) gewährleistet dabei eine optimale Ökonomie der Derivation. Sie verlangt, dass grammatische Prozesse grundsätzlich die geringstmögliche Anstrengung kosten und nur vollzogen werden, sobald sie für die Konvergenz der Derivation unerlässlich sind (Chomsky 1995: 138ff; Grewendorf 2002: lOOf.). Am sparsamsten ist in diesem Sinne ein Strukturaufbau, der lediglich in der Verkettung von syntaktischen Einheiten besteht, denn jede Durchführung von Bewegungsoperationen erfordert einen zusätzlichen Energieaufwand (Merge over Move) (Chomsky 1995: 225ff). Daher sind Bewegungen auch nur dann zugelassen, wenn sie die Derivation in letzter Instanz retten. Hierfür steht das Prinzip der letzten Zuflucht (Last Resort Principle), wonach Elemente nur bewegt werden dürfen, um die rechtmäßige Überprüfung von Merkmalen einzuleiten (Chomsky 1995: 3 Brody (1995) geht noch einen Schritt weiter, indem er annimmt, dass alle Ketten repräsentationeil sind und somit Bewegung faktisch nicht stattfindet.

2. Die Imperativische

Verbbewegung

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130, 256f.). Die notwendige Merkmalsüberprüfung kann dabei sowohl den morphologischen Merkmalsgehalt des bewegten Elements selbst als auch den eines anderen syntaktischen Elements betreffen. Die Motivation für die Bewegung eines Elements entsteht demnach aus eigennützigen oder aus altruistischen Interessen. Da Chomsky (1995: 200ff.) die letztere Möglichkeit der Bewegungsmotivation anfangs noch nicht in Betracht zog, formulierte er zunächst das Prinzip des Geizes (Principle of Greed), um dieses später in Rekurs auf Lasnik (1993) in Form eines Prinzips des aufgeklärten Eigennutzes (Principle of Enlightened Self Interest) zu relativieren. Der Bewegungsablauf selbst unterliegt der Bedingung der kürzesten Bewegung {shortest move) (Chomsky 1995: 181ff.), welche hinsichtlich ihres Resultats auf die Kondition der Relativierten Minimalität (Rizzi 1990a) zurückgeht. Sie verlangt, dass die Bewegungsoperation eines bestimmten Typs (Α-Bewegung, A'-Bewegung oder X o Bewegung) keinen potentiellen Landeplatz genau dieses Typs überspringt und somit grundsätzlich sukzessiv-zyklisch verläuft. Demgemäß fordert die Bedingung des minimalen Kettengliedes (Minimal Link Condition), dass der abstrakte Merkmalsgehalt eines funktionalen Kopfes stets das jeweils nächstliegende Element, welches mit ihm eine entsprechende Überprüfungsrelation eingehen kann, attrahiert (Chomsky 1995: 249ff). Coverte Bewegung ist hierbei „billiger" als overte Bewegung. Falls also bestimmte Merkmale nicht unmittelbar vor Spell-out eliminiert werden müssen, wird der entsprechende Checkingprozess aus ökonomischen Gesichtspunkten so weit aufgeschoben, wie es zur Vermeidung eines Zusammenbruchs der Derivation eben möglich ist. Das Ökonomieprinzip der Verzögerung (Procrastinate Principle) verbietet demzufolge overte Bewegung, solange sie für die Konvergenz der Derivation nicht unbedingt erforderlich ist (Chomsky 1995: 198ff.).

2.2.3. Zusammenfassung Mittels Verbbewegung wird ein verbales Element von seiner Basisposition aus sukzessive an flexionsrelevante funktionale Köpfe bewegt. Die Grundmotivation dieser Kopfbewegungsprozedur besteht im Rahmen des Prinzipien- und Parametermodells in der Befriedigung von Lasniks Filter, welcher eine oberflächenstrukturelle Bindung morphologischer Affixe an ein lexikalisches Trägerelement gebietet. Unter der traditionellen Annahme, dass die flexivischen Kategorien des Verbs in den funktionalen Köpfen verankert sind, wird der jeweils unter V o basisgenerierte Verbstamm demgemäß s-strukturell angehoben, um durch Inkorporation mit der entsprechend funktional determinierten Flexionsmorphologie zu verschmelzen. Wie viele und welche funktionalen Kategorien in diesen Prozess involviert sind, wird kontrovers diskutiert. Pollock (1989) identifiziert zunächst die beiden IP-internen Köpfe T° und AgrS°, wovon Ersterer Tempus kodiert und Letzterer Subjektkongruenz herstellt. Auch Satznegation wird seiner Einsicht nach durch eine funktionale Projektion, die so genannte NegP, repräsentiert. Chomsky (1993) geht darüber hinaus von der Existenz einer AgrOP aus, deren Kopf ebenso wie AgrS° ^///-Merkmale beherbergt. Anders als diejenigen des AgrS-Kopfes stimmen diese aber nicht mit dem Subjekt, sondern mit dem direkten Objekt des Satzes überein. Evidenzen für weitere funktionale Projektionen, welche etwa Aspektualität oder Modalität kodieren, erbringen unter

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2. Die Imperativische Verbbewegung

anderem Belletti (1999) und Rivero (1994a). Die strukturelle Anordnung dieser funktionalen Projektionen unterliegt der sprachlichen Parametrisierung. Dies zeigt sich vor allem darin, dass die verschiedenen Sprachen innerhalb ihres Verbalflexivs eine unterschiedliche Morphemabfolge aufweisen (Spiegelprinzip). Die individuelle Verbbewegung wird auf der Grundlage des Prinzipien- und Parametermodells durch die sprachspezifische Reichhaltigkeit der in den funktionalen Köpfen der INFL-Domäne verankerten Flexionsmorpheme determiniert. Flexionsmorphologisch reich ausgestattete bzw. starke funktionale Köpfe veranlassen hiernach das verbale Element zu einer s-strukturellen Bewegung, während flexionsmorphologisch arm ausgestattete bzw. schwache funktionale Köpfe keine Verbanhebung, sondern höchstens eine Absenkung von Flexionsaffixen auslösen. Im Rahmen der minimalistischen Theorie fordern die durch parametrische Fixierung stark definierten [V]Merkmale overte Kopfbewegung, wohingegen schwache [V]-Merkmale gemäß dem Ökonomieprinzip der Verzögerung die Anhebung formaler Merkmale erst nach Spellout motivieren. Die Bewegungsprozedur selbst unterliegt dabei bestimmten Prinzipien. Zunächst fordert das Prinzip der Strukturerhaltung, dass Bewegungsprozesse generell keine Strukturveränderung hervorrufen dürfen, weshalb Verbbewegung als prototypische X°-Bewegung lediglich Köpfe affiziert. Nach der minimalistischen Bedingung des geringsten Aufwandes ist sie nur dann zugelassen, wenn sie der notwendigen Überprüfung von Merkmalen dient und somit gemäß dem Prinzip der letzten Zuflucht die Konvergenz der Derivation in letzter Instanz zu retten vermag. Ihre Durchfuhrung muss rein zyklisch erfolgen. Wie die Kopfbewegungsbeschränkung (HMC) der Prinzipien- und Parametertheorie und die Bedingung der kürzesten Bewegung auf der Grundlage des Minimalistischen Programms fordern, darf das verbale Element demnach im Zuge seiner Anhebung keinen funktionalen Kopf überspringen. Eine Verstoß gegen die Kopfbewegungsbeschränkung führt zu einer Blockierung der Spurenbindung und somit zu einer Verletzung des Leerkategorienprinzips (ECP) auf der Ebene des Prinzipien- und Parametermodells. Eine Nichteinhaltung der Bedingung der kürzesten Bewegung ist grundsätzlich derivationell unökonomisch und verursacht sonach im Rahmen des minimalistischen Modells einen Zusammenbruch der Derivation.

2.3. Die Imperativische Verbbewegung in vergangenen Forschungsarbeiten Vor allem im letzten Jahrzehnt ist das Interesse am Aufbau der Imperativischen Satzstruktur und ihrer involvierten Bewegungsoperationen stetig gewachsen. Im Folgenden werden vier aktuelle Analysen der Imperativischen Verbbewegung vorgestellt und erörtert. Die ersten beiden Ansätze sind insofern von Interesse, als deren Verfasser Rivero & Terzi (1995) und Han (1998) versuchen, anhand sprachübergreifender Betrachtungen die Eigenschaften des Imperativischen Verbanhebungsprozesses zu ergründen und dabei zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Während Rivero & Terzi (1995) feststellen, dass es zwei verschiedene Imperativische Anhebungsprozeduren gibt, ist Han

2. Die Imperativische

Verbbewegung

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(1998) davon überzeugt, dass Imperativische Verbbewegung in sämtlichen Sprachen in nahezu identischer Weise abläuft. In den nachfolgenden Diskussionen und Analysen wird sich herausstellen, dass sich Hans (1998) Ansatz als unhaltbar erweist. Doch beeinflussen tatsächlich, wie Rivero & Terzi (1995) meinen, verschiedene Klitisierungsmechanismen den Verlauf der Imperativischen Verbbewegung - oder verhält es sich eher umgekehrt? Wie ist die spezielle Anordnung von klitischen Elementen in Imperativsätzen überhaupt zu erklären? Eine Antwort hierauf versucht Belletti (1999), deren Ansatz in 2.3.3. vorgestellt wird, fur den Sprachraum der Romania zu geben. Dass sie hierbei äußerst relevante Faktoren der Klitisierungsentwicklung außer acht lässt, wird in der Analyse des Kapitels 2.5.3. deutlich. Die zuletzt behandelte Autorin Rupp (2003) konzentriert sich ausschließlich auf englische Imperativkonstruktionen. Ob diese, wie Rupp (2003) annimmt, in der Tat grundsätzlich ohne die funktionale C-Projektion auskommen, soll gezielt in 2.5.1.6. untersucht werden.

2.3.1. Rivero & Terzi (1995) Rivero & Terzi (1995) unterscheiden hinsichtlich des syntaktischen Verhaltens imperativischer Verben zwei verschiedene Sprachklassen. Die imperativierten Verben der Class I-Sprachen sind durch eine spezifische syntaktische Positionierung gekennzeichnet, die der Class Ii-Sprachen dagegen nicht (vgl.: (27)). (27) Class I: Imperative Verbs have a distinct syntax. Class II: Imperative Verbs lack a distinct syntax. (Rivero & Terzi 1995: 301) Demnach sind die Imperative der Class I-Sprachen durch eine einheitlich arteigene Satzstruktur charakterisiert; die Imperativverben der Class Ii-Sprachen jedoch weisen gegenüber den Verben der anderen Modi keine veränderte syntaktische Distribution auf. Die unterschiedliche strukturelle Repräsentation der Imperativischen Verben der Class ISprachen einerseits und der Class Ii-Sprachen andererseits fuhren Rivero & Terzi (1995) auf den Merkmalsgehalt des jeweiligen C-Kopfes zurück. Während er in Class Ii-Sprachen kein V-Merkmal enthält, kodiert er in Class I-Sprachen eine speziell Imperativische Modusmarkierung. Zu den Class I-Sprachen zählen Rivero & Terzi (1995) unter anderem Spanisch und Neugriechisch. Dort ist C° grundsätzlich mit einem starken verbalen ImperativMerkmal ausgestattet (Rivero 1988: 45ff.), welches das imperativierte Verb vor Spellout attrahiert (vgl.: (28)). Es grenzt sich gegenüber den V-Merkmalen der anderen flexionsmorphologisch kodierten Modi dadurch ab, dass es neben der rein modalen noch eine logische Komponente enthält, die eine spezielle Kongruenz zwischen Modus und Satztyp erzeugt. (28) (a) Dòse mu tin efimeríóa! geb(lMP) mir die Zeitung „Gib mir die Zeitung!"

(Neugriechisch)

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2. Die Imperativische Verbbewegung (b) ¡Toma un refresco! nehm(LMP) einen Drink „Nimm dir einen Drink!"

(Spanisch)

Der C-Kopf übernimmt in den Imperativsätzen dieser Sprachen die Funktion eines modalen Operators, der speziell der Indizierung von Direktiven dient. Insofern ist die Imperativische Verbbewegung in den Class I-Sprachen als rein operational zu bewerten und daher fur andere operationale Prozesse sensibilisiert. Dies illustrieren, wie Rivero & Terzi (1995) anhand neugriechischer und spanischer Beispiele zeigen, die Imperativischen Negationsinkompatibilitäten der Class I-Sprachen (vgl.: (29)). (29) (a) *Dhen diavase! NEG les(lMP) (b) * ¡No lee!

(Neugriechisch)

(Spanisch)

NEG les(IMP)

Nach Laka (1990) und Rivero (1988) dominiert die Projektionsebene der NegP IP und wird ihrerseits unmittelbar von der CP als Komplement selegiert. Sie lässt, so nehmen Rivero & Terzi (1995) an, eine Amalgamierung ihres Neg°-Elements mit Verben prinzipiell nicht zu und wird dadurch zu einer Minimalitätsbarriere für die Imperativische Verbbewegung nach C°. Denn das Imperativische Verb checkt am Kopf der CP logisch-operationale Merkmale und bekommt dadurch A'-Charakteristika zugewiesen. Diese machen eine Rektion der hinterlassenen verbalen Spuren unterhalb der NegP deshalb unmöglich, weil das Negationselement im Sinne der Relativierten Minimalität als potentieller Antezedensregent die A'-Kette zwischen dem verbalen X°-Element in C° und seinen Vindizierten Spuren in T° und V o unterbricht und folglich eine Verletzung des ECPs herbeiführt (vgl.: (30)). (30) *[ C [ Neg CP

NegP

[ V ]]] IP

Klitische Anaphern und Pronomen können dagegen, obwohl sie in einer der NegP strukturell entsprechend situierten FP verankert sind, die Anhebung des verbalen X o Elements nicht blockieren, da ihnen im Gegensatz zu Negationspartikeln die fur eine potentielle Antezedensrektion notwendigen A'-Merkmale fehlen (vgl.: (31)). (31) (a) Diavase to! les(IMP) KL(PRON)

„Lies es!"

(Neugriechisch)

2. Die Imperativische

Verbbewegung

(b) Léelo!

69 (Spanisch)

les(lMP)KL(PRON)

„Lies es!" Die Enklitisierung an imperativierte Verben der Class I-Sprachen ist somit nach Rivero & Terzi (1995) eine Folge der Überschreitung einer die IP unmittelbar dominierenden Projektion, welche speziell für die Beherbergung von Klitika verantwortlich ist (vgl.: (32)). (32) [ C [ C l [ V]]] CP. FP IP . Die Imperative der Class Ii-Sprachen, zu denen laut Rivero & Terzi (1995) unter anderem das Altgriechische und Serbokroatische gehören, unterscheiden sich von denjenigen der Class I-Sprachen insofern, als sie ihre modalen Merkmale ebenso wie die verbalen Elemente der anderen Modi allein in INFL checken und aus diesem Grunde durchaus ihre Negation gestatten (vgl.: (33a, 34a)), aber unfähig sind, eine arteigene Satzstruktur auszubilden. Ihr C-Kopf ist frei von jeglichen verbalen Merkmalen, weil die entsprechende C-Projektion ausschließlich im Dienste der Lizenzierung auftretender Wackernagelpartikel steht. Derartige klitische Elemente füllen die Spezifikatorposition ihrer die IP seiegierenden W-Projektion (Rivero 1997) und folgen obligatorisch genau einem overten Element 4 der dominierenden CP. Sie werden dabei von einem für den PF-Input sichtbaren C-Kopf, welcher sie in seine interne Domäne nimmt, lizenziert. C° ist genau dann vor Spell-out sichtbar, wenn er entweder selbst durch einen Komplementierer oder ein overt angehobenes Verb repräsentiert wird oder aber seine Spezifikatorposition overtes Material beherbergt, welches ihn mittels SpezifikatorKopf-Kongruenz (Dynamic Agreement (Rizzi 1990b)) identifiziert (vgl.: (33b, 34b)). (33)

(Altgriechisch) (a) Mê mega lege! NEG g r o ß

red(lMP)

„Gib nicht so an!" (Plato Phaedo 95b) (b) Ta men poiei, ta de mê poiei. diese KL tu(iMP), diese KL NEG tu(iMP) „Tu dies, aber tu nicht das!" (Plato Protagoras 325d)

4

Nur in Class //-Sprachen gelangen Wackemagelpartikel über ein sichtbares C° zu ihrer Lizenzierung. Laut Rivero & Terzi (1995) besitzen das West-Flämische und das Slovenische eine WP, deren lexikalisches Element in SpecWP nicht durch eine phonetisch gefüllte CP lizenziert werden muss.

70

2. Die Imperativische

(34)

Verbbewegung (Serbokroatisch)

(a) Ne citajte

je !

NEG l e s ( l M P ) - P L KL(PRON)

„Lest es nicht!" (b) Knijge im citajte ! Bücher KL(PRON) l e s ( l M P ) - P L „Lest ihnen Bücher vor!" XP-Bewegung nach SpecCP und Kopf-Bewegung nach C° sind komplementäre Prozesse. Denn bereits bei der ersten Anhebung eines Elements in die CP ist die Zweitpositionierungsrestriktion fur Wackernagelpartikel erfüllt, wodurch jede weitere Bewegung in diese Projektion als ein Verstoß gegen die Bedingung des geringsten Aufwandes gewertet wird. Einerseits darf also die Verb-Bewegung nach C° nicht erzwungen werden, weil eine eventuell topikalisierte XP in SpecCP die notwendige Lizenzierung vorhandener Wackernagelpartikel bereits leistet; andererseits muss C° stets ein möglicher Landeplatz für die Verben aller Paradigmen bleiben, damit diese sich notfalls zur Befolgung des übergeordneten Wackernagelschen Gesetzes dort niederlassen können. Der Anstieg eines imperativierten Verbs nach C° in Class Ii-Sprachen ist daher, so Rivero & Terzi (1995), als eine Bewegung der letzten Zuflucht im Sinne von Lasniks (1993) Prinzip des aufgeklärten Eigennutzes zu betrachten. Demgemäß erlaubt das in den Class Ii-Sprachen herrschende Abhängigkeitsverhältnis zwischen CP und WP keine spezifisch Imperativische Verbanhebung nach C°. Aus diachronischer Sicht korreliert, so Rivero & Terzi (1995), die Verlagerung von VMerkmalen nach C° mit dem fortschreitenden Verlust von Klitika, welche allein durch ihre Zweitpositionierung lizenziert sind. In den Class I-Sprachen hat sich die entscheidende Rolle des C-Kopfes hinsichtlich seiner Kodierung logischer und modaler Merkmale demnach im Laufe der Sprachhistorie auf Kosten der Wackernagel-Projektion entwickelt. Nur in diesen Sprachen kann gegenwärtig die fur Imperative charakteristische Korrelation zwischen dem flexivisch kodierten Verbmodus und der entsprechend arteigenen Satzstruktur oberflächenstrukturell manifestiert werden.

2.3.2. Han (1998) Han (1998) geht davon aus, dass rein Imperativische Strukturen universell über einen Imperativoperator in C° verfugen. Diese Annahme lässt sich ihrer Meinung nach durch verschiedene topologische Daten unterschiedlicher Sprachen stützen. So ist zum Beispiel im Deutschen festzustellen, dass das imperativierte Verb seinem lexikalisch realisierten Subjekt stets vorangeht (vgl.: (35a)).5 Es zeigt damit eine dem flektierten Verb von Entscheidungsfragesätzen identische Stellung (vgl.: (35b)). Hieraus schließt Han (1998: 32f.), dass in den Imperativsätzen ebenso wie in den VI-Interrogativsätzen des Deutschen eine Verbbewegung nach C° erfolgt ist. 5

Dies gilt für die unmarkierte overte Realisierung des Subjekts. Ist letzteres jedoch in besonderem Maße hervorgehoben, so ist auch die umgekehrte Abfolge zu beobachten (vgl. 4.4.2.).

2. Die Imperativische

Verbbewegung

(35)

71 (Deutsch)

(a) Schreib du den Aufsatz! (b) Schreibst du den Aufsatz? Ähnliches ist im Englischen zu beobachten, wo das negierende und das emphatisch affirmative Verbsubstitut don 't bzw. do in Imperativischen Sätzen ebenfalls vor dem in Speci positionierten overten Subjekt angesiedelt ist (vgl.: (36a,b)).6 Wird ein solches Substitut im Falle der Imperativierung nicht eingesetzt (vgl.: (36c)), so findet, wie Han (1998: 90ff.) folgert, eine entsprechende Kopfbewegung des lexikalischen Hauptverbs nach C° auf LF statt. (36)

(Englisch) (a) Don't you talk back to me! DO(IMP)NEG du reden hinter mir „Red nicht hinter meinem Rücken!" (b) Do at least some of you have a try! DO(IMP) wenigstens manche von euch haben einen Versuch „*Versucht es wenigstens einige von euch!" (c) You open the door! du öffhe(lMP) die Tür „Öffne du die Tür!"

Weitere Evidenz bieten für Han (1998: 36) Klitisierungsdaten aus verschiedenen romanischen Sprachen und dem Griechischen. Ebenso wie Rivero & Terzi (1995) begründet auch sie das dort aufretende spezifisch Imperativische Enklitisierungsverhalten (vgl.: (37)) mit der Bewegung des imperativierten Verbs nach C° und der damit einhergehenden Überschreitung von den in der die IP dominierenden FP verankerten klitischen Kopfelementen (vgl. 2.3.1.). (37) (a) Faites

le!

(Französisch)

m a c h ( I M P ) - P L KL(PRON)

„Macht es!" (b) Telefona

le!

(Italienisch)

r u f a n ( I M P ) KL(PRON)

„Ruf sie an!" (c) Diavase to!

(Neugriechisch)

les(LMP) KL(PRON)

„Lies es!"

6

Potsdam ( 1997) zeigt anhand von Daten bezüglich Quantorenanhebung und Adverbpositionierung, dass das englische Imperativsubjekt de facto grundsätzlich nicht in SpecV, sondern in Specl steht.

2. Die Imperativische Verbbewegung

72

Dass Imperativsätze, wie Han (1998: 38ff.) meint, universell subordinationsunfahig sind, weist in dieselbe Richtung. Unter Hans (1998: 90ff.) Grundvoraussetzung, dass der Imperativische C-Kopf grundsätzlich von sämtlichen imperativierten Verben vor oder nach Spell-out angesteuert wird, ist die Einbettung rein imperativischer Strukturen blockiert (vgl.: (38)). (38) (a) *0 Yannis se dietakse ghrápse. der Yannis dich befehl-3SG schreib(LMP)

(b) *Hans schlägt vor, dass du den Aufsatz schreib.

(Neugriechisch)

(Deutsch)

Der Imperativoperator in C° verfugt laut Han (1998: 109f.) generell über ein [direktivjund ein [irrealis]-Merkmal. Das [direktivJ-Merkmal kodiert die illokutionäre Kraft der Direktive und attrahiert das imperativierte Verb entweder vor Spell-out oder auf LF. Das [irrealis]-Merkmal zeigt an, dass der propositionale Gehalt der Struktur für einen (bislang) nicht realisierten Sachverhalt steht, und selegiert infolgedessen entweder ein subjunktivisches oder ein infinitivisches INFL. Welchen von den beiden funktionalen INFL-Köpfen ein imperativisches [irrealisj-Merkmal nun genau zu sich nimmt, ist, so Han (1998: 11 Off.), an der bevorzugten Imperativersatzform der jeweiligen Sprache erkennbar. Sobald nämlich in einem bestimmten Kontext die Verwendung des reinen Imperativs nicht akzeptabel oder unerwünscht ist, fallt die Einsetzung des [direktivjMerkmals aus und das verbliebene [irrealis]-Merkmal verursacht daraufhin j e nach Sprachzugehörigkeit die Derivation einer subjunktivischen oder infinitivischen Struktur. Subjunktive und Infinitive besitzen demnach gemäß Han (1998: 119f.) einen Operator, der in C° lediglich ein [irrealisj-Merkmal beherbergt. Im Gegensatz zu dem illokutionären [direktivj-Merkmal motiviert dieses weder overte noch coverte Kopfbewegung in die C-Projektion. Der griechische Imperativ wird zum Beispiel in der Regel durch einen Subjunktiv ersetzt (vgl.: (39a)). Das Spanische dagegen gestattet Imperativische Surrogate oftmals in Form von Infinitiven, wie (39b) zeigt. (39) (a) Na

mi

to

ghrapsis!

(Neugriechisch)

SUBJNEG KL(PRON) s c h r e i b - 2 s G

„Schreib es nicht!" (b) ¡No leer

lo!

(Spanisch)

NEG lesen KL(PRON)

„Lies es nicht!" Dementsprechend vermutet Han, dass das [irrealisj-Merkmal der griechischen Imperative ein subjunktivisches INFL und das der spanischen Imperative ein infinitivisches INFL selegiert. Eben dies schlägt sich, wie Han (1998: 130ff.) annimmt, auch in deren entsprechenden Subjektrealisierungen nieder. So erlaubt das Griechische als pro-drop-Sprache ein covertes und ein overtes Subjekt in subjunktivischen Sätzen (vgl.:

2. Die Imperativische

Verbbewegung

73

(40a)).7 Es verfügt folglich wahlweise über ein imperativisches Subjekt-pro oder ein overtes Imperativsubjekt (vgl.: (40b)). Der spanische Infinitiv kann jedoch ebenso wenig wie der italienische oder französische Infinitiv ein overtes Subjekt zu sich nehmen (vgl.: (41a));8 er lizenziert grundsätzlich ein Subjekt-PRO. Die Imperativsätze des Spanischen, Italienischen und Französischen enthalten somit aufgrund der infinitivischen Verbbewegung innerhalb ihrer IP-Domäne stets ein covertes Imperativsubjekt (vgl.: (41b)) in Form eines PRO. (40)

(Neugriechisch) (a) O Yannis se dietakse na ghrapsis (esi). der Yannis dich befiehlt SUBJ schreib-2SG (du) „Yannis befiehlt dir zu schreiben." (b) Ghrápse

(esi).

schreib(iMP) (du)

„Schreib (du)!" (41)

(Französisch) (a) Jean lui a ordonné de PRO chanter. Jean ihr hab-3SG befohlen zu singen „Jean hat ihr befohlen zu singen!" (b) Chante

(*tu).'

sing(iMP) (du)

„Sing!"

2.3.3. Belletti (1999) Belletti (1999) befasst sich mit der Klitisierung in den romanischen Sprachen. Hierbei versucht sie zu ergründen, welchen allgemeinen syntaktischen Gesetzmäßigkeiten Klitika unterliegen und welche strukturellen Prozesse durch diese in Gang gebracht werden. Sie bezweckt damit, unter anderem zu einer Erklärung dessen zu gelangen, warum imperativierte Verben im Gegensatz zu den anderen finiten Verben eines Großteils der romanischen Sprachen (wie zum Beispiel auch des Italienischen und Spanischen) ihre klitischen Objekte als Enklisen zu sich nehmen 9 (vgl.: (42, 43)) und sich hierin zu den meisten romanischen Infinitiven analog verhalten10 (vgl.: (44)).

7 Laut Terzi (1997) existieren nur in klassischen ECM-Konstellationen overte Subjunktivsubjekte im Neugriechischen. Die overte Subjekt-DP wird in diesen Fällen im übergeordneten Matrixsatz kasusmarkiert. 8 Muttersprachler sowohl des Spanischen als auch des Italienischen erachten entgegen Hans (1998) Behauptung overte Imperativsubjekte als akzeptabel und setzen diese auch durchaus ein. 9 Im Portugiesischen sind Objektklitika auch nicht-imperativierten finiten Verben in der Regel nachgestellt (vgl. 2.5.3.). 10 In der französischen Standardsprache und in einer Anzahl französischer Dialekte treten infinite Verben nur in Kombination mit Proklisen auf (vgl. 2.5.3.).

74

2. Die Imperativische

Verbbewegung

(42) (a) La conosco KL(PRON) kenn-1SG „Ich kenne sie." (b) me lavo KL(PRON) wasch-1 -SG „Ich wasche mich."

(Italienisch)

(Spanisch)

(43) (a) Fallo! tu(lMP)KL(PRON) „Tu es!" (b) ¡Levántate! erhebe(iMP)KL(PRON) „Steh auf!"

(Italienisch)

(Spanisch)

(44) (a)

conoscendola kenn-GERUND KL(PRON) „sie kennend"

(Italienisch)

(b)

convencerle Überzeug-INF KL(PRON) „ihn zu überzeugen"

(Spanisch)

Belletti (1999) geht ebenso wie Kayne (1975) davon aus, dass Objektklitika, weil sie das Komplement des Hauptverbs darstellen, zunächst die Schwester von V o bilden und somit erst mittels Bewegung zu ihrer oberflächensyntaktischen Positionierung kommen. Sie sind laut Cardinaletti (1994) Köpfe von äußerst verarmten D-Projektionen und zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie im Gegensatz zu allen anderen nominalen und pronominalen Elementen eine overte Kasusflexion aufweisen (vgl.: (45,46)). (Italienisch)

(45) (a) Gli parlerò KL(PRON)(DAT) sprech-FUT-LSG „Ich werde mit ihm sprechen." (b) Lo conosco KL(PRON)(AKK) kenn-LSG „Ich kenne ihn."

2. Die Imperativische Verbbewegung (46)

(a) Les

doy

e

75 (Spanisch)

libro

k l ( p r o n ) ( d a t ) geb-lSG das Buch „Ich gebe ihnen das Buch."

(b) Les veo KL(PR0N)(AKK) seh-1SG „Ich sehe sie" Diese muss, so fordert Belletti (1999), aufgrund ihrer morphologischen Stärke noch vor Spell-out lizenziert werden. Demzufolge werden Klitika overt in die AgrO-Projektion angehoben und dort ihres nicht-interpretierbaren starken Kasusmerkmals entledigt. Der AgrO-Kopf selbst verfugt in den romanischen Sprachen über kein starkes Kasusmerkmal. Dies zeigt sich vor allem darin, dass dort direkte Objekte grundsätzlich nicht vor Spell-out in ihre flexionsrelevante Agr-Domäne bewegt werden (vgl.: (47)). (47)

(a) Ho

visto

Maria/

*Ho

(b) Ho

abierto la puerta/

Maria visto.

(Italienisch)

hab-lSG gesehen Maria hab-lSG Maria gesehen „Ich habe Maria gesehen."

hab-1 SG geöffnet die Tür „Ich habe die Tür geöffnet."

*Ho

la puerta abierto

hab-1 SG die Tür

geöffnet

(Spanisch)

Die romanische AgrOP enthält folglich ein Kasusmerkmal, welches die KomplementDP des Verbs erst auf LF attrahiert - demnach schwach ist. Weil sie damit nicht dazu befähigt ist, Elemente, die auf eine PF-Interpretation angewiesen sind, zu beherbergen, muss das Klitikon ihre Kopfposition umgehend verlassen. Es verschmilzt mit dem aufsteigenden Verb und wird mit diesem an weitere c-kommandierende Köpfe angehoben. Dessen Amalgamierung mit dem finiten V wird dabei nicht unmittelbar an AgrO° durchgeführt. In diesem Fall nämlich müsste der verbale Kopf an das Klitikon in AgrO linksadjungieren. Die daraus resultierende Enklise würde daraufhin als intervenierendes Element die Überprüfungsprozedur zwischen der verbalen Morphologie und den entsprechenden funktionalen Merkmalen blockieren (vgl.: (48)) und somit einen Zusammenbruch der Derivation herbeifuhren. Stattdessen, so glaubt Belletti (1999), überspringt das Verb im Zuge seiner Anhebung die gesamte AgrO-Projektion und nimmt demzufolge an T° das Klitikon als Proklise zu sich (vgl.: (49))."

" Als Verstoß gegen die Kopfbewegungsbeschränkung wertet Belletti ( 1 9 9 9 ) diese Auslassung nicht. Sie geht davon aus, dass die Kopfbewegung des Klitikons nach T ° die lange Bewegung des Verbs ausgleicht.

76

2. Die Imperativische

Verbbewegung

(48)

cl (Enklise) (49)

(Proklise) cl

AgrO

t



Im Gegensatz zu allen anderen finiten Verben verfugen, wie Belletti (1999) feststellt, imperativierte Verben weder über ein Tempus- noch über ein Subjektkongruenzflexiv. Sie folgert daraus, dass die Überprüfung der Imperativischen Flexionskategorie unterhalb der Projektionsebene der A g r O P - ihrer Einsicht nach an einem modusspezifischen Imp-Kopf - vollendet wird. Daher, so behauptet sie, verbinden sich die Imperative der romanischen Sprachen ebenso wie deren Infinitive, ohne die verbale Merkmalsüberprüfung zu torpedieren, bereits an A g r O ° mit dem Klitikon (vgl.: (50)). (50) AgrO

cl (Enklise)

2. Die Imperativische

77

Verbbewegung

Nach vollzogener Inkorporation werden die Imperativischen Verbelemente vor Spell-out in die funktionale C-Projektion angehoben, wobei sie auf dem Weg dorthin an den vollständig merkmalsentleerten Köpfen T° und AgrS° zwischenlanden. In C° treten sie schließlich mit dem in SpecC verankerten Imperativoperator in eine Spezifikator-KopfRelation. Laut Belletti (1999) lizenzieren sie hierdurch nicht nur die illokutionäre Kraft der Gesamtstruktur, sondern auch die von dem Operator in SpecC gebundene und als ausschließlich 2.Person identifizierte Subjekt-Leerkategorie in SpecAgrS (vgl.: (51)).

2.3.4. Rupp (2003) Rupp (2003) erforscht die Imperativische Satzstruktur des Englischen. Sie versucht zu ermitteln, über welche funktionalen Kategorien sie verfugt, wie diese geartet sind und auf welche Weise schließlich auf der Grundlage derer die Imperativische Verbbewegung vonstatten geht. Sie stellt zunächst fest, dass die Imperativischen Verben des Englischen weder Temporal- noch Kongruenzflexive besitzen (vgl.: (52a,b)). Dies deutet ebenso wie die Tatsache, dass die inhärent tempusmarkierten Modalverben des Englischen nicht imperativierbar sind (vgl.: (52c), 1.3.3.), d a r a u f h i n , dass englische Imperative keine oder höchstens eine defizitäre IP projizieren. (52)

(Englisch)

(a) Stay

here! / *Stayed

bleib(LMP) hier „Bleib hier!"

(b) Be

(c) *Must

bleib(LMP)-PRÄT hier

quiet now! / *Are

sei(IMP) still jetzt „Sei jetzt still!"

leave!

AUX(IMP) g e h e n

here!

quiet now!

sei(IMP)-2sG still jetzt

78

2. Die Imperativische

Verbbewegung

Imperativsätze, die das Verbsubstitut do enthalten, lassen zumindest eine funktionale Projektion erkennen, welche sowohl VP als auch die funktionale NegP dominiert. Denn, wie (53) zeigt, folgen dort sowohl das Negationselement als auch das Vollverb dem Substitut do. (53)

(Englisch) (a) Do try again! DO(IMP) versuchen wieder „Versuch es noch einmal!" (b) Do not

be hurt by what he says! sein verletzt durch was er s a g - 3 S G „Lass dich durch sein Gerede nicht verletzen!" DO(IMP)NEG

/Don 't

DO(IMP) NEG

Rupp (2003: 24ff.) definiert diese funktionale Projektion als IP und untersucht daraufhin deren Merkmalsgehalt. Ebenso wie Henry (1995) geht sie davon aus, dass der Imperativische INFL-Kopf zwar keine temporalen Merkmale, jedoch /^/-Merkmale enthält und liefert hierfür zunächst aus dem frühen Neuenglischen entsprechende Evidenz. Dort verfügen Imperativische Verben über eine distinktive Numeruskongruenzmarkierung in Form eines Pluralmorphems (vgl.: (54a,b)). Laut Rupp (2003: 26) kann diese spezielle Kongruenzkodierung im modernen Englischen zwar nicht mehr flexivisch identifiziert werden; einen Hinweis darauf, dass sie heutzutage als coverte Kodierung ebenfalls nicht mehr existiert, gibt es ihrer Meinung nach aber nicht. (54)

(Frühneuenglisch) (a) O goddesse immortal! Be helping now,... O Göttin unsterbliche sei(IMP) helfend jetzt „Oh unsterbliche Göttin, hilf mir jetzt!" (Lydgate Complaint of the Black Knight 90,628) (b) Bethe ware sirs. sei(IMP)-PL vorsichtig Herren „Seid vorsichtig, meine Herren!" (Caxton's Chronicle cxvii, 175)

Außerdem, so beobachtet sie, tragen Imperativische Subjekte stets Nominativkasus. Obwohl dies im Falle der Einsetzung des kanonischen Subjekts der 2. Person im modernen Englischen allein nicht eindeutig nachweisbar ist (vgl.: (55a)), so belegen die Subjektpronomen von Imperativsätzen wiederum älterer Sprachstufen, dass bei ihnen in der Tat nur eben diese Kasusmarkierung vorliegen kann (vgl.: (55b)). Da nun der nominativische Kasus nur durch Spezifikator-Kopf-Kongruenz manifestiert werden kann, ist davon auszugehen, dass die Imperativische IP entsprechende /?/n'-Merkmale auch grundsätzlich bereithält.

2. Die Imperativische

79

Verbbewegung

(55) (a) You/

*You

go

away!

(Englisch)

du(NOM) du(AKK) geh(iMP) w e g

„Hau du ab!" (b) Boy, a boke anon thou/ *thee bryng me! (Frühneuenglisch) Junge, ein Buch sofort du(NOM) du(AKK) bring(lMP) mir „Junge, ein Buch bring du mir sofort!" (Coverdale 's Bible, Mary Magdalena 1181) Anzeichen für das Vorhandensein einer COMP-Projektion in Imperativsätzen gibt es, so Rupp (2003: 27ff.), allerdings im Englischen nicht. Deren Unfähigkeit, mittels einer nebensatzeinleitenden Konjunktion eingebettet zu werden (vgl.: (56)), deutet viel eher daraufhin, dass ein funktionaler Kopf C° grundsätzlich nicht zur Verfugung steht. (56)

(Englisch) (a) *The judge said [that /for hand over my driving licence!] der Richter sag-PRÄT+3SG dass / um übergib(lMP) meinen Führerschein (b) * The judge asked [if hand over my driving licence!] der Richter frag-PRÄT+3SG ob übergib(lMP) meinen Führerschein

Rupps (2003: 29ff.) Meinung nach trägt der Imperativische Kopf INFL die Merkmale [AGR] und [IMP], Das [AGR]-Merkmal ist in seiner speziellen Kodierung von dem in der VP positionierten Hauptverb ererbt und veranlasst, wie (57) illustriert, die SubjektDP dazu, ihm gegenüber ihren Kasus an Speci zu checken und es so zu eliminieren. Das [IMP]-Merkmal bleibt nach Spell-out weiterhin bestehen und gewährleistet eine Imperativische Interpretation der Gesamtstruktur auf LF. (57) (a) You stay in your room! du bleib(lMP) in deinem Zimmer „Bleib du in deinem Zimmer!"

(Englisch)

80

2. Die Imperativische Verbbewegung

Da im Falle der Emphase oder der Negation ein entsprechend intervenierender funktionaler Kopf die Perkolation verbaler Merkmale nach I o blockiert, kommt dort, ebenso wie in Deklarativsätzen, das Verbsubstitut do zum Einsatz. Dieses repräsentiert als overtes Element sowohl die Kongruenzbeziehung zwischen Subjekt und imperativischem Vollverb als auch die Illokution der Konstruktion. In der Teilstruktur (58b) wird nach Rupp (2003: 95) die Insertion von do in die funktionale IP anhand des negierten Imperativsatzes (58a) verdeutlicht. (58) (a) Do not try again! DO NEG versuch(LMP) wieder „Versuch's nicht wieder!"

(Englisch)

(b) IP

Emphatische und negierte Imperativsätze, deren Subjektelement overt realisiert ist, zeigen meistenteils, ebenso wie ihre subjektlosen Gegenstücke eine Initialstellung des Substituts do (vgl.: (59)). (59)

(Englisch) (a) DO

someone answer the phone! DO(LMP) jemand beantworten das Telefon „Geh einer ans Telefon!"

(b) Don't

you try again! du versuch wieder „Versuch es nicht noch einmal!" DO(IMP)NEG

Potsdam (1997) und Han (1998) fuhren diese charakteristische Wortfolge auf die vor Spell-out vollzogene Kopfbewegung des Imperativischen do nach C° und die ebenfalls overt erfolgte XP-Bewegung des Subjekts nach Speci zurück. Rupp (2003: 116ff.) argumentiert dagegen. Da sie die Verkettung der CP vor Spell-out in englischen Imperativsätzen nicht für durchfuhrbar hält, glaubt sie, dass die in (59) zu beobachtende Voranstellung des Substituts das Resultat der Positionierung des Subjekts unterhalb der IPDomäne ist. Sie ist der Meinung, dass es in einer von der IP dominierten funktionalen Projektion angesiedelt ist, aber dennoch potentiell die Möglichkeit besitzt, von dort aus weiterhin nach Specl angehoben zu werden.

2. Die Imperativische

81

Verbbewegung

Neben dem funktionalen Verbelement do finden sich auch die aspektmarkierenden Hilfsverben be und have in Imperativischen Konstruktionen. Deren Imperativierung erfolgt insbesondere dann, wenn zusätzlich ein bestimmtes Intervall genannt ist, das die Referenzzeit der angegebenen Proposition über die unmittelbare Zukunft hinaus bis zu einem speziell definierten Zeitpunkt verschiebt oder ausdehnt (vgl.: (60)). (60)

(Englisch) (a) Be faking a headache when she comes in! sei(iMP) vortäuschend ein Kopfschmerz wenn sie komm-3SG herein „Sei am Kopfschmerzen vortäuschen, wenn sie herein kommt!" (b) Have checked the facts before you start accusing the people! hab(lMP) überprüft die Fakten bevor du anfang-2SG beschuldigen die Leute „Hab gefalligst die Fakten überprüft, bevor du Leute beschuldigst!"

Da be und have als Auxiliare der analytischen Aspektbildung kein eigenständiges Theta-Raster besitzen, werden sie laut Ouhalla (1991) grundsätzlich außerhalb der Theta-markierenden Domäne VP generiert. Tenny (1987), van Gelderen (1993) und Koopman & Sportiche (1991) nehmen an, dass sie den Kopf einer funktionalen Projektion AspP bilden, woraus nun weiterhin Rupp (2003: 40) folgert, dass in englischen Imperativsätzen neben der IP auch AspP verkettet werden kann. Aspektmarkierte Imperativsätze unterscheiden sich im Falle der Satznegation von in gleicher Weise aspektmarkierten Deklarativsätzen (vgl.: (61a)) insofern, als deren Hilfsverb, ähnlich wie in Infinitiven (vgl.: (61b,c)), nie vor dem Negationselement angeordnet ist und sie außerdem die Hinzunahme des Verbsubstituts do verlangen (vgl.: (61d,e)). (61)

(Englisch) (a) You were not du

working when I

sei PRÄT-NEG arbeitend als

came

back.

ich komm-PRÄT zurück

„Du warst nicht am arbeiten, als ich zurückkam." (b) * We would like wir AUX

you to be

not working when we come

back.

mögen dich zu sein NEG arbeitend wenn wir komm-1 PL zurück

(c) Don t be working when we come back! DO(lMP)NEG sei arbeitend wenn wir komm-1 PL zurück „Sei nicht am arbeiten, wenn wir zurückkommen!" (d) *Be

not working when we come

back!

sei(lMP) NEG arbeitend wenn wir komm-1 PL zurück

Rohrbacher ( 1994) versucht das Verhalten von be und have in verschiedenen Satztypen diachronisch zu analysieren. Er geht davon aus, dass die in finiten Deklarativsätzen auftretenden stark flektierten Formen dieser Auxiliare im Laufe der Sprachgeschichte als funktionale INFL-Elemente reanalysiert wurden und infolgedessen dort have/be-shift möglich machten. Ihre nicht flektierten Gegenstücke wurden dagegen seiner Einsicht

82

2. Die Imperativische

Verbbewegung

nach, ebenso wie lexikalische Vollverben, unterhalb der Ebenen der IP und NegP generiert und sind daher bis heute nicht in der Lage, in INFL verbale Merkmale zu lizenzieren. Rupp (2003 : 42f.) schließt sich diesen Ausführungen an. Sie glaubt, dass infinitivische und Imperativische Aspektauxiliare in Asp° basisgeneriert sind und daher have/be-shift prinzipiell nicht zulassen. Weil Imperative über einen merkmalskodierten I-Kopf verfügen, sind sie anders als Infinitive darüber hinaus auf den Einsatz des Substituts do, welches die Eliminierung der entsprechenden nicht-interpretierbaren Merkmale vornehmen kann, angewiesen.

2.3.5. Zusammenfassung und Kritik Rivero & Terzi (1995) machen eine grundlegende syntaktische Unterscheidung hinsichtlich der Bildung imperativischer Strukturen deutlich. Während Imperative in einigen Sprachen durch eine einheitliche arteigene Satzstruktur charakterisiert sind, weisen sie in anderen Sprachen gegenüber den Verben der anderen Modi keine veränderte Distribution auf. Rivero & Terzi nennen erstere Sprachgruppe Class I-Sprachen und letztere Class Ii-Sprachen. Ihrer Meinung nach stellen die Imperative der Class ISprachen eine Weiterentwicklung derjenigen der Class Ii-Sprachen dar. Die für die Imperative der Class I-Sprachen charakteristische Korrelation zwischen dem flexivisch kodierten Verbmodus und der entsprechend arteigenen Satzstruktur kann ihrer Einsicht nach nämlich nur dann oberflächensyntaktisch manifestiert werden, wenn seitens der CP eine Emanzipation von jeglichen wackernagelschen Restriktionen zugunsten operationaler Fähigkeiten stattgefunden hat. Erst in diesem Fall, so glauben sie, beherbergt C° ein starkes verbales Modusmerkmal, welches das Imperativische Verbelement vor Spellout attrahiert und somit die Konstitution einer satztypenspezifischen VI-Struktur motiviert. Der C-Kopf fungiert dabei als modaler Operator, weshalb jede spezifische Verbanhebung zu ihm operational definiert ist. Letzteres illustriert, so Rivero & Terzi, die Imperativische Negationsinkompatibilität in Class I-Sprachen. Da das imperativierte Verb dort aufgrund seiner Landung in C° A'Charakteristika zugewiesen bekommt, wird die die IP dominierende NegP zu einer Minimalitätsbarriere, welche die strikte Kopfrektion der verbalen Spuren blockiert. Demzufolge dürften nun Class I-Imperative generell nicht negationsfahig sein, sobald eine vorhandene NegP die jeweilige VP dominiert. Dies ist aber, wie verschiedene Daten unter 3.3. und 3.4. bezeugen, eindeutig nicht der Fall. Im Französischen, Deutschen, Niederländischen und mehreren anderen Sprachen und Dialekten, die zweifelsohne den Class I-Sprachen zuzuordnen sind, werden Imperative regulär negiert - eine Beobachtung, mit der sich Rivero & Terzi nicht auseinandersetzen. Die obligatorische Enklitisierung anaphorischer und pronominaler Elemente an die Imperativischen Verben der Class I-Sprachen führen Rivero & Terzi auf deren Positionierung unterhalb der C-Domäne zurück. Ihrer Auffassung nach sind sie in einer funktionalen Projektion zwischen der IP und der operationalen CP verankert und befinden sich daher immer hinter dem in C° gelandeten Verb. Wie sie aber letztendlich dorthin gelangen, erläutern Rivero & Terzi nicht. Es wäre also notwendig zu ermitteln, ob sie grundsätzlich oberhalb der Projektionsebene der IP basisgeneriert sind oder zusammen mit einem Verbelement aus der VP herausbewegt werden. Außerdem sollte

2. Die Imperativische

Verbbewegung

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eruiert werden, ob die Annahme einer eigens für die Beherbergung von Klitika projizierten Phrase überhaupt plausibel ist. Womöglich lassen sich diesbezüglich gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen Sprachzweigen feststellen. Während im Griechischen gegenwärtig zu beobachtende Wortstellungsrestriktionen und auch die besondere Entwicklung von Klitisierungsprozessen seit dem Byzantinischen für die Existenz einer speziellen Klitisierungsphrase, kurz: CIP, sprechen (vgl. Mackridge 1993; Horrocks 1997: 59ff.), ist dies in den romanischen Sprachen nicht der Fall (vgl. 2.5.3.). Kann man insofern davon ausgehen, dass Imperativische Enklitisierung tatsächlich sprachübergreifend ein typisches Charakteristikum der Class I-Sprachen ist? Für das Griechische zumindest stellen sich die Verhältnisse nicht so klar dar. Denn das Griechische verfugt über eine VSO-Grundwortstellung (vgl. Philippaki-Warburton 1985; Tsimpli 1990; Giannakidou 1998: 42ff.). Demzufolge besetzt dort das imperativierte Verbelement zumindest oberflächensyntaktisch dieselbe Position wie die Verben aller anderen Modi im unmarkierten Fall. Weitere Problematiken ergeben sich aus Riveros & Terzis Betrachtungen über Class IiSprachen. Deren C-Kopf kann, wie sie meinen, im Gegensatz zu dem der Class ISprachen kein starkes verbales Merkmal tragen, weil die entsprechende C-Projektion noch ausschließlich für die Lizenzierung auftretender Wackernagelpartikel verantwortlich ist. Ihrer Einsicht nach sind derartige Klitisierungselemente ebenso wie die Klitika der Class I-Sprachen in einer von der CP unmittelbar dominierten FP (hier: in einer so genannten WP) positioniert, benötigen jedoch anders als Letztere genau ein overtes CElement, um einen legitimen Input für PF zu erlangen. Einerseits darf also, so folgern Rivero & Terzi, in Class Ii-Sprachen die Verbbewegung nach C° nicht erzwungen werden, weil eine gegebenenfalls topikalisierte XP in SpecCP ihre notwendige Lizenzierung bereits bewerkstelligt; andererseits muss C° stets ein möglicher Landeplatz für die Verben aller Paradigmen bleiben, damit diese sich ihretwegen notfalls dort niederlassen können. Demnach erlaubt das in den Class Ii-Sprachen herrschende Abhängigkeitsverhältnis zwischen CP und WP keine spezifisch Imperativische Verbanhebung nach C°, weshalb deren imperativierte Verben ihre modalen Merkmale in INFL checken und sonach eine nicht-operationale Bewegung vollziehen. Unklar bleibt in Anbetracht dieser Ausführungen jedoch, warum es zwar möglich ist, dass eine topikalisierte Konstituente in SpecC Kopfbewegung nach C° blockiert, aber umgekehrt obligatorische Verbbewegung in den C-Kopf nicht als übergeordnete Bewegungsoperation Anhebung nach SpecC unterbinden kann. Wäre eine derartige Restringierung seitens eines in C° gelandeten Kopfelements tatsächlich durchfuhrbar, so müssten Imperative, die eine satztypenspezifische VI-Struktur ausbilden, durchaus in der Lage sein, Wackernagelpartikel zu lizenzieren. Zumindest in älteren romanischen Sprachen, wie zum Beispiel im Altspanischen oder Altportugiesischen, scheinen sich Class I- mit Class Ii-Eigenschaften zu vereinen. Dort steigen imperativierte Verben nach C° auf, obwohl deren Klitika, wie jedenfalls Rivero (1997) selbst annimmt, angeblich auf eine Lizenzierung seitens eines C-Elements angewiesen sind. Anzumerken ist diesbezüglich allerdings, dass alle diese Sprachen im Laufe der Sprachgeschichte sämtliche klitischen Zweitpositionierungseigenschaften verloren haben (vgl. 2.5.3.). Dass deren Verlust aber notwendig mit der Ausbildung eines starken verbalen Merkmals in C° einhergeht, lässt sich, wie unter anderem Daten aus dem Makedonischen zeigen, keinesfalls beobachten. Im modernen Makedonischen sind Klitika

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Verbbewegung

nämlich keine reinen 2P-Partikel mehr (vgl. Dimitrova-Vulchanova 1999); dennoch lässt sich dort eine obligatorische Anhebung imperativierter Verben an den funktionalen C-Kopf keineswegs feststellen. Ebenso weist auch nichts darauf hin, dass imperativierte Verben universell eine Bewegung zum C-Kopf vollziehen. Von Letzterem geht jedoch Han (1998) aus. Sie glaubt, dass alle rein Imperativischen Strukturen über einen Imperativoperator in C° verfugen, der entweder overt oder covert angesteuert wird. Diese Annahme lässt sich ihrer Meinung nach durch verschiedene topologische Daten unterschiedlicher Sprachen stützen. Als Beweismaterial dienen ihr hierzu lediglich Beispielkonstruktionen aus der indoeuropäischen Sprachfamilie, wovon sie drei romanische, zwei westgermanische und eine hellenische Sprache behandelt. Für das Deutsche, die romanischen Sprachen und das Neugriechische weist sie anhand der Stellung von Imperativischen Subjekten, Adverbien und klitischen Elementen (hier übernimmt sie die Klitisierungsanalyse von Rivero & Terzi (1995)) eine overte Bewegung des Imperativischen Verbs nach C° nach. Auch im Englischen, so zeigt sie, lässt sich eine derartige Anhebung beobachten. Dort landet zumindest das Imperativische Verbsubstitut do bzw. don 't vor Spell-out in dieser Position. Hieraus schließt sie, dass in sämtlichen Imperativkonstruktionen ohne do-support eine entsprechende Bewegung seitens der lexikalischen Verben auf LF durchgeführt wird. Ähnliche Evidenz für eine coverte Imperativische Verbbewegung nach C° aus anderen Sprachzweigen oder Sprachfamilien legt sie nicht vor. Insofern stellt sich die berechtigte Frage, ob man tatsächlich behaupten kann, dass etwa in den slawischen Sprachen oder gar in den zahlreichen Sprachfamilien außerhalb des Indoeuropäischen, in denen oberflächenstrukturell nichts auf eine spezielle satztypenspezifische Anhebung des imperativierten Verbs hindeutet, grundsätzlich eine solche Bewegung nach Spell-out stattfindet. Diachronische Befunde, die die These der Universalität einer Imperativischen Verbewegung nach C° bestätigen könnten, führt Han ebenfalls nicht an. Zwar erwähnt sie, dass Imperative älterer englischer Sprachstufen durchaus noch regulär der V zu C-Anhebung unterliegen; die historische Entwicklung imperativischer Strukturen anderer Sprachen beachtet sie aber nicht. Lässt sich also in Sprachen, die ebenso wie das moderne Standardenglische im Falle der Imperativierung kein overtes lexikalisches Verb in C° beherbergen, jedoch anders als dieses noch heutzutage Verbbewegung über die VP-Grenze hinaus prinzipiell erlauben, entsprechendes beobachten? Steigt demnach das Imperativische Verb beispielsweise des Altkirchenslawischen obligatorisch in die C-Projektion auf? - Textsammlungen und Grammatiken des Altkirchenslawischen lassen nichts dergleichen erkennen (vgl. Duridanov (1991)). Und wie verhält es sich mit Sprachen, die gegenwärtig eine spezifisch Imperativische Verbbewegung nach C° aufweisen? Ist bei diesen, wie zum Beispiel beim Italienischen, Spanischen oder Deutschen, nicht eher festzustellen, dass sich Imperative distributionell immer weniger von den anderen verbalen Modi unterscheiden, je weiter man auf deren historischem Entwicklungspfad zurückgeht? Zeigt sich darin nicht, dass diese Imperative früherer Sprachperioden ebenso wie die Imperative der meisten aktuell gesprochenen Sprachen schlicht keine Kopfbewegung in die C-Domäne vollziehen? Um derlei Gegenfragen bereits im Ansatz zu entgehen, behauptet Han, dass Imperativsätze universell subordinationsunfahig sind. Schon hieran, so merkt sie an, sei unzweifelhaft zu erkennen, dass imperativierte Verben am C-Kopf spezifische Merkmale eliminieren. Entgegen Hans Aussage lassen sich Imperative jedoch zumindest in einigen

2. Die Imperativische

Verbbewegung

85

Sprachen durchaus einbetten - wie zum Beispiel, um nur einige zu nennen, im Amharischen, im Japanischen, im Malagasy und sogar innerhalb des indoeuropäischen Sprachraums im Altgriechischen und Altisländischen (vgl.: ( 6 2 ) ) (vgl. Rögnvaldsson 2 0 0 3 ; Schwager 2 0 0 3 , 2 0 0 4 b ) .

(62) (a) oisth '

(Altgriechisch)

ho drason.

wiss(iMP) was tu(lMP)-AOR „Wisse, was du tun sollst!" (Aristophanes Pax

(b) ...en

pad vil

eg vid pigmœla,

1061)

Pórarinn frœndi, ad pú ver (Altisländ.)

aber das woll-lSG ich mit dir sprechen í>órarinn Vetter dass du sei(lMP)

med mér par til er

lykur

mälum

pessum ά nokkurn hátt.

mit mir dort bis sei-3SG beendet Angelegenheit diese in irgendeiner Weise *„... aber das will ich dir sagen, Vetter í>órarinn, dass bleib du bei mir bis die Angelegenheit in irgendeiner W e i s e beendet ist."

CEyrbyggja saga p. 557) Dass Imperativische Nebensätze dennoch in der Tat relativ selten vorkommen, sollte sonach vor allem auch a u f rein semantische Ursachen zurückgeführt werden. Schwager ( 2 0 0 4 b ) geht in Anlehnung an Portner ( 2 0 0 3 ) davon aus, dass Imperativsätze grundsätzlich ein covertes Modalverb enthalten, welches mit overten Modalverben in komplementärer Verteilung auftritt und rein performativ charakterisiert ist. Imperative können demzufolge, so Schwager ( 2 0 0 4 b ) , niemals deskriptiv verwendet werden und verlangen stets die ausschließlich vom Sprecher ausgehende Autorität über den jeweiligen Redehintergrund. D a Einbettung eine Bindung der im subordinierten Satz definierten Auswertungssituation bewirkt und daher dessen rein performative Interpretation unterbinden kann, sind Imperative nur dann einbettbar, wenn der Matrixsatz den dem entsprechenden direktiven Sprechakt zugrundeliegenden Diskurskontext repräsentiert (entweder durch einen Imperativ (vgl.: ( 6 2 a ) ) oder durch eine explizit performative Formel (vgl.: ( 6 2 b ) ) und somit zwar keine Verschiebung der Imperativischen Auswertungsindizes, aber eine Redundanz hinsichtlich der durch die Verwendung des Imperativischen Modus festgesetzten Auswertungssituation erzeugt. G e m ä ß ökonomischen Prinzipien ist die mehrfache Kennzeichnung ein und derselben sprachlichen Information möglichst zu vermeiden, weswegen die Subordination von reinen Imperativsätzen in dem überwiegenden Anteil aller Sprachen letztendlich nicht durchfuhrbar ist. In Kontexten, in denen die Verwendung des reinen Imperativs nicht akzeptabel oder unerwünscht ist, werden Direktiva mittels imperativischer Ersatzformen vollzogen. W i e Han feststellt, handelt es sich bei diesen ausschließlich um Subjunktive oder Infinitive. Die wohl gebräuchlichste Imperativische Ersatzform, der Indikativ, findet bei ihr keine Erwähnung. Sie kommt daher zu dem Schluss, dass der Imperativoperator in C ° neben einem [direktiv]-Merkmal, das die Kopfbewegung des verbalen Elements motiviert, noch ein [irrealis]-Merkmal beherbergt, welches entweder ein subjunktivisches oder ein infinitivisches I N F L selegiert.

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2. Die Imperativische Verbbewegung

Welchen von den beiden funktionalen INFL-Köpfen ein imperativisches [irrealis]Merkmal nun genau zu sich nimmt, ist nicht etwa - obgleich dies wünschenswert wäre - an der Morphologie des imperativierten Verbs oder der Struktur des entsprechenden Imperativsatzes erkennbar, sondern, wie Han meint, an der favorisierten Imperativersatzform der jeweiligen Sprache. So beobachtet sie, dass das Griechische, das wie alle Balkansprachen nicht zur Infinitivbildung befähigt ist, einen Subjunktiv als imperativisches Surrogat benutzt, und dass das Spanische an dieser Stelle die Einsetzung von Infinitiven vorzieht. Hieraus folgert sie, dass das [irrealisJ-Merkmal der griechischen Imperative ein subjunktivisches INFL und das der spanischen Imperative ein infinitivisches INFL selegiert. Hans Einsicht nach ist es diese merkmalsgeleitete Auswahl des spezifischen INFLKopfes, die letztendlich auch den Leerkategorienstatus des non-overten Imperativsubjekts bestimmt. Demnach nehmen Imperative, die ein subjunktivisches INFL selegieren, ein overtes Subjekt oder ein Subjekt-pro zu sich, während Imperative, die ein infinitivisches INFL selegieren, über ein subjektivisches PRO verfugen. Die unmittelbare logische Konsequenz dieser von Han unterbreiteten Theorie, besteht nun folglich darin, dass diejenige nicht-imperativische Verbform, die in einer bestimmten Sprache bevorzugt verwendet wird, direktivische Sprechakte zu vollziehen, grundsätzlich auf die individuellen Lizenzierungsbedingungen des Subjekts von rein Imperativischen Strukturen schließen lässt. Man muss bezweifeln, dass die Annahme einer solchen Korrelation zwischen zum Teil doch recht beliebig gewählten Surrogatformen und Imperativischen Subjekten tatsächlich plausibel ist. Wie soll man auf deren Grundlage zum Beispiel die Subjektrealisierung von niederländischen Imperativen erklären? Diese werden in entsprechenden Kontexten entweder durch Indikative oder Infinitive vertreten (vgl. Duinhoven 1984) - niemals aber durch Subjunktive bzw. Konjunktive. Dennoch können sie sowohl coverte als auch overte Subjekte zu sich nehmen (vgl.: (63a,b,c)) und dies, obwohl der niederländische Infinitiv allein das Leerpronomen PRO in seiner Subjektposition erlaubt (vgl.: (63d)). (63)

(Niederländisch) (a) Zing een liedje! sing(iMP)ein Liedchen „Sing ein Liedchen!" (b) Zing jij een liedje! sing(lMP) du ein Liedchen „Sing du ein Liedchen!" (c)

Doorlopen! weiterlaufen „Lauf weiter!"

