Die Syntax der Negation im Französischen: Eine lexikalisch-funktionale Analyse [Reprint 2011 ed.] 9783110927030, 9783484304352

In the framework of Lexical-Functional Grammar (LFG) the study examines the distribution of so-called negation carriers

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German Pages 182 [184] Year 2001

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Table of contents :
0. Einleitung
0.1. Gegenstand und Ziel der Arbeit
0.2. Vorgehen
0.3. Theoretischer Rahmen
1. Die Partikel ne
1.1. Wortartzugehörigkeit
1.2. ne in Verbindung mit einem Negationsträger
1.3. ne als „autonome“ Negation
1.4. Expletives ne
1.5. Zusammenfassung der Ergebnisse
2. Die Partikel de
2.1. Die Syntax von de
2.2. Wortart von de
2.3. Funktion von de
2.4. Lexikalisch-funktionale Repräsentation von de
2.5. Zusammenfassung der Ergebnisse
3. Negative Pronomina und Determinanten
3.1. Problematik des Pronomenbegriffs
3.2. Bereichsbegrenzungen
3.3. Positive Verwendung
3.4. Lexikalisch-funktionale Repräsentation der negativen Pronomina und Determinanten
3.5. Die Pronomina und Determinanten im einzelnen
3.6. Zusammenfassung der Ergebnisse
4. Negative Adverbien
4.1. Klassifizierungsproblematik
4.2. Modifizierung von Schlyters (1977) Distributionsschema
4.3. Distributionsschema
4.4. Auswertung des Distributionsschemas
4.5. Lexikalisch-funktionale Repräsentation der negativen Adverbien
5. Die Partikel ni
5.1. Wortart von ni
5.2. Das Äquivalenzkriterium
5.3. Negativität von ni
5.4. Funktion von ni
5.5. Lexikalisch-funktionale Repräsentation von ni
5.6. Zusammenfassung der Ergebnisse
6. Skopus der Negation
6.1. Was ist „Skopus“?
6.2. Syntax und Skopus der Negation
6.3. Kompatibilität der Negationsträger
Schlußbemerkungen: Die Negation als syntaktisches System
Literatur
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Die Syntax der Negation im Französischen: Eine lexikalisch-funktionale Analyse [Reprint 2011 ed.]
 9783110927030, 9783484304352

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Linguistische Arbeiten

435

Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Hans Jürgen Heringer, Ingo Plag, Heinz Vater und Richard Wiese

Veronika Knüppel

Die Syntax der Negation im Französischen Eine lexikalisch-funktionale Analyse

Max Niemeyer Verlag Tübingen 2001

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsauthahme Knüppel, Veronika: Die Syntax der Negation im Französischen : eine lexikalisch-funktionale Analyse / Veronika Knüppel. -Tübingen : Niemeyer, 2001 (Linguistische Arbeiten ; 435) Zugl.: Konstanz, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-484-30435-9

ISSN 0344-6727

© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2001 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Industriebuchbinderei Nadele, Nehren

Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung 0.1. Gegenstand und Ziel der Arbeit 0.2. Vorgehen 0.3. Theoretischer Rahmen

l l 3 4

1. Die Partikel ne 1.1. Wortartzugehörigkeit 1.1.1. Lexikalisch-funktionale Repräsentation der Klitika l .2. ne in Verbindung mit einem Negationsträger 1.2.1. Distribution und lexikalisch-funktionale Repräsentation von ne 1.2.1.1. stritt mit finitem Verb auf 1.2.1.2. Betritt mit infmitivem Verb auf 1.2.2. Funktion von we 1.2.3. Gesprochene Sprache 1.3. ne als „autonome" Negation 1.4. Expletives ne 1.4.1. Distribution von ne 1.4.2. Funktion vonne 1.4.3. Lexikalisch-funktionale Repräsentation von ne 1.5. Zusammenfassung der Ergebnisse

11 11 14 17 17 24 25 29 31 32 33 33 35 37 39

2. Die Partikel de 2.1. Die Syntax von de 2.1.1. Für das Auftreten von de relevante Faktoren 2.1.2. Distribution von de 2.2. Wortart von de 2.2. l. Forschungspositionen 2.2.2. de - Präposition oder Determinant? 2.2.2.1. Argumente pro Präposition 2.2.2.2. Argumente pro Determinant 2.2.2.3. Konklusion 2.3. Funktion von de 2.4. Lexikalisch-funktionale Repräsentation von de 2.5. Zusammenfassung der Ergebnisse

41 41 41 43 44 45 46 46 48 50 52 54 57

3. Negative Pronomina und Determinanten 3.1. Problematik des Pronomenbegriffs 3.2. Bereichsbegrenzungen 3.2.1. Adjektivische Expansionen der indefiniten Pronomina 3.2.2. Nominale Expansionen der indefiniten Pronomina 3.3. Positive Verwendung

58 58 59 59 61 61

VI

3.4. Lexikalisch-funktionale Repräsentation der negativen Pronomina und Determinanten 3.4.1. Behandlung adjektivischer Expansionen der Pronomina 3.4.2. Behandlung nominaler Expansionen der indefiniten Pronomina 3.5. Die Pronomina und Determinanten im einzelnen 3.5.1. personne 3.5.2. rien 3.5.3. aucun 3.5.4. pas un 3.5.5. nul 3.6. Zusammenfassung der Ergebnisse 4. Negative Adverbien 4.1. Klassifizierungsproblematik 4.2. Modifizierung von Schlyters (1977) Distributionsschema 4.3. Distributionsschema 4.4. Auswertung des Distributionsschemas 4.4.1. Subkategorien der negativen Adverbien 4.4.1.\.pas, guere, nullement, aucunement

4 A .\2.jamais\ma plus 4.4.1.3. nulle part 4.4.2. Übereinstimmungen Negationsträger - Schlyters Adverbkategorien 4.4.2.1. pas, guere, nullement, aucunement - Gradadverbien 4.4.2.2. jamais und plus- Rahmenadverbien 4.4.2.3. Das Lokaladverb nulle part 4.4.3. Positive Verwendung der negativen Adverbien 4.4.4. Zusammenfassung der Ergebnisse 4.5. Lexikalisch-funktionale Repräsentation der negativen Adverbien 4.5. l. Lexikoneinträge und k-Regeln der Negations- und negativen Temporaladverbien 4.5.1.1. Lexikoneinträge der Negationsadverbien 4.5.1.2. Lexikoneinträge der negativen Temporaladverbien 4.5.1.3. k-Regeln 4.5.2. Lexikoneintrag und k-Regeln des negativen Lokaladverbs 4.5.2.1. Lexikoneintrag 4.5.2.2. k-Regeln 4.5.3. Zusammenfassung der Ergebnisse 5. Die Partikel ni 5.1. Wortart von m 5.2. Das Äquivalenzkriterium 5.3. Negativität von ni 5.4. Funktion von«/ 5.5. Lexikalisch-funktionale Repräsentation von ni 5.5. l. Konstituentenstruktur koordinierter Konstruktionen

62 65 67 68 68 69 71 73 75 76 78 78 80 85 85 86 86

87 87 87 87 91 96 98 99 99 100 102 104 104 109 109 111 113 114 114 115 118 121 126 126

VII

5.5.2. Kopf koordinierter Phrasen 5.5.3. Die koordinierten Elemente 5.5.4. Lexikoneinträge und k-Regeln 5.5.5. Kongruenz und Annotationen 5.5.6. Resultierende f-Strukturen 5.6. Zusammenfassung der Ergebnisse

128 132 137 142 145 148

6. Skopus der Negation 6.1. Was ist „Skopus"? 6.2. Syntax und Skopus der Negation 6.2.1. Die Partikel we 6.2.2. Die Partikel de 6.2.3. Negative Indefmita und Determinanten 6.2.4. Negative Adverbien 6.2.5. Die Partikel ni 6.2.6. Zusammenfassung der Ergebnisse 6.3. Kompatibilität der Negationsträger

150 150 152 152 153 154 156 157 160 163

Schlußbemerkungen: Die Negation als syntaktisches System

168

Literatur..........

171

0. Einleitung

0.1. Gegenstand und Ziel der Arbeit Die Negation ist ein in der Linguistik seit langem intensiv untersuchtes sprachliches Phänomen. Eine große Gruppe von Arbeiten beschäftigt sich mit logisch-semantischen bzw. pragmatischen Aspekten der Negation.1 Grundlegende Fragestellung dieser Untersuchungen ist, ob die Negation semantisch ambig ist (interne vs. externe Negation), oder ob ihr eine einheitliche Bedeutung zukommt. Im letzteren Fall wird angenommen, daß verschiedene Lesarten negativer Äußerungen entweder logisch (konträres vs. kontradiktorisches Verhältnis der Negation zur entsprechenden Assertion) oder pragmatisch (polemische/metalinguistische vs. deskriptive Negation2) zu begründen sind. Daneben sind Untersuchungen der Negation unter diversen Gesichtspunkten zu nennen, beispielsweise psycholinguistische Arbeiten, die menschliche Erwerbs-, Kodifizierungsund Verarbeitungsprozesse von negativen Äußerungen untersuchen3, typologische Analysen4, die negative Strukturen unter diachronen und sprach(typ)vergleichenden Gesichtspunkten betrachten, und Untersuchungen zum Skopus der Negation.5 Abgesehen von der Skopusthematik beschäftigt sich die vorliegende Arbeit nicht mit Fragen aus den genannten Bereichen. Ihr Gegenstand ist die Syntax der Negation im Französischen. Die Syntax ist neben den erwähnten logisch-semantischen und pragmatischen Analysen der zweite Schwerpunkt in der linguistischen Forschung zur Negation. Neuere Untersuchungen zur Syntax der Negation stammen in erster Linie aus dem Bereich der generativen Syntax. Hier seien exemplarisch die Arbeiten von Haegeman (1995) und, speziell zum Französischen, die von Rowlett (1996) genannt. Beide sind im Prinzipienund-Parameter-Rahmen (Chomsky/Lasnik 1993) der generativen Syntax angesiedelt. Sie erklären die Syntax der Negation zusätzlich zu der bereits auf Klima (1964) zurückgehenden Annahme eines logischen Negationsoperators, der sprachlich realisiert oder nicht realisiert sein kann, durch spezifische syntaktische Prinzipien wie das des „Neg Criterion" (Haegeman/Zanuttini 1991) und des „Dynamic Agreement" (Rizzi 1995), die für bestimmte Veränderungen im Satz - d.h. die „Bewegung" von Konstituenten - verantwortlich sind. Haegeman (1995) zielt darauf ab, die universelle Gültigkeit dieser Prinzipien durch eine entsprechende Untersuchung unterschiedlicher Sprachen zu belegen. Rowlett (1996) unterzieht dagegen die Satznegation des Französischen einer Analyse auf der erläuterten Grundlage. Außerhalb der generativen Syntax gibt es m. W. bisher keinen Versuch, die Negation als Grammatikphänomen einer einheitlichen systematischen Untersuchung zu unterziehen. Eine solche Untersuchung hat meine Arbeit zum Ziel, und zwar im Rahmen der Lexikalisch1 2 3 4 5

S. z.B. Forest (1992), Moeschler (1982; 1992), Muller (1992) und N01ke (1990; 1992). S. hierzu Ducrot( 1984). S. z.B. Boysson-Bardies (1976). S. z.B. Jespersen (1917), Harris (1978) und Bernini/Ramat (1996). S. z.B. Jackendoff(1969) und Jacobs (1982).

Funktionalen Grammatik (LFG).^ Sie knüpft nicht an die Analysen der generativen Syntax an, da sich die beiden Grammatiktheorien in wesentlichen Punkten unterscheiden.7 Die LFG ist ein oberflächenorientiertes Modell, in dem deshalb weder sprachlich nicht realisierte Konstituenten und deren Spuren, noch Bewegungen von Konstituenten angenommen werden. Zudem wird dem Lexikon in der LFG eine weitaus größere Bedeutung beigemessen als in der generativen Syntax. Dadurch sind nicht nur verschiedene Beschreibungsmodelle, sondern auch unterschiedliche Sichtweisen grammatischer Phänomene bedingt. Meine Arbeit behandelt französische Sätze, die ein Wort bzw. Wörter mit negativer Bedeutung enthalten. Diese Definition ist allerdings noch zu unpräzise, denn es gibt im Französischen verschiedenartige sprachliche Elemente, die negative Bedeutung besitzen. Sie können differenziert werden in: 1.

Lexeme wie refuser, deren lexikalische Bedeutung eine Negation impliziert: refuser = nepas accepter (lexikalische Negation), 2. gebundene Morpheme mit negativer Bedeutung wie in- in inutile (morphologische Negation), und 3. freie Morpheme mit negativer Bedeutung wie pas in je ne dors pas (syntaktische Negation). Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind Sätze, in denen syntaktische Negationsträger auftreten. Das Inventar der syntaktischen Negation bilden pas, guere, nullement, aucunement, jamais, plus, nulle part, personne, rien, aucun, pas un, nul und ni sowie die Partikeln ne und de.% Grundlage meiner Analyse bilden deskriptive Darstellungen der Syntax der Negation im Französischen. Hier sind in erster Linie die Monographie von Gaatone (1971) und die Grammatik von Grevisse (1993) zu nennen. Ziel meiner Arbeit war es zunächst, eine durch die vorgefundenen sprachlichen Daten wohlmotivierte und „funktionierende", d.h. durch Implementierung der Analyse überprüfbar korrekte Behandlung der Syntax der Negation im Formalismus der LFG zu entwickeln. Eine formalisierende Darstellung der Syntax der Negation im Französischen muß die Distribution und Funktion der Negationsträger im Satz und die Spezifika im Aufbau negativer Sätze erfassen. Negative Sätze unterscheiden sich im Französischen charakteristisch von nicht negativen; vgl.: An entsprechenden Vorarbeiten innerhalb der LFG ist lediglich die Arbeit von Berman/Frank (1996) zu nennen, in der die Negation allerdings nur am Rande thematisiert wird, da sie einen Gesamtüberblick über die Behandlung syntaktischer Phänomene des Französischen im LFGFormalismus bietet. Eine Ausnahme hiervon bildet Kapitel l, das eine Analyse zeigt, die durch die Erklärung bestimmter sprachlicher Daten mit dem Neg Criterion motiviert ist. Ich zähle sans und (ne...)que nicht zu den syntaktischen Negationsträgern, wie dies in der entsprechenden Literatur für (ne...)que häufig (s. Grammaire Larousse 1964, Gaatone 1971, Grevisse 1993, Muller 1991), für sans jedoch nur von Gaatone (1971: 183) postuliert ist. Denn beide erfüllen jeweils einige, aber nicht alle Kriterien, die deskriptiv zur Bestimmung syntaktischer Negationsträger zur Verfugung stehen. Auch non wird in der vorliegenden Arbeit nicht thematisiert, da es im heutigen Französisch auf den Gebrauch als Satzwort (Gaatone 1971) oder auch „Prosatz" (Wunderli 1975) sowie auf den als präfixartiges Element beschränkt ist. Sein Auftreten ist daher spezifischen Bedingungen unterworfen, die keine einheitliche Analyse von non und den genannten Negationsträgern erlauben.

• •

Marie lit un livre. Marie ne lit pas de livre.

Bezüglich der Distribution und Funktion der Negationsträger ergab sich für die Formalisierung die Frage, ob sie einer lexikalischen Kategorie zuzuordnen sind und, wenn ja, welcher. Die Negationsträger zeigen häufig ein von typischen Vertretern bestimmter lexikalischer Kategorien abweichendes syntaktisches Verhalten, das eine solche Zuordnung erschwert. Sind für bestimmte Negationsträger aufgrund dieser „Merkwürdigkeiten" spezifische lexikalische Kategorien zu postulieren, oder kann ihre Zuordnung zu bestehenden Kategorien dennoch gerechtfertigt werden, und, wenn ja, wodurch? Bei der Darstellung des Aufbaus negativer Sätze in LFG war zu klären, ob ihre Spezifika allein durch regelhafte Beschreibung der Konstituenz behandelt werden sollen. Diese beiden Fragen implizierten eine weitere, und zwar die nach dem Zusammenhang der Eigenschaften der Negationsträger und der syntaktischen Spezifika negativer Sätze. Das Beantworten dieser Fragen, die das Darstellen der Syntax der Negation im Französischen im Formalismus der LFG aufwirft, erfordert eine entsprechende Motivierung durch die sprachlichen Daten. Formalisierungsfragen wurden so zu inhaltlichen Fragen, auf die die vorliegende Arbeit Antwort geben möchte. Ihr Ziel besteht folglich nicht nur darin, bekannte Daten in einem einheitlichen expliziten Formalismus zu repäsentieren, sondern durch das Nutzen der LFG als heuristisches Instrument neue Erkenntnisse in bezug auf die Syntax der Negation im Französischen zu gewinnen. Die vorliegende Arbeit bietet ein kohärentes Gesamtbild dieses Grammatikphänomens. Darüber hinaus stellt sie auch zu anderen Gebieten, etwa der Syntax der Klitika, der Adverbien und der Koordination, Beziehungen her, die als solche bisher nicht explizit thematisiert wurden. Gleichzeitig ist diese Untersuchung jedoch nicht exhaustiv und kann es aufgrund der Breite der behandelten Phänomene auch nicht sein. In Abwägung der Relevanz der einzelnen grammatischen Aspekte der Negation für die Gesamtuntersuchung und aus Gründen der Kohärenz sind hier Einschränkungen zu formulieren. So werden außer der Koordination keine komplexen Satzstrukturen behandelt. Da das geschriebene heutige Standardfranzösisch Gegenstand meiner Untersuchung ist, sollen Spezifika der gesprochenen Sprache nur genannt werden, wo dies für die Argumentation von Bedeutung ist. Entsprechendes gilt für diachrone Aspekte. Schließlich können bestimmte Analysen nur angedeutet, aber nicht ausgearbeitet werden, weil sie von der Negation unabhängige komplexe Probleme der Syntax berühren, die im Rahmen meiner Untersuchung nicht zu lösen sind.

0.2. Vorgehen Das unter 1. genannte Inventar der syntaktischen Negation des Französischen wird einer einheitlichen lexikalisch-funktionalen Analyse unterzogen. Es werden dabei zunächst die Partikeln ne und de thematisiert (Kapitel l und 2). Das dritte Kapitel hat die Negationsträger personne, rien, aucun, pas un und nul zum Gegenstand. Es folgen die Untersuchung

von pas, guere, aucunement, nullement, jamais, plus und nulle part (Kapitel 4) und die der Partikel ni (Kapitel 5). Das sechste und letzte Kapitel thematisiert den Skopus der Negation unter syntaktischen Gesichtspunkten. Gleichzeitig greift dieses Kapitel Ergebnisse der vorausgehenden Kapitel wieder auf und bringt sie zur Synthese. Für die Analyse jeweils relevante Aspekte sind die Wortartzugehörigkeit der untersuchten Lexeme, ihre Distribution im einfachen Satz sowie ihre Funktion im System der Sprache und insbesondere als Elemente der syntaktischen Negation. Die Untersuchung geht dabei stets von dem Wissensstand über die einzelnen Wörter aus, den die eingangs genannten deskriptiven Darstellungen der Syntax der Negation im Französischen präsentieren. Der Aufbau der einzelnen Kapitel ist jedoch nicht schematisch, sondern variiert entsprechend der je nach den Spezifika der untersuchten Lexeme zu setzenden Schwerpunkte. Grundlage der Darstellung bildet ein Korpus französischer Sätze. Diese sind nicht in eigener Recherche literarischen oder journalistischen Texten entnommen, sondern stammen aus Grammatiken und linguistischen Arbeiten zur Negation sowie zu den damit in Beziehung stehenden Gebieten der Koordination, der Adverbialsyntax etc. Dieses Vorgehen ist dadurch begründet, daß bereits ausgezeichnete deskriptive Analysen vorliegen, in erster Linie die bereits erwähnte Arbeit von Gaatone (1971). - Daneben werden auch eigene, durch Informanten überprüfte Beispiele zur Verdeutlichung der Argumentation verwendet. Die Ergebnisse der Untersuchung werden im Formalismus der LFG repräsentiert.9 Die Formalisierung hat dabei häufig skizzenhaften Charakter. Er ist dadurch zu begründen, daß die französische Sprache und nicht das Modell der LFG Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist. Das bedingt auch, daß grammatiktheoretische Probleme und Grenzen in der Ausdrucksfähigkeit der LFG zwar angesprochen, aber nicht gelöst werden.

0.3. Theoretischer Rahmen Theoretischer Rahmen meiner Untersuchung ist die Lexikalisch-Funktionale Grammatik (LFG).10 Die LFG ist ein expliziter standardsprachlicher Formalismus. Sie eignet sich deshalb zur computerlinguistischen Anwendung. Diese Eigenschaften bieten der grammatischen Beschreibung ein einheitliches, ausdrucksstarkes Format und gewährleisten ihre Überprüfbarkeit durch die Simulierung der entwickelten Analyse auf dem Computer. Daneben ist der Wert des Arbeitens im Rahmen der LFG jedoch vor allem aus dem Aufbau dieses Grammatikmodells abzuleiten. Der Anspruch der LFG ist es, daß dieser Aufbau der mentalen Repräsentation menschlichen Sprachvermögens entspricht. Er soll im folgenden erläutert werden.

9

10

Die Art der Darstellung ist an die Notation der „Konstanzer LFG-Umgebung" (Mayo 1996; 1997) angelehnt, einem computerlinguistischen Programm zur Implementierung von Sprachbeschreibungen im LFG-Formalismus. Zu Grundlagen und Entwicklung dieses Grammatikmodells s. Bresnan (1982), als einführende Darstellung Rohrer/Schwarze (1988).

In der LFG werden vier Ebenen unterschieden: das Lexikon, die Konstituentenstruktur, die funktionale Struktur und die semantische Struktur eines Satzes.11 Diese Ebenen bauen aufeinander auf. Die Vorstellung ist dabei tatsächlich eine räumliche, wie auch die Pfeilnotation der LFG verdeutlicht, die ein Hinaufreichen12 bzw. Herabschauen symbolisiert: Lexemspezifische Information wird aus dem Lexikon in die Konstituentenstruktur (kStruktur) eines Satzes hinaufgereicht und dort mit konstruktionsspezifischer Information angereichert bzw. etikettiert. Die möglichen Konstituentenstrukturen einer Sprache definieren entsprechende Regeln (k-Regeln). Die so aufbereitete funktionale Information wird durch eine Art „Filter" geschickt, der die funktionale Wohlgeformtheit der Struktur überprüft. Sind die Filterkriterien der Vollständigkeit und der Kohärenz erfüllt, so wird die funktionale Struktur (f-Struktur) des Satzes aus der entsprechenden lexem- und konstruktionsspezifischen Information aufgebaut. Aus der f-Struktur leitet sich die semantische Struktur (s-Struktur) des Satzes ab, die Informationen enthält, die für die semantische Interpretation des Satzes relevant sind. Konstituierendes Prinzip all dieser Vorgänge ist die Unifikation von Merkmalen, Attribut-Wert-Paaren, in Form derer die Information repräsentiert ist. Den beschriebenen Aufbau und Funktionsmechanismus der LFG möchte ich durch die Analyse des Satzes lafee chante veranschaulichen. Die Analyse hat das Lexikon zum Ausgangspunkt, in dem die spezifische Information über die einzelnen Wörter einer Sprache gespeichert ist. Das Lexikon der LFG ähnelt damit normalen Gebrauchswörterbüchern. Im Unterschied zu diesen werden die Informationen in der LFG als Merkmale in Form von Attribut-Wert-Paaren angegeben. Die LFG kodiert darüber hinaus im Lexikon auch den Valenzrahmen rektionsfähiger Wörter in der sog. „lexikalischen Form", und zwar in Kategorien grammatischer Funktionen. - Daß das Lexikon den Ausgangspunkt der syntaktischen Analyse bildet, ist durch das Postulat der LFG begründet, daß ein großer Teil grammatischer Information lexikalisch kodiert ist. Zu den einzelnen Lexemen des Satzes lafee chante findet man im Lexikon folgende Informationen: (1)

/la/Det,

(tSPEC) = DEF (IGEN) = FEM (tNUM) = SG.

Der Lexikoneintrag ist zu lesen als Ja ist ein Determinant mit definiter Spezifikation, femininem Genus und singularischem Numerus".

1

' Das Modell ist während der letzten Jahre (Bresnan/Kanerva 1989) um eine fünfte Ebene erweitert worden: die der Argumentstruktur. Darin sind Prädikat-Argument-Strukturen kodiert, aus denen die grammatischen Funktionen nach bestimmten Prinzipien abgeleitet werden. - Für meine Untersuchung ist diese Ebene nicht relevant. 12 Die Redeweise vom Hinaufreichen und Herabschauen ist bildhaft zu verstehen, und nicht etwa als eine tatsächliche „Bewegung" im Sinne der generativen Grammatiktheorie.

(2)

/föe/N,

(tPRED) = ' 1 (TGEN) = FEM (tNUM) = SG (tPERS) = 3.

Die Information, die im Lexikon über fee gegeben wird, besagt ,fee ist ein Nomen mit der lexikalischen Bedeutung 'Foe'. Es hat ein feminines Genus, einen singularischen Numerus und ist dritte Person". (3)

/chante/ V, (tPRED) = 'Chanter' (tSUBJ NUM) = SG (tSUBJPERS) = 3.