(d) Hij is geneigd, PRO l*hij dat te besluiten. er sei-3sG versucht das zu beschließen „Er ist versucht, das zu beschließen."

2. Die Imperativische

Verbbewegung

87

Belletti (1999) befasst sich mit der Klitisierung in den romanischen Sprachen. Sie versucht unter anderem zu ermitteln, warum die proklitischen Objektpronomen finiter Sätze allein in Imperativischen Konstruktionen grundsätzlich Enklisen bilden. Ebenso wie Cardinaletti (1994) definiert sie die Klitika der romanischen Sprachen als Köpfe von äußerst verarmten D-Projektionen. Mit Kayne (1975) stimmt sie darin überein, dass Objektklitika als strukturelle Schwester von V o basisgeneriert werden und daher zunächst den phrasalen Kategorien angehören. In morphologischer Hinsicht sind sie insbesondere dadurch charakterisiert, dass sie im Gegensatz zu allen anderen nominalen und pronominalen Elementen eine overte Kasusflexion besitzen. Da diese aufgrund ihrer morphologischen Stärke noch vor Spell-out lizenziert werden muss, werden sie overt in die AgrO-Projektion bewegt. Belletti nimmt an, dass sie dort - zumindest in den meisten romanischen Sprachen - als Kopfelemente an AgrO° adjungieren und so ihres nicht-interpretierbaren starken Kasusmerkmals entledigt werden. Ob eine derartige Lizenzierungsprozedur tatsächlich strukturell legitimiert werden kann, ist allerdings fraglich. Denn die für die Kasuszuweisung notwendige Spezifikator-KopfRelation zwischen dem kasusmarkierten Element - hier dem Klitikon - und einem kongruierenden Kopfelement kommt auf diese Weise offensichtlich nicht zustande. Laut Belletti landet noch nicht einmal das Verb, welches das Klitikon als Komplement selegiert und somit in eine solche Kongruenzbeziehung treten müsste, in nichtimperativischen finiten Sätzen auf der Ebene der AgrOP. Ihrer Meinung nach überspringt es im Zuge seiner Anhebung die gesamte AgrO-Projektion und adjungiert daraufhin an den Kopf der funktionalen TP, wo es schließlich das aufsteigende Klitikon inkorporiert. Diesen deutlichen Verstoß gegen die Kopfbewegungsbeschränkung nimmt Belletti in Kauf, um auf der Grundlage ihres theoretischen Ansatzes eine Enklitisierung am finiten Verb vermeiden zu können. Eine solche, so meint sie, dürfe keinesfalls durch die Landung des Verbs am Klitikon in AgrO° entstehen, weil hiermit jede nachfolgende Überprüfungsprozedur zwischen der verbalen Morphologie und den entsprechenden funktionalen Merkmalen blockiert würde. Gemäß ihrer Einsicht übergeht demnach das verbale Element einen potentiellen Landeplatz, damit seine rechtmäßige Lizenzierung auf höheren Projektionsebenen garantiert werden kann. Doch ist diese von Belletti postulierte Operation überhaupt syntaktisch gerechtfertigt? „Blickt" ein Kopfelement tatsächlich „nach oben", damit es gleichsam vorsorglich eine HMC-Verletzung herbeiführen kann? Wäre es an dieser Stelle nicht wesentlich plausibler, davon auszugehen, dass das Objektelement zum Zwecke seiner Kasuslizenzierung als phrasale Kategorie in SpecAgrO mit dem in AgrO° positionierten Verb eine Spezifikator-Kopf-Beziehung eingeht und erst auf der Ebene der TP als klitisches Kopfelement mit dem aufsteigenden Verb amalgamiert? Speziell fur Imperative nimmt Belletti nun an, dass diese ihre verbale Morphologie in einer von der AgrOP dominierten funktionalen Projektion vollständig lizenzieren und somit von da an auf keine Überprüfungsprozedur mehr angewiesen sind. Imperativierte Verben, so folgert sie, inkorporieren daher bereits am Kopf der AgrOP in das klitische Element, um danach mit diesem overt nach C° bewegt zu werden. Belletti glaubt, dass sie auf dem Weg dorthin an den merkmalsentleerten Köpfen T° und AgrS° zwischenlanden. Warum aber die entsprechenden Projektionen TP und AgrSP, obwohl sie doch angeblich keinerlei Merkmalsgehalt aufweisen, in Imperativischen Strukturen überhaupt verkettet werden, erläutert sie nicht. Weiterhin bleibt offen, wie die Merkmalsüberprüfung zwischen dem angehobenen verbalen Element und dem attrahierenden funktio-

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2. Die Imperativische Verbbewegung

nalen Merkmal in C° genau vonstatten gehen soll. Löst das intervenierende Klitikon hier ausnahmsweise keine Blockade aus? Laut Belletti steht das imperativierte Verb in C° mit einem in SpecC verankerten Imperativoperator in einer Spezifikator-KopfRelation und erfüllt so das so genannte Imperativkriterium. Der involvierte Operator definiert dadurch den Status der von ihm gebundenen Leerkategorie in SpecAgrS als subjektivisches Element der 2. Person. Oberflächensyntaktische Indizien für die faktische Existenz einer solchen Verbindung legt Belletti nicht vor. Dass ein syntaktisches Subjekt die Identifikation seitens eines non-overten Spezifikators der C-Domäne tatsächlich benötigt, ist insofern schwer nachzuvollziehen. Rupp (2003) untersucht die Syntax englischer Imperativkonstruktionen. Sie beobachtet, dass diese keinerlei Temporalmarkierung zulassen, aber die Einsetzung eines funktionalen Verbelements links von der Verbalphrase erlauben. Hieraus schließt Rupp, dass die Imperative des Englischen eine IP ohne jede Tempuskodierung projizieren. Ihr funktionaler Kopf INFL enthält, wie Rupp meint, ein [AGR]- und ein [IMP]-Merkmal. Die Existenz des [AGR]-Merkmals zeigt sich in der Fähigkeit imperativierter Verben, ein Subjekt zu sich zu nehmen. Denn, so argumentiert sie, dessen nominativischer Kasus und spezifischer Numerus, die, wie sie zeigt, noch bis ins Frühneuenglische morphologisch identifizierbar sind, benötigen zum Zwecke ihrer Lizenzierung kongruierende p/n-Merkmale, die nur ein [AGR]-spezifizierter Kopf beherbergen kann. Das [AGR]-Merkmal selbst stimmt dabei mit dem des verbalen Kopfelements der VP überein und veranlasst die Subjekt-DP dazu, ihm gegenüber ihren Kasus an Speci zu checken und es damit zu eliminieren. Doch wie soll nach Rupps Vorstellungen die Übertragung der [AGR]-Kodierung von V o in die IP und deren entsprechende Lizenzierung genau vonstatten gehen? Ist hier eine Kopfbewegung des Verbs nach Spell-out in Betracht zu ziehen oder kann man wie Pollock (1989) davon ausgehen, dass ein verbales Null-Element zum Einsatz kommt? Eine diesbezügliche Erläuterung gibt Rupp nicht. Sie stellt lediglich fest, dass das Hauptverb und der Kopf der IP in ihrer Merkmalskodierung irgendwie gleich sind. Das [IMP]-Merkmal ist für die direktivische Interpretation der Imperativischen Gesamtstruktur verantwortlich. Anders als Han (1998) und Potsdam (1997) lokalisiert Rupp dieses Merkmal nicht innerhalb der C-Projektion. Die Tatsache, dass englische Imperativsätze nicht eingebettet werden können, veranlasst sie nämlich zu der Vermutung, dass Imperative keine CP projizieren. Ob diese Schlussfolgerung tatsächlich plausibel ist, mag allerdings bezweifelt werden. Imperativsätze, die das Verbsubstitut do enthalten, scheinen Rupps Annahme jedenfalls eindeutig zu widerlegen (vgl. 2.3.2.). Emphatisch betonte und negierte Imperativsätze, deren Subjektelement overt realisiert ist, zeigen meistenteils eine Initialstellung des Substituts und lassen eben damit erkennen, dass dieses oberhalb des Spezifikators der IP angesiedelt ist. Rupp argumentiert dagegen. Ihrer Einsicht nach ist die genannte Abfolge viel eher darauf zurückzuführen, dass das Subjekt in einer von der IP dominierten funktionalen Projektion positioniert ist und nur optional weiterhin nach Speci angehoben wird. Abgesehen davon, dass nicht-obligatorische Bewegungsprozesse den Ökonomieprinzipien des syntaktischen Strukturaufbaus zuwiderlaufen, ist an Rupps Analyse nunmehr nicht nachvollziehbar, warum INFL überhaupt grundsätzlich pÄ/'-Merkmale beherbergt. Denn das Subjekt erreicht ihrer Meinung nach normalerweise nicht die Projektionsebene der IP und dürfte infolgedessen auch nicht in der Lage sein, stets deren rechtmäßige Lizenzierung vorzunehmen.

2. Die Imperativische

Verbbewegung

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Immer wenn zwischen V o und INFL ein funktionaler Kopf interveniert, wird laut Rupp das Substitut do eingesetzt. Da Rupp anders als Laka (1990), Haegeman (1995) und andere die Negationsphrase und die Affirmationsphrase nicht als IP-inteme, sondern als von der IP dominierte Projektionen betrachtet, entsteht im Falle der Emphase und der Negation eine strukturelle Konstellation, die gemäß ihrem Ansatz die Verwendung des Substituts erfordert, wobei dies für Imperativ- und Deklarativsätze gleichermaßen gilt. Fraglich ist, ob diese von Rupp favorisierte Analyse das Phänomen des do-support in der Tat erschöpfend explizieren kann. Wäre es an dieser Stelle nicht durchaus angebracht das Neg-/Aff-Kriterium als Erklärungsgrundlage hinzuzuziehen? Dieses könnte sicherlich auch für das charakteristische Ausbleiben von have/be-shift in englischen Imperativkonstruktionen mit verantwortlich gemacht werden und insofern eine einfachere und schlüssigere Lösung bieten als Rupps Ausfuhrungen. In diesen bedarf es zur Klärung dessen jeweils zwei unterschiedlicher Paradigmen für die Hilfsverben have und be - nämlich eines fur finite Deklarativsätze und ein anderes für Infinitive und Imperative.

2.4. Die Imperativische Verbbewegung nach INFL 2.4.1. Die Imperativische Verbbewegung formal markierter Imperative Formal markierte Imperative sind, wie bereits in den Kapiteln 1.2.2.2. und 1.3.1. illustriert wurde, dadurch charakterisiert, dass sie als eigenständige Flexionskategorie overt morphologisch repräsentiert werden. In ihrer Verwendung sind sie deontisch stark definiert und dienen demzufolge fast ausschließlich dem Vollzug von MANDS. Prinzipiell erlauben sie neben sich den Gebrauch weiterer sprecherorientierter Modi, die, wie etwa Admonitive oder Permissive, deontisch schwächere Sprechakte indizieren. In morphosyntaktischer Hinsicht verhalten sie sich im Wesentlichen wie alle anderen Modi auch. Sie nehmen, wie unter anderem im Koreanischen zu beobachten ist, in Verbindung mit dem lexikalischen Verbelement die gleiche syntaktische Position ein wie sie (vgl.: (64a,b)) und gestatten außerdem, wie etwa im Alamblak, vielfach die Affigierung derselben Flexionsmerkmale (vgl.: (65a,b)). (64) (a) Nanun

Maryeykey ppalli

ich-TOP M a r y z u

o-la-ko

s c h n e l l komm-PRT-COMP befehl-PRÄT+1SG-DEKL

„Ich befahl Mary, schnell zu kommen." (b) Neka pangul du

(Koreanisch) myenglyengha-yess-ta

chensoha-yla

Z i m m e r putz-LMP

„Putz du das Zimmer!"

90

2. Die Imperativische

(65)

Verbbewegung (Alamblak)

(a) afe

noh-rhwa-1

-r

NEG+UNSICH. Sterb-FUT-IRR+UNSICH.-3SG „ E r wird nicht sterben."

(b) (nike) wa- roh-twa(ihr)



IMP-sitZ- FUT-IRR+IMP-2PL

„Setzt euch bitte!" Demnach ist zu vermuten, dass formal markierte Imperative rein strukturell nichts in besonderem Maße von den anderen verbalen Modi unterscheidet. Imperativierte Verben werden innerhalb der Derivation zusammen mit ihrem modalen Flexionsmorphem in die funktionale INFL-Projektion angehoben, um dort am Kopf der MoodP das entsprechende [V]-Merkmal zu überprüfen. Von anderen modalmorphologisch spezifizierten Verbelementen grenzen sie sich hierin nicht ab. Welche weiteren INFL-internen funktionalen Köpfe neben Mood° deren Bewegung determinieren, lässt sich im Detail nicht sprachübergreifend festlegen. Offensichtlich sind hinsichtlich dessen in Bezug auf die Anordnung, Anzahl und Ausprägung der einzelnen funktionalen Projektionen sprachspezifische Variationen zu verzeichnen. Vor allem scheint die fur finite Verben im Allgemeinen charakteristische individuelle Temporalund Subjektpersonenkongruenzspezifizierung nicht in allen betreffenden Sprachen im Falle der Imperativierung möglich zu sein (Aikhenvald 2003). Eine generalisierte Attrahierung von einem operationalen Kopf C° ausgehend ist entgegen Hans (1998) Vermutung bei formal markierten Imperativen jedenfalls nicht erkennbar. Denn weder lässt sich zeigen, dass Imperativische Voll- oder Hilfsverben gegenüber der jeweils sprachüblichen Grundstellung des finiten Verbs prinzipiell eine links- oder rechtsperiphere Position einnehmen, noch weisen etwaige satzinitiale oder satzfinale Modalelemente auf eine allgemein obligatorische Imperativkodierung des C-Kopfes hin. (66) zeigt die Kopfbewegung eines möglichen formal markierten Imperativs. Hier werden innerhalb der INFL-Domäne die Projektionen MoodP, TP und AgrSP verkettet, wobei das aufsteigende Imperativische Verbelement an deren Köpfen Mood° und T° vor Spell-out mittels Checking seine entsprechenden overt repräsentierten Flexionsmerkmale lizenziert. Auf der Ebene der AgrSP tritt es schließlich mit dem coverten oder overten Subjekt in eine Spezifikator-Kopf-Relation, um in Übereinstimmung mit diesem seiner nicht interpretierbaren ¿»/»'-Merkmale entledigt zu werden und somit seine spezifische Kongruenzmorphologie zu legitimieren.

2. Die Imperativische

Verbbewegung

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(66) AgrSP Spec DP;

AgrS' AgrS°

verb-lMP-FUT-2SGj

2.4.2. Die Imperativische Verbbewegung formal unmarkierter Imperative Im Gegensatz zu formal markierten Imperativen verfugen formal unmarkierte Imperative über keinerlei morphologische Modalmarkierung. Als direktive Illokutionsindikatoren werden sie seit jeher ausschließlich non-overt repräsentiert und zeichnen sich infolgedessen nicht nur durch formale, sondern auch durch semantische Unmarkiertheit aus und erstrecken sich sonach in ihrem Gebrauch stets über die gesamte Klasse der Direktiva. Hierin bilden sie ein Analogon zum modalmorphologisch ebenfalls unrepräsentierten Indikativ, der seinerseits auf epistemischer Ebene im gesamten Bereich der Assertive zum Einsatz kommt (vgl. 1.2.2.2.; 1.3.1.). In allen frühen indoeuropäischen Sprachen und auch noch gegenwärtig unter anderem auf deren hellenischen und slawischen Sprachzweig finden sich die indikativischen und die Imperativischen Verben im unmarkierten Fall gleichermaßen in der jeweils kanonischen Position des verbalen Kopfelements. Letztere nehmen folglich im Neugriechischen gemäß der zugrunde liegenden VSO-Grundwortstellung die satzinitiale Position ein (vgl.: (67)). (Neugriechisch)

(67) (a) Potise i Roxani ta luludhia gieß-PRÄT-3SG die Roxanne die Blumen „Roxanne goss die Blumen."

2. Die Imperativische

92

(b) Dòse

Verbbewegung

esi tin efimeríóa!

geb(iMP) d u d i e Z e i t u n g

„Gib du die Zeitung!" Sie können aber, sobald die Wortstellungsrestriktionen der jeweiligen Einzelsprache, wie zum Beispiel im Russischen (vgl.: (68)) oder Bulgarischen (vgl.: (69)) (vgl. Mathesius 1942; Siewierska & Uhlírová 1998), derartiges zulassen, ebenso wie ihre indikativischen Pendants pragmatisch motiviert distributioneil verschoben werden. (68)

(Russisch) (a) Puskin napisal Evgenija Puschkin PERF-schreib-PRÄT Eugenia „Puschkin hat Eugenia geschrieben." (b) Tysadis' vot na ètot Stull du setz(lMP) hier auf diesen Stuhl „Setz du dich auf diesen Stuhl hier!" (c) Sadis ' ty vot na ètot Stull setz(iMP) du hier auf diesen Stuhl „Setz du dich auf diesen Stuhl hier."

(69)

(Bulgarisch) (a) Tanja vidja Marija Tanja sieh-PRÄT-3SG Maria „Tanja sah Maria." (b) Ti izpej

edna pesen!

d u PERF-sing(iMP) e i n

Lied

„Sing du ein Lied!" (c) Izpej

ti edna pesen!

PERF-sing(lMP) d u e i n

Lied

„Sing du ein Lied!" Ähnliches ist auch im Chakassischen, einer kaukasischen Turksprache (vgl.: (70)), und im Mari, einer finno-ugrischen Sprache (vgl.: (71)), zu beobachten. In beiden Sprachen sind imperativierte Verben gemäß der zugrunde liegenden SOV-Grundwortstellung im unmarkierten Fall satzfinal angeordnet. Sie können diese Position, ebenso wie die indikativischen Verben von Deklarativsätzen aus semanto-pragmatischen Gründen jedoch verlassen (vgl. Kotozhekova 2003; Vilkuna 1998). (70)

(Chakassisch) (a) Min sayaa ïdôk

nandiram.

ich dir so-PARTL antwort-FUT-1SG

„Ich werde dir ebenso antworten."

2. Die Imperativische

Verbbewegung

93

(b) Mayaa praj naa knigalami közit! mir alle neu Bücher zeig(lMP) „Zeig mir alle neuen Bücher!" (c) Közit mayaa praj naa knigalarni zeig(lMP) mir alle neu Bücher „Zeig mir sofort/ bitte alle neuen Bücher!" (71)

(Mari) (a) Poskudo cylymym supses Nachbar Pfeife zieh-3SG „Der Nachbar raucht eine Pfeife." (b) Mylanem stakan viidym pu! mir Glas Wasser geb(lMP) „Gib mir ein Glas Wasser!" (c) Pu mylanem stakan viidym! geb(lMP) mir Glas Wasser „Gib mir ein Glas Wasser!"

Man muss also davon ausgehen, dass die Verben des formal unmarkierten indikativischen und des formal unmarkierten Imperativischen Modus ursprünglich ähnlichen Kopfbewegungsprozeduren unterliegen. Demnach wird das imperativierte Verbelement zunächst genauso wie sein epistemisches Gegenstück von den abstrakten Merkmalen des AgrS-Kopfes attrahiert und steigt infolgedessen zu diesem vor Spell-out sukzessiv auf, wobei es allerdings auf der Ebene der MoodP, sozusagen als Vertreter des DefaultModus einer modallogischen Hauptklasse, im Normalfall 12 keine spezifische Flexionsmorphologie lizenziert. Anders als beim Indikativ ist seine temporale Charakterisierung aber ebenso wie seine Personenkongruenzkodierung ausschließlich modalimmanent direktivisch determiniert. Insofern selegieren formal unmarkierte Imperative im Gegensatz zu den temporal spezifizierbaren Indikativen niemals einen funktionalen T-Kopf und befinden sich daher außer Stande, eine TP zu projizieren. Ihr Finitheitsstatus wird allein durch die Kategorien Mood und Agr definiert. Genau dies schlägt sich auch in der morphologischen Entwicklung imperativierter Verben nieder. Im Laufe der Sprachgeschichte nehmen sie nämlich in weiten Gebieten flexivische Markierungen aller möglichen Verbalkategorien zu sich. Da die imperativspezifischen funktionalen Charakteristika der Prospektivität und Adressatenbezugnahme mit der Überprüfung des [V]-Merkmals am Imperativischen Mood-Kopf lizenziert werden, bleiben Tempus- und Personenkongruenzmorpheme hiervon grundsätzlich ausgeschlossen. Deren Affigierung führt folglich, wie Beispiel (72) in Rekurs auf Beispiel (18) in 1.3.1. illustriert, zu einem illegitimen Input auf den Schnittstellenebenen und somit zu einem Zusammenbruch der Derivation.

12 Ursprünglich formal unmarkierte Imperative oder Indikative, die sich im Laufe ihrer diachronischen Entwicklung eine flexivische Spezifizierung angeeignet haben, lizenzieren diese an Mood°.

2. Die Imperativische

94

Verbbewegung

(72) (a) Par!;

*Parar!

(Chakassisch)

geh(iMP) geh(iMP)-FUT

„Geh!" (b) Skacaj!; *Skacajs! spring(lMP) spring(lMP) -2SG „Spring!"

(Bulgarisch)

Im Folgenden ist die Verbbewegung eines prototypischen formal unmarkierten Imperativs dargestellt. Die INFL-Domäne von dessen projizierter Gesamtstruktur beinhaltet, wie in (73) deutlich wird, grundsätzlich keine TP. Das imperativierte Verb wird dort vor Spell-out zunächst an den Kopf der funktionalen MoodP angehoben, wo es mit seinen spezifischen Modusmerkmalen seine Tempus- und Personenkongruenzkodierung checkt, aber als Träger des Default-Modus der deontischen Modalität keine Flexionsmorphologie lizenziert. Daraufhin geht es an AgrS° mit dem in SpecAgrS gelandeten coverten oder overten Subjekt der 2. Person eine Spezifikator-Kopf-Beziehung ein und veranlasst so in Übereinstimmung mit Letzterem die Überprüfung seiner Numeruskongruenzmerkmale, wobei dies im markierteren Fall unter Umständen mit der Lizenzierung eines Pluralmorphems einhergeht. (73) AgrSP

Indizien für eine generalisierte Attrahierung seitens eines operationalen Kopfes C° sind bei der Verbbewegung formal unmarkierter Imperative zunächst ebenso wenig erkennbar wie bei der formal markierter Imperative. Unter den formal unmarkierten Imperativen existiert allerdings eine Gruppe speziell syntaktisch determinierter Imperative, bei denen, wie im Folgenden deutlich wird, in der Tat eine obligatorische Anhebung in die C-Projektion festgestellt werden kann.

2. Die Imperativische Verbbewegung

95

2.5. Die Imperativische Verbbewegung nach C 2.5.1. V2 und die Entwicklung der Imperativischen V-nach-C-Bewegung 2.5.1.1. Die Imperativische V-nach-C-Bewegung in den modernen westgermanischen und romanischen Sprachen In einer Anzahl von Sprachen zeichnen sich imperativierte Verben dadurch aus, dass sie, auch wenn dies nicht mit der regulären Verbpositionierung der jeweiligen Grundwortstellung übereinstimmt, in ihrer kanonischen Form stets satzinitial auftreten. Derartige VI-Imperative finden sich in allen modernen westgermanischen Sprachen. Dort gehen Imperativische Verben, wie (74a) und (74b) am Beispiel des Niederländischen, Deutschen und (74c) und (74d) am Beispiel des Jiddischen und Isländischen zeigen, im unmarkierten Fall stets ihren Komplementen und Adjunkten voran. (74)

(a) Kijk

eens naar de hinderen!

(Niederländisch)

seh(lMP) mal nach den Kindern „Sieh mal nach den Kindern!" (b) Hol schon mal die Feuerwehr!

(Deutsch)

(c) Gey oyfrekhts! geh(lMP) auf rechts „Geh nach rechts!"

(Jiddisch)

(d) Ko m

hingaó!

(Isländisch)

komm(lMP) her

„Komm her!" Zumindest für die westgermanischen SOV-Sprachen lässt diese Abfolge eindeutig auf eine Platzierung des Imperativischen Verbs über der rechtsperipheren IP schließen. Die postverbale Stellung des in Speci gelandeten nominativischen Agenssubjekts, so wie sie in allen der hier genannten Sprachen zu beobachten ist (vgl.: (75)), kann weiterhin als Indiz dafür gewertet werden, dass offensichtlich auch die imperativierten Verben der westgermanischen SVO-Sprachen, hier des Jiddischen und Isländischen, eine Kopfbewegung über die IP-Grenze hinweg vollziehen. (75)

(a) Kijk

jij eens naar de kinderen!

(Niederländisch)

seh(lMP) du mal nach den Kindern „Sieh du mal nach den Kindern!"

(b) Hol du schon mal die Feuerwehr!

(Deutsch)

96

2. Die Imperativische

Verbbewegung

(c) Gey du oyf rekhts! geh(iMP) du auf rechts „Geh du nach rechts!"

(Jiddisch)

(d) Kom pü hingadl komm(lMP) du her „Komm du her!"

(Isländisch)

Es ist daher anzunehmen, dass das imperativierte Verb der westgermanischen Sprachen an den Kopf der operationalen C-Projektion attrahiert wird und dort spezifische Merkmale lizenziert. Es entspricht insofern rein strukturell zunächst dem finiten Verbelement von Entscheidungsfragesätzen (vgl.: (76)). (76) (a) Kijk je eens naar de kinder en? sieh-2sG du mal nach den Kindern „Siehst du mal nach den Kindern?"

(Niederländisch)

(b) Holst du schon mal die Feuerwehr?

(Deutsch)

(c) Geyst du oyf rekhts? geh-2sG du auf rechts „Gehst du nach rechts?"

(Jiddisch)

(d) Kemur pú hingad? komm-2SG du her „Kommst du her?"

(Isländisch)

Vor allem im Jiddischen und im deutschen und niederländischen Sprachraum erlaubt es die Voranstellung bestimmter unbetonter Adverbien innerhalb seiner C-Domäne (vgl.: (77)). Insbesondere in deutschen Imperativsätzen können außerdem sowohl kontrastiv fokussierte (vgl.: (78a)) als auch topikalisierte (vgl.: (78b)) Konstituenten die Spezifikatorposition der Imperativischen CP einnehmen. (77) (a) Nu geef het cadeautje maar aan Willem. jetzt geb(lMP) das Geschenk aber an Wilhelm „Jetzt gib Wilhelm schon das Geschenk!"

(Niederländisch)

(b) Nu zayt ruik! nun sei(lMP)-PL ruhig „Jetzt seid ruhig!"

(Jiddisch)

(c) Nun komm schon!

(Deutsch)

2. Die Imperativische Verbbewegung (78)

97

(a) Den NAsenring kauf dir, nicht die Kette! (b) Das SAG lieber nicht!

(Deutsch)

Daher sind auch insbesondere im Deutschen so genannte W-Imperative (Reis & Rosengren 1992) anzutreffen. Derlei Konstruktionen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine aus einem +w-Komplementsatz extrahierte W-Phrase in ihrer satzinitialen Position beherbergen (vgl.: (79)). (79)

(a) Wen sagt mal, werdet ihr als nächsten veräppeln! (b) Was rat mal, frissi ein Krokodil am liebsten! (c) Wie weit schätz mal, dass er spucken kann!

(Deutsch)

In den romanischen Sprachen weist ebenfalls alles darauf hin, dass das imperativierte Verb im Zuge seiner Anhebung die operationale C-Domäne erreicht. Es steht ebenso wie das Imperativische Verb der westgermanischen Sprachen in seiner kanonischen Form satzinitial und lässt somit nicht nur sämtliche Komplemente und Adjunkte (vgl.: (80)), sondern auch grundsätzlich sein lexikalisch realisiertes Subjekt hinter sich (vgl.: (81)).

(80)

(a) Ricordati

sempre di prendere

il passaporto!

(Italienisch)

erinnere(lMP) immer zu mitnehmen den Pass „Denk immer daran, den Pass mitzunehmen!"

(b) Prends

ton

manteau!

nimm(lMP) deinen Mantel „Nimm deinen Mantel!"

(81)

(a) ¡Ve

tú de

compras!

(Französisch)

(Spanisch)

geh(iMP) du von Einkäufen „Geh du einkaufen!"

(b) Lava

tu os pratos!

(Portugiesisch)

wasch(lMP) du die Teller „Spül du die Teller!" Insbesondere für das Italienische zeigt Zanuttini (1997: 134ff.), dass es vor oberhalb der VP positionierten Adverbien erscheint. So folgen zum einen, wie auch Han (1998: 37f.) feststellt, Adverbien der emphatischen Affirmation, welche nach Cinques (1999: 4ff.) Beobachtungen IP-intern eine speziell präsuppositiv kodierte Negationsphrase spezifizieren 13

13 Zanuttini (1997: 60ff.) nimmt auf der Basis von Cinques (1995) Untersuchungen in diesem Zusammenhang an, dass die affirmativen Partikel pure und ben in identischer Weise angeordnet sind wie das negative Element mica, welches pragmatisch auf solche Kontexte beschränkt ist, in denen das nicht-negierte Gegenstück der ausgedrückten Proposition innerhalb des Diskurses als bekannt vorausgesetzt ist.

98

2. Die Imperativische

Verbbewegung

und zum anderen bestimmte sententiale Modaladverbien, die die Spezifikatorposition einer von der TP unmittelbar dominierten modal kodierten Projektion einnehmen, stets ihren Imperativischen Hauptverben. Da nun lexikalisch realisierte Imperativsubjekte, die, wie (82) verdeutlicht, in postverbaler Stellung Komplementen und Adjunkten vorangehen, weiterhin noch vor derartigen Adverbien positioniert sind und somit offensichtlich den Spezifikator der funktionalen AgrSP bilden, muss davon ausgegangen werden, dass die Imperativische Verbbewegung der romanischen Sprachen in der Tat bis zum Kopf der funktionalen C-Projektion reicht. (82)

(Italienisch) (a) Taci tu pure! schweig(iMP) du wirklich „Schweig du auch wirklich!" (b)

Taci tu sicuramente! schweig(lMP) du sicherlich „Schweig du sicher!"

Empirische Evidenz hierfür findet sich auch im Rätoromanischen. Dort wird die Fokuspartikel pa immer dann am unteren Rand der C-Projektion eingesetzt, wenn der propositionale Gehalt des Gesamtsatzes explizit als neue Information eingeführt werden soll (Benincà & Poletto 2001; Poletto & Zanuttini 2003). Wie nun (83) illustriert, geht das imperati vierte Verb auch stets dieser Partikel voran. (83)

(Rätoromanisch) (a) Fajé-l

pa

tu(IMP)-PL KL(PRON) FOCPRT

dessigy! bestimmt

„Tut es ganz bestimmt!" (b) *Pa

fajé-l

FOCPRT tu(IMP)-PL KL(PRON)

dessigy! besimmt

Distributionelle Pendants zu rein Imperativischen Strukturen sind unter den romanischen Matrixsätzen zum Beispiel im Französischen (vgl.: (84a)), im Spanischen, im Brasilianisch-Portugiesischen und in verschiedenen italienischen Dialekten (vgl.: (84b)) zu beobachten. Das imperativierte Verb der romanischen Sprachen verhält sich rein strukturell zunächst wie die finiten Verben der dort vorkommenden Verberstinterrogativsätze. (84) (a) Resterez-vous à dîner ce soir? bleib-FUT-2PL-ihr zum Abendessen diesen Abend „Bleibt ihr heute Abend zum Essen?" (b) Vien -lo a Roma? Komm-3SG KL(PRON) nach Rom „Kommt er nach Rom?"

(Französisch)

(Norditalienisch (Padua))

2. Die Imperativische

Verbbewegung

99

Anders als diese, aber ebenso wie die imperativierten Verben der westgermanischen Sprachen, scheint es allerdings nicht nur aus operationalen, sondern auch aus rein morphosyntaktischen Beweggründen an eine Landung in C° gebunden zu sein. Denn im Gegensatz zu den Verben sämtlicher anderer Modi manifestiert es dadurch, dass es grundsätzlich nicht in anderen verbspezifischen Positionen aufzufinden ist, stets eine Kongruenz zwischen seiner modalen Kategorisierung und der entsprechenden Satzstruktur. Wie (85) am Beispiel des Italienischen, Spanischen, Deutschen und Isländischen zeigen, blockiert das imperativierte Verbelement, da es offenbar nicht in der Lage ist, seine Flexionskategorie am Kopf der funktionalen IP zu lizenzieren, an C° die Insertion subordinationsdefinierender Konjunktionen und unterbindet infolgedessen rein strukturell seine eigene Einbettung. (85) (a) *Ti ordino che fallo. dich befehl-lSG dass tu(lMP) KL(PRON) (b) * Quiero que ve al cine. will-lSG dass geh(lMP) ins Kino (c) *Ich will, dass du schon mal die Feuerwehr hol. (d) *Eg bid pig ad vertu kyrr! ich bitt-lSG dich dass bleib(lMP)du hier

(Italienisch)

(Spanisch)

(Deutsch) (Isländisch)

Die imperativierten Verben der modernen westgermanischen und romanischen Sprachen sind demnach insbesondere dadurch charakterisiert, dass sie obligatorisch in die Kopfposition der C-Projektion angehoben werden und somit zwischen ihrer modalen Kodierung und dem entsprechend strukturell determinierten Satztyp eine spezifische Kongruenz herstellen. Unklar ist allerdings bislang, warum gerade sie, im Gegensatz zu den imperativierten Verben der meisten anderen Sprachgruppen, überhaupt in eine derartige Bewegungsprozedur verwickelt werden. Immerhin waren sie, wie Daten aus den älteren germanischen und romanischen Sprachen eindeutig belegen, noch bis vor wenigen Sprachperioden von sämtlichen anderen formal unmarkierten Imperativen rein syntaktisch nicht zu unterscheiden. Sowohl die altenglischen als auch die lateinischen imperativierten Verben nehmen gemäß der zugrunde liegenden SOV-Wortstellung im unmarkierten Fall die satzfinale Position ein (vgl. Mitchell 1985: 371 f f ; Leumann, Hofmann & Szantyr 1965: 397ff). Da keine Partikel oder Auxiliarelemente vorhanden sind, die an der Peripherie des Satzes auf eine etwaige coverte Kopfbewegung nach C° hinweisen könnten, ist davon auszugehen, dass sie, ebenso wie die formal unmarkierten Imperative der meisten anderen Sprachgruppen, am Kopf der funktionalen IP landen (vgl.: (86, 87)). (86)

(Altenglisch) (a) Pu pisne middangeard milde geblissa du diese Mittelerde bitte heilige(lMP) „Heilige du bitte diese Mittelerde!" ([The Exeter Book] Christ A 249)

100

2. Die Imperativische

Verbbewegung

(b) Ge nu hraôe gangaó also nun schnell geh(lMP)-PL „Geht nun also schnell!" ([The Vercelli Book] Elene 406) (87)

(Lateinisch)

(a) Sed reliquum vitae

cursum videte aber restlichen Lebens Ablauf schau(lMP)-PL „Aber schaut euch den restlichen Lebenslauf an." (Cicero Oratio Philippica Secunda 47)

(b) ...teque studiis vel otio trade dich-und Studien oder Muße übergeb(lMP) „und gib dich den Studien oder der Muße hin." (Plinius Secundus Epistulae Liber IIX 7) Insofern stellt sich die Frage, wie im Laufe der Sprachgeschichte die spezifisch Imperativische V-nach-C-Bewegung in den westgermanischen und romanischen Sprachen motiviert werden konnte. Steht diese Entwicklung womöglich mit der diachronischen Etablierung der CP selbst in einem direkten Zusammenhang? Im Folgenden wird sich herausstellen, dass eben jene Fragestellung in mehrfacher Hinsicht ihre Berechtigung verdient. Denn, wie die oben genannten Daten vermuten lassen, muss eine C-Projektion, um die Bildung spezifischer VI-Imperative gewährleisten zu können, in der Lage sein, neben rein operationalen auch gewisse verbale Merkmale zu beherbergen. CPs, die eine solche Voraussetzung tatsächlich erfüllen, existieren in all denjenigen Sprachen, die entweder gegenwärtig den V2-Sprachen zuzuordnen sind oder aber aufgrund einer vergangenen V2-Phase in begrenztem Maße V2-Stellungsmuster als Relikte zurückbehalten haben.

2.5.1.2. V2 und VI im Westgermanischen und Romanischen Westgermanische und romanische Sprachen stimmen in ihrer syntaktischen Entwicklung darin überein, dass sie im Laufe ihrer Sprachgeschichte V2-Charakteristika angenommen haben. Ob sie diese weiterhin über einen längeren Zeitraum beibehalten und womöglich verfestigt oder sie im Gegenteil bereits nach kurzer Zeit zum größten Teil wieder abgelegt haben, hängt von dem individuellen syntaktischen Wandel der jeweiligen Einzelsprachen beider Sprachzweige ab. So sind zum Beispiel das Deutsche und das Rätoromanische bis heute uneingeschränkt den V2-Sprachen zuzuordnen (vgl.: (88)). (88) (a) Gestern wollte sie Max noch heiraten. (b) Gonootvas -t a ciasasua oft geh-2SG KL(PRON) zu Haus sein „Oft gehst du zu ihm nach Haus."

(Deutsch) (Rätoromanisch)

2. Die Imperativische

Verbbewegung

101

Noch vor dem Eintritt in ihre V2-Phase waren sie jedoch ebenso wie alle anderen westgermanischen Sprachen und die gesamte Romania zumindest bis zu einem gewissen Zeitpunkt durch eine freie SOV-Wortstellung gekennzeichnet.14 V2-Stellungsmuster beginnen sich etwa um die erste Jahrtausendwende n. Chr. - laut Kroch & Taylor (1997) in den nordgermanischen Sprachen und in einigen westgermanischen Sprachgebieten auch früher - über verschiedene Satztypen hinweg stetig auszubreiten. In fast allen westgermanischen und romanischen Sprachen wird V2 wenigstens für eine Sprachperiode zur kanonischen, wenn nicht gar zur einzig akzeptierten Verbpositionierung im Hauptsatz. Innerhalb der Romania trifft Letzteres zum Beispiel auf das Altfranzösische und Altportugiesische zu (Vance 1989, Roberts 1993, Ribeiro 1995) (vgl.: (89)). Im westgermanischen Sprachgebiet etabliert sich die obligate V2-Syntax unter anderem im Mittelhochdeutschen und im späten Mittelniederländischen (Gerritsen 1984, Weerman 1989: 178ff.) (vgl.: (90)) und lebt dort bis ins heutige Neuhochdeutsche und moderne Niederländische fort. (89) (a) En mi sa voie a pro Bertrán encontré auf seinem Weg hab-3SG er Bertrán getroffen „Auf dem Weg hat er Bertrán getroffen" {Le Charroi de Nîmes 11.31)

(Altfranzösisch)

(b) Daqueste miragre diz San Gregorio que... (Altportugiesisch) über-das Wunder sag-3SG San Gregorio dass „Über dieses Wunder sagt San Gregorio, dass ..." {Diálogos de Sao Gregorio 3 . 1 2 . 1 2 ) (90) (a) Nu trincen wir di minne nun trink-1 PL wir die Liebe „Nun trinken wir die Liebe." (Hartmann von Aue Iwein 367)

(Mittelhochdeutsch)

(b) Mit ledderen clommen sij opt daeck. (Mittelniederländisch) mit Leitern kletter-PRÄT+3PL sie auf das Dach „Mit Leitern kletterten sie auf das Haus." (Hendrik van Veldeke St. Servaes Legende 1027) V2 ist in diesen Sprachen zu einem syntaktischen Prinzip des Strukturaufbaus geworden (vgl. 2.2.1.2). Dies bedeutet jedoch nicht, dass dort sämtliche verbalen Elemente immer und in allen Konstruktionstypen sichtbar an zweiter Stelle stehen. Wie in Punkt 2.2.1.2. bereits am Beispiel des Deutschen kurz skizziert wurde, äußert sich das V2-Phänomen vielmehr darin, dass das finite Verb in Matrixsätzen obligatorisch zum Kopf der C-Projektion aufsteigt und eine beliebige XP in SpecC landet oder basisgeneriert wird. Die 14

Die westgermanischen Sprachen und das Romanische unterscheiden sich hierin nicht von den anderen indoeuropäischen Sprachzweigen, deren älteste Sprachzeugnisse, wie Delbrück (1900), Schwyzer (1939), Lehmann (1974) und viele andere gezeigt haben, ebenfalls eine SOV-Basisstellung erkennen lassen.

102

2. Die Imperativische

Verbbewegung

Beispiele unter (91) zeigen, dass es sich bei dieser sowohl um eine lexikalisch realisierte Konstituente als auch um ein Leer-Pronomen oder einen Null-Operator handeln kann. Vollständige V2-Sprachen sind folglich dadurch charakterisiert, dass sämtliche ihrer Matrixsätze oberflächensyntaktisch entweder eine Verbzweit- oder eine Verberststruktur aufweisen. 15 (91) (a) Elkes Frisur finde ich echt peinlich. (b) pro fez muigram chanto mach-PRÄT+3SG sehr großes Geheul „Er weinte viel." (Diálogos de Säo Gregorio 2.8.27) (c) OP zal ik je even helpen? AUX ich dir eben helfen „Soll ich dir eben helfen?"

(Deutsch) (Altportugiesisch)

(Niederländisch)

Deren eingebettete Konstruktionen hingegen besitzen, da C° hier durch eine overte oder, im Falle einer overten konjunktionspezifizierenden Phrase in SpecC, unter Umständen auch durch eine coverte Konjunktion gefüllt ist 16 und daher die Landung des verbalen Elements innerhalb der CP blockiert, je nach Grundwortstellung der jeweiligen Einzelsprache eine SXV- (vgl.: (92a)) oder SVX-Stellung (vgl.: (92b)). (92) (a) Ik denk niet dat Wim een bril nodig heeft. ich denk-lSG nicht dass Wim eine Brille nötig hab-3SG „Ich denke nicht, dass Wim eine Brille braucht." (b) Dizemos que a alma recebe peàs sag-1 PL dass die Seele bekomm-3SG Leiden „Wir sagen, dass die Seele leidet." (Diálogos de Säo Gregorio 4.27.10)

(Niederländisch)

(Altportugiesisch)

Konditionalsätze und Komplementsätze von Brückenverben ohne nebensatzeinleitende Konjunktion bilden unter den subordinierten Sätzen allerdings insofern eine Ausnahme, als sie die Kopfbewegung des Verbs nach C° fordern (vgl.: (93a)) und - speziell bei der Komplementierung durch ein Brückenverb - sogar weiterhin die Voranstellung einer satzinternen XP erlauben (vgl.: (93b)). 17 15 Im Falle der Linksversetzung oder der Einsetzung eines Hanging Topics kann es in den Matrixsätzen einer Reihe von vollständigen V2-Sprachen auch zu Verbdrittstellungen kommen (vgl. 2.5.3.2.). 16 Die Unterbindung der overten Realisierung einer Konjunktion in C°, sobald deren Spezifikator durch eine overte XP repräsentiert wird (Doubly filled COMP Filter (Chomsky & Lasnik 1977)), ist unter anderem im Hochdeutschen und im Englischen zu beobachten. 17 In einigen V2-Sprachen sind subordinierte V2-Strukturen auch in Anwesenheit nebensatzeinleitender Konjunktionen zu beobachten. Iatridou & Kroch (1992) zufolge können in diesen Sprachen semantisch weitgehend entleerte C-Projektionen unter bestimmten Umständen rekursiv ausgedehnt werden (CP-Rekursion).

2. Die Imperativische

Verbbewegung

103

(93) (a) Fust i li reis, η 7 oüssum damage (Altfranzösisch) sei-PRÄT+3SG hier der König, NEG hier hab-KOND-1 PL Schaden „Wäre der König hier gewesen, hätten wir keinen Schaden erlitten." (La Chanson de Roland 1102) (b) Ich glaube, am liebsten hätte Dieter die Zeitung zerrissen.

(Deutsch)

Den Besten (1983), Haegeman (1992), Koopman (1994), Lohnstein (2000) und andere nehmen angesichts derartiger Beobachtungen an, dass die C-Projektion vollständiger V2-Sprachen obligatorisch ein Kopfelement enthält, welches verbale T-, Mood- oder Finitheitsmerkmale kodiert. Die Einsetzung der Konjunktion in den Kopf der CP, bzw. die Anhebung des finiten Verbs dorthin, ist somit deren Einsicht nach eine notwendige Operation, um Lasniks Filter Folge zu leisten. Den Besten (1983), Bayer (1984), Haegeman (1992: 49ff.) und Zwart (1997: 136ff.) weisen in diesem Zusammenhang nach, dass die nebensatzeinleitende Konjunktion von V2-Sprachen in C° tatsächlich verbale Eigenschaften annimmt. Sie beeinflusst dort nämlich nicht nur Finitheit, Modus und Tempus des eingebetteten Hauptverbs, sondern kann sogar, zumindest in einer Anzahl von Dialekten, selbst overt verbalmorphologisch markiert werden. So nimmt zum Beispiel die Konjunktion vieler niederländischer Dialekte grundsätzlich ein Numeruskongruenzflexiv zu sich (vgl.: (94)). (94) (a) Kpeinzen dan Valére en Pol morgen goan. ich-denk-lSG dass-PL Valerie und Paul morgen geh-3PL „Ich denke, dass Valerie und Paul morgen gehen." (b) ... datte ze komme dass-PL sie komm-3PL „... dass sie kommen"

(Westflämisch)

(Holländisch)

Diejenigen westgermanischen und romanischen Sprachen, die anders als das Niederländische, Deutsche oder Rätoromanische gegenwärtig nicht zu den V2-Sprachen zählen, erlauben zwar nicht mehr die Anhebung des finiten Verbs nach C° in deklarativischen Matrixsätzen, weisen zum Teil aber dennoch in anderen Satztypen durchaus noch typische V2-Stellungsmuster auf. Derartige V2- bzw. VI-„Reste" (Rizzi 1991b) sind unter anderem in den Interrogativkonstruktionen des heutigen Standardenglischen (vgl.: (95)) und der beiden modernen romanischen Sprachen Französisch und Spanisch (vgl.: (96)) zu beobachten. (95)

(Englisch) (a) Why did he poison her drink? warum DO-PRÄT er vergiften ihren Drink „Warum vergiftete er ihren Drink?" (b) Do you want more? DO ihr wollen mehr „Wollt ihr mehr?

104

2. Die Imperativische

Verbbewegung

(96) (a) Voulez —vous changer de place? WO11-2PL ihr wechseln von Platz „Wollt ihr den Platz wechseln?" (b) ¿Cuándo viene tu hermano? wann komm-3sG dein Bruder „Wann kommt dein Bruder?"

(Französisch)

(Spanisch)

2.5.1.3. V2 und die Entwicklung der CP Die Frage, wie V2-Positionierungen und schließlich V2-Sprachen überhaupt entstehen konnten, wird kontrovers diskutiert. Vennemann (1974) und Weerman (1989) sind der Meinung, dass das V2-Phänomen als Resultat einer flexivischen Erosion zu betrachten ist. Der Verlust morphologisch repräsentierter Kasusmarkierungen macht laut Vennemann (1974) die oberflächensyntaktische Einteilung nominaler Kategorien hinsichtlich ihrer grammatischen Funktion notwendig und fuhrt damit zu einer topologischen Trennung des Subjekts vom Objekt durch das finite Verbelement - folglich zu einer obligaten Verbzweitpositionierung. Weerman (1989: 187ff.) hingegen meint, dass das Verb mit zunehmendem Verfall seiner Flexionsmorphologie immer häufiger auf die Identifikation seiner modalen Rolle von einer außerhalb der IP gelegenen funktionalen Position angewiesen ist, woraufhin V-zu-C-Anhebung letztendlich die konstituierende Kopfbewegungsoperation des Hauptsatzes wird. Gegen beide Ansätze spricht, dass eine generelle Tendenz zur Ausbildung einer V2Syntax infolge flexivischer Erosion praktisch nicht festzustellen ist. Zwar mag in einigen westgermanischen Sprachen eine Verfestigung der V2-Struktur zeitgleich mit der Auflösung der konjunktivischen Morphologie stattgefunden haben, für die Formulierung einer diachronen Erklärungsgrundlage reichen derlei Beobachtungen aber nicht aus. Harris & Campbell (1995: 195ff.) machen deutlich, dass Sprachen auch nach dem Verlust ihrer nominalen oder verbalen Flexive nach wie vor die verschiedensten Wortstellungsmuster an den Tag legen und somit kein Zusammenhang zwischen morphologischer Erosion und V2 postuliert werden kann. Speziell Weermans (1989) generative Analyse ist weiterhin auch insofern nicht vollständig zufrieden stellend, als hier die Entstehung des V2-Phänomens lediglich als Verhärtung einer bereits existierenden V-nach-C-Bewegung angesehen wird, wobei die Basisvoraussetzungen für die Entwicklung dieser Operation aber weitestgehend im Dunkeln bleiben. Die Wortstellungstheorie, die Wackernagel (1892) und Delbrück (1878) Ende des vorletzten Jahrhunderts schufen, wird noch heute vielfach verwendet, um die unterschiedlichsten syntaktischen Erscheinungsformen indogermanischer Sprachen zu explizieren. Für Harris & Campbell (1995) stellt sie eine der Basistheorien des syntaktischen Wandels dar. Wackernagel (1892) und Delbrück (1878) zeigten, dass unakzentuierte Wörter im Proto-Indoeuropäischen, um ihrer Rhematisierung zu entgehen, stets die zweite Position im Hauptsatz einnehmen. Dies betrifft nicht nur, wie in zahlreichen nicht-indoeuropäischen Sprachen auch, bestimmte Partikel und unbetonte pronominale Elemente, sondern auch kurze flektierte Verben und vor allem Auxiliare,

2. Die Imperativische

Verbbewegung

105

deren Vollverbkomplemente im Rhemabereich am Satzende verbleiben. In späteren Perioden des Indoeuropäischen wird die ursprünglich rein phonologisch definierte Voraussetzung für die satzinterne Zweitpositionierung als syntaktisches Prinzip reanalysiert. Zweitpositionierung korreliert nunmehr nicht mit den individuellen prosodischen Eigenschaften des vorgezogenen Elements, sondern mit dessen kategorialer Zugehörigkeit. In den germanischen Sprachen werden infolgedessen schließlich alle finiten Verbelemente ungeachtet ihrer jeweiligen Betonungsqualität unmittelbar hinter die satzinitiale Konstituente bewegt, wodurch V2 als syntaktische Struktur des germanischen Matrixsatzes fixiert wird. Kiparsky (1995) argumentiert dagegen. Er glaubt nicht, dass aus der Unbetontheit einiger verbaler Elemente und deren darauf folgende Enklitisierung tatsächlich V2Sprachen erwachsen können. Dem widerspricht, dass V2 anfangs nicht etwa in allen Matrixsätzen gleichermaßen, sondern nur in bestimmten Satztypen gehäuft vorkommt. Weiterhin, so bemerkt er, ist schon weit vor der Verfestigung der V2-Positionierung das Auftreten von VI-Strukturen zu verzeichnen, was ebenfalls schwer mit der von Harris & Campbell (1995) vertretenen Theorie in Einklang zu bringen ist. Kiparsky (1995) geht davon aus, dass vielmehr die Entstehung von Subordination und die damit einhergehende Ausbildung von C-Projektionen den Beginn der V-nach-C-Anhebungsoperation und damit auch den der V2-Sprachen markieren. Obgleich Kiparsky (1995) seine These außerordentlich überzeugend belegt und daher mit dieser auch die Grundlage für die folgenden Unterkapitel liefert, ist sie zumindest in einem Punkt ebenfalls problematisch: Wie ist es nämlich nun zu erklären, dass nicht alle Sprachen, die über eingebettete Komplement-CPs verfügen, eine V2-Phase durchlaufen? Womöglich darf zur Klärung dieser Frage die oben skizzierte Theorie von Wackernagel (1892) und Delbrück (1878) nicht ganz von der Hand gewiesen werden. Denn, um einen Matrixsatz überhaupt als V2-Struktur reanalysieren zu können, sollte nicht nur die Möglichkeit der Verkettung einer CP bereits bestehen. Weiterhin muss unbedingt gewährleistet sein, dass dort, wie im besten Falle in vielen anderen Konstruktionen auch, das finite Verbelement aus irgendwelchen Gründen schon die erste Position hinter einer vorzugsweise nicht-subjektivischen satzinitialen Konstituente besetzt. Die implizit vorausgesetzte mehr oder weniger regelmäßige Zweitpositionierung des flektierten Verbs noch vor der Entwicklung der V-nach-C-Bewegung in Hauptsätzen entzieht sich Kiparskys (1995) Analyse, könnte aber wenigstens teilweise durch die traditionelle Theorie explizierbar sein.

2.5.1.4. Die Restrukturierung von Matrixsätzen als C-Projektion Die frühe indoeuropäische Syntax ist, wie Haie (1976), Lehmann (1974), Holland (1984) und viele andere deutlich gemacht haben, insbesondere dadurch charakterisiert, dass zwar die Nebenordnung von Sätzen möglich ist, nicht aber deren Einbettung. Sämtliche Satzgefüge der frühen indoeuropäischen Sprachen sind sonach parataktisch. 18

16 Lühr (2002) argumentiert dagegen. Sie erbringt empirische Evidenz für echte Subordination im Altlateinischen.

106

2. Die Imperativische

Verbbewegung

Erst in späteren Sprachperioden nehmen Sätze Argumentstellen in anderen Sätzen ein. Laut Kiparsky (1995) verlieren sie dadurch ihren Matrixsatzstatus und verlangen deshalb zunehmend nach Elementen, die ihre Subordination definieren. Infolgedessen werden Konjunktionen eingeführt, welche zunächst mit einem Resumptivpronomen assoziierte Nebensätze einleiten. Im Laufe der Sprachgeschichte kann dieses Pronomen durch eine Lücke ersetzt und die Konjunktion selbst von einer w-bewegten Phrase spezifiziert und sogar auf phonetischer Ebene verdrängt werden. Diejenige nebensatzeinleitende Konjunktion, die sich in den germanischen und romanischen Sprachen am frühesten etabliert, geht ursprünglich auf das matrixsatzinterne korrelative Demonstrativpronomen „das" zurück (Weerman 1989: 193ff.) und fungiert bis heute als semantisch weitgehend unmarkierter Default-Komplementierer. Sie verfügt, so Kiparsky (1995), über keine ihrer nominalen Kategorieeigenschaften mehr und hat dadurch, dass sie als konjunktionaler Kopf subordinierte IPs zum Komplement nimmt, eine neue funktionale Kopfposition C° geschaffen, die für die Beherbergung flektierter Verbelemente potentiell offen steht. Die hierdurch hinzugewonnene Option, Sätze als C-Projektionen zu analysieren, führt schließlich zu einer entsprechenden Restrukturierung von Matrixsätzen. Davon betroffen sind zunächst Konstruktionen mit einer satzinitialen fokussierten Konstituente, wie zum Beispiel W-Interrogativsätze. Das Fokuselement wird dort als Spezifikator der funktionalen CP reanalysiert, während das finite Verb, welches - vermutlich gemäß der von Wackernagel (1892) und Delbrück (1878) eruierten Gesetzmäßigkeit wie in vielen anderen Matrixsätzen auch - die unmittelbar nachfolgende Position einnimmt, strukturell dem C-Kopf zugeordnet wird. Die Bewegung der fokussierten bzw. W-Phrase nach SpecC wird sonach innerhalb der Romania und in allen germanischen Sprachen mit der Anhebung des finiten Verbs nach C° kombiniert (vgl.: (97)). (97) (a) Quidfacient pauci contra to milia fortes? (Lateinisch) was tu-FUT-3PL wenige gegen so viele tausend tapfere „Was werden wenige Tapfere gegen so viele Tausende ausrichten?" (Ovid Fast. 2,229) (b) Hwœthœfst was

pu gedon?

(Altenglisch)

hab-2SG du getan

„Was hast du getan?" (The Homilies of Aïlfric i. 1 3 6 , 2 8 )

Topikalisierung fuhrt zu ähnlichen Effekten wie Fokussierung - jedoch bedeutend später. Topikalisierte Konstituenten werden noch im Lateinischen (vgl.: (98a)), Althochdeutschen und sogar noch im frühen Mittelniederländischen (Weerman 1989: 180) (vgl.: (98b)) in die linksperiphere Topikposition verschoben, ohne dass dies die Kopfbewegung des finiten Verbs notwendigerweise beeinflusst (vgl. Lenez 1985). In den genannten Sprachen kommen demzufolge zahlreiche Konstruktionen vor, in denen das finite Verb trotz Topik satzfinal angeordnet ist.

2. Die Imperativische

Verbbewegung

107

(98) (a) Fortes fortuna adiuvat Tatkräftigen Glück helf-3SG „Den Tatkräftigen hilft das Glück." (Terenz Phormio 14, 203) (b) Daer si in haer ghebede lach da sie in ihrem Gebet lieg-PRÄT+3SG „Da lag sie in ihrem Gebet." (Beatrijs 941)

(Lateinisch)

(Mittelniederländisch)

Erst in den nachfolgenden Generationen wächst die Anzahl von V2-Topikalisierungskonstruktionen in sämtlichen germanischen und romanischen Sprachen stark an. In fast allen von ihnen geht Topikalisierung schließlich ebenso wie Fokussierung grundsätzlich mit der Anhebung des finiten Verbs nach C° einher. Dies hat zur Folge, dass sich Vnach-C-Bewegung zur konstanten Operation der Matrixsatzbildung entwickelt und der C-Kopf potentiell dazu befähigt wird, verbale Merkmale zu kodieren. So handelt es sich bereits bei jedem Satz unter anderem des Altportugiesischen (vgl. Ribeiro 1995) und des späten Mittelhochdeutschen um eine CP-Struktur (vgl.: (99)). (99) (a) Com tanta paceença sofría eia asra enfermidade. (Altportugiesisch) mit so viel Geduld ertrag-PRÄT+3SG sie diese Krankheit „Mit so viel Geduld ertrug sie diese Krankheit." (.Diálogos de Säo Gregorio 4.13.13) (b) Im wart in al der werelde nie so liebe getan (Mittelhochdeutsch) ihm werd-PRÄT+3SG in der ganzen Welt nie so Liebe getan „Ihm wurde in der ganzen Welt nie so Liebes angetan" (Nibelungenlied V.303,4) Speziell im englischen Sprachgebiet wird die Voranstellung einer topikalisierten Konstituente bis zum Mittelenglischen zwar sehr häufig, niemals aber zwangsläufig mit der Anhebung des finiten Verbs nach C° verbunden (vgl.: (100a)). Im Gegensatz zu allen anderen westgermanischen Sprachen konnte das Englische demzufolge zu keiner Zeit ein für alle Matrixsätze durchweg obligates V2-Strukturprinzip entfalten (Kiparsky 1995). Einige nordenglische Dialekte bilden, wie Kroch & Taylor (1997) und van Kemenade (1997) feststellen, eine Ausnahme. Sie fordern die Verknüpfung von Topikalisierung und V-nach-C-Bewegung (vgl.: (100b)) und erreichen infolgedessen wenigstens für einen kurzen Zeitraum der frühen mittelenglischen Periode einen vollständigen V2-Status. 19 " Pintzuk (1991) beobachtet, dass schon im Altenglischen eine kopfinitiale IP entstanden ist, die zunächst gleichberechtigt neben der ursprünglichen kopffinalen IP existiert, jedoch diese spätestens am Ende der altenglischen Periode gänzlich verdrängt. Demzufolge erscheint das finite Verb seit dem Mittelenglischen in eingebetteten Sätzen nicht mehr satzfinal, sondern in zweiter Position. Kemenade ( 1 9 9 7 ) beweist, dass ihm außer in Komplementsätzen von Brückenverben - grundsätzlich keine topikalisierte oder fokussierte Konstituente unmittelbar vorangeht. Die Spezifikatorposition der mittelenglischen subordinierten IP stellt ihren

108

2. Die Imperativische

(100) (a) For hire we sculen alle dead pol ien dafür wir soll-1 PL alle Tod erleiden „Dafür werden wir alle sterben." {Book of Vices and Virtues 7,23)

Verbbewegung

(Mittelenglisch)

(b) Opir labur sal pai do (Mittelenglisch (Nordengland)) andere Arbeit SO11-3PL sie tun „Andere Arbeit sollen sie machen." CThe Rule of St. Benet [The Penn Helsinki Corpus] 33.20)

2.5.1.5. VI und die Fixierung der Imperativischen V-nach-C-Bewegung Auch wenn inzwischen einige wenige germanische und die meisten romanischen Sprachen und Dialekte die durchgängige V2-Positionierung zugunsten einer einheitlichen SVO-Grundwortstellung abgelegt haben, so haben sie dennoch die Anwendung der V-nach-C-Bewegung in bestimmten Konstruktionstypen zurückbehalten. Derartige V2- bzw. Vl-Reste finden sich sehr oft in Interrogativsätzen (vgl. 2.5.1.2) - und vor allem immer in Imperativsätzen. VI-Imperative resultieren demzu-folge aus der Institutionalisierung von V2-Stellungsmustern in Matrixsätzen. Sie sind insofern in allen Sprachen, die ihre V2-Periode bereits hinter sich gelassen haben, als Relikt eben dieser Sprachstufe zu definieren. Die VI-Konstruktionen der westgermanischen und romanischen Sprachen gehen ebenso wie ursprünglich deren V2-Konstruktionen aus einem Prozess der Fokussierung hervor. Dies zeigt sich in den frühesten Sprachperioden zunächst bei Interrogativkonstruktionen. Sobald diese nicht durch eine bestimmte W-Phrase spezifiziert werden, muss das finite Verb selbstständig als X°-Element der zu erfragenden IP in den Fokusbereich verschoben werden und landet infolgedessen am Kopf der dominierenden C-Projektion. Dort tritt es, wie (101) am Beispiel des Altenglischen und Altfranzösischen zeigt, mit einem non-overten Interrogativ-Operator in eine Spezifikator-Kopf-Relation (vgl. Rizzi 1991b; Roberts 1993: 96) und bildet damit oberflächenstrukturell einen Vl-Entscheidungsfragesatz aus.

Erhebungen zufolge den kanonischen Landeplatz für Nominativsubjekte dar und beherbergt nur dann bisweilen nicht-nominativische Konstituenten, wenn das externe Argument des Satzes keine Theta-Rolle zugewiesen bekommt. Hieraus schließt sie, dass die älteren Sprachstufen des englischen Sprachgebietes entgegen den Ausfuhrungen von Fontana (1997) in keiner Weise als IV2-Sprachen zu definieren sind. V2-Stellungsmuster ergeben sich dort ausschließlich aus Bewegungen in die C-Domäne. Anders als Santorini (1989; 1992) und Rögnvaldsson & Thráinsson (1990) vermuten unter anderem Magnüsson (1990), Thráinsson (1994) und Kroch & Taylor (1997), dass sich das Jiddische und Isländische hinsichtlich des Charakters ihres IPSpezifikators zum Alt- und Mittelenglischen analog verhalten. Subordinierte echte Topikalisierungskonstruktionen werden, wie sie zeigen, sowohl im Jiddischen als auch im Isländischen in der Regel als ungrammatisch empfunden. Insofern erscheint es plausibel, davon auszugehen, dass im Westgermanischen keine IV2Sprachen existieren.

2. Die Imperativische

Verbbewegung

109

(101) (a) OP eart pu se de toweard is...? sei-2SG du der der kommend ist „Bist du der, der kommen wird?" (JElfric 's Homilies 480)

(Altenglisch)

(b) OP est votre sire ancor levez? sei-3SG euer Herr schon erhoben „Ist euer Herr schon aufgestanden?" (:Tristan 1.8021)

(Altfranzösisch)

Ähnliches ist daraufhin auch bei narrativ markierten Deklarativsätzen (vgl.: (102)) und bei Imperativsätzen zu beobachten. In beiden Konstruktionen wird das durch das Finitum repräsentierte Verbalgeschehen als zentrale neue Information eingeführt. Während es sich bei jener in narrativ markierten Deklarativsätzen um die Assertion eines epistemisch zugänglichen Sachverhalts handelt, stellt sie in Imperativsätzen unmittelbar eine direktive Relation zu einer prospektiv zu realisierenden Verhaltensweise auf deontischer Ebene her. Das Imperativische Verb wird demnach ebenso wie das finite Verb des diskursdefinierten Deklarative an den funktionalen Kopf C° angehoben, wo es anders als Letzteres mit keinem speziell deklarativischen, sondern mit einem Imperativ-NullOperator ein Spezifikator-Kopf-Verhältnis eingeht (vgl.: (103)). (102) (a) OP uuârun thô hirtâ in thero lantskeffi sei-PRÄT+3PL die Hirten auf diesem Gebiet „Waren da gerade die Hirten auf dem Feld." (Tatian Evangelienharmonie

(Althochdeutsch)

6,1)

(b) OP diremos nos ora, padre, que... sag-FUT-1 PL wir jetzt Vater dass „ Vater, wir werden jetzt sagen, dass ..." (Diálogos de Säo Gregorio 1.4.16) (103) (a) OP beo

du on ofeste.

(Altportugiesisch)

(Altenglisch)

sei(lMP) du in H a s t

„Beeil dich!" {Beowulf and the Fight at Finnsburg 386) (b) OP ide

vos

a

bòa

ventura !

geh(lMP)-PL KL(PRON) mit gutem Glück

„Geht und viel Glück!" (Diálogos de Säo Gregorio 1.2.44)

(Altportugiesisch)

110

2. Die Imperativische

Verbbewegung

Mit zunehmender Verfestigung von V2-Merkmalen wird die ursprünglich rein pragmatisch motivierte Imperativische Verbbewegung nach C° immer häufiger vollzogen und schließlich als konstanter Anhebungsprozess der Imperativsatzbildung fixiert, wonach sie als solche jedem syntaktischen Wandel in Richtung einer einheitlichen SVOGrundwortstellung grundsätzlich standhält. Letzteres ist darauf zurückzufuhren, dass der sprachliche Input innerhalb der betreffenden Sprachgebiete praktisch keine Subordination imperativierter Verben enthält 20 und somit die Flexionskategorie des Imperativs nach der Kanonisierung der Imperativischen V-nach-C-Bewegung nur und ausschließlich am Matrix-C-Kopf anzutreffen ist. Dort folgt sie im Gegensatz zu den anderen Modi mit ihrem verbalen Element im Normalfall allein dem direktivischen Null-Operator. Bisweilen erlaubt sie die Topikalisierung nicht-subjektivischer Konstituenten (vgl. 2.5.1.1.; 2.5.2.1.), aber nur äußerst vereinzelt die Voranstellung eines overten Subjekt-Topiks. Anders als etwa in Deklarativsätzen sind eine Unifizierung zur oberflächensyntaktischen SVO-Struktur und die darauf folgende Restrukturierung der funktionalen CP als kopfinitiale IP bei Imperativsätzen damit grundsätzlich blockiert. Die Imperative der westgermanischen und romanischen Sprachen stellen sonach zwischen ihrer modalen Kodierung und ihrer syntaktischen Positionierung eine spezifische Kongruenz her, die offensichtlich Konsequenzen fur den Aufbau von deren IP nach sich zieht. Da nämlich der funktionale C-Kopf als obligatorischer und somit in einem als potentiell flexionsrelevanter Landeplatz ihrer Anhebung in Erscheinung tritt, wird ihre CP schließlich als speziell modusdefinierte funktionale Phrase reanalysiert. Dabei fallt gleichzeitig innerhalb ihrer INFL-Domäne die Verkettung der funktionalen MoodP, auf deren Ebene in der Regel keine Lizenzierung overt-morphologischer Merkmale stattfand, gänzlich aus. Die Imperativische IP aller ehemaligen und gegenwärtigen V2-Sprachen verfugt demzufolge weder über eine T- noch über eine Mood-Projektion. Die modale Spezifizierung des imperativierten Verbs wird nun zusammen mit dessen temporaler Charakterisierung und Personenkongruenzkodierung nicht mehr IP-intern, sondern ausschließlich am funktionalen Kopf C° realisiert. Das imperativierte Verb der westgermanischen und romanischen VI-Imperativsätze wird folglich, nachdem es in Übereinstimmung mit dem in SpecAgrS gelandeten overten oder coverten Subjekt der 2. Person seine Numeruskongruenzmerkmale lizenziert hat, weiterhin vor Spell-out an den C-Kopf attrahiert, wo es die Überprüfung der dort verankerten starken verbalen Merkmale veranlasst und mit dem direktivischen Null-Operator eine Spezifikator-KopfBeziehung eingeht. Letztere Konfiguration hat sich hiermit als spezielles Kriterium etabliert, nach dem das imperativierte Kopfelement und der entsprechende phrasale Operator innerhalb der C-Domäne stets in einem unmittelbaren Kongruenzverhältnis stehen.

20

Im deutschen Sprachraum bildet allein das Verb tuon bis ins Mittelhochdeutsche eine Ausnahme (vgl. Grimm 1864: 338ff.). Es tritt bei einigen wenigen Schriftstellern in imperativierter Form auch in subordinierten Sätzen auf, falls es hierdurch das durch die Textart vorgegebene Reimschema aufrechterhält und der jeweilige Matrixsatz eine mit dem direktiven Sprechakt kompatible Äußerungssituation bezeichnet (vgl. 2.3.5.) (ich sage dir, Tristan, waz du tuo (Trist.86,6)).

2. Die Imperativische

111

Verbbewegung

(104) illustriert die Imperativische V-nach-C-Bewegung am Beispiel von Imperativischen Strukturen der romanischen SVO-Sprache Spanisch, einer ehemaligen vollständigen V2-Sprache (vgl.: (104a)), und des Deutschen, einer gegenwärtigen westgermanischen vollständigen V2-Sprache mit zugrunde liegender SOV-Grundwortstellung (vgl.: (104b)). (104) (a) ¡Fumad! rauch(lMP)-PL „Raucht!"

C (Mood)P Spec OP

C(Mood)' C (Mood)0 fumad i

AgrSP Spec DP;

(b)

AgrS'

Wartet! C (Mood) Ρ Spec OP

C (Mood) ' C(Mood)° wartet ¡ -4·

AgrSP

112

2. Die Imperativische

Verbbewegung

2.5.1.6. Imperativische V-nach-C-Bewegung auf LF: das moderne Englische Das moderne Englische bildet hinsichtlich seines Imperativischen Anhebungsprozesses unter den westgermanischen Sprachen keineswegs eine Ausnahme, auch wenn man, wie etwa Rupp (2003), versucht ist, in Anbetracht der nicht-negierten und nicht emphatisch markierten Imperativsätze des heutigen Standardenglischen eher Gegenteiliges anzunehmen. Dort nämlich nimmt das imperativierte Vollverb gemäß der seit dem Mittelenglischen zugrunde liegenden SVO-Struktur oberflächensyntaktisch stets die Position vor seinen Komplementen und hinter seinem lexikalisch realisierten Subjekt ein und scheint damit die funktionale C-Projektion erst gar nicht zu erreichen. Dies illustrieren die Beispiele unter (105). (105) (a) You open

(Englisch) the door.

d u öffne(lMP) die T ü r „ Ö f f n e d u die T ü r ! "

(b) You go home. du geh(lMP) heim „Geh du nach Hause!" (c) *Tell you her always the truth. sag(lMP) du ihr immer die Wahrheit Insofern liegt es zunächst durchaus nahe, anzunehmen, dass die Imperativische V-nachC-Bewegung der im gesamten englischen Sprachgebiet fortschreitenden Assimilierung in Richtung einer gefestigten SVO-Struktur schließlich zum Opfer gefallen ist. Die syntaktische Entwicklung des englischen Imperativs weist jedoch in eine andere Richtung. In 2.5.1.5. wurde deutlich, dass schon im Altenglischen die Tendenz besteht, imperativierte Verben als Repräsentanten einer neu eingeführten direktiven Relation in die C-Domäne anzuheben und somit satzinitial zu platzieren (vgl.: (106)). Im Mittelenglischen hat sich diese Kopfbewegungsprozedur als reguläre Anhebungsoperation der Imperativsatzbildung etabliert, weshalb dort imperativierte Verben im unmarkierten Fall grundsätzlich ihren Komplementen, Adjunkten und ihren overten Subjekten vorangehen (vgl.: (107)). (106) (a) beo du on ofeste. sei(lMP) du in Hast „Beeil dich!" (Beowulf and the Fight at Finns burg 386) (b) Be ye not proud. sei(iMP) du NEG stolz „Sei nicht stolz!" (King James Bible 850)

(Altenglisch)

2. Die Imperativische (107) (a) Helpe

Verbbewegung

113 (Mittelenglisch)

pou me.

helf(lMP) d u

mir

„Hilf du mir!" (The Earliest English Prose Psalter [Early English Text Society, O.S. 97] 150) (b) Seke thou scripturis. such(lMP) du Schriften „Such du die heiligen Schriften." (Wycliffe The New Testament VII 40) Allerdings machen sich im Mittelenglischen bedeutende flexivische und (categoriale Veränderungen bemerkbar. Die verbale Flexionsmorphologie erleidet paradigmenübergreifend eine starke Erosion (vgl. Mossé 1969: 105; Gray 1985: 495f.), 21 was schließlich zur Folge hat, dass einige der Präterito Präsentien zunehmend Verwendung als Modalverben finden und das Kausativum do allmählich in den Gebrauch eines aspektmarkierenden Raising-Verbs übergeht (Denison 1985). Mit Beginn des Frühneuenglischen verlieren Erstere die Fähigkeit, direkte Objekte zu sich zu nehmen, während Letzteres semantisch gänzlich entleert wird. Die modal verwendeten Präterito Präsentien und das ehemalige Kausativum do werden letztendlich als funktionale Auxiliarelemente reanalysiert und dienen von nun an in grundsätzlich komplementärer Verteilung ausschließlich der kategorialen Identifikation lexikalischer Vollverben (Roberts 1993: 292ff.). Das do des Frühneuenglischen übernimmt damit die Funktion eines kongruenzmarkierenden Verbsubstituts und breitet sich in dieser Form sehr schnell aus. Als Kopfelement der funktionalen IP repräsentiert es die Default-Modi der beiden modallogischen Systeme und kommt genau dann zum Einsatz, wenn die entsprechenden indikativisch oder Imperativisch kodierten Vollverben nicht eigens ihre VP verlassen. Diejenige Position, in der noch in mittelenglischen finiten Sätzen vor Spell-out obligatorisch das lexikalische Hauptverb landete, wird demzufolge nun entweder durch ein in I o basisgeneriertes modales Auxiliar, durch das ebenfalls in Γ generierte Substitut do oder aber nach wie vor durch ein attrahiertes lexikalisches Finitum gefüllt. In der frühneuenglischen Periode tritt do somit optional in allen modal unmarkierten indikativischen und Imperativischen Konstruktionen auf. Es erscheint in nicht-negierten und nicht emphatisch markierten Deklarativ- und Imperativsätzen ebenso häufig wie in negierten Konstruktionen und Interrogativsätzen (Roberts 1993: 2 9 2 f f ) . Wie (108) illustriert, befindet sich in den Imperativstrukturen des Frühneuenglischen demgemäß entweder das imperativierte Vollverb (vgl.: (108a,b)) oder das Imperativische Substitut do (vgl.: (108b,c)) in der Kopfposition der funktionalen CP (Han 1998: 73).

21

Zunächst ist hierbei ein Verlust der flexivischen Modusmarkierung zu beobachten (Mossé 1969: 105; Roberts 1993: 316), worauf wenig später die phonologische Erosion der Kongruenzkategorie folgt. Im 15. Jahrhundert ist die Personalendung der 1. Person Singular im Präsens eliminiert und das Flexiv aller präsentischen Pluralformen beinahe vollständig verblaßt (Barber: 1976: 243; Gray 1985: 495f.)). Mit Ausnahme der 2. und 3. Person Singular Indikativ sind im frühen Neuenglischen sämtliche präsentischen Formen bis auf den Verbstamm morphologisch verschlankt. Auch die Infinitivendung tritt seit dem 16. Jahrhundert prinzipiell nicht mehr auf (Roberts 1993: 246ff.).

114

2. Die Imperativische

Verbbewegung

(108) (Frühneuenglisch) (a) Love ye youre enemys. liebe(lMP)-PL ihr eure Feinde „Liebt ihr eure Feinde!" (Tindale The Four Gospels Luke 6-35) (b) And feare ye nott them which kill the body. und fürcht(lMP)-PL ihr NEG die welche töten den Körper „Fürchtet ihr nicht diejenigen, die den Körper töten!" (Tindale The Four Gospels Mt 10-28) (c) do

thou have mercy on us.

DO(lMP) du

hab

G n a d e auf uns

„Hab Gnade mit uns!" (Latimer Letters 355) (d) ... do

you not

DO(lMP) du

doubt.

NEG zweifel

„Zweifle nicht!" (Chapman Plays 0:4.2.39) Die Anhebung des finiten Vollverbs lässt, so Roberts (1985) und Kroch (1989), ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stetig nach, was eindeutig empirische Evidenz dafür liefert, dass flexivische V-Merkmale zu dieser Zeit allmählich schwach werden und dementsprechend verbale Kopfbewegung aus der V-Projektion heraus zunehmend nur noch auf LF gestatten. 22 Mit dem gänzlichen Aussterben der s-strukturellen V-nach-IBewegung im 17. Jahrhundert wird die obligatorische overte Realisierung des attrahierenden funktionalen Kopfes aufgehoben, wonach cfo-Insertion nach dem Prinzip des geringsten Aufwandes nur noch dann stattfindet, wenn bestimmte syntaktische Bedingungen eine derartige s-strukturelle Repräsentation benötigen. Dies gilt, wie von Ellegârd (1953) eruierte Daten illustrieren, zum einen zunächst für das W-Kriterium (Rizzi 1991b), dessen Erfüllung in Matrixsätzen seit dem Altenglischen die Spezifikator-Kopf-Relation zwischen einem skopusindizierenden Interrogativoperator in SpecC und einem overten Finitum in C° erfordert und zum anderen für das Neg- bzw. Aff-Kriterium (Haegeman & Zanuttini 1991) (vgl. 3.2.3.), welches spätestens seit Mitte des 17. Jahrhunderts die Lizenzierung des jeweiligen INFL-internen Operators durch ein entsprechend kodiertes overtes Verbelement verlangt (Kroch 1989). Das Verbsubstitut do kommt folglich von da an lediglich in rein indikativischen negierten (vgl.: (109a)) oder emphatisch markierten (vgl.: (109b)) Deklarativsätzen, in rein indikativischen Interrogativsätzen (vgl.: (109c)) und schließlich in negierten und emphatisch markierten (vgl.: (109d,e)) Imperativsätzen vor. In den zuletzt genannten Strukturen landet es vor Spell-out am Kopf der funktionalen CP, wo es mittels Checking zusammen mit seiner modalen Kodierung seine Tempus- und Personenkongruenzspezifizierung lizenziert. 22

Für Roberts (1993: 303) ist der Verlust der V-nach-I-Bewegung im Frühneuenglischen als Indiz dafür zu betrachten, dass Agr/T-Absenkung verbale Anhebung ersetzt.

2. Die Imperativische

Verbbewegung

(109) (a) Mary doesn 't stroke the cows. Marie DO NEG streichel die Kühe „Marie streichelt die Kühe nicht."

115 (Englisch)

(b) Yes, Mary DOES stroke the cows. ja Marie DO streichel die Kühe „Ja, Marie streichelt die Kühe." (c) Does Mary stroke the cows? DO Marie streichel die Kühe „Streichelt Marie die Kühe?" (d) Don Ί

stroke the cows. streichel die Kühe „Streichel die Kühe nicht!" DO(IMP)NEG

(e) Do

stroke the cows. streichel die Kühe „Streichel die Kühe!" DO(LMP)

Auch in allen nicht-negierten und nicht emphatisch markierten Imperativsätzen wird eine derartige Imperativische Kopfbewegung nach C° vollzogen. Da sie dort allerdings infolge des Verzögerungsprinzips erst auf LF stattfindet, sind die entsprechenden Imperativischen Hauptverben oberflächensyntaktisch stets VP-intern positioniert (vgl.: (110a)). Sie stehen demgemäß anders als do obligatorisch hinter Satzadverbien (vgl. Potsdam 1998: 128ff.) (vgl.: (110b,c)). (110) (a) Definitely come to our Halloween party. auf jeden Fall komm(LMP) zu unserer Halloweenparty „Komm auf jeden Fall zu unserer Halloweenparty!"

(Englisch)

(b) *Come definitely to our Halloween party. komm(IMP) auf jeden Fall zu unserer Halloweenparty (c) Do

definitely come to our Halloween party. auf jeden Fall komm zu unserer Halloweenparty „Komm auf jeden Fall zu unserer Halloweenparty!" DO(LMP)

Allein im Norden und im Osten Irlands ist es älteren Sprechern noch bis heute möglich, die Imperativische V-nach-C-Bewegung lexikalischer Vollverben vor Spell-out zu vollziehen. Die imperativierten Vollverben des Belfastenglischen älterer Generationen befinden sich demnach optional noch vor ihrem in SpecAgrS gelandeten overten Imperativsubjekt (Henry 1995: 4 5 f f , 1997) (vgl.: ( l i l a ) ) . Anders als das Frühneuenglische verlangt das Belfastenglische die Einsetzung des Imperativischen do allerdings nur dann, wenn eine Negation oder emphatische Affirmation des entsprechenden

2. Die Imperativische

116

Verbbewegung

Verbalgeschehens vorliegt (vgl.: (11 lb,c)). Es verhält sich hierin analog zum modernen Standardenglischen. (111) (a) Give you me that letter. geb(iMP) du mir diesen Brief „Gib du mir diesen Brief!"

(Belfastenglisch)

(b) Don't you stand up. DO(iMP)NEG du steh auf „Steh du nicht auf!" (c) Do you stand up. DO(iMP)du steh auf „Steh du auf!" Als äußerst problematisch stellt sich nach diesen Ausfuhrungen jedoch die Generierung des Imperativischen Verbsubstituts do dar. Die Imperativische IP des Englischen besitzt nämlich ebenso wenig wie die der anderen modernen westgermanischen Sprachen eine T- oder Mood-Projektion, weshalb sich unweigerlich die Frage stellt, von welchem IPinternen Kopf aus in negierten und emphatisch markierten Imperativsätzen die Anhebung des verbalen Auxiliarelements durchgeführt werden kann. In Kapitel 3 wird sich infolge der Analyse mehrer Negationsdaten herausstellen, dass einzig und allein auf der Ebene der funktionalen PolP eine Basisgenerierung des Imperativischen do möglich ist.

2.5.2. Split C 2.5.2.1. Die interne Struktur der C-Projektion Seit einigen Jahren regt sich vielfach Zweifel an der traditionellen Auffassung, dass die linke Peripherie des Satzes einzig und allein aus einem C-Kopf und dem dazugehörigen Spezifikator SpecC besteht. Kiparsky (1995) stellt in diesem Zusammenhang fest, dass schon in den frühesten indoeuropäischen Sprachen eine linksperiphere Domäne mit zwei grundsätzlich unterschiedlichen Positionstypen existiert. Während deren innere Position höchstens eine fokussierte Konstituente beherbergt, kann deren äußerer Rand durch ein oder mehrere Topiks beliebig erweitert werden. So können zum Beispiel im Vedischen topikalisierte Konstituenten am linken Satzrand Fokuselementen wie Interrogativ- oder Relativpronomen unmittelbar vorangehen (vgl.: (112)). (112) (a) rátham kó nír avart ayat Wagen wer unten roll-PRÄT-3SG „Wer rollte den Wagen hinaus?" (Rigveda 10.135.5)

(Vedisch)

2. Die Imperativische

Verbbewegung

117

(b) idhmám yás te jabhárac chasramanáh Brennholz wer dir trag-SUBJ+PERF-3SG sich anstrengend „der, der sich anstrengen will, trage das Brennholz zu dir" (Rigveda 4.12.2) Zunächst wird allein die Fokusposition als funktionale Phrase reanalysiert und dementsprechend als FocP bzw. CP projiziert. Fokussierung löst, wie bereits in 2.5.1.4. deutlich wurde, infolgedessen V2 aus, Topikalisierung jedoch vorerst nicht. Kiparsky (1995) nimmt an, dass Topiks keine arteigene funktionale Projektion besetzen, sondern schlicht an den jeweiligen Gesamtsatz linksadjungiert werden. Diese Konstellation ändert sich erst, sobald Vorvorfeldbesetzung eine immer marginalere Rolle spielt, stattdessen aber V2-Positionierung allmählich kanonisiert wird. In fast sämtlichen germanischen und romanischen Sprachen fuhrt letztere Entwicklung schließlich zu einer Verschmelzung der Topikposition mit der Fokusposition in SpecC und damit - zumindest zeitweise - zu einer durchgängigen V2-Matrixsyntax. Gemäß Kiparskys (1995) Überlegungen verfugen unter den germanischen und romanischen Sprachen also lediglich die vollständigen V2-Sprachen an der linken Peripherie ihrer Matrixstrukturen grundsätzlich über eine einzelne C-Projektion. Diejenigen Sprachen jedoch, die inzwischen dem syntaktischen Wandel in Richtung einer einheitlichen SVO-Grundwortstellung erlegen sind, können nur noch bei der Bildung bestimmter nicht-deklarativischer Satztypen eine linksperiphere FocP projizieren (Rest-V2). Topikalisierungen werden ebenso wie vor dem Eintritt in ihre mehr oder minder lang anhaltende V2-Phase mittels Linksadjunktion bewerkstelligt. Anders als Kiparsky (1995) vertritt Rizzi (1997) die Meinung, dass das C-System als Schnittstelle zwischen dem vorhergehenden Diskurs bzw. dem superordinierten Matrixsatz und dem durch eine IP repräsentierten propositionalen Gehalt generell zumindest zwei Arten von Informationen definiert, für deren Kodierung auch prinzipiell zwei unterschiedliche CP-interne funktionale Phrasen projiziert werden. So sind diejenigen Merkmale, die mit übergeordneten Strukturen im Zusammenhang stehen und anzeigen, durch welchen Satztyp die jeweils untergeordnete Proposition zum Ausdruck gebracht wird, innerhalb der höchsten funktionalen Projektion ForceP verankert, während diejenigen, die sich auf den Gehalt der IP beziehen und mit deren verbalem System eine unmittelbare Verbindung herstellen, innerhalb der so genannten Fin(iteness)P kodiert sind. Laut Rizzi (1997) führt sowohl Fokussierung als auch Topikalisierung zu einer Ausdehnung der CP. Durch beide Prozesse wird sie zwischen den beiden kennzeichnenden Schnittstellenprojektionen ForceP und FinP um zusätzliche funktionale Projektionen erweitert, innerhalb derer mittels Attrahierung entsprechende syntaktische Relationen geschaffen werden. Letzteres geschieht dadurch, dass die am Spezifikator der FocP bzw. TopP gelandeten fokussierten respektive topikalisierten Phrasen mit einem jeweils analog kodierten Kopfelement ein Spezifikator-Kopf-Verhältnis eingehen. Da die Anhebung von Topiks sonach von spezifischen Merkmalen funktionaler Köpfe motiviert wird, kann die Hypothese, dass Topikalisierung durch Linksadjunktion zustande kommt, nunmehr nicht aufrechterhalten werden. Wie Rizzi (1997) vornehmlich anhand italienischer Daten illustriert, kann optional mehr als eine TopP (vgl.: (113a)), aber nur eine einzige FocP (vgl.: (113b)) an der linken Peripherie verkettet werden. Die C-

118

2. Die Imperativische

Verbbewegung

Domäne ist demgemäß wie in (114) strukturiert, wobei der Asteriskus (*) die Rekursivität der jeweiligen funktionalen Phrase symbolisiert. (113) (Italienisch) (a) Il libro, a Gianni, domani, glielo darò senz 'altro das Buch zu Hans morgen ihm KL(RESPRON) geb-FUT+LSG ohne Zweifel „Das Buch werde ich Hans morgen ganz sicher geben." (b) *A GIANNI IL LIBRO darò (non a Piero, l'articolo) zu Hans das Buch geb-FUT+1 SG nicht zu Piero, den Artikel (114)

[ForceP | T o p P * [FocP [TopP* [FinP]]]]]

Der Prozess der Topikalisierung unterscheidet sich von dem der Fokussierung insofern, als er als nicht-quantifikationale Operation im Falle der Objektextraktion eine Leerstelle innerhalb der IP verursacht, die von einem anaphorischen Operator als Spur definiert, gebunden und mit der in SpecTop gelandeten Konstituente assoziiert werden muss. 23 Der involvierte Operator kann dabei overt oder covert repräsentiert sein. Im Italienischen zum Beispiel wird ein overtes Resumptivklitikum eingesetzt, welches als Korrelativ des Topiks dessen Ausgangsspur identifiziert und als Klitikum-Spur legitimiert (vgl.: (115a)). Im Englischen dagegen übernimmt eben jene Funktion ein Null-Operator (vgl.: (115b)). (115) (a) Il tuo libro lo ho letto das dein Buch KL(RESPRON) hab-LSG gelesen „Dein Buch habe ich gelesen." (b) Your bookj, OP¡ I bought t, dein Buch ich kauf-PRÄT „Dein Buch kaufte ich."

(Italienisch)

(Englisch)

Die Operation der Fokussierung löst, da sie sich durch Quantifikationalität auszeichnet, in bestimmten Konstellationen schwache Überkreuzungseffekte (WCO) aus (Lasnik & Stowell 1991 ) 24 und hinterlässt im Zuge der Anhebung gebundene Variablen, die nicht auf die Anwesenheit eines anaphorischen Operators angewiesen sind (vgl.: (116a)). Klitische Resumptivpronomen, die eine Referenzidentität mit der vorangestellten fokussierten Phrase aufweisen, führen daher, wie zum Beispiel im Italienischen, stets zur Ungrammatikalität (vgl.: (116b)). Denn sie blockieren die für die Interpretation des angehobenen Quantors oder Operators notwendige Variablenbindung. Bei der Interro-

23

Bei der Topikalisierung von Adjunkten ist nicht unbedingt ein anaphorischer Operator involviert. Details hierzu finden sich in Rizzi ( 1997). 24 Gemäß Lasnik & Stowell (1991) sind A'-Relationen nur dann als quantifikational zu betrachten, wenn sie schwache Überkreuzungseffekte (Weak Crossover (WCO)) auslösen, sobald ein Operator eine Konstituente überquert, die seine Variable c-kommandiert und ein Pronomen enthält, das mit dieser koindiziert ist.

2. Die Imperativische

Verbbewegung

119

gativierung durch ein W-Element bewirkt Fokussierung in den modernen romanischen Sprachen vielfach als Rest-V2-Phänomen obligatorisch overte V-nach-C-Bewegung (vgl.: (117)) (vgl. 2.5.1.2.). (116) (a) IL TUO LIBRO ho letto (non il suo) das dein Buch hab-lSG gelesen nicht das seine „Dein Buch habe ich gelesen (nicht seines)."

(Italienisch)

(b) *IL TUO LIBRO lo ho letto das dein Buch KL(RESPRON)hab-lSG gelesen (117)

(Italienisch)

(a) A che

cosa pensono i tuoi amici? an welche Sache denk-3PL die deine Freunde „An was denken deine Freunde?"

(b) *A che cosa i tuoi amici pensono? an welche Sache die deine Freunde denk-3PL Benincà & Poletto (2001) und Poletto (2003) sind der Meinung, dass die von Rizzi (1997) postulierte interne Struktur des C-Systems eine Revision verlangt. Sie argumentieren dafür, dass keine Projektion der linken Peripherie in ihrer Funktion vollständig einer anderen gleicht, weswegen die rekursive Erweiterung der CP - auch im Falle der Verkettung von TopPs - grundsätzlich nicht stattfinden kann. Vielmehr, so behaupten sie, verfügt jede einzelne Projektion über individuelle Eigenschaften, gemäß derer sie entweder im Fokus- oder aber im Topikbereich des C-Systems angesiedelt ist. Die Fokusdomäne stellt den unteren Rand des C-Systems dar. Wie Benincà & Poletto (2001) anhand italienischer Fokuskonstruktionen zeigen, folgen Topiks sonach niemals fokussierten Elementen (vgl.: (118a)). Auch wenn Letztere, wie in (118b), innerhalb der CP Konstituenten vorangehen, die anders als sie keine charakteristisch fokussive Betonung tragen, so lässt dies dennoch auf keine Topikalisierungsbewegung in eine von ihnen dominierte Position schließen. (118) (a) *A GIANNI, un libro di poesie, lo regalerete zu Gianni ein Buch der Poesie k l ( r e s p r o n ) schenk-FUT-2PL (b) A GIORGO, questo libro, devi dare zu Giorgo dieses Buch müss-2SG geben „Du musst das Buch Giorgo geben."

(Italienisch)

120

2. Die Imperativische Verbbewegung

In (119a,b) erzeugen sowohl die intonatorisch fokussierte Phrase A MARIA als auch die Konstituente Giorgio einen schwachen Überkreuzungseffekt.25 Beide Elemente müssen folglich zweifellos als Fokus identifiziert werden. Dies findet auch weiterhin Bestätigung darin, dass selbst die DP Giorgio als vorangestelltes direktes Objekt wie in (119c) nicht den Einsatz eines referenzidentischen Resumptivklitikums erlaubt. (119) (a) *A MARIA, Giorgo¡, sua¡ madre presenterà zu Maria Giorgo seine Mutter vorstell-FUT-3SG

(Italienisch)

(b) *A MARIA Giorgo, sua, madre presenterà zu Maria Giorgo ihre Mutter vorstell-FUT-3SG (c) *A MARIA, Giorgo, sua madre, lo presenterà zu Maria Giorgo seine Mutter KL(RESPRON) vorstell-FUT-3SG Benincà & Poletto (2001) nehmen sonach an, dass die beiden linksperipheren Konstituenten in ((118b)) zwei verschiedene Foki repräsentieren. Die äußere, intonatorisch hervorgehobene Konstituente bildet den Spezifikator einer speziellen kontrastiven Fokusphrase (ContrFocP) und eröffnet damit die Möglichkeit einer nicht intonatorisch markierten Besetzung (hier durch questo libro) der niedriger gelegenen Informationsfokusphrase (InfFocP). Wie Poletto (2003) anmerkt, ist die ContrFocP keineswegs mit derjenigen FocP identisch, die speziell für die Kodierung von W-Interrogativen zuständig ist. Zumindest in den subordinierten Konstruktionen des Italienischen können nämlich kontrastiv fokussierte Konstituenten W-Elementen vorangestellt werden. Als äußerst problematisch erweist sich in Anbetracht derartiger Beobachtungen allerdings die Variablenbindung. In welcher Beziehung stehen eigentlich die unterschiedlichen, in der CP positionierten Fokuskonstituenten zu den durch sie verursachten IP-internen Leerkategorien? Und fuhrt mehrfache Fokussierung nicht zu einer grundlegenden Verletzung der Relativierten Minimalität? Auf derlei Fragen gehen Benincà & Poletto (2001) und Poletto (2003) nicht näher ein. Man könnte angesichts dieser Schwierigkeiten vermuten, dass entweder kontrastive Foki gar nicht der fokustypischen Operatorenanhebung unterliegen, sondern rein syntaktisch wie Topiks behandelt werden, oder aber, dass die einzelnen Fokussierungsprozesse von grundlegend verschiedenen Merkmalen motiviert werden und daher bei ihrem gemeinsamen Vollzug keine ECP-Verletzung verursachen. Benincàs & Polettos (2001) und Polettos (2003) Ausfuhrungen zufolge ist der Fokusbereich des C-Systems wie in (120) strukturiert. (120) [ContrFocP [WhFocP [InfFocP ]]]26

25

Vgl. Fußnote 24. Benincà & Poletto (2001) ziehen die Möglichkeit in Betracht, dass auch zwei oder mehr verschiedene ContrFocPs innerhalb der CP projiziert werden können. Hierauf soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen werden.

26

2. Die Imperativische

Verbbewegung

121

Er wird von der linksperipheren Topikdomäne dominiert. Diese setzt sich - wenigstens im Italienischen - zunächst aus einer Hanging Topic-Phrase (HTP) und einer Left Dislocation-Phrase (LDP) zusammen. Während die HTP vorangestellte reine DPs beherbergt, die innerhalb der IP obligatorisch von einem Resumptivpronomen in ihrem Argumentstatus definiert werden, kann die LDP Elemente verschiedener Kategorien aufnehmen. Der Einsatz eines Resumptivpronomens ist bei der Verkettung von Letzterer nur dann notwendig, wenn es sich bei der in SpecLD gelandeten Konstituente um ein direktes oder partitives Objekt handelt. Da in eingebetteten Sätzen zwar Hanging Topics (vgl.: (121a)), nicht aber linksversetzte Elemente (vgl.: (121b)) vor der nebensatzeinleitenden Konjunktion che positioniert sein können, gehen Benincà & Poletto (2001) davon aus, dass die HTP die LDP dominiert und damit die äußere funktionale Phrase des Topikbereichs bildet. (121) (a) Sono

(Italienisch) certa questo libro che non ne sei-1SG sicher dieses Buch dassNEG KL(RESPRON) abbia mai parlato nessuno hab-KONJ+3SG jemals gesprochen niemand „Ich bin mir sicher, dass über dieses Buch noch nie jemand gesprochen hat."

(b) *Sono certa di questo libro che non sei-lSG sicher über dieses Buch dass NEG abbia mai parlato nessuno hab-KONJ+3SG jemals gesprochen niemand Demzufolge befindet sie sich auch oberhalb derjenigen Projektion, die die so genannten Scene Setting-Adverbien enthält (vgl.: (122a)). Derartige Adverbien ordnen das in der IP kodierte Verbalgeschehen lokal oder temporal ein und sind, wie (122b) illustriert, vor linksversetzten Elementen und somit noch über der LDP positioniert. Die Topikdomäne setzt sich demnach wie in (123) zusammen. (122) (a) Mario, nel 1999, gli hanno dato il premio Mario im 1999 KL(RESPRON) hab-3PL gegeben den Preis „Mario, 1999 haben sie ihm den Nobelpreis verliehen."

(Italienisch) Nobel Nobel

(b) Domani Gianni lo vedo morgen Gianni KL(RESPRON) seh-lSG „Morgen sehe ich Gianni." (123)

[HTP [Scene SettingP [LDP H]

Haegeman (1997a), Rizzi (1997), Grewendorf (2002: 76ff.), Poletto (2003) und andere argumentieren dafür, dass innerhalb der romanischen und westgermanischen Sprachen vollständige V2-Sprachen über eine ebenso differenziert dekomponierte C-Projektion verfügen wie nicht-vollständige V2-Sprachen. Das C-System der vollständigen V2Sprachen unterscheidet sich, wie sie zeigen, von dem der anderen Sprachen allerdings

122

2. Die Imperativische

Verbbewegung

insofern, als dessen Kopf Fin° starke verbale Merkmale entwickelt hat, welche das finite Matrixverb stets vor Spell-out attrahieren. Diese verbale Kodierung des Fin-Kopfes ermöglicht in subordinierten Konstruktionen den nebensatzeinleitenden Konjunktionen einiger westgermanischer Dialekte, overte Subjektkongruenzmarkierungen anzunehmen (vgl. 2.5.1.2.), und erlaubt dem Spezifikator SpecFin in Matrixsätzen, als reine A-Position durch Konstituenten repräsentiert zu werden, die hinsichtlich gewisser phiMerkmale mit dem Finitum kongruieren. SpecFin befindet sich damit laut Haegeman (1997a) in der Lage, sowohl Subjekt-Topiks (vgl.: (124a)) als auch nicht-topikalisierte Subjektelemente, wie schwache Subjektpronomen oder Quasi-Argumente, zu beherbergen (vgl.: (124b)). Sogar Subjektkorrelate und Expletiva treten, wie sie beobachtet, in dieser Position auf (vgl.: (125)). (124) (a) Ze zal morgen dit boek kopen. sie AUX morgen dieses Buch kaufen „Sie wird morgen dieses Buch kaufen."

(Niederländisch)

(b) Het zal morgen regenen. es AUX morgen regnen „Es wird morgen regnen." (125) (a) Es kamen drei Geister. (b) Es mangelt an Beweisen.

(Deutsch)

Dass letztere Elemente innerhalb der C-Domäne in FinP erscheinen dürfen und sogar bei fehlender Anhebung etwaiger anderer XPs dort erscheinen müssen, fuhrt Haegeman (1997a) auf das Erweiterte Projektionsprinzip (EPP) zurück. Hiernach nämlich fordert Fin° als höchster V- bzw. L-gebundener Kopf der Struktur einen Spezifikator. Da dieser lediglich dazu dient, an der linken Peripherie des Matrixsatzes die Verbzweitpositionierung zu gewährleisten, muss er anders als etwa der Spezifikator der AgrP durch keine spezifischen funktionalen und kategorialen Eigenschaften definiert sein. Nach Haegeman (1997a) wird folglich in allen Matrixsätzen der vollständigen V2-Sprachen genau eine Konstituente nach oder durch SpecFin bewegt. Diese Konstituente kann, wie (126) illustriert, unter anderem auch ein nicht-subjektivisches topikalisiertes Element oder auch ein Interrogativpronomen sein. (126) (a) Leberwurstbrote liebt Verena. (b) H e iss und innig liebt Verena Leberwurstbrote. (c) Was liebt Verena?

(Deutsch)

Im Gegensatz zu den Topikalisierungskonstruktionen der nicht-vollständigen V2-Sprachen sind laut Rizzi (1997) die Verbzweitstrukturen mit satzinitialem Topik innerhalb der vollständigen V2-Sprachen nicht auf die Anwesenheit eines overten oder coverten anaphorischen Operators angewiesen. Rizzis (1997) Einsicht nach gestattet die spezielle

2. Die Imperativische

Verbbewegung

123

Kodierung des Fin-Kopfes vollständiger V2-Sprachen dem Spezifikator SpecFin, eine Nullkonstante zu lizenzieren bzw. die durch Topikalisierung entstandene Spur zu binden.

2.5.2.2. Der Imperativische Null-Operator in SpecFoc In 2.5.1.5. wurde deutlich, dass VI-Konstruktionen ursprünglich aus einem Prozess der Fokussierung hervorgehen. Nachdem die Einfuhrung von nebensatzeinleitenden Konjunktionen es möglich gemacht hatte, Sätze als C-Projektionen zu analysieren, wurde das finite Verb immer dann an den Kopf C° bewegt, wenn es damit mit einer in SpecC positionierten fokussierten Konstituente, wie zum Beispiel einer W-Phrase, oder aber mit einem entsprechend kodierten Null-Operator eine Spezifikator-Kopf-Beziehung einging. In Imperativsätzen landete folglich das finite Verbelement als Repräsentant des Verbalgeschehens am C-Kopf und stellte dort unmittelbar eine direktive Relation zu einer prospektiv zu realisierenden Verhaltensweise auf deontischer Ebene her. Diese Anhebungsprozedur ist aufgrund der vorherrschenden Subordinationsunfahigkeit des formal unmarkierten Imperativs und dessen spezieller Subjektrealisierung vor dem allgemeinen Verlust von V2-Charakterika und somit vor dem syntaktischen Wandel in Richtung einer einheitlichen SVO-Grundwortstellung bislang verschont geblieben. Daher ist davon auszugehen, dass das imperativierte Verb noch heute in allen gegenwärtigen und allen ehemaligen vollständigen V2-Sprachen innerhalb des C-Systems auf der Ebene der FocP mit einem entsprechenden Imperativischen Null-Operator in einem Spezifikator-Kopf-Verhältnis steht. Da die FinP Finitheitsmerkmale und in fast allen westgermanischen und romanischen Sprachen zu dem Zeitpunkt der endgültigen Fixierung der Imperativischen V-nach-C-Bewegung darüber hinaus starke verbalflexivische Merkmale kodiert (vgl. 2.5.1.2., 2.5.1.5.), ist sie diejenige funktionale Projektion, die schließlich als modusdefinierende Phrase der Imperativkodierung reanalysiert wurde. Das imperativierte Verb der modernen romanischen Sprachen wird demnach in die Fokusdomäne der C-Projektion angehoben und landet gemäß der von Benincà & Poletto (2001) entworfenen Kartographie der internen C-Struktur am Kopf genau der funktionalen Projektion, deren Spezifikator in W-Interrogativsätzen von einer W-Phrase gebildet wird. Anders als die InfFocP oder die ContrFocP steht diese Fokusprojektion speziell fur die satztypenspezifizierende Fokussierung ein (und soll deshalb im Folgenden mit dem Kürzel TypFocP versehen werden). Sie beherbergt daher nicht nur die finiten Verben von Interrogativsätzen, sondern auch, wie der Strukturausschnitt (127b) am Beispiel (127a) zeigt, die von Imperativsätzen. (127) (a) Paria! rede(lMP)

„Sprich!"

(Italienisch)

124

2. Die Imperativische

Verbbewegung

(b) TypFocP Spec

TypFoc'

OP

TypFoc0 parla;

Fin(Mood)P Spec

Fin(Mood)' Fin(Mood)' — ti

Im Rätoromanischen geht demzufolge das imperativierte Verb ebenso wie das finite Verb von Matrixinterrogativsätzen der auf der Ebene der InfFocP generierten Fokuspartikel pa obligatorisch voran (vgl.: (128)) (vgl. 2.5.1.1.). (128) (a) Faal

(Rätoromanisch) pa

ma!

tu(lMP)KL(PRON) FOCPRT PRT

„Tu es, bitte." (b) Ci o

-I

pa?

w a s WO11-3SG KL(PRON) FOCPRT

„Was will er?" Vor dem Imperativischen Hauptverb der romanischen Sprachen sind innerhalb des CSystems vereinzelt Elemente angeordnet, die entweder, wie die fokussierte negative Konstituente niente im Italienischen oder das quantifikationale Adverb mai im Rumänischen (vgl.: (129)), eine ContrFocP spezifizieren oder aber, wie die temporalen situationsverankernden Adverbien adesso und oggi im Italienischen, den Spezifikator der in der Topikdomäne projizierten SceneSettingP bilden (vgl.: (130)). (129) (a) NIENTE digli! nichts(NEG) Sag(lMP)KL(PRON) „Nichts sag ihm!" (b) MAI tacä-fi gura! einmal halt(lMP)KL(PRON) den Mund „Halt endlich einmal den Mund!"

(Italienisch)

(Rumänisch)

2. Die Imperativische Verbbewegung (130) (a) Adesso dagli pur la notizia! Jetzt geb(lMP)KL(PRON) wirklich die Neuigkeit „Jetzt sag ihm wirklich die Neuigkeiten!"

125 (Italienisch)

(b) Oggi vacci tu! heute geh(iMP) du „Geh du heute!" Die Analyse der Imperativischen V-nach-C-Bewegung in den modernen westgermanischen Sprachen erweist sich als wesentlich komplizierter, wobei allerdings das Englische als nicht-vollständige V2-Sprache vermutlich zunächst das geringere Problem darstellt. Es ist anzunehmen, dass dort imperativierte Vollverben nach Spell-out auf die Ebene der satztypenspezifizierenden TypFocP angehoben werden (vgl.: (131a)). Eine overte X°-Bewegung an deren Kopf wird durch das Substitut do bzw. don 't nur im Falle der affirmativen Emphase und der Satznegation vollzogen (vgl. 2.5.1.6.; (131b)). (131) (a) You go du

(Englisch) away!

geh(iMP) w e g

„Hau du ab!" (b) Don't

you laugh. lach

DO(IMP) NEG d u

„Lach nicht!" In den westgermanischen vollständigen V2-Sprachen aber wird das Matrixfinitum stets overt nach Fin° angehoben. Laut Haegeman (1997a) zieht diese Attrahierung grundsätzlich die notwendige Füllung von SpecFin nach sich, wodurch ihrer Meinung nach eine Befriedigung des EPP ausschließlich innerhalb der Fin-Projektion gewährleistet wird. Grewendorf (2002: 234ff.) weist in diesem Zusammenhang anhand von WCO-Tests nach, dass das W-Element deutscher Interrogativsätze im Falle seiner kurzen Bewegung vor Spell-out erst gar nicht den Spezifikator der FocP erreicht. Wie er zeigt, liegt weder in (132a) noch in (132b) ein schwacher Überkreuzungseffekt vor, was eindeutig als Indiz dafür gewertet werden kann, dass sich die vorangestellte W-Phrase in den einfachen Wh-Interrogativsätzen des Deutschen rein syntaktisch wie ein Topik verhält. Seiner Einsicht nach erfüllt sie auf der Ebene der FinP innerhalb der Spezifikator-KopfRelation zu dem in Fin° positionierten Verbelement das EPP und wird erst auf LF nach SpecFoc bewegt. (132) (Deutsch) (a) Wen, hat sein, bester Freund t, an die Polizei verraten? (b) Wem, hat die Note seines¡ Griechischlehrers t, das Stipendium vermasselt? Obgleich der Anhebungsprozess der kurzen W-Bewegung im Deutschen Haegemans (1997a) Annahme zu bestätigen scheint, dass das EPP in den westgermanischen vollständigen V2-Sprachen ausschließlich auf der Ebene der FinP zum Tragen kommt, so

126

2. Die Imperativische

Verbbewegung

ergeben sich auf deren Grundlage bei der Derivation bestimmter Konstruktionen dennoch Probleme. Es stellt sich nämlich die Frage, wie unter dieser Bedingung VIStrukturen, wie VI-Interrogativsätze und VI-Imperativsätze, überhaupt gebildet werden können, denn schließlich muss in derartigen Konstruktionen zwischen dem Hauptverb und dem entsprechenden Null-Operator grundsätzlich eine Spezifikator-KopfBeziehung zustande kommen. Man könnte nun vermuten, dass der Interrogativ- bzw. Imperativoperator in SpecFin basisgeneriert ist, dort das EPP erfüllt und womöglich ebenso wie das entsprechende finite Verbelement erst auf LF auf die Ebene der FocP angehoben wird. Dem widerspricht allerdings nicht nur, dass eine Basisgenerierung eines satztypenspezifizierenden Operators in einer nicht ausschließlich A'-definierten Position äußerst unwahrscheinlich erscheint, sondern auch, dass in Imperativsätzen durchaus reine Vorfeldbesetzungen zu verzeichnen sind. In (133a,b,c) zum Beispiel ist die satzinitiale Konstituente in keiner Weise fokussiert und kann demgemäß nur in SpecFin positioniert sein. (133) (a) Nun komm schon! (b) Das VERGISS mal lieber! (c) (Wem soll ich den Hut vererben?) Den Hut vererb DER ANKE!

(Deutsch)

Dies gilt auch für W-Imperative. In diesen Strukturen wird die Ausdehnung der interrogativen Skopusdomäne seitens der vorangestellten W-Phrase offensichtlich dadurch verhindert, dass der Imperativische Null-Operator deren Bewegung nach SpecFoc blockiert. W-Bewegung kann in Imperativischen Strukturen demzufolge nur im Sinne der satztyperhaltenden Topikalisierung stattfinden, weswegen W-Imperative ausschließlich als reine Imperative zu betrachten sind (Reis & Rosengren 1992) und sonach keinerlei WCO-Effekte aufweisen (vgl.: (134a)). Die imperativierten Brückenverben derartiger Konstruktionen nehmen dementsprechend stets + w-Komplemente zu sich (vgl.: (134b,c)). In W-Interrogativsätzen, die aus einer langen W-Bewegung resultieren und damit, wie Grewendorf (2002: 234ff.) nachweist, schwachen Überkreuzungseffekten unterliegen (vgl.: (135a)), sind dagegen meist für -w-Komplemente subkategorisierte Brückenverben als Matrixverben vorzufinden (vgl.: (135b,c)). (134) (a) Wen, sag mal, hat seine¡ Freundin t, betrogen! (b) Was überleg mal, dass Erna wohl denken wird! (c) * Was glaube mal, dass das Christkind bringt!

(Deutsch)

(135) (a) " Wen¡glaubst du, hat seine¡ Freundin t, betrogen? (b) Was glaubst du, dass das Christkind bringt? (c) *Du glaubst, was das Christkind bringt?

(Deutsch)

W-Imperative unterscheiden sich folglich - was die Interpretation des Skopus ihres WWortes betrifft - nicht von Imperativen, die einen eingebetteten +w-Komplementsatz nach sich ziehen. Demnach werden in W-Imperativen W-Phrasen durch ihre Anhebung

2. Die Imperativische Verbbewegung

127

in die Matrix-FinP aus ihrer Skopusposition herausgezogen (vgl.: (136)), während sie in W-Interrogativsätzen mittels Bewegung nach SpecFoc in diese hineinbewegt werden. (136)

(Deutsch)

(a) Wie weit schätz mal, dass er spucken kann! (b) Schätz mal, wie weit er spucken kann! Sogar Linksversetzungen sind in den Imperativkonstruktionen des Deutschen möglich. Für die Derivation der Linksversetzung nimmt speziell Grewendorf (2002: 76ff.) an, dass eine komplexe DP per Topikalisierung nach SpecFin gelangt, wonach der Spezifikator von dieser weiter nach SpecTop angehoben wird und deren Kopf in SpecFin verbleibt. Demnach bilden in (137a) und (137b) die D°-Elemente den und die jeweils den Spezifikator der entsprechenden FinP. (137)

(Deutsch)

(a) Den Scheck, den behalt besser! (b) Deine Kommentare, die spar dir! Weder (133), (134) noch (136a) und (137) dürften nun gemäß Haegeman (1997a) grammatisch sein. In all diesen Konstruktionen müsste nämlich ihrer These zufolge der Null-Operator bzw. seine Spur in SpecFin jede weitere Vorfeldbesetzung blockieren. Da dies aber offensichtlich nicht zutrifft, ist anzunehmen, dass Haegemans (1997a) EPPRestriktion fìir die Matrixstrukturen der westgermanischen vollständigen V2-Sprachen zu strikt formuliert ist. Zwar muss an deren linken Peripherie zwischen dem finiten Verb und einer spezifizierenden XP eine Spezifikator-Kopf-Beziehung zustande kommen - aber nicht unbedingt innerhalb der Fin-Projektion. Meines Erachtens wird dem EPP dadurch Folge geleistet, dass das in Fin 0 gelandete Finitum durch seine coverte Anhebung nach Foc° auf der Ebene der FocP mit einem in SpecFoc basisgenerierten Null-Operator ein Spezifikator-Kopf-Verhältnis eingeht. Erst wenn eine solche Bewegung nicht motiviert werden kann, wird obligatorisch eine Konstituente nach SpecFin bewegt, um im Sinne des Prinzips des aufgeklärten Egoismus das EPP auf der Ebene der FinP zu erfüllen. Im ersteren Fall ist die semanto-pragmatisch motivierte XP-Bewegung nach SpecFin zwar - zumindest in Imperativsätzen - erlaubt, aber nicht aus Gründen der EPP-Befriedigung gefordert. Der Imperativische wird demnach ebenso wie der interrogativische Null-Operator in SpecFoc bzw. - auf der Grundlage einer detailliert strukturierten Fokusdomäne - in SpecTypFoc basisgeneriert. Das imperativierte Verb der westgermanischen vollständigen V2-Sprachen steigt overt nach Fin° auf, um mit der Überprüfung der dort verankerten verbalen Merkmale seine Modus- und in einem seine Tempus- und Personenkongruenzkodierung zu lizenzieren. Dadurch, dass es nach es nach Spell-out weiterhin in die Kopfposition der TypFocP attrahiert wird, erfüllt es schließlich in der SpezifikatorKopf-Relation zu seinem Imperativ-Operator das EPP. Kontrastiv fokussierte Konstituenten können ihm dabei wie in (138) vorangehen. Sie besetzen die Spezifikatorposition der die TypFocP unmittelbar dominierenden ContrFocP.

128

2. Die Imperativische

(138)

Verbbewegung (Deutsch)

(a) Über DIEse Dame rede lieber nicht! (b) Den NAsenring kauf dir, nicht die Kette! Topikalisierte Elemente hingegen werden, wie der Strukturausschnitt (139) am Beispiel (133b) illustriert, an den Spezifikator der Imperativischen FinP angehoben. Im Falle ihrer Linksversetzung (vgl.: (137)) hinterlassen sie dort ein overtes D-Pronomen und steigen weiterhin zum Spezifikator der TopP bzw. - unter der Annahme einer potentiell aus mehreren Projektionen bestehenden Topikdomäne - zu dem der LDP auf. (139) TypFocP Spec OP

TypFoc' TypFoc" [+foc][+imp]j

Fin(Mood)P

A

2.5.3. Imperativierung und Klitisierung 2.5.3.1. Romanische Enklitika Die im Zuge der Erhärtung von V2-Charakteristika eintretende Fixierung der Imperativischen V-nach-C-Bewegung kann, wie sich im Folgenden herausstellen wird, innerhalb von Imperativsätzen Konsequenzen für die Anordnung klitischer Elemente nach sich ziehen. Dies zeigt sich zumindest deutlich in den romanischen Sprachen. Dort folgen anaphorische und pronominale Komplementklitika in nicht negierten Imperativsatzkonstruktionen obligatorisch dem imperativierten Hauptverb (vgl.: (140)) - und das, obwohl in den meisten romanischen Sprachen, wie unter anderem im Italienischen, Spanischen und Französischen, die finiten Verben aller anderen Satztypen ihren klitischen Pronomen stets unmittelbar nachgeordnet sind (vgl.: (141)). Eine entsprechende Proklise fuhrt in reinen Imperativsätzen ebenso unweigerlich zur Ungrammatikalität (vgl.: (142a)) wie in den genannten Sprachen die Enklitisierung an nicht-imperativische Finita (vgl.: (142b)).

2. Die Imperativische

Verbbewegung

(140) (a) Leggilo!

129

(Italienisch)

les(lMP)KL(PRON)

„Lies es!" (b) ¡Escríbelo!

(Spanisch)

schreib(IMP)KL(PRON)

„Schreib es!" (c) Montre-le-moi!

(Französisch)

zeig(LMP)-KL(PRON)-mir

„Zeig es mir!" (141) (a) La

conosco.

(Italienisch)

KL(PRON) k e n n e - L S G

„Ich kenne sie." (b) ¿Me

estabas

buscando?

(Spanisch)

KL(PRON) sei-PRÄT-2sG suchend

„Hast du mich gesucht?" (c) ...qu'il me prêterait son équipment de plongée dass er KL(PRON) leih-COND-3SG seine Taucherausrüstung „... dass er mir seine Taucherausrüstung leiht." (142) (a) * Lo

leggi!

(Französisch)

(Italienisch)

KL(PRON) les(IMP)

(b) *?Estabasme

buscando?

(Spanisch)

sei-PRÄT-2SG KL(PRON) suchend

In vielen romanischen Sprachen erfolgt die Nachstellung von pronominalen Klitika auch in Infinitivkonstruktionen. Während im Spanischen und Italienischen infinite Verben ihr klitisches Argument als Enklitikon zu sich nehmen (vgl.: (143a,b)), ist in französischen Infinitiven jedoch prinzipiell nur dessen Voranstellung möglich (vgl.: (143c)). 27

27

Bilden Infinitive das Komplement von finiten Auxiliaren oder Modalverben, können letztere in einer Anzahl von romanischen Sprachen das infinitivische Argumentklitikon als Proklise zu sich nehmen. Man spricht hierbei von Clitic Climbing (vgl. u. a. Kayne 1991 ).

130

2. Die Imperativische

(143) (a)... invitarte para mañana. einladenKL(PRON) für morgen „... dich für morgen einladen." (b) Avendolo venduto... habendKL(PRON) verkauft „Nachdem er es verkauft hatte ..." (c) ...pour¡e faire. für KL(PRON) machen „... um es zu machen."

Verbbewegung

(Spanisch)

(Italienisch)

(Französisch)

Die Gesetzmäßigkeiten, welche Infinitive meist dazu veranlassen, Klitika hinter sich zu lassen, und Imperativen die Proklitisierung anaphorischer und pronominaler Elemente stets verwehren, haben neben Kayne (1991), Rooryck (1992), Zagona (2002) und anderen auch Belletti (1999), Rivero & Terzi (1995) und Han (1998) zu ergründen versucht. Bellettis (1999) diesbezügliche Ausführungen erweisen sich, wie bereits in 2.3.3. deutlich wird, insofern als problematisch, als sie eine Reihe von theoretischen Annahmen enthalten, die entweder mit dem von der Autorin selbst zugrunde gelegten syntaktischen Modell nicht kompatibel sind oder aber aufgrund mangelnder empirischer oder theoretischer Evidenz als aJ-Äoc-Hypothesen zurückgewiesen werden müssen. So ist die von Belletti (1999) beschriebene Überschreitung einer funktionalen Projektionsebene und somit eines potentiellen Landeplatzes seitens des aufsteigenden Verbelements ebenso wenig mit dem minimalistischen Syntaxmodell vereinbar wie die von ihr postulierte Verkettung merkmalsentleerter funktionaler Projektionen. Dass überdies eine von der AgrOP dominierte spezielle ImpP für die Lizenzierung imperativischer Modusmerkmale zuständig ist und ein intervenierendes Klitikon nur in bestimmten Fällen die Überprüfung verbaler Merkmale blockiert, scheint zwar der Klärung des Phänomens der Enklitisierung äußerst dienlich zu sein, ist aber gemäß Bellettis (1999) Argumentation nur schwer vorstellbar. Riveros & Terzis (1995) und Hans (1998) Ansatz, welcher allein mit der Imperativischen Enklise befasst ist, überzeugt ebenso wenig. Gemäß diesem nämlich ist das spezifisch Imperativische Klitisierungsverhalten auf die Anhebung des imperativierten Verbs nach C° und der damit einhergehenden Überrundung der am oberen Rand der IP verankerten Klitisierungselemente zurückzuführen. Wie empirische Daten zeigen, verbleiben jedoch die Klitika der modernen romanischen Sprachen keineswegs in einer fixen Klitisierungsposition unterhalb der C-Domäne. Vielmehr werden sie als adjungierte Kopfelemente mit dem finiten Verbelement an dessen Landeplatz bewegt und können sonach, wie in den Beispielsätzen (144a) und (144b), in denen offensichtlich eine V-nach-C-Anhebung vollzogen wurde, durchaus auch am C-Kopf positioniert werden (Cardinaletti 1999). (144) (a) U avesse Gianni programmato in antecipio... KL(PRON) hab-KONJ-PRÄT+3 SG Gianni programmiert weiter „Hätte es Gianni weiter programmiert,..."

(Italienisch)

2. Die Imperativische

131

Verbbewegung

(b) L¿ as tu vu? KL(PRON) hab-2sG du gesehen „Hast du ihn gesehen?"

(Französisch)

Die Enklitika der imperativierten Verben in den romanischen Sprachen resultieren demzufolge nicht aus der Überquerung einer speziellen Klitisierungsprojektion. Meines Erachtens werden sie auch nur indirekt durch die Konstitution der Imperativischen IP bedingt. Sie sind, wie im Folgenden zu sehen sein wird, einerseits in ihrer oberflächenstrukturellen Distribution zunächst nichts anderes als ein Relikt aus älteren Sprachperioden, stellen aber andererseits damit bereits eine höhere Stufe der diachronischen Entwicklung von klitischen Elementen dar als die Proklitika der finiten Verbelemente der anderen Modi.

2.5.3.2. Die Proklitisierung und ihre Entwicklung Bei den anaphorischen und pronominalen Komplementklitika der heutigen romanischen Sprachen handelt es sich, wie Cardinaletti (1994) feststellt, um intransitive D-Köpfe, welche jeweils als alleiniges Terminalelement eine minimale maximale D-Projektion ausbilden. Am Anfangspunkt der Derivation bilden sie als solche die phrasale Schwester von V o (Kayne 1975; Kayne 1994). Aufgrund ihrer starken Kasusspezifizierung (Borer 1983: 33ff.; Belletti 1993) müssen sie, um ihres nicht-interpretierbaren Kasusmerkmals entledigt zu werden, noch vor Spell-out die funktionale Projektion AgrOP erreichen. Sie werden hierfür mittels Α-Bewegung aus ihrer Basisposition heraus angehoben (Sportiche 1989) und landen, zumindest in Partizipialkonstruktionen, als XP zunächst in der Spezifikatorposition der AgrPstPrtP, wo sie mit dem Partizip in eine morphologisch repräsentierte Kongruenzbeziehung treten (Kayne 1989) (vgl.: (145)). (145) (a) Le

ho

lette

spesso.