Zu chante steht im Lexikon: „chante ist ein Verb mit der lexikalischen Bedeutung 'Chanter'. Es verlangt (regiert) ein Argument, das die grammatische Funktion eines Subjekts realisiert. Dieses Subjekt muß dritte Person Singular sein." Die erste Forderung erfaßt also die Valenz des Verbs, die zweite die Kongruenz von Subjekt und Verb. Diese Lexikon-Information wird in die k-Struktur des Satzes „hochgereicht". Für das Hochreichen sorgen die aufwärtsgerichteten Pfeile im Lexikon. Die Konstituentenstruktur der LFG entspricht den Baumgraphen einer Phrasenstrukturgrammatik. Sie unterscheidet sich von diesen dadurch, daß sie zusätzlich funktionale Information enthält. Die möglichen Konstituentenstrukturen einer Sprache werden in der LFG durch entsprechende Regeln, die k-Regeln, beschrieben. Die k-Regeln sind kontextfreie Phrasenstrukturregeln, wiederum angereichert mit funktionalen Annotationen. Die k-Regeln, die die Struktur von lafee chante beschreiben, sind die folgenden: Rl

S

->

NP

(tsuBJ)=4

VP

T=4

Diese Regel besagt, daß eine Nominalphrase und eine Verbalphrase einen Satz bilden und die Nominalphrase dabei Subjektfunktion realisiert. Die auf- und abwärtsgerichteten Pfeile drücken aus, daß die Information von „unten", d.h. von dem oder den Tochterknoten, nach oben, d.h. zum Satzknoten bzw. zum Aufbau der f-Struktur (s.u.), weitergereicht werden soll. „Weiterreichen" meint also eigentlich ein Gleichsetzen der funktionalen Beschreibung von „unten" mit der von „oben". R2

NP



Det

N

t=4

t=4

Regel 2 beschreibt, daß eine Nominalphrase aus einem Determinanten und einem Nomen gebildet ist. Die Pfeile bedeuten wiederum ein Heraufreichen der Information von unten, hier also dem Lexikon, nach oben zum NP-Knoten.

R3

VP

V

t=4 Regel 3 leitet ein Verb als Expansion der syntaktischen Kategorie VP ab. Die Funktion der Pfeile entspricht der obenbeschriebenen. Die k-Struktur,13 die diese Regeln für lafee chante erzeugen, sieht damit folgendermaßen aus:

Fig. l

NP (tSUBJ)=!

VP

Det N

V

la foe chante

Die Information aus dem Lexikon, die in den k-Regeln zusätzlich mit einer Subjektfunktion „etikettiert" wurde, geht nun entsprechend der Pfeile weiter „nach oben", d.h. durch den angesprochenen Filter des Unifikationsalgorithmus. Hier wird überprüft, ob die lexikalische Form des Verbs erfüllt ist, und zwar in bezug auf Vollständigkeit, d.h ob das Subjekt vorhanden ist, das das Verb chante fordert, und Kohärenz, d.h. ob nur diese von chante geforderte Funktion vorhanden ist, und nicht etwa noch eine zusätzliche Funktion. Des weiteren wird überprüft, ob der Determinant mit dem Nomen hinsichtlich Genus und Numerus und das Verb mit seinem Subjekt in bezug auf Numerus und Person kongruiert. Da unser Beispielsatz alle diese Bedingungen erfüllt, die entsprechenden Merkmale also unifizieren, wird er als wohlgeformt erkannt und seine f-Struktur aufgebaut. Die Informationen zur Konstituenz, also die Angabe der lexikalischen und syntaktischen Kategorien sowie die zu Präzedenz und Dominanz der Konstituenten, und zur Kongruenz sind auf dieser Ebene nicht mehr relevant. Die Kongruenz wurde bereits überprüft. Die f-Struktur von la fee chante enthält daher nur die Information aus dem Lexikon, die durch die k-Struktur zu ihr „hochgereicht" wurde, und die grammatische Funktion, mit der die k-Regel annotiert war:

In meiner Arbeit verzichte ich im folgenden aus Gründen der Vereinfachung auf ein Annotieren der k-Struktur.

Fig. 2 SUBJ I P R E D Tee1 SPEC DEF NUM SG GEN FEM

PRED 'Chanter (SUBJ)1 Sie ist zu lesen als „Die funktionale Struktur des Satzes lafee chante ist, daß es ein Satzprädikat 'Chanter' gibt, dessen Subjekt die lexikalische Bedeutung 'FeV hat und definit, singularisch und feminin ist." Diese Informationen bilden die Eingabe an die semantische Interpretation, d.h. aus ihnen wird die s-Struktur aufgebaut. Eine schematische Repräsentation soll den beschriebenen Aufbau der LFG illustrieren:

Fig. 3

s - Struktur

f - Struktur

t k- Struktur

k - Regeln

t Lexikon

Das Grammatikmodell der LFG bietet somit durch seinen Aufbau die Möglichkeit, Information entweder im Lexikon oder in den k-Regeln zu kodieren. Gleichzeitig erfordert dieser Aufbau ein Differenzieren der sprachlichen Daten entsprechend dieser Grammatikkomponenten, und diese Zuordnung muß durch die sprachlichen Fakten begründet sein. Die Frage ist dabei jeweils, ob eine Eigenschaft die eines bestimmten Wortes ist oder ob man sie einer lexikalischen Kategorie als Ganzes bzw. einer größeren Gruppe von Wörtern innerhalb einer lexikalischen Kategorie zusprechen kann. Im ersten Fall stellt man die Information adäquat im Lexikoneintrag des entsprechenden Wortes dar, im zweiten definiert man sie als Eigenschaft von Konstituenten in den k-Regeln. - Ein Beispiel: Das

Nomen/ee ist dritte Person. Es ist aber so, daß alle Nomina im Französischen dritte Person sind. Wenn man diese Regelmäßigkeit in der grammatischen Beschreibung zum Ausdruck bringen will, sind die k-Regeln der geeignete Ort dafür (und nicht der Lexikoneintrag von fee, wie oben aus Gründen der Anschaulichkeit dargestellt):

R4

NP

Det

N

T=4 (tPERS) = 3 Ein weiterer Vorteil der LFG ist die erläuterte Unterscheidung zwischen Konstituenz und Funktion, repräsentiert in k- und f-Struktur. Dieser Vorteil wird wiederum an einem Beispiel deutlich: Die Sätze lafee chante \mdje chante unterscheiden sich signifikant auf der Ebene der k-Struktur, denn der erste ist aus einer Nominal- und einer Verbalphrase gebildet, der zweite dagegen aus einer bloßen Verbalphrase:14

Fig. 4

Fig. l

NP

VP

Det N

V

(TsuBJ)=4

t=!

t=it=i t=; je chante

la foe chante

Die f-Strukturen der Sätze zeigen jedoch wesentliche Übereinstimmungen, denn beide enthalten ein Satzprädikat und sein Subjekt:

Fig. 2

Fig. 5 SUBJ ~PRED SPEC NUM GEN PRED

'Fee' DEF SO FEM

'Chanter (SUBJ)1

SUBJ ~PRED PERS NUM

PRED

'Pro'"]

1 SG J

'Chanter (SUBJ)'

Die zweifache Repräsentation syntaktischer Strukturen und das dadurch geforderte und ermöglichte Differenzieren syntaktischer Information filhrt so zu größerer Klarheit bei der Analyse und dem Verständnis von Grammatikphänomenen. Auf eine Erläuterung der entsprechenden grammatischen Analyse soll an dieser Stelle verzichtet werden; s. dazu Kapitel l.

10

Die Vorteile des Arbeitens im Rahmen der LFG lassen sich wie folgt zusammenfassen: Ihr expliziter standardsprachlicher Formalismus gewährleistet Aussagekraft, Kohärenz und computerlinguistische Überprüfbarkeit der Analyse. Der Aufbau der LFG aus einerseits unabhängigen, andererseits interagierenden Komponenten zwingt zu einer präzisen Analyse der Daten, führt zu größerer Transparenz sprachlicher Phänomene und vereinfacht dadurch nicht zuletzt die grammatische Beschreibung.

l. Die Partikel ne

Dieses Kapitel thematisiert die Partikel ne, deren Auftreten wesentliches Charakteristikum der Syntax der Negation im Französischen ist. Es stellt ihre spezifische Distribution dar und begründet ihre Zugehörigkeit zur Wortart der Klitika, für die eine mögliche Behandlung vorgeschlagen wird. Das Auftreten von ne in negativen Sätzen wird untersucht und sein Status und seine Funktion innerhalb der syntaktischen Negation diskutiert. Zur Sprache kommen dabei auch die Verhältnisse im gesprochenen Französisch und dem gehobenen Register. Neben dem Gebrauch von ne im Zusammenhang mit der Negation soll auch seine Verwendung als sog. „expletives" ne thematisiert werden.

1.1. Wortartzugehörigkeit

Die Partikel ne ist kategorial eine klitische Form. Sie tritt in ftir diese Wortart typischer Weise nur in Zusammenhang mit einem Verb auf (s. (l)-(3)), während sich in verblosen Konstruktionen (4) kein ne findet; vgl.: 1l) (2) (3) (4)

Pierre n' est pas venu. Pierre veut ne pas sortir. Pierre craint que Marie ne vienne. *Ne pas de betises!

Die Position der Klitika ist eine präverbale. Tritt mehr als eine klitische Form auf, so ist ihre Reihenfolge festgelegt. Die Stellung von ne ist darin fixiert auf die zwischen den klitischen Subjekt- und den übrigen (Objekt-)Klitika. Die klitischen Elemente weisen weitere phonetische und syntaktische Charakteristika auf. Die betreffenden sprachlichen Formen sind phonetisch stark reduziert. So bestehen viele von ihnen wie ne aus nur einem Konsonanten plus „e muet", welches wie jedes finale [9] unter bestimmten Bedingungen (s. Grevisse 1993: §29) vor Konsonant verstummt und vor Vokal elidiert wird (Grevisse 1993: §635); vgl.: (5) (6) (7)

II m'a donno un livre. II l'a donne" ä Marie. Pierre n'a pas trouve son ami.

Auch bei anders gebildeten Klitika kann Elision auftreten. So wird das [a] von la vor Vokal ebenfalls getilgt, in der Umgangssprache // häufig nur als [i] gesprochen und vor Vokal das [y] von tu getilgt (Grevisse 1993: §635). Durch diese phonetische Schwäche bedingt können weder ne noch die Klitika betont werden.

12

Die traditionellen Konstituententests zeigen für die thematisierten Wörter ein negatives Ergebnis: Sie können weder pronominalisiert, weggelassen, verschoben, ersetzt oder koordiniert noch erfragt werden; vgl. (8) mit ((9)-(13)), wobei jeweils me und ne den Tests unterzogen werden: (8)

Pierre me donne le livre. — Pierre ne me donne pas le livre.

(9) (10) (11) (12)

(Weglaßprobe:) *Pierre donne le livre.i — *Pierre me donne pas le livre. (Verschiebeprobe:) *Pierre donne me le livre. - * Pierre me donne ne pas le livre. (Ersetzungsprobe:) *Pierre Marie donne le livre. - *Pierre non me donne pas le livre. (Koordinationstest:) *Pierre me et te donne le livre. - *Pierre ne et plus me donne pas le livre. (13) (Fragetest:) A qui Pierre donne-t-il le livre? *A me. - Pierre me donne-t-il le livre? *Ne (pas). Da die Subjekt- und Objektklitika selbst pronominale Formen sind, ist der Pronominalisierungstest auf sie nicht anwendbar. Hinzuzufügen ist, daß die klitischen Formen nicht negiert (14), nicht in einen Spaltsatz gesetzt (15) und nicht von einer Präposition regiert (16) werden können: (14) (15) (16)

*Pierre pas/non me donne le livre. - * Pierre pas/non ne me donne pas le livre. *Cest ä me que Pierre donne le livre. - *Cest ne que Pierre me donne pas le livre. *Pierre donne le livre ä me. - *Pierre me donne pas le livre par ne.

Wie unsinnig manche der angeführten Beispielsätze auch sein mögen - sie belegen, daß die Klitika keine eigenständige Konstituente bilden. Vielmehr sind sie Teil der Konstituente des Verbs, denn auf Klitika und Verb gemeinsam angewendet ergeben einige der genannten Konstituententestsz ein positives Ergebnis; vgl.: (17)

Pierre me donne le livre. - Pierre ne me donne pas le livre.

(18) (19)

(Ersetzungsprobe:) Pierre lit le livre. (Koordinationstest:) Pierre me donne et me prete le livre. - Pierre ne me donne pas, mais me prete le livre.

Dieser Satz ist möglich, wenn der Kontext eindeutig festlegt, wer der Empfänger der durch donner bezeichneten Handlung ist. Der Weglaß- und der Pronominalisierungstest können deswegen kein positives Ergebnis haben, weil der Ausfall des Verbs zwangsläufig zu einer ungrammatischen Konstruktion führen würde und die Pronominalisierung von Verben durch eine Hilfskonstruktion mit faire stets möglich und deswegen wenig aussagekräftig ist; etwa Pierre me donne le livre. - Pierre le fait. Auch das Verschieben der Verbkonstituente ist wegen der weitgehend festen Wortstellung im Französischen nicht möglich. Sie kann nicht erfragt werden, weil die durch die Valenz eines Verbes geforderten grammatischen Funktionen realisiert sein müssen und das Verb daher nicht allein als Antwortsequenz auftreten kann; vgl.: Qu 'est-ce que Pierre fait-il avec le livre? - *Me donne.

13

Beide Tests zeigen zugleich eine Besonderheit des Gebrauchs von ne, die darin liegt, daß nicht nur ne und das Verb, sondern auch pas ersetzt bzw. koordiniert wird. Auf dieses Phänomen soll in der Folge noch ausführlich eingegangen werden (s. l .2.). Das Auftreten der Klitika ist an der Schnittstelle von Morphologie und Syntax angesiedelt. Einerseits ihrer Distribution nach präfixartige sprachliche Formen, erfüllen sie andererseits im Satz grammatische Funktionen als Subjekt (20), direktes Objekt (21), Obliquus (22) und Adjunkt (23): (20) (21) (22) (23)

Je vois Pierre. Pierre le donne ä Marie. Pierre me donne le livre. Pierre y a trouve" un livre.

Auch hier bildet ne eine Ausnahme, weil es keine grammatische Funktion im Satz realisiert. Vergleichbar ist ne in diesem Punkt evtl. mit dem reflexiven Klitikum se, das zwar - anders als ne - lexikalisch vom Verb gefordert ist, aber ebenfalls kein verbales Argument darstellt. Ein weiterer wichtiger Unterschied besteht darin, daß die anderen Klitika als Proformen nominale Formen ersetzen und einen Antezedenten bzw. Referenten im sprachlichen oder situativen Kontext besitzen, während ne keine pronominale Verweisfunktion besitzt; vgl.: (24) (25) (26)

Pierre a donne" un livre ä Marie. Pierre lui a donne" ce livre comme cadeau. {Marie ist Antezedens von lui) Pierre dit: „Je donne ce livre ä Marie." (je referiert auf Pierre) Marie ne sort pas le soir. (kein Antezedens / Referent für ne)

Schließlich ist noch eine Differenz zwischen ne und den anderen Klitika zu nennen, die die Position dieser Morpheme in bezug auf Imperativische Verbformen betrifft, vgl.: (27) (28)

Je voudrais bien acheter ces livres. - Achete-les! Je voudrais bien acheter ces livres. - Ne les achete pas!

Steht das Verb, zu dessen Konstituente die klitischen Formen gehören, im Imperativ, so verändern die Klitika ihre Position von der präverbalen in eine postverbale. Dies geschieht sicherlich zugunsten einer leichteren Wahrnehmung und Identifizierung des Imperativs, der ja entscheidend durch die Initialstellung des Verbs im Satz gekennzeichnet ist. ne blockiert jedoch diesen Stellungswechsel der Klitika und bewirkt das Beibehalten der Position links vom Verb.3 Trotz der genannten Einschränkungen soll ne wegen seiner spezifischen Distribution festgelegte Position relativ zu den anderen Klitika und Auftreten als Teil der Konstituente des Verbs - als klitische Form behandelt werden. Dies ist durchaus nicht die Standardanalyse von ne. So bezeichnen Gaatone (1971: 67) und Grevisse (1993: §973) ne als Adverb,

3

Rowlett (1996: 66) erklärt dadurch auch die Tatsache, daß der Ausruf T'inquiete! als negative Äußerung verstanden wird, obwohl er keinen Negationsträger enthält: le tritt darin präverbal auf, was den Klitika nur in Verbindung mit ne und folglich mit einer Negation möglich ist.

14

Muller (1991) spricht stets einfach von einer „Partikel" und Berman/Frank (1996: 106) führen eine Kategorie „NEGAT" ein, deren einziges Element ne ist.

1.1.1. Lexikalisch-funktionale Repräsentation der Klitika In den k-Regeln werden die klitischen Formen als optionale Konstituenten in der Expansion von V erzeugt.« Da in jeder Verbkonstituente theoretisch Klitika auftreten können,s werden Verbkonstituenten in den k-Regeln stets als V notiert. - Eine Behandlung der Klitika im LFG-Formalismus kann an dieser Stelle nur skizziert werden. Eine adäquate Behandlung der Klitika erfaßt in korrekter Weise ihre spezifischen Eigenschaften sowie Reihenfolge und mögliche Kombinationen ihres Auftretens innerhalb der Konstituente V. Ein Charakteristikum der Klitika ist es, daß sie bereits lexikalisch auf bestimmte grammatische Funktionen festgelegt sind. So treten die klitischen Formende, tu, U etc. ausschließlich in Subjektfunktion auf, (29) (30) (31)

Je mange souvent des pommes. 11 est sorti hier soir. *Marie parle avec il.

le, la, les sind auf die Funktion des direkten Objektes beschränkt, (32) (33)

Voilä un livre. Marie le donne ä Pierre. Voilä des livres. Marie les donne ä Pierre.

und Formen wie me, te, nous etc. können entweder direktes Objekt (34) oder Obliquus (35) sein: (34) (35)

Marie m'a present^ aux Leroc. Marie m'a donne" ce livre.

Um adäquat darzustellen, daß den Klitika bestimmte grammatische Funktionen lexikalisch inhärieren, soll dies als entsprechende Information in ihrem Lexikoneintrag kodiert werden: (36)

/je/CL,

(TSUBJ PRED) ='Pro' (TSUBJ PERS) = l (tSUBJ NUM) = SG.

Die Klitika können so lexikalisch auf das Realisieren einer bestimmten grammatischen Funktion festgelegt werden. In Arbeiten über Klitika innerhalb der LFG wird ihnen stattdessen jeweils ein bestimmter Kasus zugesprochen. In den k-Regeln werden diese Kasuswerte dann grammatischen Funktionen zugewiesen (s. dazu Berman/Frank 1996: 135ff, 4

Die "Strich-Schreibweise" entstammt der X-bar-Theorie und bezeichnet die nächsthöhere Projektionsebene einer lexikalischen Kategorie, hier also das um klitische Formen erweiterte Verb. 5 Eine Ausnahme hiervon bilden Verben im Partizip II.

15 Grimshaw 1982: 88ff.). Gegen diese Analyse spricht, daß das Französische keine Kasussprache ist, was eine solche Behandlung der Klitika aber suggeriert. Französische Nomina haben keine Kasusmarkierung (mehr), und entsprechend legen französische Verben auch nicht den Kasus, sondern die grammatische Funktion ihrer Argumente fest. Deswegen sollten auch die Klitika gemäß ihrer Funktion behandelt werden. (37)

/le/ CL,

(tOBJ PRED) = ' Pro' (TOBJ PERS) = 3 (TOBJ NUM) = SG (TPBJ GEN) = MAS.

Das Klitikum ne realisiert keine grammatische Funktion, und es ist ihm auch kein Prädikat zuzusprechen, weil ne keine eigenständige Bedeutung hat (s. 1.2.2.) und zudem, wie oben erläutert, auch keine Proform ist. Sein Eintrag enthält so lediglich das Merkmal NE = +, das es zum einen erlaubt, ne in den k-Regeln zu erzeugen, und es zum anderen in der f-Struktur repräsentiert:

(38)

ne, CL (tNE) = +.

Präverbale Position und interne Reihenfolge der Klitika werden in der Syntax durch eine entsprechende k-Regel abgeleitet bzw. erzeugt. Die funktionale Information in Form von Annotationen spezifiziert, welche Klitika in einer bestimmten Position auftreten. - Die folgende Regel stellt eine Erweiterung des entsprechenden Vorschlags von Grimshaw (l982: 90) dar:

Rl

(CL) (tSUBJ)=4

(CL) t=4 (INE) = +

(CL) (CL) (tOBL)=l { (tOBL)=l (iPERS)=3 | (tADJ) =i } (|PCASE)=DAT (IPCASE)=A

(CL) (CL) { (tOBJ)=l (tOBJ)=l | (tOBL)=4- }* (iPERS)= 3 (4PERS)= 1,2 (J.PCASE)=DATv

(CL) (tOBL )=l (|PCASE)=DE

V t=l

Die geschweiften Klammern bezeichnen eine Disjunktion, d.h. das Klitikum, das an dieser Stelle erzeugt wird, realisiert entweder die eine oder die andere grammatische Funktion. Es gibt gute Gründe dafür, im Französischen zwischen verschiedenen mit ä gebildeten Präpositionalphrasen funktional zu differenzieren (s. dazu Seelbach 1986, zur Behandlung in LFG s. Schwarze 1996), woraus die Annahme unterschiedlicher PCASE-Werte für die Präposition a resultiert (zu „PCASE" s. Bresnan 1982: 196ff.). Für meine Untersuchung ist diese Unterscheidung nicht relevant.

16

N.B. Berman/Frank (1996: 136) behandeln die Subjektpersonalpronomina nicht als klitische Formen, sondern als Pronomina, die als Nominalphrase abgeleitet werden. Diese Analyse ist abzulehnen, weil diese Wörter ausschließlich mit Subjektfunktion und, abgesehen von Inversionsstrukturen, in Erststellung im Satz auftreten und somit keineswegs alle Positionen und Funktionen einer Nominalphrase realisieren können. Die Klammern um CL bedeuteten, daß die Konstituenten jeweils fakultativ in ihrem Auftreten sind. Die Konstituente V kann also auch aus einem bloßen Verb ohne Klitika gebildet sein. Da die Reihenfolge, in der die Klitika relativ zueinander auftreten, vollständig festgelegt ist, könnte man annehmen, daß auch diese Information bereits im Lexikon enthalten ist. Eine simple Repräsentation dieser Annahme wäre es, die Klitika(positionen) durch Ziffern zu differenzieren; vgl.: (39)

/je/ CL_1 , (tSUBJ PRED) = 'Pro' (tSUBJ PERS) = l (tSUBJ NUM) = SG.

(40)

/le/ CL_4, (tOBJ PRED) = 'Pro' (tOBJ PERS) = 3 (tOBJ NUM) = SG (tOBJ GEN) = MAS.

In den k-Regeln könnte entsprechend auf funktionale Annotationen verzichtet und die Abfolge der Klitika allein über die Indizes erfaßt werden: R2

V

->

(CL_1)

(CL_2)

(CL_3)

(CL_4)

t=l

t=i

t=4

t=4

(CL_5)

(CL_6)

(CL_7)

V

T=4

T=4

t=l

t=4

Beide Regeln sind jedoch der sprachlichen Wirklichkeit nicht angemessen, weil sie die Klitika in einer idealisierten linearen Ordnung erzeugen. Sie vernachlässigen die Beschränkung der Objektklitika auf maximal zwei innerhalb einer V'-Konstituente sowie in bestimmter Kombinatorik. Eine Lösung, die hier als endgültiger Vorschlag nur angedeutet werden kann, ist es, in der V'-Regel drei „Slots" anzunehmen, etwa: R3

V



(CL_1)

(CL_2)

(CL_3)

V

t=4

T=l

t=4

t=i

Der erste Slot kann fakultativ durch die Subjektklitika, der zweite durch ne und der dritte durch die Objektklitika realisiert werden. Reihenfolge und Kombinatorik der Objektklitika werden dann entweder in einer weiteren k-Regel über disjunkte Annotationen» oder im Lexikon definiert. Nachfolgend findet sich eine Skizze der zweiten Möglichkeit, bei dem 8

S. dazu Berman/Frank (1996: 143).

17

die Objektklitika jeweils sowohl einzeln, als auch in den ihnen möglichen Kombinationen als lexikalische Einheit mit entsprechender Merkmalsangabe in das Lexikon eingetragen werden; vgl.: (41)

/me/ CL_3,

{(TOBJ PRED) = 'Pro' (tOBJ PERS) - l (tOBJ NUM) = SG | (TOBL PRED) = 'Pro' (tOBL PERS) = l (tOBLNUM) = SG}.

(42)

/me le/ CL_3,

(TOBL PRED) = 'Pro' (tOBL PERS) = l (tOBLNUM) = SG (tOBL PCASE) = DAT (tOBJ PRED) = 'Pro' (tOBJ PERS) = 3 (tOBJ NUM) = SG (tOBJ GEN) = MAS.

(43)

/le lui/ CL_3,

(tOBJ PRED) = 'Pro' (tOBJ PERS) = 3 (tOBJ NUM) = SG (tOBJ GEN) = MAS (tOBL PRED) = 'Pro' (tOBL PERS) = 3 (tOBL NUM) = SG (tOBL PCASE) = DAT.

Daß es in der Expansion von V nur einen Slot für die Objektklitika gibt, gewährleistet, daß immer dann, wenn das Verb zwei Objekte subkategorisiert, die komplexen klitischen Lexeme durch die Grammatik erzeugt werden, und nicht etwa zwei einzelne, deren Kombinatorik in diesem Fall nicht beschränkt wäre.

l .2. ne in Verbindung mit einem Negationsträger 1.2.1. Distribution und lexikalisch-funktionale Repräsentation von ne Ein Unterschied zwischen ne und den anderen Klitika, auf den indirekt bereits hingewiesen wurde,9 besteht darin, daß der Gebrauch von ne an ein anderes sprachliches Element oder 9

S. Kommentar zu Ersetzungs- und Koordinationstest für Klitikum und Verb in 1.1.

18

an bestimmte Kontexte gebunden ist, was Gaatone (1971: 80ff.) als „Konditionierung" von ne bezeichnet. So tritt ne entweder mit einem negativen Wort oder in einem von bestimmten Verben bzw. Konstruktionen abhängigen Komplementsatz mit que auf (s. 1.4.); vgl.: (44) (45)

Pierre ne me donne pas le livre. - *Pierre ne me donne le livre. Pierre craint que Marie ne vienne. - *Pierre sait que Marie ne vient.

In diesem Abschnitt sollen Konstruktionen wie in (44) thematisiert werden, also die Verwendung von ne mit einem syntaktischen Negationsträger. Zu den negativen Lexemen, die mit ne im Satz auftreten, gehören neben pas, guere, nullement, aucunement, jamais, plus, personne, rien, aucun, pas un und nul. N.B. Auch point ist zu dieser Reihe zu zählen. Da aber seine Distribution und Funktion sehr weitgehend mit der von pas übereinstimmen und, wie Gaatone (1971: 61) ausführt, „[...] dans la langue moderne, il [= point, V.K.] n'apparait guere que comme une simple Variante individuelle et surtout regionale de pas", soll es nicht eigens genannt, sondern bei der Untersuchung von pas „mitgedacht" werden.

Umgekehrt ist der Gebrauch der genannten Negationsträger an die Präsenz von ne im Satz gebunden;10 vgl.: (46) (47)

Pierre ne me donne pas le livre. - *Pierre me donne pas le livre. Je n'ai vu aucun oiseau. - *J'ai vu aucun oiseau.

Dabei scheint es sich um eine Eigenschaft der Negationsträger und nicht um ein Charakteristikum negativer Sätze zu handeln; vgl.: (48) (49) (50)

II est possible de poser des questions. II est impossible de poser des questions. II n'est pas possible de poser des questions.

Wie der Paraphrasentest mit der „il n'est pas vrai que"-Konstruktion zeigt, handelt es sich sowohl bei (49) als auch (50) um negative Sätze. Denn die Paraphase (51)

II n'est pas vrai qu'il soit possible de poser des questions.

umschreibt korrekt sowohl (49) als auch (50). Trotzdem tritt das Klitikum ne nur in (50) auf, was folglich auf eine Eigenschaft von pas zurückzuführen und als solche in seinem Lexikoneintrag zu repräsentieren ist. Dies kann in der Form geschehen, daß pas eine Forderung nach ne (d.h. nach dem Merkmal NE = +, durch das ne charakterisiert ist) aufstellt:

10

Dies gilt für die geschriebene Sprache. Zur gesprochenen Sprache s. 1.2.3.

19

(52)

/pas/ADV,

(tPRED) ='Pas' (tNEG) = + (tNE)=cn+.

Und es ist aufgrund ungrammatischer Beispiele wie dem in (44) gezeigten anzunehmen, daß ne umgekehrt eine Forderung nach pas bzw. allgemein den Negationsträgern aufstellt. Dies kann formal durch eine Forderung nach dem NEG-Merkmal repräsentiert werden, das aufgrund deren unterschiedlichen syntaktischen Verhaltens den Lexemen pas, jamais, personne etc., nicht aber morphologisch negativen Wortbildungen wie impossible zugesprochen wird.

(53)

/ne/ CL_2,

(tNE) = + (TNEG) =c +.

Über diese beiden Forderungen wird durch die Grammatik ausgeschlossen, daß ne ohne Negationsträger und ein Negationsträger ohne ne auftritt. 12 Diese Analyse der gegenseitigen Forderung ne - Negationsträger ist jedoch problematisch, wie folgende Sätze zeigen: (54) (55)

J'ai regardo partout: pas le moindre crouton de pain. (Sarraute, zitiert nach Petit Robert 1) „- Qui vient? qui m'appelle? - Personne" (Musset, zitiert nach Petit Robert 1)

In verblosen Konstruktionen mit Negationsträger, etwa bei Verbellipse wie in (54) oder dem Auftreten der Negationsträger als Satzwort wie in (55), kann kein ne auftreten, da sein Gebrauch ja wortartspezifisch an die Präsenz eines Verbs gekoppelt ist. Wenn den Negationsträgern eine Forderung nach ne lexikalisch inhäriert, werden Sätze wie (54) und (55) fälschlicherweise als ungrammatisch qualifiziert. Für die Negationsträger einen zweiten Eintrag ohne Forderung nach ne anzunehmen, ist unmotiviert, da bei Einsetzen eines Verbs beispielsweise in (54) und (55) obligatorisch ne erscheint; vgl.: (56) (57)

J'ai regarde partout: il n'y avait pas le moindre crouton de pain. „- Qui vient? qui m'appelle? - Personne ne m'appelle."

Daß ne in (54) und (55) fehlt, ist also nicht auf eine veränderte Eigenschaft des Negationsträgers, sondern allein auf die verblose Konstruktion zurückzuführen. Eine Lösung des Problems ist folglich auf dieser Ebene und nicht auf der des Lexikons zu suchen. Halten wir noch einmal fest: Die Forderung von ne nach einem Negationsträger besitzt uneingeschränkt Gültigkeit, da ne ausschließlich in Verbindung mit einem Negationsträger auftritt. Das Merkmal „NEG =c+" im Lexikoneintrag von ne ist damit motiviert. Die Ne-

1

' Das kleine „c" steht fur „constraining" und macht eine Gleichung zu einer fordernden. Ein entsprechender Vorschlag findet sich in Berman/Frank (1996: 106) als Alternative zu ihrer Behandlung dieses sprachlichen Phänomens durch eine syntaktische Regel, die ne und (adverbialen) Negationsträger obligatorisch gemeinsam in einer Konstituente ableitet.

12

20

gationsträger umgekehrt treten nur dann mit ne auf, wenn die Konstruktion verbhaltig ist. 1 3 Die Forderung nach ne als lexikalische Eigenschaft der Negationsträger zu betrachten und sie entsprechend in ihrem Lexikoneintrag zu verankern, ist deswegen unmotiviert. Vielmehr muß diese Forderung über die Konstruktion zum Ausdruck kommen, das bedeutet formal als Annotation solcher syntaktischer Regeln, die Verb und Negationsträger expandieren. Folgende Regel zur Expansion von Sätzen skizziert eine solche Annotation: R4

S

->·

NP (tSUBJ)=l { (4NEG) = | (INEG) = + (tNE) =c +u }

VP t=l

Die Annotation ist zu lesen als: „Entweder ist das Subjekt bezüglich Negativität unmarkiert. Dann passiert nichts. Oder es ist bezüglich Negativität markiert. Dann wird gefordert, daß es ein sprachliches Element gibt, daß das Merkmal 'NE = +' trägt." Mit dieser funktionalen Annotation müssen entsprechend alle Regeln annotiert sein, in der Verb und mögliche Negationsträger erfaßt werden, d.h. neben der gezeigten Satzregel alle VP-Regeln, die Verben und (negative) Pronomina und Determinanten erzeugen, R5

VP



V t=l

R6

VP



V

NP (tOBJ)=l { (INEG) = | (4NEG) = + (TNE) =c + } PP

{ (iNEG) = | (INEG) = + (tNE) =c + } usw., des weiteren alle Regeln, die (negative) Adverbien und Verb erzeugen, R7

S

->

ADVP (tMOD)=l (IPOS) =c S-POS { (INEG) = | (INEG) = + (tNE) =c + }

NP (tSUBJ)=l

VP t=Jr

Neben der Verbhaltigkeit spielen auch die Skopusverhältnisse eine Rolle. Darauf wird in der Folge noch eingegangen. Formal korrekt müßte diese Forderung über eine komplexe Pfadgleichung formuliert werden. Ich komme später darauf zurück.

21

R8

VP

->

V t=l

(ADVP) (tMOD)= l { (4NEG) = | (4-NEG) = + (tNE) =c + }

usw. und auch entsprechende Kombinationen: R9

VP

->

V

(ADVP)

NP

t=l

(tMOD)=l

(tOBJ)=4

{ (INEG) = | (INEG) = + (tNE) =c + }

{ (INEG) = | (INEG) = + (tNE) =c + }

Die wenigen Beispiele zeigen, daß dieses Herangehen wenig ökonomisch ist und der Regelmäßigkeit, mit der die Forderung nach ne gestellt wird, durch exhaustives Aufzählen der Einzelfälle keine Rechnung trägt. Zudem fuhrt das Annotieren der Mehrheit der Grammatikregeln mit der gezeigten Information zu der Notwendigkeit, generell zwischen solchen für negative und solchen für nicht negative Lexeme zu differenzieren. Dieses Differenzieren suggeriert letztlich unterschiedliche Regelsysteme für negative und nicht negative Sätze, eine Annahme, die den sprachlichen Fakten des Französischen in keiner Weise gerecht wird, wie noch zu zeigen sein wird. Eine sehr viel adäquatere Behandlung des Problems ergibt sich, wenn man vom Verb und nicht, wie oben skizziert, vom Negationsträger ausgeht. Die oben dargestellte Analyse besagt, daß die Negationsträger dann ne fordern, wenn ein Verb vorhanden ist. Die umgekehrte Perspektive geht davon aus, daß immer dann ein Negationsträger gefordert ist, wenn ne (und damit natürlich gleichzeitig ein Verb) auftritt, i s Das heißt konkret, daß die ne lexikalisch inhärierende Forderung nach einem Negationsträger bei Auftreten von ne in der Expansion von V wirksam wird. Ich greife hier die oben skizzierte Regel R3 zur Ableitung von V mit Hilfe dreier Klitikaslots wieder auf: R3

V

->

(CL_1)

(CL_2)

(CL_3)

V

t=4

T=4

t=4

t=l

Durch die Projektionsgleichung „t=4" wird die Forderung nach einem Negationsträger, ausgedrückt durch die Forderung nach dem NEG-Merkmal, aus dem Lexikoneintrag von ne in die f-Struktur projiziert und dort wirksam:

Die Anregung zu dieser Analyse verdanke ich Albert Ortmann. Es handelt sich dabei letztlich um eine Übertragung des „Neg Criterion" (Haegeman/Zanuttini 1991: 244) und des Konzepts des „Dynamic Agreement" (Rizzi 1995: 76) in die LFG. Im Unterschied zu Anwendungen des Neg Criterion auf das Französische (Haegeman 1995, Rowlett 1996) geht diese Analyse jedoch nicht davon aus, daß ne durch einen Negationsträger zu lizensieren ist, sondern umgekehrt der Negationsträger durch ne.

22 (53)

/ne/ CL_2,

(tNE) = + (TNEG) =c

Allerdings erzielt die Forderung in dieser Form noch nicht das Gewünschte. Denn sie kann immer dann nicht wirksam werden, wenn das Negationsmerkmal tiefer in die f-Struktur eingebettet ist als die Forderung danach. Folgende f-Struktur soll das Gesagte verdeutlichen. (58)

Personne ne chante.

Fig. l

"SUBJ

NE PRED

PRED NEG GEN NUM

'Personne1 + MAS SG

+ 'Chanter (SUBJ)1

Die funktionale Information über ne, NE = +, ist auf Satzebene, also „ganz links" in der fStruktur angesiedelt, während das NEG-Merkmal als Information über das Subjekt in die Subjektklammer eingebettet ist. Daraus, daß das NEG-Merkmal und die Forderung danach auf unterschiedlichen funktionalen Ebenen angesiedelt sind, ergibt sich ein Problem, denn es können nur Merkmale derselben funktionalen Ebene interagieren. Dieses Problem wird durch eine Pfadgleichung gelöst, die es ermöglicht, Informationswege in der f-Struktur entlang bestimmter Pfade zu definieren. Im behandelten Beispiel muß folglich ein Pfad ausgehend von der Ebene, auf der ne in der f-Struktur angesiedelt ist, zu dem in die Subjekt-Funktion eingebetteten NEG-Merkmal führen, was folgende fordernde Gleichung leistet: (59)

/ne/ CL_2,

(TNE) = + (tSUBJ NEG) =c +

Das NEG-Merkmal kann je nach grammatischer Funktion des Negationsträgers natürlich auch innerhalb einer anderen Funktion als der des Subjekts in der f-Struktur erscheinen. Der Lexikoneintrag von ne lautet deshalb modifiziert: (59)

/ne/ CL_2,

(tNE) = + (T{SUBJ|OBJ|OBL|ADJ|MOD} NEG) =c +

Die komplexe fordernde Gleichung ist dabei zu lesen als „in der Subjekt-, Objekt-, Obliquus-, Adjunkt- oder Modifikatorfunktion muß ein NEG-Merkmal vorhanden sein" und definiert alternative Pfade zu all denjenigen Funktionen, die durch das entsprechende funktionale Merkmal gekennzeichnet sein können. Um auszuschließen, daß Negalionsträger in verbhaltigen Konstruktionen ohne ne auftreten, ist eine Änderung von Regel 3 bezüglich des zweiten Slot, der ne ableitet bzw. er-

23

zeugt, notwendig. Zwischen Auftreten versus Nicht-Auftreten von ne muß unterschieden werden, d.h. die CL_2-Konstituente darf nicht als fakultativ gekennzeichnet sein. Stattdessen werden zwei Regeln angenommen: RIO

Rll

V

V



->

(CLJ)

CL 2

(CL_3)

V

t=4

t=4

t=i

t=4

(CLJ)

(CL_3)

t=i

V

t=i

t=;

Die zweite Regel muß über eine Annotation zum Ausdruck bringen, daß die V'-Konstituente ohne ne bezüglich des Auftretens von Negationsträgern defaultmäßig negativ markiert ist. Aus den obengenannten Gründen ist dazu wiederum eine komplexe Pfadgleichung notwendig: Rll

V



(CLJ)

(CL_3)

t=4

t-4

V

t=>L· (t{SUBJ|OBJ|OBL|ADJ|MOD}NEG)= -

Bei Auftreten eines Negationsträgers scheitert aufgrund dieser Gleichung die Unifikation mit dessen NEG-Merkmal und die Struktur wird als ungrammatisch erkannt. N.B. Die Formalisierung leistet in dieser Form nicht das Gewünschte: Sie bringt lediglich zum Ausdruck, daß in mindestens einer der in der Gleichung aufgelisteten grammatischen Funktionen kein NEG-Merkmal auftreten darf. Intendiert ist jedoch, daß keine der genannten grammatischen Funktionen durch ein solches Merkmal gekennzeichnet sein darf. Das Format einer solchen über grammatische Funktionen generalisierenden Gleichung ist Gegenstand der Forschung. Die hier skizzierte komplexe Pfadgleichung ist deshalb in der Folge stellvertretend in dieser Weise zu interpretieren.

Diese Analyse erfaßt adäquat und ökonomisch das Auftreten von ne mit Negationsträger wie in (60), (60)

Personne n'est venu.

und filtert ungrammatische verbhaltige Strukturen aus, in denen ein Negationsträger ohne ne auftritt (61), da eine Verbkonstituente ohne ne gemäß R l l das Auftreten von Negationsträgern verbietet: (61)

*Personne est venu.

Entsprechend ist (62) ein grammatisches Beispiel: (62)

Quelqu'un est venu.

24 Umgekehrt gewährleistet die gezeigte Analyse, daß bei Präsenz von ne aufgrund seines diesbezüglichen Merkmales (s. (59)) ein Negationsträger vorhanden sein muß. Aus diesem Grund wird (63) als nicht wohlgeformt erkannt: (63)

*Quelqu'un n'est venu.

Gleichzeitig werden auch verblose Konstruktionen mit Negationsträger durch die skizzierte Behandlung korrekt abgeleitet bzw. erzeugt, denn ohne Verbkonstituente unterliegen die Negationsträger keinerlei Beschränkung: (64) (65)

Eh bien, nous avons beaucoup parle", lui et moi. Oh! pas de nous... (Aragon, zitiert nachGaatone 1971:43) Jamais deux sans trois. (Grevisse 1993: §982, a)

Die gezeigte Analyse ist darüber hinaus auch dazu geeignet, die Verhältnisse in der gesprochenen Sprache adäquat wiederzugeben (s. dazu 1.2.3.), und ermöglicht eine unproblematische Behandlung des engen Negationsskopus (s. Kapitel 6).

\.2.\A.ne tritt mit finitem Verb auf Wie gezeigt tritt ne mit finitem Verb präverbal auf und kann von diesem durch maximal zwei (Gaatonel971: 67; Berman/Frank 1996: 139) Objektklitika getrennt werden; vgl.: (66) (67) (68)

Pierre ne vient pas. Pierre n'en prend pas. Marie ne me le pardonnera pas.

In der Literatur zur Negation im Französischen werden ne + Negationsträger gelegentlich als diskontinuierliches Morphem (Weinrich 1982: 710ff.; Gaatone 1971: 48) behandelt oder es wird davon gesprochen, daß ne und der Negationsträger das Verb umschließen bzw. einrahmen (Klein/Kleineidam 1991: §§290-293; Grevisse 1993: §980). Grundlage dieser Analysen ist eine Sichtweise von ne und Negationsträger als einem Vemeinungselement. Exemplarisch sei dazu Weinrich (1982) zitiert: Es [= die Negationsmorpheme, V.K.] sind zwei- oder mehrelementige, diskontinuierliche Morpheme, die das finite Verb einrahmen. [...] Das erste Element ne kann also als eine Art Vorsignal dieser Negation aufgefaßt werden. Es steht vor dem Verb. Das Hauptsignal folgt dann nach dem Verb in Gestalt des Elementes pas, welches für die Negation das eigentliche Gewicht trägt. (Weinrich 1982: 710) Bei einigen anderen Negations-Morphemen, nämlich ne ... personne 'niemand' und ne ... nulle part 'nirgends', wird das ganze Verb mitsamt all seinen Elementen und gegebenenfalls sogar noch mit seinen morphematischen Determinanten eingerahmt. (Weinrich 1982: 712)

Als Beispiel für letztere Negations-Morphem nennt er personne in je ne veux voir personne. - Gegen eine solche Analyse sprechen folgende Argumente:

25

1. Der Negationsträger kann ne auch vorangestellt sein: (69) (70)

Personne ne sera assez hardi pour le faire. (Acadömie fran9aise, zitiert nach Grevisse 1993:§726) Jamais plus il ne reviendra. (Grevisse 1993: §979)

2. Wenn man ne und Negationsträger als Einheit betrachtet, müßten bei Vorkommen mehrerer Negationsträger ebensoviele ne im Satz auftreten. Dies ist jedoch nicht der Fall: (71) (72)

Toujours pret ä s'amuser; mais quand il s'agit de travailler, il n'y a plus personne. (Petit Robert l) Vous n'aurez jamais aucun succes. (Grevisse 1993: §979)

3. Wie noch zu zeigen sein wird, gibt es bei Gebrauch von ne und adverbialem Negationsträger mit einem Infmtiv keine Diskontinuität: (73) (74)

C'&ait un gros homme poli, bien decide" ä ne jamais payer. (Ayme", zitiert nach Gaatone 1971: 138) L'enfer, Madame, c'est de ne plus aimer. (Bernanos, zitiert nach Gaatone 1971: 149)

4. In verblosen Konstruktionen tritt kein ne auf (75), und es fällt zudem in der gesprochenen Sprache häufig aus (76). (75) (76)

J'ai regarde" partout: pas le moindre crouton de pain. (Sarraute, zitiert nach Petit Robert 1) 733 vje pa/ - 'je viens pas'

Um die Umrahmungstheorie aufrechtzuerhalten, könnte man diese Phänomene natürlich dadurch erklären, daß es zwei pas, jamais, personne etc. gibt, eines, das mit ne ein diskontinuierliches Morphem bildet und eines, das allein auftritt. Es dürfte allerdings schwierig sein, deren jeweilige Distribution klar zu definieren, wenn dafür in der geschriebenen Sprache andere Bedingungen herrschen als in der gesprochenen. Die Analyse von ne und Negationsträger als einer sprachlichen Einheit und die Behandlung dieser Einheit als diskontinuierliches Morphem sind folglich nicht dazu geeignet, die syntaktischen Verhältnisse im Französischen korrekt zu erfassen: Der Zusammenhang zwischen ne und Negationsträger ist kein morphologisch-struktureller, sondern ein funktionaler.

1.2.1.2. ne tritt mit infinitivem Verb auf Wie bereits angesprochen, hat ne im Gebrauch mit einem Infinitiv eine andere Distribution als mit finiter Verbform. Tritt ne mit Infinitiv und adverbialem Negationsträger auf, so wird dieser präverbal und unmittelbar rechts von ne plaziert:

26

(77)

Ne pas se pencher en dehors!

Zwischen der Gruppe ne + negatives Adverb und dem Verb können neben den Objektklitika, die anders als ne auch bei infinitiver Verbform die Stellung direkt vor dem Verb beibehalten (s. (77), (78)) auch weitere Adverbien (s. (79), (80)) und satzartige Einfügungen (81) auftreten (Gaatone 1971: 51, 68): (78) (79) (80)

(81)

II feignait meme parfois de ne pas le voir. (Gide, zitiert nach Petit Robert 1) Le subjonctif verra son aire se re"tre"cir jusqu'ä ne plus guere etre employe" qu'ä la 3e personne du singulier du prosent. (Sauvageot, zitiert nach Gaatone 1971: 154) La plupart du temps, je monageais la paix de mon coeur en prenant soin de ne jamais tout a fait exclure ni la liberte" qui exalte ni la nocessite" qui justifie. (Sartre, zitiert nach Gaatone 1971: 138) Ce n'6tait que quand Fran^oise [...] avait e"te" forcoe d'avouer ä ma tante les projets qu'elle-meme avait forme's, que celle-ci renoncait publiquement aux siens, pour ne pas, disait-elle, entraverceux de Fran9oise. (Proust, zitiert nach Gaatone 1971: 51)i6

N.B. Bei der infiniten Verbform des Partizip I wird die Negation mit adverbialem Negationsträger wie beim finiten Verb gebildet: ne tritt in präverbaler Stellung auf, und es können maximal zwei Objektklitika zwischen ne und dem Verb stehen. (82) (83)

Ne chantant plus, le chceur sort. Ne ressemblant guere ä Pierre, Marie est pourtant sä soeur.

Im Fall von mit Partizip II gebildeten zusammengesetzten Verbformen hängt die Syntax von ne entsprechend von dem jeweiligen Finitheitsmerkmal des Auxiliars ab; vgl: (84) (85) (86)

Le choeur n'a plus chante. Le choeur avoue ne plus avoir chanto. N'ayant plus chante", le choeur est sorti.

Bei Verben im Gerundium tritt keine Negation und damit auch kein ne auf. Der Grund dafür ist, daß durch diese Verbform typischerweise eine Beziehung zwischen zwei Aktionen hergestellt wird. Ist das Verb im Gerundium negiert, so bezeichnet es jedoch nicht länger eine Handlung.

Handelt es sich bei dem Negationsträger um ein Pronomen ((87), (88)) oder einen Determinanten (89), entspricht die Distribution von ne mit infinitivem Verb der mit finitem: (87) (88) (89)

Je lui ai fait promettre de ne rapporter h personne ce qui s'6tait passe" entre nous [...] (Bernanos, zitiert nach Gaatone 1971: 161) [...] sous la condition de faire bien constater leurs droits, ne renoncer ä ancuns. (Balzac, zitiert nach Grevisse 1993: §710) N" avoir aucun talent. (Petit Robert 1)

Wo nicht anders vermerkt, sind Auslassungen, Anmerkungen und Hervorhebungen in der zitierten Quelle.