(Italienisch)

KL(PRON)(FEM.PL) hab-1SG les-PRT(FEM.PL) o f t

„Ich habe sie oft gelesen." (b) Je ¡es

ai

ich KL(PRON)(PL)hab-lSG

repeintes.

(Französisch)

übermal-PRT(PL)

„Ich habe sie übermalt." In den finiten, nicht-imperativischen Strukturen der meisten romanischen Sprachen, wie zum Beispiel auch in den oben erwähnten Sprachen Italienisch, Spanisch und Französisch, adjungieren sie auf der Ebene der AgrOP nicht etwa, wie Belletti (1999) annimmt, an deren Kopf AgrO°, sondern substituieren dort SpecAgrO, wodurch sie mit dem an AgrO° gelandeten verbalen Kopfelement das für die Lizenzierung ihres Kasus notwendige Spezifikator-Kopf-Verhältnis eingehen. Innerhalb der nächsten dominierenden funktionalen Projektion werden sie schließlich von dem aufsteigenden Finitum inkorporiert (vgl.: (146)) und gelangen daraufhin mit diesem als proklitisches Kopfelement in dessen höchste Landeposition.

132

2. Die Imperativische Verbbewegung

(146)

AgrOP

Erst seit jüngster Zeit werden romanische Klitika auf diese Weise ab einer bestimmten Phase der Derivation als linksadjungierte Kopfelemente angehoben. Auf wenig früheren Sprachstufen sind sie noch durchgängig als maximale Projektionen zu definieren und folgen in ihrer Distribution dem so genannten Tobler-Mussafia-Gesetz. Diese dem Wackernagelschen Gesetz sehr ähnliche Generalisierung wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts von Tobler (1875) und Mussafia (1886) speziell für die syntaktische Beschreibung älterer romanischer Sprachen formuliert und besagt, dass Objektklitika nie am Satzanfang, sondern, wie später vielfach ergänzt wurde (vgl. u. a. Cardinaletti & Roberts 1991; Fontana 1997; Mallén 2000), vorzugsweise in der zweiten Position des Satzes stehen, wonach sie in Verberstsätzen in Vermeidung einer satzinitialen Proklise obligatorisch ein Enklitikon am Verb bilden. In den Matrixsätzen der älteren romanischen vollständigen V2-Sprachen finden sich Objektklitika folglich unmittelbar hinter der in der Spezifikatorposition der CP gelandeten overten Konstituente (Benincà 1995) und zwar unabhängig davon, ob diese quantorial definiert ist oder nicht. So sind sie in altftanzösischen W-Interrogativsätzen und unmarkierten Deklarativsätzen linksseitig von dem Hauptverb angeordnet (vgl.: (147a,b)). Zu Enklitika des verbalen Elements werden sie immer nur dann, wenn dessen Spezifikator innerhalb der C-Domäne nicht phonetisch realisiert ist (Benincà 1995; Fontana 1997; Hirschbühler & Labelle 2000), beziehungsweise durch einen non-overten Operator (vgl.: (147c)) oder gar durch das Leer-Pronomenpro repräsentiert ist. (147) (Altfranzösisch) (a) Toutes ces choses te presta Notre Sires alle diese Dinge KL(PRON) gewähr-PRÄT+3SG Unser Herr „All diese Dinge gewährte dir unser Herr." (La queste du Saint Graal 68,38) (b) Sire, purquei m ' as deceiie? Herr warum KL(PRON) hab-3SG betrogen „Herr, warum hast du mich betrogen?" (Li Quatre Livre des Reis [Curtius 1911] 55,13)

2. Die Imperativische (c) OP Voi

Verbbewegung le

133

li rois

seh-3SG KL(PRON) der König

„Der König sieht ihn." (Le Charroi de Nîmes 1.58) Eine identische Verteilung klitischer Komplemente zeigt sich sonach zunächst auch im Altspanischen und Altitalienischen (vgl.: (148)). Da sich diese beiden älteren romanischen Sprachen in ihrem V2-Status allerdings vom Altfranzösischen insofern unterscheiden, als sie an der linken Satzperipherie neben der Vorfeldbesetzung durch eine overte oder coverte XP noch zusätzlich die Voranstellung von links versetzten Elementen und Hanging Topics erlauben, sind dort Objektklitika von Matrixsätzen anders als im Altfranzösischen nicht nur hinter der ersten, sondern bisweilen auch hinter der zweiten oder dritten lexikalisch realisierten Konstituente der Konstruktion positioniert (Benincà 1995; Rivero 1997) (vgl.: (149a)). Wie Benincà (1995) feststellt, folgen sie stets unmittelbar dem ersten overten Element der niedrigsten linksperipheren funktionalen Phrase. Während es sich bei dieser in Benincàs (1995) Terminologie um die funktionale C-Projektion handelt, kann sie auf der Basis von Rizzis (1997) Split-CModell durchaus als FinP oder auch FocP identifiziert werden. Enklisen an finiten Matrixverben entstehen im Altspanischen und Altitalienischen demzufolge auch dann, wenn in satzinitialer Position zwar eine phonetisch realisierte XP erscheint, diese aber nicht mit dem in Fin° oder Foc° gelandeten Verb in einer direkten Spezifikator-KopfRelation steht, sondern einen Spezifikator der dominierenden C-intemen Topikdomäne bildet (vgl.: (149b)). (148) (a) Esto les mandaua el rey... (Altspanisch) dies KL(PRON) befehl-PRÄT+3SG der König „Dies befahl ihnen der König ..." (iCantar de Mio Cid, Texto de la primera crónica general IV,5) (b) Por qé me non recudes? (Altspanisch) warum KL(PRON) NEG antwort-2SG „Warum antwortest du mir nicht?" (Gonzalo de Berceo Milagros de nuestra señora 293c) (c) pro Doné-li

terme per tal convent

geb-PRÄT+3sG R I E R O N ) Schuldfrist

„Er gab ihm eine Schuldfrist." (Sermones Sulbapini VII)

(Altitalienisch)

134

2. Die Imperativische

(149) (a) Elo

que yo quis

Verbbewegung

(Altspanisch)

u n d d a s w a s ich will-PRÄT+LSG

nunca ¡o nie

uos

contradixiestes

KL(RESPRON)KL(PRON) widersprech-PRÄT+3SG

„Und das, was ich wollte, stand euch niemals entgegen." (El libro de Alexandre 2284c) (b) A voi, le mie poche parole eh 'avete intense, (Altitalienisch) zu dir die meine wenigen Worte die hab-2PL gehört ol le dette con grande fede hab-1SG KL(RESPRON) gesagt mit große Vertrauen „Meine wenigen Worte, die du gehört hast, habe ich zu dir im Vertrauen gesagt." (Testi fiorentini [Schiaffini] 282) In den eingebetteten Sätzen der älteren romanischen V2-Sprachen befinden sich Objektklitika entweder unmittelbar hinter der nebensatzeinleitenden Konjunktion oder aber unmittelbar hinter der Subjektkonstituente. Während sie im ersteren Fall in oberflächenstruktureller Hinsicht dem overten Subjekt (vgl.: (150a)) oder - bei dessen Repräsentation als Leer-Pronomen - dem an AgrS° gelandeten finiten Verbelement (vgl.: (150b)) direkt vorangehen, sind sie zu diesem im letzteren Fall stets linksseitig adjazent (vgl.: (151)) angeordnet (Benincà 1995; Ribeiro 1995; Rivero 1997). (150) (a) ...ainda que o el primeiramente salvasse (Altportugiesisch) sogar obwohl KL(PRON) er zuerst rett-PRÄT+3SG „... obwohl er ihn zuerst rettete." (Diálogos de Säo Gregorio 1.7.20) (b) Sei pro pois trovera port ne a passage,... wenn KL(PRON) könn-1 SG finden an Hafen noch an Überfahrt „Wenn ich ihn am Hafen oder auf der Überfahrt finde,..." (La Chanson de Roland 657/658) (151) (a) ... si Dios non vos ayuda wenn Gott nicht KL(PRON) hilf-3SG „Wenn Gott nicht euch hilft,..." (Libro de caballero Zifar 91) (b) ... si so

ch'

el me

lo

scaveçà

dass er KL(PRON) KL(PRON) brech-PRÄT+3SG

„... so dass er ihn mir zerbrach." (Lio Mazor [Levi] 3t,48)

(Altfranzös.)

(Altspanisch)

(Altitalienisch)

2. Die Imperativische

Verbbewegung

135

Ob sich diese Verteilung klitischer Elemente nun, wie Rivero (1997) vermutet, auf die Existenz zweier speziell fur die Beherbergung von Klitika verketteter funktionaler Phrasen zurückführen lässt oder ob man angesichts der aufgeführten Daten eher wie Cardinaletti & Roberts (1991) eine Aufspaltung der AgrP in Betracht ziehen sollte oder gar, wofür Fontana (1997) plädiert, Klitisierung tatsächlich als IP-Adjunktion analysieren muss, soll an dieser Stelle mit dem Verweis auf die genannten Autoren nicht diskutiert werden. Festzuhalten bleibt in diesem Zusammenhang zunächst lediglich, dass die romanischen Komplementklitika subordinierter Konstruktionen niemals an finite Verben enklitisieren, ihnen jedoch vielfach unmittelbar vorangehen. Eben letztere Konstellation ist es denn auch, die sich im Laufe der Sprachgeschichte in fast sämtlichen Konstruktionstypen schließlich als einzige mögliche Positionierung von klitischen Elementen durchsetzt. Diese Entwicklung der romanischen Klitika von phrasalen 2P-Partikeln 28 zu Kopfelementen, welche sich grundsätzlich als Proklitika an das aufsteigende Verb anlehnen, zieht sich über einen Zeitraum von einigen Jahrhunderten hin und korreliert dabei nicht selten mit der Vereinheitlichung der Matrixsatzwortstellung und der darauf folgenden Restrukturierung der deklarativischen CP als IP. Wie Hirschbühler & Labelle (2000) fur das Französische zeigen, beginnt sie am Ende des 12. Jahrhunderts mit der Optionalität satzinitialer Proklitisierung innerhalb nachgeordneter Konstruktionen von Koordinationsgefugen und endet, ebenso wie die auf Wortstellungsebene stattfindende Reduzierung von V2-Charakteristika (vgl. Roberts 1993), im 16. Jahrhundert, wo Klitika bereits als linksadjungierte D-Köpfe stets vor dem Finitum anzutreffen sind.

2.5.3.3. Das affixale Enklitikon imperativierter und anderer finiter Verben In reinen Imperativsätzen ist eine derartige Reanalyse klitischer Elemente prinzipiell ausgeschlossen. Im Gegensatz zu den Verben aller anderen Modi gehen imperativierte Verben nämlich seit der Etablierung und Fixierung ihrer V-nach-C-Bewegung auf der Ebene der FocP stets mit einem non-overten Operator ein Spezifikator-Kopf-Verhältnis ein (vgl. 2.5.1.5.). Da weiterhin ihre Subordination niemals vollzogen werden konnte, nehmen sie Objektklitika in den älteren romanischen V2-Sprachen letztendlich ausschließlich als Enklitika zu sich (vgl.: (152)). 29 Den klitischen Komplementen von Imperativischen Hauptverben bleibt die Erlangung des Status eines proklitischen Kopfelements folglich von Anfang an verwehrt. 28

Unbetonte und orthotonierte Konstituenten, wie z. B. schwach betonte Pronomen, stehen seit den frühesten indogermanischen Sprachen in der Regel noch vor anderen wenig betonten Wörtern unmittelbar nach der ersten Konstituente des Satzes. Tobler (1875), Mussafia (1886) und vor allem Wackernagel (1892) und Delbrück (1878) fuhren die Positionierung derartiger Elemente (2P-Partikel) auf zunächst rein phonologische Wohlgeformtheitskriterien zurück: sprachliche Elemente, die sich durch eine starke prosodische Defiziens auszeichnen, benötigen stets, gleichsam als phonologische Stütze, ein vorangehendes akzentuiertes lexikalisches Element, wobei dies wie unter anderem Marantz (1988), Anderson (1993) und Halpern (1995: 26ff.) feststellende nach Sprachzugehörigkeit durch die satzinitiale Phrase oder das satzinitiale Wort repräsentiert werden kann. Ansätze zur syntaktischen Explikation des 2P-Phänomens finden sich u.a. bei Progovac (1996), Rivero (1997) und Boskovic (1999). 29

Ausnahmen finden sich sehr vereinzelt lediglich in den nachgeordneten Imperativsätzen von Koordinationsgefugen.

2. Die Imperativische Verbbewegung

136 (152) (a)

OPPursiu les,

sens dute

les

prendras,...

(Altfranzösisch)

jag(IMP)KL(PRON) o h n e Z w e i f e l KL(PRON) krieg-FUT-2SG

„Jag sie: ohne Zweifel wirst du sie kriegen,..." (Li Quatre Livre des Reis [Curtius 1911] 58,8) (b) OP dilli

che...

(Altitalienisch)

sag(IMP)KL(PRON) d a s s

„Sag ihm, dass..." CNovellino 39.831) (c)

OP dexame

mirarte

toda

(Altspanisch)

lass(LMP)KL(PRON) a n s c h a u e n KL(PRON) g a n z

„Lass mich dich ganz anschauen!" (Roja La Celestina 249: [1499]) OP ide

vos_

a

bòa

ventura!

(Altportugiesisch)

geh(IMP)-PL KL(PRON) m i t g u t e m G l ü c k

„Geht und viel Glück!" (Diálogos de Säo Gregorio 1.2.44) Man könnte nun vermuten, dass die Imperativischen Klitika der heutigen romanischen Sprachen nach wie vor als pronominale XPs zu analysieren sind und dementsprechend in ihrer Distribution dem Tobler-Mussafia-Gesetz folgen. Dies scheint aber nicht der Fall zu sein. Wie nämlich Benincà & Cinque (1993) feststellen, sind romanische Enklitika im gegenwärtigen Sprachgebrauch wesentlich enger mit ihrem verbalen Element verbunden als deren proklitische Gegenstücke. Anders als Letztere können sie zum Beispiel, wie Daten aus dem Französischen illustrieren, grundsätzlich nicht als autonome Entitäten miteinander koordiniert (vgl.: (153)) oder gar, wie im Italienischen, mittels der logischen Partikel „oder" disjungiert werden (vgl.: (154)). Weiterhin sind sie, wiederum im Gegensatz zu proklitischen Objekten, niemals Gegenstand einer Koordinationsreduktion (vgl.: (155)). Während Proklitika demzufolge lediglich durch Adjazenz mit dem Finitum verknüpft sind, bilden Enklitika mit ihren Verbelementen eine morphologische Einheit (Benincà & Cinque 1993). (153)

(Französisch)

(a) Je lui

et

vous

ferais

un plaisir.

i c h KL(PRON) u n d KL(PRON) tu-FUT-LSG e i n G e f a l l e n

„Ich werde ihm und euch einen Gefallen tun."

(b) * Ecris-nous

et lui !

schreib(IMP)KL(PRON) u n d KL(PRON)

137

2. Die Imperativische Verbbewegung (154) (a) Chiunque abbia lanciato questo appello, wer immer hab-PRÄT+3SG gesendet diesen Aufruf lo o la dobbiamo aiutare

(Italienisch)

KL(PRON) oder KL(PRON) muss-LPL helfen

„Wer immer diesen Aufruf gesendet hat, wir müssen ihm oder ihr helfen." (b) * Chiunque abbia lanciato questo appello, wer immer hab-PRÄT+3sG gesendet diesen Aufruf muss-1 PL helfen KL(PRON) oder (155) (a) Lo

KL(PRON)

(Italienisch) [leggo

e rileggo] in continuazione. KL(PRON) les-LSG und wiederles-LSG in Fortsetzung „Ich lese und lese es immer wieder ohne Unterbrechung."

(b) * [Leggi

e

rileggi]

l_o!

les(iMP) und wiederles(lMP)KL(PRON)

Insofern ist anzunehmen, dass die Enklitika der romanischen Imperative nicht etwa ihren Status als phrasale 2P-Partikel beibehalten haben, sondern viel eher im Zuge des syntaktischen Wandels unmittelbar als affixale Objektkongruenzmorpheme reanalysiert wurden und damit einen wesentlich größeren Entwicklungsschritt vollzogen als die Klitika aller anderen finiten Konstruktionen.30 Zumindest im Portugiesischen haben die Komplementklitika nicht-imperativischer Finita seit etwa Ende des 17. Jahrhunderts ebenfalls größtenteils den Rang eines Objektkongruenzsuffixes erreicht (vgl.: (156)). (156) (a) Eie viu er

(Portugiesisch) -a.

seh-PRÄT+3sG KL(PRON)

„Er sah sie." (b) Nos demos

-Ihe

muito vinho.

wir geb-PRÄT+LPL KL(PRON) zu viel Wein

„Wir gaben ihm zu viel Wein." Anders als die Klitika von Imperativen bildeten sie allerdings nach ihrer Phase als pronominale XPs wenigstens für die Zeitspanne zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert ausschließlich Proklitika (Martins 1994: 273) und entsprachen damit auf syntaktischer Ebene ihren Pendants der meisten gegenwärtig gesprochenen romanischen Sprachen.

Givón (1976) argumentiert dafür, dass Klitika stets eine bestimmte Stufe ihrer diachronischen Entwicklung von der autonomen lexikalischen Einheit bis hin zum verbalen Flexiv markieren. 30

138

2. Die Imperativische

Verbbewegung

Noch heute sind im Portugiesischen zuweilen Proklitisierungen anzutreffen. Sie treten auf, wenn ein operational definiertes Element das dem Klitikon adjazent angeordnete Hauptverb c-kommandiert. Proklisen sind demnach im Portugiesischen unter anderem in Anwesenheit von Satznegationselementen (vgl.: (157a)), W-Phrasen (vgl.: (157b)) oder overten nebensatzeinleitenden Konjunktionen zu verzeichnen (Rouveret 1992; Duarte & Matos 2003; Raposo 2003). In der heutigen Jugendsprache besteht, wie Duarte & Matos (2003) feststellen, allerdings bereits die deutliche Tendenz, diese, ebenso wie die wenigen optionalen Mesoklitisierungen 31 , prinzipiell durch Enklisen zu ersetzen (vgl.: (158)) und somit die Enklitisierung als einzige mögliche Form der Klitisierung im Portugiesischen zu etablieren. (157) (a) O Joäo näo o

(Portugiesisch) comprou.

der Joäo NEG KL(PRON) k a u f PRÄT+3SG

„Joäo kaufte es nicht." (b) Pregunto-me frag-1SG

que

mentira

KL(PRON) w e l c h e L ü g e

ele ¡he er

contou.

KL(PRON) erzähl-PRÄT-3SG

„Ich frage mich, welche Lüge er ihm erzählte." (158) (Portugiesisch (jüngere Generation)) (a) Porque näo apercebeu -se que ... weil NEG bemerk-PRÄT-3SG KL(PRON) dass „Weil er nicht bemerkte, dass..." (b) Correspondem à classe onde ,, so" combina -se com... gehör-3PL zu Klasse wo „so" kombinier-3SG KL(PRON) mit „Sie gehören zu der Klasse, wo „so" sich mit... kombiniert." Laut Duarte & Matos (2003) werden die Enklitika des Portugiesischen innerhalb der Derivation auf einer anderen IP-internen Ebene gebildet als die romanischen Proklitika. Aufgrund ihres quasi-flexivischen Charakters verbinden sie sich ihrer Einsicht nach bereits am Kopf der funktionalen AgrOP mit dem aufsteigenden Verbelement. Da nun Imperativische Enklitika mit dem Verlust ihrer ausschließlich phrasalen Kategorisierung unmittelbar als affixale Elemente reanalysiert wurden, ist davon auszugehen, dass sie gegenwärtig über den identischen syntaktischen Status verfugen wie die portugiesischen Klitika und demnach auch in den selben strukturellen Anhebungsprozess verwickelt werden wie sie. In den Imperativkonstruktionen sämtlicher moderner romanischer Sprachen werden Klitika folglich als aus einem D-Kopf bestehende DPs in der Komplementposition von V o basisgeneriert und steigen hiernach, um von ihrem nichtinterpretierbaren Kasusmerkmal befreit zu werden, noch vor Spell-out auf die Ebene der funktionalen AgrOP auf. Sie landen dort, wie der Strukturausschnitt unter (159) illustriert, an AgrO 0 , wo neben der Eliminierung ihres starken Kasusmerkmals auch die 31

Mesoklitika kommen im heutigen Portugiesischen recht selten nur noch in Konstruktionen mit futurischen oder konditionalen Verben vor. Sie befinden sich dort innerhalb der verbalen Flexionsmorphologie vor der overten temporalen bzw. modalen Markierung.

2. Die Imperativische

139

Verbbewegung

Überprüfung von Kongruenzmerkmalen stattfindet. Das imperativierte Verb, welches aufgrund spezifischer V-Merkmale ebenfalls an den AgrO-Kopf attrahiert wird, wird sodann durch Linksadjunktion von ihnen inkorporiert. Dabei blockieren sie, obwohl sie nun zwischen dem Verb und AgrO intervenieren, keinerlei notwendige Lizenzierungsprozedur, weil sie als quasi-flexionsmorphologische X°-Elemente für die Überprüfung starker Merkmale durchlässig sind. Zusammen mit dem flektierten Verb werden sie daraufhin als Enklitika nach AgrS 0 und schließlich in dessen Landeposition C° bzw. Fin 0 und Foc° angehoben. (159) AgiO'



AgrO clj

Spec AgrO

V' t¡

DPj

tel

Die durch das Tobler-Mussafia-Gesetz verursachten Stellungsmuster der Klitika früherer Sprachstufen haben also dazu geführt, dass in den modernen romanischen Sprachen hinsichtlich der Klitisierungsentwicklung auf unterschiedlichem Wege bislang zwei ver-schiedene Zwischenstadien der Grammatikalisierungslinie vom freien Morphem bis hin zum verbalen Objektkongruenzflexiv erreicht wurden. Während nämlich die Klitika nicht-imperativischer finiter Sätze aufgrund ihres proklitischen Charakters als mehr oder minder eigenständige Pronominalkategorien an das aufsteigende Verbelement adjungieren und sich, wie etwa im Portugiesischen, gegebenenfalls in einem weiteren Entwicklungsschritt schließlich als quasi-flexivisch definierte Suffixe mit dem Finitum verbinden, haben die Klitika reiner Imperativsätze das affixale Entwicklungsstadium infolge ihrer kanonischen postverbalen Stellung bereits unmittelbar nach der Aufgabe ihres vollständigen XP-Status erlangt. Wie die Beispiele unter (160) zeigen, gilt Letzteres offensichtlich auch für die Klitika einiger seit jeher in C° positionierter imperativischer Surrogate im Indikativ (vgl.: (160a)) 32 und vor allem, wie auch im nächsten Kapitel erläutert wird, fur die klitischen Argumente von Infinitiven (vgl.: (160b (143a))).

52

Weitere Daten hinsichtlich der Anordnung von klitischen Elementen in Imperativischen Surrogaten finden sich bei Napoli & Vogel (1992).

140

2. Die Imperativische

(160) (a) Non parlategli!

Verbbewegung

(Italienisch)

NEG sprech-2PL(IND) KL(PRON)

„Ihr sprecht nicht!" (b) ... invitarte para mañana. einladenKL(PRON) fur morgen „... dich für morgen einladen."

(Spanisch)

Vergleicht man nun die Strukturen (146) und (159) miteinander, so ist deutlich zu erkennen, dass das Fortschreiten auf der Grammatikalisierungslinie in Richtung einer rein flexivischen Kodierung offensichtlich mit der strukturellen Absenkung derjenigen Position einhergeht, in der die Verbindung zwischen dem Verb und dem Objektmorphem hergestellt wird. Während nämlich Proklitika auf einer die AgrOP dominierenden funktionalen Projektion (MoodP / TP) von dem Finitum inkorporiert werden, verbinden sich Enklitika bereits als Quasi-Flexionsmorpheme an AgrO 0 mit dem aufsteigenden Verbelement. In einem weiteren Entwicklungsschritt, so ist jedenfalls anzunehmen, findet keine Verknüpfung mehr auf derivationellem Wege statt. Das entsprechende Verblexem wird dem Lexikon gemeinsam mit seinem Objektkongruenzflexiv entnommen und steigt, lediglich um Letzteres zu lizenzieren, von seiner Basisposition V o nach AgrO° auf.

2.5.3.4. Klitisierung in infiniten Konstruktionen Ebenso wie die imperativierten Verben und eine Anzahl ihrer finiten Surrogatformen stehen infinitivische Verben - meist als Komplement eines superordinierten Matrixverbs oder einer entsprechenden Präposition - in den älteren Sprachperioden der romanischen Sprachen oberflächensyntaktisch in satzinitaler Position (bzw. sind dort ihrem non-overten Subjektpronomen PRO nachgeordnet) und nehmen demnach klitische XPs gemäß der Tobler-Mussafia-Generalisierung stets als Enklitika zu sich (vgl.: (161)). (161) (a) mi miseria les hazla olvidarse de si (Altsp.) meine Not KL(PRON) mach-PRÄT+3SG vergessen KL(PRON) von sich „Meine Not veranlasste sie, sich selbst zu vergessen." (El Crotalón 269) (b) e

prese

a basiarl_a

(Altitalienisch)

u n d anfang-PRÄT+3SG zu k ü s s e n KL(PRON)

„und er fing an, sie zu küssen" 0Novellino 99.880) Infinitivische Klitika wurden folglich ebenso wie ihre Imperativischen Gegenstücke im Zuge des syntaktischen Wandels unmittelbar als quasi-flexivische Elemente reanalysiert. Sie inkorporieren in den modernen romanischen Sprachen das attrahierte Verb-

2. Die Imperativische

Verbbewegung

141

element an AgrO° und werden daraufhin mit diesem in dessen Landeposition AgrS° angehoben. Die infinitivischen Klitika des Französischen bilden allerdings eine Ausnahme (vgl.: (143c)). Dies ist vermutlich darauf zurückzufuhren, dass erstens bereits im Altfranzösischen bestimmte Präpositionen den Status einer in C° generierten Konjunktion besessen haben (vgl.: (162a)) und dass zweitens die infiniten Verben des Mittelfranzösischen nicht mehr obligatorisch auf die Ebene der funktionalen AgrSP angehoben wurden (vgl. 3.2.6.)33 und daher in dieser Periode einer Reihe von Adverbien und oftmals sogar ihren Komplement-DPs nachgestellt waren (vgl.: (162b)) (vgl. Pearce 1993; Roberts 1993: 50; Martineau & Motapanyane 2000). Die klitischen Argumente der Infinitive früherer Sprachstufen des Französischen befanden sich auf der Grundlage des Tobler-MussafiaGesetzes dementsprechend meist in präverbaler Position und konnten demzufolge nicht als Enklitika reanalysiert werden.

(162) (a) Sire, ne

refuseray

pas à y_

aler.

(Altfranzösisch)

Herr, NEG ablehn-FUT-1SG NEG zu KL(PRON) gehen

„Herr, ich werde es nicht ablehnen, dorthin zu gehen." (Miracles de Notre Dame 4,68) (b) Lequel il avoit envoyé dehors (Mittelfranzösisch) wen er hab-3SG geschickt draußen pour plus aisément l ' avoir fur mehr leicht KL(PRON) haben „Wen hat er nach draußen geschickt, um sie leichter zu bekommen" (Anonym Cent Nouvelles Nouvelles 1 ) Eine ganz ähnliche Entwicklung zeichnet sich auch bei den Komplementklitika französischer negierter Imperative ab. Im Falle der satzrelevanten Negation stellen sie nämlich aufgrund der präverbalen Negationspartikel ne grundsätzlich nicht das satzinitiale Element dar und können daher in älteren Sprachperioden gemäß der Tobler-MussafiaGeneralisierung keine Klitika nach sich ziehen (vgl.: (163a)). Deren klitische Objektpronomen wurden infolgedessen ausschließlich als Proklitika reanalysiert (vgl.: (163b)). (163) (a) ne

te

soucie

pas

(Mittelfranzösisch)

NEG KL(PRON) SOrge(LMP) NEG

qui le treuve bon ou mauvais... wer KL(PRON) finde-3SG gut oder schlecht „Mach dir keine Gedanken darum, wer es gut oder schlecht findet!" (Du Bellay Deffence et illustration de la langue francoyse 11,11)

33

Pearce (1993) bringt die allmähliche Verdrängung der V-nach-AgrS-Bewegung infiniter Verben mit der Etablierung des overten Satznegationsoperators pas in Zusammenhang (vgl. 3.2.6.).

142

2. Die Imperativische (b) Ne te

lève

pas!

Verbbewegung (Französisch)

NEG KL(PRON) erheb(IMP) NEG

„Steh nicht auf!" Im heutigen Französischen steigen die Klitika von Infinitiven und negierten Imperativen, um ihre overt-morphologische Kasusmarkierung zu lizenzieren, mittels A-Bewegung nach SpecAgrO auf. Da nun die infinitivische Verbbewegung des Französischen bisweilen mit Ausnahme der beiden Hilfsverben avoir und être - die funktionale AgrOP seit etwa Ende des 16. Jahrhundert nicht mehr überrundet (vgl. 3.2.6.), sind sie in Infinitivkonstruktionen schon dadurch dem in der spezifischen InfP verbliebenen Infinitum rein strukturell übergeordnet. 34 In Infinitivkonstruktionen mit avoir und être können sie optional ebenso wie das Klitikon des negierten Imperativs von dem aufsteigenden Verbelement an dem nächsten c-kommandierenden IP-internen Kopf F° als proklitisches Kopfelement inkorporiert werden.

2.5.3.5. Westgermanische Klitika In den westgermanischen Sprachen sind im Falle der Imperativierung keine abweichenden Klitisierungsprozesse zu beobachten. Dort folgen pronominale Klitika in sämtlichen finiten Matrixsätzen seit der Etablierung von deren uneingeschränkter V2-Syntax bis heute grundsätzlich dem flektierten Verb. Sie sind zu diesem, wie die Beispiele aus dem Deutschen und Niederländischen unter (164) und (165) zeigen, entweder rechtsseitig adjazent angeordnet oder folgen unmittelbar dessen nachgestellter Subjektkonstituente, wobei dies für oberflächenstrukturell determinierte Verbzweit- (vgl.: (164a, 165a)) und Verberststrukturen (vgl.: (164b, 165b)) - demnach auch für VI-Imperativsätze (vgl.: (164c, 165c)) - gleichermaßen gilt. (164) (a) Susanne kiisst 'n ziemlich oft. (b) Gönnt Marlene 's ihm? (c) Hol du 'n her! (165) (a) Misschien koopt Antje't bij Albert Hijn. vielleicht kauf-3SG Antje KL(PRON) bei Albert Hijn „Vielleicht kauft's Antje bei Albert Hijn."

(Deutsch)

(Niederländisch)

(b) Toont't Rudi haar? zeig-3SG KL(PRON) Rudi ihr „Zeigt's Rudi ihr?"

Gemäß Belletti (1999) muss das klitische Element dabei nicht vor Spell-out aus der AgrOP herausbewegt werden. Ihrer Einsicht nach kann es mittels PF-Klitisierung noch nachträglich an das strukturell niedriger gelegene Verb gebunden werden. 34

2. Die Imperativische

Verbbewegung

(c) Geeft

143

hem!

geb(iMP)KL(PRON) i h m

„Gib's ihm!" Ebenso wie die Klitika der modernen romanischen Sprachen erfüllen die westgermanischen Klitika die Kriterien der von Kayne (1975) entworfenen so genannten Tests for Clitichood und sind dementsprechend im Gegensatz zu starken Pronominal-DPs nicht kontrastiv fokussierbar (vgl.: (166a, 167)), nicht modifizierbar (vgl.: (166b, 168)) und, wie sämtliche ihrer romanischen enklitischen Gegenstücke auch, nicht koordinierbar (vgl.: (166c, 169)). (166) (a) *BaciaLO, non Maria! küss KL(PRON) nicht Maria

(Italienisch)

(b) *Baciala sola! küss KL(PRON) allein (c) *Bacialo e la! küss KL(PRON) und KL(PRON) (167) (a) Hol IHN her, nicht SIE! (b) *Hol 'N her, nicht SIE!

(Deutsch)

(168) (a) Hol nur ihn her! (b) *Hol nur 'n her!

(Deutsch)

(169) (a) Hol ihn und auch sie her! (b) *Hol 'n und auch sie her!

(Deutsch)

Weiterhin unterscheiden sie sich von starken Pronomen insofern, als sie, wie zum Beispiel im Niederländischen (vgl.: (170)), als nicht-subjektivische Elemente nie das satzinitiale Topik bilden (Den Besten 1983; Koster 1978: 209ff.), aber trotzdem zumindest die jeweils von dem INFL-Knoten dominierten Komplemente und Adjunkte obligatorisch strukturell überrunden (Cardinaletti 1999) (vgl.: (171)). Unter anderem im Deutschen können sie, wie der Kontrast zwischen (172a) und (172b) verdeutlicht - wiederum anders als starke Pronomen - darüber hinaus nicht nur zu belebten, sondern auch zu unbelebten (vgl.: (172b)) Entitäten einen Referenzbezug herstellen (Berendsen 1986: 38f.; Beermann 1993; Cardinaletti & Starke 1999).

144

2. Die Imperativische Verbbewegung

(170) (a) Dat koopt Antje misschien bij Albert Hijn. das kauf-3SG Antje vielleicht bei Albert Hijn „Das kauft Antje vielleicht bei Albert Hijn."

(Niederländisch)

(b) * Τ koopt Antje misschien bij Albert Hijn. KL(PRON) kauf-3SG Antje vielleicht bei Albert Hijn (171) (a) *Ich glaube, dass Susanne ziemlich oft 'n kiisst. (b) Ich glaube, dass 'n Susanne ziemlich oft küsst.

(Deutsch)

(Deutsch) (172) (a) Ich glaube, dass Susanne ziemlich oft ihn in die Waschmaschine steckt. (b) Ich glaube, dass 'n Susanne ziemlich oft in die Waschmaschine steckt. Obwohl die westgermanischen Klitika demnach nicht als starke Pronomen zu identifizieren sind und - im Gegenteil - sogar in vielerlei Hinsicht mit den affixalen Enklitika der modernen romanischen Sprachen übereinstimmen, können sie dennoch mit Letzteren keineswegs gleichgesetzt werden. Wie die Daten in (164b,c), (165a) und (171b) illustrieren, sind die westgermanischen Klitika nämlich anders als die romanischen nicht systematisch mit dem flektierten Verb verbunden und vollziehen demzufolge mit diesem auch keine gemeinsame Kopfbewegung. Sie entsprechen in ihrer kategorialen Zugehörigkeit insofern vielmehr den Klitika der hellenischen, slawischen und älteren romanischen Sprachen (vgl.: (173)), welche als phrasale Kategorien lediglich in die Anhebungsprozedur der XP-Bewegung involviert werden (vgl.: u.a. Rivero 1994a; Horrocks 1997: 5 9 f f ; Fontana 1997; Rivero 1997; Giannakidou 1998: 42ff.; DimitrovaVulchanova 1999). (173) (a) Ego men

(Altgriechisch)

oukoida.

ich KL(PRON) NEG weiß-IND.PRÄS+LSG

„Ich fur meinen Teil weiß iß nicht." (Xenophon Cyropaedia 1.4.12) (b) Olga nam

nista ne

dovikuje.

(Serbokroatisch)

O l g a KL(PRON) n i c h t s NEG erzähl-3SG

„Olga erzählt uns nichts." (c)

...ataque Uli a alma saisse da carne (Altportugiesisch) bis dass KL(PRON) die Seele verlass-PRÄT+3SG das Fleisch „... bis dass ihm die Seele aus dem Körper fuhr." (Diálogos de Säo Gregorio 1.2.44)

2. Die Imperativische

Verbbewegung

145

Cardinaletti (1999) nimmt daher an, dass die westgermanischen Klitika am ehesten als schwache Pronomen zu klassifizieren sind.35 Denn anders als starke Pronomen werden sie gemäß Kaynes (1975) Tests for Clitichood zwar sämtlichen Anforderungen des Klitikons gerecht, treten aber im Gegensatz zu klitischen Kopfelementen innerhalb der Derivation ausschließlich in Spezifikatorpositionen auf. Da sie folglich, ebenso wie die Klitika der in (173) aufgeführten Sprachen, bislang keiner Reanalyse unterlagen, die sie aufgrund ehemals kanonischer Stellungsmuster entweder als Proklitikon oder als Enklitikon an das Verb bindet, verhalten sie sich bezüglich ihrer syntaktischen Distribution in Imperativsätzen nicht anders als in allen anderen Satztypen auch. Sie werden dort also, ebenso wie unter anderem in Interrogativ- (vgl.: (174a)) und Deklarativsätzen (vgl.: (175a)), mittels eines spezifisch pronominalen Scrambling (Cardinaletti 1999) noch vor IP-interne Komplemente und Adjunkte bewegt (vgl.: (174b, 175b)). (174) (a) Packst du 'se doch mit in den Karton? (b) Pack du 'se doch mit in den Karton! (175) (a) Fiori belt 'm toch op. Fiori ruf-3sG KL(PRON) doch an „Fiori ruft'n doch an." (b) Bel'm

(Deutsch)

(Niederländisch)

toch op!

ruf(iMP)KL(PRON) doch an

„Ruf η doch an!"

2.5.4. Zusammenfassung Imperativierte Verben verhalten sich in der Regel genauso wie die finiten Verben aller anderen Modi auch. Sie werden im unmarkierten Fall nach INFL angehoben und treten dort auf der Ebene der AgrSP mit einer coverten oder overten Subjektkonstituente in eine Spezifikator-Kopf-Relation. Dabei unterscheiden sich formal unmarkierte Imperative von formal markierten Imperativen insofern, als sie im Gegensatz zu Letzteren als Repräsentanten des Default-Modus der Deontik an Mood° im Normalfall keine spezifische Flexionsmorphologie lizenzieren und grundsätzlich außer Stande sind, innerhalb der IP eine funktionale TP zu projizieren. Deren temporale Charakterisierung wird ebenso wie deren Personenkongruenzkodierung ausschließlich modalimmanent direktivisch am Kopf der MoodP lizenziert. Unter den formal unmarkierten Imperativen existiert eine Gruppe speziell syntaktisch determinierter Imperative, die, auch wenn dies nicht mit der regulären Verbpositionierung der jeweiligen Grundwortstellung übereinstimmt, in ihrer kanonischen Form stets satzinitial auftreten. Die imperativierten Verben der modernen westgermanischen und romanischen Sprachen zum Beispiel stellen auf diese Weise dadurch, dass sie stets am 35

Werner (1990: 58) zeigt anhand von Clitic-Doubling-Phänomenen in schweizerischen Dialekten, dass eine derartige Kategorisierung vermutlich nicht in allen Varietäten des Deutschen gerechtfertigt ist.

146

2. Die Imperativische

Verbbewegung

Kopf der funktionalen C-Projektion landen, eine Kongruenz zwischen ihrer modalen Kodierung und dem entsprechend strukturell determinierten Satztyp her. Ihre Anhebung nach C° resultiert aus der in den frühen Sprachperioden der westgermanischen und romanischen Sprachen beginnenden Institutionalisierung von V2-Stellungsmustern in Matrixsätzen. Mit deren Verfestigung wird sie als konstanter Anhebungsprozess der Imperativsatzbildung fixiert. Da der sprachliche Input innerhalb der betreffenden Sprachgebiete praktisch keine Subordination imperativierter Verben enthält und Imperativische Subjekt-Topiks in aller Regel nicht satzinitial lexikalisch realisiert sind, hält sie jedem syntaktischen Wandel in Richtung einer einheitlichen SVO-Grundwortstellung grundsätzlich stand. Der Imperativische C-Kopf tritt damit als potentiell flexionsrelevanter Landeplatz der Imperativischen Verbbewegung in Erscheinung und wird daraufhin als speziell modusdefinierter funktionaler Kopf der Imperativierung reanalysiert, woraufhin die Verkettung der MoodP innerhalb der Imperativischen IP nicht mehr stattfindet. Die Imperativische V-nach-C-Bewegung ist insofern in allen Sprachen, die ihre V2-Periode hinter sich gelassen haben, als Relikt bzw. VI-Rest eben dieser Sprachstufe zu definieren. Insbesondere im modernen Englischen wird sie in nicht-negierten und nicht affirmativ markierten Imperativsätzen mittlerweile auf LF vollzogen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass bereits im späten Frühneuenglischen die overte Anhebung lexikalischer Vollverben aussetzt und damit die obligatorische s-strukturelle Realisierung des attrahierenden funktionalen Kopfes aufgehoben wird. Die Imperativischen Verben des Englischen fordern seitdem nur dann die Insertion ihres funktionalen Substituts, wenn unabhängige syntaktische Bedingungen die overtmorphologische Repräsentation eines funktionalen verbalen Landeplatzes benötigen. Daher kommt das funktionale Element do in Imperativsätzen bis heute nur im Falle von deren Negation oder emphatischen Affirmation zum Einsatz. Es landet vor Spell-out in C°, wo es mit dem in SpecC generierten Imperativischen Null-Operator ein Spezifikator-KopfVerhältnis eingeht. Innerhalb der C-Domäne wird das imperativierte Verb zunächst an den Kopf der FinP bewegt. Es lizenziert dort zusammen mit seiner temporalen Charakterisierung und Personenkongruenzkodierung seine modale Spezifizierung. In den modernen romanischen Sprachen steigt es hiernach, um auf der Ebene der TypFocP mit seinem Imperativischen Null-Operator in eine Spezifikator-Kopf-Relation zu treten, overt in den CP-internen Fokusbereich auf. In den westgermanischen vollständigen V2-Sprachen erfolgt diese Anhebung des imperativierten Verbs nach TypFoc 0 erst auf LF. Neben kontrastiv fokussierten Elementen nehmen dort demgemäß auch topikalisierte Elemente, die den Spezifikator der Fin-Projektion bilden, in Imperativischen Konstruktionen oberflächenstrukturell die satzinitiale Position ein. Die Enklitisierung an die imperativierten Verben der romanischen Sprachen stellt, obwohl sie rein distributionell als ein Relikt der V2-Phase der älteren romanischen Sprachen zu betrachten ist, eine höhere Stufe der diachronischen Entwicklung von Klitika dar als die Proklitisierung an die finiten Verbelemente der anderen Modi. Während nämlich die Klitika nicht-imperativischer Konstruktionen in den älteren romanischen vollständigen V2-Sprachen ihrem Finitum gemäß der Tobler-Mussafia-Generalisierung meist vorangehen und damit schließlich innerhalb der Derivation den Zustand eines linksadjungierten Kopfelementes erreichen, bleibt den klitischen Komplementen von Imperativen die Erlangung des Status eines Proklitikums von Anfang an verwehrt. Die Imperativischen Klitika werden im Zuge des syntaktischen Wandels unmittelbar als

2. Die Imperativische

Verbbewegung

147

affixale Objektkongruenzmorpheme reanalysiert. Als solche verschmelzen sie am funktionalen Kopf AgrO 0 mit dem aufsteigenden Verbelement und werden mit diesem an dessen höchste Landeposition TypFoc 0 angehoben. Anders als die Klitika der modernen romanischen Sprachen, sind die westgermanischen Klitika nicht systematisch mit dem flektierten Verbelement verknüpft. Als schwache Pronomen entsprechen sie in ihrer kategorialen Zugehörigkeit den Klitika älterer romanischer Sprachen und werden demgemäß unabhängig von der verbalen Kopfbewegung lediglich in die Anhebungsprozedur der XP-Bewegung involviert. Sie verhalten sich demnach bis heute bezüglich ihrer syntaktischen Distribution in Imperativsätzen nicht anders als in allen anderen Satztypen auch.

3. Imperativierung und Negation

3.1. Einleitung Das Verhältnis zwischen Imperativierung und Negation ist äußerst zwiespältig. In einigen Sprachen harmonieren diese beiden Prozesse miteinander, in einer Vielzahl anderer Sprachen jedoch schließen sie sich gegenseitig strikt aus. Warum überhaupt Negationsinkompatibilitäten in Imperativsätzen zustande kommen und aus welchem Grund sie nicht in sämtlichen Sprachen zu verzeichnen sind, möchte ich im Folgenden eruieren. Hierbei werde ich mich unter Einbeziehung des Griechischen und einiger slawischer Sprachen hauptsächlich auf die westgermanischen und romanischen Sprachen beziehen. Denn gerade dort kann eindeutig ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Auftreten bestimmter Satznegationsmarker und der spezifischen Verbbewegung formal unmarkierter Imperative ausgemacht werden. In dem nun folgenden theoretischen Überblick 3.2. wird die Operation der Satznegation und deren zentrales Prinzip, das Neg-Kriterium, vor dem Hintergrund des modernen generativen Syntaxmodells anhand verschiedener Negationsmechanismen veranschaulicht. Hiernach werden zwei Forschungsarbeiten präsentiert, in denen das Phänomen der Imperativischen Negationsinkompatibilität auf unterschiedliche Weise expliziert wird. Warum beide Ansätze der Problematik allerdings nicht zufriedenstellend gerecht werden, wird in 3.3.3. erläutert. In der von mir in Kapitel 3.4. unterbreiteten Analyse wird sich schließlich herausstellen, dass speziell die Imperativische V-nach-C-Bewegung die Identifikation von coverten phrasalen Negationsoperatoren nicht zulässt und daher vor allem in einer Anzahl romanischer Sprachen Negationsunverträglichkeiten auslöst.

3.2. Satznegation 3.2.1. Jespersens Zyklus Zurückgehend auf die aristotelische Logik wird die natürlichsprachliche Negation im Allgemeinen als semantische Operation, die Bedeutungen bestimmter Typen auf gegenteilige Bedeutungen desselben Typs abbildet, definiert (vgl. u.a. Gale 1976; Horn 1989; Jacobs 1991). Speziell die Satznegation operiert hierbei auf Prädikationen. Sie fungiert laut Ladusaw (1996) damit insofern als exozentrischer Operator, als sie niemals durch sie eigens determinierte Gesamtsätze oder -äußerungen negiert, sondern vielmehr aus einem Subjekt und einem Prädikat bestehende Propositionen modelliert.

150

3. Imperativierung und Negation

Auf dem Gebiet der Syntaxtheorie versucht man zu ergründen, wie die Operation der Satznegation formal und strukturell repräsentiert wird und ob diesbezüglich universelle Strategien auszumachen sind. Mit einiger Sicherheit lässt sich zumindest feststellen, dass zur besonderen Markierung der Satznegation in sämtlichen natürlichen Sprachen bestimmte grammatikalische Mittel zur Verfügung stehen. Diese sind, wie unter anderem Dahl (1979) und Payne (1985) eruiert haben, äußerst vielfaltig und reichen von tonalen Variationen über den Einsatz von Flexionsmorphemen und Partikeln bis hin zur Verwendung spezieller Auxiliare. Die unterschiedlichen Arten von Negationsmarkern können dabei innerhalb einer Einzelsprache und sogar innerhalb einer einzelnen Satzkonstruktion durchaus gemeinsam auftreten und wechseln darüber hinaus im Laufe der Sprachgeschichte oftmals nicht nur ihre Gestalt und Distribution, sondern auch ihre kategoriale Zugehörigkeit. Den strukturellen Wandlungsprozess der Satznegation untersuchte erstmals Otto Jespersen Anfang des letzten Jahrhunderts in aller Ausführlichkeit und legte damit einen Grundstein für die syntaxbasierte Analyse der Negation. Wie Jespersen (1917) unter besonderer Berücksichtigung der germanischen und romanischen Sprachen zeigt, durchläuft die Satznegation verschiedene Stadien ihrer syntaktischen Repräsentation. Das seit dem Urgermanischen grundsätzlich präverbal realisierte Negationselement erfahrt sonach zunächst eine sukzessive phonologische Abschwächung, was zur Folge hat, dass es immer häufiger nach adverbialen oder nominalen Negation s Verstärkern im Satz verlangt. Diese Intensivierungskonstituenten werden als notwendige Bestandteile der Satznegation reanalysiert, sobald der ursprüngliche Negationsmarker das Stadium eines unbetonten Klitikons erreicht hat und im weiteren Verlauf nunmehr optional in Erscheinung tritt. Bei dessen anhaltendem Ausbleiben übernehmen sie als phrasale Operatoren die vollständige Repräsentation der Satznegation genau solange, bis sie selbst einer Abschwächungsprozedur unterliegen und damit das gesamte Verfahren erneut in Gang bringen. Eine derartige fluktuierende Funktionalisierung von Negationsausdrücken, auch im Allgemeinen bekannt als „Jespersen's Cycle", kann, wie Jespersen (1917; 1924) selbst zeigt, unter anderem im Lateinischen, Französischen, Italienischen, Deutschen, Niederländischen, Englischen und in den skandinavischen Sprachen nachgewiesen werden. So wird die Negationspartikel ne im späten Altlateinischen (vgl.: (la)) als zu schwach empfunden und infolgedessen durch das Pronomen oenum („einer") verstärkt. Die Verschmelzung von ne und oenum führt im klassischen Latein schließlich zur Etablierung des Satznegationsoperators non (vgl.: (lb)), welcher über das Vulgärlateinische wiederum abgeschwächt im Altfranzösischen als präverbaler Negationsmarker ne erscheint (Jespersen 1924: 335f.) (vgl.: (lc)). Im Neufranzösischen nimmt ne fast ausnahmslos obligatorisch die ehemals nominale und rein intensivierende Nega-tionsphrase pas („Schritt") zu sich' (vgl.: (ld)) und wird, als mittlerweile unbetontes Element, wenn möglich klitisiert oder sogar, zumindest im aktuell gesprochenen Französischen, ganz ausgelassen (vgl.: (le)).

' Der Gebrauch von ne ohne pas beschränkt sich im heutigen Französischen auf gewisse feststehende Wendungen und auf die Negation von Verben wie pouvoir („können"), oser („wagen"), savoir („wissen"), cesser („aufhören").

3, Imperativierung

und

Negation

151

(1) (a) ne dico NEG sag-1SG „ich sage nicht"

(Altlatein) ([Jespersen 1924: 335])

(b) Non est ad astra mollis e terris via. (Klassisches Latein) NEG sei-3SG zu Sternen bequem von Erde Weg „Nicht ist der Weg zu den Sternen von der Erde aus bequem." (Seneca Herculesfurens 437) (c) Li fil ne conoistra le peire... (Altfranzösisch) der Sohn NEG erkenn-3SG+FUT den Vater „Der Sohn wird den Vater nicht wieder erkennen." (Antéchrist 1,397 [Tobler & Lommatzsch 1583]) (d) Monique η' est pas venue Monika NEG sei-3SG NEG gekommen „Monika ist nicht gekommen." (e) Je ris pas ich lach-1 SG NEG „Ich lache nicht."

(Französisch)

(Gesprochenes Französisch)

Im Standarditalienischen repräsentiert in präverbaler Stellung nach wie vor non die satzrelevante Negation (vgl.: (2a)). In zahlreichen Dialekten des Italienischen zeigt sich jedoch eine ähnliche Verlagerungsentwicklung wie im Französischen. Ein Beispiel hierfür ist das Piemontesische. Dort war es bis zum 17. Jahrhundert möglich, Satznegation allein mit Hilfe der proklitischen Negationspartikel ne zum Ausdruck zu bringen. Danach konnte diese bis etwa ins 19. Jahrhundert nur zusammen mit dem negationsverstärkenden Element nen(t) zum Einsatz gelangen (vgl.: (2b)) und ist mittlerweile sogar gänzlich aus dem Sprachschatz des Piemontesischen verschwunden (vgl.: (2c)) (Zanuttini 1997: 14). Auch im Lombardischen (vgl.: (2d)), Emilischen und Germasinischen ist das präverbale non oder ne bereits vollständig durch postverbale Negationsphrasen verdrängt worden (Rohlfs 1949: 188ff.).

(2) (a) Ornella non torna a casa Ornella NEG kehr-3SG zurück nach Haus „Ornella kommt nicht nach Hause zurück." (b) U ne

bugia

nent

(Italienisch)

(Piemontesisch (19. Jh.))

KL NEG beweg-3SG NEG

„Er bewegt sich nicht." (c) Capis nèn versteh-2SG NEG „Du verstehst nicht."

(Piemontesisch)

152

3. Imperativierung (d) Dormi nò schlaf-lSG NEG „Ich schlafe nicht."

und

Negation

(Westlombardisch)

In den germanischen Sprachen wurde zuerst im skandinavischen Sprachraum die präverbale Negationspartikel abgeschwächt und anschließend deletiert. Bereits im 7. Jahrhundert haben dort in allen Sprachgebieten funktionalisierte Intensivierungskomplemente, wie zum Beispiel im Isländischen ekki (ehemals ne aingi („nicht etwas")) oder im Dänischen ej (ehemals ne aiwgi („nicht jemals")), die ursprüngliche präverbale Partikel ne in ihrer satznegierenden Funktion abgelöst (Jespersen 1924: 335f.; Burridge 1993: 212f.). Im Deutschen überlebt das präverbal negierende ni (vgl.: (3a)), obwohl es seit der althochdeutschen Periode gehäuft mit negationsverstärkenden Akkusativobjekten und Adverbialausdrücken kombiniert und fortlaufend phonologisch abgeschwächt wird, jedoch fast bis ins 13. Jahrhundert. Erst ab dem 12. Jahrhundert erscheint es nur noch in Verbindung mit verschiedenen Modalverben und einer bestimmten Gruppe sehr gebräuchlicher Verben, wie lâzen („lassen"), tuon („tun"), wizzen („wissen"), ruochen („sich kümmern"), ohne die aus ni und dem neutralen substantivischen Pronomen eowiht fusionierte Negationsphrase niht (vgl.: (3b,c)), zu deren Gunsten es im späten Mittelhochdeutschen schließlich vollständig getilgt wird (Paul et al. 1998: 397ff.) (vgl.: (3e)). (3) (a) ni waniu ih... NEG wähn-lSG ich „Ich wähne nicht..."

(Althochdeutsch)

{Hildebrandslied

28)

(b) ichn weiz obe ich schoene bin (Mittelhochdeutsch) ichNEGwiss-lSGob ich schön bin „Ich weiß nicht, ob ich schön bin." (Walther von der Vogelweide Frowe, enlât iuch niht verdriezen 13) (c) Sine mohte mit ir krefte des schuzes niht gestän (Mhd.) sieNEG könn-PRÄT+3SG mit ihren Kräften des Schusses NEG standhalten „Sie konnte mit ihren Kräften dem Schuss nicht standhalten." (Nibelungenlied VII.475,3) (d) Man muss nicht die buchstaben (Frühneuhochdeutsch) inn der lateinischen spräche fragen ... (Luther Ein Sendbrieff / von Dolmetschen 4.1)

3. Imperativierung und Negation

153

Im Englischen verliert das negationsverstärkende Substantiv nauht/nawt2 etwa im 11. Jahrhundert seinen emphatischen Charakter und repräsentiert infolgedessen während der gesamten mittelenglischen Periode neben der ehemals selbständigen Negationspartikel ne (vgl.: (4a)) die satzrelevante Negation (van Kemenade 1994) (vgl.: (4b)). Erst im 15. Jahrhundert wird ne vollständig eliminiert, so dass allein nauht/nawt - bzw. wenig später not - als operationaler Negationsmarker overt bestehen bleibt (Jespersen 1924: 336) (vgl.: (4c)). Seit etwa Anfang des 20. Jahrhunderts wird not bereits im unmarkierten Fall grundsätzlich entweder an eines der beiden lexikalischen Hilfsverben have und be (vgl.: (4d)), an Modalverben oder am Verbsubsitut do als phonologisch abgeschwächte Negationspartikel enklitisiert. (4) (a) he ne andwyrde dam wife cet fruman er NEG antwort-PRÄT-3SG der Frau als erste „Er antwortete nicht als erstes der Frau." (The Homilies ofJElfric ii.l 10,33) (b) Pis ne habbe ic nauht ofearned das NEG hab-1SG ich NEG verdient „Das habe ich nicht verdient." (Book of Vices and Virtues 17,9)

(Altenglisch)

(Mittelenglisch)

(c) Love lykes not the falling frut from the wythered tree (Frühneuengl.) Liebe gleich-3SG NEG der fallenden Frucht von dem verdorrten Baum „Liebe gleicht nicht der Frucht, die von dem verdorrten Baum fallt." (Sir Walter Raleigh Pilgrim to Pilgrim 27,28) (d) Jimmy hasn 't won the prize Jimmy hab-3SG-NEG gewonnen den Preis „Jimmy hat den Preis nicht gewonnen."

(Englisch)

3.2.2. NegP Wie in Kapitel 2.2.1.3. erläutert wurde, erscheint es auf der theoretischen Grundlage der Split-INFL-Hypothese durchaus angebracht anzunehmen, dass Satznegation stets mit der Verkettung einer IP-internen funktionalen NegP einhergeht. Auf welcher Projektionshöhe diese Satznegationsphrase aber schließlich in der INFL-Domäne angesiedelt wird, ist, wie Laka (1990) und Ouhalla (1991) verdeutlichen, eindeutig Gegenstand der sprachlichen Parametrisierung. Während sie zum Beispiel im Standardarabischen und im Türkischen unmittelbar von der T-Projektion dominiert wird, nimmt sie diese im Baskischen und, wie Belletti (1990), Haegeman (1995), Pollock (1997) und Cinque (1999) beobachten, auch in den westgermanischen und romanischen Sprachen zum

2

Der Negationsverstärker nauht ist das Ergebnis der Verschmelzung der einfachen Negationspartikel ne mit dem Substantiv iowihl („B'sschen").

154

3. Imperativierung

und Negation

Komplement. Dementsprechend läßt sich zum Beispiel feststellen, dass der nichtklitische Negationsmarker not der modernen westgermanischen Sprache Englisch zwar in negierten finiten Sätzen dem in AgrS° positionierten Hilfsverb folgt (vgl.: (5a)) aber in negierten Infinitivkonstruktionen der in T° generierten Infinitivpartikel to stets vorangeht (vgl.: (5b)) (vgl. 3.4.5.) und dass die Negationsphrase pas der modernen romanischen Sprache Französisch nicht nur Infinitive, die auf der Ebene der IP-internen InfP gelandet sind, hinter sich lässt (Kayne 1991; Rowlett 1998: 160ff.), sondern auch vor derartigen Grad- und Temporaladverbien wie déjà, du tout, souvent, toujours, demain („schon (noch), ganz, oft, immer, morgen") angeordnet ist (Pollock 1989; Cinque 1999: 4ff.) (vgl.: (5c)) (vgl. 2.2.1.3.; 3.2.4.; 3.2.6.).

(5)

(a) This guy is not my husband. dieser Typ sei-3SG NEG mein Gatte „Dieser Typ ist nicht mein Gatte."

(Englisch)

(b) Alice would prefer not to spend her holidays in Las Vegas. (Engl.) Alice AUX bevorzugen NEG zu verbringen ihren Urlaub in Las Vegas „Alice würde es vorziehen, nicht ihren Urlaub in Las Vegas zu verbringen." (c) Ne pas souvent manger du chocolat c 'est mauvais pour l'âme (Franz.) NEG NEG oft essen von Schokolade das sei-3sG schlecht für die Seele „Nicht oft Schokolade zu essen ist schlecht für die Seele." Zanuttini (1997: 60ff.) glaubt sogar, dass je nach Satznegationsstatus verschiedene NegPs auf unterschiedlichen IP-Ebenen projiziert werden. Ihrer Einsicht nach befindet sich etwa derjenige Negationsmarker, der der Negation von präsupponierten bzw. in den Diskurs bereits eingeführten Propositionen dient, in den romanischen Sprachen in einer strukturell wesentlich höher gelegenen Position als Negationselemente, die hinsichtlich des diskursiven Status ihrer zu negierenden Proposition nicht gesondert spezifiziert sind. Die oberflächensyntaktische Repräsentation der IP-internen funktionalen NegPs variiert dabei zwischen den einzelnen Sprachen. Dies belegt Zanuttini (1991; 1997) recht eindrucksvoll in ihren komparativen Studien über die Satznegation in den romanischen Sprachen. Dort zeigt sie, dass die drei Stadien, die Jespersen (1917) in dem historischen Entwicklungskreislauf der Satznegation auf rein diachronischer Ebene ausgemacht hat, innerhalb der modernen Romania durchaus auch auf synchronischem Level anzutreffen sind. So wird Satznegation in den meisten romanischen Standardsprachen, wie zum Beispiel im Standarditalienischen, im Spanischen, im europäischen Portugiesischen (vgl.: (6a)) und im Rumänischen, gemäß Jespersens erstem Stadium präverbal vollzogen. Unter anderem im Französischen, im Wallonischen und in einigen rätoromanischen Dialekten (vgl.: (6b)) befindet sie sich hingegen in Jespersens zweiten Stadium, also grundsätzlich in gleichzeitiger prä- und postverbaler Realisierung. Jespersens drittes Stadium, die postverbale Negation, lässt sich schließlich in einer Anzahl provenzalischer (vgl.: (6c)) und italienischer Varietäten beobachten.

155

3. Imperativierung und Negation

(6)

(a) A Maria näo veio. die Maria NEG komm-PRÄT+3 SG „Maria kam nicht." (b) Igl bab na lavoura bets. der Vater NEG arbeite-3SG NEG „Der Vater arbeitet nicht." (c) Vôl

(Portugiesisch)

(Rätoromanisch (Graubünden))

pas venir.