27 Einzig rien bildet in dieser Beziehung eine Ausnahme und verhält sich wie ein adverbialer Negationsträger, tritt also mit infinitiver Verbform präverbal und unmittelbar rechts von ne auf: (90) (91)

L'Ana'fs feignait de ne rien entendre [...] (Ayme", zitiert nach Grevisse 1971: 166) Vous n'etes pas de ces gens qui peuvent parier pour ne rien dire [...] (Bemanos, zitiert nach Gaatone 1971: 166)

Hat rien eine Ergänzung bei sich, entspricht seine Stellung mit Infinitiv der der anderen negativen Pronomina und Determinanten und damit der mit fmitem Verb: (92)

II se promit d'etre sovere ä lui-meme et de nOublier rien qui put tomoigner contre lui. (Ayme", zitiert nach Gaatone 1971: 166)

Die Differenzen im Gebrauch von ne mit fmiter respektive infinitiver Verbform und adverbialem Negationsträger machen eine jeweils unterschiedliche Behandlung der Konstruktionen notwendig: Der Gebrauch von ne mit fmitem Verb wird durch die obengenannte Regel RIO erfaßt und damit auch der von ne mit Infinitiv in Verbindung mit negativem Pronomen bzw. Determinanten, in dem die Distribution von ne der mit fmitem Verb entspricht. Für das Auftreten von ne mit Infinitiv in Verbindung mit einem adverbialem Negationsträger muß dagegen zunächst der Status von ne als Klitikum diskutiert werden. Wie gezeigt können zwischen ne und Infinitiv verschiedenartige sprachliche Elemente stehen. Anders als die Klitika sind diese Elemente nicht als Teil der Konstituente des Verbs zu analysieren, da sie keiner Beschränkung auf die präverbale Position unterliegen und eine eigenständige Konstituente bilden, wie entsprechende Tests belegen. Die Tests haben die Beispiele (79)-(81) zur Grundlage, die hier zur Erinnerung noch einmal genannt werden sollen; vgl.: (93)

(94)

(95)

(Weglaßprobe:) Le subjonctif verra son aire se re"tre"cir jusqu'ä ne plus guere etre employo qu'ä la 3e personne du singulier du prosent. (Sauvageot, zitiert nach Gaatone 1971: 154) - Le subjonctif verra son aire se re"tröcir jusqu'ä ne plus etre employe" qu'ä la 3e personne du singulier du present. (Ersetzungsprobe:) La plupart du temps, je monageais la paix de mon coeur en prenant soin de nejamais tout a fait exclure ni la liberto qui exalte ni la ne"cessite" qui justifie. (Sartre, zitiert nach Gaatone 1971: 138) - La plupart du temps, je menageais la paix de mon coeur en prenant soin de nejamais completement exclure n i la libertö qui exalte ni la nocessito qui justifie. (Verschiebeprobe:) Ce n'otait que quand Fran9oise [...] avail eto forcee d'avouer a ma tante les projets qu'elle-meme avait forme's, que celle-ci renon9ait publiquement aux siens, pour ne pas, disait-elle, entraver ceux de Fran9oise. (Proust, zitiert nach Gaatone 1971: 51) - Ce n'ötait que quand Fran9oise [...] avait e"te" force"e d'avouer ä ma tante les projets qu'elle-meme avait formds, que celle-ci renon9ait publiquement aux siens, pour nepas entraver, disait-elle, ceux de Francoise.

28

Folglich kann auch ne in der Distribution mit infinitivem Verb nicht zur Verbkonstituente gehören, sofern man diese Konstituente nicht als diskontinuierlich analysieren möchte. Da die Objektklitika auch in der Verwendung mit Infinitiv diesem direkt vorangestellt sind, gibt es kein ausreichendes Argument für eine solche Annahme. Vielmehr ist danach zu fragen, ob ne in der Verwendung mit Infinitiv eine klitische Form ist. Das oben als relevantestes eingestufte Kennzeichen der Klitika, Teil des Verbs zu sein, wird von ne hier ja nicht erfüllt. In literarischer Sprache und gehobenem Register kann jedoch das negative Adverb dem (meist auxiliaren) Infinitiv nachgestellt sein; ne verhält sich in diesem Fall syntaktisch wie mit finiter Verbform; vgl.: (96) (97) (98)

Mais le Dieu de Rome [...], pourrait-il n'8tre pas le vrai Dieu? (Larbaud, zitiert nach Grevisse 1993: §980, bP) II me dit avec tant de force ne m'avoir nullement vu que j'aurais fini par le croire [...] (Proust, zitiert nach Gaatone 1971: 156) Elle jurait de ne se marier jamais. (Zola, zitiert nach Grevisse 1993: §980,bl°)

Wenngleich diese stilistisch markierten Verwendungen für die Analyse der französischen Standardsprache nur marginale Bedeutung haben, so sind sie doch ein Beleg dafür, daß es wenig sinnvoll wäre, ne in der Verwendung mit infinitiver Verbform nicht als klitische Form zu behandeln. Denn in diesem Fall müßte man annehmen, daß im gehobenen und literarischen Register eine andere Wortart von ne verwendet wird bzw. werden kann als in der Standardsprache. Die genannten Beispielsätze (96)-(98) zeigen auch, daß „nicht-negative" Adverbien und satzartige Einfügungen offensichtlich nur dann zwischen ne und dem infiniten Verb stehen können, wenn das negative Adverb ne unmittelbar nach- und dem Verb vorangestellt ist; vgl.: (99) *Mais le Dieu de Rome, pourrait-il ne vraiment ßtre pas le vrai Dieu? (100) *I1 me dit avec tant de force ne plus m'avoir nullement vu [...] Dies läßt den Schluß zu, daß das negative Adverb präverbal mit ne eine Konstituente bildet, was das Einfügen weiterer Syntagmen zwischen diese Gruppe und das potentiell durch Klitika erweiterte Verb erlaubt. Damit ist ne entweder Klitikum im CL-Cluster des Verbs oder Klitikum präverbal gebrauchter negativer Adverbien. Die Distribution von ne mit infinitivem Verb läßt sich in der Grammatik entsprechend darstellen, indem ne in der kRegel zur Expansion von ADVF erzeugt wird. Die Angabe der Kategorie CL_2 gewährleistet, daß diese Regel nur das Klitikum ne erfaßt. Daß mit ihm ausschließlich negative und keine anderen Adverbien auftreten können, gewährleistet die Forderung im Lexikoneintrag von ne nach einem NEG-Merkmal; vgl.: R12

ADVP1



CL_2

ADVP

t=4

t=l

29

Ein Problem ergibt sich nun jedoch hinsichtlich der V'-Expansion. Für Konstruktionen mit Infinitiv und adverbialem Negationsträger bedarf es einer k-Regel, in der es keinen CL_2Slot gibt, die Konstituente aber trotzdem bezüglich Negativität nicht negativ markiert ist, da Bildungen me je veux nepas chanter sonst fälschlicherweise als ungrammatisch qualifiziert würden. Eine mögliche Lösung wäre eine dritte V'-Regel, die die ,,«e-haltige" Adverbialphrase zusammen mit fakultativen Objektklitika und infinitivem Verb ohne eine solche Annotation ableitet: R13

V

->

ADVP'

(CL 1)

(CL_3)

t=4

t=4

T=4

V

t=l (llNF)=INF!NITIF

Das Auftreten von ne mit Infinitiv bei nicht adverbialem Negationsträger wird wie das finiter Verben über die entsprechenden V'-Regeln abgeleitet: RIO

Rll

V

V

->



(CL_1)

CL_2

(CL_3)

V

t=l

t=4

t=4

t=l

(CL_1)

(CLJ)

V

t=l

T=l

t=4(t{SUBJ|OBJ|OBL|ADJ|MOD}NEG)= -

Diese Behandlung negativer Strukturen mit infinitiver Verbform läßt Probleme offen, z.B. die Behandlung des Auftretens von Konstituenten zwischen ADVP' und dem Verb, die hier nicht weiter diskutiert werden können.

l .2.2. Funktion von ne Die Partikel ne ist obligatorisches Element der im Französischen zweigliedrigen syntaktischen Negation verbhaltiger Äußerungen. Gleichwohl wird die negative Bedeutung nicht durch ne, sondern durch die Negationsträger personne, rien, pas, plus, guere etc. ausgedrückt. Das belegt der häufige ne-Ausfall in der gesprochenen Sprache, der keine Bedeutungsänderung der entsprechenden Äußerung zur Folge hat. Auch ohne die Verwendung von ne werden im „code oral" nachfolgende rechtsstehende Sätze vom Hörer als negativ erkannt. (101) /3 pa/-'j'y vaispas' (102) /je pa/ - 'j 'ais (= je sais) pas' Und auch verb- und damit „we-Iose" Konstruktionen in der geschriebenen Sprache haben eindeutig negative Bedeutung:

30 (103) J'ai regard^ partout: pas le moindre crouton de pain. (Sarraute, zitiert nach Petit Robert 1) ( 1 04) „- Qui vient? qui m'appelle? - Personne" (Musset, zitiert nach Petit Robert 1 ) Der Gebrauch von ne „alleine", d.h. ohne syntaktischen Negationsträger, mit negativer Bedeutung ist dagegen stilistisch als archaisierend und dem gehobenen Register angehörig markiert und überdies fest an bestimmte Verben oder Konstruktionen gebunden (s. dazu

(105) II n'est pire eau que l'eau qui dort, (zitiert nach Grevisse 1993: §974) (106) Et la raison de votre force est justement d'ignorer, ou de n'oser vous rendre compte, ä quel point vous diffe"rez des autres. (Gaatone 1971 : 70) Es gibt jedoch Beispiele, die daraufhinweisen, daß die Verwendung von ne auch im modernen Standardfranzösisch nicht völlig funktionslos ist; vgl: (107) C'est un hotel pas eher. - Ce n'est pas un hotel eher. (Klein/Kleineidam 1991 : §295)

Fig. 2

Fig. 3

V

ProN VDet I I I I I C 1 .est un hotel pas eher

ProNCLVADVl l l l l l l l Ce n'est pas un hotel eher.

Wie die Konstituentenstrukturen zeigen, bezieht sich die Negation im ersten Satz ausschließlich auf das adnominale Adjektiv eher, das als Modifikator des Nomens hotel fungiert, und im zweiten auf die gesamte Verbalphrase. Das Auftreten der Partikel ne im zweiten Satz signalisiert den Bezug des Negationsträgers pas zum Verb und verdeutlicht so zusätzlich zu der vom ersten Satz verschiedenen Position von pas, daß sich das Verb im Skopus der Negation befindet. Auch Beispiele von engem Negationsskopus17 (108) bzw. des Gebrauchs der Negationsträger mit positiver Bedeutung (109) illustrieren die skopusmarkierende Funktion von ne, das in diesen Fällen nicht auftritt, weil das Verb nicht in den Negationsskopus integriert bzw. gar keine Negation vorhanden ist: (108)

Elle ötait coquette, et si eile se lavait rarement, eile mettait une fleur dans ses cheveux jamais peignes, un collier autour d'un cou-tige. (Triolet, zitiert nach Gaatone 1971:135)

Zur Unterscheidung von engem vs. weitem Negationsskopus s. Kapitel 6.

31

(109)

Le caporal Aubry ovitait de parier ä aucun des officiers. (Stendhal, zitiert nach Grevisse 1993: §710)

Diese Funktion von ne als „Signal" (Muller 1984: 94; Sturm 1981: 17, Weinrich 1982: 710) für einen verbintegrierenden Negationsskopus erklärt auch, warum es im Unterschied zu den anderen Klitika die präverbale Position bei imperativischer Verbform beibehält.

1.2.3. Gesprochene Sprache In der gesprochenen Sprache wird häufig dort kein ne gesetzt, wo es in der geschriebenen Sprache obligatorisch ist. Diachron kann darin ein Fortschreiten im sog. „Negations-Zyklus" (Jespersen 1917) gesehen werden. Dieser Begriff soll einen zyklischen Zusammenhang zwischen verschiedenen sprachlichen Entwicklungsstufen bezeichnen: Im Altfranzösischen wird die Negation noch allein durch präverbales ne ausgedrückt. Mit der Zeit schwächt sich dessen negative Bedeutung ab, weshalb Verstärkungen wie pas, mie, goutte etc. notwendig werden. Diese übernehmen mehr und mehr die negative Bedeutung von ne, weil sie betonbar und im Satz mobil sind und daher zur Skopusmarkierung besser geeignet als ne. Das heutige gesprochene Französisch ist eine weitere Etappe in diesem Zyklus, in dem der präverbale Negationsmarker ganz ausgefallen ist und die Negation allein durch den meist postverbalen Negationsträger ausgedrückt wird. Bernini/Ramat (1996: 35ff.) schließlich weisen darauf hin, daß es Kreolsprachen gibt, in denen pas präverbal gebraucht wird: (110) mo mötepape travaj (Bernini/Ramat 1996: 35, Hervorhebungen von mir) 'ma montre pas peut travail(ler)' „ma montre ne travaille pas" Damit ist der Negationsmarker in die präverbale Position „zurückgekehrt" und der Negationszyklus geschlossen. Die Entwicklung des Französischen geht also von einer präverbalen über eine postverbale zurück zur präverbalen Negation.18 Die Tilgung oder der Ausfall von ne im gesprochenen Französisch ist von bestimmten Faktoren abhängig (s. Sturm 1981, Lüdicke 1982, Krassin 1994: 13ff.; Klein/Kleineidam 1991: §290). Dazu gehören außerspachliche wie beispielsweise das Alter des Sprechers, die Frage, ob er in einer Stadt oder in einer ländlichen Gegend lebt, und die Gesprächssituation, also etwa privat versus öffentlich. An sprachlichen Faktoren ist zum einen das Akzentmuster des Französischen zu nennen, jeweils die letzte Silbe einer sog. groupe rythmique zu betonen, wehalb ne diesen Akzent nicht erhalten kann. Zum anderen spielt die Frage des jeweils gebrauchten Negationsträgers eine Rolle. Hier gilt das pragmatische Prinzip der Eindeutigkeit, daß, je leichter ein Negationsträger als solcher wahmehmar ist, ne desto eher ausfällt. So ist der Ausfall von ne bei plus aufgrund der Verwechslungsgefahr mit dem Gradadverb selten, bei pas als dem und deswegen eindeutig zu identifizierendem Negationsträger dagegen häufig. 18

Muller (1991: 217) geht davon aus, daß die postverbale Position der Negation der SVO-Sprache Französisch besser entspricht als die präverbale.

32

Die in der vorliegenden Arbeit entwickelte Analyse von ne, die davon ausgeht, daß ne die Präsenz eines Negationsträgers fordert, die Negationsträger umgekehrt jedoch nicht die von ne, erfaßt die Verhältnisse im gesprochenen Französisch adäquat. Syntax geschriebener und gesprochener Sprache unterscheiden sich danach nur dadurch, daß die geschriebene Sprache zwei Regeln besitzt, die zwischen Auftreten und Ausfall von ne differenzieren. Die gesprochene Sprache hat diese Regel vereinfacht: Hier wird ne wie die anderen Klitika als fakultatives Element behandelt. Formal ausgedrückt bedeutet dies, daß die beiden für die geschriebene Sprache gültigen Regeln RIO

Rll

V

V



->

(CL_1)

CLJ2

(CL_3)

V

t=4

t=i

t=l

t=4

(CL_1)

(CL_3)

V

t=4

t-4

t=l (t{SUBJ|OBJ|OBL|ADJ|MOD}NEG)= -

in der gesprochenen Sprache zu folgender Regel vereinfacht sind: R14

V

->

(CL_1)

(CL_2)

(CL_3)

V

t=4

t=l

T=4

t=4

Die Negationsträger weisen in dieser Analyse in der geschriebenen und der gesprochenen Sprache dieselben lexikalischen Eigenschaften auf. Ihr Lexikoneintrag ist damit in beiden Registern gültig. Dies ist ein weiterer Vorteil gegenüber dem unter 1.2.1. skizzierten Ansatz, die Negationsträger forderten das Auftreten von ne in verbalem Kontext. Hier müßte davon ausgegangen werden, daß die Negationsträger in der gesprochenen Sprache andere Eigenschaften haben als in der geschriebenen, weil im gesprochenen Französisch offensichtlich keine solche Forderung besteht.

\.3.ne als „autonome" Negation In bestimmten Kontexten kann ne alleine, d.h. ohne Auftreten eines syntaktischen Negationsträgers, mit negativer Bedeutung gebraucht werden. Diese stilistisch markierte Verwendung der klitischen Form ne ist auf das gehobene Register beschränkt und stellt einen Archaismus dar, in dem ein früherer Sprachzustand des Französischen konserviert ist (s. auch 1.2.3.). Im Altfranzösischen war ne autonome Negationspartikel in verbalem Kontext (Harris 1978: 24ff.; Muller 1991: 205ff; Foulet 1965: §349f); s.: (111) Jeo ne di. - 'Je ne dis pas.' (Jespersen, zitiert nach Muller 1991: 206)

33 Auch die ursprünglich negative Bedeutung von ne, die im Laufe der Sprachentwicklung mehr und mehr auf diejenigen Wörter übergegangen ist, die einst bloße Verstärkungen der Negation waren, ist im autonom negativen ne erhalten. Das Auftreten von ne ist dabei entweder an feststehende Wendungen und Sprichwörter ((l 12), (l 13)) oder an bestimmte Verben bzw. Konstruktionen ((l 14), (115)) gebunden;19 vgl.: (112) N'en döplaise ä la droite, qui est totalement disqualifioe pour nous faire la Ie9on [...], c'est au service public [...] que doit les plus grandes heures de te"le"vision. (Le Monde, zitiert nach Muller 1991: 229) (l 13) H n'est pire eau que l'eau qui dort. (Grevisse 1993: §974) (l 14) Et la raison de votre force est justement d'ignorer, ou de n'oser vous rendre compte, ä quel point vous difforez des autres. (Bernanos, zitiert nach Gaatone 1971: 70) (115) II ne saurait faire de doute cependant que Paul VI est de tous ceux qui auraient pu succoder ä Jean XXIII celui qui est le plus proche de son inspiration. (Le Monde, zitiert nach Gaatone 1971: 71) Die Beispiele illustrieren, daß die Funktion von ne in diesen Kontexten identisch mit der von pos im heutigen Französisch ist: Es ist reiner Ausdruck der Negation, wie die Paraphrasen zeigen: (116) II n'est pas vrai qu'il y a une eau qui est pire que l'eau qui dort. (l 17) II n'est pas vrai qu'il saurait faire un doute que Paul VI est de tous ceux [...]. Abgesehen von diesen Kontexten, die, wie Gaatone feststellt, exhaustiv aufzählbar sind (1971: 69), wird ne im modernen Standardfranzösisch nicht mehr als autonome Negation verwendet. Auf eine weitere Analyse dieses Gebrauchs und einen Vorschlag zu seiner Repräsentation im LFG-Formalismus soll daher verzichtet werden.

1.4. Expletives we

1.4.1. Distribution von ne Dieser Gebrauch von ne steht nicht im Zusammenhang mit der Negation, sondern ist an bestimmte Verben und Konjunktionen gebunden. Das traditionell als „expletiv" bezeichnete ne tritt ausschließlich in Nebensätzen auf, und zwar Komplementsätzen und konjunktionalen Nebensätzen, die (meist) eine subjunktivische Verbform enthalten. Die Kontexte, in denen expletives ne verwendet werden kann, sind im wesentlichen die folgenden:20

19 20

S. dazu Gaatone (1971: 69ff.), Grevisse (1993: §§174), Muller (l 991: 227ff). Die folgende Darstellung basiert auf den entsprechenden Ausführungen von Gaatone (1991: 81ff.), Grevisse (1993: §983), Judge/Healey (1983: 306f.) und Muller (1991: 357ff.).

34 Verben, in deren Komplementsatz ne stehen kann, sind solche des Fürchtens wie craindre, redouter, trembler, solche des Verhinderns wie empecher, eviter und solche des Zweifeins und der Negation wie douler, nier, contesler, letztere in negativer oder interrogativer Form. Daneben kann ne auch in Komplementsätzen ggf. vorhandener Nomina gleicher Bedeutung wepeur, crainte, risque auftreten; vgl.: (118) Pierre craint que Marie ne vienne. (119) Pierre e"vite qu'il ne rencontre Marie. (120) Je ne doute pas que ses intentions ne soient des meilleures. (Judge/Healey 1983: 307) (121) Toute sä crainte ötait que je ne jugeasse mal sä maitresse, apres ce qu'il m'avait raconte". (Proust, zitiert nach Gaatone 1971: 83) Expletives ne kann ferner in Nebensätzen verwendet werden, die durch die Konjunktionen ä moins que, sans que, avant que etc. eingeleitet sind: (122) Je serais de retour avant que tu ne sois parti. (Judge/Healey 1983: 307) (123) [...] il lui demandait si les dotacheurs ordinaires sont efficaces centre les traces de larmes, ä moins qu'elle ne voulüt les y laisser [...] (Montherlant, zitiert nach Gaatone 1971:91) (124) Cette invitation donne la possibilito de participer aux Internationaux sans qu'un certain nombre de points ne soient atteints. (Muller 1991: 378) Schließlich wird expletives ne auch in Komparativ- und verwandten Konstruktionen mit plus que, moins que, aulrement que u.a. gebraucht. In diesem Fall stehen indikativische Verbformen im Nebensatz: (125) II est plus malin que je ne le pensais. (Judge/Healey 1983: 307) (126) Les Anglais, les Americains, les Russes ont pousse leur programme moins vite qu'ils ne l'avaient d'abord provu. (Wurmser, zitiert nach Gaatone 1971: 95) (127) II se trouve ailleurs que tu ne penses. (Muller 1991: 435) Anders als das Negationssignal ist das expletive ne in seiner Verwendung stets fakultativ (Grevisse 1993: §983; Judge/Healey 1983: 307), kann also entfallen, ohne dadurch ungrammatische Strukturen zu erzeugen; vgl.: (128) Pierre craint que Marie vienne. (129) Je serais de retour avant que tu sois parti. (130) II se trouve ailleurs que tu penses. Muller (1991: 381 ff.) widerspricht der Annahme, der Gebrauch des expletiven ne sei ein „Fossil" früherer Sprachzustände, indem er belegt, daß die betreffenden Konstruktionen nach dem Muster semantischer Kontiguitätsbeziehungen noch immer produktiv sind. So führt er beispielsweise an, daß der Gebrauch von expletivem ne in Verbindung mit einem

35

Nomen wie chance möglich ist, sofern dieses mit der Bedeutung von risque verwendet wird, s.: (131) Le president Carter a tenu ä re"affirmer [...] que les chances que cette affaire ne devienne un incident international seraient diminuoes. (Le Monde, zitiert nach Muller 1991:383)

1.4.2. Funktion von ne In der Literatur wird das expletive ne in vielen Fällen funktional mit der Negation in Verbindung gebracht. Muller (1984: 87ff.; 1991: 397ff.) beschreibt die Konstruktionen mit expletivem ne als „inverse Negationen" der Form „X s (pas)": (132) nier = affirmer que ne pas (Muller 1991: 397) (133) oviter s faire de sorte que ne pas (Muller ebenda) Der Terminus der inversen Negation soll darauf verweisen, daß nach Muller die betreffenden Wörter und Konstruktionen eine Relation etablieren, die eine Umkehrung der von den Negationsträgern etablierten darstellt: Die semantische Beschreibung der sprachlichen Ausdrücke, die das Auftreten von expletivem ne erlauben, beinhaltet eine von ihnen abhängige Negation, die sich auf die Ergänzungen dieser Verben, Nomina sowie Konjunktionen bezieht und deren formales Ausdruckselement das expletive ne ist. Judge/Healey (1983) gehen davon aus, daß die Verwendung des expletiven ne eine zwischen Haupt- und Nebensatz bestehende Opposition betonen soll, die die genannten Verben, Nomina und Konjunktionen bezeichnen. Des weiteren postulieren sie (Judge/Healey 1983: 306, Auslassungen von mir): „In all of these cases there is a certain element of implicit negation, which the ne is there to emphasize: j'irai avant que tu ne reviennes = [...] tu ne seras pas revenu quand je partirai", und bezeichnen ne entsprechend als „half-way negation" (ebenda). Auch Grevisse (1993: §983) schließt sich dieser Analyse an, indem er sagt, daß expletives ne gebraucht wird, wenn der Sprecher im Kontext eine „idee de negation" spürt. Die Funktion des expletiven ne kann also darin gesehen werden, als ein Diskordanzelement21 auf den „Mißklang" von affirmativer Äußerung und negativer Implikation zu verweisen. Darüber hinaus kann das expletive ne jedoch auch modalisierend wirken: Muller (1991: 410) zeigt, daß es Kontexte gibt, in denen die Verwendung des expletiven ne eine disambiguierende Funktion in bezug auf die Modalität des Komplementsatzes haben kann; vgl: (134) Marie est inquiete que Paul soit venu la voir hier soir. (135) Marie est inquiete que Paul ne soit venu la voir hier soir. (zitiert nach Muller ebenda) 21

Damourette/Pichon (1911-1940: §2191) prägen den Begriff „discordantiel" zur Bezeichnung von ne.

36

Der Komplementsatz im ersten Beispiel ist hinsichtlich der Geltung des in ihm dargestellten Sachverhaltes ambig: Entweder ist sie nicht-faktiv, dann ist Marie beunruhigt, weil sie nicht weiß, ob Paul gekommen ist oder nicht, denn sie war gestern abend nicht zuhause. Oder der Komplementsatz besitzt eine faktive modale Bedeutung, dann weiß Marie, daß Paul gekommen ist, und ist über mögliche Gründe oder Konsequenzen seines Kommens beunruhigt. Im zweiten Beispiel wird dem Komplementsatz durch die Verwendung des expletiven ne eindeutig eine nicht-faktive Modalität zugewiesen: Marie weiß nicht, ob Paul tatsächlich gekommen ist oder nicht, die Geltung des im Nebensatz dargestellten Sachverhaltes ist offen. Das expletive ne kann also als Signal für Nicht-Faktivität fungieren. Unterstützt wird diese Analyse durch Fälle, in denen das expletive ne nicht verwendet werden kann, weil die Modalität des Nebensatzes faktiv ist (137) bzw. durch den Kontext in Richtung Faktivität verschoben wird (139); vgl.: (136) Marie [...] se tourmente ä l'idoe que Paul ne soit venu la voir hier. (Muller 1991: 411, Auslassungen von mir) (137) Marie [...] se tourmente de ce que Paul (*ne) soit venu la voir hier, (ebenda) (138) Pierre craint que Marie ne vienne. (139) Pierre ne craint pas que Marie (*ne) vienne. Die Beispiele zeigen auch, daß der Subjunktiv, der ebenfalls als redundanter Marker nichtfaktiver Modalität betrachtet werden kann, weniger sensibel auf kontextbedingte Modalitätsschwankungen reagiert als das expletive ne, da die Verwendung des Subjunktivs sehr weitgehend automatisiert ist. Einem Verb wie craindre inhäriert lexikalisch das Merkmal „Subjunktiv im Komplementsatz", unabhängig davon, ob es negativ gebraucht ist oder nicht. Das expletive ne kann dagegen nur stehen, wenn über das Vorhandensein eines entsprechenden Merkmals hinaus bestimmte kontextuelle Bedingungen erfüllt sind, die die durch das Matrixverb ausgelösten nicht-faktiven Präsuppositionen unterstützen oder zumindest nicht abschwächen. Ein weiterer Beleg der Relevanz der Modalität für die Verwendung des expletiven ne ist, daß es weder in Infinitivkomplementen (141) noch mit indikativischer Verbform in Komplementsätzen (143) stehen kann; vgl.: (140)

Peut-etre pourrait-on boire encore un verre de vin avant que vous ne retourniez boulevard de la Mer. (Gaatone 1971: 92) (141) Peut-ßtre pourrait-on boire encore un verre de vin avant de (*ne) retourner boulevard de la Mer. (142)

Je ne nie / conteste pas que nous n'ayons fait certaines fautes. (Klein/Kleineidam 1991: §299) (143) Je ne nie / conteste pas que nous (*n') avons fait certaines fautes. (ebenda) In beiden Fällen fehlt dem Infinitiv- bzw. Satzkomplement ein formales Ausdruckselement der nicht-faktiven Modalität, die ihm durch die Bedeutung des Matrixverbs eigentlich zugesprochen wird: Infinitive sind in bezug auf Modus unmarkiert und machen somit keinerlei

37 Aussage über die Geltung des dargestellten Sachverhalts. Die Verwendung des Indikativs signalisiert Faktivität. Die eindeutig nicht-faktive Modalität des Komplementsatzes und ihre aufgrund der bereits vom Matrixverb bzw. dem einleitenden Junktor ausgelösten Präsuppositionen grundsätzlich redundante Kennzeichnung durch eine subjunktivische Verbform sind offensichtlich nicht nur mit dem expletiven ne kompatibel, sondern vielmehr eine notwendige Voraussetzung für sein Auftreten. Das bedeutet umgekehrt, daß die Präsenz des expletiven ne in einem Komplement- oder konjunktionalen Nebensatz als weiteres Signal für dessen nicht-faktive modale Bedeutung zu werten ist.22 N.B. Da keine Regel ohne Ausnahmen ist, gibt es auch hier Belege, die gegen diese Signalfunktion von ne sprechen. Expletives ne kann, wie bereits gesagt (s. 1.4.1.), nur dann im Komplementsatz von Verben wie nier, contester etc. verwendet werden, wenn ihr Kontext negativ oder interrogativ ist; vgl.: (144) (145) (146)

Je ne doute pas que vous ne soyez inquiets. (zitiert nach Klein/Kleineidam 1991: §299) — Je doute que vous (*ne) soyez inquiets. Mais niera-t-on que nous n'ayons dopenso de grosses sommes pour moderniser les machines? (ebenda) - On niera que nous (*n') ayons dopensi de grosses sommes [...]. II n'est pas douteux que la regle ne doive s'y ötendre. (zitiert nach Grevisse 1993: §1072, a) - II est douteux que la regle (*ne) doive s'y otendre.

Bei diesen Verben verhält es sich nicht so, daß die nicht-faktiven Präsuppositionen, die sie auslösen, durch den negativen oder interrogativen Kontext verstärkt würden. Im Gegenteil: Ist ein Verb dieser Gruppe negiert oder in Frage gestellt, so wird in seinem Komplementsatz häufig Indikativ gesetzt (Grevisse 1993: §1072, a), Kennzeichen faktiver Modalität. Die Präsuppositionen werden durch Negation und Interrogation also von nicht-faktiv in Richtung faktiv verschoben. Bei dieser Verwendung von ne scheint es sich folglich um einen stilistisch motivierten automatisierten Gebrauch ähnlich dem des Subjunktivs zu handeln. Entsprechendes gilt für das Auftreten von expletivem ne mit indikativischer Verbform in bestimmten Komparativkonstruktionen (s. 1.4.1.).

1.4.3. Lexikalisch-funktionale Repräsentation von ne Das Auftreten des expletiven ne im Komplementsatz bestimmter Verben bzw. in durch bestimmte Konjunktionen eingeleiteten Sätzen kann analog zu dem des Negationssignals ne behandelt werden. Es wird angenommen, daß die betreffenden Verben und Konjunktionen lexikalisch durch ein Merkmal gekennzeichnet sind, das dem durch sie eingeleiteten Nebensatz eine nicht-faktive Modalität zuspricht; vgl.:

22

Weinrich (1982: 226) bezeichnet das expletive ne sehr aufschlußreich als "Quasi-Konjunktiv".

38 (147)

avant que, C,

(TPRED) = VANT',23 (TARG2 MODE) = SUBJONCTIF, (TARG2 MODALITY) = NICHT-FAKTIV

(148)

craindre, V,

(tPRED) = 'CRA1NDRE ', (tSCOMP MODE) = SUBJONCTIF, (tSCOMP MODALITY) = NICHT-FAKTIV

Die Beschränkung des Gebrauchs des expletiven ne auf in dieser Weise markierte Nebensätze ist durch eine entsprechende lexikalisch kodierte Forderung von ne zu erklären; vgl.:

(149)

ne, CL, (tSCOMP MODALITY) =c NICHT-FAKTIV

Wie das Negationssignal ist auch das expletive ne funktional durch das Merkmal NE repräsentiert. Anders als das Negationssignal stellt das expletive ne jedoch keine Forderung nach einem Negationsträger auf, sondern schließt dessen Auftreten im Gegenteil aus.24 Dieser Ausschluß bedeutet eine Formalisierung der Intuition, bezüglich der jeweiligen Interpretation von ne klar zwischen Sätzen wie den folgenden differenzieren zu können: (150) Pierre craint que Marie ne vienne. (151) Pierre craint que Marie ne vienne pas. In (151) sind die Bedingungen sowohl für das Autreten des Negationssignals ne als auch für das des expletiven ne erfüllt.: Die Modalität des Komplementsatzes ist durch das regierende Verb als nicht-faktiv gekennzeichnet und es ist darin ein Negationsträger präsent. Der Ausschluß des expletiven ne aus negativen Strukturen ermöglicht es, die Partikel ne in (151) eindeutig als Negationssignal zu interpretieren. Es ergibt sich damit folgender Lexikoneintrag für das expletive ne:

(149)

ne, CL, (tNE) = + (tSCOMP MODALITY) =c NICHT-FAKTIV (t{SUBJ|OBJ|OBL|ADJ|MOD) NEG) = -

Die Konstituenz des expletiven ne wird ebenfalls durch Regel RIO (s. oben 1.2.) abgeleitet. Anders als im Fall des Negationssignals ne schließt eine Verbkonstituente ohne expletives 23

24

Analog zur Behandlung lexikalischer Präpositionen (s. Schwarze 1996) wird auch entsprechenden Konjunktionen die Eigenschaft zugesprochen, zwei Argumente zu subkategorisieren. Auf der Ebene der Konstituenz ist das zweite Argument gleich dem durch die Konjunktion eingeleiteten Nebensatz. Berman/Frank (1996: 107) nehmen an, daß das Verb bzw. die Konjunktion, die ne lizensiert, den Gebrauch von expletivem ne mit Negationsträger ausschließt.

39 ne jedoch nicht defaultmäßig das Auftreten von Lexemen mit dem Merkmal „MODALITY = NICHT-FAKTIV" aus: Der Gebrauch des expletiven ne ist nicht obligatorisch;25 vgl.: RIO

V

->

(CL_1)

CL_2

(CL_3)

V

T=l

t=4

t=l

t=l

Wie oben erläutert tritt in Infinitivkomplementen von Verben kein expletives ne auf. Da der Gebrauch von ne jedoch auf Nebensätze beschränkt ist, erfaßt die skizzierte Behandlung diese Beschränkung. Den unterschiedlichen Valenzen eines Verbs wie z.B. craindre, das mit Satz- oder mit Infinitivkomplement auftreten kann, entsprechen unterschiedliche Lexikoneinträge. Der Eintrag für craindre mit subkategorisiertem Infinitivkomplement enthält entsprechend kein Merkmal, das das Auftreten des expletiven ne erlaubt; vgl.: (148)

craindre, V,

(tPRED) = 'CRAINDRE ', (tSCOMP MODE) = SUBJONCT1F, (tSCOMP MODALITY) = NICHT-FAKTIV

(152)

craindre, V,

(tPRED) = 'CRAINDRE ', (tVCOMP PCASE) =c DE, (tVCOMP INF) =c INFINITIF

Das Merkmal „NEG = -" im Lexikoneintrag des expletiven ne verhindert zudem, daß es mit infinitivem Verb als Teil der präverbalen Konstituente ADVF auftritt, weil diese obligatorisch ein negatives Adverb enthält (s.o. l .2. l .2.).

l .5. Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Untersuchung von ne zeigt folgendes Ergebnis: ne ist eine klitische Form und bildet als solche mit dem Verb eine Konstituente. Seine Zugehörigkeit zur lexikalischen Kategorie der Klitika erklärt, warum das Auftreten von ne auf verbhaltige Konstruktionen beschränkt ist. Es ist dabei zwischen drei ne zu differenzieren, die sich bezüglich der spezifischen Kontexte ihres Auftretens und ihrer Funktion darin unterscheiden. Das Negationssignal ne tritt ausschließlich in Verbindung mit einem Negationsträger auf. Es besitzt lexikalisch die Eigenschaft, die Präsenz dieses Negationsträgers zu fordern. Die Konstruktion der Verbkonstituente ohne ne verbietet das Auftreten von Negationsträgern. Verblose Strukturen beschränken das Auftreten von Negationsträgern nicht. Die Syntax negativer Sätze ist folglich wesentlich durch diese Eigenschaft von ne bestimmt. - Funktion von ne ist es, zu markieren, daß das Verb, mit dem es eine Konstituente bildet, in den

25

Die CL_2-Konstituente für die Behandlung des expletiven ne sollte entsprechend durch Klammern als fakultativ gekennzeichnet sein. Es wird an dieser Stelle auf eine (ad-hoc-)Lösung der sich daraus ergebenden Probleme verzichtet.

40 Skopus der Negation eingeschlossen ist. Diese Information ist in den meisten Fällen redundant, weil sie bereits durch den Negationsträger gegeben ist. Daneben besteht im heutigen Französisch der alte Gebrauch von ne mit negativer Bedeutung noch fort. Er ist auf das gehobene Register beschränkt und an bestimmte Verben und Konstruktionen gebunden. Es handelt sich dabei vielfach um feste Wendungen, die nicht durch die Syntax des modernen Französisch abzuleiten sind. In Verbindung mit Verben wie oser, cesser etc. ist die Verwendung von ne jedoch noch produktiv, was auf eine Eigenschaft dieser Verben zurückzuführen ist. Der Gebrauch des expletiven ne schließlich ist beschränkt auf Nebensätze, die durch bestimmte Verben - selten auch Nomina - regiert oder durch bestimmte Konjunktionen eingeleitet sind. Es ist eine lexikalische Eigenschaft des expletiven ne, die Präsenz dieser Verben, Nomina und Konjunktionen über die Forderung nach einer durch sie erfolgenden Modalitätszuweisung zu verlangen. Das expletive ne hat die Funktion, eine nicht-faktive Lesart des entsprechenden (Teil-)Satzes zu markieren. Diese Information ist fast immer redundant, weil sie bereits durch die semantische Information des Verbs bzw. der Konjunktion und zudem häufig auch durch den Gebrauch einer subjunktivischen Verbform gegeben wird.

2. Die Partikel de

Eine vergleichende Gegenüberstellung der Sätze Pierre mange des pommes und Pierre ne mange pas de pommes zeigt, daß sich die Determination des Nomens pomme im ersten Satz von der im zweiten, negierten unterscheidet. Es scheint somit ein Zusammenhang zwischen der Negation und der Determination von Nominalphrasen zu bestehen. Das vorliegende Kapitel möchte folgende Fragen hinsichtlich der Analyse von de in diesen Konstruktionen beantworten: Was sind die präzisen Bedingungen für sein Auftreten? Welcher Wortart läßt sich diese Partikel zuordnen? Welche Funktion erfüllt de im System der Sprache? Ist seine Verwendung ausschließlich auf negative Kontexte beschränkt oder findet es sich mit entsprechender Funktion auch in positiven Strukturen wieder? In letzterem Fall muß für den Gebrauch von de eine Erklärung unabhängig von der Negation gefunden werden.

2.1. Die Syntax von de 2.1.1. Für das Auftreten von de relevante Faktoren Die folgenden Beispielsätze zeigen Übereinstimmungen, aus denen sich bestimmte syntaktische Charakteristika der Verwendung von de ableiten lassen (vgl. dazu auch Gaatone 1971, 1992; Muller 1991; Lerot 1974): (1) (2) (3) (4) (5)

Nous ne demandons pas d'hospices. (Muller 1977: 178) Je ne prends jamais de parapluie. (Gaatone 1992: 102) Je n'ai guere de courage. (Petit Robert 1) Le sergent demande: Personne n'a de cigarettes? (Sartre, zitiert nach Gaatone 1971: 104) Aucun verbe de la conjugaison fran9aise n'a de formes diffe'rentes pour ces deux emplois. (H. Bonnard, zitiert nach Gaatone 1971: 104)

Alle Sätze beinhalten eine (syntaktische) Negation. In entsprechenden Strukturen ohne Negation erscheint dagegen kein de;1 vgl.:

1

Hierbei ist zwischen dem alleinigen Gebrauch von de einerseits und dem der mit de gebildeten kontrahierten bzw. zusammengesetzten Artikel du, de la und des zu differenzieren.

42

(6) (7) (8) (9)

Nous demandons des hospices. Je prends toujours un parapluie. J'ai du courage. Le sergent demande: Quelqu'un a des cigarettes?

Ferner ist als Kennzeichen der Konstruktionen mit de zu nennen, daß das Nomen, das de folgt, indefinit oder partitiv spezifiziert ist. Dies wird ebenfalls deutlich, wenn man obige nicht negierte Entsprechungen der Beispielsätze betrachtet (s. (6)-(9)), in denen dem Nomen ein indefiniter bzw. partitiver Artikel vorangestellt ist. N.B. Zwischen den Verwendungen von un / une als indefiniter Artikel und als Zahlwort ist dabei zu differenzieren. Ist der numerische Wert von un relevant, so steht bei Negation kein de; vgl.: (10) (11)

Ne plus dire un mot. *Ne plus dire de mot.

Ist das Nomen als definit gekennzeichnet, so bleibt sein Determinant auch bei Negation erhalten: (12) (13)

Je ne trouve pas le livre (dont tu m'as parlo). *Je ne trouve pas de livre (dont tu m'as parlo).

Semantische Gründe sind für diese Unterschiede in der Verwendung von definitem und indefinitem bzw. partitivem Artikel verantwortlich. Ein indefiniter Determinant kennzeichnet sein Bezugsnomen als innerhalb einer Menge möglicher Referenzen nicht präzise zu bestimmen (vgl. Heldner 1992: 83ff.), ein partitiver als numerisch nicht zu bestimmenden Teil einer solchen Menge möglicher Referenzen. Beide Artikel stellen so eine Beziehung des Nomens zu einer Referenzmenge her. Steht ein in dieser Weise determiniertes Nomen im Skopus der Negation, so ist die Menge seiner möglichen Referenzen insgesamt negiert. In je ne prends jamais de parapluie ist die Menge der Regenschirme, die ich möglicherweise benutze, als Null gekennzeichnet. Der definite Artikel dagegen bleibt unter Negation erhalten, weil das durch ihn spezifizierte Nomen in diesem Fall eine eindeutig zu bestimmende Referenz besitzt und nur seine Relation zum Verb negiert ist. Wenn man also verneint, einen bestimmten Regenschrirm zu benutzen, wie m je ne prends jamais le parapluie (que monfrere m 'a donne) so kann dieser Schirm trotz Negation lokalisiert und quantifiziert, seine Referenz also identifiziert werden. Die Konstituente, in der de auftritt, ist postverbal und direkt konstruiert. Funktional handelt es sich dabei um das direkte Objekt transitiver Verben. In der Position vor dem Verb sowie in von einer Präposition regierten Konstituente ist de dagegen offensichtlich ausgeschlossen (s. Muller 1977: 169; Gaatone 1992: 101); vgl.: (14) (15)

*De parapluie n'a pas e"te" pris par Marie. *Pierre ne s'intoresse pas ä d'hospices.

43 Eine Erklärung fur diese Beobachtung ist darin zu suchen, daß sich de und das ihm nachgestellte Nomen in diesen Fällen nicht im Skopus, d.h. dem semantischen Einflußbereich der Negation befinden, weil deren „Reichweite" durch die Position von de N links von der Negation bzw. die de· vorangestellte Präposition2 blockiert wird. Die festgestellten Charakteristika des Gebrauchs von de können zusammenfassend in Form von Bedingungen formuliert werden: Die Partikel de kann vor Nomina stehen, wenn diese als indefinit oder partitiv spezifiziert sind, wenn sie direkt konstruiert sind, sich in postverbaler Position befinden und in den Skopus der Negation eingeschlossen sind. N.B. Zwei Bemerkungen sollen die Auftretensbedingungen fur de ergänzen: a) Die Formulierung, das de nachgestellte Nomen müsse „direkt konstruiert" sein, ist bewußt gewählt anstelle von „muß als direktes Objekt des Verbs fungieren". Denn, wie Gaatone (1971: 109 ; 1992: 96) bemerkt, kann de auch vor Nomina anderer Funktion stehen, beispielsweise solchen, die Subjekt des Satzes in Inversionsposition sind; vgl.: (16)

Aux variations des prepositions de/du et ä/au ne correspond pas de forme specifique pour les substantifs feminins. (Dubois, zitiert nach Gaatone 1971: 110)

Gaatone (1971: 109f.) nennt als Begründung dieses Phänomens, daß die grammatische Funktion direkt konstruierter nominaler Satzkonstituenten im Französischen in erster Linie durch ihre lineare Ordnung im Satz bestimmt wird. Das inversierte Subjekt wird also aufgrund seiner postverbalen Position „fälschlicherweise" als direktes Objekt interpretiert und erfährt dieselbe Veränderung wie dieses in bezug auf seine Determination. b) Muller (1977: 168ff.) weist daraufhin, daß de auch in der Negation semantisch nahestehenden Kontexten auftreten kann, vgl.: (17) (18)

[...] on trouve rarement de participe prösent se rapportant ä on [...] (Halmoy, zitiert nach Gaatone 1992: 100) Impossible de lui donner c/'äge. (Jouhandeau, zitiert nach Grevisse 1993: §569, c, R. 2)

Eine mögliche Erklärung dafür ist, daß der Gebrauch von de auf diese Kontexte aufgrund ihrer semantischen Ähnlichkeit mit syntaktisch negativen Strukturen ausgedehnt wird, so wie etwa auch nach apres que der Konjunktiv verwendet wird in Analogie zu Konstruktionen mit avant que (s. Grevisse 1993: §1082, a).

2.1.2. Distribution von de Grundsätzlich ist das Auftreten von de in zwei verschiedenen syntaktischen Umgebungen möglich. Der Negationsträger, in dessen Skopus sich das de nachgestellte Nomen befindet, ist entweder de unmittelbar vorangestellt, (19) (20) (21)

Je n'aipos cf espoir. (zitiert nach Muller 1977: 184) II n'est guere de passion sans lütte. (Camus, zitiert nach Grevisse 1993: §607, a) Ne faites-vousyawa/5 de projets d'avenir, mon enfant? (Green, zitiert nach Grevisse 1993: §569, c)

Die diesbezüglich isolierte Stellung von Präpositionalphrasen im Satz wird auch als "Inselphänomen" bezeichnet (Muller 1991: 289).

44 oder der Negationsträger befindet sich durch andere Elemente des Satzes von der Partikel de getrennt vor ihr, (22) (23) (24)

(25)

Personne n'a /'amis. (Grevisse 1993: §569, c) Pas un seul enfant n'a mango de pommes. (Muller 1977: 171) II n'avait cependant rien dit d'extraordinaire. Etait-ce seulement parce que son interlocuteur ne s'attendait plus ä recevoir de roponse? (Robbe-Grillet, Gaatone 1971: 108) Je n'zivaisjamais visite" de mines, je ne savais pas ce que cela supposait d'investissements. (Gaatone 1992: 100)

selten auch danach; vgl.: (26) (27)

Gorard n'a mango de pommes du verger d'aucun paysan. (Muller 1977: 171) Enfm, il n'a montre" de mesquinerie en rien. (Romains, zitiert nach Gaatone 1971: 104)

Daß das de nachgestellte Nomen in den Skopus der Negation eingeschlossen ist, stellt eine der relevanten Bedinungen für das Auftreten von de dar (s. 2.1.1.)· 1° den obigen Beispielsätzen, in denen der Negationsträger dem direkten Objekt nachgestellt ist, erweist sich ne in seiner Funktion als Skopussignal (s. dazu 1.2.2.) als wesentliches Indiz für diesen Einschluß. Die erste Stellungsmöglichkeit unmittelbar vor de ist ausschließlich für die negativen Adverbien gegeben. Gaatone (1992: 99) stellt fest, daß die Adverbien aucunement und nullement von dieser Position ausgeschlossen scheinen. Dennoch gibt er selbst genau dafür ein Beispiel an: (28)

Sans doute il y avait dans l'exage"ration de nos sentiments Tun pour l'autre, comme eüt dit la Fontaine, un peu de faste, mais nullement ifhypocrisie [...] (Gide, zitiert nach Gaatone 1971: 104)

In „Distanz" zur Partikel de können dagegen sowohl negative Adverbien als auch negative indefinite Pronomina und Determinanten stehen.

2.2. Wortart von de

Ergibt eine Analyse typischer Verwendungen von de in negativen Sätzen ein sehr eindeutiges Bild von dessen Syntax, so ist es ungleich schwieriger, den kategorialen Status von de zu bestimmen. In der überwiegenden Anzahl ihres Auftretens ist die Partikel de eine Präposition. Diese Möglichkeit muß auch für die hier thematisierte Verwendung geprüft werden. Die Stellung von de unmittelbar vor einem Nomen legt jedoch andererseits nahe, de in negativen Kontexten der Kategorie der Determinanten zuzuordnen.

45

Für beide Positionen sprechen eine Reihe von Argumenten. Sie sollen im folgenden erläutert und kommentiert werden.