(Okzitanisch)

WOI1-3SG NEG k o m m e n

„Er will nicht kommen." Wie Ouhalla (1990) und Haegeman (1995) nun feststellen, entspricht die präverbale Negation der overten Repräsentation des negativen Kopfelements Neg°. Da dieses als morphologisch realisiertes Negationsklitikon im Zuge der verbalen Kopfbewegung an das aufsteigende Verb linksadjungiert, ist es wie in (6a) stets links von dem Finitum angeordnet. Die postverbale Negation dagegen resultiert aus der lexikalischen Realisierung des Spezifikators SpecNeg. Dieser wird als operationale XP nicht gemeinsam mit dem Verbelement angehoben und folgt ihm demnach in finiten Konstruktionen (vgl.: (6c)). Eine gemeinsame overte Realisierung des Kopfes Neg° und des Spezifikators SpecNeg ist, so Ouhalla (1990) und Haegeman (1995), letztendlich in den Sprachen und Dialekten zu verzeichnen, die wie der graubündnerische Dialekt des Rätoromanischen (vgl.: (6b)) über einen prä- und einen postverbalen Negationsmarker verfugen.

3.2.3. Das Neg-Kriterium Das Wohlgeformtheitskriterium, welches die strukturelle Relation und Interpretation negativer Elemente in Äußerungen determiniert, wurde 1991 von Haegeman und Zanuttini als Neg-Kriterium (Neg-Criterion) (vgl.: (7)) formuliert (vgl. Haegeman & Zanuttini 1991). Nach diesem sind Neg-Operatoren, ebenso wie Wh- und Foc-Operatoren (vgl. Klima 1964, Rizzi 1991b, Aboh 1993), skopusindizierende affektive A'-Elemente, die zum Zwecke ihrer rechtmäßigen Lizenzierung eine Spezifikator-Kopf-Beziehung zu einem entsprechend kodierten funktionalen Kopf eingehen (Haegeman 1995: 70ff.). (7) Neg-Criterion: a. A Neg-operator must be in a Spec-head configuration with an X°[Neg]; b. An X°[Neg] must be in a Spec-head configuration with a neg-operator with the following definitions: c. Neg-operator: a Neg-phrase in a scope position; d. Scope-position: a left peripheral A'-position (i.e. XP-adjoined or Spec). (Haegeman & Zanuttini 1991)

3. Imperativierung und Negation

156

Satznegation setzt grundsätzlich die strukturelle Befriedigung des Neg-Kriteriums voraus. Um diese zu erlangen, werden, wie Jespersen (1917) und - auf der Grundlage von dessen Untersuchungen - auch Zanuttini (1991; 1997), Ouhalla (1990; 1991) und Haegeman (1995) deutlich gemacht haben, verschiedene Strategien angewandt, wobei deren zentrales Unterscheidungscharakteristikum in der jeweiligen Realisierung des phrasalen Negationsoperators liegt.

3.2.4. Overte Negationsoperatoren Overte Negationsphrasen, die in SpecNeg basisgeneriert werden, repräsentieren in ihrer genuinen Form Satznegation. Als kontentive Negationsoperatoren definieren sie unmittelbar von der Ebene ihrer IP-internen Neg-Projektion aus den Satznegationsskopus und erfüllen somit gleichzeitig innerhalb der Spezifikator-Kopf-Relation zu ihrem Kopf Neg° das Neg-Kriterium. Unter anderem in den westgermanischen SOV-Sprachen, wie zum Beispiel im Niederländischen und Deutschen, sind kontentive genuine Negationsoperatoren grundsätzlich overt realisiert. Als Spezifikatoren der die TP unmittelbar dominierenden NegP erscheinen sie oberflächensyntaktisch stets im Mittelfeld der entsprechend negierten Konstruktion (Haegeman 1995: 113ff.) (vgl.: (8)).3

(8) (a) Zij woont niet in Rotterdam. sie wohn-3SG NEG in Rotterdam „Sie wohnt nicht in Rotterdam." (b) Der Manni glaubt nicht an den Osterhasen.

(Niederländisch)

(Deutsch)

Wie (9) am Beispiel von (8b) verdeutlicht, wird das finite Verb dieser Sprachen im Falle der Satznegation vor Spell-out nach Neg° angehoben. Es hinterlässt dort eine Spur, die zu dem lexikalisch realisierten Negationsoperator SpecNeg (nicht) in einer Spezifikator-Kopf-Relation steht.

3

In der deutschsprachigen linguistischen Literatur wird oftmals die Annahme geäußert, dass die Negation im Deutschen wie ein Adverb zu analysieren sei (vgl. u.a. Kürschner 1983; Eisenberg 1999). Dem widerspricht allerdings zunächst, dass das Deutsche ebenso wie das Niederländische, Englische und die romanischen Sprachen in Jespersens Zyklus eingebunden ist. Auf der Grundlage dessen ist es wenig plausibel anzunehmen, dass das mittelhochdeutsche Neg°-Element ne durch eine Phrase verdrängt wurde, welche weder mit ne innerhalb der NegP in einer syntaktischen Relation stand noch als unmarkiertes operationales Satznegationselement diese funktionale Projektion unmittelbar zu repräsentieren vermochte (vgl. 3.2.5., 3.2.6.). Dass das moderne Deutsche prinzipiell über eine IP-interne NegP verfugt, zeigen Sätze, in denen ein adjektivisches Kopfelement eine negative Konstituente zum Komplement nimmt. In derartigen Konstruktionen hat letztere nur dann Satznegationsskopus, wenn sie mittels Scrambling in die Spezifikatorposition der funktionalen NegP angehoben wurde und somit dem Adjektiv vorangeht (vgl. 3.2.7.). Nicht-negative Komplemente können dagegen im unmarkierten Fall auch hinter diesem verbleiben (Haegeman 1995: 165ff.).

3. Imperativierimg

und

157

Negation

(9)

Spec der Manni

PP an den Osterhasen

Unter den romanischen SVO-Sprachen sind, wie Zanuttini (1991; 1997) zeigt, eine Reihe von Varietäten zu verzeichnen, die gegenwärtig eine analoge Satznegationsstrategie an den Tag legen. Zu nennen sind hier neben dem in (6c) bereits aufgeführten Okzitanischen unter anderem auch der in 3.2.1. erwähnte norditalienische Dialekt Piemontesisch (vgl.: (10a)) und der franko-provenzalische Dialekt Valdotanisch (vgl.: (10b)). Das Neg-Kriterium wird dort, ebenso wie im Deutschen, auf der dritten Stufe des Jespersenschen Zyklus in dem Spezifikator-Kopf-Verhältnis zwischen dem overten Negationsoperator SpecNeg und dem Kopf Neg° befriedigt. (10) (a) Gina a mangia nen. Gina KL(PRON) ess-3SG NEG „Gina isst nicht."

(Piemontesisch)

(b) Gianni compren pa tot. Gianni versteh-3SG NEG alles „Gianni versteht nicht alles."

(Valdotanisch)

Auch auf der zweiten Ebene des Jespersenschen Zyklus werden kontentive Negationsoperatoren stets lexikalisch realisiert. Anders als die genuinen Negationsphrasen der im dritten Stadium von Jespersens Zyklus befindlichen Sprachen kookkurieren sie aller-

3. Imperativierung

158

und Negation

dings mit einem overten negativen Kopfelement. Dieses wird an Neg° basisgeneriert und im Zuge der verbalen Kopfbewegung von dem Finitum aufgenommen und angehoben. Eine derartige Korrelation von Negationselementen ist noch heute im Westflämischen, einer westgermanischen SOV-Sprache, zu beobachten. Bei der Derivation negierter Strukturen linksadjungiert dort - zumindest in der gesprochenen Sprache der älteren Generationen - eine Negationspartikel en am Kopf Neg° an das aufsteigende Verbelement und hinterlässt dabei gemeinsam mit Letzterem innerhalb der SpezifikatorKopf-Relation zu der overt realisierten Negationsphrase nie eine Spur (Haegeman 1995: 120ff.) (vgl.: (11)). (11)

(Westflämisch) (a) Ze en-j goat nie t¡ nor us. sie NEG geh-3SG NEG nach Hause „Sie geht nicht nach Hause." (b) Valére en-¡ eet nie t¡ s 'oavends. Valére NEG ess-3SG NEG abends „Valére isst abends nicht."

In den romanischen Sprachen ist neben dem in (6b) bereits erwähnten rätoromanischen Dialekt vor allem auch das Französische bislang im zweiten Stadium des Jespersenschen Zyklus angelangt (vgl.: (12)) (vgl. 3.2.1.). Auch dort wird das negative Kopfelement Neg 0 morphologisch repräsentiert. Im Falle der overten verbalen Kopfbewegung nach AgrS° (bzw. C°) landet das aufsteigende Verbelement an diesem noch vor Spell-out und inkorporiert dort ein entsprechendes Negationsklitikon (vgl. (13) am Beispiel von (12a)). (12)

(Französisch) (a) Albert ne¡ viendra pas ti. Albert NEG komm-FUT+3SG NEG „Albert wird nicht kommen." (b) Alain η, ' aime pas t; du tout le cercueil brun. Alain NEG mög-3sG NEG ganz den Sarg braun „Alain mag den braunen Sarg überhaupt nicht."

3. Imperativierung

und Negation

159

(13) AgrSP Spec

AgrS'

Albert

Spec

Vo ti Eine fur die Lizenzierung der Satznegation unausweichlich notwendige Anhebungsprozedur vollzieht das attrahierte Verbelement damit allerdings nicht. Da nämlich overte kontentive Negationsoperatoren keiner Identifikation durch etwaige X ° - E l e m e n t e bedürfen, agieren sie völlig unabhängig davon, wann und ob überhaupt eine verbale Kategorie im Verlauf der Derivation an ihrem K o p f Neg° landet. Folglich kodieren overte kontentive Negationsoperatoren auch dann Satznegation, wenn das flektierte Verbelement erst auf L F in die INFL-Domäne bewegt wird. So befindet sich zum Beispiel das Frühneuenglische, ebenso wie das in (9b) aufgeführte Deutsche, im dritten Stadium des Jespersenschen Zyklus. Es verfugt demnach über einen Satznegationsmarker, der den genuinen Spezifikator der funktionalen NegP bildet. Weil nun im Frühneuenglischen einerseits die Anhebung des finiten Verbs nicht mehr obligatorisch vor Spell-out vollzogen wird, aber andererseits do-support noch nicht vollständig entwickelt ist, verbleiben dort flektierte Hauptverben in Negationskontexten oftmals oberflächensyntaktisch in ihrer VP-internen Basisposition und sind sonach der auf der Ebene der NegP realisierten Negationsphrase not nachgeordnet (vgl. Roberts 1993: 303ff.) (vgl.: (14)). 4

Roberts (1993: 303ff.) bewertet derartige Strukturen wie (14a) und (14b) als Evidenzen für den im Frühneuenglischen einsetzenden „Lowering"-Prozess (vgl. 2.2.1.3.). 4

160

3. Imperativierung

(14)

und

Negation

(Frühneuenglisch) (a) Or if there were, it not belongs to you. oder wenn da sei-KONJ es NEG gehör-3SG zu dir „Selbst wenn es dort wäre, es gehört dir nicht." (William Shakespeare Henry IV IV,i,98) (b) Safe on this ground we not fear today to... sicher auf diesem Boden wir NEG furcht-1 PL heute zu „Sicher auf diesem Boden furchten wir uns heute nicht zu ..." (Ben Jonson Sad Shepherd Prol. 37)

Die negierten Infinitive der westgermanischen SOV-Sprachen lassen des weiteren erkennen, dass verbale Kopfbewegung gar nicht erst die Projektionsebene der funktionalen NegP erreichen muss, um die Repräsentation der Satznegation mit Hilfe eines lexikalisch realisierten Negationsoperators zu ermöglichen Wie (15) illustriert, folgen sowohl das deutsche als auch das niederländische infinitivische Verb der in I n P verankerten Verbalpräposition (vgl. Haegeman 1995: 156). Da sich in den westgermanischen SOV-Sprachen keine coverte V-nach-I-Bewegung etablieren konnte, absolvieren sie demzufolge auch keine Landung an Neg°. Dennoch fallen sie offensichtlich unter den Skopus der Satznegation. (15) (a) Flo hat sich vorgenommen,

nicht über Ankes Hut zu lachen.

(b) Ik raad je niet met de fiets te gaan. ich rat-lSG dir NEG mit dem Fahrrad zu gehen „Ich rate dir, nicht mit dem Fahrrad zu fahren."

(Deutsch) (Niederländisch)

In einigen Sprachen und Dialekten, die gegenwärtig im zweiten Stadium des Jespersenschen Zyklus angelangt sind, kommt das negative Kopfelement in infinitivischen Konstruktionen daher nicht in seiner overten Form zum Einsatz. Das westflämische Negationsklitikon en zum Beispiel benötigt stets ein aufsteigendes Verbelement, an welches es noch vor Spell-out andocken kann und erscheint demgemäß grundsätzlich nicht in Anwesenheit eines infiniten Hauptverbs (vgl. Haegeman 1995: 146ff.) (vgl.: (16a)). Diese Korrelation zwischen der fehlenden verbalen Anhebung an den Kopf der funktionalen NegP und dem Ausbleiben von dessen overtmorphologischer Repräsentation ist in vielen anderen flämischen Dialekten indessen nicht zu beobachten. Im Südflämischen wird die Negationspartikel en auch in Infinitiven grundsätzlich eingesetzt. Sie verbleibt dort in ihrer Basisposition Neg° und ist demgemäß dem overten genuinen Negationsoperator niet oberflächenstrukturell nachgeordnet (vgl.: (16b)). (16) (a) da Valére prebeerdige van nie dui ip Marie te zyn (Westflämisch) dass Valére versuch-PRÄT-3sG von NEG böse auf Marie zu sein(lNF) „dass Valére versuchte, nicht sauer auf Marie zu sein."

3. Imperativierung

und Negation

(b) Ga je vandaag nieten kaarten? geh-2SG du heute NEG NEG Karten spielen(iNF) „Gehst du heute nicht Karten spielen?"

161 (Südflämisch)

3.2.5. Coverte Negationsoperatoren Auf der ersten Stufe von Jespersens Zyklus werden kontentive Satznegationsoperatoren nicht overt realisiert. Da deren operationaler Gehalt aber die logische Interpretation von Äußerungen determiniert, müssen sie oberflächensyntaktisch dennoch stets durch andere negativ kodierte Elemente als Spezifikator der funktionalen NegP rekonstruiert werden (Haegeman 1995: 186f.). Demzufolge beherbergt der funktionale Kopf Neg° aller Sprachen, die sich im ersten Stadium des Jespersenschen Zyklus befinden, eine lexikalisch realisierte Negationspartikel, welche oberflächenstrukturell Satznegation indiziert. Weiterhin enthält er ein starkes [V]-Merkmal, welches das verbale Kopfelement vor Spell-out attrahiert und damit gewährleistet, dass das Identifikationsklitikon der Satznegation allein am Hauptverb eine negative Markierung vornimmt. Die attrahierte verbale Kategorie muss, um dabei die Identifikation des Satznegationsoperators tatsächlich garantieren zu können, nicht nur mit diesem auf der Ebene der NegP eine Spezifikator-Kopf-Beziehung eingehen, sondern auch bis dahin hinreichend als verbaler Kopf der jeweiligen IP definiert sein und demgemäß zumindest Merkmale hinsichtlich ihrer Finitheit bzw. Infinitheit lizenziert haben. Denn nur in diesem Fall ist sie dazu befähigt, an Neg° die Negation der durch sie eigens prädizierten Proposition einzuleiten. Folglich kann Satznegation in Abwesenheit eines overten Negationsoperators erst dann vollzogen werden, wenn ein bezüglich seiner Finitheit ausreichend spezifiziertes Verbelement an Neg° landet und dort eine entsprechende Negationspartikel inkorporiert. Sprachen, die, wie zum Beispiel das Spanische oder Italienische, nicht die Möglichkeit besitzen, den genuinen kontentiven Negationsoperator SpecNeg lexikalisch zu realisieren, verlangen daher prinzipiell, dass die Hauptverbelemente ihrer sämtlichen finiten und infiniten Sätze noch vor Spell-out die AgrS-Projektion erreichen und sich damit stets in der Lage befinden, auf der Ebene einer oberhalb der funktionalen TP verketteten NegP zwischenzulanden. 5 Im Falle der satzrelevanten Negation nimmt das jeweils attrahierte Verbelement, nachdem es auf der Ebene der T-Projektion seine temporale Spezifikation lizenziert hat, am Kopf der NegP ein Negationsklitikon auf und steigt mit diesem vor Spell-out in seine höchste Checking-^oúXion auf (vgl.: (17)).

5

Unabhängige Evidenz dafür, dass sich die reinen Infinitive der beiden romanischen Sprachen Spanisch und Italienisch hinsichtlich ihrer verbalen Kopfbewegung in der Tat ebenso verhalten w i e finite Verben, erbringt unter anderem Rizzi (1994). Wie nämlich Spracherwerbsdaten vornehmlich aus den germanischen Sprachen zeigen, produzieren Kinder in einem Alter von etwa zwei Jahren gewöhnlich Deklarativsätze mit infiniten Verben, was auf eine noch rudimentär ausgebildete Repräsentation von Satzstrukturen in einem bestimmten Spracherwerbsstadium hindeutet. Da Muttersprachler des Italienischen und Spanischen derartige Satzkonstruktionen in diesem Alter offensichtlich nicht generieren, schließt Rizzi (1994), dass die Infinitive dieser beiden Sprachen auf eine hohe Projektionsebene innerhalb der IP angehoben werden. Zu dem gleichen Ergebnis kommt Cinque (1999). Er stellt fest, dass Infinitive im Italienischen diejenigen Modaladverbien, die auf der IP-Ebene noch oberhalb der funktionalen TP positioniert sind, obligatorisch überrunden.

162

3. Imperativierung und Negation

Zwischen dem coverten Negationsoperator SpecNeg und dem negativen Kopfelement bleibt dabei die notwendige Spezifikator-Kopf-Konfiguration über eine derivationelle Kette erhalten (vgl. (18) am Beispiel von (17a)). (17)

(a) El coche no, arranca OP t¡. das Auto NEG anspring-3SG „Das Auto springt nicht an." (b) Claudia non¡ compra OP t¡ la casa. Claudia NEG kauf-3SG das Haus „Claudia kauft das Haus nicht."

(Spanisch)

(Italienisch)

(18) AgrSP Spec el coche

AgrS' AgrS° no arranca ¡

NegP

Vo ti

3.2.6. Jespersens Zyklus und Verbbewegung Die unmittelbare Korrelation zwischen den einzelnen Entwicklungsstufen der Satznegationsrepräsentation und der individuellen verbalen Kopfbewegung lässt sich, wie Hirschbühler & Labelle (1992) und Pearce (1993) eruiert haben, sehr anschaulich im Französischen verfolgen. Laut Pearce (1993) markiert das Mittelfranzösische bezüglich seiner Satznegationsstrategie den Übergang zwischen dem ersten und dem zweiten Stadium des Jespersenschen Zyklus. Insofern kann dort Satznegation zwar durchaus allein mit Hilfe eines overten Neg°-Elements indiziert werden (vgl.: (19a, 20a)), doch treten zusätzliche phra-

3. lmperativierung

163

und Negation

sale Negationsverstärker bereits recht häufig auf (vgl.: (19b, 20b)). Wie (19) und (20) illustrieren, sind diese sowohl in finiten als auch in infiniten Konstruktionen zunächst unmittelbar hinter dem negierten Hauptverb positioniert. (19) (a) et

se

η'

eusse

esté

bien tost

(Mittelfranzösisch) secorue, ...

und w e n n NEG hab-KONJ+PRÄT+lSG g e w e s e n gut schnell gerettet „und w e n n man mich nicht schnell gerettet hätte."

(Froissart Chronices. Jehan de Saintré 167) (b) ne pensa pas mains que d ' es tre mort NEG denk-3SG NEG wenig dass zu sein tot „er denkt nicht wenig daran, tot zu sein." (Froissart Chronices. Jehan de Saintré 68) (20) (a) et promisdrent ne separer l'aliance d' eulx deux und versprech-PRÄT-3PL NEG trennen den Bund der ihnen zwei „und versprachen, niemals den Bund zwischen den beiden zu trennen." (Martial d'auvergne Les Arrêts d'Amour 166,8) (b) ...ou de meffait ne prendre pas grant arrogance ... oder zum Verbrechen NEG nehmen NEG große Arroganz „oder fur ein Verbrechen, keinen Hochmut... zu haben." (Christine de Pisan Le livre du corps de policie 51,21 ) Pearce (1993) geht davon aus, dass derartige rein verstärkende Elemente wie mie oder pas in der mittelfranzösischen Periode bis etwa Anfang des 16. Jahrhundert als Adverbialphrasen optional an die VP adjungieren. Sobald deren Auftreten in Negationskontexten jedoch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts institutionalisiert wird, bilden sie, so Pearce (1993), die overte Repräsentation des Negationsoperators SpecNeg und stellen damit auf der zweiten Stufe des Jespersenschen Zyklus einen obligatorischen Negationsmarker dar. Hirschbühler & Labelle (1992) beobachten, dass dieser strukturelle Wandel offensichtlich eine Veränderung der Verbstellung in infiniten Sätzen nach sich zieht. Lexikalische Vollverben finden sich seitdem nämlich immer öfter noch hinter dem phrasalen Negationselement pas, was für Pearce (1993) wiederum ein eindeutiges Indiz dafür ist, dass mit der Etablierung von pas als genuinem Negationsoperator und der damit einhergehenden Abschwächung des Kopfelements Neg° Verbbewegung nach AgrS° im Sinne der Lizenzierung der Satznegation nicht mehr notwendig erfolgen muss und daher in infinitivischen Konstruktionen eingestellt wird (vgl.: (21)). 6

6

Obgleich infinite Vollverben derzeit auf der Ebene einer von der NegP dominierten Projektion verbleiben (vgl. Ouhalla 1990: 150ff.; Pollock 1989; 3.2.2.), sind deren Negationsmarker ne und pas noch nach wie vor in der identischen Abfolge angeordnet wie in der mittelfranzösischen Periode. Dies ist vermutlich darauf zurückzufuhren, dass die ehemals kanonische infinitivische Nachstellung der Negationsphrase pas im modernen Französischen letztendlich als Klitisierung der Partikel ne an den AgrS-Kopf reanalysiert wurde (vgl. Rowlett 1998:21ff.).

164

3. Imperativierung

(21)

und Negation (Französisch)

(a) Pauline décide dene¡ pas t¡ fumer maintenant. Pauline beschließ-3SG zu NEGNEG rauchen jetzt „Pauline beschließt, jetzt nicht zu rauchen." (b) Il fait

bon «e, pas t¡ travailler

estu-3SGgut NEGNEG

arbeiten

toujours. immer

„Es tut gut, nicht immer zu arbeiten." Zu denjenigen Verben, die in ihrer infiniten Form die Kopfbewegung nach AgrS 0 allerdings noch weiterhin beibehalten haben, gehören neben den Modalverben, die laut Hirschbühler & Labelle (1992) erst seit etwa Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr im Zuge ihrer Anhebung die AgrS-Ebene erreichen, auch die beiden Hilfsverben avoir und être. Diese inkorporieren, wie (22) verdeutlicht, im Gegensatz zu lexikalischen Vollverben bisweilen noch heutzutage an Neg° das Negationsklitikon ne. (22)

(Französisch) (a) N¡' avoir pas t¡ de voiture en banlieue rend la vie difficile NEG haben NEG von Auto in Vororten mach-3SG das Leben schwer „Kein Auto im Vorort zu besitzen, macht einem das Leben schwer." (b) Elle prétend η, ' être pas t¡ sortie. sie behaup-3sG NEG sein NEG weggegangen „Sie behauptet nicht weggegangen zu sein."

Im Piemontesischen zeichnet sich hinsichtlich der infinitivischen Verbbewegung ein ähnlicher Prozess ab. Wie bereits in 3.2.1. erläutert wurde, ist dieser norditalienische Dialekt in seiner Satznegationsentwicklung auf der dritten Stufe des Jespersenschen Zyklus angelangt (Zanuttini 1997: 67ff.). Anders als das Standarditalienische, welches aufgrund seines grundsätzlich covert realisierten genuinen Satznegationsoperators von sämtlichen seiner Hauptverbelemente die overte Anhebung nach AgrS° verlangt, gestattet er seinen infiniten Verben, auf einer niedrigeren Projektionsebene zu landen. Demgemäß sind infinitivische Vollverben dort stets dem overten Negationsoperator nen nachgestellt (vgl.: (23a)). Ebenso wie im Standardfranzösischen steigen bestimmte Hilfsverben allerdings noch heute optional auf die Ebene der funktionalen AgrSP auf (vgl.: (23b)). (23)

(Piemontesisch) (a) Luigi a s ' astopa le urije pe r nen senti Luigi KL(PRON) sich zuhalt-3SG die Ohren um NEG hören „Luigi hält sich die Ohren zu, um nicht zu hören." (b) Sun contenta da avej nen sentu sei-1SG zufrieden zu haben NEG gehört „Ich bin froh, nicht gehört zu haben."

3. Imperativierung und Negation

165

Es zeigt sich also, dass Satznegation und Verbbewegung in den verschiedenen Stadien des Jespersenschen Zyklus in unterschiedlichem Maße voneinander abhängig sind. So kann Satznegation in Sprachen, die die zweite oder dritte Stufe des Jespersenschen Zyklus erreicht haben und demnach grundsätzlich über overte genuine Negationsoperatoren verfugen, gänzlich losgelöst von dem Ablauf der jeweiligen verbalen Kopfbewegung und der damit verbundenen Lizenzierung flexivischer Merkmale vollzogen werden. Sprachen, die sich im ersten Stadium des Jespersenschen Zyklus befinden und demzufolge den kontentiven Negationsoperator SpecNeg nicht lexikalisch realisieren, weisen dagegen hinsichtlich der Korrelation von Negation und verbaler Kopfbewegung starke Restriktionen auf. Dort kann die Operation der Satznegation nur dann durchgeführt werden, wenn ein in seiner Finitheit hinreichend definiertes Verbelement vor Spell-out an Neg° landet, die entsprechende Negationspartikel inkorporiert und somit den coverten Operator SpecNeg identifiziert. Insbesondere in zahlreichen modernen romanischen Sprachen steigen daher finite wie infinite Hauptverben stets obligatorisch vor Spell-out auf die Ebene der funktionalen AgrSP auf.

3.2.7. Negative Konstituenten Negative Konstituenten, wie etwa die Negationsquantoren niemand, nichts, nie (vgl. Haegeman 1995: 128ff.), werden, anders als der overte oder coverte genuine Negationsoperator, nicht in der Spezifikatorposition der NegP basisgeneriert, sondern bilden zunächst die VP-internen Argumente ihrer entsprechend negierten Vollverben. Da sie operationale Negationseigenschaften besitzen, müssen sie ebenso wie Letzterer gemäß dem Neg-Kriterium von einer A'-definierten Skopusposition aus mit einem negativ kodierten Kopfelement in eine Spezifikator-Kopf-Relation treten. In den westgermanischen SOV-Sprachen, wie zum Beispiel im Deutschen oder Westflämischen, werden daher negative Komplemente und Adj unkte mittels Scrambling vor Spell-out in die Spezifikatorposition der funktionalen NegP angehoben (vgl.: (24)). Dort nehmen sie am Kopfglied der durch diese so genannte Neg-Bewegung (Neg-Movement) entstandenen derivationellen Kette die Lizenzierung ihrer operationalen Merkmale vor (Haegeman 1995: 112ff., 242ff.). Wie (25) am Beispiel von (24b) zeigt, geschieht dies in der unmittelbaren Spezifikator-Kopf-Relation zu dem funktionalen Kopf Neg 0 , an dem, zumindest im Westflämischen, zusätzlich die Klitisierung einer Negationspartikel an das aufsteigende finite Verb erfolgt. (24) (a) Olli ist auf niemanden stolz. (b) K'

en, -zeg

niets

t¡.

ich NEG sag-lSG nichts(NEG)

„Ich sage nichts."

(Deutsch) (Westflämisch)

166

3. Imperativierung und Negation

(25) CP

Spec

V' DP

Vo

tk

ti

In den Sprachen, in denen die Bewegungsoperation des Scrambling grundsätzlich keine Anwendung findet, kann Neg-Bewegung nicht ausgeführt werden. Die negativen Komplemente und Adjunkte des modernen Standardenglischen und der meisten romanischen SVO-Sprachen 7 verbleiben deshalb oberflächensyntaktisch in ihrer VPinternen Basisposition (vgl.: (26)). Das Neg-Kriterium erfüllen sie, indem sie von dort den Spezifikator der funktionalen NegP über eine repräsentationelle Operatorkette (Neg-operator-CHAlN) als ihren skopusindizierenden expletiven Operator identifizieren und dadurch mit dem entsprechend negativ kodierten Kopf Neg° eine SpezifikatorKopf-Beziehung eingehen (Haegeman 1995: 185ff.). Abhängig von der jeweiligen individuellsprachlichen Parametrisierung wird Neg° dabei in bestimmten Fällen obligatorisch durch eine lexikalisch realisierte Negationspartikel repräsentiert. Letzteres ist zum Beispiel im Italienischen der Fall (Zanuttini 1991; Suner 1993; Haegeman 1995: 195ff.) (vgl.: (26b)). Dort linksadjungiert in Anwesenheit einer postverbalen negativen Konstituente grundsätzlich ein Negationsklitikon an das aufsteigende Verbelement.

7 Unter anderem im Standardfranzösischen und in einigen französischen Dialekten werden bestimmte negative Konstituenten mittels Neg-Bewegung in die Spezifikatorposition der funktionalen NegP verschoben.

167

3. Imperativierung und Negation (26) (a) Charles 0 P k said nothinsv. Charles sag-PRÄT+3SG nichts(NEG) „Charles sagte nichts." (b) Adriano non¡ legge OPk t¡ Adriano NEGles-3SG

(Englisch)

n i e n t e ( I t a l i e n i s c h ) nichts(NEG)

„Adriano liest nichts." Sobald die negative Konstituente präverbal entweder als Subjekt-DP (vgl.: (27a)) oder als vorangestellte topikalisierte oder fokussierte XP (vgl.: (27b)) auftritt, entfällt jedoch der Einsatz von non. (27)

(Italienisch) (a) Nessunoi ha OPk telefonato. niemand(NEG) hab-3SG telefoniert „Niemand hat telefoniert." (b) A nessunoi Gina parla OPk. zu niemandem(NEG) Gina sprech-3SG „Mit niemandem spricht Gina."

In beiden Fällen nämlich nimmt die operationale Negationsphrase eine die NegP ckommandierende Skopusposition ein, weshalb die ansonsten notwendige Markierung der Satznegation durch ein overtes Neg°-Element hinfallig wird und daher gemäß ökonomischen Prinzipien nicht mehr stattfindet. Die Befriedigung des Neg-Kriteriums kommt laut Haegeman (1995: 205ff.) bereits dadurch zustande, dass entweder, wie in (29a), der subjektivische Negationsoperator SpecAgrS mit dem an AgrS 0 gelandeten negativ kodierten Hauptverb in eine Spezifikator-Kopf-Konfiguration tritt oder aber, wie in (29b), die vorangestellte negative Konstituente ihren expletiven Operator SpecNeg antezedensregiert und somit das Spezifikator-Kopf-Verhältnis zu dem funktionalen Kopf Neg° über eine Kette aufrechterhält.

3.2.8. Zusammenfassung Anhand von diachronischen Daten zeigt erstmals Jespersen (1917), dass die Satznegation im Laufe ihrer Entwicklung in zyklischer Abfolge drei Stadien ihrer syntaktischen Repräsentation durchläuft. Präverbal realisierte Negationspartikel erfahren dabei, wie er feststellt, aufgrund von phonologischer Erosion eine Abschwächung, wonach sie zunehmend durch negationsverstärkende Konstituenten im Satz ergänzt und letztendlich nur noch in Kombination mit diesen verwendet werden. Nachdem sie im weiteren Verlauf als nunmehr pleonastische Negationsklitika nur noch optional zum Einsatz kommen und daraufhin gänzlich aussterben, übernehmen die ehemals negationsintensivierenden Elemente die vollständige Repräsentation der Satznegation genau solange, bis sie selbst

168

3. Imperativierung

und Negation

an Betonungsqualität verlieren und somit den so genannten „Jespersenschen Zyklus" erneut in Gang bringen. Auf synchronischer Ebene sind zumindest in den westgermanischen und romanischen Sprachen alle Stadien des Jespersenschen Zyklus vertreten. Unter der Voraussetzung, dass Satznegation stets mit der Verkettung einer funktionalen NegP einhergeht, resultiert das erste Stadium des Jespersenschen Zyklus aus der overten Repräsentation des negativen Kopfelements Neg° und das dritte Stadium aus der lexikalischen Realisierung des Spezifikators SpecNeg. Sprachen, die Satznegation stets mittels eines Negationsklitikons und einer overten Negationsphrase zum Ausdruck bringen, folglich bislang die zweite Stufe von Jespersens Zyklus erreicht haben, verfugen sowohl über ein overtes negatives X°-Element als auch über einen overten Spezifikator der funktionalen NegP. Das Wohlgeformtheitsprinzip, welches die Relation und Interpretation von negativen Elementen in syntaktischen Strukturen determiniert, wird als Neg-Kriterium bezeichnet. Nach diesem sind phrasale Negationsoperatoren skopusindizierende affektive A'Elemente, die zum Zwecke ihrer rechtmäßigen Lizenzierung eine Spezifikator-KopfBeziehung zu einem entsprechend kodierten funktionalen Kopf eingehen. Satznegation erfordert grundsätzlich die strukturelle Befriedigung des Neg-Kriteriums. Werden kontentive Satznegationsoperatoren als genuine Spezifikatoren der NegP overt realisiert, so erfüllen diese das Neg-Kriterium unmittelbar innerhalb der SpezifikatorKopf-Beziehung zu ihrem funktionalen Kopf Neg°. Auf eine Identifikation seitens ihres negativen Kopfelements sind sie dabei nicht angewiesen. In Sprachen, die auf der zweiten oder dritten Stufe des Jespersenschen Zyklus einen overten genuinen Negationsmarker etablieren konnten, wird Satznegation daher gänzlich losgelöst von dem Verlauf der jeweiligen verbalen Kopfbewegung und der damit verbundenen Lizenzierung flexionsrelevanter Merkmale vollzogen. In Sprachen, in denen dies nicht der Fall ist und die daher im ersten Stadium des Jespersenschen Zyklus grundsätzlich mit einem lexikalisch realisierten Neg° Element ausgestattet sind, ist das Zusammenspiel zwischen Verbbewegung und Satznegation starken Restriktionen unterworfen. Dort kann die Operation der Satznegation erst dann durchgeführt werden, wenn ein in seiner Finitheit bzw. Infinitheit hinreichend definiertes Verbelement vor Spell-out an Neg° landet, an die entsprechende Negationspartikel andockt und damit den coverten Negationsoperator SpecNeg identifiziert. Negative Konstituenten, die anders als der overte oder coverte genuine Negationsoperator nicht in der Spezifikatorposition der NegP basisgeneriert werden, sondern zunächst die VP-intemen Komplemente und Adjunkte ihrer entsprechend negierten Vollverben bilden, werden vor Spell-out mittels Neg-Bewegung in die Spezifikatorposition der funktionalen NegP angehoben, wo sie innerhalb der Spezifikator-Kopf-Relation zu dem funktionalen Kopf Neg° die Lizenzierung ihrer operationalen Merkmale vornehmen. In den Sprachen, in denen die Bewegungsoperation des Scrambling und somit auch der Neg-Bewegung grundsätzlich keine Anwendung findet, erfüllen negative Komplemente und Adjunkte das Neg-Kriterium, indem sie den Spezifikator der funktionalen NegP von ihrer Basisposition aus über eine repräsentationeile Kette als ihren skopusindizierenden expletiven Operator identifizieren.

3. Imperativierung und Negation

169

3.3. Die Negation von Imperativen in vergangenen Forschungsarbeiten Das besondere Verhältnis zwischen Satznegation und Imperativierung hat bereits in verschiedenen Bereichen der Linguistik vielfach Diskussionen ausgelöst. Im Folgenden sollen zwei aktuelle Ansätze vorgestellt werden, die mit dieser Problematik ausschließlich vor dem Hintergrund der generativen Syntaxtheorie befasst sind. Während Zanuttini (1997) die Negationskompatibilitäten und -Inkompatibilitäten speziell der romanischen Imperative behandelt, versucht Han (2001) universelle Prinzipien, welche die Beziehung zwischen Negation und imperativischer Verbbewegung determinieren, durch sprachvergleichende Analysen zu eruieren. Die Verfasserinnen plädieren in ihren Ausfuhrungen auf gänzlich unterschiedliche Weise dafür, das Negationsverhalten von Imperativen mit der besonderen Beziehung zwischen dem jeweiligen Negationsmarker und der spezifisch Imperativischen Verbbewegung zu explizieren. In der Kritik in 3.3.3. und in der Analyse in 3.4. wird sich zeigen, dass beide Ansätze, obwohl sie damit von einer durchaus berechtigten Grundannahme ausgehen, letztendlich in theoretischer und empirischer Hinsicht scheitern.

3.3.1. Zanuttini (1997) Im letzten Teil ihrer breit angelegten Studie über die strukturelle Repräsentation der Satznegation in den romanischen Sprachen befasst sich Zanuttini (1997: 105ff.) ausschließlich mit der Negation von Imperativen und deren Surrogaten. Auf der Grundlage ihrer ebenso zahlreichen wie vielfältigen Beobachtungen in den verschiedensten romanischen Sprachen und Dialekten kommt sie zu folgender Generalisierung bezüglich negierter Imperative: (28) In Romance, pre-verbal negative markers that can negate a clause by themselves do not co-occur with true imperative forms of main verbs, but do co-occur with true imperative forms of auxiliaries. Post-verbal negative markers do not exhibit any such restriction. (Zanuttini 1997: 121) Ihrer Einsicht nach kookkurieren also in den romanischen Sprachen diejenigen präverbalen Negationsmarker, die eigenständig Satznegation repräsentieren, zwar grundsätzlich nicht mit imperativierten Vollverben (vgl.: (29a)), aber durchaus mit imperativierten Auxiliaren (vgl.: (29b)). Postverbale Negationsmarker können dagegen mit sämtlichen imperativierten Verbelementen gemeinsam auftreten (vgl.: (29c)). Entsprechende Evidenz erbringt sie aus zahlreichen romanischen Sprachen und Dialekten, wie zum Beispiel aus dem Katalanischen, dem norditalienischen Dialektalgebiet bei Padua und dem Piemontesischen.

170

3. Imperativierung und Negation

(29) (a) *No parla!

(Katalanisch)

NEG sprech(IMP)

(b) No stá parlare NEG bleib(AUX IMP) sprechen „Sprich nicht!" (c) Paria

nen!

(Norditalienisch (Padua))

(Piemontesisch)

sprich(LMP) NEG

„Sprich nicht!" In ihrer darauf folgenden Analyse versucht Zanuttini dieses äußerst spezielle Verhältnis zwischen Imperativierung und Satznegation mit den syntaktischen Selektionseigenschaften von Negationsmarkern in Verbindung zu bringen. Wie sie meint, reagiert der präverbale Negationsmarker sensibel auf die An- bzw. Abwesenheit bestimmter morphologischer Markierungen. Als negatives Kopfelement Neg° verlangt er nämlich, dass die Merkmale seiner funktionalen Komplementprojektion MoodP „aktiv" bzw. vollständig lizenziert sind, wobei die entsprechende Aktivierung nur durch deren Überprüfung seitens einer flexionsmorphologischen Kodierung des aufsteigenden Vollverbs oder seitens eines funktionalen modusdefinierten Auxiliars geleistet werden kann. Laut Zanuttini (1997: 114ff.) besteht die Imperativische Verbform der romanischen Sprachen prinzipiell lediglich aus dem Verbstamm, einem Themavokal und gegebenenfalls aus einem pluralischen Subjektkongruenzsuffix (vgl.: (30a)). Insofern verfugt sie über keinerlei Tempus- oder Modusspezifikation und unterscheidet sich hierin von den finiten Formen aller anderen Modi, welche neben dem entsprechenden Verbstamm, Themavokal und Subjektkongruenzflexiv auch grundsätzlich zumindest abstrakte Tempus- und Modusmorpheme in sich vereinigen (vgl.: (30b,c)). (30)

(Italienisch) (a) parla (2SG IMPERATIV) paríate (2PL IMPERATIV) (b) parlate (c) parlassi

(2PL INDIKATIV, PRÄSENS) (2SG SUBJUNKTiv, PRÄTERITUM)

Während sich demnach die imperativierten Verben der romanischen Sprachen aufgrund ihrer defizitären Flexionsmorphologie nicht in der Lage befinden, auf der Ebene der MoodP verbale Merkmale zu überprüfen und somit generell mit präverbalen Negationspartikeln inkompatibel sind, können deren indikativischen (vgl.: (31a)) und subjunktivischen (vgl.: (31b)) Surrogate einwandfrei durch diese negiert werden. Sie steigen vor Spell-out in den funktionalen Kopf Mood° auf, aktivieren dort mittels Checking die entsprechenden Modusmerkmale und leiten so ihre Negation durch den Einsatz eines overten Neg°-Elements ein. Hiernach werden sie ebenso wie ihre rein

3. Imperativierung und Negation

171

Imperativischen Gegenstücke von den spezifisch illokutionären Merkmalen des CKopfes attrahiert.8 (31)

(a) Non lo

fate!

(Italienisch)

NEG KL(PRON) ÍU-2PL

„Ihr tut es nicht!" (b) Ν

'ev

figurassi!

(Italienisch (Bologna))

NEG d u vorstell-SUBJ+2SG

„Du solltest es dir nicht vorstellen." Ähnliches gilt für Imperativische Auxiliare. Diese gewährleisten, wie Zanuttini ( 1 9 9 7 : 141 ff.) mit Kayne ( 1 9 9 2 ) annimmt, bereits dadurch, dass sie an Mood° basisgeneriert werden und somit die grammatische Kategorie des Modus syntaktisch repräsentieren, die vollständige Aktivierung der auf der Ebene der MoodP verankerten Modusmerkmale und sind daher stets mit Satznegation kompatibel. Widersprüchlich erscheint allerdings auf der Grundlage der bisherigen theoretischen Ausfuhrungen die Negationsverträglichkeit von Infinitiven. Obgleich diese nämlich offensichtlich über keinerlei overte oder abstrakte Tempus- und Modusspezifizierungen verfugen, treten sie, wie (32) illustriert, gemeinsam mit präverbalen Negationsmarkern auf und stellen in dieser Form sogar Surrogate des negierten Imperativs dar (vgl.: ( 3 3 ) ) . (32)

(a) De no haberlo

visto,

no

lo

creería

(Spanisch)

v o n NEG habenKL(PRON) g e s e h e n NEG KL(PRON) glaub-POTEN-LSG

„Wenn ich es nicht gesehen hätte, würde ich es nicht glauben." (b) Mi

dispiace

non

dirglielo

(Italienisch)

KL(PRON) m i s s f a l l - 3 S G NEG sagenKL(PRON)KL(PRON)

„Es tut mir leid, dass ich es ihm nicht gesagt habe." (33)

(a) No apretar el botón. NEG drücken den Knopf „Drück(t) nicht den Knopf.' (b) Non parlar sii.

(Spanisch)

(Italienisch)

NEG sprechentCL(PRON) „Rede(t) nicht mit ihm!'

8

Zanuttini (1997: 145ff.) nimmt an, dass der präverbale Negationsmarker in Neg° als das dem C-Kopf am nächsten stehende funktionale Element die Lizenzierung dieser Merkmale durch seine alleinige Anhebung vornimmt.

172

3. Imperativierung und Negation

Zanuttini (1997: 118f.) ist der Meinung, dass es sich zumindest bei den zuletzt aufgeführten Suppletivkonstruktionen um keine reinen Infinitive handelt. Dies macht sie ebenso wie Kayne (1992) daran fest, dass die klitischen Objektpronomen dieser Strukturen in einigen Sprachgebieten optional dem Infinitum vorangehen und damit ihrer kanonischen postverbalen Positionierung zuwiderlaufen. Das abweichende Klitisierungsverhalten sehen beide als Indiz dafür an, dass Surrogate wie (34a) und (34b) ein non-overtes Modalverb enthalten, welches das infinitivische Vollverb zum Komplement nimmt, dessen unbetontes pronominales Objekt als Proklise inkorporiert und darüber hinaus die Satznegation durch ein präverbales Negationselement legitimiert. (34) (a) Nun de

movere.

(Süditalienisch (Neapel))

NEG KL(PRON) b e w e g e n

„Beweg dich nicht!" (b) Un ti

mòviri.

(Sizilianisch)

NEG KL(PRON) b e w e g e n

„Beweg dich nicht!" Die Tatsache, dass die nicht direktiv verwendeten Infinitive der romanischen Sprachen wie (32a) und (32b) trotz der offenkundigen Abwesenheit eines seiegierenden Modalverbs einen präverbalen Negationsmarker zu sich nehmen können, veranlasst Zanuttini (1997: 128f.) schließlich zu der grundlegenden Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen negativen Kopfelementen (vgl.: (35)). (35) 1. One negative marker requires marking for mood in the clause, either in the verbal morphology or in the presence of a functional element expressing mood; this is the negative marker found in clauses with the illocutionary force of an imperative. 2. The other negative marker does not require the presence of mood marking in the clause, and is found in clauses that lack the illocutionary force characteristics of imperatives. (Zanuttini 1997: 128) Während demzufolge der eine präverbale Negationsmarker auf die Aktivierung von Modusmerkmalen angewiesen ist und ausschließlich in Strukturen mit der illokutionären Kraft eines Imperativs eingesetzt wird, dient der andere präverbale Negationsmarker, welcher mit dem ersten zwar morphologisch identisch ist, aber anders als dieser keine spezifische Moduskodierung verlangt, der Negation von Sätzen ohne Imperativisch definierter Illokution. Die Kompatibilität von postverbalen Negationsmarkern mit imperativierten Vollverben, so wie sie zum Beispiel in (29c) zu beobachten ist, führt Zanuttini (1997: 126ff.) letztendlich auf deren kategorialen Status zurück. Postverbale Negationsmarker sind nämlich, so Zanuttini (1997: 127), anders als präverbale Negationsmarker maximale Projektionen und demgemäß nicht dazu befähigt, bestimmte funktionale Phrasen mit den entsprechenden Merkmalen unmittelbar als Komplemente zu selegieren. Insofern

3. Imperativierung und Negation

173

zeigen sie keinerlei Sensibilität gegenüber der individuellen Merkmalsrealisierung der von ihnen c-kommandierten Projektionen und können daher trotz inaktiver MoodMerkmale in rein Imperativischen Konstruktionen Satznegation kodieren.

3.3.2. Han (2001) Han (2001) beschränkt sich bei ihrer Analyse des negierten Imperativs nicht auf eine bestimmte Sprachgruppe, sondern versucht Restriktionen zu eruieren, die auf universeller Basis das Verhältnis zwischen Imperativierung und Negation determinieren. Als Datengrundlage verwendet sie hierbei Imperativkonstruktionen aus dem Griechischen, Spanischen und Italienischen einerseits (vgl.: (36a,b,c)) und aus dem Deutschen, Englischen, und Bulgarischen andererseits (vgl.: (37a,b,c,)). Wie sie feststellt, sind nur die reinen Imperative der zuletzt genannten Sprachen mit Satznegation kompatibel. (36) (a) *Mi ghrápse

to!

(Neugriechisch)

NEG s c h r e i b ( I M P ) KL(PRON)

(b) * ¡No lee

lo!

(Spanisch)

NEG les(LMP) KL(PRON)

(c) *Non

telefonale!

(Italienisch)

NEG anruf(LMP) KL(PRON)

(37) (a) Schreib nicht!

(Deutsch)

(b) Do

(Englisch)

noi call.

DO(IMP)NEG r u f

„Ruf nicht an!" (c) Ne ceti!

(Bulgarisch)

NEG les(IMP)

„Lies nicht!" Von ihrem 1998 entworfenen theoretischen Ansatz bezüglich der Imperativischen Verbbewegung ausgehend behauptet Han (2001), dass die rein Imperativischen Strukturen sämtlicher Sprachen über einen Imperativoperator in C° verfügen, welcher die illokutionäre Kraft des Direktivs kodiert und sonach das jeweils imperativierte Verbelement entweder vor Spell-out oder auf LF attrahiert. Die Evidenzen, die sie hierzu anführt, entsprechen denen, die bereits unter 2.3.2. und 2.3.5. ausfuhrlich erörtert wurden. Da nun Satznegation auf der Proposition von Sätzen operiert, nicht aber auf deren Illokution, können, so Han (2001), Elemente, die innerhalb der C-Projektion satztypenspezifizierende Merkmale lizenzieren, niemals in die Skopusdomäne des Satznegations-

174

3. Imperativierung und Negation

operators fallen. Bei Letzterem handelt es sich für Han (2001) um einen Kopf Neg°, der entweder als Negationsklitikon mit dem finiten Verb in dessen höchste Landeposition angehoben wird oder aber als nicht-klitische Negationspartikel innerhalb der IP verbleibt. Han (2001) ist der Meinung, dass das Zusammenspiel zwischen imperativischer Verbbewegung und struktureller Realisierung des Negationsoperators genau in den Sprachen, in denen Imperativierung nicht mit Satznegation konvergiert, eine Ausdehnung des negativen Skopus über den CP-internen Illokutionsoperator verursacht. Denn dort steigt das imperativierte Verb, um sich oberflächensyntaktisch mit seinem operationalen Merkmal zu verbinden, noch vor Spell-out nach C° auf. Im Falle der Satznegation muss es die Negationspartikel, welche in den betreffenden Sprachen wegen ihres klitischen Status auf die Adjunktion an ein verbales Element angewiesen ist, inkorporieren und gelangt damit auf der Ebene der CP unter das C-Kommando seines eigens mitgefuhrten negativen Elements (vgl.: (38)), wodurch es letztendlich, wie die Imperativischen Beispielkonstruktionen aus dem Neugriechischen, Spanischen und Italienischen zeigen (vgl.: (36a,b,c)), den Zusammenbruch der Derivation herbeifuhrt. (38) CP Spec

C' C

I

I

I

I V [IMP]

Auch im Deutschen wird das imperativierte Verb overt an den Kopf der C-Projektion angehoben. Da der Negationsoperator hier aber keine Einheit mit dem verbalen Element bildet, sondern, so Han (2001), als nicht-klitischer Kopf Neg° innerhalb der IP verankert bleibt, ist er mit Imperativierung kompatibel (vgl.: (37a)). Analoges ist fur die englische Negationspartikel not anzunehmen. Sie verlässt ebenfalls grundsätzlich nicht ihre IP-interne Basisposition und zeigt sich daher von der Imperativischen Verbbewegung unberührt (vgl.: (37b)). Englische Imperativkonstruktionen, die mit Hilfe des Enklitikons -η 't negiert werden, erweisen sich indessen als problematisch. In diesen wird nämlich das Neg°-Element gemeinsam mit dem Auxiliar do in die C-Domäne bewegt. Die erwartete Ungrammatikalität stellt sich in Strukturen wie (39a) und (39b) laut Han (2001) aber dennoch nicht ein, weil do infolge seiner Linksadjunktion an das Neg° Element -n't nicht in den Skopus der Satznegation gerät.

3. Imperativierung

und

Negation

(39)

175 (Englisch)

(a) Don't

call.

D0(IMP)NEG r u f

„Ruf nicht an!" (b) Dorìt

do that.

DO(IMP)NEG t u d a s

„Tu das nicht!" In denjenigen Sprachen schließlich, in denen, wie Han (1998; 2001) meint, die Anhebung des imperativierten Verbs an den C-Kopf erst nach Spell-out vollzogen wird, sind trotz der gegebenenfalls proklitischen Repräsentation der Satznegation generell keine Imperativischen Negationsinkompatibilitäten zu verzeichnen. Der in C° kodierte Imperativoperator befindet sich dort nämlich, wie sie annimmt, stets außerhalb der Negationsskopusdomäne. So landet zum Beispiel im Bulgarischen das imperativierte Verb vor Spell-out innerhalb der IP, wo es sich overt mit dem Negationsklitikon ne verbindet (vgl.: (37c)). Während es laut Han (2001) hiernach weiterhin covert von den Merkmalen des C-Kopfes attrahiert wird, breitet ne nur innerhalb der I-Domäne seinen Skopus aus.

3.3.3. Zusammenfassung und Kritik Zanuttini (1997) stellt fest, dass die imperativierten Vollverben sämtlicher romanischer Sprachen mit denjenigen präverbalen Negationsmarkern, die eigenständig Satznegation zum Ausdruck bringen, grundsätzlich inkompatibel sind. Ihrer Einsicht nach ist dies darauf zurückzufuhren, dass der präverbale Negationsmarker sensibel auf die An- oder Abwesenheit bestimmter verbalmorphologischer Markierungen reagiert. Laut Zanuttini verlangt er nämlich stets ein verbales Element, das die jeweilige Modusspezifikation syntaktisch repräsentiert und somit in der Lage ist, die Merkmale seiner funktionalen Komplementprojektion MoodP zu „aktivieren". Warum aber, wie (40) am Beispiel des Italienischen zeigt, weder Indikative noch reine Infinitive etwaige Inkompatibilitäten mit präverbalen Negationsmarkern aufweisen, obgleich doch sämtliche Formen beider Paradigmen ebenso wie der Imperativ (vgl.: (40a)) über keinerlei overte modale Flexionsmorphologie verfügen, kann Zanuttini ihrer Analyse zufolge nicht befriedigend erklären. (40)

(Italienisch) (a) * Nonparla! NEG sprech(IMP+2sG) (b) Non parla. NEG sprech(LND+3SG) „Sie spricht nicht."

176

3. Imperativierung und Negation (c) di non parlare zu NEG sprechen(lNF) „nicht zu s p r e c h e n "

So begründet sie die Negationsfahigkeit von Indikativen mit deren eindeutigen Moduskodierung. Letztere ist allerdings, wie bereits in 1.2.2. zur Genüge deutlich wurde, auch bei Imperativen notwendig vorhanden. Imperative sind nicht, wie Zanuttini vermutet, nonmodal, sondern befinden sich gemäß ihrer strukturellen Lizenzierung als Indikatoren direktivischer Sprechakte auf der Ebene der sprecherorientierten Modalität und dürften somit stets negationsfahig sein. Um die Grammatikalität präverbal negierter Infinitive ebenfalls in ihre Theorie einzubinden, muss Zanuttini darüber hinaus fur die Existenz eines speziellen illokutionär und modal sensitiven Negationsmarkers plädieren. Dieser kommt, so Zanuttini, nur in Sätzen mit der illokutionären Kraft eines Imperativs vor und verlangt im Gegensatz zu dem gängigen Negationsmarker obligatorisch eine verbalmorphologische Modusmarkierung. Unabhängige Evidenz für die Andersartigkeit bestimmter Negationspartikel in direktivischen Sätzen erbringt sie allerdings nicht. Daher ist vielmehr anzunehmen, dass sich die morphologisch identischen Negationsklitika jeder einzelnen Sprache der Romania auch prinzipiell syntaktisch identisch verhalten. Imperativierte Auxiliarelemente wie das norditalienische sta sind im Gegensatz zu Imperativischen Vollverben mit der präverbal realisierten Negation kompatibel. Zanuttini meint, dass Erstere generell am Kopf der MoodP basisgeneriert werden und schon deswegen die für ihre spezifische Negation notwendige Aktivierung der Mood-Merkmale bewerkstelligen. Für deren von Zanuttini postulierte Generierung an Mood° spricht allerdings nichts anderes als wiederum lediglich deren Negationsfähigkeit. Ob diese Eigenschaft von sta insofern tatsächlich Zanuttinis diesbezügliche Analyse rechtfertigt, ist fraglich. Wie Zanuttini weiterhin beobachtet, können postverbale Negationsmarker mit sämtlichen imperativierten Verbelementen gemeinsam auftreten. Da sie maximale Projektionen sind und sich demnach nicht in der Lage befinden, unmittelbar funktionale Phrasen mit den entsprechenden Merkmalen als Komplemente zu selegieren, sind sie, so Zanuttini, nicht für die „inaktiven" Mood-Merkmalen von reinen Imperativen sensibilisiert. Ob sie allein durch ihr Vorkommen auch lexikalisch realisierte Neg-Köpfe immunisieren, bleibt allerdings ungewiss. Aber wie sonst könnte die Negation von reinen Imperativsätzen in den Sprachen, die, wie zum Beispiel das Französische oder das Wallonische (vgl.: (41)), sowohl über einen overten präverbalen als auch über einen overten postverbalen Negationsmarker verfügen, zustande kommen? Zanuttini lässt dies im Unklaren. (41) (a) Ne cherche

pas!

(Französisch)

NEG SUCh(lMP) NEG

„Such nicht!" (b) Nu houke nin! NEG ruf(lMP) NEG „Ruf nicht!"

(Wallonisch)

3. Imperativierung und Negation

177

Han (2001) versucht Restriktionen zu ergründen, die das Verhältnis zwischen Imperativierung und Satznegation auf universeller Basis zu determinieren vermögen. Da Satznegation auf der Proposition von Sätzen operiert, nicht aber auf deren Illokution, meint Han, dass Imperativische Negationsinkompatibilitäten immer nur dann auftreten, wenn der jeweilige Imperativoperator innerhalb der C-Domäne von einem Satznegationsoperator c-kommandiert wird. Der Imperativoperator gehört dabei laut Han, ebenso wie unter anderem der Deklarativoder Interrogativoperator, zu den grundsätzlich in C° verankerten illokutionären Operatoren, welche das entsprechend kodierte Finitum vor Spell-out oder auf LF attrahieren. Wie Han weiterhin behauptet, handelt es sich bei Negationsoperatoren ausschließlich um Neg-Köpfe, die entweder zusammen mit dem finiten Verb in dessen höchste Landeposition angehoben werden oder als nicht-klitische Negationspartikel innerhalb der IP verbleiben. Das Neg-Kriterium, nach dem auf der Grundlage des Affekt-Kriteriums Negationsoperatoren auf der Ebene einer funktionalen NegP in overter oder coverter Form stets mit identisch kodierten Köpfen in einer Spezifikator-Kopf-Relation stehen, wird von Han nicht beachtet. Ihrer Einsicht nach wird der Satznegationsskopus stets von dem jeweils lexikalisch realisierten Negationselement definiert, wonach finite Verben immer dann in ihrer strukturellen Landeposition negativ markiert sind, wenn sie ihre Kopfbewegung ausschließlich vor Spell-out vollziehen und Satznegation proklitisch repräsentiert wird. Präverbale Negation und postverbale Negation differieren also bei Han nicht etwa in ihrer jeweiligen Realisierung der funktionalen NegP, sondern - was logisch allerdings kaum zu rechtfertigen ist - hinsichtlich der Ausdehnung ihrer Skopusdomäne. Dieser recht eigenwilligen Charakterisierung von Negationsmarkem zufolge sind nun Imperative genau in den Sprachen negationsunfahig, in denen, wie unter anderem im Spanischen und Italienischen, das imperativierte Verb obligatorisch overt nach C° angehoben wird 9 und das einzige lexikalisch realisierte Negationselement aufgrund der individuell sprachlichen Parametrisierung auf seine Linksadjunktion an das jeweils aufsteigende Verbelement angewiesen ist. Denn dort entsteht gemäß Hans Ausführungen bei der Negation der reinen Imperativkonstruktion eine strukturelle Konstellation, in der die Repräsentation der illokutionären Kraft des Gesamtsatzes unter den Skopus der Satznegation fallt und damit den Zusammenbruch der Derivation herbeifuhrt. Folgt man nun weiterhin Hans theoretischem Ansatz, so muss man davon ausgehen, dass sämtliche Finita, welche vor Spell-out innerhalb der CP satztypenspezifizierende Merkmale lizenzieren, generell von der ausschließlich präverbalen Negation ausgeschlossen sind und somit niemals einer eigenständig overt realisierten Negationspartikel folgen. Dies lässt sich aber keinesfalls bestätigen. In vollständigen V2-Sprachen, die sich bezüglich ihrer syntaktischen Negationsentwicklung im ersten Stadium des Jespersenschen Zyklus befinden, existieren offensichtlich negierte interrogativische und deklarativische V2- und VI-Matrixsätze. Demnach gibt es sowohl im Altportugiesischen als auch im Altfranzösischen Verberstkonstruktionen, in denen das jeweils flektierte Verb in der C-Domäne Interrogation oder deklarativische Assertion indiziert

' In dem von Han (2001) ebenfalls erwähnten Neugriechischen wird entgegen ihrer Auffassung in Imperativkonstruktionen keine obligatorische V-nach-C-Bewegung vollzogen (vgl. 2.4.2.; 3.4.2.).

3. Imperativierung und Negation

178

und dennoch dem overten Satznegationsmarker nachgeordnet ist (vgl. u. a. Benincà 1995; Ribeiro 1995; Hirschbühler & Labelle 2 0 0 0 ) (vgl.: (42)). (42)

(a) Non ti

semelhas,

(Altportugiesisch)

Pedro, que...?

NEG KL(PRON) erschein-3SG Pedro dass „Denkst du nicht, Pedro, dass ...?"

(Diálogos de Säo Gregorio 11.15) (b) Non est

ce

(Altfranzösisch)

la premiere foiz que....

NEG sei-3SG dies das erste Mal dass „Dies ist nicht das erste Mal, dass ..."

{La Mort le Roi Artu 24,11 ) Ähnliches zeigt sich im heutigen Französischen. Auch wenn die lexikalische Realisierung der Negationsphrase pas ausfällt, ist dort in den so genannten V 2 - bzw. V I „Resten" (vgl. 2 . 5 . 1 . 2 . ) overte Anhebung des negierten Verbs nach C° durchaus möglich (vgl.: (43)). Eine Ausnahme bilden allerdings nach wie vor Imperativsätze. Diese können, wie der Kontrast zwischen (44a) und (44b) illustriert, 10 ohne den Einsatz eines overten Negationsoperators prinzipiell nicht in ihrer reinen Form negiert werden. (43)

(Französisch)

(a) N'était

la chaleur, ce

séjour

eût

été

agréable.

NEGsei-PRÄT die Hitze dieser Aufenthalt hab-KONJ+PRÄT gewesen angenehm. „Hätte keine Hitze geherrscht, wäre dieser Aufenthalt angenehm gewesen."

(b) Ne

sait

-il où

s'

adresser?