2.2. l. Forschungspositionen In der Literatur finden sich im wesentlichen die beiden obengenannten Grundpositionen. Die Partikel de wird in der thematisierten Verwendung entweder als Determinant,3 bzw. reduzierte Form eines Determinanten,4 oder als Präposition5 analysiert. Beide Ansätze sollen nun anhand der für sie jeweils repräsentativen Darstellungen von Gaatone (1971; 1992) bzw. Gross (1986) erläutert werden.

a. Gross (l986) Adverbiale Negationsträger wie pas, jamais, plus etc. ordnet Gross (1986: 18f.) der Gruppe der „adverbialen Determinanten" des Nomens zu, der - neben den genannten - Adverbien wie beaucoup, peu, trap, assez etc. angehören, die traditionell als Mengen- oder auch Gradadverbien bezeichnet werden.^ Diese Determinanten „enthalten" Gross (1986: 13) zufolge die Präposition de. Von anderen Determinantensubkategorien grenzt er die adverbialen Determinanten durch ihre distributionellen Eigenschaften ab, die er als ..Det de (GN7 + N)" und „Np8 V Det". nicht aber „Det N" beschreibt (Gross 1986: 18). In der Struktur ,.Np V Det'ranalysiert Gross (1986: 39) die Terme beaucoup, pas etc. als Adverbien, wobei diese Verwendung für ihn eine Ableitung aus der als Determinant darstellt. Auf die interne Struktur der Konstituente Det de GN geht Gross nicht ein. Da er aber postuliert, die adverbialen Determinanten enthielten (s.o.) die Präposition de, hat man sie sich in etwa wie folgt vorzustellen:

3 4 5 6

7

8

S. Gaatone (1971), van Deyck (1977), Weinrich (1982), Vikner (1978), Grevissc (1993). S.N0lke(1992). S. Gross (1986), Tesniere (1965), Kalik (1971), Cledat (1901), Guillaume (1919). S. dazu Grammaire Larousse (1964: §§614), Judge/Healey (1983: 293ff.); Klein/Kleineidam (1991: §208), Grevisse (1993: §§943). Im folgenden wird auf diese Adverbien der Einfachheit halber lediglich als „Mengenadverbien" referiert. GN = NP NO = Subjekt

46

Fig. l

(Pierre) mange beaucoup de pommes

b. Gaatone(1971, 1992) Gaatone (1971, 1992) vertritt die Position, daß de in den zitierten Beispielen mit adverbialem Negationsträger ein echter indefiniter Prädeterminant („im veritable prode"terminant indeTmi" (Gaatone 1971: 123)) des Nomens ist. Als solcher gehöre er zur Reihe un, une, de la, du, des und repräsentiere darin die Quantität Null. Eine Unterscheidung der Partikel de vom System der Determinanten sieht Gaatone (1971: 123f.) nur dadurch gegeben, daß die Distribution von de auf die Stellung innerhalb des direkten Objekts des Verbs beschränkt ist. Aus dieser Analyse ergibt sich folgende Konstituentenstruktur fur einen Satz wie Pierre ne mange pas de pommes:

Fig. 2 VP NP

V AdvDet

l

l l

N

l

(Pierre ne) mange pas de pommes

2.2.2. de- Präposition oder Determinant? 2.2.2.1. Argumente pro Präposition Für die von Gross (1986) vorgeschlagene Behandlung der negativen Adverbien als adverbiale Determinanten, die sich in erster Linie auf syntaktische Parallelen zu Konstruktionen mit Mengenadverbien gründet, sprechen folgende Argumente: l. In den folgenden Sätzen (29) (30)

Pierre mange beaucoup de pommes Pierre ne mange pas de pommes

47 verlangt das transitive Verb manger jeweils ein direktes Objekt, d.h. eine direkt konstruierte Nominalphrase. Eine Nominalphrase kann gebildet sein aus einem Pronomen, einem Eigennamen oder einem Nomen mit vorangestelltem Determinanten. Da pommes weder ein Pronomen noch ein Eigenname, sondern ein einfaches Nomen ist, bedarf es zur Bildung einer Nominalphrase eines Determinanten. Folglich muß eine Antwort auf die Frage gefunden werden, welche sprachlichen Formen in den obigen Beispielsätzen Determinant des Nomens pommes sind. In Frage kommen dafür entweder de oder die Adverbien beaucoup bzw. pas. Funktion eines Determinanten ist es, das nachfolgende, also das Bezugsnomen zu spezifizieren. Ein Determinant wie ce spezifiziert das Nomen als definit und im Situationskontext präsent bzw. im Textzusammenhang vorerwähnt, son zeigt ebenfalls an, daß das Bezugsnomen defmit ist, und definiert darüber hinaus die possessive Relation eines singularischen Besitzers der dritten Person zu diesem Nomen. Für de kann in den Beispielsätzen keine entsprechende Funktion festgestellt werden. Eine nähere Bestimmung erfährt das Nomen hier durch die Adverbien, die es in bezug auf seine Quantität spezifizieren. Da die ansonsten im Determinantensystem vorhandenen Genus- und Numerusmerkmale sowohl bei de als auch den Adverbien fehlen, ist darin kein Argument gegen das Zuweisen einer Determinantenfunktion an die fraglichen Adverbien zu sehen, de wäre dieser Analyse zufolge eine Präposition, die den adverbialen Determinanten mit seinem Bezugsnomen verbindet. 2. Als ein weiterer Beleg für eine Analyse der gesamten Gruppe ADV de N als NP-Konstituente können Beispiele gewertet werden, in denen sie von einer Präposition regiert ist, da eine Präpositionalphrase gewöhnlich aus einer Präposition und einer Nominalphrase gebildet ist; vgl.: (31) (32)

Je pre"fere un travail ennuyeux ä pas de travail du tout. (Gaatone 1992: 102) Je m'Interesse ä beaucoup de choses.

Zudem kann die Gruppe bei Ellipse von Subjekt und Verb allein auftreten, was ebenfalls ihre innere Kohäsion zeigt. (33)

Plus de guerres, plus de sang! (Baudelaire, zitiert nach Petit Robert 1)

3. Die von Gross (1986) postulierte Analyse, die de als Präposition behandelt, wird ferner durch ein diachrones Argument gestützt: Die adverbialen Negationsträgerpas und point wie auch einige Mengenadverbien (s. Grevisse 1993: §927) waren in einem früheren Sprachzustand des Französischen Nomina. Die solchen Adverbien nachgestellte Gruppe bestehend aus de und Nomen ist in dieser Perspektive ursprünglich eine nominale Expansion, die durch die Präposition de an das Nomen angeschlossen wird (s. Muller 1977: 189). (34)

Nel tenez a point de faintie. (Dictionnaire de Godefroy, zitiert nach Muller 1977: 189)

48

2.2.2.2. Argumente pro Determinant Anders als Gross trennt Gaatone (1971: 12Iff.) grundsätzlich das Auftreten von de mit Mengenadverb von dem mit adverbialem Negationsträger. Folgende Gründe sprechen für dieses Vorgehen: 1. Eine Gleichbehandlung beider adverbialer Konstruktionen, wie Gross (1986) sie vorschlägt, macht Gaatone (1971: 123) zufolge die Annahme eines zweiten de in Äußerungen wie Personne ne mange de pommes notwendig. In dieser und entsprechenden Konstruktionen kann de nicht die Funktion haben, einen (adverbialen) Determinanten mit dessen Bezugsnomen zu verbinden, und es bedarf folglich einer alternativen Analyse von de. 2. Gaatone (1971: 123) nennt daneben Unterschiede in der Distribution: Kann die Gruppe bestehend aus adverbialem Negationsträger, de und Nomen nur postverbal und direkt konstruiert, also meist als direktes Objekt auftreten, so ist sie mit Mengenadverb auch in anderen Positionen und grammatischen Funktionen möglich, z.B. als Subjekt oder indirektes Objekt; vgl.: - als Subjekt: (35) Beaucoup de gens sont venus. (36) *Pas de gens ne sont venus. Lediglich guere besitzt die Eigenschaft, in der Subjekt-Nominalphrase eines Satzes auftreten zu können (s. Muller 1977: 172): (37)

Guere de gens sont venus.

- als indirektes Objekt: (38) Pierre donne son adresse ä peu de gens seulement. (39) * Pierre ne donne son adresse ä pas de gens. Die oben (s. 2.2.2. l., Punkt 2) aufgestellte Behauptung, die (angenommene) Konstituente Adv de N könne durch eine Präposition regiert werden, muß folglich in bezug auf die negativen Adverbien relativiert werden. Eine solche Distribution ist für die adverbialen Negationsträger offensichtlich nur dann möglich, wenn sie sich ausschließlich auf ein Nomen und nicht auf ein Verb beziehen, was durch das Fehlen von ne markiert ist. Zudem fällt auf, daß pas in allen zitierten Beispielen durch du tout verstärkt wird. Es kann daher angenommen werden, daß die Gruppe pas de... du tout als eine Art komplexer nominaler Determinant fungiert; vgl. die Beispiele von Gaatone (1992: 96): (40) (41)

On pre"fere une socidto fascinante ä pas de socioto du tout. (Finkielkraut) [...] ces mots sont [...] ce qui se rapproche le plus de pas de langage du tout. (Houston)

49 Der fehlende Bezug des Negationsträgers zum Verb ist auch Kennzeichen des Auftretens von guere in einer Subjekt-Nominalphrase sowie der obengenannten elliptischen Konstruktionen mit Ad v de N. 3. Daß de und nachgestelltes Nomen durch en pronominalisiert werden können (Muller 1977: 180), ist aus diachroner Perspektive dadurch zu erklären, daß de N ursprünglich als modifizierende Expansion eines Nomens9 fungierte und damit eine Präpositionalphrase war. Synchron muß diese Pronominalisierung jedoch in Zusammenhang damit gesehen werden, daß en nicht nur Präpositionalphrasen mit de (42), sondern auch Nominalphrasen mit partitiver Spezifikation (43) vertreten kann;10 vgl.: (42) (43)

Pierre parle de sä nouvelle voiture. - Pierre en parle a Marie. Voilä du pain. - J'en prends un.

4. Ein weiteres Argument für eine getrennte und unterschiedliche Behandlung von quantitativen und negativen adverbialen Strukturen bilden Sätze mit zusammengesetzter Verbform;11 vgl.: (44) (45)

Pierre a mango beaucoup depommes. *Pierre n'a mango pas de pommes.

(46)

Pierre n'a pas mango de pommes.

Das negative Adverb steht bei zusammengesetzter Verbform obligatorisch nach dem Auxiliar und vor dem infiniten Verb, hier dem Vergangenheitspartizip. Die Mengenadverbien können dagegen nach dem infiniten Verb stehen, fakultativ auch davor (vgl. Gross 1986: 43). Die beiden Adverbklassen zeigen hier ein unterschiedliches syntaktisches Verhalten. Zudem kann pas in (46) nicht im Determinanten des Nomens pommes „enthalten" sein, möchte man nicht eine diskontinuierliche Det-Konstituente annehmen. Wie im Fall der Strukturen mit personne, rien etc. sind der Negationsträger und die Gruppe de N hier durch andere Satzelemente getrennt. Dieser Befund spricht gegen eine Analyse von negativem Adverb, de und Nomen als einer nominalen Konstituente, denn auf die lineare Struktur von Nominalphrasen hat die Verbform keinen Einfluß. 5. Die unterschiedliche Syntax der hier behandelten Konstruktionen mit entweder adverbialem Negationsträger oder Mengenadverb zeigt sich in weiteren Beobachtungen. a) In der Verwendung mit negativen, nicht aber mit quantitativen Adverbien können de und nachgestelltes Nomen topikalisiert werden (Milner 1978: 38); vgl.:

9

S. 2.3.2.1., Punkts. S. dazu Grevisse (1993: §§650). 1 ' Mit dem Begriff „zusammengesetzte Verbform" werden hier und im folgenden zusammenfassend verbale Auxiliar- und Semiauxiliarkonstruktionen zur Bildung des Passivs, der zusammengesetzten Tempora und aspektueller Verbalperiphrasen wie aller faire qqc, venir de faire qqc etc. bezeichnet. 10

50

(47) (48) (49)

De livres, je n'en ai guere. (Milner 1978: 38) De pommes, personne n'en a mango. (Muller 1977: 180) *De livres, j'en ai lu beaucoup.

b) Zwischen adverbialem Negationsträger und de N können zudem eine Reihe von Adverbien und adverbialen Wendungen stehen, wie Muller (1977: 172) bemerkt. Auch darin sind sie von den Mengenadverbien verschieden; vgl.: (50) (51) (52)

Gorard ne mange guere souvent de pommes. (Mullerl977: 172) H n'y a pas a proprement parier de solution. (Muller 1977: 172) *I1 y a beaucoup ä proprement parier de solutions.

2.2.2.3. Konklusion Die Mehrheit der genannten Argumente spricht für eine getrennte Behandlung der Konstruktionen mit entweder adverbialem Negationsträger oder Mengenadverb. Mengenadverb, de und Nomen bilden eine Nominalphrase, wie ihr syntaktisches Verhalten zeigt. Die Analyse der quantitativen Adverbien in dieser Distribution als adverbiale Determinanten ist semantisch und syntaktisch motiviert. Die Partikel de ist hier kategorial eine Präposition, die adverbialen Determinant und Nomen verbindet und auf der Ebene der Konstituenz innerhalb der komplexen Det-Konstituente erzeugt wird. Anders verhält es sich im Fall der negativen Adverbien. Zwar besteht ein semantisches Determinationsverhältnis zwischen ihnen und dem de nachgestellten Nomen, syntaktisch ist das Adverb jedoch nicht Teil der nominalen Konstiuente, wie die zahlreichen Beispiele im Satz getrennter Verwendungen zeigen. Als Determinant scheint hier vielmehr de zu fungieren. Diese These wird zusätzlich durch folgende Beobachtungen gestützt: a) In der Verwendung mit negativem Adverb kommutiert de mit Determinanten; mit quantitativem Adverb ist dies nicht möglich; vgl.: (53) (54)

Je n'ai pas d'oiseaux. J'ai beaucoup d'oiseaux.

(55) (56)

Je n'ai pas ces oiseaux. *J'ai beaucoup ces oiseaux.12

b) Andererseits kann nach quantitativem Adverb und de ein Determinant stehen, nicht jedoch nach negativem und de:

Mit einem anderen Verb wie z.B. aimer wäre eine solche Bildung zwar auch für beaucoup möglich, s. J'aime beaucoup ces oiseaux, das Mengenadverb modifiziert dann jedoch ausschließlich das Verb und nicht, wie in obigen Beispielen, auch das Nomen.

51

(57) (58)

J'ai beaucoup de ces oisaux. *Je n'ai pas de ces oisaux.

c) Zudem tritt de nur im negativen Satz auf, wenn ein Determinant auch im entsprechenden positiven enthalten ist (Gaatone 1992: 97), von dem abgeleitet man den negativen gewöhnlich begreift; vgl.: (59) (60)

J'ai faim. - Je n'ai pas faim. (Gaatone 1992: 97) * Je n'ai pas de faim.13

N.B. Im klassischen Französisch gab es noch die Gegenüberstellung von avoir lieu -n'avoir point de lieu, savoir gre - ne point savoir de gre (Muller 1977: 189).

Alle drei Befunde - Kommutieren mit Determinanten, Inkompatibilität mit Determinanten, Fehlen in artikellosen Konstruktionen - sprechen dafür, daß de in der Distribution mit negativem Adverb kategorial ein Determinant ist. Zugleich unterstützen die entsprechenden Daten die Analyse von de als Präposition in Verbindung mit quantitativen Adverbien, mit denen sie nominale Determinanten bilden. Die negativen Adverbien beziehen sich semantisch zwar ebenfalls auf das nachfolgende Nomen, anders als die Mengenadverbien modifizieren sie aber in der Regel zugleich auch das Verb, wie in diesen Fällen das Auftreten von ne zeigt (s. Kapitel 1). Daher und aufgrund ihrer häufig von de und Nomen getrennten Verwendung können sie nicht Determinant des Nomens sein. Werden sie jedoch ohne Verbindung zum Verb gebraucht - in elliptischen Konstruktionen, nach Präposition oder im Falle von guere als Teil des Subjekts - so ist ihre Analyse der der quantitativen Adverbien anzunähern.14 Den Status von de als Determinant betreffend sind jedoch einige Einschränkungen zu formulieren. Entgegen Gaatone postuliere ich, daß de kein „echter indefiniter Prädeterminant des Nomens" der Reihe un, une, de la, du, des ist (1971: 123f.), sondern ein Determinant, der exklusiv dem syntaktischen System der Negation angehört und den man insofern als negativen Determinanten bezeichnen kann. Dabei erfüllt de eine Spezifizierungsfunktion, die weder definit noch indefinit, sondern direkt aus der Zugehörigkeit zu diesem System abzuleiten ist (s. 2.3.) Gegenüber den anderen Determinanten weist de ein stark reduziertes Merkmalsparadigma auf, da es, wie bereits angesprochen, weder Genus- noch Numerusmarkierung besitzt. Auch seine Distribution ist vergleichsweise eingeschränkt, weil de nur in direkt konstruierten postverbalen Konstituenten stehen kann. Die folgenden k-Strukturen sollen die erläuterten Unterschiede zwischen quantitativen und negativen Adverbien sowie dem jeweiligen kategorialen Status von de noch einmal veranschaulichen:

13 14

Eine entsprechende Bildung mit beaucoup existiert nicht. Sie wird ersetzt durch avoir ires faim. Rowlett (1996: 84) analysiert pas auch in verbhaltigen Sätzen mit einem direkten, durch de spezifizierten Objekt als nominalen Determinanten. Er nimmt an, daß pas in diesen Fällen als Konstituente pas de N in Objektposition basisgeneriert ist.

52 Fig. 3

V

ADV

P

N

Pierre mange beaucoup de pommes.

Fig. 4

V

ADVP

NP

l A

PN CL V ADVDet N l l l l l l Pierre ne mange pas de pommes.

2.3. Funktion von de Wie bereits festgestellt (s. 2.2.2.1., Punkt 1), leistet der Negationsträger die semantische Spezifizierung des Bezugsnomens von de. Sie bezieht sich auf die Quantität des Nomens, nicht auf dessen Qualität (Gaatone 1992: 101). Dieser Befund ist durch Fälle zu belegen, in denen de nicht verwendet werden kann; vgl: (61) (62)

Pierre n'est pas un voleur. *Pierre n'est pas de voleur.

(63) (64)

Pierre ne mange pas du pain, mais du gäteau. *Pierre ne mange pas de pain, mais de gäteau.

Die als prädikative Ergänzung fungierende Nominalphrase in (61) wie auch die durch die Negation kontrastierten Objekte in (63) dienen semantisch der Bezeichnung der Qualität des Subjekts bzw. des Objekts. Zur prädikativen Ergänzung merkt Muller (1977: 178) an,

53

daß ihre Quantität deshalb nicht negiert sein kann, weil sie sich auf das Subjekt bezieht, dessen positive Quantität präsupponiert ist. Dasselbe gilt für die kontrastierten Objekte in (63): Wann immer die Qualität Q einer Person oder Sache bezeichnet wird, ist deren Quantität notwendig positiv vorausgesetzt, d.h. größer als Null. Die Qualität einer leeren Menge kann nicht bestimmt werden, bzw. - anders formuliert - die Menge der Objekte, die die Qualität Q haben, wäre hier leer. Daher sind Nomina in Funktionen wie den in (61) und (63) realisierten mit einer negativen Spezifizierung ihrer Quantität inkompatibel: Der negative Determinant de tritt nicht vor ihnen auf. Die Funktion von de in bezug auf sein Bezugsnomen ist also nicht unmittelbar eine spezifizierende: Der Negationsträger bestimmt die Quantität des Nomens als Null. Jedoch markiert de diese quantifizierende Funktion des Negationsträgers in bezug auf das Nomen. Seine Verwendung oder Nicht-Verwendung ist in einigen Fällen distinktiv; vgl.: (65) (66) (67)

On n'a pas d'enfants expres. - On n'a pas des enfants expres. (Gaatone 1992: 98) Le chömage augmente. Le gouvernement ne voit pas de probleme plus grave. - Le gouvernement ne voit pas des problemes plus graves. (Gaatone 1992: 98) Les experiences n'ont pas de rosultats concluants. - La manreuvre n'a pas eu des rosultats brillants. (Gaatone 1971: 115)

Die deutsche Übersetzung des ersten Beispielpaares macht den Bedeutungsunterschied deutlich: (68)

Wir haben absichtlich keine Kinder. - Kinder hat man nicht absichtlich.

Im ersten Satz geht es jeweils darum, daß es etwas nicht gibt: keine Kinder, keine Resultate, keine Probleme. Im zweiten Satz, in dem das direkte Objekt nicht durch de , sondern als indefinit spezifiziert ist, wird seine Existenz nicht in Frage gestellt. Dort wird lediglich die durch die jeweilige Verbsemantik definierte Relation zwischen Verb und Objekt negiert, im ersten dagegen das Objekt selbst, genauer seine Quantität: Die Verwendung von de signalisiert, daß sein Bezugsnomen in den Skopus der Negation eingeschlossen ist, sich also in deren semantischem Einflußbereich befindet. Daher kann man de ein Spezifikationsmerkmal mit dem Wert „Quantität Null" zusprechen. In einem oberflächenorientierten Grammatikmodell wie der LFG kann nicht angenommen werden, daß de einen indefiniten oder partitiven Artikel „ersetzt", wie dies beispielsweise Gaatone (1971: 101) tut, der explizit von einer entsprechenden „Transformation" spricht. Denn dafür müßte die Existenz einer syntaktischen Struktur vorausgesetzt werden, die von der sprachlich realisierten Satzstruktur verschieden ist. Die obige Analyse macht deutlich, daß vielmehr von einer gewissen Nähe des Determinanten de zu indefiniten und partitiven Artikeln gesprochen werden kann, die durch seine Spezifikationsfunktion bedingt ist. Da de die Quantität seines Bezugsnomens als Null spezifiziert, ist dieses gleichzeitig auch als indefinit gekennzeichnet, da innerhalb einer leeren Menge nicht auf ein spezifisches Objekt referiert werden kann. Nun kann auch eine Antwort auf die eingangs formulierte Frage gegeben werden, ob de mit entsprechender Funktion auch in positiven Strukturen auftreten kann: Als redundantes

54

Kennzeichen der Negation mit der eben erläuterten Funktion ist die Verwendung von de eindeutig auf negative Kontexte beschränkt.15

2.4. Lexikalisch-funktionale Repräsentation von de Die LFG erlaubt es, die festgestellten Charakteristika des negativen Determinanten de bezüglich Wortart, Distribution und grammatischer Funktion in adäquater Weise zu erfassen. Wortart und Spezifikationsfunktion von de werden als lexikalische Eigenschaften in seinem Lexikoneintrag repräsentiert; vgl.: (69)

/de/Det, (tSPEC) = QUANT ZERO

Er ist zu lesen als: „de ist ein Determinant mit dem Spezifikationsmerkmal 'Quantität Null'." Als Determinant wird de in der Expansion von Nominalphrasen erzeugt, die aus Determinant und Nomen gebildet sind:

Rl

NP



Det

N

t=4

t=l

Die Beschränkungen, denen das Auftreten von de unterliegt, sind auf Forderungen zurückzuführen, die dem Determinanten inhärieren und auf der Ebene der Konstituenz wirksam werden. Sie sind somit ebenfalls in seinem Lexikoneintrag verankert. Es ist die Forderung nach einem Negationsträger16 und die nach dem Auftreten in einer postverbalen Konstituente: (69)

/de/Det, (TSPEC) = QUANT ZERO (tPOSTVERB) =c + (T{SUBJ|OBJ|OBL|ADJ|MOD} NEG) =c +.

Die fordernde Gleichung „NEG =c +" verlangt die Präsenz des entsprechenden Merkmals „NEG = +", durch das Negationsträger gekennzeichnet sind. Die Forderung nach dem Auftreten in postverbaler Konstituente wird durch ein konstruktionsspezifisches Merkmal erfüllt, repräsentiert durch eine funktionale Annotation in der Regel zur Expansion von Verbalphrasen mit transitivem Verb; vgl.: 15

16

Von dem de, das in gehobenem Register als Determinant komplexer plural ischer Nomina mit pränominalem Adjektiv auftritt - vgl. De jolies maisons blanches qu'entourent des bosquets (Vigny, zitiert nach Grevisse 1993: §569, a) - unterscheidet sich der negative Determinant de schon allein syntaktisch dadurch, daß er auch mit singularischem Bezugsnomen stehen kann sowie durch die Beschränkung seines Auftretens auf das in postverbalen direkt konstruierten Konstituenten. Zur hierbei notwendigen Definition von Pfaden s. 1.2.1.

55 R2

VP



V

T=l

NP

(toßj)= 4 (tPOSTVERB) = +

Mit diesem Merkmal ist nur die Nominalphrase annotiert, die die grammatische Funktion eines direkten Objekts realisiert; vgl.: R3

R4

S1

VP

->

VP

NP (tSUBJ)= 4 V

t=4

PP* 4 (tADJ)

NP

t=4 (tNCOMP)=4 Dadurch wird erfaßt, daß de nicht Determinant solcher Nominalphrasen sein kann, die eine andere Funktion als die des direkten Objekts erfüllen, also etwa nominale prädikative Ergänzung oder Subjekt sind wie in (70): (70)

*De pommes ne sont pas mangoes par les enfants.

Der Determinant de unterscheidet sich damit in bezug auf seine lexikalischen Eigenschaften signifikant von anderen Determinanten. Er teilt mit diesen lediglich die Spezifikationsfunktion; vgl.: (69)

/de/Det, (tSPEC) = QUANT ZERO (TPOSTVERB) =c + (T{SUBJ|OBJ|OBL|ADJ|MOD} NEG) =c +.

(71)

/un/Det, (TSPEC) = 1NDEF (TGEN) = MAS (tNUM) = SG.

Wie bereits bemerkt, ist de bezüglich Genus und Numerus nicht markiert und damit hinsichtlich der Kongruenz mit seinem Bezugsnomen nicht beschränkt. Auf der Ebene der Konstituenz unterscheidet sich eine Nominalphrase in Objektfunktion, die durch de spezifiziert ist, nicht von einer Nominalphrase mit anderem Determinanten; vgl. die folgenden Skizzen von k-Strukturen für (72) und (73):17 (72) (73)

On n'a pas d'enfants expres. On n'a pas des enfants expres.

Diese Beispiele nehmen (65) wieder auf.

56 Fig. 5

Fig. 6

V ADVP NP

I AN

V ADVP NP

'ADVP

ADV Det

I AN

I

ADV Det

ADV

On n' a pas d' enfants expres.

ADVP

I

ADV

On n' a pas des enfants expres

Die Funktion von de, die Quantität seines Bezugsnomens als Null zu spezifizieren, wird dagegen auf funktionaler Ebene sichtbar. Sie ist dann relevant, wenn sie disambiguierend wirkt, da die f-Struktur als Eingabe an die Semantik fungiert; vgl. die f-Strukturen von (72) und (73):18 (72) On n'a pas d'enfants expres.

Fig. 719 SUBJ

Fig. 8 PRED 'Pro' PERS 3 NUM SG

NE + PRED 'Avoir (SUBJ) (OBJ)1

MOD [PRED Tas'~] LNEG + J OBJ

MOD

18

(73) On n'a pas des enfants expres.

PRED SPEC GEN NUM [PRED

SUBJ

PRED 'Pro' PERS 3 NUM SG

NE + PRED 'Avoir (SUBJ); (OBJ)' \^~'

MOD PRED 'Pas|_NEG

'Enfant' QUANT ZERO MAS PL

OBJ

'ExprosJ

MOD

PRED 'Enfant' SPEC INDEF GEN MAS NUM PL pRED

'Expres'

Zu Analyse und Repräsentation \onpas s. Kapitel 4. W Diese f-Struktur verstößt gegen das Wohlgeformtheitsprinzip der Kohärenz, da sie zwei Modifikatorfunktionen mit unterschiedlichen Werten enthält. Die korrekte funktionale Repräsentation des Auftretens von mehr als einem Modifikator ist die als Menge von Modifikatoren, d.h. innerhalb einer MOD-Funktionsklammer. Die Darstellungen in Fig. 7 und Fig. 8 sind hier jedoch aus Gründen der Anschaulichkeit bewußt gewählt, um den jeweiligen semantischen Bezug der modifizierenden Adverbien zu verdeutlichen.

57

2.5. Zusammenfassung der Ergebnisse Die Partikel de ist in ihrem Gebrauch in Verbindung mit einem Negationsträger kategorial ein Determinant. Sie ist der Partikel ne vergleichbar, da sie - begründet durch eine entsprechende lexikalische Eigenschaft - wie ne ausschließlich in syntaktisch negativen Strukturen auftritt, ohne selbst negative Bedeutung zu haben. Daraus ist die spezifische, wenngleich meist redundante Funktion von de im System der Negation abzuleiten: Da der Determinant de nur auftritt, wenn sein Bezugsnomen in den Skopus der Negation integriert ist, markiert seine Präsenz umgekehrt diese Integration. Dies drückt sich in seinem Spezifikationsmerkmal aus, das dem Bezugsnomen die Quantität Null zuspricht. Anders als im Fall der klitischen Form ne ist der Gebrauch von de nur in seltenen Fällen obligatorisch (s. Gaatone 1971: 101 ff.). Dieser Unterschied erklärt sich dadurch, daß eine Verbkonstituente ohne ne die Kongruenz mit Negationsträgern verletzt, während es diese Kongruenzbeziehung bei nominalen Konstituenten nicht gibt. Bezüglich seiner lexikalischen Eigenschaften unterscheidet sich der Determinant de signifikant von anderen Determinanten, mit denen er nur das Spezifikationsmerkmal teilt. Entsprechendes gilt für seine Distribution, die auf Nominalphrasen beschränkt ist, die (meist) als direktes Objekt des Verbs fungieren. Auch diese Beschränkung ist auf spezifische Eigenschaften des Determinanten de zurückzuführen.

3. Negative Pronomina und Determinanten

Gegenstand dieses Kapitels sind die Negationsträger personne, rien, aucun, pas un und nul. Es stellt ihre Verwendung als Pronomina und Determinanten dar und diskutiert Spezifika ihrer Distribution. Für die thematisierten Lexeme wird eine Behandlung entwickelt, die negative wie nicht negative1 Pronomina und Determinanten gleichermaßen erfaßt und dabei Übereinstimmungen und Differenzen ihrer Syntax deutlich macht.

3.1. Problematik des Pronomenbegriffs Die Wörter personne, rien, aucun, pas un und nul werden aufgrund ihrer Distribution und Funktion üblicherweise den lexikalischen Kategorien Pronomen und Determinant zugeordnet, wobei personne und rien ausschließlich als Pronomina ((1), (2)), aucun, pas un und nul dagegen sowohl als Pronomina ((3)-(5)) als auch als Determinanten ((6)-(8)) auftreten können; vgl: (1) (2) (3) (4) (5)

(6) (7) (8)

D'oü vient que personne en la vie n'est satisfait de son e"tat? (La Fontaine, zitiert nach Petit Robert 1) II faut choisir de faire cela ou rien. (Camus, zitiert nach Petit Robert 1) De toutes vos raisons, aucune ne me convainc. (Grevisse 1993: §710) Ce fut pour entamer la sorie des maladies d'enfance. II semblait qu'il n'eüt ochappe" ä pas une. (D. Boulanger, zitiert nach Grevisse 1993: §714, c) Nulle, parmi les femmes fran9aises, n'a possode" ä ce degro l'imagination et l'esprit. (Sainte-Beuve, zitiert nach Grevisse 1993: §982, b) Aucun homme n'est irrempla9able. (Grevisse 1993: §608, a) Pas un muscle de son visage ne bougeait. (Bernanos, zitiert nach Gaatone 1971: 179) Nul homme n'en sera exempto. (Petit Robert 1)

Wesentliches Kennzeichen der Pronomina ist ihre Verweisfunktion (s. Bußmann 1983: 414). So stellen die Personalpronomina eine deiktische Beziehung zu einem Referenten, Demonstrativpronomina daneben auch eine anaphorische oder - seltener - kataphorische Beziehung zu einem Nomen oder einer nominalen Gruppe her, das bzw. die als ihr Antezedens fungiert. Statt „nicht negativ" wird - des kürzeren Ausdrucks halber - in der Folge auch von „positiv" gesprochen, obwohl diese Bezeichnung sachlich nicht korrekt ist: Sprachliche Einheiten können in bezug auf Negativität nur markiert oder nicht markiert sein. Es gibt somit keine „positiven" Lexeme, Konstituenten, Sätze usw., sondern nur fehlende Markiertheit von Lexemen, Sätzen etc. bezüglich Negativität.

59

Die Verweisftinktion der negativen Indefinita ist weder deiktisch noch anaphorisch oder kataphorisch: In den obigen Beispielen (1) und (2) haben personne und rien keinen Antezedenten. Was aucun, pas un und nul betrifft ((3)-(5)), so beziehen sie sich zwar offensichtlich jeweils auf eine Nominalphrase in demselben oder dem vorhergehenden Satz, wie auch die Genuskongruenz belegt. Zwischen dieser Nominalphrase und dem Pronomen besteht jedoch keine Referenzidentität, wie das bei den Demonstrativ- und Personalpronomina der Fall ist. Referenzidentiät kann es im Fall der Indefinita, ob negativ oder nicht, nicht geben, da ihr Denotatum gattungsspezifisch indefinit und somit nicht zu identifizieren ist. Die Indefinita verweisen dagegen auf eine Menge möglicher Referenzen, und die negativen geben an, daß diese Menge gleich Null ist. Wie andere Pronomina auch haben die negativen Indefinita dieselbe Distribution und realisieren die gleichen grammatischen Funktionen wie Nominalphrasen, d.h. sie können als Subjekt (9), Objekt (10), Obliquus (l 1) und Adjunkt (12) auftreten; vgl. dazu die folgenden Sätze, bei denen einem Beispiel für die Verwendung der negativen Indefinita jeweils eines gegenübergestellt ist, in dem Position und grammatische Funktion des indefiniten Pronomens durch eine Nominalphrase realisiert sind: (9) (10)

(11)

(12)

Nul ne peut etre arbitrairement dotenu. (Constitution de la Ve Röpublique, zitiert nach Grevisse 1993: §711) - Un criminel peut etre arbitrairement dotenu. II n'y en a probablement pas un qui ne soit en train de suivre un itinoraire personnel [...] (Romains, zitiert nach Gaatone 1971: 179) - II y en a probablement des gens qui sont en train de suivre un itinöraire personnel. Je lui ai fait promettre de ne rapporter ä personne ce qui s'e"tait passö entre nous [...] (Bernanos, zitiert nach Gaatone 1971: 161) - Je lui ai fait promettre de rapporter ä ma mere ce qui s'e"tait passd entre nous. Se deYanger pour rien. (Petit Robert l) - Se doranger pour de argent.

Des weiteren können die negativen Indefinita nicht, wie ein Nomen (13), durch Determinanten und adnominale Adjektive spezifiziert werden (s. (14)). Auch diese Eigenschaft teilen sie mit den anderen Pronomina (15), (16); vgl.: (13) (14) (15) (16)

Le petit enfant regarde la . *Le petit personne regarde la *Le petit quelqu'un regarde la *Le petit celui/qui regarde la

. . .

3.2. Bereichsbegrenzungen 3.2.1. Adjektivische Expansionen der indefiniten Pronomina Statt eines attributiv gebrauchten Adjektivs können die negativen Indefinita mit Ausnahme von nul eine Adjektivphrase mit der Präposition de anschließen; vgl.:

60

(17) (18) (19) (20)

Vous n'avez personne de serieux ä me recommander? (Romains, zitiert nach Petit Robert 1) II faut faire une Edition critique de ce roman, car aucune (ou pas une) de serieuse n'a paru jusqu'ä present. (Grevisse 1993: §352, b) Rien d'etonnanl si vous etes malades. (Petit Robert l) C'otait moi que vous veniez voir? - Vous et nul autre. (Romains, zitiert nach Gaatone 1971: 181)

Diese Eigenschaften teilen sie mit einigen, aber nicht allen2 positiven Indefinite; vgl.: (21) (22)

Je vais vous prosenter ä M. Roche, c'est quelqu'un d"important. (Klein/Kleineidam 1991:§141) Les vacances, c'est quelque chose d'agreable. (Klein/Kleineidam 1991: §141)

Diese Eigenschaft ist ein syntaktischer Reflex der Semantik der indefiniten Pronomina: Die Indefinita referieren auf ein unbestimmtes Individuum oder Objekt aus einer Referenzmenge bzw. sie negieren im Fall der negativen Indefinita diese Referenzmenge insgesamt. Diese Semantik der Indefinita korreliert mit ihrer Modifizierung mittels eines durch de angeschlossenen Adjektivs: quelqu'un de serieux bedeutet Jemand aus der Menge derjenigen Individuen, die ernsthaft sind", personne de serieux bedeutet „niemand aus der Menge derjenigen Individuen, die ernsthaft sind". Die Pronomina sind insgesamt durch starke Kontextabhängigkeit gekennzeichnet. Beispielsweise sind Personalpronomina als deiktische Ausdrücke situationsabhängig: Auf wen „ich" oder „du" referiert, ist ausschließlich mit Bezug auf die jeweilige Sprechsituation zu beantworten. Demonstrativpronomina andererseits können daneben auch vom Kontext abhängen, d.h. präziser von ihrem Antezedenten, auf den sie verweisen. Für die Indefinita ist, wie bereits festgestellt, eine solche Abhängigkeit bzw. eine entsprechende Verweisfunktion nicht in derselben Weise gegeben. Der Bereich ihrer möglichen Referenz kann über die thematisierte Konstruktion mit einer Adjektivphrase jedoch näher spezifiziert und damit eingeschränkt werden. Die Adjektivphrase leistet damit damit eine Bereichsbegrenzung3 der möglichen Referenz des Indefmitums. N.B. Eine alternative Analyse der beschriebenen Konstruktion wäre, daß es sich in den beschriebenen Konstruktionen um substantivierte Adjektive handelt (Klaus von Heusinger, persönliche Mitteilung) und de serieux etc. damit ebenfalls (s.u. 3.2.2.) nominale Expansionen der Indefinita darstellen. Dagegen spricht jedoch, daß eine Modifikation mit Gradadverbien wie tres, plus etc. möglich ist (rien de tres interessant, personne de plus serieux), was eine typisch adjektivische bzw. adverbiale Eigenschaft darstellt und Nomina nicht möglich ist.

2

3

So können beispielsweise die Indefinita un, chacun, certains nicht in dieser Weise modifiziert werden, s. auch 3.4.1. Die Anregung zu dieser Analyse verdanke ich Klaus von Heusinger.

61

3.2.2. Nominale Expansionen der indefiniten Pronomina Die Negationsträger pas un und aucun können neben Adjektiv- (s. (18)) auch Nominalphrasen mit de anschließen; vgl.: (23) (24) (25) (26)

Je ne connais aucun de ses amis. (Petit Robert 1) Mais aucune des nations d'Europe ne m'intiresse. (Larbaud, zitiert nach Gaatone 1971:174) [...] c'ötait rassurant de se dire que pas une de ses intonations, jamais, ne se modifierait. (Beauvoir, zitiert nach Gaatone 1971: 179) C'est tout autre chose de faire marcher neuf personnages [...] en sorte que pas un de leurs mouvements concertos soit intuile. (Claudel, zitiert nach Grevisse 1993: §982)

Solche Expansionen durch Nominalphrasen sind auch bei anderen Pronomina wie chacun, certains etc. möglich (s. Grevisse 1993: §§705); vgl.: (27) (28)

Certains de ces suffixes sont ä peu pres abandonnös. (Brunot, zitiert nach Grevisse 1993: §716) Une pause söparait chacun des cris. (Gautier, zitiert nach Grevisse 1993: §717)

Funktional sind die durch de angeschlossenen Nominalphrasen Modifikatoren der Pronomina. Sie leisten, analog zu den oben besprochenen Adjektivphrasen, ebenfalls eine Begrenzung des Bereichs der möglichen Referenz der Pronomina. Daß diese Konstruktion nur pas un und aucun möglich ist, nicht aber den anderen negativen Indefmita, ist durch ihre semantischen Eigenschaften zu begründen: pas un und aucun negieren wie die negativen Indefinita personne, aucun und nul die Menge ihrer möglichen Referenzen insgesamt. Sie implizieren jedoch im Unterschied zu diesen eine Fokussierung auf die einzelnen Elemente dieser Menge. So ist aucun de ses amis zu umschreiben als „kein einzelnes Individuum aus der Menge derjenigen Individuen, die seine / ihre Freunde sind". Diese Eigenschaft erlaubt die gezeigte Konstruktion, in der die Präposition de eine partitive Funktion hat, die der in nominalen Konstruktionen des Typs un kilo depommes etc. vergleichbar ist. Auffällig ist, daß pas un, aucun, chacun etc. in der Konstruktion mit nominaler Expansion auch auf Unbelebtes referieren können (s. Bsp. (24)-(28)), während sie ansonsten in ihrer Referenz auf belebte Objekte beschränkt sind. Dieses Phänomen ist evtl. dadurch zu erklären, daß dieser Gebrauch der Indefinita ihrer Verwendung als Determinant anzunähern ist, der hinsichtlich Belebtheit keiner Beschränkung unterworfen ist.

3.3. Positive Verwendung Die negativen indefiniten Pronomina und Determinanten besitzen neben dem Ausdruck der Negativität einen positiven Bedeutungsrest bzw. eine positive Bedeutungskomponente. Wird die Negativität durch einen entsprechenden Kontext „abgezogen", so ist die positive

62

die alleinige Bedeutung dieser Pronomina und Determinanten. Sie dienen dann als stilistische Varianten ihrer positiven Entsprechungen quelqu'un, quelque chose, tout le monde etc.; vgl.: (29) (30) (31) (32) (33)

II n'est pas question que personne meure. (J.-R. Bloch, zitiert nach Petit Robert 1) Je vous rends responsable si rien s'obruite dans la presse. (Barres, zitiert nach Grevisse!993:§731) Le caporal Aubry ovitait de parier ä aucun des officiers. (Stendhal, zitiert nach Grevisse 1993: §710) Vous avez sürement beaucoup plus d'esprit que pas un de nous autres. (Montherlant, zitiert nach Grevisse 1993: §714) Vous etes ä l'äge oü un homme peut s'accorder une amie sans que nul y trouve ä redire. (F. de Curel, zitiert nach Petit Robert 1)

Muller (1991: 339) bemerkt, daß der positive Gebrauch der negativen Pronomina und Determinanten auf verbhaltige Äußerungen beschränkt ist und sie bei Verbellipse stets negativ interpretiert werden. Diese Beobachtung belegt erneut, daß ne die Funktion eines Negationssignals hat. Nur das Auftreten der negativen Pronomina und Determinanten bei gleichzeitigem „sichtbarem" Fehlen von ne stellt eine markierte im Sinne von untypischer nicht negativer Verwendung dar. In verblosen Äußerungen kann ne als klitische Form dagegen per definitionem nicht stehen. Allerdings gehört diese positive Verwendung der Pronomina und Determinanten einer literarischen, leicht archaisierenden Stilebene an, und allenfalls der Gebrauch von aucun mit positiver Bedeutung ist noch geläufig. Muller (1991: 310, Auslassungen von mir) formuliert entsprechend: „[...] le fransais e"volue plutöt vers l'olimination progressive des emplois positifs [...] done vers une specialisation morphosyntaxique des mots ne~gatifs." Die positive Verwendung von negativen Pronomina und Determinanten ist diachronisch dadurch zu erklären, daß die betreffenden Negationsträger ursprünglich Nomina mit positiver Bedeutung waren. So hat sich beispielsweise rien aus lat. rem, „Sache", gebildet und erst im Laufe der Zeit in der von Muller angesprochenen Weise morphosyntaktisch auf seine Funktion als Negationsträger spezialisiert. Dabei ist die Verwendung mit positiver Bedeutung allmählich zurückgegangen und wurde gleichzeitig immer stärker stilistisch markiert. Für diesen Gebrauch der negativen Indefinita gelten somit zahlreiche Einschränkungen, auf deren Formulieren ich im Rahmen dieser Arbeit verzichten möchte, da meine Untersuchung sich auf das heutige Standardfranzösisch bezieht.

3.4. Lexikalisch-funktionale Repräsentation der negativen Pronomina und Determinanten Aus den erläuterten Eigenschaften der negativen Indefinita, in Distribution und grammatischer Funktion einer Nominalphrase zu entsprechen, ergeben sich grundsätzlich zwei mögli-

63

ehe Behandlungen für die negativen indefiniten Pronomina: Sie können entweder direkt als Nomen bzw. Nominalphrasen in das Lexikon eingetragen sein. Oder die negativen Indefmita sind lexikalisch Pronomina und werden erst auf der Ebene der Konstituenz durch eine k-Regel als Nominalphrasen abgeleitet. Bei der ersten Möglichkeit wird keine gesonderte k-Regel zur Erzeugung der Indefmita notwendig, sie werden direkt durch diejenigen k-Regeln erfaßt, die Nomina bzw. Nominalphrasen ableiten. Gegen eine Behandlung der Indefinita als lexikalisch gegebene Nominalphrase spricht, daß das fakultative Auftreten adjektivischer Expansionen, das eine Besonderheit der Indefinita darstellt (s. 3.2.1.), nur sehr umständlich behandelt werden kann. Denn von der entsprechenden k-Regel zur Ableitung von Nominalphrasen, die aus einer Nominal- und einer Adjektivphrase gebildet sind, müßten alle diejenigen Nominalphrasen ausgeschlossen werden, die keine Indefinita sind. Trägt man die Indefinita als Nomina in das Lexikon ein, so ergibt sich das Problem, sie von der Ableitung mit Determinant und direkt voran- bzw. nachgestelltem Adjektiv auschließen zu müssen (s. 3.1.). Die zweite Option, die Indefinita als Pronomen ins Lexikon einzutragen und über eine kRegel (s. R3) als Nominalphrasen abzuleiten, erweist sich als adäquater. Die möglichen Distributionen und grammatischen Funktionen der negativen Indefinita werden im weiteren durch die entsprechenden k-Regeln zur Behandlung von Nominalphrasen erfaßt. Es bedarf so ebenfalls keiner spezifischen Regeln für das syntaktische Verhalten der Indefinita. Zudem ist dadurch gewährleistet, daß den Indefinita keine Determinanten oder Adjektive voran- bzw. nachgestellt werden, weil deren Ableitung mit einem Nomen in einer alternativen Regel erfolgt (s. Rl). Auch der Anschluß von Adjektivphrasen mit de kann hier unproblematisch behandelt werden (s. 3.2.1.), ohne zwischen aus Nomina und aus Pronomina gebildeten Nominalphrasen differenzieren zu müssen. Daher wird die zweite Möglichkeit für die Behandlung der negativen Indefinita gewählt. Der für sie exemplarische Lexikoneintrag von personne und die verschiedenen Expansionen der Nominalphrase sollen sie veranschaulichen: (34)

/personne/ ProN,

(TPRED) = '...'4 (TSPEC) = QUANT ZERO (TNEG) = + (TGEN) = MAS (TNUM) = SG (TPERS) = 3 (TANIM) = +.

Aufgrund der unter 3.1. und 3.2.1. beschriebenen semantischen Eigenschaften wird den negativen Indefinita ein Spezifikationsmerkmal mit dem Wert „Quant Zero" ( für „quantite" zoro") zugewiesen, das zum Ausdruck bringt, daß die Indefinita eine Nullmenge bezeichnen. Dadurch erhält man für die verschieden gebildeten Nominalphrasen parallele funktionale Beschreibungen, die von der semantischen Interpretation entsprechend ausgewertet werden. Bei Nominalphrasen, die aus Determinant und Nomen gebildet sind, ist die Spezi-

Zur Frage des Prädikats s.u. 3.5.1.

64

fikation vom Determinanten abhängig. Den Eigennamen inhäriert lexikalisch eine definite Spezifikation. Es bestehen damit folgende Regeln zur Expansion von Nominalphrasen: Rl

NP

->

DET

R2

NP

->

PN

t=4

(AP)

(TMOD) =4

N

t=l

t-4 R3

NP

->

ProN

Aufgrund des Erzeugens der Indefinita als Nominalphrasen in R3 wird ihre Distribution und Funktion entsprechend durch diejenigen k-Regeln definiert, die Nominalphrasen erfassen; vgl.: R4

S

->·

NP

(tsußj)=4 R5

VP

->

V

VP

t=4 NP

t=4

(tOBJ)= 4

R6

VP

->

V t=4

PP (tOBL)= 4

R7

PP

->

P (iPCASE)

NP t=4

Die negativen Determinanten werden wie alle Determinanten durch Regel l erzeugt. Diejenigen Eigenschaften, die sie als dem System der Negation zugehörig ausweisen, nämlich Ausdruck der Negativität und die Forderung nach dem Auftreten der klitischen Form ne in verbhaltigen Äußerungen, sind in ihrem Lexikoneintrag verankert und gelangen von dort in die f-Struktur; vgl. den exemplarischen Eintrag für aucun: (35)

/aucun/ Det,

(tSPEC) = QUANT ZERO (tNEG) = + (IGEN) = MAS (tNUM) = SG.

Noch ein weiteres Merkmal dieser Determinanten wird durch ihre Zugehörigkeit zum Negationssystem bestimmt: Die negativen Determinanten quantifizieren ihr Bezugsnomen negativ, d.h. sie spezifizieren seine Nullmenge. Daher sind sie lexikalisch wie die negativen Indefinita durch das Merkmal SPEC = QUANT ZERO gekennzeichnet. Sie gleichen darin

65 dem Determinanten de, von dem sie sich durch ihr funktionales Negationsmerkmal unterscheiden.

3.4.1. Behandlung adjektivischer Expansionen der Pronomina Es bedarf einer weiteren Regel zur Erzeugung der Indefinita, um Konstruktionen wie die folgende zu erfassen: (36)

Vous n'avez personne de serieux ä me recommander? (Romains, zitiert nach Petit Robert 1)

Die entsprechende k-Regel wird dafür um eine Adjektivphrase erweitert. Funktional entspricht diese Adjektivphrase dem attributiven Adjektiv des Nomens, ist also wie dieses ein Modifikator, hier des Pronomens, was das Merkmal „MOD" zum Ausdruck bringt. Die fordernde Gleichung, mit der die Adjektivphrase annotiert ist, gewährleistet, daß sie die Präposition de enthält; vgl.: R8

NP

->·

ProN t=>l (^MODIF) =c +

AP (tMOD)=l (4PCASE)=c DE

Die Expansion von Adjektivphrasen, die durch die Präposition de eingeleitet sind, wird durch eine weitere k-Regel5 definiert:

R9

AP

->

P (iPCASE)=c DE

AP T=4

Regel 8 erzeugt gleichermaßen negative wie positive Indefinita. Die fordernde Gleichung „(J'MODIF) =c +" als Annotation des Pronomens beschränkt diese Regel gleichzeitig auf diejenigen Indefinita, die in dieser Konstruktion auftreten können. Denn es ist nicht allen Indefinita möglich, adjektivische Expansionen zu haben; vgl. *un de serieux, *chacun d'interessant, *'certains d'intelligent. Die Indefinita, die einen adjektivischen Modifikator durch die Präposition de anschließen können, sind durch das entsprechende Merkmal „MODIF (für 'modifizierbar') = +" gekennzeichnet; vgl.:

5

Diese Regel birgt jedoch folgendes Problem in sich. Sie läßt auch Konstruktionen wie *Marie a une de grande voiture zu. Es bedarf hier also einer noch zu formulierenden Einschränkung, die unkorrekte Strukturen ausschließt.

66

(34)

/personne/ ProN, (tPRED) = '...' (tSPEC) = QUANT ZERO (tNEG) = + (tGEN) = MAS (tNUM) = SG (tPERS) = 3 (tANIM) = + (tMODIF) = +.

Die obligatorische Kongruenz von Pronomen und Adjektiv wird durch folgende Annotation erfaßt: R8

NP

->

ProN

t=l

(AP)

(tMOD)=!

(IMODIF) =c +

(4PCASE)=c DE (tNUM) = (ISUBJ NUM) (tGEN) = (ISUBJ GEN)

Durch diese funktionalen Kontrollgleichungen werden Numerus und Genus „von oben", d.h. des Pronomens, mit denen „von unten", d.h. des Subjekts des Adjektivs,6 gleichgesetzt. Die Begriffe „oben" und „unten" werden anschaulicher, wenn man die skizzierte k-Struktur etwa von personne de serieux betrachtet:

Fig. l

(tMOD)=4 (iPCASE)=c DE (TNUM) = (\rSVB) NUM) (tGEN) = (4-SUBJ GEN)

ProN

T=4

/

(4MODIF) =c +

P

/\

\ A

J -·'

personne de seneux „Oberhalb" der Adjektivphrase ist der NP-Knoten. Durch die Gleichung „t=4" des Pronomens wird dessen Prädikat zum Prädikat des NP-Knotens. „Unterhalb" der Adjektivphrase befindet sich das Lexikon, d.h. die Einträge der Wörter de und serieux. Die dort repräsentierte Information zu Genus und Numerus muß der des Pronomens „oben" entsprechen.