NEG wiss-3SG er wohin sich wenden „Weiß er nicht, an wen er sich wenden soll?" (44)

(Französisch)

(a) Il ne

cesse

de parler.

er NEG aufhör-3SG zu sprechen „Er hört nicht auf zu sprechen."

(b) *Ne

cesse

de parier!

NEG aufhör(lMP) zu sprechen Die von Han formulierte Negationsskopusrestriktion bietet somit in keinerlei Hinsicht eine Lösung der Imperativischen Negationsproblematik. Das gleiche gilt auch fur den in 2.3.1. vorgestellten Ansatz von Rivero & Terzi (1995). Wie die Sätze (44a) bis (45b) zweifelsohne verdeutlichen, ist das lexikalisch realisierte Neg°-Element nicht grundsätzlich eine statische Einheit, welche eine Minimalitätsbarriere fur die verbale Kopfbewegung nach C° erzeugt.

10

Vgl. Fußnote 1.

3. Imperativierung

179

und Negation

3.4. Die Repräsentation und Identifikation von Negationsoperatoren in Imperativischen Strukturen 3.4.1. Überblick: Der Imperativische Modus und seine Negationsunverträglichkeit Die Unverträglichkeit mit Satznegationsmarkern stellt ein außerordentlich weit verbreitetes Charakteristikum des Imperativischen Modus dar. Dies betrifft formal markierte wie formal unmarkierte Imperative in gleicher Weise. In zahlreichen Sprachen existiert daher auf der Ebene der sprecherorientierten Modalität neben dem Imperativ ein Prohibitivmodus, der speziell der Formulierung von Verboten dient. Seltener findet sich dort auch der Admonitiv, welcher ausschließlich Warnungen zum Ausdruck bringt. Sprachen, die keine Flexionskategorie bezüglich zumindest eines der beiden zuletzt genannten Modi besitzen, aber dennoch eindeutig eine Imperativische Negationsinkompatibilität aufweisen, unterliegen unterschiedlichen Strategien zur Bildung ihrer negierten Imperative. Oftmals verfügen sie über eine spezifische Prohibitivpartikel, zu der das jeweils zu negierende Hauptverb in einer nicht-imperativischen Morphologie hinzutritt. Dies ist unter anderem in den beiden Indianersprachen Kiowa und Nadëb zu beobachten (Weir 1994) (vgl.: (45)). Vielfach erfolgt in Anwesenheit eines Negationselements auch ein Paradigmenübertritt, wie zum Beispiel im Arabischen und Griechischen, wo das negierte Imperativische Verb regulär durch ein subjunktivisches im Griechischen (vgl.: (46a)) bzw. im Arabischen durch ein jussivisches Surrogat vertreten wird (vgl.: (46b)). Nicht selten sorgen, wie im Türkischen und im italienischen Dialekt Kalabrisch, im Falle der Negation infinitivische Formen fur einen Imperativischen Ersatz (vgl.: (47)). Das Lateinische und die nilotische Sprache Kresh (vgl. Brown 1994) bewerkstelligen, ebenso wie viele andere Sprachen, die Negation ihrer Imperative mit Hilfe eines speziellen negativ kodierten Imperativauxiliars (vgl.: (48)). (45) (a) pòy

té-

mèn-tél-O-

(Kiowa)

PROH alles 2SG+DUAL-erzähl-iRR

.Erzähl ihnen nicht alles! (b)

manih.

Mi-ug

(Nadëb)

2SG+ASP-geh-NONIND PROH

„Geh nicht!" (46) (a) Na

min

fighis!

(Griechisch)

SUBJ NEG geh-2SG

,Geh nicht! (b) Laa taktub NEG 2sG+JUSS-schreib „Schreib nicht!"

(Standardarabisch)

180

3. Imperativierung und Negation

(47) (a) Avuc acmak

yok.

(Türkisch)

H a n d öffhen(rNF) NEG

„Bettelt nicht!" (b) Non cadènna!

(Kalabrisch)

NEG fall-GERUND

„Fall nicht!" (48) (a) Noli

me

tangere!

(Lateinisch)

NEGAUX mich berühren(lNF)

„Berühr mich nicht!" (Johannes 20,17) (b) Gözömä'bä

dägä gläwäni ä'dä! umgraben Feld das NEG „Grab das Feld nicht um!" DIR

(Kresh)

NEGAUX

Die tendenzielle Unvereinbarkeit des Imperativischen Modus mit seiner Negation scheint vor allem modallogisch begründet zu sein. Wie in 1.2.2. bereits erläutert wurde, weist der Sprecher durch den Gebrauch des Imperativs auf eine nach seinem Ermessen bestehende Möglichkeit oder Notwendigkeit eines zukünftig zu erlangenden Sachverhaltes hin und leitet hierdurch gleichzeitig einen entsprechenden Handlungsvorgang seitens des von ihm unmittelbar adressierten Agens ein. Der Imperativische Modus fungiert sonach als flexivischer Direktivindikator, was sein Vorkommen innerhalb des Skopus der Satznegation in einer Anzahl von Sprachen blockiert. Dort stellt die Initiierung eines Aktionsverlaufs, der als reine Nicht-Handlung definiert ist, einen unökonomischen, wenn nicht gar paradoxalen Akt dar. Eine Negationsoperation auf der Ebene der sprecherorientierten Modalität ist indes generell ausgeschlossen, da weder die jeweilige Handlungsinitiative als nicht vom Sprecher ausgehend interpretiert noch die deontische Intensität der Satzaussage auf einen negativen Skalenbereich abgebildet werden darf. Ein Verbot ist ebenso wenig das Ergebnis der Negation einer deontischen Notwendigkeit, wie ein Abraten oder eine Warnung als Folge der Negation einer deontischen Möglichkeit betrachtet werden kann. Die Modi des Prohibitivs und Admonitivs - und auch der in vielerlei Sprachen dennoch regulär auftretende negierte reine Imperativ - stehen folglich nicht etwa fur die Nicht-Notwendigkeit und Nicht-Möglichkeit eines bestimmten agentivischen Verhaltens, sondern vielmehr für die Notwendigkeit und Möglichkeit einer propositionierten Unterlassenshandlung. So ist der Imperativ der indogermanischen Sprachen zunächst ebenfalls prinzipiell nicht negationsfahig (Behagel 1924: 246). Verbote und deren deontische Abschwächungen werden daher in den frühen indogermanischen Sprachen durch den negierten Konjunktiv oder Optativ (vgl.: (49a)) oder mit Hilfe einer zwischensprachlich variierenden Prohibitivpartikel zum Ausdruck gebracht. Speziell das Altindische verfügt dabei über ein Prohibitivmorphem mä, welches sich ausschließlich mit injunktiven Verbformen verbindet (Szemerényi 1990: 282; Meier-Brügger 2000: 239) (vgl.: (49b)).

3. Imperativierung und Negation

181

(49) (a) Ni huzdjaip izwis huzda ana αίφαί,... NEG such-OPT+2PL euch Schatz auf Erde „Sucht euch den Schatz nicht auf Erden!" {Gotische Bibel, NT Mt. 6,19 )

(Gotisch)

(b) mä tisthah INH steh(iNJ) „Bleib nicht stehen!"

(Vedisch)

(.Atharva Veda 10, 1,26) Der Injunktiv bleibt ähnlich wie der Imperativ hinsichtlich seines Modus und Tempus flexionsmorphologisch gänzlich unspezifiziert. Anders als der Imperativische Modus definiert er sich jedoch hierdurch in der Tat als non-modal. Laut Kiparsky (1982) ist er das Ergebnis einer fortgeschrittenen „Konjunktionsreduktion", bei der vollständig flektierte Verben bei ihrem wiederholten Auftreten innerhalb eines Kontextes zunehmend durch endungslose Residualformen ersetzt wurden." Insofern kann der Injunktiv als institutionalisierte neutrale Verbform jeden Modus aufnehmen und ersetzen. In Prohibitivsätzen kodiert folglich nicht das injunktivische Verbelement, sondern allein die Partikel mä den direktiven Wert der Äußerung (Kiparsky 1968).12 Im Laufe der Sprachgeschichte wird die strikte Negationsblockade imperativierter Verben in weiten Gebieten abgebaut. Im Altgriechischen (vgl.: (50a)) und späten Gotischen tauchen negierte reine Imperative noch sehr vereinzelt auf. Unter anderem im Altniederländischen und Althochdeutschen (vgl.: (50b)) sind dagegen bereits mehrfach Kombinationen von rein Imperativischen Verbformen mit entsprechender Negationspartikel festzustellen (Behagel 1924: 246). (50) (a) Mi mega lege! NEG g r o ß

(Altgriechisch)

rede(iMP)

„Gib nicht so an!" (Plato Phaedo 95b) (b) ni hélet mih (Althochdeutsch) NEG hehlt(iMP)-PL mich „Verhehlet es nicht vor mir!" (Otfrid von Weißenburg Das Evangelienbuch 3.12,5)

11 Injunktivische Verbformen zeichnen sich folglich dadurch aus, dass sie zwar über ein Themavokal und eine overte Subjektkongruenzmarkierung verfugen, aber sämtlicher morphologischer Tempus- und Moduskodierungen entbehren (Szemerényi 1990: 282ff.). 12 Eine Unterscheidung zwischen Präventiv und Inhibitiv wird dabei durch die Wahl des Aspekts der jeweiligen Residualform getroffen. Der Injunktiv des perfektiven Aoriststammes wird zum Ausdruck präventiver Verbote verwendet, der des imperfektiven Präsensstammes hingegen zum Ausdruck von Inhibitiven (Hoffmann 1967).

182

3. Imperativierung und Negation

Bis heute zeigt sich ein recht heterogenes Bild der Imperativischen Negationsverträglichkeit. In den modernen westgermanischen und romanischen Sprachen lässt sich zumindest eine Korrelation zwischen overter Repräsentation von Negationsoperatoren und Negationskompatibilität beobachten. Dort sind reine Imperative immer dann negationsfahig, wenn die betreffenden Sprachen, wie zum Beispiel das Französische und das Westflämische, das zweite (vgl.: (51)) oder, wie etwa das Westlombardische und das Deutsche, das dritte (vgl.: (52)) Stadium des Jespersenschen Zyklus erreicht haben und demnach generell über einen overten genuinen Negationsoperator SpecNeg verfugen. 13 (51) (a) Ne gronde pas! NEG knurr(lMP) NEG „Knurr nicht!" (b) Endoet

da nie!

(Französisch)

(Westflämisch)

NEGtu(lMP)-PL d a s NEG

„Tut das nicht!" (52) Ì! no! schrei(lMP) NEG „Schrei nicht!"

(a) Vuza

(b) Warte nicht auf mich!

(Westlombardisch)

(Deutsch)

Solange hingegen ein negatives Kopfelement im ersten Stadium des Jespersenschen Zyklus eigenständig die satzrelevante Negation repräsentiert, sind Imperative, wie Zanuttini (1997: 121) (vgl. 3.3.1.) zeigt, mit Negation grundsätzlich inkompatibel. Dies lässt sich unter anderem in den beiden romanischen Sprachen Spanisch und Sardisch beobachten (vgl.: (53)). (53) (a) *;No brinca!

(Spanisch)

NEG spring(IMP)

(b) *Non kánta!

(Sardisch)

NEG s i n g ( l M P )

Diese besondere Wechselbeziehung zwischen der individuellen syntaktischen Realisierung der Satznegation und Imperativierung scheint zusätzlich in einem engen Verhältnis zur Imperativischen V-nach-C-Bewegung zu stehen. In diesem Zusammenhang lässt sich nämlich beobachten, dass Imperativische Verben, die, wie zum Beispiel die bereits

13 Die einzige Ausnahme innerhalb der Romania scheinen die Imperative des modernen Zentralokzitanischen zu bilden. Diese sind, obwohl die zentralokzitanische Satznegation durch einen overten genuinen Negationsoperator zum Ausdruck gebracht wird, nicht negationsfahig (Ronjat 1980: 608, Zanuttini 1997: 112f.).

3. Imperativierung und Negation

183

erwähnten Imperativischen Verben des Altgriechischen und Althochdeutschen (vgl.: (50)), keine oder noch keine vollständig obligatorische Kopfbewegung nach C° vollziehen, durchaus mittels einer präverbalen Negationspartikel in den Skopus der Satznegation gezogen werden können. Auch die Imperative der slawischen Sprachen sind demnach, weil sie ihre Modusmerkmale innerhalb der IP lizenzieren, trotz Abwesenheit eines overten genuinen Negationsoperators generell mit Satznegation kompatibel (vgl.: (54)). (54) (a) Na urokach ne boltajte! beim Unterricht NEG red(LMP)-PL „Redet nicht während des Unterrichts!" (b) Knjige im ne citajte! Bücher KL(PRON) NEG les(IMP)-PL „Lest ihnen die Bücher nicht vor!"

(Russisch)

(Serbokroatisch)

Gänzlich anders verhält es sich mit den neugriechischen Imperativen. Diese landen auf der Ebene einer von der CP dominierten MoodP (Giannakidou 1998: 42ff.) und sind dennoch nicht in der Lage, einen präverbalen Negationsmarker zu sich zu nehmen (vgl.: (55)). (55)

(Neugriechisch) (a) *Den/*min eia! NEG

komm(LMP)

(b) *Den/*mi diavase! NEG

les(LMP)

Womöglich ebenfalls eine Ausnahme bilden die Imperativischen Verben der modernen westgermanischen Sprache Englisch. Obgleich diese spätestens auf LF an den funktionalen Kopf der C-Domäne angehoben werden, können sie mit Hilfe eines overten negativen Kopfelements, welches ihnen als lexikalischen Vollverben vorangeht, negiert werden. Die Partikel der satzrelevanten Negation -n't bildet dabei grundsätzlich das negative Enklitikon des Verbsubstituts do (vgl.: (56)). Have/be-shift findet demnach im Falle der Imperativierung prinzipiell nicht statt (vgl.: (56b,c)). (56)

(Englisch) (a) Don't cry. D0(IMP)NEG heul „Heul nicht!" (b)Don't beso shy. DO(lMP)NEG sei so schüchtern „Sei nicht so schüchtern!" (c) Don't

have a nice day. hab einen netten Tag „Hab (bloß) keinen schönen Tag!"

DO(IMP)NEG

184

3. Imperativierung und Negation

3.4.2. Imperativische Negationsinkompatibilitäten In Kapitel 2.5.1.5 wurde bereits deutlich, dass die Imperativische IP aller gegenwärtigen und ehemaligen V2-Sprachen des indoeuropäischen Sprachraums infolge der Reanalyse ihrer dominierenden CP als speziell modusdefinierte funktionale Phrase weder eine Tnoch eine Mood-Projektion enthält. Die modale Spezifizierung der Imperative sämtlicher westgermanischer und romanischer Sprachen wird daher, wie dort erläutert, zusammen mit deren temporalen Charakterisierung und Personenkongruenzkodierung ausschließlich am C-Kopf realisiert. Geht man nun wie Belletti (1990), Haegeman (1995), Pollock (1997) und Rowlett (1998) davon aus, dass die NegP dieser Sprachen das Komplement der funktionalen AgrSP bildet (vgl. 3.2.2.), so ergibt sich im Falle der Satznegation fur deren Imperativkonstruktionen eine Struktur, in der die für die Modus-, Tempus- und Subjektkongruenzüberprüfung zuständigen funktionalen Phrasen die Projektionsebene der NegP dominieren. Das betreffende imperativierte Verb checkt folglich vor seiner Landung an Neg° keinerlei Merkmale, die seinen Finitheitsstatus als verbale Kopfkategorie der IP in irgendeiner Weise näher definieren. Somit besitzt es, wie sich aus den Betrachtungen in 3.2.5. schließen läßt, nicht die Fähigkeit, auf der Ebene der NegP mittels Aufnahme eines Negationsklitikons einen coverten Negationsoperator zu identifizieren und löst daher auf der ersten Stufe des Jespersenschen Zyklus Imperativische Negationsunverträglichkeiten aus. Solche finden sich daher, wie in den vorangegangenen Kapiteln vielfach illustriert wurde, in all denjenigen romanischen Sprachen, in denen, wie zum Beispiel im Spanischen (vgl.: (57a)), Italienischen (vgl.: (57b)) und Sardischen (vgl.: (57c)), einfache Satznegation ausschließlich durch den Einsatz eines overten negativen Kopfelements zum Ausdruck gelangt (vgl. (58) am Beispiel von (57a)). Femer sind derartige Inkompatibilitäten auch in den Sprachen zu beobachten, die, wie das Französische, das erste Stadium des Jespersenschen Zyklus zwar bereits hinter sich gelassen haben, aber dennoch die Anwendung der dazugehörigen Negationsstrategie in Anwesenheit einiger weniger Verben noch nach wie vor erlauben. Letztere erweisen sich dort in ihrer imperativierten Form als negationsunfahig, solange der entsprechende kontentive Negationsoperator nicht overt repräsentiert wird (vgl.: (57d)). (57) (a) * ¡No brinca! NEG spring(iMP)

(Spanisch)

(b) * Non telefonale!

(Italienisch)

NEG anruf(lMP)KL(PRON)

(Sardisch)

(c) *Non känta! NEG sing(iMP)

(d) *Ne cesse

de parier!

NEG aufhör(lMP) zu s p r e c h e n

(Französisch)

3. Imperativierung

und

185

Negation

(58) C(Mood)P Spec

C(Mood)'

OP IMP

AgrSP

C (Mood)° * no brinca i Spec DP ¡

AgrS'

Insofern bestätigt sich die in 3.4.1. angestellte Vermutung, dass die individuelle Wechselbeziehung zwischen Satznegationsrepräsentation und Imperativierung mit der spezifisch Imperativischen Verbbewegung - insbesondere hier, wie in (58) dargestellt, mit der spezifisch Imperativischen V-nach-C-Bewegung - in einem direkten Zusammenhang steht. Imperativierung ist nämlich offenbar immer dann mit Satznegation inkompatibel, wenn Letztere keinen overten genuinen Negationsoperator und keine negative Konstituente, deren expletiver Operator nicht auf die Rekonstruktion seitens eines negativ kodierten Kopfelements angewiesen ist, involviert und wenn das entsprechende imperativierte Verb aufgrund satztypenspezifischer Begebenheiten keine hinreichende Spezifizierung seiner Finitheit vornehmen kann, bevor es die Ebene der NegP erreicht. Imperativische Negationsinkompatibilitäten werden also weniger durch die Landung des imperativierten Verbs in C° als vielmehr durch den auf einer bestimmten Projektionsebene bestehenden Mangel an lizenzierten Merkmalen ursächlich ausgelöst. Aus diesem Grunde können Negationsunverträglichkeiten der beschriebenen Art auch außerhalb der ehemaligen und gegenwärtigen V2-Sprachen auftreten. Im Neugriechischen zum Beispiel ist ein entsprechendes Phänomen zu beobachten. Wie bereits in 2.4.2. erläutert wurde, handelt es sich beim Neugriechischen um eine VSOSprache, deren Imperative nicht overtmorphologisch repräsentiert sind. Laut Drachmann (1994), Horrocks (1997: 5 9 f f ) , Alexiadou (1997: 5Iff.) und Giannakidou (1998: 42ff.) ist die neugriechische Satzstruktur derart zu analysieren, dass diese eine MoodP enthält, die unmittelbar von der CP oder TopP dominiert wird und ihrerseits die funktionale NegP zum Komplement nimmt, wobei Letztere in Anwesenheit klitischer Prono-

186

3. Imperativierung

und Negation

men eine spezifische CIP selegiert und darüber hinaus die funktionalen Projektionen der TP und AgrP dominiert. Horrocks (1997: 208ff.) weist in diesem Zusammenhang nach, dass es sich bei der neugriechischen MoodP um eine ehemalige C-Projektion handelt, deren Kopfelement im Byzantinischen als spezieller Modusindikator reanalysiert wurde. Rein oberflächensyntaktisch gehen neugriechische modusmarkierende Partikel, wie das auf der Ebene der MoodP positionierte subjunktivische na (vgl. Rivero 1994a; Giannakidou 1998: 52ff.), somit sowohl dem overten negativen Kopfelement (vgl.: (59a)) als auch klitischen Komplementen (vgl.: (59b)) stets voran. (59)

(Neugriechisch) (a) Na

mi

figis.

SUBJ NEG geh-2SG

„Geh nicht!" (b) Na

min tu

to

dhosis.

SUBJ NEG KL(PRON) KL(PRON) g e b - 2 S G

„Gib es ihm nicht!" Auch imperativierte Verben nehmen, weil sie im Gegensatz zu den finiten Verben aller anderen Modi noch vor Spell-out an den funktionalen Kopf Mood° angehoben werden (vgl. Giannakidou 1998: 55), ihre pronominalen Objekte ausschließlich als Enklisen zu sich (vgl.: (60)). Für die Kodierung der Satznegation sind sie jedoch, wie Rivero & Terzi (1995) und Han (1998) (vgl. 2.3.1.; 2.3.2.) feststellen, unzugänglich (vgl.: (61)) und werden daher unter den gegebenen Umständen durch derartige subjunktivische Surrogate wie (59a) und (59b) ersetzt. (60)

(Neugriechisch) (a) Ghräpse

to!

schreib(IMP) KL(PRON)

„Schreib es!" (b) Diavase to! les(IMP) KL(PRON)

„Lies es!" (61)

(Neugriechisch) (a) *Dhen / *Min eia! NEG

(b) *Ela

komm(iMP)

dhen / min!

komm(lMP)

NEG

In Anbetracht der Imperativischen Satzstruktur des Neugriechischen (vgl.: (62)) wird deutlich, dass fur die auftretenden Negationsinkompatibilitäten die spezifische syntaktische Repräsentation des formal unmarkierten Imperativs zumindest mitverantwortlich ist. Da nämlich dessen temporale Kodierung und dessen Personenkongruenzspezifikation ausschließlich modalimmanent direktivisch determiniert sind und daher erst mit der

3. Imperativierung und Negation

187

Eliminierung des starken verbalen Merkmals an Mood° lizenziert werden, überprüft das entsprechend imperativierte Verb vor seiner Landung an Neg° lediglich ein Numerusmerkmal. Es ist damit ähnlich wie die Imperativischen Verben der modernen romanischen Sprachen bezüglich seines Finitheitsstatus noch zu rudimentär spezifiziert, um auf der Ebene der NegP einen coverten Negationsoperator zu identifizieren und somit Satznegation einzuleiten. Sowohl (61a) als auch (61b) sind demnach in Kombination mit den jeweils zur Verfügung stehenden Negationsmarkern dhen und min ungrammatisch.14 (62)

Mood0 * e l a j / * dhen/min eia.

3.4.3. Imperativische Negationskompatibilitäten Sprachen, die über keine oder noch keine verfestigten V2-Stellungsmuster verfugen und deren Mood-Projektion im Falle der Satznegation die funktionale NegP nicht zum Komplement nimmt, weisen zumindest in weiten Gebieten des indoeuropäischen Sprachraums auch dann keine Imperativischen Negationsunverträglichkeiten auf, wenn deren genuiner Negationsoperator SpecNeg auf die Identifizierung seitens eines lexikalisch realisierten Neg°-Elements angewiesen ist. Demnach sind unter anderem die formal unmarkierten Imperative der gegenwärtig gesprochenen slawischen Sprachen (vgl.: (63a,b)), des Albanischen (vgl.: (63c)) und auch des Altgriechischen (vgl.: (63d(50a))) mit Negation kompatibel.

14 Dhen dient der Negation von indikativischen Strukturen; min dagegen wird in subjunktivischen Sätzen eingesetzt (vgl. Giannakidou 1998).

188

3. Imperativierung und Negation

(63) (a) Ne

citajte

je !

(Serbokroatisch)

NEG les(LMP)-PL KL(PRON)

„Lies es nicht!" (b) Ne

ceti!

(Bulgarisch)

NEG les(lMP)

„Lies nicht!" (c) Mos e

digj!

(Albanisch)

NEG KL(PRON) b r e n n ( I M P )

„Verbrenn es nicht!" (d) Mê mega lege! NEG groß rede(LMP) „Gib nicht so an!"

(Altgriechisch)

(Plato Phaedo 95b) Dort nämlich dominiert die funktionale NegP die Mood-Projektion (Rivero 1994a; Kallulli 1995; Rivero & Terzi 1995) und ermöglicht damit dem jeweils aufsteigenden imperativierten Verb, seine Modus- und in einem seine Tempus- und Personenkongruenzspezifizierung noch vor seiner Landung an Neg° zu lizenzieren und sonach Satznegation einzuleiten. Letzteres gilt auch für all die Sprachen, die, wie zum Beispiel das Althochdeutsche, zwar durchaus V2-Charakteristika angenommen, diese jedoch bislang nicht vollständig institutionalisiert haben (vgl.: (64a(50b), 64b)). Deren imperativierte Verben verbleiben nicht notgedrungen innerhalb der I-Domäne, sondern können vor Spell-out bereits in die C-Projektion angehoben werden. Da deren funktionaler Kopf Fin° aber noch nicht als speziell modusdefinierter funktionaler Kopf der Imperativsatzbildung reanalysiert wurde, lizenziert das entsprechend imperativierte Verb seine Moduskodierung IP-intern an Mood° und kann daher auf der Ebene der NegP mittels Inkorporation der Negationspartikel den coverten Operator SpecNeg identifizieren. Wie (65) am Beispiel von (64a) verdeutlicht,' 5 verursacht es folglich durch seine Bewegung in die C-Domäne keinerlei Negationsunverträglichkeiten. (64)

(Althochdeutsch) (a) ni

hélet

mih

NEG hehl(IMP)-PL m i c h

„Verhehlet es nicht vor mir!" (Otfrid von Weißenburg Das Evangelienbuch 3.12,5)

15 Die Imperativkonstruktion (64a) lässt nicht erkennen, ob das Imperativische Verbelement hélet in AgrS 0 oder tatsächlich in Foc° gelandet ist. Insofern stellt die Abbildung unter (65) lediglich einen von zwei möglichen verbalen Anhebungsprozessen dar, wobei die Aufspaltung der C-Projektion und die spezielle Positionierung des Klitikons mih aus Gründen der Übersichtlichkeit außer Acht gelassen wurden.

189

3. Imperativierung und Negation (b) ni laz thirzít thes ingán... NEG lass(lMP) dir Zeit dazu entgehen „Lass dir dazu nicht die Zeit entgehen ..." (Otfrid von Weißenburg Das Evangelienbuch

1.1,48)

(65)

Neg° (ni-)ti··«-

Sobald die Imperativische V-nach-C-Bewegung aufgrund der fortschreitenden Etablierung von V2-Stellungsmustern fixiert und die Reanalyse der funktionalen FinP als imperativspezifische MoodP abgeschlossen ist, kann die Operation der Satznegation ohne den Einsatz von negativen Konstituenten nur noch dann durchgeführt werden, wenn die betreffenden Sprachen die zweite oder dritte Stufe des Jespersenschen Zyklus erreicht haben. Denn nur in diesen beiden Stadien sind genuine kontentive Negationsoperatoren grundsätzlich lexikalisch realisiert und hiermit, wie bereits in 3.2.4. ausfuhrlich erläutert wurde, dazu befähigt, gänzlich losgelöst von der jeweiligen verbalen Kopfbewegung Negation zu indizieren. Sie erfüllen dort das Neg-Kriterium unmittelbar innerhalb der Spezifikator-Kopf-Relation zu ihrem Kopf Neg°, ohne auf die Identifikation durch ihn angewiesen zu sein, und erlauben daher selbst Verbelementen, die hinsichtlich ihres Finitheitsstatus noch unzureichend spezifiziert sind, an Neg° zu landen und gegebenenfalls ein entsprechendes Negationsklitikon zu inkorporieren. Overte genuine Negationsoperatoren sind folglich stets mit Imperativierung kompatibel und treten demzufolge, wie (66a) und (66b) am Beispiel des Westflämischen und Fran-

190

3. Imperativierung

und

Negation

zösischen einerseits und (67a), (67b) und die Struktur (68) am Beispiel des Deutschen bzw. des Piemontesischen andererseits illustrieren, auch in den VI-Imperativkonstruktionen der gegenwärtigen westgermanischen und romanischen Sprachen auf.

(66) (a) En-¡doet

da nie ti/

(Westflämisch)

NEG tu(lMP)-PL das NEG

„Tut das nicht!" (Französisch)

(b) Ne¡ gronde pas ti/ NEG knurr(lMP) NEG „Knurr nicht!" (67)

(Deutsch)

(a) Warte nicht auf mich!

(Piemontesisch)

(b) Paria nen! sprich(lMP) NEG „Sprich nicht!" (68) C(Mood)P Spec

C (Mood) '

OPIMP

C (Mood)0

AgrSP

parla¡

AgrS'

Spec DPI

AgrS°

NegP

ti"

Ähnliches gilt zunächst auch fìir overte Negationsoperatoren, die nicht in der Spezifikatorposition der NegP basisgeneriert werden, sondern in Form von negativen Konstituenten die Argumente des entsprechend negierten Vollverbs bilden. In den Sprachen, die, wie die zuletzt genannten (vgl.: (66,67)), auf der zweiten oder dritten Stufe des

3. Imperativierung und Negation

191

Jespersenschen Zyklus im Sinne der reinen Negationslizenzierung keiner lexikalischen Realisierung des Neg°-Elements mehr bedürfen, rekonstruieren sie als overte Negationsphrasen selbstständig entweder mittels Neg-Movement oder aber über eine repräsentationelle Operatorenkette den expletiven Negationsoperator SpecNeg und sind demzufolge dort grundsätzlich mit Imperativierung verträglich (vgl.: (69)). (69) (a) Verrat nichts! (b) Ne/' parle

(Deutsch) OP k t¡ avec personnel

NEG sprich(lMP)

mit

(Französisch)

niemandem(NEG)

„Sprich mit niemandem!" Anders verhält es sich in Sprachen, die sich gegenwärtig im ersten Stadium des Jespersenschen Zyklus befinden. Diese verlangen, zumindest innerhalb der Romania, dass Satznegation durch ein overtes Negationselement repräsentiert wird, welches oberflächenstrukturell den Negationsskopus markiert. Da nun Neg-Bewegung in den romanischen SVO-Sprachen keine anwendbare Operation darstellt, muss dort der expletive Operator SpecNeg zusätzlich im Zuge der Verbbewegung durch die Aufnahme eines Negationsklitikons an Neg° identifiziert werden. Imperativierte Verben können, weil sie in dem betreffenden Sprachgebiet vor dem Erreichen der Neg-Projektion keine modale und somit auch keine temporale Spezifizierung vornehmen, diese Identifikation jedoch nicht leisten und sind sonach, wie hier im Standarditalienischen, mit negativen Konstituenten inkompatibel (vgl.: (70a)). Erst wenn Letztere in eine die NegP c-kommandierende Skopusposition angehoben werden und hiermit jede weitere Negationsindizierung gemäß der Bedingung des geringsten Aufwandes verbieten (vgl.: (70b)), können auch reine Imperative trotz ihrer defizitären IP-internen Finitheitsspezifikation mit ihnen kookkurieren. (70)

(Italienisch) (a) *Non¡ digli

OPk t, nienteJ

NEG sag(iMP)KL(PRON)

nichts(NEG)

(b) A NESSUNO fallo vedere! zu niemandem(NEG) mach(lMP)KL(PRON) sehen „Niemandem zeig es!"

3.4.4. Imperativische Negationsauxiliare In einigen romanischen Sprachen und Dialekten tritt ein imperativiertes Auxiliar in seiner negierten Form als operationales Modalverb auf und nimmt in dieser Funktion das infinitivische Hauptverb zum Komplement. Wie Zanuttini (1997: 117ff.; vgl. 3.3.1.) feststellt, ist dies vor allem in den heutigen norditalienischen Dialekten vielfach zu beobachten, wo das Hilfsverb stare insbesondere in den Sprachgebieten bei Padua, Udine und Trient zur Bildung negierter Imperativsätze verwendet wird (vgl.: (71)).

192

3. Imperativierung und Negation

(71) (a) No sta parlare! NEG bleib(AUX IMP) sprechen „Sprich nicht!" (b) No

moverte! bewegen „Beweg dich nicht!"

(Norditalienisch (Padua))

sta

NEG bleib(AUX IMP)

(Norditalienisch (Trient)) KL(PRON)

Allein stare ist in den genannten Sprachgebieten dazu befähigt, sich während seiner spezifisch Imperativischen Verbbewegung an Neg° mit der entsprechenden Negationspartikel zu verbinden und sonach Satznegation zu markieren. In nicht-negierten Konstruktionen führt dessen Imperativierung grundsätzlich zur Ungrammatikalität (vgl.: (72)). (72) (a) *Stà parlare! bleib(AUX IMP) sprechen „Sprich!" (b) *Sta moverte! bleib(AUX IMP) bewegen KL(PRON) „Beweg dich!"

(Norditalienisch (Padua))

(Norditalienisch (Trient))

Der Einsatz des Hilfsverbs stare ist folglich notwendig mit der Negationsindizierung verknüpft. Mood° scheidet somit entgegen den Ausfuhrungen von Kayne (1992) und Zanuttini (1997: 127, 146) als dessen möglicher Generierungsort gänzlich aus. Sollten nämlich beide mit ihrer Annahme, dass stare als rein modusdefiniertes Verbelement am Kopf der MoodP basisgeneriert wird, Recht behalten, so müsste auch das nicht-negierte Gegenstück der Strukturen in (71) wohlgeformt sein, was aber offensichtlich, wie (72) illustriert, nicht der Fall ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass stare als ausschließlich negationskompatibles Auxiliar bei der Verkettung der Imperativischen NegP unmittelbar an deren Kopf generiert und daraufhin als imperativiertes Verbelement no sta/stá (bzw. in seiner pluralischen Form no stàit) angehoben wird (vgl. Wratil 2002). Es verhält sich insofern ebenso wie sein Vorgänger noli (bzw. in seiner pluralischen Form nolite), welcher im Lateinischen allein dem Ausdruck negierter Imperative dient (vgl.: (73)). Anders als noli/nolite erreicht das gegenwärtige norditalienische Negationsauxiliar im Zuge seiner spezifischen Kopfbewegung jedoch obligatorisch die funktionale C-Projektion, an deren Kopf Foc° es mit dem entsprechenden Imperativoperator eine Spezifikator-Kopf-Beziehung eingeht. (73)

(Lateinisch) (a) Noli

me tangere! N E G ( A U X IMP) mich berühren „Berühr mich nicht!" (Johannes 20,17)

3. Imperativierung und Negation

193

(b) Nolite

conforman huic saeculo! anpassen in dem Menschenalter „Passt euch niemals an!" (Paulus Römerbrief 12,2)

N E G ( A U X IMP)-PL

3.4.5. Die Negation englischer Imperative Das Englische befindet sich hinsichtlich seiner Satznegationsrepräsentation in einem intermediären Stadium zwischen der dritten und der ersten Stufe des Jespersenschen Zyklus. Es verfügt über einen postverbalen Negationsmarker not, der bereits vornehmlich deutliche Eigenschaften eines negativen Kopfelements in sich vereinigt. Im Gegensatz zu dem overten genuinen Negationsoperator not des Frühneuenglischen fordert dieser nämlich im Sinne der Negationsindizierung zwar nicht in infiniten (vgl.: (74a)), aber in finiten Sätzen die overte Kopfbewegung nach Neg° seitens eines temporal und modal spezifizierten Verbelements (vgl.: (74b,c)). Außer in subjunktivischen Konstruktionen, wo Letzteres grundsätzlich in Form eines Null-Modals zum Einsatz kommt (vgl. Roberts 1985; Lasnik 1995) (vgl.: (74d), bildet er dabei in der gegenwärtig gesprochenen Umgangssprache regulär das Enklitikon -n ' Ί, welches von Neg° aus in den verbalen Anhebungsprozess involviert wird (vgl.: (74e)). Die heutige englische Negationspartikel finiter Sätze verhält sich folglich insofern analog zu dem präverbalen Negationsklitikon derjenigen romanischen Sprachen, die allein dem ersten Stadium des Jespersenschen Zyklus zuzuordnen sind, als sie auf der Ebene der funktionalen NegP gemeinsam mit dem dort vor Spell-out gelandeten Hauptverb den nunmehr coverten Negationsoperator SpecNeg identifiziert. (74)

(Englisch) (a) Marc tries noi to sneeze. Marc versuch-3SG NEG zu niesen „Marc versucht, nicht zu niesen." (b) * Molly not like this place. Molly NEG mög diesen Ort (c) Kim should not go out this night. Kim AUX NEG geh aus diese Nacht „Kim sollte nicht ausgehen heute abend." (d) (Mrs. Pearce desires) that we MSbj not wear kilts. (Frau Pearce wünsch-3SG) dass wir NEG trag Schottenröcke „(Frau Pearce möchte,) dass wir keine Schottenröcke tragen." (e) Doris doesn't buy the tractor. Doris DO NEG kauf diesen Traktor „Doris kauft diesen Traktor nicht."

194

3. Imperativierung und Negation

Demnach dürfte aber nun die englische Imperativierung ebensolche Negationsinkompatibilitäten auslösen wie unter anderem die reinen Imperative des Spanischen, Katalanischen, Sardischen oder Standarditalienischen. Die unter (56) aufgeführten Satzstrukturen zeigen jedoch, dass sich eine derartige Schlussfolgerung letztendlich nicht ziehen lässt. Daher ist anzunehmen, dass im Englischen auf eine ähnliche Imperativische Negationsstrategie zurückgegriffen wird wie in den norditalienischen Dialektgebieten bei Padua, Udine und Trient. Daten aus älteren Sprachperioden des Englischen und aus dem Belfastenglischen weisen in der Tat in diese Richtung. Wie die Betrachtungen in 2.5.1.6. ergeben haben, werden die fíniten lexikalischen Hauptverben des Englischen noch zum Teil bis in die frühneuenglische Periode vor Spell-out aus der VP herausbewegt und nach AgrS° angehoben. In Imperativischen Strukturen landen sie seit dem Mittelenglischen obligatorisch an dem CP-internen Kopf Foc°. Da die einfache satzrelevante Negation auf den genannten Sprachstufen mit Hilfe der overten Realisierung des genuinen kontentiven Negationsoperators SpecNeg bewerkstelligt wird, ist dort Imperativierung trotz der damit verbundenen spezifischen V-nachC-Bewegung grundsätzlich mit Negation kompatibel (vgl.: (75)). (75) (a) Depart

pou nouht fro me.

weggeh(lMP) du

NEG

(Mittelenglisch)

v o n mir

„Geh nicht weg von mir!" (The Earliest Complete English Prose Psalter 24.594) (b) And feare ye nott them which kill the body. und fürcht(lMP)-PL ihr NEG die welche töten den Körper „Fürchtet ihr nicht diejenigen, die den Körper töten!" (Tindale The Four Gospels 310)

(Friihneuenglisch)

Das Verlassen der VP vor Spell-out bleibt im Belfastenglischen fur lexikalische Verben im Falle von deren Imperativierung zulässig (Henry 1995: 45ff.; 1997) (vgl. 2.5.1.6.; (76a)). Der Negationsmarker «oí jedoch benötigt dort bereits, ebenso wie im modernen Standardenglischen, die overte Präsenz eines hinreichend spezifizierten Verbelements an Neg°, um Satznegation indizieren zu können. Das Imperativische Vollverb ist sonach, weil es vor seiner Landung am Kopf der funktionalen NegP keine Überprüfung von Finitheitsmerkmalen vornehmen und daher auch keine Identifikation des Negationsoperators gewähren kann, mit der Negationspartikel not bzw. ihrem Klitikon -n 't inkompatibel (vgl.: (76b)). Die Imperativische Negation erfolgt daher grundsätzlich mit Hilfe des negativen Substituts don 7 (vgl.: (76c)). (76)

(Belfastenglisch) (a) Read

you that.

les(iMP)du

das.

„Lies du das!" (b) *Readn 't

you that.

les(iMP)NEG d u

das

3. Imperativierung und Negation (c) Don Ί

you

195

read that.

DO(IMP)NEG d u

les

das

„Lies du das nicht!" Demnach ist im Belfastenglischen die identische Imperativische Negationsstrategie zu beobachten wie in den in 3.4.4. behandelten modernen romanischen Dialekten. Genauso wie dort kann das imperativierte Verbelement während seiner spezifischen V-nach-CBewegung aufgrund der fehlenden Verkettung einer IP-internen Mood-Projektion nicht allein mittels eines overten negativen Kopfelements Satznegation einleiten, was zur Folge hat, dass ein auf der Ebene der NegP basisgeneriertes Negationsauxiliar zum Einsatz kommt. Das moderne Standardenglische unterscheidet sich nun vom Belfastenglischen insofern, als es imperativierte lexikalische Verben, ebenso wie die finiten Vollverben der anderen Modi, gemäß dem Verzögerungsprinzip vor Spell-out innerhalb der VP festhält und ihnen somit generell keine overte Kopfbewegung erlaubt (vgl. 2.5.6.1.). Demzufolge beherbergt die Imperativische CP englischer Imperativkonstruktionen oberflächensyntaktisch grundsätzlich kein lexikalisches Vollverb. Sie enthält allerdings im Falle der Satznegation ein ebensolches Negationsauxiliar wie die CP negierter belfastenglischer Imperative (vgl.: (77a)) und im Falle der emphatischen Affirmation dessen positives Gegenstück do (vgl.: (77b)). (77)

(Standardenglisch) (a) Don't

you sneer.

DO(IMP)NEG du

spott.

„Spotte du nicht!" (b) Emmy, do stroke the cows now. Emmy, DO(IMP) streichel die Kühe jetzt „Emmy, streichel die Kühe jetzt!" Die Negationskompatibilität englischer Imperative ist folglich nicht, wie Han (2001) behauptet, damit zu begründen, dass sich -n't enklitisch verhält (vgl.: 3.3.2.). Sie ist vielmehr darauf zurückzufuhren, dass speziell im heutigen Englischen ein substitutives Auxiliar do bzw. don't existiert, welches auf der Ebene der spezifischen PolP16 der beiden modallogischen Default-Modi Indikativ und Imperativ (vgl. 1.2.2.2.) basisgeneriert und von dort aus in Imperativischen Strukturen vor Spell-out von C° attrahiert wird (vgl. (78) am Beispiel von (77a)).

16 Die englische IP beherbergt anstatt einer NegP eine funktionale Projektion (PolP oder SigmaP), welche bezüglich der polaren Merkmale NEG und POS/AFF jeweils individuell eingestellt wird (Laka 1994: 63ff.; Haegeman 1995: 180ff.).

196

3. Imperativierung und Negation

(78) C (Mood)P Spec

C (Mood)'

O P IMP

C (Mood)1 don't ¡

AgrSP

Vo

sneer

Wie (79) illustriert, kann im Zuge dieser Anhebung die Negationspartikel not als nichtklitisches Element auf der Ebene der NegP zurückgelassen werden (vgl.: (79a,b)), solange sie dabei in einer zu dem bewegten Verbelement oberflächlich adjazenten Position verbleibt (vgl.: (79c)). (79)

(Englisch) (a) Do not

lean out. D 0 ( I M P ) N E G lehn heraus „Lehnt euch nicht heraus!"

(b) *Do not

you lean out. du lehn heraus „Lehnt euch nicht heraus!" DO(IMP)NEG

(c) *Do you not lean out. DO(IMP) du NEG lehn heraus „Lehnt euch nicht heraus!" Have/be-shift ist in den Imperativkonstruktionen des Englischen nicht durchführbar, weil die beiden lexikalischen Hilfsverben ebenso wenig wie sämtliche anderen imperativierten Vollverben dazu in der Lage sind, noch vor ihrer Landung an Pol° Finitheitsmerkmale zu lizenzieren. Have und be können in ihrer imperativierten Form folglich auf der Ebene der NegP keinen genuinen Negationsoperator legitimieren (vgl.: (80a,b)) und sind daher auf den Einsatz eines Negationsauxiliars angewiesen (vgl.: 80c,d)).

3. Imperativierung und Negation (80)

197 (Englisch)

(a) *Be

not so shy.

sei(iMP) NEG s o schüchtern

(b) * Haven't a nice day. hab(IMP)NEG einen netten Tag (c) Don't

beso

shy.;

DO(IMP)NEG sei so schüchtern

„Sei nicht so schüchtern!" (d) Don't have a nice day. DO(lMP)NEG hab einen netten Tag „Hab (bloß) keinen schönen Tag!"

3.4.6. Zusammenfassung Bei den formal unmarkierten Imperativen des indoeuropäischen Sprachraums lässt sich ein Zusammenhang zwischen der spezifisch Imperativischen Verbbewegung, der jeweiligen Satznegationsrepräsentation und der Negationsverträglichkeit feststellen. Dort ist Imperativierung immer dann mit Satznegation unverträglich, wenn Letztere keinen overten genuinen Negationsoperator involviert und das entsprechende imperativierte Verb aufgrund satztypenspezifischer Begebenheiten keine hinreichende Spezifizierung seiner Finitheit vornehmen kann, bevor es die Ebene der NegP erreicht. So sind die imperativierten Verben aller ehemaligen und gegenwärtigen V2-Sprachen, da ihre IP infolge der Reanalyse der Imperativischen FinP als speziell modusdefinierte funktionale Phrase weder eine T- noch eine Mood-Projektion enthält, nicht dazu befähigt, im Zuge ihrer Anhebung vor dem Erreichen des Kopfes Neg° ihren Finitheitsstatus zu definieren. Allein mittels der Aufnahme eines Negationsklitikons an Neg° können sie folglich keinen coverten Negationsoperator identifizieren und lösen daher, wie zum Beispiel im Spanischen, Italienischen oder Sardischen, auf der ersten Stufe des Jespersenschen Zyklus Negationsunverträglichkeiten aus. Auf der zweiten und dritten Stufe des Jespersenschen Zyklus sind sie allerdings grundsätzlich negationsfahig. Denn in diesen beiden Stadien sind genuine kontentive Negationsoperatoren lexikalisch realisiert und demnach, wie etwa im Westflämischen oder Piemontesischen, dazu in der Lage, Satznegation gänzlich unabhängig von dem Ablauf der jeweiligen verbalen Kopfbewegung zu indizieren. Die formal unmarkierten Imperative derjenigen Sprachen, die nicht oder noch nicht zu den V2-Sprachen zählen und deren MoodP ein Komplement der funktionalen NegP bildet, sind dagegen sogar auf der ersten Stufe des Jespersenschen Zyklus mit Negation kompatibel. Dies zeigt sich unter anderem in den alten germanischen Sprachen. Dort sind V2-Stellungsmuster bislang nicht vollständig institutionalisiert, weshalb die Imperativische MoodP nach wie vor innerhalb der I-Domäne verkettet wird. Deren Imperativische Verben lizenzieren demnach vor ihrer Landung an Neg° Finitheitsmerkmale, die sie dazu befähigen, den coverten genuinen Negationsoperator auf der Ebene der NegP zu identifizieren.

198

3. Imperativierung

und Negation

Imperativische Negationsauxiliare, so wie sie unter anderem im Lateinischen oder in einer Anzahl norditalienischer Dialekte vorkommen, werden bei der Verkettung der funktionalen NegP unmittelbar an deren Kopf generiert und daraufhin von AgrS 0 bzw. Foc° attrahiert. Insbesondere im Englischen existiert neben dem negativen Auxiliarelement don 't ein emphatisch affirmatives Gegenstück do, welches ebenso wie Ersteres auf der Ebene der spezifischen PolP der beiden modallogischen Default-Modi Indikativ und Imperativ basisgeneriert und von dort aus in Imperativischen Strukturen vor Spellout an den CP-internen Kopf Foc° angehoben wird.

4. Das Imperativische Null-Pronomen

4.1. Einleitung Im letzten Teil dieser Arbeit soll gezeigt werden, dass Imperative, obgleich sie in den allermeisten Sprachen in ihrer kanonischen Form keine overte Subjektkonstituente zu sich nehmen, dennoch stets ein syntaktisches Subjekt lizenzieren. Weiterhin soll ermittelt werden, durch welche Leerkategorie dieses Subjekt in „subjektlosen" Imperativsätzen repräsentiert wird und ob diesbezüglich zwischensprachliche Differenzen festzustellen sind. Im Folgenden werden daher in 4.2. die beiden genuinen Subjekt-Leerkategorien PRO und pro vorgestellt und die entsprechenden generativen Theorien kurz erörtert. Nachdem im Anschluss daran zwei Analysen, deren Resultate hinsichtlich des Imperativischen Subjektbegriffs stark voneinander abweichen, diskutiert und kritisiert worden sind, werde ich in 4.4.1. bis 4.4.4. die Imperativische Subjektrealisierung eingehend untersuchen, wobei ich unter Einbeziehung verschiedener Sprachen das Vorkommen und das syntaktische Verhalten von overten und coverten Imperativsubjekten behandeln werde. Es wird sich herausstellen, dass formal unmarkierte Imperative zwar stets ein Subjekt besitzen, dass dieses aber in seiner coverten Form keiner der vier bekannten Leerkategorien entspricht. Ich werde daraufhin in 4.4.6. die Regularitäten der Null-Subjekt-Lizenzierung einer Revision unterziehen und in 4.4.7. zeigen, dass coverte Imperativsubjekte spezifische Null-Pronomen sind, die abhängig von der jeweiligen Imperativischen Verbbewegung durch unterschiedliche pronominale Eigenschaften charakterisiert sind.

4.2. Die subjektivischen Null-Pronomen PRO und pro 4.2.1. PRO Infinitivische Konstruktionen enthalten im Gegensatz zu ihren finiten Gegenstücken in der Regel kein Nominativsubjekt. Das Projektionsprinzip, welches die Erhaltung der thematischen Selektionseigenschaften auf allen syntaktischen Strukturebenen fordert (Chomsky 1981: 29ff.), verlangt aber prinzipiell, dass die von dem infinit oder finit kodierten verbalen Kopf jeweils s-selegierte externe Theta-Rolle stets durch ein Argument syntaktisch repräsentiert wird. Daher ist davon auszugehen, dass Infinitive zwar den-noch grundsätzlich ein Subjekt zu sich nehmen, dieses aber nicht als lexikalisch realisierte Konstituente im Nominativ lizenzieren. Die subordinierten Infinitive unter (1)

200

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

beherbergen folglich ein rein subjektivisches Element, welches, wie die Bindungsdaten unter (lc) und (ld) erkennen lassen, durchaus im Stande ist, als Antezedens reflexive Anaphern innerhalb seines Satzes zu binden.

(1)

(Deutsch) (a) (b) (c) (d)

Onkel Karl befiehlt Tamara, e endlich wieder zu lachen. Sonja plant, e eine Villa zu kaufen. Ich versuche, e¡ mich, zu erinnern. Sibylle rät Robert, e¡ sich, still zu verhalten.

Die subjektivische Leerkategorie verfugt dabei eindeutig über pronominale Eigenschaften. Ebenso wie lexikalisch realisierte Personalpronomen kann sie je nach Kontext frei auf spezifische Referenten Bezug nehmen (vgl.: (2a)), eine arbiträre Interpretation erhalten (vgl.: (2b)) oder aber außerhalb ihres minimalen vollständigen funktionalen Komplexes gebunden werden (vgl. Chomsky 1986b) (vgl.: (2c)). Aus diesem Grunde hat sie im Rahmen der generativen Grammatiktheorie die Bezeichnung PRO zugewiesen bekommen (vgl. Chomsky & Lasnik 1977). Gleichzeitig verhält sie sich allerdings auch insofern wie eine Anapher, als sie bezüglich ihrer Interpretation obligatorisch unter die referentielle Dependenz einer im unmittelbar übergeordneten Matrixsatz enthaltenen NP fallen kann (vgl.: (2d)).

(2)

(Deutsch) (a) (b) (c) (d)

PRO die Bank auszurauben, war jetzt keine so gute Idee. Es gehört sich nicht, PRO einer Dame Astern zu schenken. Manfredi ist müde. PRO, vier Bleche Zimtsterne zu backen, war Magda¡ hat große Lust, PRO, den ganzen Tag zu faulenzen.

anstrengend.

PRO ist sonach durch die Merkmalsmatrix [+anaphorisch; +pronominal] charakterisiert. Als pronominale Anapher stellt es damit zunächst ein Paradoxon für die klassische Bindungstheorie dar. Während nämlich Anaphern gemäß der Bedingung A in ihrer Rektionskategorie gebunden sein müssen, sind Pronomina dort gemäß der Bedingung Β grundsätzlich frei. Dieser Crux entgeht PRO, indem es sich von seiner Rektionskategorie gänzlich entledigt. Es wird nur dann lizenziert, wenn es unregiert ist (PRO-Theorem) (vgl. Chomsky 1981: 183ff.). PRO spezifiziert demzufolge I o , solange dieses sowohl hinsichtlich seiner Agr- als auch hinsichtlich seiner T-Merkmale negativ definiert ist und sich somit nicht als Regens seines Subjekts qualifiziert. Auf der Grundlage des PRO-Theorems kann PRO also niemals als Objektkonstituente (vgl.: (3a)), als Subjekt finiter Sätze (vgl.: (3b)) oder aber als Subjekt von Infinitiven, deren Spezifikator seitens eines Matrixverbs (vgl.: (4a)) oder seitens einer Konjunktion (vgl.: (4b)) regiert wird, auftreten.

(3)

(Deutsch) (a) * Leila küsst PRO auf gar keinen Fall. (b) * Marina weiß aber, dass PRO unbedingt Leila küssen will.

4. Das Imperativische Null-Pronomen (4)

201 (Englisch)

(a) * Verena believed PRO to be the best rapper. Verena glaub-PRÄT zu sein der beste Rapper (b) *For PRO to earn some money would be better. fur zu verdienen etwas Geld AUX sein besser Es ist sonach mit overten NPs komplementär verteilt. Da Letztere gemäß dem Kasusfilter grundsätzlich Kasus tragen und Kasus vor dem Hintergrund der generativen Prinzipien- und Parametertheorie ausschließlich über Rektion zugewiesen wird, glaubt Bouchard (1984), dass nicht die obligatorische Unregiertheit, sondern vielmehr die fehlende Kasusmarkierung die essentielle Basis des PRO-Theorems darstellt. Lasnik (1992), Chomsky (1995: 117ff.) und Martin (1996) argumentieren dagegen. Sie zeigen, dass PRO ebenso wie Α-bewegte Argumente prinzipiell nicht aus kasusmarkierten Positionen, sondern gemäß dem Prinzip der letzten Zuflucht nur aus nicht-kasusmarkierten Positionen extrahiert werden darf. PRO befindet sich demnach als höchstes Glied einer durch Bewegung entstandenen Kette in einer reinen Kasusposition. Es bekommt dort innerhalb der Spezifikator-Kopf-Relation zu dem für Agr und Τ negativ spezifizierten INFL Null-Kasus zugewiesen und lizenziert hierdurch seine spezifischen pA/'-Merkmale.1 Laut Chomsky (1995: 117ff.) zeichnet sich somit allein PRO dadurch aus, dass es als NP-Argument Null-Kasus tragen kann. Wie Martin (2001) feststellt, sind allerdings längst nicht alle Infinitive dazu befähigt, tatsächlich Null-Kasus zu legitimieren und dementsprechend ein Subjekt-PRO zu sich zu nehmen. Bestimmte Gruppen von Infinitiven, wie zum Beispiel diejenigen von /?aw;'«g-Konstruktionen, können seiner Einsicht nach aufgrund ihrer ausschließlich non-temporalen Interpretation weder Null- noch irgendeinen anderen Kasus zuweisen. Das referentielle Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Leerkategorie PRO und einer in der Matrixstruktur befindlichen NP wird Kontrolle genannt, wobei PRO das kontrollierte und die identifizierende NP das kontrollierende Element darstellt (Bresnan 1982). Die Rekonstruktion von PRO durch Kontrolle ist in verschiedenen syntaktischen Umgebungen verpflichtend. So erfolgt sie in deklarativischen Komplement- und Adjunktsätzen obligatorisch mittels Koindizierung über das C-Kommando einer im nächsthöheren Satz enthaltenen externen oder internen Argument-NP (Pollard & Sag 1989). Man unterscheidet diesbezüglich zwischen subjektkontrollierenden Matrixverben (vgl.: (5a,b)) und objektkontrollierenden Matrixverben (vgl.: (5c,d)).2

1 Zumindest im Deutschen sind in infinitivischen Konstruktionen hinsichtlich des nominativischen Kasus subjektivische Kongruenzphänomene zu beobachten, die Lasniks (1992), Chomskys (1995) und Martins ( 1 9 9 6 ) These der Null-Kasus-Markierung von PRO deutlich widersprechen (Gallmann (persönl. Gespräch); Stemefeld 2 0 0 4 ) (Ich empfehle dir, PRO ein guter Vater zu sein / Kalle bat seine Kumpels, PRO einer nach dem anderen einen kräftigen Schluck zu nehmen.) 2 Laut Larson (1991) ist die Relation zwischen dem Kontrollelement und PRO rein strukturell determiniert. Mit Rosenbaum (1967) nimmt er gemäß dem Prinzip der geringsten Entfernung (Minimum Distance Principle) an, dass Kontrolle stets von der d-strukturell am nächsten gelegenen c-kommandierenden N P ausgeht.

202

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

(5)

(Deutsch) (a) (b) (c) (d)

Flo versucht, PRO Servietten zu falten. Angelika fängt an PRO zu nerven. Der Polizeibeamte hat mir befohlen, PRO die Musik leiser zu drehen. Marina überredet mich, PRO hart zu bleiben.

In subjektivischen Infinitiven unterliegt PRO nicht notwendig der Kontrolle (Manzini 1983; Koster 1984). Es kann dort als arbiträres PRO per Default eine spezifisch unabhängige Identität zugewiesen bekommen. Die mit dieser verbundenen nominalen Kongruenzmerkmale variieren dabei zwischen den einzelnen Sprachen. Das arbiträre PRO des Englischen zum Beispiel wird mit den Merkmalen 2. oder 3. PERS und SING versehen (vgl.: (6a)), während das deutsche PRO die Merkmale 3. PERS und SING (vgl.: (6b)) und das italienische PRO die Merkmale 3. PERS, PL und MASK (vgl.: (6c)) erhält. (6) (a) PRO to behave oneself / yourself is not always easy. zu benehmen sich dich sei-3SG NEG immer leicht „Sich zu benehmen, ist nicht immer leicht."

(Englisch)

(b) PRO sich andauernd seine Nase zu putzen, macht echt keinen Spaß.

(Deutsch)

(c) PRO parlare di se stessi è difficile. sprechen über sich selbst(3PL.MASK) sei-3SG schwierig „Über sich selbst zu reden, ist schwierig."

(Italienisch)

Die vielfaltigen Beobachtungen hinsichtlich der teilweise recht strikt determinierten Kontrollrelationen zwischen PRO und einer entsprechenden Matrix-NP haben unter anderem Manzini (1983) und Hornstein (1999) dazu veranlasst, das Null-Pronomen PRO gänzlich anders zu definieren. So ist PRO für Manzini (1983) eine reine Anapher, während es Hornstein (1999) für die Spur der jeweils angehobenen Kontroll-NP hält. Insbesondere Culicover & Jackendoff (2001) bemängeln an Hornsteins (1999) Ansatz, dass dieser vehement gegen das Theta-Kriterium verstößt. Gemäß Hornsteins (1999) These nämlich selegieren in Konstruktionen wie (7) das Hauptverb des finiten Matrixsatzes und dasjenige des subordinierten Infinitivs gemeinsam genau nur ein einziges externes Argument, was der Theta-Struktur der beiden Verblexeme offensichtlich nicht entspricht (vgl.: (7b)). Culicover & Jackendoff (2001) plädieren dafür, das gesamte Kontrollphänomen zumindest zu einem großen Teil allein auf rein semantische Gegebenheiten zurückzufuhren. (Deutsch)

(7) (a) Sonja hat versprochen, PRO die Katze zu füttern. (b) Sonja ¡ hat versprochen, t¡ die Katze zu füttern.

4. Das Imperativische Null-Pronomen

203

4.2.2 .pro In den meisten Sprachen kann das externe Argument auch in finiten Sätzen regulär covert realisiert werden. Demzufolge existiert dort neben dem infinitivischen PRO ein weiteres leeres Subjekt, welches in der Lage ist, eigens eine Theta-Rolle anzunehmen. Im Gegensatz zu PRO ist dieses Subjekt rein pronominal charakterisiert. Es stellt folglich unabhängig eine definite Referenz her und kann somit stets frei auf außersprachliche Entitäten Bezug nehmen. Auf eine Identifikation durch Kontrolle ist es nicht angewiesen. In seiner syntaktischen Distribution stimmt es daher, wie (8), (9), (10) am Beispiel der romanischen Sprache Portugiesisch, der finno-ugrischen Sprache Ungarisch und der slawischen Sprache Slowakisch illustrieren, mit lexikalisch realisierten Nominativ-NPs überein. Aufgrund seiner charakteristischen Merkmalsmatrix [-anaphorisch; +pronominal] wird es in Abgrenzung zu der pronominalen Anapher PRO als pro oder kleines pro bezeichnet (vgl. Chomsky 1982: 78ff.). (8)

(Portugiesisch) (a) Eu li -o ontem. ich les-PRÄT+1SG kl(pron) gestern „Ich las es gestern." (b) pro Ii -o ontem. les-PRÄT+lSG kl(pron) gestern „Ich las es gestern."

(9)

(Ungarisch) (a) Ö lát-ja a házat er seh-3SG das Haus „Er sieht das Haus." (b) pro lát-ja a házat seh-3SG das Haus „Er sieht das Haus."

(10)

(Slowakisch) (a) Knigu ja sam citao. Buch ich KL(AUX-lSG) gelesen „Ich habe ein Buch gelesen." (b) Knigu pro sam citao. Buch KL(AUX-1 SG) gelesen „Ich habe ein Buch gelesen."

Pro gelangt als syntaktisches Argument nur in pro-drop- bzw. Null-Subjekt-Sprachen zum Einsatz. Derartige Sprachen sind dadurch charakterisiert, dass deren Sprecher im Verlauf ihres Spracherwerbs den so genannten pro-drop-Parameter letztendlich positiv fixiert haben und daher wie in den oben genannten Sprachen die Ersetzung lexikalisch realisierter Nominativpronomen durch Null-Pronomen prinzipiell gestatten. Eine nega-

204

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

tive Setzung des entsprechenden Parameters ist dagegen in allen Non-Null-SubjektSprachen, zu denen auch das Standardniederländische (vgl.: (11)) und das Englische (vgl.: (12)) gehören, festzustellen. (11)

(Niederländisch) (a) Ik ga met de ondergrondse. ich geh-1SG mit der U-Bahn „Ich fahre mit der U-Bahn." (b) *pro ga met de ondergrondse. geh-1 SG mit der U-Bahn (Englisch)

(12) in Bombay. (a) She lives sie leb-3sG in Bombay „Sie lebt in Bombay." in Bombay. (b) *pro lives leb-3SG in Bombay

Wie der pro-drop-?arameter innerhalb einer spezifischen Sprachgemeinschaft genau eingestellt wird, hängt nach der allgemein kanonisierten Auffassung mit der morphologischen Konstitution des entsprechenden verbalen Flexionssystems zusammen. So beobachtet bereits Taraldsen (1978: 7ff.), dass Null-Subjekte bevorzugt in den Sprachen vorkommen, die über eine reiche - das heißt, über eine besonders variativ ausgebildete - Kongruenzmorphologie am finiten Verb verfügen. Wie nach ihm unter anderem Chomsky (1981: 253ff.), Jaeggli (1982: 134ff.), Safir (1985: 184ff.), Rizzi (1986) und viele andere gezeigt haben, lässt sich dies in der Tat für weite Gebiete des indoeuropäischen Sprachraums bestätigen. Sonach erscheint es vorerst durchaus sinnvoll, von einer Korrelation zwischen ausgeprägter overter Kongruenzkodierung und positiver Fixierung des pro-drop-Parameters auszugehen. Hierfür spricht auch, dass pro ebenso wie alle anderen Leerkategorien gemäß Taraidsens (1978: 7ff.) Prinzip der Wiederherstellbarkeit {Principle of Recoverability) in seiner syntaktischen Umgebung vollständig rekonstruiert werden muss. Sobald also die Kongruenzmorpheme des Verbflexivs einer Einzelsprache dermaßen stark entwickelt sind, dass jede einzelne Person im Singular und im Plural über eine gesonderte Markierung verfügt, kann pro, wie zum Beispiel im Spanischen (vgl.: (13)), stets durch die jeweiligen Endungen des finiten Verbs komplett identifiziert und somit lizenziert werden (vgl. Jaeggli 1982: 134ff). (13)

(Spanisch) pro pro pro pro pro pro

bail-o (LSG) „ich tanze" bail-as (2SG) „du tanzt" bail-a (3SG) „er/sie tanzt" bail-amos (IPL) „wir tanzen" bail-äis (2PL) „ihr tanzt" bail-an (3PL) „sie tanzen"

4. Das Imperativische Null-Pronomen

205

Für Rizzi (1986) ist reiche verbale Kongruenzmorphologie deshalb auch eine absolut notwendige Voraussetzung für die Insertion und Rekonstruktion von Null-Subjekten. Eine hinreichende Basis für deren Lizenzierung bietet sie allerdings seiner Einsicht nach noch nicht. Wie er meint, müssen Null-Subjekte, um ihre Legitimation zu erlangen, seitens eines Kopfes, der zu einer speziell designierten Klasse zählt, kasusregiert und zum Zwecke ihrer Identifikation mit dessen Merkmalen koindiziert werden. Die starke Ausprägung von Verbalflexiven ist dabei nicht unbedingt mit der speziellen Designierung von verbalen Köpfen verknüpft. So verfügt zum Beispiel das Deutsche über ein verbales Flexionsparadigma, in dem jede einzelne Form hinsichtlich seiner Kongruenzspezifizierung overt markiert ist (vgl.: (14)). Da aber das Deutsche laut Rizzi (1986) aufgrund seiner parametrischen Definition nicht den vollständigen pro-c/rop-Sprachen angehört, können dort Argument-NPs nicht in Form eines kleinen pros lizenziert werden.3 (14)

ich fluch-e (LSG) du fluch-st (2SG) er/sie/es fluch-t (3SG) wir fluch-en (IPL) ihr fluch-t (2PL) sie fluch-en (3PL)

(Deutsch)

Wie Rizzi (1986) selbst anmerkt, stellen eine Reihe von ostasiatischen Sprachen, wie zum Beispiel das Japanische und das Chinesische, für seine Theorie ein schwerwiegendes Problem dar. Obgleich diese Sprachen über keinerlei verbale Kongruenzmarkierung verfugen, lassen sie den Einsatz von theta-markierten Null-Subjekten in finiten Sätzen durchaus zu (Huang 1984). Jaeggli & Safir (1989) beobachten, dass sie damit aber keineswegs eine Sonderstellung unter den Null-Subjekt-Sprachen einnehmen. Ihren Untersuchungen zufolge können Argument-pros in allen Sprachen, die über morphologisch uniforme Flexionsparadigmen verfugen, lizenziert werden, wobei ein Paradigma ihrer Definition nach genau dann als morphologisch uniform betrachtet werden muss, wenn es entweder, wie etwa im Spanischen (vgl.: (13)), durchgängig aus derivierten komplexen Formen besteht oder aber, wie im Chinesischen (vgl.: (15)), ausnahmslos lediglich den jeweiligen Verbstamm aufweist. Morphologisch nicht uniforme Paradigmen sind dagegen dadurch gekennzeichnet, dass sie, wie zum Beispiel im Englischen (vgl.: (16)), nur teilweise verbale Flexive beinhalten.

3

Das Deutsche wird anders als das Standardniederländische und Englische, aber ebenso wie das Isländische und das Faröische auch insofern als Semi-pro-i/ro/j-Sprache bezeichnet, als es rein expletive pros erlaubt (vgl. u.a. Cardinaletti 1990; Abraham 1993; Hulk & van Kemenade 1993). Haider (1997) argumentiert gegen eine derartige Kategorisierung.

206

4. Das Imperativische

(15)

Null-Pronomen (Chinesisch)

pro pro pro pro pro pro

shuo shuo shuo shuo shuo shuo

(lSG) „ich sage" (2SG) „du sagst" (3SG) „er/sie sagt" ( 1 PL) „wir sagen" (2pl) „ihr sagt" (3pl) „sie sagen"

(16)

(Englisch) I smoke (lSG) „ich rauche" you smoke (2sg) „du rauchst" he/she/it smoke-s (3sg) „er/sie/es raucht" we smoke (lPL) „wir rauchen" you smoke (2pl) „ihr raucht" they smoke (3pl) „sie rauchen"

Wenn nun, wie Taraldsen (1978) und Rizzi (1986) meinen, tatsächlich die individuelle Kongruenzspezifizierung des flektierten Verbs für die Identifikation von pro verantwortlich ist, so dürften zwar die Null-Subjekte von Sprachen mit durchgängig komplexer verbaler Flexionsmorphologie vollständig rekonstruierbar sein, die Null-Subjekte derjenigen Sprachen, die, wie das Chinesische, über keinerlei Agr-Kodierung verfugen, jedoch nicht. Auf welchem Wege Letztere dennoch ihre individuelle referentielle Identität erhalten, versucht Huang (1984; 1989) zu eruieren. Wie er beobachtet, zeigt das kleine pro des Chinesischen dadurch, dass seine Identifikation nicht mit Hilfe der flexivischen Markierung des kongruierenden Verbs zustande kommen kann, eine sehr nahe Verwandtschaft mit dem infinitivischen PRO. Das heißt, es wird nicht nur ohne jede Agr-Spezifikation lizenziert, sondern erscheint auch bevorzugt als kontrolliertes Subjekt subordinierter Sätze (vgl.: (17)). 4 In Abwesenheit einer potentiellen KontrollNP wird es allerdings, falls eine Finitheitsmarkierung in Form eines Auxiliare oder einer Partikel vorliegt, lexikalisch realisiert (vgl.: (18)) und alterniert sonach, ebenso wie das kleine Subjekt-pro des Spanischen oder Ungarischen, in finiten Sätzen mit overten NPs. (17)

(Chinesisch) (a) Zhangsan qi ma qi de pro/PRO hen lei Zhangsan reit Pferd reit bis sehr müde „Zhangsan ritt bis er sehr müde war." (b) Ting xiwang pro/PRO keyi kanjian Lisi Ting hoff darf sehen Lisi „Ting hofft, dass er Lisi sehen darf."

4

Nur als Subjekte von subordinierten Sätzen, die das Komplement der Brückenverben „sagen" oder „glauben " bilden, verhalten sich Leer-Pronomen im Chinesischen anders als subjektivische PROs. Sie müssen, da sie aufgrund der ihre CP umschließenden NP-Hülle über keine Kontrolldomäne verfugen, nicht obligatorisch mit einem Argument des Matrixsatzes koindiziert sein (Huang 1989) (Zhangsan shuo pro mingtian bu bi lai. (,,Zhangsan¡ sagt, dass er¡/¡ morgen nicht zu kommen braucht.")).

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

(18)

207 (Chinesisch)

(a) Ta kanjian ta le er seh er PERF „Er sah ihn."

(b) *pro/PRO kanjian ta le seh

er PERF

Eine pro/PRO-Distinktion nimmt Huang (1984; 1989) in Anbetracht der analysierten Datenlage nicht vor. Er beruft sich hiermit auf die entsprechenden Theorien von Chomsky (1981: 240ff.) und Manzini (1983), die er jedoch in Richtung einer allgemeinen Kontrolltheorie modifiziert. Für ihn sind sämtliche Null-Pronomen rein pronominal definierte Elemente, die als Spezifikatoren von besonders starken oder besonders schwachen INFL-Köpfen lizenziert werden. Deren Identifikation wird prinzipiell entweder durch Kontrolle innerhalb einer spezifisch definierten Satzdomäne, welche gemäß Huang ( 1989) das zu kontrollierende Element selbst oder die maximale Kategorie, die dieses Element unmittelbar enthält, beherbergt oder aber durch die Zuweisung einer arbiträren Lesart bewerkstelligt. Alle Leer-Pronomen unterliegen somit einer generalisierten Kontroll-Regel {Generalized Control Rule), welche deren Kontrolle sowohl seitens einer identifizierenden NP als auch seitens eines reich ausgestatteten Kongruenzflexivs individuell determiniert. Rohrbacher (1994) und Speas (1994) versuchen in ihrer Theorie über die Verteilung von Null-Subjekt-Sprachen sogar gänzlich ohne Null-Pronomen auszukommen. Für sie unterscheiden sich Sprachen wie das Spanische von Sprachen wie dem Englischen insofern voneinander, als Erstere über eine starke und Letztere über eine schwache verbale Kongruenzmorphologie verfügen. Ihrer Definition nach ist die morphologische Kongruenzmarkierung am Verb nur dann stark, wenn innerhalb des entsprechenden verbalen Flexionsparadigmas mindestens in einer der beiden Numeruskategorien die 1. und 2. Person morphologisch distinktiv kodiert sind und mindestens in einer Personenform die Markierungen für Singular und Plural voneinander abweichen. In Sprachen, die eine derartige Kongruenzmorphologie besitzen, sind, so Rohrbacher (1994) und Speas (1994), verbale Kongruenzmorpheme grundsätzlich in AgrS° basisgeneriert, weshalb dort gemäß Speas' Prinzip der Projektionsökonomie (vgl. Speas 1994) keine Spezifikatorposition SpecAgrS mehr strukturell geschaffen werden muss und somit die SubjektNP prinzipiell ausfallen kann. In Sprachen hingegen, deren Verben lediglich eine schwache Kongruenzmorphologie aufweisen, sind verbale FlexionsafFixe bereits im Lexikon mit ihrem entsprechenden Verbstamm verbunden, wodurch der Einsatz einer Subjekt-NP für die Projektion der funktionalen AgrSP unerlässlich wird. Die Tatsache, dass in der festlandskandinavischen Sprache Schwedisch Null-Subjekte nicht zugelassen sind, obwohl dort keine Person- und keine Numerusspezifikation in irgendeiner Weise verbalmorphologisch kodiert ist (vgl. Holmberg & Platzack 1995: 43ff.), widerspricht Rohrbachers (1994) und Speas (1994) Theorie. Einige westgermanische Non-Null-Subjekt-Sprachen, wie zum Beispiel das Isländische und das bereits erwähnte Deutsche, erweisen sich darüber hinaus nicht nur für Rohrbacher ( 1994) und Speas (1994), sondern auch fur Jaeggli & Safir (1989) als problematisch. Deren Verbalparadigmen beherbergen ausschließlich derivierte komplexe Formen, welche gemäß Rohrbachers (1994) und Speas' (1994) Definition eine starke Flexionsmorphologie kon-

208

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

stituieren, und müssten daher prinzipiell in der Lage sein, thematische Null-Subjekte zu lizenzieren. Jaeggli & Safir (1989) argumentieren dafür, dass der V2-Status dieser Sprachen eben diese Fähigkeit unterbindet. 5 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass unter anderem innerhalb der Romania durchaus V2-pro-drop-Sprachen existieren (vgl. 2.5.1.2.; (19)). Das V2-Phänomen scheint folglich nicht mit der obligatorisch overten Realisierung von Subjektargumenten verbunden zu sein. (19) (a) En mi sa voie a pro Bertrán encontré auf seinem Weg hab-3SG er Bertrán getroffen „Auf dem Weg hat er Bertrán getroffen" {Le Charroi de Nîmes 1.11)

(Altfranzösisch)

(b) pro soube que en aquela hora morrera (Altportugiesisch) weiß-PRÄT+lSGdass in dieser Stunde sterb-PRÄT+3SG „Ich weiß, dass er in dieser Stunde starb." (Diálogos de Säo Gregorio 4.6.7)

4.2.3. Zusammenfassung Das subjektivische Null-Pronomen PRO wird, da es sowohl pronominale als auch anaphorische Züge in sich vereinigt, als pronominale Anapher definiert. Aufgrund seiner entsprechenden Merkmalsspezifikation [+anaphorisch; +pronominal] ist es vor dem Hintergrund der Bindungstheorie Gegenstand zweier Prinzipien, die innerhalb einer Rektionskategorie nicht gleichzeitig erfüllt werden können. Es wird demzufolge nur dann lizenziert, wenn es gar keine Rektionskategorie besitzt und sonach unregiert bleibt. PRO tritt daher ausschließlich in der Spezifikatorposition von Infinitiven auf. Im Rahmen des minimalistischen Modells befindet es sich damit in einer Kasusposition, in der es innerhalb der Spezifikator-Kopf-Relation zu dem fur Agr und Τ negativ spezifizierten INFL Null-Kasus zugewiesen bekommt. Die Identifikation des infinitivischen NullPronomens PRO durch Kontrolle ist in deklarativischen Komplement- und Adjunktsätzen obligatorisch. Kontrollierendes Element ist dabei entweder die externe oder die interne Argument-NP des Matrixsatzes. In subjektivischen Infinitiven unterliegt PRO nicht notwendig der Kontrolle. Ebenso wie PRO muss auch das Null-Pronomen pro gemäß dem Prinzip der Wiederherstellbarkeit in seiner syntaktischen Umgebung vollständig rekonstruierbar sein. Anders als PRO ist pro allerdings rein pronominal definiert und wird in finiten Sätzen als

5

In Rekurs auf Adams (1987) und Gilligan (1987) behaupten Jaeggli & Safir (1989), dass ein Agr-Merkmal nur dann pro identifizieren kann, wenn es in dem jeweils kasusregierenden Kopf selbst enthalten ist. Da die CProjektion von V2-Sprachen bestimmte Finitheitsmerkmale in sich vereinigt, nehmen Jaeggli & Safir (1989) mit Bennis & Haegeman (1984), Vikner (1989) und Wexler (1994) an, dass der funktionale Kopf C° auch grundsätzlich das für die nominativische Kasuszuweisung zuständige T-Merkmal trägt. Agr als spezifisches INFL-Merkmal wird demgemäß in sämtlichen V2-Sprachen von dem kasusregierenden Kopf getrennt generiert und ist somit grundsätzlich nicht in der Lage, ein in SpecAgrS befindliches Null-Subjekt zu identifizieren.

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

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syntaktisches Subjekt eingesetzt. Für Taraldsen (1978) und Rizzi (1986) ist eine morphologisch reich ausgeprägte Verbalflexion die notwendige Voraussetzung für die Insertion und Rekonstruktion von Subjekt-/? ros. Eine hinreichende Basis für deren Lizenzierung bietet sie laut Rizzi (1986) jedoch noch nicht. Jaeggli & Safir (1989) beobachten, dass Argument-pros nur in den Sprachen legitimiert sind, die über morphologisch uniforme Flexionsparadigmen verfügen, wobei ein Paradigma genau dann als morphologisch uniform bewertet wird, wenn es entweder durchgängig aus derivierten komplexen Formen besteht oder aber ausnahmslos lediglich den jeweiligen Verbstamm aufweist. In Null-Subjekt-Sprachen, die über keinerlei Agr-Kodierung verfügen, kommt gemäß Huang (1984; 1989) die Rekonstruktion von deren Argument-Null-Pronomen allein über Kontrolle zustande. Im Sinne der minimalistischen Projektionsökonomie argumentieren Rohrbacher (1994) und Speas (1994) dafür, die traditionellen pro-dropKonstruktionen von Null-Subjekt-Sprachen als gänzlich subjektlos zu analysieren. Ihrer Einsicht nach steht in diesen Strukturen keine SpecAgr-Position zur Verfügung, in die eine Subjektkonstituente eingesetzt werden könnte.

4.3. Das Imperativsubjekt in vergangenen Forschungsarbeiten Die Frage, warum Imperativische Verben sogar in Non-Null-Subjekt-Sprachen keine overte Realisierung einer subjektivischen Konstituente fordern, bietet schon seit mehreren Jahrzehnten auf verschiedenen Gebieten der Linguistik reichlich Verhandlungsstoff. Platzack & Rosengren (1998) und Potsdam (1998), deren Ansätze in den folgenden Punkten 4.3.1. und 4.3.2. vorgestellt und diskutiert werden, widmen sich dieser Problematik auf der Basis der modernen generativen Syntaxtheorie und kommen auf diesem Wege zu recht divergierenden Ergebnissen. Platzack & Rosengren (1998) vertreten infolge ihrer Untersuchungen die Ansicht, dass imperativierte Verben generell die Lizenzierung eines syntaktischen Subjekts unterbinden, wohingegen Potsdam (1998) zu dem Schluss gelangt, dass Imperativsätze grundsätzlich ein echtes Subjekt - wenn auch meist in coverter Form - beherbergen.

4.3.1. Platzack & Rosengren (1998) Platzack & Rosengren (1998) versuchen anhand von Imperativischen Daten verschiedener germanischer Sprachen die syntaktische Struktur des Imperativsatzes zu ermitteln. Ihre besondere Aufmerksamkeit widmen sie dabei der Konstitution der Imperativischen CP und der Realisierung der Adressaten-NP. Zurückgehend auf Rizzis (1997) Theorie der gespaltenen CP (vgl. 2.5.2.1.) gehen sie davon aus, dass Satztypenmerkmale generell in Force 0 verankert sind, wobei dies für Deklarativsätze, Interrogativsätze und Imperativsätze gleichermaßen gilt. In Imperativsätzen enthält Force 0 das Merkmal [imp], welches das entsprechende Imperativische Verbelement attrahiert. Letzteres lizenziert daraufhin mit seiner Landung am Kopf der ForceP einen modalen Satztypenoperator. Dieser ist, so Platzack und Rosengren (1998),

210

4. Das Imperativische Null-Pronomen

ausschließlich deontisch definiert und dient daher im Gegensatz zu dem epistemischen Operator, welcher durch die Anhebung aller anderen Verben legitimiert wird, nicht der Angabe eines Ereignisses oder der Feststellung eines Zustands, sondern instantiiert mittels der jeweils ausgedrückten Proposition eine Norm. Laut Platzack & Rosengren (1998) sind Imperative sonach nicht dazu befähigt, einen Bezug zwischem dem designierten Argument und einem sowohl zeitlich als auch örtlich verankerten Verbalgeschehen zu etablieren und beherbergen daher innerhalb ihrer C-Domäne grundsätzlich keine funktionale Fin-Projektion. Ihrer Einsicht nach ist die FinP nämlich diejenige Projektionsebene, auf der die Prädikationsrelation zwischen Subjekt und Prädikat dadurch etabliert wird, dass das [finit]-Merkmal des Kopfes Fin° die Finitheitsmerkmale der IP-internen Köpfe T° und Mood° attrahiert und die Bewegung der ebenfalls mit dem [finit]-Merkmal ausgestatteten nominativischen DP nach SpecFin motiviert. In Imperativsätzen sind deshalb, wie Platzack & Rosengren (1998) annehmen, weder eine T- noch eine MoodProjektion noch ein syntaktisches Subjekt aufzufinden. Ihrer Meinung nach lässt sich eine deutsche Imperativkonstruktion wie (20a) somit graphisch durch (20b) darstellen.6 (20) (a) Kauf das Buch!

(Deutsch)

(b) ForceP Force"

AgrSP Spec

AgrS' AgrS°

XP

Spec

V' DP

Vo

das Buch



Der durch die Verwendung des Imperativischen Modus angesprochene Adressat wird infolge der Abwesenheit der Spezifikatorposition SpecFin nicht als echtes Subjekt, sondern in Form einer nominativischen, so genannten ImpNP als intendierter Agens repräsentiert. Als solcher bekommt er in SpecV seine Theta-Rolle und in SpecAgrS Kasus zugewiesen. Da nun die genannten Spezifikatorpositionen, wie Platzack und

6

Mit der Bezeichnung XP fassen Platzack & Rosengren (1998) in (20b) weitere IP-interne Projektionen wie AgrOP, AspP oder ähnliche zusammen. Unklar ist, warum Platzack & Rosengren (1998) AgrS° und X o im Gegensatz zu V o linksperipher anlagern und warum sie für das Deutsche, anders als für das Englische, nicht die Existenz einer vP postulieren.

4. Das Imperativische

211

Null-Pronomen

Rosengren (1998) behaupten, in Imperativstrukturen schwach sind, ist dessen Insertion als overte ImpNP allerdings keineswegs verpflichtend. Sie erfolgt nur, wenn die explizite Benennung des Adressaten aus rein pragmatischen Gründen gefordert ist. Obgleich die ImpNP durchaus subjektähnliche Eigenschaften in sich vereinigt, besitzt sie demnach eine rein vokativische Funktion. Laut Platzack & Rosengren (1998) bestätigt sich dies in der satztypenspezifischen Verwendung von Imperativen. Bei deren Äußerung wird nicht etwa, wie bei der eines Deklarativsatzes, über jemanden gesprochen (to talk ABOUT), sondern es wird vielmehr jemand als Adressat angesprochen {to talk TO). Die ImpNP beherbergt, so folgern Platzack & Rosengren (1998), im Gegensatz zu echten Subjekten kein [finit]-Merkmal und kann daher in Anwesenheit einer verketteten FinP nicht auftreten. Der Einsatz der ImpNP beschränkt sich folglich allein auf Imperativsätze. Dort findet sie sich nicht in der kanonischen Subjektposition SpecAgrS, sondern verbleibt innerhalb der VP, solange keine syntaktische Restriktion deren Anhebung in eine höhere Spezifikatorposition erzwingt. Evidenz für ihre These vermeinen Platzack und Rosengren (1998) im Englischen auszumachen. Sie berufen sich hierbei auf Daten des modernen Standardenglischen und des Belfastenglischen (vgl.: (21, 22)). (21)

(Belfastenglisch (neuere Dialektvariante); Standardenglisch) on time.

(a) You arrive

du ankomm(iMP) pünktlich

„Komm du pünktlich!" (b) You quickly run home. du schnell lauf(lMP) nach Hause „Lauf du schnell nach Hause!" (22)

(Belfastenglisch (neuere Dialektvariante)) (a) Arrive

you on time.

ankomm(iMP) du

pünktlich

„Komm du pünktlich!" (b) Quickly run you home. schnell lauf(lMP) du nach Hause „Lauf schnell nach Hause!" Für Platzack & Rosengren (1998) sind diese eindeutige Belege dafür, dass ImpNPs im Englischen entweder in die Spezifikatorposition derjenigen höheren vP bewegt werden, die ihrer Meinung nach unmittelbar von AgrS 0 selegiert wird und ihrerseits die VP mitsamt dem dort overt positionierten Imperativischen Vollverb dominiert (vgl.: (21)), oder aber optional innerhalb der VP zurückbleiben (vgl.: (22)). Als problematisch erweisen sich die Imperativkonstruktionen des Deutschen. Deren ImpNPs befinden sich nämlich, wie Platzack & Rosengren beobachten, unabhängig von ihrer jeweiligen Betonung stets unmittelbar hinter dem satzinitialen Imperativischen Verbelement (vgl.: (23)).7

7

Die Grammatikalität von (23a) wird von einer Vielzahl deutscher Sprecher in Zweifel gezogen.

212

4. Das Imperativische

(23)

Null-Pronomen (Deutsch)

(a) Kauf du ihr ein BUCH! (b) Kauf DU ihr ein Buch! Demzufolge erscheint es durchaus plausibel anzunehmen, dass sie prinzipiell vor Spellout in die Spezifikatorposition der IP-internen AgrSP angehoben werden. Da aber nun SpecAgrS laut Platzack & Rosengren (1998) schwach ist, müssten sie gemäß deren Analyse aufgrund einer Verletzung des Verzögerungsprinzips einen Zusammenbruch der Derivation herbeifuhren. Platzack & Rosengren (1998) vermuten daher, dass das unbetonte Imperativische Nominativpronomen des Deutschen von SpecV in die so genannte Wackernagelposition angehoben wird. Über den Verbleib des betonten Imperativischen Pronomens äußern sich Platzack & Rosengren (1998) äußerst unkonkret. Sie merken diesbezüglich lediglich an, dass dieses irgendwo unterhalb der C-Domäne angesiedelt ist.

4.3.2. Potsdam (1998) Potsdam (1998) beschäftigt sich vornehmlich mit der Syntax des englischen Imperativsatzes. Infolge seiner Untersuchungen gelangt er zu dem Ergebnis, dass die overten Nominativausdrücke imperativischer Konstruktionen als reine Subjekte zu bewerten sind. Er grenzt sich hierdurch von Platzacks & Rosengrens (1998) diesbezüglicher Auffassung eindeutig ab. Subjekte sind fur Potsdam (1998: 186ff.) grammatische Entitäten, die sich durch eine heterogene Zusammensetzung verschiedener syntaktischer Eigenschaften auszeichnen. Zu Letzteren zählen gemäß McCloskey (1997) unter anderem Prominenz, formale Markierung, vorwiegende Nominalität und die Ableitbarkeit durch grammatische Operationen. Potsdam (1998: 186ff.) weist nach, dass sämtliche Subjektcharakteristika, die McCloskey (1998) im Rekurs auf Keenan (1976) anfuhrt, auch auf die overten Nominativ-XPs von Imperativen (im Folgenden INPs) zutreffen. So sind Subjekte zum Beispiel insofern prominenter als andere Argumente, als sie den Satz als externes Argument asymmetrisch c-kommandieren und daher dazu befähigt sind, referenzidentische Reflexiva und reziproke Pronomen zu binden, aber umgekehrt nicht gestatten, von anderen Argumenten als solche gebunden zu werden. Wie die Beispielkonstruktionen unter (24) illustrieren, legen auch INPs ein ebensolches Bindungsverhalten an den Tag. (Englisch)

(24) (a) You talk to each other before fighting. ihr sprech(lMP) zu einander vor Streiten „Sprecht ihr erst miteinander bevor ihr streitet." (b) *Each other talk to you before fighting. einander sprech(lMP) zu dir vor Streiten

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

213

Weiterhin zeigt sich die Prominenz von Subjekten darin, dass sie sich in der Lage befinden, negative Polaritätsausdrücke zu lizenzieren, jedoch von anderen Elementen im Satz prinzipiell nicht selbst als derartige Quantoren legitimiert werden. Wie zu erwarten ist, bilden INPs hierbei keine Ausnahme (vgl.: (25)). (25)

(Englisch) (a) Nobody touch anything. niemand(NEG) berühr(IMP) etwas „ Berühr niemand etwas!" (b) * Anybody touch nothing. jemand berühr(lMP) nichts

Speziell die Subjekte des Englischen erhalten ihre charakteristische formale Markierung vor allem durch ihre spezifische Positionierung. Sie gehen dort - zumindest in der heutigen Standardsprache - ihren lexikalischen Vollverben stets voran und stehen gegebenenfalls, je nach vollzogener Anhebung eines entsprechenden Auxiliars, entweder unmittelbar vor oder unmittelbar nach dem Modalverb oder Verbsubstitut. Im Gegensatz zu Platzack & Rosengren (1998) ist Potsdam (1998: 193f.) der Ansicht, dass sich overte Imperativische Nominativ-NPs hinsichtlich dessen nicht von den Subjekten aller anderen Satztypen unterscheiden. Sie befinden sich, so zeigt Potsdam (1998: 193f.), demnach links von ihrem Imperativischen Vollverbelement (vgl.: (26a)) und folgen im Falle der emphatischen Markierung oder der Negation dem Substitut do/don 't (vgl.: (26b)). In beliebigen nicht-subjektivischen Positionen sind sie grundsätzlich nicht anzutreffen (vgl.: (26c)). (26)

(Englisch) (a) You answer the phone. du antwort(lMP) das Telefon „Geh du ans Telefon!" (b) Do

someone answer the phone. einer antwort das Telefon „Geh einer ans Telefon!" DO(IMP)

(c) * Answer you the phone. antwort(IMP) du das Telefon Ferner spiegelt sich laut Potsdam (1998: 194ff.) die Subjekthaftigkeit von INPs in deren ausschließlich subjekttypischen nominalen Status und letztendlich darin, dass sie, wie bereits Schmerling (1977) und Zwicky (1988) feststellen, durch A-Bewegungsprozesse abgeleitet werden (vgl.: (27)). (27)

(Englisch) (a) Don't

you i be fooled t¡. DO(IMP)NEG du sei geärgert „Lass du dich nicht ärgern!"

214

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

(b) Someone¡ just happen t¡ to be here when he walks in. einer gerade gescheh(LMP) zu sein hier wenn er geh-3SG herein „Einer sei gerade hier, wenn er hereinkommt!" Im unmarkierten Fall verfugen Imperativsätze über keine overten INPs. Potsdam (1998: 218ff.) weist nach, dass sie dennoch stets ein Subjektelement, wenn auch in coverter Form, beherbergen. So zeigt er, dass non-overte INPs, ebenso wie ihre lexikalisch realisierten Gegenstücke, offensichtlich Reflexiva (vgl.: (28a)) und reziproke Pronomen (vgl.: (28b)) binden und sogar mittels NP-Bewegung (vgl.: (28c,d)) deriviert werden können. (28)

(Englisch) (a) Behave yourself. benehm(LMP) dich „Benimm dich!" (b) Don't

hurt each other. verletz einander „Verletzt euch nicht gegenseitig!" DO(IMP)NEG

(c) Don't

be fooled. sei geärgert „Lass dich nicht ärgern!" DO(IMP)NEG

(d) Appear to be reading when he walks in. erschein(LMP) zu sein lesend wenn er geh-3SG herein „Stell dich lesend, wenn er hereinkommt!" Seiner Meinung nach handelt es sich bei non-overten INPs um subjektivische pros. Denn nur pro befindet sich prinzipiell in der gleichen syntaktischen Distribution wie lexikalisch realisierte Pronomen und ist daher mit dem Vorkommen von overten INPs vereinbar. Darüber hinaus repräsentiert es im Gegensatz zu allen anderen Leerkategorien ein unabhängiges, nicht-arbiträres pronominales Element und kann folglich in bestimmten Fällen durch das Imperativische Subjektpronomen der 2. Person you ersetzt werden. Potsdam (1998: 235ff.) nimmt an, dass das Imperativische pro im Sinne seiner Lizenzierung keine spezifische Beziehung zu den flexivischen Merkmalen seines kongruierenden verbalen Kopfes verlangt. Er bezieht sich damit vornehmlich auf die theoretischen Ausfuhrungen von Farkas (1987) und Farrell (1990). Durch ihre Untersuchungen über das direkte Null-Objekt im Ungarischen und im Brasilianisch-Portugiesischen kommen sie nämlich zu dem Schluss, dass für die Rekonstruktion und damit fur die Lizenzierung von pro generell nichts weiter erforderlich ist als ein beliebiges Verfahren, welches die Aufdeckung von dessen [PERSON]-Merkmal in irgendeiner Weise gewährleistet. Demnach kann die Identifikation des Null-Pronomens pro sowohl syntaktisch, mittels der overten Kongruenzmorphologie des flektierten Verbs, als auch semantisch, durch inhärente lexikalische Fixierung, bewerkstelligt werden. Potsdam (1998: 235ff.) geht davon aus, dass die Identifikation des Imperativischen pros auf rein semantischem Wege bewerkstelligt wird. Der Imperativ denotiert seiner Ein-

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

215

sieht nach die an einen Adressaten gerichtete Aufforderung, ein bestimmtes Ereignis hervorzubringen. Als Initiator des zukünftigen Geschehens erhält der Adressat dadurch den Status eines Subjekts und kann als solches, weil er grundsätzlich die Rolle des Angesprochenen übernimmt, in seiner Merkmaisspezifikation [PERSON: 2] identifiziert und lizenziert werden. Laut Potsdam (1998) wird das Imperativische pro demzufolge durch eine unabhängige Merkmalsindizierung rekonstruiert. Er vermutet, dass dieser Mechanismus zur Identifikation des Imperativischen Null-Subjekts in sämtlichen Sprachen zur Anwendung kommt.

4.3.3. Zusammenfassung und Kritik Laut Platzack & Rosengren (1998) werden Imperativische Verben von dem in Force 0 verankerten [imp]-Merkmal attrahiert und lizenzieren daraufhin auf der Ebene der ForceP einen deontischen Operator. Im Gegensatz zu dem epistemischen Operator, welcher durch die Anhebung aller anderen Verben legitimiert wird, lässt dieser, wie Platzack & Rosengren behaupten, keine Referenz auf ein zeitlich und örtlich verankertes Ereignis zu und unterbindet daher die Verkettung einer CP-internen funktionalen FinP. Da Platzacks & Rosengrens Einsicht nach allein das [finit]-Merkmal des Kopfes Fin° für die syntaktische Prädikatsrelation zwischen Subjekt und finitem Hauptverb zuständig ist, verfügen Imperative über kein syntaktisches Subjekt. Demnach dürfte die FinP allerdings auch in anderen Sätzen, bei denen eine Propositionsauswertung auf dem epistemischen Hintergrund nicht durchgeführt werden kann, grundsätzlich nicht projiziert werden. Dies gilt zum Beispiel - zumindest im Deutschen - bereits für nicht-quotative Matrixsätze mit einem Hauptverb im Konjunktiv I. Durch deren Formulierung zeigt eine Sprecherinstanz an, dass sich der geäußerte Sachverhalt, aufgrund seiner bislang nicht bestehenden Existenz, der Bewertung ihres aktuellen Kenntnisstandes entzieht, also nicht wahrheitswertfahig ist (Lohnstein 2000: 116ff.). In Anbetracht von Platzacks & Rosengrens (1998) Ausführungen müsste man nun vermuten, dass derartige Konstruktionen nicht nur ohne Fin-Projektion, sondern auch ohne jedes overte oder coverte Subjekt auskommen. Bei Infinitiven dürfte aufgrund von deren [-finit]-Spezifizierung ähnliches zu beobachten sein, was jedoch ebenso wenig glaubhaft erscheint. Platzack & Rosengren stellen fest, dass Imperativsätze stets eine nicht-subjektivische Konstituente im Nominativ, eine so genannte ImpNP, beherbergen, die in SpecV ihre externe Theta-Rolle zugewiesen bekommt und in SpecAgrS ihren Kasus lizenziert. Anders als in allen anderen Satztypen sind die genannten Spezifikatorpositionen in Imperativstrukturen schwach, weshalb die besagte Konstituente nicht overt realisiert werden muss. Sollten nun in Imperativkonstruktionen tatsächlich bestimmte Köpfe schwache [N]Merkmale beherbergen, so würde dies allerdings entgegen der Meinung von Platzack & Rosengren zwar in gewisser Weise die Anhebung von Konstituenten beeinflussen, nicht aber die Notwendigkeit von deren lexikalischer Realisierung. Wie die ImpNP vor dem Hintergrund des minimalistischen Modells als Leerkategorie definiert ist, wird also nicht zufriedenstellend erläutert. Dass sie keinesfalls als subjektivisch zu betrachten ist, fuhren Platzack & Rosengren auch auf deren Merkmalsspezifikation zurück. Gemäß

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4. Das Imperativische

Null-Pronomen

ihrer Analyse trägt sie nämlich im Gegensatz zu echten Subjekten kein [finit]-Merkmal und ist daher nur in Imperativsätzen und nur mit vokativischer Funktion einsetzbar. Bedeutet dies aber nicht, wie Jensen (2003: 198f.) richtig bemerkt, dass im Lexikon prinzipiell für jede DP eine Kopie, welche als ImpNP fur die Insertion in Imperativsätzen zur Verfügung steht, vorliegen müsste? Und wäre dies nicht äußerst unökonomisch? Laut Platzack & Rosengren ist die ImpNP positioneil dadurch charakterisiert, dass sie grundsätzlich nicht die kanonische Subjektposition SpecAgrS besetzt, sondern innerhalb der VP verbleibt, solange keine syntaktische Restriktion ihre Bewegung an eine höhere Spezifikatorposition erzwingt. Die Daten, die Platzack & Rosengren als Beleg für diese These heranziehen, beweisen jedoch nichts dergleichen. So zeigen die von Henry (1995: 52ff.; 1997) eruierten Imperativischen Beispielkonstruktionen aus dem so genannten Restringierten Inversionsdialekt (Restricted Inversion dialect) des Belfastenglischen, dass dort allein telische Bewegungsverben postverbale Imperativsubjekte bzw. - in der Terminologie von Platzack & Rosengren - postverbale ImpNPs gestatten. Laut Henry (1997) ist dies darauf zurückzuführen, dass Telizität im Englischen, ebenso wie in mehreren anderen Sprachen auch, Ergativität impliziert (vgl. van Valin 1990, Zaenen 1993) und daher die entsprechenden Verben ihr Subjekt innerhalb der VP zunächst zum Komplement nehmen. Das hieraus resultierende Inversionsphänomen ist, wie Henry (1995: 52ff.; 1997) deutlich macht, folglich nicht nur in Imperativsätzen zu beobachten. Sowohl im Belfastenglischen als auch im Standardenglischen können zuweilen auch in deklarativischen Sätzen die Subjekte von passivierten und von telischen Verben oberflächenstrukturell in der Schwesterposition von V o zurückgelassen und somit postverbal angeordnet werden (vgl.: (29)). (29)

(Standardenglisch) (a) In the garden were found three coins. in dem Garten sei-PRÄT gefunden drei Münzen „Im Garten wurden drei Münzen gefunden." (b) Out of the hole ran a mouse. heraus aus dem Loch renn-PRÄT eine Maus „Aus dem Loch heraus läuft eine Maus."

Anders als im Belfastenglischen der älteren Sprechergeneration (vgl. 2.5.1.6.) findet im jüngeren Restringierten Inversionsdialekt vor Spell-out keine Imperativische Vnach-C-Bewegung mehr statt, weshalb, wie Henry (1995: 52ff.; 1997) belegt, nichttelische Verben ihrem Subjekt dort stets folgen. Insofern sind die VP-internen ImpNPs der von Platzack & Rosengren aufgeführten englischen Imperativkonstruktionen mit dem ergativen Status der entsprechenden Vollverben in Zusammenhang zu bringen. Für ihre Annahme, dass die präverbale ImpNP englischer Imperative entgegen Henrys (1995: 52ff.; 1997) äußerst überzeugender Analyse nicht den Spezifikator der funktionalen AgrSP bildet, vermögen Platzack & Rosengren keine plausiblen Argumente zu unterbreiten. Im Deutschen sind ImpNPs dem in C° gelandeten imperativierten Verb unmittelbar nachgestellt. Folglich, so würde man jedenfalls erahnen, befinden sie sich in der kanonischen Subjektposition SpecAgrS. Platzack & Rosengren behaupten jedoch, da sie

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Null-Pronomen

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ImpNPs prinzipiell als nicht-subjektivisch definieren, dass diese, zumindest in ihrer unbetonten Form, von ihrer VP-internen Basisposition in die so genannte Wackernagelposition bewegt werden. Warum, so fragt man sich nun allerdings, können ImpNPs, wenn ihre lexikalische Realisierung doch nur, wie Platzack & Rosengren selbst feststellen, unter speziellen pragmatischen Vorraussetzungen erfolgt, überhaupt unbetont auftreten? Des weiteren bleibt ungeklärt, aus welchem Grunde im Deutschen eine Wackernagelposition anzunehmen ist, in anderen Sprachen, wie zum Beispiel im Englischen, aber nicht, warum eine Anhebung dorthin keinen syntaktischen Ökonomieprinzipien unterliegt und schließlich in welcher Position die betonte pronominale ImpNP landet. Potsdam (1998) stellt fest, dass es sich bei den overten Nominativausdrücken imperativischer Konstruktionen um rein subjektivische Elemente handelt. Dies macht er an deren syntaktischen Eigenschaften und Funktionen fest, welche sich mit der von McCloskey (1997) entworfenen Charakterisierung des prototypischen Subjekts decken. So gehören sie ausschließlich den nominalen Kategorien an, binden Reflexiva und reziproke Pronomen, sind imstande Polaritätsausdrücke zu lizenzieren und können durch bestimmte Bewegungsoperationen deriviert werden. Ferner sind sie formal durch ihre Positionierung markiert und stimmen hierin mit den Subjekten der anderen Satztypen überein. Potsdam schließt daraus, dass Imperativsätze prinzipiell über ein syntaktisches Subjekt verfugen, welches entweder overt oder aber - wie dies in dem überwiegenden Anteil aller Imperativsätze der Fall ist - non-overt realisiert wird. Als imperativisches Null-Subjekt kommt laut Potsdam einzig und allein das Null-Pronomen pro in Betracht. Denn pro alterniert in seiner Distribution mit lexikalisch realisierten Konstituenten und kann daher im markierten Fall durch ein overtes Imperativsubjekt ersetzt werden. In Anlehnung an Farkas' (1987) und Farrells (1990) theoretische Ausführungen bezüglich der Rekonstruktion von Objekt-pros nimmt Potsdam an, dass das Null-Pronomen pro generell durch die Identifikation von dessen Personmerkmal lizenziert wird und zwar unabhängig davon, ob diese syntaktisch, durch die Beziehung zu einem verbalen Kopf, oder semantisch, durch inhärente lexikalische Fixierung, zustande kommt. Dass letzteres Identifikationsverfahren offensichtlich nicht bedenkenlos auf Null-Subjekte übertragbar ist, beachtet er dabei allerdings nicht. Ariel (1990) und Vainikka & Levy (1999) beobachten in diesem Zusammenhang, dass das Pronomen der 3. Person niemals das alleinige Null-Subjektelement einer Einzelsprache darstellen kann. Bei einer potentiell möglichen Identifikation durch inhärente lexikalische Fixierung, so wie sie Potsdam annimmt, ist eine derartige Restriktion eher nicht zu erwarten. Direkte Objekte der 3. Person können hingegen durchaus innerhalb einer einzelnen Sprache als die einzig zulässigen Null-Pronomen lizenziert werden. Laut Potsdam wird das Imperativische pro auf semantischem Wege identifiziert. Es trägt, da es aufgrund der Verwendung des Imperativischen Modus stets als Adressatensubjekt fungiert, das inhärente rekonstruierbare Merkmal [PERSON:2] und wird dadurch in sämtlichen oberflächensyntaktisch subjektlosen Imperativsätzen lizenziert. Gemäß Potsdams Analyse ist das Imperativische Null-Subjekt folglich das einzige proElement, welches tatsächlich sprachübergreifend durch die Anwesenheit einer spezifischen Moduskodierung legitimiert wird. Demzufolge müssten parametrisch fixierte prodrop-Sprachen über mindestens zwei unterschiedliche Verfahren zur pro-Lizenzierung verfugen, wobei grundsätzlich nur eines davon eine universelle Methode repräsentiert. Insofern stellt sich die Frage, ob es nicht eher sinnvoll wäre, davon auszugehen, dass

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Null-Pronomen

das imperativierte Verb wegen seiner charakteristischen Merkmalskonstitution eine durchaus wesentliche Rolle als lizenzierendes Element in rein syntaktischer Hinsicht spielt. Immerhin ist auch das andere Null-Pronomen, welches unabhängig von der jeweiligen sprachlichen Parametrisierung zum Einsatz gelangt, nämlich PRO, auf die Anwesenheit eines flexivisch speziell determinierten Verbelements angewiesen.

4.4. Die Lizenzierung und Identifizierung von Imperativischen Subjekten 4.4.1. Die kanonische Subjektlosigkeit formal unmarkierter Imperative Die durch den Gebrauch des Imperativischen Modus hervorgebrachten Interaktionsbedingungen sind, wie in 1.2.2. bereits erläutert wurde, genuin adressatenbezogen. Durch die Formulierung eines reinen Imperativsatzes signalisiert der Sprecher, dass er die Realisierung eines erwünschten Sachverhalts demjenigen anheimstellt, der Adressat dieser Sprechhandlung ist. Folglich sollte Letzterer in der betreffenden Äußerung möglichst derart kodiert sein, dass eine entsprechende Direktivinterpretation seitens des Hörers notwendig zustande kommt. Dennoch besteht die wohl herausragendste syntaktische Eigenart von Imperativen darin, dass sie, zumindest im Falle ihrer fehlenden modalmorphologischen Repräsentation, von Anfang an keine explizite Angabe des Adressaten fordern. Der formal unmarkierte Imperativ wird von daher vielfach als „subjektlos" bezeichnet (vgl. Schmerling 1975, Liedtke 1992, Rosengren 1992b). Die ausbleibende overte Repräsentation des externen Arguments ist dabei in Null-SubjektSprachen und Non-Null-Subjekt-Sprachen in gleicher Weise zu beobachten. So wird zum Beispiel innerhalb der Romania in den Imperativkonstruktionen des Französischen, einer Sprache, welche über kein Argument-Null-Subjekt verfugt, das Subjektelement ebenso wenig overt realisiert (vgl.: (30a)) wie in den kanonischen Imperativsätzen des Italienischen und Spanischen, zweier typischer pro-drop-Sprachen (vgl.: (30b,c)). (30) (a) Reste à la maison! I bleib(iMP) in dem Haus „Bleib zu Hause!"

*Restes à la maison. bleib-2sG in dem Haus

(b) Aiuta tua sorella! /Aiuta tua sorella hilf(lMP) deiner Schwester helf-3SG deiner Schwester „Hilf deiner Schwester! / Er hilft deiner Schwester." (c) ¡Baila con Pedro! / Bailas con Pedro. tanz(iMP) mit Pedro tanz-3SG mit Pedro „Tanz mit Pedro! / Du tanzt mit Pedro."

(Französisch)

(Italienisch)

(Spanisch)

4. Das Imperativische

219

Null-Pronomen

Dasselbe gilt für die modernen westgermanischen Sprachen, von denen keine die Generierung von Argument-pros erlaubt (vgl.: (31)), und auch für die slawischen Sprachen (vgl.: (32)), unter denen das Russische in sämtlichen nicht rein Imperativischen finiten Sätzen die Weglassung von Argument-Subjektpronomen verbietet (vgl.: (32a)). (31) (a) Kletter über den Zaun!/*Klettert (b) For in Varshe! / fahr(lMP) nach Warschau „Fahr nach Warschau!" (c) Follow

me. /

über den Zaun?

*Fort in Varshe. fahr-3SG nach Warschau

(Deutsch) (Jiddisch)

(Englisch)

* Follows me. folg-3SG mir

folge(iMP) mir

„Folge mir!" (32) (a) Pridite

k

nam! /

komm(lMP)-PL zu uns

*Pridët

k

nam.

(Russisch)

komm-3SG zu uns

„Kommt zu uns!" (b) Izpej edna pesen! / Pee pesen. PERF-sing(lMP) ein Lied sing-3SG Lied „Sing ein Lied! / Er singt ein Lied." (c) Knjige im citajte! / Knijige im citate. Bücher ihnen les(iMP)-PL Bücher ihnen les-2PL „Lest ihnen Bücher vor! / Ihr lest ihnen Bücher vor."

(Bulgarisch)

(Serbokroatisch)

Außerhalb der indogermanischen Sprachfamilie verhalten sich formal unmarkierte Imperative hinsichtlich ihrer Subjektrealisierung in identischer Weise. Auch sie sind in ihrer kanonischen Form subjektlos, wie zum Beispiel der Imperativ des Finnischen, welches Null-Pronomen der 1. und 2. Person allein in der Schriftsprache gestattet (Vainikka & Levy 1999; Karlsson 2000: 77) (vgl.: (33a)), des Hebräischen, welches Null-Subjekte im indikativischen Paradigma nur in Anwesenheit overter verbaler Personenkongruenzmarkierungen zulässt (vgl. Borer 1989) (vgl.: (33b)), und der beiden Non-Null-Subjektsprachen Tamil und Somali (vgl. Saeed 1999: 85ff.) (vgl.: (33c,d)). (33) (a) Osta

kirjan.

(Finnisch)

kauf(lMP) Buch

„Kauf das Buch!" (b) rutsL lauf(lMP)-FEM

„Lauf!"

(Hebräisch)

220

4. Das Imperativische Null-Pronomen (c) oru käppi

kotunkaf.

(Tamil)

ein K a f f e e geb(lMP)-PL

„Gebt mir einen Kaffee!" (d) Súg!

(Somali)

wart(lMP)

„Warte!"

4.4.2. Overte Imperativsubjekte Formal markierte Imperative können bisweilen durchaus die lexikalische Realisierung ihres syntaktischen Subjekts verlangen. Dies zeigt sich unter anderem in der in Kap. 1.2.2.2. bereits erwähnten polynesischen Sprache Hawaiianisch, wo das Subjektpronomen nur in Imperativsätzen obligatorisch eine overte Realisierung erfahrt (Zhang 1990: 157ff.) (vgl.: (34)), und in der Trans-Neu-Guinesischen Non-Null-Subjekt-Sprache Kilmeri. Dort indiziert das Imperativische Flexionssuffix -p ausschließlich deontisch starke, nicht-negierte Direktiva und kann innerhalb des Verbalflexivs mit morphologischen Kodierungen weiterer Verbalkategorien, wie zum Beispiel der Objektkongruenz oder Aktionsart, kookurrieren. Das in dieser Weise overt markierte Imperativische Hauptverb tritt nur in Kombination mit dem overten agentivischen Personalpronomen der 2. Person auf (Gerstner-Link 2002) (vgl.: (35)). (34)

(Hawaiianisch) (a) E

hele 'oe IMP geh du „Geh!"

(b) E hai 'awi-aku 'oe i ka lama ia: ke kanaka IMP geb du OBJ der Rum OBJ der Mann „Gib dem Mann den Rum!" (35)

(Kilmeri) (a) de ko lews - ipi



d u m i r g e b - l S G + O B J - IMP

„Gib du (es) mir!" (b) de le pusiye- ke -p du Geschirr wasch - INGR - IMP „Fang du an abzuspülen!" Formal unmarkierte Imperative sind in zahlreichen Sprachen nicht unbedingt obligatorisch „subjektlos". Vielfach können sie nominativische Personalpronomen der 2. Person Singular oder Plural zu sich nehmen, wobei deren lexikalische Realisierung in der Regel nur dann erfolgt, wenn ihrer Bedeutung ein besonderes Gewicht zukommt und sie dementsprechend in ihrer overten Form eine besondere Betonung erfahren. Wie Potsdam

4. Das Imperativische

221

Null-Pronomen

(1998) richtig bemerkt, handelt es sich bei diesen Pronomen um echte Subjekte. Dies zeigt sich nicht nur darin, dass sie in der Tat essentiell subjektivische Eigenschaften in sich vereinigen (vgl. 4.3.2.), sondern auch darin, dass sie nur als solche mit der ThetaTheorie kompatibel sind. Das Theta-Kriterium verlangt nämlich, dass jede Theta-Rolle, die ein Verblexem s-selegiert, genau einem Argument zugewiesen wird und dass jedes Argument, welches innerhalb der entsprechenden Satzstruktur auftaucht, genau eine Theta-Rolle erhält (vgl. 2.2.1.2.). Da nun Imperativsätze wie alle anderen Satztypen das Theta-Kriterium stets erfüllen, ist davon auszugehen, dass Imperativische Verben die von ihnen selegierte, externe Theta-Rolle genau einer Subjektkonstituente im Satz zuweisen, wobei sich dieser Sachverhalt offensichtlich im nominativischen Kasus der meist agentivisch definierten overten Imperativsubjekte niederschlägt. Sollten nun, wie Platzack & Rosengren (1998) meinen, overte integrierte Nominativ-DPs nicht das externe Argument des imperativierten Verbs repräsentieren, so läge in allen Imperativsätzen, die eine derartige lexikalisch realisierte Nominativ-DP enthalten, eindeutig eine Verletzung des Theta-Kriteriums vor. Denn dort bekäme Letztere als nicht subjektivische, aber dennoch das Hauptverbelement strukturell spezifizierende Konstituente keine bzw. eine bereits vergebene Theta-Rolle zugewiesen. Overte Imperativsubjekte existieren in zahlreichen indoeuropäischen Sprachen. In den meisten romanischen Sprachen zum Beispiel ist deren Einsetzung durchaus gestattet, solange sie kontrastiv betont werden. Innerhalb des Imperativischen Satzes bilden sie den Spezifikator der funktionalen AgrSP und sind sonach dem auf der Ebene der FocP gelandeten Imperativischen Hauptverb nachgeordnet (vgl. 2.5.1.1.; (36)). (36) (a) Paria

tu.'

(Italienisch)

red(iMP) d u

„Rede du!" (b) ; Ve

tú preparando

los bocadillos!

(Spanisch)

geh(lMP) d u vorbereiten(GERUND) die S a n d w i c h e s

„Mach du die Sandwiches fertig!" Auch in den slawischen Sprachen werden phonetisch realisierte Imperativsubjekte vorwiegend nachdrücklich betont (vgl.: (37)). Im Russischen können sie eine Spezifikation der deontischen Intensität herbeifuhren - wie zum Beispiel in (37a), wo durch die Hinzunahme des Imperativpronomens der betreffende Sprechakt eindeutig als Bitte gekennzeichnet wird. Das Personalpronomen steht dabei in der Regel in der subjektüblichen Position vor dem am Kopf der funktionalen AgrSP befindlichen finiten Hauptverb. (37) (a) Tysadis' vot na ètot stul! du setz(lMP) hier auf diesen Stuhl „Setz du dich auf diesen Stuhl hier!" (b) Ti otidi

do hlebarnicata!

d u PERF-geh(lMP) z u B ä c k e r e i - d e r

„Geh du zur Bäckerei!"

(Russisch)

(Bulgarisch)

222

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

Ebenfalls erlauben sämtliche westgermanischen Sprachen die overte Realisierung von subjektivischen Imperativpronomen der 2. Person (vgl.: (38)), wobei diese auch hier in der Regel mit einer entsprechenden intonatorischen Verstärkung einhergeht. Subjektpronomen, die klitische Eigenschaften aufweisen und sonach gemäß Cardinaletti (1999) den schwachen Pronomen zuzuordnen sind (vgl. 2.5.3.5.), treten daher in Imperativsätzen prinzipiell nicht auf. Dies zeigt sich insbesondere im Niederländischen und WestFlämischen, wo die lexikalische Realisierung des schwachen Personalpronomens je in Imperativischen Sätzen stets zur Ungrammatikalität führt. Das starke Pronomen jij bzw. gie kann hingegen dort als optionales Imperativsubjekt regulär verwendet werden. Es folgt, ebenso wie das Imperativpronomen der romanischen VI-Imperativstrukturen, unmittelbar dem satzinitialen Hauptverb (vgl.: (38a,b)). Dasselbe gilt zunächst auch fur die overt realisierten Imperativsubjekte des Deutschen. Auch sie stehen im Normalfall hinter dem imperativierten Verb, können aber im Falle ihrer kontrastiven Fokussierung auf eine höhere Ebene der CP-internen Foc-Domäne angehoben und somit Letzterem vorangestellt werden (vgl.: (38c)). (38) (a) Loop

jijnaarde

lauf(LMP) d u z u

halte! /

*Loop

je naar de halte! (Niederländisch)

d e r H a l t e s t e l l e lauf(LMP) d u z u

der Haltestelle

„Lauf du zur Haltestelle!" (b) Goa

gie mo! / *Goa-ie

geh(LMP) d u

mal

mo!

(Westflämisch)

geh(LMP)-du m a l

„Geh du mal!" (c) Heirate du sie! /DU heirate sie!

(Deutsch)

Die overt realisierten Subjektpronomen englischer Imperativsätze sind, seitdem dort die V-nach-C-Bewegung lexikalischer Vollverben grundsätzlich nicht mehr vor Spell-out vollzogen wird, dagegen oberflächensyntaktisch immer präverbal angeordnet (vgl. 2.5.1.6.; (39a)). Nur im Falle der affirmativen Emphase (vgl.: (39b)) und Negation (vgl.: (39c)) folgen sie dem an Foc° gelandeten Imperativischen Substitut do bzw. seinem negierten Gegenstück don 't. (Englisch)

(39) (a) You watch Mr. Cage 's bulldog. du bewach Mr. Cage's Dogge „Bewach du Mr. Cage's Dogge!" (b) Do you help him. DO(iMP) du helf ihm „Hilf du ihm!" (c) Don't you get on my nerves. DO(IMP)NEG du kommen auf meine Nerven „Geh du mir nicht auf die Nerven!"

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

223

Allein im Isländischen zeichnet sich hinsichtlich der Imperativischen Subjektrealisierung eine von den anderen westgermanischen Sprachen bislang abweichende Entwicklung ab. Dort wird das Subjektpronomen der 2. Person in kanonischen Imperativsätzen seit dem Altisländischen meist lexikalisch realisiert (Rögnvaldsson 2003). Subjektlose Imperativsätze (vgl.: (40a, 41a)) machen daher dort gegenüber subjekthaltigen Imperativsätzen (vgl.: (40b, 41b)) bis heute den deutlich geringeren Anteil aus. Die overte Realisierung von pronominalen Subjekten in Imperativen geht insofern im Normalfall mit keiner intonatorischen Markierung einher; sie unterliegt viel eher einer zunehmenden phonologischen Abschwächung (vgl.: (41c)). (40)

(Altisländisch) (a) En sióan far til sempriflegast... und danach geh(lMP) zu dem Jäger „Und danach geh zum Jäger ..." (Ottars pàttur svaria 2205) (b) pá bid pu Guôriôar Hognadóttur til... dann vorschlag(lMP) du Guöriöar Hognadóttur zu „Dann schlag du Guöriöar Hognadóttur vor zu ..." (Haröar saga og Holmverja 1256)

(41)

(Neuisländisch) (a) Ko m

hingaâ!

komm(IMP) her

.Komm her! (b) Vertu rölegur! sei(iMP)KL(PRON) ruhig „Sei ruhig!" Neben subjektivischen Personalpronomen der 2. Person existieren weiterhin overte Imperativsubjekte der 3. Person. Dies ist unter anderem im Deutschen und Englischen zu beobachten, wobei das Deutsche solche nur in Form von Quantorenausdrücken erlaubt (vgl. (42)). Im Englischen liegt eine derartige Beschränkung nicht vor (Davies 1986: 133; Potsdam 1998: 163ff.). Dort können Imperativsubjekte der 3. Person auch durch nicht rein quantoriale und nicht-pronominale DPs zum Ausdruck gelangen (vgl.: 43)). (42)

(Deutsch) (a) Gib einer die Chips 'rüber! (b) Nimm sich jeder ein Stück Himbeertorte! (c) *Trag ein starker Kerl die Koffer!

(43)

(Englisch) (a) Someone help me. jemand hilf(lMP) mir .Jemand hilf mir!

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4. Das Imperativische

Null-Pronomen

(b) Do the siris in front lift up the banner. DO(LMP) die Mädchen vorn heb hoch das Spruchband *„Hebt die Mädchen dort vorne das Spruchband hoch!" (c) Don't all the workers take a break now* DO(IMP)NEG alle die Arbeiter nehm(LMP) eine Pause jetzt *„Macht jetzt nicht alle Arbeiter eine Pause!"

4.4.3. Vokativ vs. Imperativsubjekt Nicht zuletzt das Vorkommen eben solcher overten Subjektelemente, welche nicht explizit auf eine 2. Person referieren und bisweilen nicht einmal der Gruppe der Pronomina zuzuordnen sind, führte in einer Reihe von Betrachtungen des Imperativsatzes dazu, zumindest einen Vergleich zwischen Imperativsubjekten und Vokativen vorzunehmen (vgl. Downing 1969; Davies 1986: 135ff.; Beukema & Coopmans 1989). Platzack & Rosengren (1994; 1998) gehen, wie in 4.3.1. bereits erläutert wurde, sogar soweit, overt realisierte Imperativsubjekte hinsichtlich ihrer Funktion im Satz mit reinen Vokativ-DPs gleichzusetzen. In ihrem früheren Manuskript behaupten sie, dass Erstere ebenso wie Letztere per Default grundsätzlich nominativischen Kasus zugewiesen bekommen. Derlei Feststellungen widerspricht allerdings nicht nur, dass, wie bereits in 4.4.2. deutlich wurde, die nominativische DP rein subjektivisch charakterisiert ist und in dieser Funktion das Theta-Kriterium befriedigt, sondern auch, dass der Vokativ, obwohl er heutzutage oftmals durch eine dem Nominativ homophone Flexionsmorphologie kodiert ist, ursprünglich als eigenständiger morphologischer Kasus definiert ist. Insbesondere in den älteren Sprachperioden der indogermanischen Sprachen, wie z.B. im Sanskrit, Lateinischen und Gotischen, aber auch im heutigen Rumänischen, ist der Vokativ im Singular zumindest in bestimmten Deklinationsklassen durch ein von den anderen Kasus unterschiedenes Flexionsmorphem gekennzeichnet. In seinem Gebrauch dient er ausschließlich der Kennzeichnung der durch den Sprecher angeredeten Person oder Personen und findet sowohl bei Imperativsätzen als auch bei allen anderen Satztypen Verwendung (vgl. Hamblin 1987) (vgl.: (44)). Als extraponiertes Element beeinflusst die Vokativ-DP die semanto-syntaktischen Verhältnisse der konvergenten Gesamtkonstruktion grundsätzlich nicht und erhält dementsprechend eine durch Sprechpausen gekennzeichnete, separate Intonation und darüber hinaus, zumindest in den neueren indogermanischen Sprachen, eine orthographische Abgrenzung durch Kommata. (44)

(Deutsch) (a) Axel, der Kaffee ist fertig. (b) Möchtest du keinen Kaffee, Axel? (c) Axel, trink doch ein bisschen Kaffee!

8

Der mehrfach vertretenen Annahme, dass derartige Konstruktionen mit nicht rein quantorialen und nichtpronominalen Subjekten wie (43b) und (43c) grundsätzlich als Subjunktive zu analysieren sind, widerspricht die Verwendung des Substituts do bzw. don 't im Falle von deren emphatischer Markierung und Negation. Do und don't kommen in reinen Subjunktiven ebenso wenig wie rein funktionale Modalverben als Auxiliarelemente zum Einsatz (vgl. 3.4.5.).

4. Das Imperativische

225

Null-Pronomen

Dieser wesentliche Unterschied zu integrierten Nominativausdrücken schließt eine Gleichstellung von Vokativ-DPs und Imperativsubjekten bereits prinzipiell aus. Insofern lassen sich zwischen Imperativsubjekten und Vokativ-DPs in der Tat hinsichtlich ihrer Distribution, Funktion und Verwendung gravierende Unterschiede feststellen. Vokativ-DPs sind zum Beispiel als von der internen Satzprädikation tatsächlich ausgeschlossene Elemente in ihrer distributionellen Anordnung wesentlich freier als echte Subjekte. Sie können im Prinzip beliebig die initiale, mediale oder finale Position einnehmen, befinden sich dabei aber stets außer Stande mit einem Element des zugehörigen Satzgefüges eine Bindungsbeziehung einzugehen (vgl.: (45)). Integrierte Subjekte hingegen sind schon aufgrund ihrer obligatorischen Kongruenzbeziehung zu dem finiten Verbelement auf bestimmte Positionierungen innerhalb der Satzstruktur beschränkt und binden von dort aus regulär referenzidentische anaphorische und pronominale Ausdrücke (vgl.: (46)). (45)

(Deutsch) (a) Lisa, mach dich vom Acker! *Lisa¡, mach sich, vom Acker! (b) Stell diri vor, Magda¡, dass das explodieren könnte! * Stell sichj vor, Magda¡, dass das explodieren könnte! (c) Zieh dich warm an, Malte! *Zieh sich¡ warm an, Malte¡!

(46)

(Deutsch) (a) Überschätz du¡ dich, nicht! (b) DU i frag doch deine¡ Mama! (c) Mach einer, doch endlich seinen, Mund auf.

Indem Vokative den jeweils Angesprochenen benennen, legen sie den Adressaten der formulierten Äußerung genau auf diesen fest. Sie stellen somit grundsätzlich eine Beziehung zu der gesamten Adressatenmenge her, wobei dies meist durch die Verwendung von Eigennamen oder definiter DPs geschieht (vgl.: (47a,b)). Die Abwesenheit von Adressaten kann, wie (47c) zeigt, durch den Vokativ folglich nicht zum Ausdruck gebracht werden. Ebenso wenig ist es sonach möglich, mittels der Einsetzung einer vokativischen DP einen Referenzbezug zu einer dritten, nicht direkt angeredeten Person herzustellen (vgl.: (47d)) oder aber aus der Gesamtadressatenmenge ein Individuum oder eine Subgruppe herauszubilden (vgl.: (47e)). (47)

(Deutsch) (a) (b) (c) (d) (e)

9

Hilda, hol das Geld! Küss mich, mein Süßer! *Reit zum Schloss, keiner! *Otto und ihr, pflückt ein paar * Einer, schalt die Glotze aus!

Gänseblümchen!9

Sobald das vokativische Personalpronomen der 2. Person Plural durch eines der 2. Person Singular ersetzt wird, kann bemerkenswerterweise keine Ungrammatikalität mehr festgestellt werden (Otto und du, pflückt ein paar Gänseblümchen!). Dies ist vermutlich darauf zurückzufuhren, dass erst durch die Einsetzung der Vokativ-Konstituente Otto und du eine aus genau zwei Personen bestehende Adressatenmenge konzipiert wird, wohingegen in (47d) Otto explizit aus der Gruppe der unmittelbar Angesprochenen (ihr) ausgeschlossen wird.

226

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

Overte Imperativsubjekte referieren ebenfalls auf Adressaten - allerdings bei weitem nicht in einer derart restringierten Form wie Vokative. Anders als Vokative können sie nämlich als Sub- und Supergruppen der Adressatenmenge auftreten (Bolinger 1967; Davies 1986: 140). Diejenige Anforderung, die Imperativsubjekte, um tatsächlich als solche definiert werden zu können, dabei zu erfüllen haben, besteht laut Potsdam (1998: 21 Off.) einzig und allein darin, dass sie auf Entitäten referieren müssen, die zu dem Zeitpunkt der Äußerung des Imperativsatzes der Kontrolle des oder der jeweils direkt angesprochenen Adressaten unterliegen. Die Kontrollrelation zwischen dem Adressat und dem Referent des Imperativsubjekts kann auf unterschiedlichste Art determiniert sein. So kann sie ebenso durch Macht oder Autorität wie durch Verantwortung oder Vertrauen aufgebaut werden. Von Relevanz für die Verwendung eines bestimmten Imperati vsubjekts ist hierbei nur, dass sie letztendlich zur Verwirklichung des propositional angegebenen Ereignisses oder Zustandes fuhrt. 10 Im Idealfall sind der Referent des Imperativsubjektes und der Adressat deckungsgleich und gewährleisten bereits durch ihre vollkommene Übereinstimmung die notwendige Kontrollrelation. Insofern bestehen overte Imperativsubjekte stets vornehmlich aus der lexikalischen Realisierung des Personalpronomens der 2. Person. Imperativsubjekte der 3. Person lassen den modal-immanenten Adressatenbezug des Imperativischen Verbs bestehen und spezifizieren damit eine bestimmte Adressatensubmenge. In Form von Quantorenausdrücken (vgl.: (48a)) oder - zumindest im Englischen - auch in Form bestimmter indefiniter oder definiter DPs der 3. Person (vgl.: (48b)) geben sie also an, wie viele und bisweilen sogar welche Individuen der Gesamtadressatenmenge konkret das externe Argument der Imperativischen Struktur repräsentieren. Ihre Referenten sind folglich Adressaten, die zwar nicht unbedingt die jeweilige Gesamtadressatenmenge konstituieren, aber als deren Teilmenge durch sie kontrolliert werden. Wie (48a) illustriert, sind sie hierbei durchaus in der Lage, im Englischen pronominale Elemente der 2. Person zu binden. Nicht-pronominale DPs, die die jeweilige Adressatenmenge in ihrer Gesamtheit definieren, sind als echte Subjekte imperativischer Strukturen unzulässig (vgl.: (48c)). (48)

(Englisch) (a) Everyone¡ raise his/your¡ umbrella. jeder hochheb(lMP) seinen/deinen Schirm „Halt jeder seinen Schirm hoch!" (b) Otto smash the window and Elly break into the treasury. Otto einschlag(lMP) das Fenster und Elly knack(lMP) in den Tresor *„Schlag Otto die Scheibe ein und knack Elly den Tresor!" (c)

10

*Mv dar lins smash the window. mein Schatz einschlag(lMP) die Scheibe

Wie Potsdam (1998: 213) ausschließlich fur das Englische feststellt, können Imperativsubjekte sogar gänzlich von der Adressatenmenge abgekoppelt werden, wenn deren Referenten in ihrer Handlungsweise von Letzterer kontrolliert werden.

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

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Ein Referenzbezug auf Adressatensupermengen kann bereits durch die Verwendung des subjektivischen Imperativpronomens der 2. Person Plural hergestellt werden (vgl.: (49)). Dieses zeigt nämlich lediglich an, dass die Realisierung des propositionierten Ereignisses oder Zustandes aus Sicht des Sprechers mehr Individuen als einen unmittelbar angesprochenen Adressaten erfordert. Die Referenzmenge des Imperativischen Subjekts muss folglich nicht in der Adressatenmenge enthalten sein, sondern kann sie im Gegenteil auch als Untermenge einschließen. Von Letzterer wird aber erwartet, dass sie auf Erstere eine gewisse Kontrolle ausübt. Die von dem oder den Adressaten kontrollierten Entitäten können im Englischen durch den Einsatz definiter DPs sogar explizit zum Ausdruck gelangen (vgl.: (50)). (49)

(Deutsch) (a) Sylvia, holt ihr Tante Gerda vom Flughafen ab! (b) Fahrt ihr doch erstmal in den Urlaub! (Du musst dich wirklich ausruhen.)

(50)

(Englisch) (a) You and your men be on guard for anything suspicious. Verdächtiges du und deine Männer sei(lMP) auf der Hut für etwas *„Seid du und deine Leute auf der Hut vor allem Verdächtigen." (b) You and Willy do the cooking. (I'll provide the coke.) du und Willy tu(lMP) das Kochen ich AUX besorg die Cola •„Besorgt du und Willy das Kochen. (Ich kümmere mich um die Cola.)"

Vokative unterscheiden sich demnach von Imperativsubjekten sowohl hinsichtlich ihrer grammatischen Funktion als auch in ihrem Referenzpotential. Als extraponierte Elemente tragen Vokative, im Gegensatz zu echten Subjekten, keinen strukturellen Kasus und sind grundsätzlich nicht in der Lage, etwaige Bindungen mit Elementen des Matriximperativs einzugehen. Imperativsubjekte hingegen bilden den Spezifikator der Imperativischen IP und treten daher unmittelbar in syntaktische Bindungsrelationen ein. Während Vokative die Adressaten einer Äußerung durch deren Nennung definieren, bestimmen Imperativsubjekte, welcher Anteil von diesen dem externen Argument der jeweils ausgedrückten Proposition genau entspricht.

4.4.4. Coverte Imperativsubjekte Spätestens nach den Erörterungen in den letzten beiden Kapiteln stellt sich nun unweigerlich die Frage, ob „subjektlose" Imperative tatsächlich über keinerlei syntaktische Subjekte verfügen. Die Subjekthaftigkeit von overten Imperativischen Nominativ-DPs scheint zumindest nicht mit einer absoluten Subjektlosigkeit von kanonischen Imperativsätzen vereinbar zu sein. Wenn nämlich overte Imperativsubjekte de facto thetamarkiert sind und innerhalb der Spezifikator-Kopf-Beziehung zu dem an I o gelandeten finiten Verbelement ihren nominativischen Kasus lizenzieren, dann muss gemäß dem Projektionsprinzip in kanonischen „subjektlosen" Imperativsätzen ebenfalls eine externe Argumentposition vorhanden sein, die von einer entsprechenden c-selegierten Kategorie gefüllt wird.

228

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

Letzteres lässt sich in der Tat anhand der Imperativischen Flexionsmorphologie nachweisen. Wie nämlich (51 ) zeigt, nehmen formal unmarkierte Imperative durchaus unter anderem morphologische Markierungen bezüglich ihrer Subjektnumeruskongruenz zu sich (vgl. 1.3.1.). Eine derartige nicht-modalimmanente Kodierung am finiten Verb muss, gleichgültig ob sie nun flexivisch repräsentiert ist oder nicht, innerhalb der Spezifikator-Kopf-Relation zu einer kongruenten Subjektkonstituente legitimiert werden. (51) (a) ¡Jugad e/

(Spanisch)

spiel(iMP)-PL

„Spielt!" (b) Heult e doch!

(Deutsch)

(c) e vstánte!

(Russisch)

aufsteh(iMP)-PL

„Steht auf!" Diese befindet sich dabei, wie Potsdam (1998: 218ff.) bereits für das Englische belegt, offensichtlich sogar in ihrer coverten Form durchaus in der Lage, reflexive Anaphern zu binden. So müssen die Reflexivpronomen der unter (52) aufgeführten Imperativkonstruktionen nach dem Prinzip A der Bindungstheorie gebunden werden. Wie (53) im Vergleich zu (52) zeigt, ist hierzu allerdings allein eine Leerkategorie befähigt, welche die Merkmalsspezifizierung 2PERS trägt. (52) (a) ¡Levántate¡

e¡/

(Spanisch)

erheb(IMP)KL(PRON 2SG)

„Steht auf!" (b) Wasch e¡ dich¡ anständig! (c) e¡ pokupáj

sebé,

(Deutsch) knigu!

(Russisch)

ASP-kauf(lMP) dir-DAT B u c h

„Kauf dir (selbst) ein Buch!" (53) (a) *¡Callamei

e,/

(Spanisch)

schweig(lMP)KL(PRON lSG)

(b) *Beeil e, sich¡! (c) e, pokupáj

(Deutsch) sebé¡

knigu/"

(Russisch)

* ASP-kauf(iMP) mir-DAT B u c h

„*Kauf mir (selbst) ein Buch!"

11

Das Reflexivpronomen sebja weist keine morphologische Unterscheidung zwischen den Personenformen auf.

4. Das Imperativische Null-Pronomen

229

Außerdem lässt auch die Tatsache, dass in kanonischen „subjektlosen" Imperativkonstruktionen eine infinite CP von dem imperativierten subjektkontrollierenden Matrix verb als Komplement selegiert werden kann, eindeutig auf die Existenz eines entsprechend vorhandenen Imperativischen Matrixsubjekts schließen (vgl.: (54)). (54) (a) ¡Trata e¡ de PRO¡ cantar la canción! versuch(lMP) zu singen das Lied „Versuch, das Lied zu singen!"

(Spanisch)

(b) Versuch e, einfach PRO¡ zu grinsen!

(Deutsch)

(c) ei nacníte

PRO¡ pisát'!

fang(iMP)-PL

(Russisch)

schreiben

„Fangt an zu schreiben!" Demnach ist davon auszugehen, dass die imperativierten Verben von „subjektlosen" Imperativsätzen stets ein covertes Subjekt lizenzieren. So plausibel diese Annahme in Anbetracht der oben aufgeführten Daten auch sein mag, so wirft sie dennoch erneut Problematiken auf. Unklar ist nämlich nun, wie eine derartige Lizenzierung überhaupt vonstatten gehen soll und durch welches Null-Element das non-overte Imperativsubjekt infolgedessen repräsentiert wird. Wie die beiden folgenden Kapitel zeigen, eignet sich nämlich offensichtlich keine der vier bekannten Leerkategorien tatsächlich als qualifizierter Spezifikator der Imperativischen AgrSP.

4.4.5. Topik-NP-Deletion und Subjektlosigkeit Von den als imperativisches Subjekt in Frage kommenden Leerkategorien ist die zurückgelassene Spur einer XP-Bewegung sicherlich zunächst am wenigsten in Betracht zu ziehen. Sie resultiert aus der Bewegung einer Konstituente in eine c-kommandierende Argument- oder Non-Argument-Position und verfügt demnach grundsätzlich über einen Antezedenten, der sie lokal oder über eine entsprechende Kette A- oder A'bindet. Die Tatsache, dass ein derartiger Antezedens in Imperativsätzen nicht auffindbar ist, liefert für Beukema & Coopmans (1989) allerdings noch keinen hinreichenden Grund dafür, nicht-pronominale Leerkategorien von weiteren Untersuchungen gänzlich auszuschließen. Zumindest Variablen können durchaus von einem lexikalisch nicht realisierten Null-Topik A'-gebunden werden. Und da sie sich dabei in einer strukturellen Position befinden, die auch potentiell für overtes lexikalisches Material offensteht, vertreten Beukema & Coopmans ( 1989) schließlich die Ansicht, dass subjektlose Imperativsätze nichts anderes als Topikalisierungskonstruktionen mit leeren Topiks sind. Sie gehen davon aus, dass Imperativsubjekte aufgrund ihres, wie sie meinen, quantorialen Charakters grundsätzlich auf LF mittels Quantorenhebung an IP adjungieren und infolgedessen in Speci eine Spur zurücklassen. Die auf diese Weise bewegte Imperativische Subjekt-NP kann, so behaupten sie, im Folgenden, da Topikalisierung nach Lasniks & Saitos (1984) Rektionstheorie mit IP-Adjunktion gleichzusetzen ist, optional als pronominales Topik getilgt werden.

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4. Das Imperativische

Null-Pronomen

Die Deletion von Topik-NPs stellt, wie Tsao (1977: 42ff.), Ross (1982) und Huang (1984) zeigen, jedoch nur in den speziell diskursorientierten Sprachen, denen das von Beukema & Coopmans (1989) untersuchte Englische eindeutig nicht zuzuordnen ist, einen gängigen Löschungsprozess dar. So werden zum Beispiel im Chinesischen und Japanischen relativ beliebig satzinterne NPs topikalisiert, damit sie anschließend auf phonetischer Ebene weggelassen werden können. Die zurückgebliebenen Spuren werden, wie (55) am Beispiel des Chinesischen zeigt, von dem jeweiligen Null-Topik, dessen referentieller Bezugspunkt sich innerhalb des Diskurses befindet, als Variable gebunden (Huang 1984). (55)

(Chinesisch) (a) e, t¡ lai-le. komm-PERF

„Er ist gekommen." (b) e¡ Yoko shuo Lisi t, bu renshi. Yoko sagt Lisi NEG kenn „Yoko sagt, dass Lisi ihn nicht kennt." Da beide Sprachen, im Gegensatz zu den westgermanischen, romanischen oder slawischen Sprachen, die Operatorenbewegung vor Spell-out generell verbieten, findet die zugrunde liegende Topikalisierung erst auf LF statt. Diese unterscheidet sich von der Quantorenanhebung insofern, als sie anstatt in einer Adjunktionsposition von IP erst in der C-Projektion endet (Huang 1984). Demzufolge können Konstituenten entgegen Beukemas und Coopmans' (1989) These nicht ohne ihre vorangegangene Anhebung in die C-Domäne mittels Topiktilgung auf phonetischer Ebene eliminiert werden. Dies lässt sich auch bei den Null-Topiks des Deutschen beobachten. Obwohl das Deutsche hauptsächlich satzorientiert charakterisiert ist, lässt es dennoch in der gesprochenen Sprache Topik-NP-Deletion zu (Ross 1982; Fries 1988). Hiervon betroffen sind ausschließlich DPs, die als rein pronominale Kategorien innerhalb des Diskurses über einen Referenzpunkt verfugen und weder das Rhema der Konstruktion darstellen noch in irgendeiner Weise fokussiert sind. Derartige Elemente müssen nun, um als Topik getilgt werden zu können, zunächst die präverbale Position eines V2-Matrixsatzes einnehmen bzw. overt nach SpecFin aufsteigen. Resultate einer entsprechenden Deletion sind unter (56) illustriert. (56)

(Deutsch) (a) e, hab ' ich t¡ erledigt. (b) e¡ komme t¡ gleich.

Die Subjekt-DP kann in den Imperativsätzen des Deutschen demnach schon deswegen nicht mittels Topik-NP-Deletion gelöscht werden, weil das entsprechende Imperativische Hauptverbelement innerhalb der C-Domäne mit einem non-overten Imperativoperator ein Spezifikator-Kopf-Verhältnis eingeht und damit eine VI-Struktur ausbildet. Als präverbale Konstituente wird das Subjekt dort infolgedessen stets kontrastiv fokussiert (vgl.: (57)) und bleibt daher von Topiktilgung unberührt (vgl.: (58)).

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

231 (Deutsch)

(57) (a) DU, sei t¡ mal ganz still! (b) DU, zahl t, erst deine Schulden!

(Deutsch)

(58) (a) *e¡ sei t¡ mal ganz still! (b) *Q\zahl Ii erst deine Schulden!

Verfolgt man dennoch Beukemas und Coopmans' (1989) Idee der Imperativischen Topiktilgung, so ist fur jeden kanonischen Imperativsatz des Deutschen (vgl.: (59a)) eine Ausgangsstruktur mit overtem Subjekt anzunehmen (vgl.: (59b)), welches nach seiner Anhebung nach SpecFin (vgl.: (59c)) von Topik-NP-Deletion erfasst wurde (vgl.: (59d)). (59)

(Deutsch) (a) (b) (c) (d)

Kiiss den Frosch! Küss du den Frosch! Du, Icüss ti den Frosch! e¡ küss t¡ den Frosch!

Ein derartiger Tilgungsprozess scheitert ganz offensichtlich an Imperativsatzkonstruktionen, deren Vorfeld eine nicht-subjektivische Konstituente bildet (vgl.: (60)). Die Subjekt-DP kann dort, weil der Spezifikator der FinP bereits durch eine overte Konstituente repräsentiert wird, nicht mehr topikalisiert werden und ist sonach gezwungen, in SpecAgrS zu verharren. (60)

(Deutsch) (a) Nun komm du schon! (b) Das vergiss du mal lieber!

Nichtsdestotrotz sind, anders als Beukema & Coopmans (1989) gemäß ihrem Ansatz prognostizieren würden, deutsche subjektlose Imperativsätze, die über ein satzinitiales Topik verfügen, durchaus grammatisch (vgl.: (61)). Dasselbe lässt sich auch für das Englische feststellen (vgl. Potsdam 1998: 201) (vgl.: (62)). Im Gegensatz zum Deutschen landen dort allerdings topikalisierte Konstituenten ausschließlich auf der Ebene der TopP. (61)

(Deutsch) (a) Nun komm schon! (b) Das vergiss mal lieber!

(62)

(Englisch) (a) The pretzel, give to George. die Brezel geb(lMP) zu George ,Die Brezel gib George! (b) To yourself be true. zu dir selbst sei(lMP) wahr „Sei ehrlich zu dir selbst!"

232

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

Darüber hinaus erweist sich Beukemas & Coopmans' (1989) Analyse schließlich auch insofern als nicht anwendbar, als coverte Imperativsubjekte grundsätzlich auf ihre Merkmalskodierung 2PERS festgelegt sind. Sie können, auch wenn der Diskurs wie etwa in (63) eindeutig einen potentiell referenzidentischen Ausdruck der 3. Person anbietet, niemals eine diesem entsprechende Personenspezifizierung 3PERS annehmen. (63)

(Deutsch) (a) Zeig jeder zuerst seine Zunge! Komm bitte zu mir in die Praxis! (b) Mach einer dahinten die Musik lauter! Mix mir einen Mojito!

Beukemas & Coopmans' (1989) Theorie ist demzufolge nicht haltbar (vgl. Wratil 2000). Das coverte Imperativsubjekt ist keine Spur, die von einem diskursgebundenen Null-Element als Variable gebunden wird. Daher erscheint es notwendig, die verschiedenen Null-Pronomen eingehender auf ihre Tauglichkeit als externes Argument von Imperativsätzen zu überprüfen.

4.4.6. Die Einsetzbarkeit von Null-Pronomen Anders als nicht-pronominale Leerkategorien verfugen pronominale Leerkategorien über keine lexikalischen Antezedenten. Sie werden als genuine Null-Elemente in der Spezifikator-Kopf-Relation zu einem Kopf I o lizenziert und müssen gemäß dem Prinzip der Wiederherstellbarkeit innerhalb ihrer syntaktischen Umgebung komplett identifizierbar sein (Huang 1984). Das Nullpronomen PRO ist ausschließlich in der Spezifikatorposition nicht-finiter IPs anzutreffen. Es legitimiert dort in der Spezifikator-Kopf-Relation zu einem Kopf I o , welcher sowohl hinsichtlich seiner Agr- als auch hinsichtlich seiner T-Merkmale negativ spezifiziert ist, seinen charakteristischen Null-Kasus. In der Regel wird PRO durch die Kontrolle seitens einer im superordinierten Matrixsatz befindlichen DP rekonstruiert. In subjektivischen Infinitiven kann es jedoch per Default auch eine arbiträre Lesart zugewiesen bekommen. Da PRO nun aufgrund seiner speziellen Kasusmarkierung nicht mit overten DPs alterniert, scheidet es als mögliches non-overtes Subjekt imperativischer Konstruktionen bereits prinzipiell aus. Das coverte Imperativsubjekt kann demgemäß weder mittels Kontrolle identifiziert noch als arbiträres Null-Pronomen interpretiert werden. Ersteres zeigt sich in (64). Ebenso wenig wie dort das non-overte Subjektelement des altgriechischen subordinierten Imperativsatzes (vgl. Smyth 1920: 411) in die referentielle Abhängigkeit der übergeordneten Subjektkonstituente gerät (vgl.: (64a), kann das coverte Subjekt der deutschen Imperativkonstruktion (64b) mit dem Subjekt der 1. oder dem Objekt der 3. Person des vorangehenden Satzes identifiziert werden. In (65) ist weiterhin zu erkennen, dass das coverte Subjekt des kanonischen Imperativsatzes - anders als das arbiträre PRO des subjektivischen Infinitivs (vgl. 4.2.1.) - grundsätzlich nicht mit Merkmalen der 3. Person assoziiert wird. Die subjektivische Leerkategorie in (65a) ist allein mit dem overten Imperativpronomen der 2. Person in (65b) referenzidentisch.

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

233

(64) (a) Kratêres eisin ôn krat ' erepson. Schalen sei-3PL deren Ränder überflut(lMP)-AOR „Dort sind die Schalen, deren Ränder du überfluten musst.' (Sophocles Oedipus Tyrannus 473) (b) Ich finde Hochzeiten so traurig. Erzähl mal einen Witz!

(Altgriechisch)

(Deutsch) (Deutsch)

(65)

(a) (b) (c) (d)

Mal e mir ein Bild! Mal du mir ein Bild! Φ Mal einer mir ein Bild! Φ*ΜαΙ man mir ein Bild!

Im Gegensatz zu PRO wird das subjektivische Null-Pronomen pro, genauso wie seine lexikalisch realisierten Gegenstücke, als Spezifikator eines finiten I-Kopfes lizenziert. Es bildet demnach die Subjektkonstituente einer IP, auf deren internen Projektionsebenen AgrP und TP das aufsteigende Verbelement entsprechende Subjektkongruenz- und Tempusmerkmale überprüft und damit seine [+agreement][+tense]-Spezifikation legitimiert. Die durchgängig overte Repräsentation dieser funktionalen Merkmale innerhalb der verbalen Flexionsmorphologie muss dabei nicht notwendig erfolgen. Subjektivische Argument-pros können durchaus auch in solchen Sprachen lizenziert werden, deren verbale Flexionsparadigmen nicht ausschließlich aus derivierten komplexen Formen bestehen. So ist im bulgarischen indikativischen Präsensparadigma die Flexionsendung der 3. Person Singular im Laufe der Sprachgeschichte verloren gegangen. Das entsprechend spezifizierte Verbelement des heutigen Bulgarischen besteht sonach grundsätzlich aus dem reinen Verbstamm. Obwohl es sich hierdurch von den Verben aller anderen Personenformen unterscheidet, erlaubt es dennoch generell die pro-Lizenzierung in sämtlichen Paradigmen. Die von Jaeggli & Safir (1989) postulierte obligatorische Korrelation zwischen der morphologischen Uniformität von verbalen Flexionsparadigmen und der Lizenzierung von thematischen Null-Subjekten (vgl. 4.2.2.) kann somit nicht verifiziert werden. Diejenigen Sprachen, in denen die Einsetzung von Argument-pras nicht möglich ist, zeichnen sich demgemäß auch nicht notwendigerweise durch eine uneinheitliche oder morphologisch arme Verbflexion aus. Im Russischen zum Beispiel wird jede einzelne Personenkodierung innerhalb des Verbalflexivs mittels eines speziellen Morphems indiziert. Dennoch zählt das Russische zu den Non-Null-Subjektsprachen. Dass verbale Paradigmen von Null-Subjekt-Sprachen mit solchen von Non-Null-Subjekt-Sprachen darüber hinaus sogar gänzlich übereinstimmen können, lässt sich unter anderem im Portugiesischen und im Isländischen beobachten. So ist die verbale Flexionsmorphologie des Brasilianisch Portugiesischen mit der des Europäisch Portugiesischen identisch - doch nur in der europäischen Variante kookkurriert sie mit Null-Subjekten (vgl. Rohrbacher 1994). Daneben war das Isländische bis vor wenigen Sprachperioden eine vollständige V2-pro-drop-Sprache. 12 Obgleich sich dessen verbale Flexionsmorphologie

12

Holmberg & Platzack ( 1995: 110) nehmen eine differenziertere Klassifizierung vor.

234

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

im Laufe der Sprachgeschichte praktisch nicht verändert hat (vgl. Sigurôsson 1993), gehört das moderne Isländische ebenso wie das Russische den Non-Null-SubjektSprachen an. Weiterhin gibt es eine Anzahl von Sprachen, in denen Null-Subjeke nur in Kombination mit bestimmten verbalen Personenformen und nur in bestimmten temporalen oder aspektuellen Paradigmen auftreten können. Das Hebräische zum Beispiel gestattet nur im Präteritum und im Futur die Einsetzung von Subjekt-pras, wobei dies allerdings lediglich die 1. und 2. Person betrifft. Bemerkenswerterweise verfugen auch nur in den genannten Tempora diese beiden Personenformen über eine overtmorphologische Subjektkongruenzmarkierung (vgl. Borer 1989). Eine ähnlich unmittelbare Korrelation zwischen overt realisierter Subjektkongruenzkodierung und der Legitimation von pro lässt sich auch im Arabischen beobachten (vgl. Kenstowicz 1989). Insofern besteht zumindest innerhalb einzelner Sprachen eine direkte Verbindung zwischen der individuellen overten INFL-Kodierung und pro-Lizenzierung. Eine plausible universell anwendbare Theorie, die das Vorkommen von Null-Subjekten mit einer spezifischen flexionsmorphologischen Konstitution des lizenzierenden finiten I-Kopfes in einen Zusammenhang bringen könnte, ist jedoch offensichtlich nicht formulierbar. Die Einsetzung von pro ist einzig und allein Gegenstand der sprachlichen Parametrisierung. Nach Rizzi (1986) werden Null-Subjekte durch die Subjektkongruenzspezifizierung ihres jeweils lizenzierenden Kopfes identifiziert. Die entsprechenden Agr-Merkmale müssen dabei weder, wie nun deutlich geworden ist, konsequent overt repräsentiert werden, noch in ihrer morphologischen Konstitution differieren. Letzteres zeigt sich zum Beispiel in der auf Kuba gesprochenen spanischen Dialektvariante. Dort ist die distinktive Subjektkongruenzmorphologie der 2. Person Singular abhanden gekommen (Lillo-Martin 1986). Die Verbformen der 2. und 3. Person Singular im Indikativ Präsens setzen sich demzufolge, ebenso wie ihr standardspanisches Pendant der 3. Person Singular, nunmehr gleichermaßen aus dem Verbstamm und dem dazugehörigen Themavokal zusammen. Diese Abschwächung der verbalen Flexionsmorphologie beeinträchtigt die Rekonstruierbarkeit des subjektivischen Argument-pros offensichtlich nicht. NullSubjekte können bis heute im Kuba-Spanischen uneingeschränkt lizenziert und identifiziert werden. Die Rekonstruktion des coverten Imperativsubjekts erweist sich in sämtlichen der hier genannten Null-Subjekt- und Non-Null-Subjekt-Sprachen als unproblemtisch. Es wird grundsätzlich als pronominales Element der 2. Person identifiziert - und dies, obwohl formal unmarkierte Imperative die overte Repräsentation der Personenkongruenzkodierung innerhalb des Verbalflexivs prinzipiell verbieten. Der nun scheinbar berechtigten Annahme, dass das coverte Imperativsubjekt stets innerhalb der Spezifikator-Kopf-Beziehung zu seinem finiten Imperativischen Kopfelement als kleines pro lizenziert wird, widerspricht allerdings eindeutig die individuelle Aneignung der Null-Subjekt-Lizenzierung. Der pro-drop-Parameter wird bereits in einem frühen Stadium des Spracherwerbs fixiert und betrifft prinzipiell die Menge der subjektivischen Pronomen der zu erlernenden Einzelsprache. Er kann nicht hinsichtlich bestimmter, selektiv gewählter Satztypen modifiziert werden. Die Imperativsätze unter (66), (67) und (68) sind demnach ungrammatisch. Weder im Französischen noch im Deutschen oder Russischen ist die Lizenzierung von subjektivischen Argument-pros möglich.

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

235 (Französisch)

(66) (a) *pro pensent. denk(lND)-3PL

(b) *pro pensez! denk(iMP)-2PL

(Deutsch)

(67) (a) *pro lächelt. (b) *pro lächle!

(Russisch)

(68) (a) *pro sjadut. hinsetz(lND)-3PL

(b) *pro sjad'l hinsetz(iMP)

Ein anderes Null-Pronomen wird in der Spezifikator-Kopf-Relation zu einem finiten verbalen Kopfelement lizenziert, welches fur Agr eine negative Spezifizierung trägt bzw. keine Agr-Merkmale enthält, jedoch bezüglich seiner T-Kodierung positiv definiert ist. Aufgrund dieser [+tense]-Spezifizierung seines lizenzierenden Kopfes alterniert das besagte Null-Pronomen (welches im Folgenden in Anlehnung an Huang (1989) als pro/PRO bezeichnet wird) nun einerseits, ebenso wie das rein pronominale Null-Subjekt pro, mit lexikalisch realisierten DPs; wegen dessen [-agreement]-Spezifizierung wird es allerdings andererseits, ebenso wie PRO, durch Kontrolle oder mittels Zuweisung einer arbiträren Lesart identifiziert. Anders als PRO, aber wiederum in Analogie zu pro, unterliegt es hinsichtlich seiner Einsetzbarkeit der individuellsprachlichen Parametrisierung. Wie bereits in 4.2.2. deutlich wurde, kommt pro/PRO in einigen ostasiatischen Sprachen vor. Im Chinesischen zum Beispiel beherbergt die funktionale INFL-Domäne keine AgrP, weshalb dort kontrollierte Null-Pronomen nicht nur als Subjekt infiniter, sondern auch als Subjekt finiter Sätze auftreten (vgl.: (69a)). Sie werden immer dann durch overte DPs ersetzt, wenn sie innerhalb ihrer syntaktischen Umgebung in keine referentielle Abhängigkeit gelangen bzw. keine arbiträre Lesart annehmen können und der entsprechende verbale Kopf eine temporale Markierung aufweist (Huang 1984; 1989). Das ebenfalls in 4.2.2. erwähnte Schwedische erlaubt, obgleich die Konstitution von dessen verbaler Flexionsmorphologie keinerlei Anhaltspunkte für die Existenz einer IPinternen Agr-Projektion aufweist (vgl. Thráinsson 1996), jedoch grundsätzlich nicht die Lizenzierung von Null-Subjekten in finiten Sätzen. Das Schwedische ist folglich trotz der [-agreementJ-Spezifikation seines I-Kopfes den reinen Non-Null-Subjekt-Sprachen zuzuordnen (vgl.: (69b)). (69) (a) Zhangsan shuo pro/PRO hen xihuan Lisi Zhangsan sag sehrmög Lisi „Zhangsan sagt, dass er Lisi sehr gerne hat.'

(Chinesisch)

236

4. Das Imperativische (b) *Jan sa att pro/PRO ofta kysser Maria. Jan sag dass oft küss Maria

Null-Pronomen (Schwedisch)

Das Null-Pronomen pro/.PRO scheitert sonach aus denselben Gründen als universell einsetzbares covertes Imperativsubjekt, aus denen ebenfalls die Null-Pronomen pro und PRO als Spezifikator der Imperativischen IP ausscheiden. Im Gegensatz zu pro/PRO nämlich wird das coverte Imperativsubjekt offensichtlich zum einen auch in Non-NullSubjekt-Sprachen lizenziert und zum anderen grundsätzlich nicht mittels Kontrolle oder Zuweisung einer arbiträren Interpretation identifiziert.

4.4.7. Die Lizenzierung und Identifizierung des Imperativischen Null-Pronomens Abhängig von der jeweiligen Beschaffenheit der Kategorie INFL werden, wie nun die Ausfuhrungen unter 4.4.6. gezeigt haben, unterschiedliche Null-Pronomen generiert. Die beiden Null-Pronomen pro und pro/PRO treten allein in entsprechend parametrisierten Null-Subjekt-Sprachen auf. Sie bilden ebenso wie ihre lexikalisch realisierten Gegenstücke, mit denen sie in den betreffenden Sprachen alternieren, den Spezifikator eines Kopfes 1°, welcher hinsichtlich seiner temporalen Merkmale positiv ([+tense]) spezifiziert ist. Während pro unmittelbar über die [+agreement]-Spezifikation des lizenzierenden Kopfes identifiziert wird, ist pro/PRO aufgrund dessen [-agreementJ-Spezifikation auf eine Rekonstruktion durch Kontrolle oder Zuweisung einer arbiträren Lesart angewiesen. Es verhält sich damit hinsichtlich seiner Identifizierbarkeit wie das Null-Pronomen PRO. Dieses wird in der Spezifikator-Kopf-Relation zu einem Kopf I o lizenziert, welcher bezüglich seiner Agr- und seiner T-Merkmale negativ spezifiziert ist ([-agreement][-tense]). Im Gegensatz zu pro und pro/PRO ist PRO an keine sprachspezifische Parameterfixierung gebunden. Seine Lizenzierungsbedingungen besitzen universelle Gültigkeit. Eine letzte mögliche Merkmalsmatrix des lizenzierenden I-Kopfes besteht in der Kombination [+agreement][-tense]. Ein plausibler Grund, warum diese nicht in INFL kodiert werden oder aber im Gegensatz zu den anderen Merkmalskombinationen nicht die Generierung eines Null-Pronomens herbeiführen könnte, liegt nicht vor. Insofern ist anzunehmen, dass ein Kopf I o , welcher für Τ negativ spezifiziert ist bzw. keine TMerkmale enthält, aber hinsichtlich seiner Agr-Merkmale eine positive Kodierung aufweist, ebenfalls durchaus dazu befähigt ist, eine pronominale Leerkategorie zu lizenzieren. Ebenso wie PRO kommt diese infolge der [-tense]-Spezifizierung ihres lizenzierenden Kopfes universell zum Einsatz. Dessen positive Agr-Kodierung ermöglicht es ihr ebenso wie pro innerhalb ihrer Spezifikator-Kopf-Konfiguration identifiziert zu werden und darüber hinaus mit overten nominativischen DPs zu alternieren (Wratil 2003). Folglich existiert ein Null-Pronomen, das bestimmte Charakteristika von PRO und pro in sich vereinigt und damit tatsächlich den passenden Spezifikator für die AgrSP „subjektloser" imperativischer Konstruktionen darstellt. Formal unmarkierte Imperative projizieren nämlich, da ihre Prospektivität ausschließlich modalimmanent direktivisch kodiert ist und daher allein in deren funktionalen Kopf Mood 0 bzw. Fin(Mood)°

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

237

überprüft wird, grundsätzlich keine TP. Ihre Imperativischen Strukturen beherbergen somit eine Kategorie INFL, welche über keine rein tempusdefinierten T-Merkmale verfugt, jedoch hinsichtlich bestimmter Agr-Merkmale positiv spezifiziert ist und demzufolge die Lizenzierung eines ebensolchen PRO/pro-Elements gestattet. Nach der Bedingung des geringsten Aufwandes wird dieses gegenüber lexikalisch realisierten DPs präferiert - in einigen Sprachen sogar ausschließlich - als covertes Imperativsubjekt eingesetzt. Dessen Identifizierbarkeit wird dadurch gewährleistet, dass das imperativierte Verb mit der Überprüfung seiner Modusmerkmale seine Personenkongruenzindizierung modalinhärent absolviert und damit ein externes Argument rekonstruiert, welches mit dem direktivisch definierten Adressaten referenzidentisch ist. Zusätzliche verbalmorphologische Subjektkongruenzmarkierungen wie Numerus- oder Genuskongruenzflexive können diese Identifikation weiter präzisieren (Wratil 2003). So wird in den romanischen und einigen westgermanischen Sprachen durch die Suffigierung eines Imperativischen Numeruskongruenzmorphems ein pluralisches Subjekt der 2. Person rekonstruiert (vgl.: (70a, 71a)). Die Abwesenheit eines solchen Flexionsmorphems führt demgemäß in Imperativkonstruktionen zu der Identifikation eines singularischen Adressatensubjekts (vgl.: (70b, 71b)). Im Arabischen, einer semitischen Sprache, rekonstruiert das flexivlose imperativierte Verb ausschließlich ein männliches Subjekt der 2. Person im Singular (vgl.: (72a)). Die Identifikation eines weiblichen Subjekts erfordert die Affigierung einer speziellen Genuskodierung (vgl.: (72b)). (70)

(Spanisch) (a) ¡Comprad PRO/pro/ kauf(iMP)-PL

„Kauft!" (b) ¡Compra PRO/pro.' kauf(iMP)

„Kauf!" (71)

(Deutsch) (a) Heult PRO/pro doch! (b) Heul PRO/pro doch!

(72)

(Arabisch) (a) PRO/pro ktub schreib(iMP)

„Schreib!" (b) PRO/pro ktubii schreib(lMP)-FEM

„Schreib!" Natürlich ist das Null-Pronomen PRO/pro nicht nur in Imperativsätzen anzutreffen. Es tritt auch in Infinitivkonstruktionen auf, deren Hauptverben eine Subjektkongruenzmarkierung besitzen. Derartige Agr-Spezifizierungen am infiniten Verb sind unter anderem im Europäisch-Portugiesischen zu beobachten (vgl. Raposo 1987). Infinitivi-

238

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

sehe Null-Pronomen alternieren demzufolge dort mit overten DPs (vgl.: (73)). Sie werden ebenso wie die coverten Subjektpronomen formal unmarkierter Imperative durch die t+agreement] [-tense]-Kodierung ihres Kopfes INFL lizenziert und daraufhin durch dessen verbalmorphologische Kodierung identifiziert. (73)

(Europäisch-Portugiesisch) (a) Será difícil PRO/pro aprovarem a proposta. sei-FUT+3SG schwierig annehmen-3PL den Vorschlag „Es wird schwer fur sie sein, den Vorschlag anzunehmen." (b) Será difícil eles aprovarem a proposta. sei-FUT+3SG schwierig sie annehmen-3PL den Vorschlag „Es wird schwer für sie sein, den Vorschlag anzunehmen."

Im Gegensatz zu den in den letzten Kapiteln beinahe ausschließlich betrachteten formal unmarkierten Imperativen verfugen formal markierte Imperative in einer Anzahl von Sprachen durchaus über eine funktionale T-Projektion. Deren Kopf Γ trägt somit oftmals nicht die Merkmaisspezifikation [+agreement] [-tense], sondern je nach Sprachzugehörigkeit die Kodierung [+agreement][+tense] oder [-agreement] [+tense]. Die coverten Subjekte formal markierter Imperative sind demnach vielfach als reine NullSubjekt-pros oder -pro/PROs zu definieren. Die imperativierten Verben des Alamblak zum Beispiel überprüfen im Zuge ihrer Kopfbewegung an T° ihre Tempusspezifikation und an AgrS 0 ihre Subjektkongruenzkodierung. In ihrer Spezifikatorposition SpecAgrS lizenzieren sie demnach das Null-Pronomen pro (vgl.: (74a)). Im Chinesischen hingegen beherbergen Imperativische Strukturen ebenso wie die finiten Strukturen aller anderen Modi keine AgrSP, aber grundsätzlich eine TP (vgl. Huang 1989). Deren Kategorie INFL ist demnach durch die Merkmalskombination [-agreement] [+tense] spezifiziert und nimmt demzufolge ein pro!PROSubjekt zu sich, sobald dieses innerhalb seiner näheren syntaktischen Umgebung identifizierbar ist (vgl.: (74b)). 13 (74) (a) pro wa- roh-twakë IMP-sit- FUT-IRJR+IMP-2PL „Setzt euch bitte!" (b) pro/PRO zuò ba sitz IMP „Setz dich!"

(Alamblak)

(Chinesisch)

13 Wie bereits in 4.4.5. deutlich wurde, ist es im Chinesischen möglich, Subjekte mittels Topik-NP-Deletion zu löschen. Imperativsätze sind von diesem Tilgungsprozess nicht ausgeschlossen. Insofern kann der Spezifikator der Imperativischen IP im Chinesischen auch durch eine Variable, welche von einem diskursgebundenen Null-Operator A'-gebunden wird, repräsentiert werden.

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

239

4.4.8. Die Lizenzierung overter Imperativsubjekte Imperativsubjekte werden nur dann als overte nominativische Konstituenten lizenziert, wenn sie innerhalb der Spezifikator-Kopf-Relation zu ihrem an AgrS° gelandeten, finiten Verbelement als Leerkategorie nicht vollständig rekonstruiert werden können. Demnach erscheinen zum Beispiel in den westgermanischen und in den meisten romanischen Sprachen alle subjektivischen Personalpronomen der 2. Person, welche kontrastiv fokussiert oder anderweitig hervorgehoben sind, in overter Form (vgl.: (75 (38c,36b))). (75) (a) DU heirate sie! (b) / Ve tú preparando los bocadillos! geh(IMP) du vorbereiten(GERUND) die Sandwiches „Mach du die Sandwiches fertig!"

(Deutsch) (Spanisch)

Dasselbe gilt bei den formal unmarkierten Imperativen vor allem der beiden westgermanischen Sprachen Deutsch und Englisch auch für sämtliche pronominalen und nichtpronominalen Imperativsubjekte der 3. Person (vgl.: (76)). Eine Merkmalskollision auf der Ebene der AgrSP lösen diese nicht aus, weil das imperativierte Verb seine Personenkongruenzkodierung nicht an AgrS°, sondern an Mood° bzw. Fin(Mood)° überprüft und damit dort lediglich eine direktivisch determinierte Adressatenbezugnahme lizenziert. Im unmarkierten Fall stellt Letztere zwar grundsätzlich eine Kongruenzbeziehung zu einem Subjekt der 2. Person her; mit dessen Sub- und Supermengen ist sie dennoch grundsätzlich kompatibel (vgl.: (76 (42a, 43b))). (76) (a) Gib einer die Chips 'rüber!

(Deutsch)

(b) Do

(Englisch)

the siris in front lift up the banner. die Mädchen vorn heb hoch das Spruchband *„Hebt die Mädchen dort vorne das Spruchband hoch!" DO(IMP)

Unter den westgermanischen Sprachen können allein im Isländischen auch nichtfokussive und sogar klitische Subjektpronomen der 2. Person in Imperativsätzen eingesetzt werden (vgl.: (77a (41))). Warum derartige overte Repräsentationen dort nicht der Bedingung des geringsten Aufwandes zuwiderlaufen und sonach Ungrammatikalität erzeugen, ist unklar. Man könnte vermuten, dass während des fortschreitenden Verlustes des Null-Subjekt-Status nach der altisländischen Periode die starke Tendenz bestand, Null-Pronomen, die hinsichtlich ihrer Distribution prinzipiell lexikalisch repräsentierbar sind, stets overt zu realisieren. Imperativische Null-Pronomen wurden demzufolge zunehmend durch overte Pronomen der 2. Person abgelöst. Womöglich markieren die heutigen enklitischen Subjektpronomen am imperativierten Verb sogar bereits einen ersten Schritt auf dem Wege zur Etablierung einer flexivischen Moduskodierung und damit zur formalen Markierung des isländischen Imperativs (vgl.: (77b)).

240

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

(77) (a) Vertu

rólegur!

(Isländisch)

sei(IMP)KL(PRON) ruhig

„Sei ruhig!" (b) Vertu rólegur! sei-LMP ruhig „Sei ruhig!"

(Isländisch (mögl. Entwicklung))

Diejenigen Sprachen, die zu den Non-Null-Subjekt-Sprachen gehören und deren imperativierte Verben nicht nur eine overtmorphologische Imperativkodierung aufweisen, sondern auch im Zuge ihrer Anhebung nach T° Tempusmerkmale lizenzieren, verlangen obligatorisch die overte Realisierung von Imperativsubjekten. Ihr imperativischer I-Kopf trägt nämlich vor dem Hintergrund der Negativfixierung des pro-drop-Parameters eine [+tense]-Spezifizierung und ist daher weder dazu befähigt, in seiner Spezifikatorposition ein universell determiniertes Null-Pronomen PRO /pro zu legitimieren, noch ein reines Argument-Null-Subjekt pro oder pro/PRO zu sich zu nehmen. Wie (78) illustriert, treten die Imperativischen Subjektpronomen der Non-Null-Subjekt-Sprache Kilmeri dementsprechend nur in Form lexikalisch realisierter DPs auf. (78)

(Kilmeri) (a) de ko lavs - ipi du mir geb -

- ρ

ISG+OBJ-IMP

„Gib du (es) mir!" (b) *PRO/pro / *pro / *pro/PRO ko lews-ipi



m i r g e b -ISG+OBJ-IMP

4.4.9. Zusammenfassung Imperativische Verben, deren Modusspezifikation nicht overt flexivisch repräsentiert ist, fordern in ihrer kanonischen Form keine explizite Angabe des Adressaten. Dennoch können sie in einer Anzahl von Sprachen overte nominativische Personalpronomen der 2. Person oder sogar, wie zum Beispiel im Englischen und Deutschen, auch lexikalisch realisierte Nominativ-DPs der 3. Person zu sich nehmen. Bei sämtlichen dieser Nominativausdrücke handelt es sich um echte Subjekte, welche nicht nur essentiell subjektivische Eigenschaften in sich vereinigen, sondern auch das Theta-Kriterium als externe Argumente erfüllen. Sie befinden sich demgemäß in der kanonischen Subjektposition SpecAgrS, aus der sie zum Zwecke ihrer kontrastiven Fokussierung gegebenenfalls extrahiert und in die CP-interne Foc-Domäne angehoben werden. Kanonische „subjektlose" Imperativsätze beherbergen dementsprechend stets ein covertes Subjekt. Von dessen Existenz zeugen sowohl bestimmte, auf der Ebene der AgrSP lizenzierte Subjektkongruenzmarkierungen am imperativierten Verb als auch die Anwesenheit gebundener Reflexiva und subjektkontrollierter PRO-Elemente in kanonischen „subjektlosen" Imperativkonstruktionen. Die nicht-pronominalen Leer-Katego-

4. Das Imperativische

Null-Pronomen

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rien, NP-Spur und Variable, erweisen sich, weil sie stets von einem c-kommandierenden Antezedens, welcher in Imperativsätzen zweifelsohne nicht vorhanden ist, gebunden werden, nicht als die geeigneten Repräsentanten des coverten Imperativsubjekts. Dies gilt auch, entgegen Beukemas & Coopmans' (1989) Auffassung, fur die Variable eines diskursgebundenen Null-Topiks. Denn Topik-NP-Deletion ist nur in speziellen diskursorientierten Sprachen anwendbar und erfasst dort lediglich topikalisierte, pronominale, thematische und gänzlich unfokussierte Konstituenten. Es affiziert folglich kein präverbales Subjektelement von VI-Imperativen und unterbindet jede weitere Topikalisierung, was offensichtlich nicht mit den vorkommenden „subjektlosen" Imperativsätzen, die über ein satzinitiales Topik verfugen, vereinbar ist. Bei dem coverten Imperativsubjekt handelt es sich demnach um eine pronominale Leerkategorie. Da nämlich formal unmarkierte Imperative aufgrund ihrer rein modalinhärenten Prospektivcharakterisierung keine funktionale TP projizieren und somit über einen Kopf INFL verfügen, welcher durch die Merkmalskombination [+agreement] [-tense] spezifiziert ist, gestatten sie die Lizenzierung eines subjektivischen Null-Pronomens, welches bestimmte Charakteristika der Leerkategorien PRO und pro in sich vereinigt. Ebenso wie PRO gelangt dieses Null-Subjekt universell zum Einsatz; gleichzeitig wird es aber genauso wie pro innerhalb seiner Spezifikator-Kopf-Beziehung zu dem jeweiligen Hauptverbelement rekonstruiert. Dessen Identifikation kommt dadurch zustande, dass das imperativierte Verb mit der Lizenzierung seiner Modusmerkmale seine Personenkongruenzkodierung modalimmanent abschließt und damit ein externes Argument rekonstruiert, welches mit dem direktivisch definierten Adressaten referenzidentisch ist. Es wird nur dann durch eine overte Konstituente ersetzt, wenn es als Leerkategorie nicht vollständig rekonstruiert werden kann. Demnach erscheinen sämtliche Imperativsubjekte der 3. Person und alle subjektivischen Personalpronomen der 2. Person, falls sie kontrastiv fokussiert oder anderweitig hervorgehoben sind, in overter Form. Formal markierte Imperative, welche eine IP-interne funktionale TP aufweisen, nehmen aufgrund der [+agreement][+tense]- bzw. [-agreement][+tense]-Spezifikation ihrer lizenzierenden INFL-Kategorie in pro-drop-Sprachen im unmarkierten Fall entweder ein Null-Subjekt-pro oder ein Null-Subjekt-pro/PRO zu sich. In Non-Null-SubjektSprachen verlangen sie grundsätzlich die overte Realisierung des Imperativsubjekts.

Schlussbetrachtung

In dieser Arbeit habe ich den Versuch unternommen, auf der Grundlage des modernen minimalistischen Prinzipien- und Parametermodells eine Theorie der Imperativischen Syntax auszuarbeiten. Es ging mir darum, die strukturelle Repräsentation des Imperativischen Modus mit Hilfe generativer Prinzipien zu erfassen und für die mit ihr verbundenen syntaktischen Phänomene eine kohärente Erklärung zu liefern. In dem einleitenden Kapitel 1 habe ich den Imperativ als sprecherorientierten Modus der deontischen Domäne definiert. Ich habe gezeigt, dass sich seine modale Flexionskategorie hinsichtlich ihrer Grammatikalisierung in zweierlei Varianten aufspaltet. Während erstere Variante das Ergebnis einer fortschreitenden deontischen Funktionalisierung morphologischer Markierungen des futurischen Tempus oder der agensorientierten Modalität darstellt, sonach overtmorphologisch repräsentiert ist und oftmals durchaus flexivische Markierungen bezüglich des Tempus oder der Subjektpersonenkongruenz zu sich nimmt, erlaubt die zweite Variante, welche als rein funktionaler Direktivindikator ursprünglich in keinerlei modalmorphologische Grammatikalisierungsprozesse verwickelt wurde, folglich zunächst grundsätzlich covert verbleibt, die Affigierung derartiger Flexive nicht. Da im Wesentlichen die Imperative der letzten Variante im Verlauf der weiteren Ausführungen behandelt werden, habe ich diese als formal unmarkierte Imperative von denen der ersten Variante, den formal markierten Imperativen, begrifflich abgegrenzt. Dass diese Einordnung zwar zweckmäßig, aber dennoch bisweilen recht ungenau ist, hat bereits Punkt 1.3.2. gezeigt. Wie dort anhand der Flexionsmorphologie westgermanischer und romanischer Imperative zu erkennen ist, verschwimmen die Grenzen zwischen formaler Unmarkiertheit (coverter Repräsentation) und formaler Markierung (overter Repräsentation) im Laufe der Sprachgeschichte. Eine ausführlichere Untersuchung sowie eine differenziertere Kategorisierung der Imperativischen Flexionskategorie im Hinblick auf deren Entstehung, modale Verwendung und strukturelle Verankerung wären somit erstrebenswerte Vorhaben für zukünftige Forschungen. Mit den Fragen, wie das imperativierte Verb seine flexionsmorphologischen Charakteristika im Zuge seiner Kopfbewegung legitimiert und wo es infolgedessen innerhalb der Satzstruktur positioniert ist, habe ich mich in Kapitel 2 befasst. Ich habe dort gezeigt, dass die Imperativische Verbbewegung abhängig von der Beschaffenheit der jeweiligen flexivischen Imperativkodierung zwischen den einzelnen Sprachen bzw. Sprachgruppen variiert. Insbesondere die formal unmarkierten Imperative, zu denen ich unter anderem die Imperative indoeuropäischer Abstammung zähle, zeichnen sich dadurch aus, dass deren funktionale INFL-Projektion keine TP beherbergt. Sie lizenzieren ihre temporale Charakterisierung ebenso wie ihre Personenkongruenzkodierung modalimmanent an Mood 0 , wo sie als Repräsentanten des Default-Modus der deontischen Modalität in der Regel keine overte Flexionsmorphologie lizenzieren.

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Schlussbetrachtung

Mein besonderes Interesse galt in 2.5. der Imperativischen Verbbewegung im Westgermanischen und Romanischen. Dort nämlich landen imperativierte Verben stets am Kopf der funktionalen CP und stellen somit zwischen ihrer modalen Kodierung und dem entsprechend strukturell determinierten Satztyp eine spezifische Kongruenz her. Wie mit Hilfe von Daten aus dem Altenglischen und Lateinischen belegt werden konnte, handelt es sich bei dieser Anhebung nach C° um einen relativ jungen Imperativierungsprozess. Er resultiert meinen Beobachtungen in 2.5.2. und 2.5.3. zufolge aus der in früheren Sprachperioden der westgermanischen und romanischen Sprachen einsetzenden Etablierung von V2-Stellungsmustern in Matrixsätzen. Ich habe dafür argumentiert, dass seine endgültige Fixierung die Restrukturierung der Imperativischen CP als speziell modusdefinierte Phrase nach sich zieht. Auf der Grundlage des Split CModells lizenziert das imperativierte Verb des Westgermanischen und Romanischen demnach bis heute seine temporale Charakterisierung und Personenkongruenzkodierung zusammen mit seiner modalen Spezifizierung in Fin°. Komplementklitika sind seit der Institutionalisierung dieser spezifisch Imperativischen V-nach-C-Bewegung in den älteren romanischen Sprachen gemäß der Tobler-MussafiaGeneralisierung dem imperativierten Hauptverb stets nachgeordnet. Ich habe in 2.5.7. gezeigt, dass ihnen daher in Imperativischen Konstruktionen die Erlangung des Status eines proklitischen Kopfelements von Anfang an verwehrt geblieben ist und sie deshalb mit dem Verlust ihrer ausschließlich phrasalen Kategorisierung unmittelbar als quasiflexivische Objektkongruenzmorpheme reanalysiert wurden. Auf der Grundlage dieser Betrachtungen stellen die Enklitika der modernen romanischen Sprachen eine höhere Stufe der diachronischen Entwicklung von klitischen Elementen dar als die Proklitika nicht-imperativischer finiter Verben. Ich hoffe, daraufhin in Kapitel 3 deutlich gemacht zu haben, dass diese spezielle Entwicklung der strukturellen Repräsentation des formal unmarkierten Imperativs in den westgermanischen und romanischen Sprachen auch auf die Negationsverträglichkeit von deren imperativierten Verben einen gewissen Einfluss ausübt. Wie ich festgestellt habe, ist Imperativierung - zumindest in einem Großteil der heutigen indoeuropäischen Sprachen - genau dann mit Satznegation inkompatibel, wenn jene nicht in Form eines speziellen Auxiliars repräsentiert wird, keinen overten genuinen Negationsoperator involviert und das entsprechende imperativierte Verb keine hinreichende Spezifizierung hinsichtlich seines Finitheitsstatus vornehmen kann, bevor es die Ebene der NegP erreicht. Dementsprechend sind die Imperative der west-germanischen und romanischen Sprachen, da deren NegP infolge der Imperativischen Reanalyse ihrer funktionalen CP weder eine T- noch eine Mood-Projektion dominiert, nur auf der zweiten und dritten Stufe des Jespersenschen Zyklus in ihrer reinen Form negationsfähig. Dass Imperativsätze auch in den Non-Null-Subjekt-Sprachen des indoeuropäischen Sprachraums coverte Subjekte beherbergen, ist gemäß meiner Untersuchungen in Kapitel 4 auf die spezielle Kodierung des INFL-Kopfes formal unmarkierter Imperative zurückzufuhren. Da Letztere aufgrund ihrer rein modalinhärenten Prospektivcharakterisierung keine funktionale TP projizieren, ist dieser durch die Merkmalsmatrix [+agreement] [-tense] charakterisiert und lizenziert sonach in seiner Spezifikatorposition ein Null-Pronomen, welches ebenso wie pro mit overten DPs alterniert, aber gleichzeitig ebenso wie PRO keiner individuellsprachlichen Parametrisierung unterliegt. Wie Daten aus dem Portugiesischen gezeigt haben, ist dieses Null-Pronomen

Schlussbetrachtung

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außer in Imperativkonstruktionen auch als Subjekt von Infinitiven, deren Kopf I o eine positive Agr-Spezifikation trägt, anzutreffen. Durch diese Analyse habe ich, wie ich hoffe, den Beweis dafür geliefert, dass NullPronomen seitens der Kategorie INFL im Prinzip durch jede ihrer vier möglichen Merkmalskombinationen [+agreement][+tense], [+agreement][-tense], [-agreement] [+tense] und [-agreement][-tense] lizenziert werden können. Während diejenigen Null-Pronomen, die eine [+tense]-Spezifizierung fordern, nur in den parametrisch fixierten NullSubjekt-Sprachen vorkommen, ist dies bei den Null-Pronomen, welche durch eine [-tense]-Kodierung legitimiert werden, nicht der Fall. Die formal markierten Imperative anderer Sprachfamilien, welche innerhalb ihrer INFL-Domäne eine funktionale TP verketten, nehmen dementsprechend allein in Null-Subjekt-Sprachen ein Null-Pronomen zu sich. Abschließend ist zu bemerken, dass in meiner Arbeit leider nicht nur die Imperativierung außerhalb der westgermanischen und romanischen Sprachen vielfach zu kurz gekommen ist, sondern auch eine große Anzahl imperativspezifischer Detailphänomene, die in einzelnen Sprachen der Romania oder des westgermanischen Sprachraums zu beobachten sind, womöglich zu wenig Beachtung fanden. Es bleibt mir nun zu wünschen, dass es mir dennoch gelungen ist, einen relevanten Beitrag zur vollständigen Explikation der Imperativischen Syntax zu leisten.

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