Diese Analyse beruht auf der Annahme, daß Adjektive ein Subjekt subkategorisieren (vgl. dazu Berman/Frank 1996: 202ff.). Genus- und Numeruswerte werden deswegen als Kongruenzmerkmale angegeben; s. die Ausführungen in der Einleitung, Punkt 3., zu den Kongruenzmerkmalen des Verbs.

67

3.4.2. Behandlung nominaler Expansionen der indefiniten Pronomina Nominale Expansionen der Pronomina sind analog zu der oben beschriebenen Expansion durch eine Adjektivphrase zu behandeln. Die Möglichkeit, in Konstruktionen wie (37) (38)

Je ne connais aucun de ses amis. (Petit Robert 1) Une pause soparait chacun des cris. (Gautier, zitiert nach Grevisse 1993: §717)

aufzutreten, ist auf eine entsprechende Eigenschaft von Indefinita wie aucun, pas un, chacun etc. zurückzuführen. Sie wird durch das Merkmal „PART" in ihrem Lexikoneintrag erfaßt, das auf die Semantik dieser Indefinita verweist, die eine Fokussierung auf einzelne Elemente einer Menge impliziert (s. 3.2.2.); vgl.: (39)

/aucun/ ProN,

(tPRED) = 'Aucun' (tSPEC) = QUANT ZERO (tNEG) = + (tPART) = +

(40)

/chacun/ ProN,

(tPRED) = 'Chacun1 (tSPEC) = INDEF (tPART) = +

Zur Erzeugung der Pronomina in dieser Kostruktion bedarf es einer weiteren k-Regel. Mit Hilfe des Merkmals „PART" kann in dieser k-Regel zwischen den Pronomina differenziert werden, um nur solche zu erfassen, die solche nominalen Expansionen erlauben, also aucun, pas un, deux etc. Dadurch werden unkorrekte Bildungen wie *j'ai vu personne de ces enfants ausgeschlossen; vgl.: RIO

NP

->

ProN

PP

t=i

(tMOD)=4

(IPART)=c +

(IPCASE)=c DE

Der Präpositionalphrase wird analog zur Adjektivphrase in R3 die grammatische Funktion eines Modifikators zugesprochen. Sie entspricht damit funktional ihrem Auftreten in Konstruktionen wie lejardin de mes parents, deren Kopf eine Nominalphrase ist; vgl.: Rll

NP

->

NP

PP

t=l

(tMOD>4 (|PCASE)=c DE

68

Die Konstituenz der modifizierenden Präpositionalphrase wird durch die k-Regel definiert, die Präpositionalphrasen mit rein strukturbildender Präposition7 erzeugt: R12

PP

->·

P

NP

t=4

t=4

(iPCASE) N.B. Diese Regel erzeugt auch solche Präpositionalphrasen, die die grammatische Funktion eines Obliquus realisieren können wie: (41)

Pierre parle de ses parents.

Hier wird allerdings die strukturbildende Präposition de durch das regierende Verb parier lexikalisch gefordert, während die entsprechende Forderung bei modifizierenden Präpositionalphrasen konstruktionsspezifisch ist.

Die Tatsache, daß Pronomen und nominaler Modifikator im Genus, nicht aber im Numerus kongruieren, wird wie im Fall der modifizierenden Adjektive über die Konstruktion erfaßt: RIO

NP



ProN

t=4 (IPART QUANT)=c +

PP

(tMOD)=l (4-PCASE)=c DE (IGEN) = (IGEN)

Die Annotation bewirkt, daß das Genusmerkmal der Präpositionalphrase „unten" mit dem des Pronomens „oben" unifizieren muß; vgl. dazu die Ausführungen zur Annotation der modifizierenden Adjektivphrase in 3.4.1. Numerus- und Belebtheitsmerkmal von Pronomen und Präpositionalphrase werden nicht gleichgesetzt, da ihre Werte differieren können. - Die skizzierte Behandlung erfaßt gleichermaßen negative wie positive Pronomina, die nominale Expansionen durch de anschließen können.

3.5. Die Pronomina und Determinanten im einzelnen 3.5.1. per sonne Das Pronomen personne ist unveränderlich und tritt stets in maskuliner singularischer Form auf. Es referiert auf eine belebte Objektmenge, was durch das Merkmal „ANIM = +" in seinem Lexikoneintrag ausgedrückt wird. Weinrich (1982: 716) stellt fest, daß das Pronomen personne bei Ausfall von ne von dem homonymen Nomen durch das Fehlen eines Determinanten und die maskuline Kongruenz unterschieden werden kann; vgl.: Zu PCASE s. Bresnan (1982: 196ff.), zur Unterscheidung zwischen rein strukturbildenden und bedeutungshaltigen Präpositionen s. 4.5

69

(42) (43)

Une personne est venue. Personne (n') est venu.

Eine „Verwechslung" mit dem Nomen personne ist in der LFG auch deswegen ausgeschlossen, weil in die semantische Struktur als Projektion der f-Struktur neben dem Prädikat auch die anderen funktionalen Merkmale eingehen, die in der f-Struktur repräsentiert sind. Die korrekte Interpretation ergibt sich für personne aus dem Zusammenspiel von Prädikat und Negationsmerkmal. In der LFG haben Pronomina üblicherweise das Prädikat „Pro". Dieses Prädikat fordert bei der semantischen Interpretation einer gegebenen Äußerung dazu auf, im Kontext nach einem Antezedenten zu suchen und dessen Prädikat als das der Proform einzusetzen. Wie bereits ausgeführt (s. 3.1.), gibt es bei den Indefinita, negativen wie positiven, keinen Antezedenten. Sie haben deswegen kein Prädikat „Pro", sondern ihr Prädikat muß vielmehr direkt aus dem Lexikon über die f-Struktur in die semantische Struktur gelangen. Dem Pronomen personne wird folglich das Prädikat „Personne" zugesprochen, quelqu 'un das Prädikat „Quelqu'un" usw. (34)

/personne/ ProN, (TPRED) = 'Personne1 (tSPEC) = QUANT ZERO (tNEG) = + (tGEN) = MAS (tNUM) = SG (tPERS) = 3 (tANIM) = + (tMODIF) = +.

3.5.2. rien Wie personne ist auch rien eine unveränderliche sprachliche Form und tritt stets im Maskulin Singular auf. Im Unterschied zu personne referiert rien auf eine unbelebte Objektmenge und besitzt entsprechend das Merkmal „ANIM = -". Wie personne und den anderen negativen Indefinita ist ihm die Modifizierung durch ein mit de angeschlossenes Adjektiv möglich; vgl.: (44) /rien/ ProN, (tPRED) = 'Rien' (tSPEC) = QUANT ZERO (tNEG) = + (tGEN) = MAS (tNUM) = SG (tPERS) = 3 (tANIM) = (tMODIF) = +. Das Pronomen rien weist eine von denen der anderen negativen Indefinita abweichende Stellungseigenschaft auf, sofern es mit zusammengesetzter Verbform auftritt (Grevisse

70 1993: §295; Gaatone 1971: 165f.). Es kann in diesem Fall zwischen dem Hilsverb und dem Perfektpartizip (45) bzw. dem Modalverb und dem Infinitiv ((46), (47)) stehen, also allgemeiner zwischen dem finiten und dem infiniten Verb;8 vgl. die folgenden Beispielsätze mit rien, denen entsprechende Strukturen mit personne gegenübergestellt werden: (45) (46) (47)

Ces roflexions n'avaient d'ailleurs rien chango ä une determination [...] (Proust, zitiert nach Gaatone 1971: 166) - Ces re"flexions n'avaient d'ailleurs chango personne. Elle ne veut rien accepter. (Grevisse 1993: §295, d) - Elle ne veut accepter personne. L'Ana'is feignait de ne rien entendre[...] (Ayme", zitiert nach Gaatone 1971: 166) L'Ana'is feignait de n'entendre personne.

Diese Position von rien scheint jedoch von der jeweils realisierten grammatischen Funktion abzuhängen. Nur als direktes Objekt kann rien die beschriebene Stellung einnehmen (s. Grevisse 1993: §295, d), nicht aber als Obliquus (48) oder Adjunkt (49); vgl.: (48) (49)

Le passe" est roduit ä rien. (Camus, zitiert nach Grevisse 1993: §731) 11 n'y a aucune analyse. C'est fait avec rien. Et le lecteur sent tout, comprend. (Sarraute, zitiert nach Gaatone 1971: 164)

Die Eigenschaft von rien ist damit gebunden an eine bestimmte zu realisierende Funktion, die des direkten Objekts, und an eine bestimmte Konstruktion, die mit einem regierenden Verb in zusammengesetzter Form. Die Behandlung dieser Besonderheit im syntaktischen Verhalten von rien ist problematisch. Eine Möglichkeit wäre, einen zweiten Lexikoneintrag für rien zu formulieren, der entsprechende Merkmale enthält und rien auf die Funktion des direkten Objekts festlegt. Daß rien in der fraglichen Stellung auf Konstruktionen mit einem zusammengesetzten regierenden Verb beschränkt ist, drückt dabei die Forderung nach einem Verbalkomplement „VCOMP =c +" aus; vgl.: (50)

/rien/ ProN,

(TOBJ PRED) = 'Rien1 (TOBJ SPEC) = QUANT ZERO (tOBJ NEG) = + (TOBJ GEN) = MAS (TOBJ NUM) = SG (tOBJ PERS) = 3 (TOBJ ANIM) = (TOBJ MODIF) = + (TVCOMP) =c +.

Des weiteren bedürfte es einer k-Regel, die rien in der Funktion eines direkten Objekts in der Position zwischen finitem und infinitem Verb erzeugt. Diese Regel muß durch Anno-

8

Rowlett (1996: 226) zeigt, daß die Distribution von rien in dieser Hinsicht der des Universalquantors tout entspricht.

71

tationen in der Weise beschränkt werden, daß sie nur rien und keine andere Nominalphrase erfaßt, etwa durch die Forderung nach dessen Prädikat; vgl.: Rll

VP



V t=i

NP (tOBJ) =1 (iPRED) = 'Rien1

VP (tVCOMP)=4-

Das würde aber bedeuten, eine Regel anzunehmen, die nur für ein einziges Lexem Gültigkeit besitzt. Dieser Umstand spricht dafür, die Stellung von rien in Objektfunktion bei zusammengesetzter Verbform als eine Idiosynkrasie der französischen Sprache zu behandeln. Eine Behandlung von Idiosynkrasien in der LFG ist dabei noch zu entwickeln. N.B. Bei der skizzierten Behandlung ergäbe sich auch insofern ein Problem, als das rien mit dem Lexikoneintrag (44) bei Konstruktionen mit zusammengesetzter Verbform in normaler, d.h. dem Verbalkomplement nachgestellter Objektposition auftreten kann.

3.5.3. aucun Anders als personne und rien kongruiert aucun, wie auch pas un und nul, im Genus mit seinem nominalen Bezugselement (s. 3.1.). Semantisch verweist aucun auf eine indefinite belebte Referenzmenge und impliziert dabei eine Fokussierung auf die einzelnen in dieser Menge enthaltenen Elemente, die es als gleich Null spezifiziert. Im Unterschied zu personne und rien wird diese Referenz häufig sprachlich realisiert. Daß aucun mit adjektivischer und nominaler Expansion auftreten kann (s. 3.2.), repräsentieren die entsprechenden Merkmale „MOD1F" und „PART". Die Lexikoneintrag für das Pronomen aucun lautet damit: (39)

/aucun/ ProN,

(tPRED) = 'Aucun1 (tSPEC) = QUANT ZERO (tNEG) = + (tPART) = + (tGEN) = MAS (tNUM) = SG (tPERS) = 3 (TANIM) = + (tMODIF) = +.

Anders als personne und rien kann aucun auch als Determinant gebraucht werden. Hierfür ist ein zweiter Lexikoneintrag erforderlich. Der Determinant aucun spezifiziert wie das synonyme Pronomen eine Nullmenge, hier die des Bezugsnomens.

72

(3 5)

/aucun/ Det,

(tSPEC) = QUANT ZERO (tNEG) = + (tGEN) = MAS (tNUM) = SG.

Neben diesen Einträgen für aucun mit maskulinem Genus benötigt man für Pronomen und Determinant jeweils einen zweiten mit femininem Genus. - Als Determinant von Nomina, die sog. Pluraliatantum sind, kann aucun ausnahmsweise pluralisch sein (Grevisse 1993: §608,c);vgl.: (51) (52)

II ne fait aucuns frais inutiles. (Martin du Gard, zitiert nach Grevisse 1993: §608, c) Chacun s'engagera ä ne tirer aucunes reprösailles de la journoe. (Decaux, zitiert nach Grevisse 1993: §608, c)

Um zu gewährleisten, daß pluralisches aucuns nur mit solchen Nomina auftreten kann, enthält sein Lexikoneintrag eine fordernde Gleichung, die das Vorhandensein eines Pluraletantum-Merkmals beim Bezugsnomen verlangt: (53)

/aucuns/Det,

(tSPEC) = QUANT ZERO (tNEG) = + (tGEN) = MAS (tNUM) = PL (tPART-QUANT) = + (tTYP) =c PL.

Pluraliatantum sind entsprechend durch ein solches Merkmal gekennzeichnet: (54)

/frais/N, (tPRED) ='FRAIS1 (tGEN) = MAS (tNUM) = PL (tTYP) = PL.

N.B. In der literarischen Sprache wird aucun auch mit Nomina, die keine Pluraletantia sind, im Plural gebraucht (Grevisse 1993: §608, c).

Schließlich sei noch erwähnt, daß es ein ausschließlich positiv gebrauchtes Pronomen d'aucuns gibt, das wie quelques-uns und certains zu den positiven Indefinita gehört; vgl.: (55) (56)

D'aucuns y avaient amene" leur famille. (R. de Gourmont, zitiert nach Grevisse 1993: §710, a) Ce que d'aucuns d&ignent parfois par „Lancelot propre". (A. Micha, zitiert nach Grevisse 1993: §710, a)

73

Sein Lexikoneintrag, auf dessen Formulierung hier verzichtet wird, enthält entsprechend kein Negationsmerkmal. Seine Verwendung ist jedoch auf das gehobene Register und bestimmte Regionalismen beschränkt (Grevisse 1993: §710, a).

3.5A. pas un

Bei der Behandlung sowohl des Pronomens als auch des Determinanten pas un ist zunächst die Frage zu diskutieren, ob es jeweils als eine lexikalische Einheit zu analysieren ist oder ob es sich nicht vielmehr um die Verwendung des negativen Adverbs pas9 und des Pronomens bzw. Determinanten un handelt. Gaatone (1971: 178f.) argumentiert für eine Behandlung von pas un als einer sprachlichen Form aufgrund seines Kommutierens mit aucun (s. (57)) und seiner Kompatibilität mit anderen Negationsträgern (s. (58)); vgl.: (57)

(58)

Ce fut pour entamer la sorie des maladies d'enfance. II semblait qu'il n'eüt e"chappe" a pas une. (D. Boulanger, zitiert nach Grevisse 1993: §714) - II semblait qu'il n'eüt 6chapp6ä aucune. Pas un papier, pas une relique, pas une confirmation d'autres amis de Balzac ne m'ont jamais e"te" fournis. (Kemp, zitiert nach Grevisse 1993: §443)

Dabei zeigt das Kommutieren mit aucun, daß pas un eine einheitliche Funktion hat. Die Kompatibilität mit anderen Negationsträgern belegt, daß es sich bei dem pas von pas un nicht um das negative Adverb handelt, da dieses mit anderen Negationsträgern inkompatibel ist. Vikner (1978: lOOf.) fügt diesen Argumenten für eine Analyse \onpas un als lexikalische Einheit noch zwei weitere hinzu: Zum einen kann das negative Adverb pas sich im Satz nicht in Initialstellung befinden wie pas un; vgl.: (59) (60)

Pas une feuille ne remue. (Vikner 1978: 99) *Pas Marie ne chante.

Zum anderen kann un in pas un nicht durch Wörter ersetzt werden, die mit dem Pronomen un kommutieren, wie z.B. deux, tous, ce, etc.; vgl.: (61) (62)

Pas un ne s'en est apercu. (Vikner 1978: 98) *Pas deux ne s'en sont aper9us. (Vikner 1978: 100)

Allerdings stellt Vikner fest, daß diese Argumente nur für pas un in präverbaler Stellung Gültigkeit besitzen. Postverbales pas un stellt dagegen nach seiner Auffassung die Verwendung des negativen Adverbs pas und des indefiniten Pronomens un dar. Folgende Befunde belegen dies: Postverbales pas un ist nicht mit anderen Negationsträgem kompatibel:

Zum Adverbstatus \onpas s. Kapitel 4.

74

(63) (64)

II n'y en a probablement pas un qui ne soit en train de suivre un itinoraire personnel [...] (Romains, zitiert nach Gaatone 1971: 179) *I1 n'y en a probablement plus pas un qui ne soit en train de suivre un itinoraire personnel [...]

In postverbalem pas un kommutiert un mit deux, tous, ce etc.: (65) (66)

II n'y en a probablement pas un qui ne soit en train de suivre un itinoraire personnel [...] (Romains, zitiert nach Gaatone 1971: 179) II n'y en a probablement pas deux qui ne soient en train de suivre un itinoraire personnel.

Zudem können pas und un dann getrennt auftreten, wenn sie dem Verb nachgestellt sind; vgl.: (67)

Elle ne vint pas me rejoindre une seule fois. (Duras, zitiert nach Gaatone 1971: 179)

In diesem Beleg fehlender Kohäsion ist ein weiteres Indiz dafür zu sehen, daß es sich bei postverbalem pas un anstelle einer sprachlichen Form um das Adverb pas und das Pronomen un handelt. Zudem enthält mein Korpus kein Beispiel für die Verwendung des Determinanten pas un in postverbaler Position. Das Pronomen pas un ist folglich bereits lexikalisch auf die Subjekt-Funktion festgelegt, der Determinant pas un auf die präverbale Position. Die Distribution sowohl des Pronomens als auch des Determinanten pas un ist damit stark eingeschränkt.10 Diese Informationen sind entsprechend in ihrem jeweiligen Lexikoneintrag enthalten. Beim Pronomen wird diese Eigenschaft durch eine Lexikoninformation erfaßt, die die grammatische Funktion von pas un auf die des Subjekts festlegt. Wie aucun kann pas un neben einer adjektivischen auch eine nominale Expansion mit de anschließen; vgl. den resultierenden Lexikoneintrag: (68)

/pas un/ ProN,

(tSUBJ PRED) = 'Pas Un1 (tSUBJ SPEC) = QUANT ZERO (TSUBJ PART) = + (TSUBJ NEG) = + (tSUBJ GEN) = MAS (tSUBJ NUM) = SG (TSUBJ PERS) = 3 (tSUBJ ANIM) = + (TSUBJ MODIF) = +.

Das Pronomen pas un referiert auf eine belebte Referenzmenge, was das Merkmal „ANIM = +" zum Ausdruck bringt. Es hat dieselbe Implikation wie aucun, auf die einzelnen Ele-

Grevisse (1993: §714, c) sieht denn auch generell darin, pas un wie aucun zu gebrauchen, eine als klassisch markierte Verwendung. Im nicht markierten Gebrauch habe pas un dagegen die Syntax von pas deux etc.

75 mente dieser Menge zu fokussieren, die es als gleich Null spezifiziert, repräsentiert in seinem Lexikoneintrag durch das Spezifikationsmerkmal. Entsprechend bewirkt die Forderung „PREVERB =c +" im Eintrag des Determinanten pas un, daß er nur präverbal gebraucht wird; vgl.: (69)

/pas un/ Det,

(tSPEC) = QUANT ZERO (tNEG) = + (t GEN) = MAS (TNUM) = SG (TPREVERB) =c +.

Die Nominalphrasen sind in den k-Regeln mit entsprechender Information annotiert; vgl.:

R4

S



NP (tSUBJ)=l (tPREVERB) = +

VP l=t

R5

VP

->

V t=l

NP (tOBJ)=l (tPOSTVERB) = +

Wie bereits angesprochen tritt auch pas un je nach (syntaktischem) Bezug entweder in männlicher oder weiblicher Form auf. Im Lexikon ist also je ein weiterer Eintrag für feminines pas une als Pronomen und Determinant enthalten.

3.5.5. nul Während nul im Altfranzösischen ein häufig gebrauchtes negatives Pronomen war (s. Foulet 1965: §355), ist sein Gebrauch im heutigen Französisch auf die geschriebene Sprache beschränkt. In der gesprochenen Sprache wird es durch personne oder aucun ersetzt (Grevisse 1993: §711). Als Pronomen tritt nul nur in Erststellung im Satz auf und ist ebenso wie pas un lexikalisch auf die grammatische Funktion des Subjekts festgelegt. Adjektivische und nominale Expansionen sind nul nicht möglich. (70)

/nul/ ProN, (tSUBJ PRED) = 'Nul1 (tSUBJ SPEC) - QUANT ZERO (tSUBJNEG) = + (tSUBJ GEN) = MAS (tSUBJ NUM) = SG (TSUBJ PERS) = 3 (TSUBJ ANIM) = +.

Die Distribution des Determinanten nul ist dagegen nicht beschränkt; vgl.:

76

(71)

/nul/Det, (tSPEC) = QUANT ZERO (tNEG) = + (tGEN) = MAS (tNUM) = SG.

Auch für nul sind sowohl als Pronomen als auch als Determinant weitere Lexikoneinträge mit femininem Genus notwendig.

3.6. Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Negationsträger personne, rien und aucun entsprechen als indefinite Pronomina in Distribution und grammatischer Funktion einer Nominalphrase, können also als Subjekt, Objekt, Obliquus und Adjunkt fungieren. Die negativen Indefinita pas un und nul sind dagegen in ihrer Distribution und grammatischen Funktion stark beschränkt: Sie treten nur in Erststellung im Satz auf und realisieren ausschließlich Subjektfimktion. Auf der Ebene der Konstituenz differieren die negativen Indefinita nicht von positiven; vgl. die k-Strukturen für (72) und (73): (72) (73)

Quelqu'un chante. Personne ne chante.

Fig. 2

Fig. 3

NP

VP

ProN

V

l

l

Quelqu' un chante

Personne ne chante.

Einige negative und positive Indefinita teilen darüber hinaus die Besonderheit, Adjektivphrasen durch die Präposition de anschließen zu können, die funktional den Bereich der möglichen Referenz der Indefinita begrenzen. Die Indefinita aucun, pas un, chacun etc. können daneben auch nominale Expansionen mit de anschließen. Die nominale Ergänzung fungiert dabei wie die adjektivische als Modifikator des indefiniten Pronomens und leistet ebenfalls eine Bereichsbegrenzung in bezug auf seine mögliche Referenz. Für die Frage, welche Indefinita solche nominalen Expansionen haben können, sind semantische Gründe verantwortlich. Auf funktionaler Ebene unterscheiden sich negative und positive indefinite Pronomina durch das Negationsmerkmal; vgl. die f-Strukturen für (72) und (73):

77 Fig. 4

Fig. 5 SUBJ

PRED

PRED 'Quelqu'un' GEN MAS NUM SG 'Chanter (SUBJ)'

SUBJ

PRED NEC GEN JMUM

'Personne' + MAS SG

NE + PRED 'Chanter (SUBJ)'

Das Negationsmerkmal erfüllt auch, wie in Kapitel l beschrieben, die Forderung, die die Präsenz der klitischen Form ne in verbalem Kontext aufstellt und ermöglicht das Auftreten des Determinanten de (s. Kapitel 2). Die Negationsträger aucun, pas un und nul haben neben ihrem Gebrauch als Pronomina noch einen zweiten als Determinanten. Als solche spezifizieren sie wie der Determinant de die Quantität ihres Bezugsnomen als Null (s. Kapitel 2). Sie differieren von diesem jedoch dadurch, daß sie selbst negativ sind, repräsentiert durch das funktionale Negationsmerkmal. Während die Determinanten aucun und nul in ihrer Distribution nicht beschränkt sind, ist pas un wie de auf das Auftreten in direkt konstruierten Nominalphrasen festgelegt, pas un auf das in präverbalen und de auf das in postverbalen. Für die negativen Determinanten gilt wie für die negativen Pronomina, daß sie sich auf der Ebene der Konstituenz nicht von entsprechenden positiven Determinanten unterscheiden, auf funktionaler Ebene jedoch von ihnen differieren. Verbindendes Moment der thematisierten negativen Pronomina und Determinanten ist das ihnen inhärierende Spezifikationsmerkmal, das ihre Quantität bzw., im Fall der Determinanten, die des Bezugsnomen gleich Null setzt.

4. Negative Adverbien

Das vorliegende Kapitel thematisiert die Negationsträger pas, guere, aucunement, nullement, jamais, plus und nulle part. Auf der Grundlage des von Schlyter (1977) entwickelten Distributionsschemas soll durch eine vergleichende Analyse der Distribution und grammatischen Funktion der genannten Lexeme mit Schlyters Untersuchungsergebnissen nachgewiesen werden, daß es sich bei diesen Negationsträgern um Adverbien handelt. Es wird für sie eine Behandlung entwickelt, die nicht nur die Syntax der negativen, sondern auch entsprechender nicht negativer Adverbien adäquat erfaßt und diesbezügliche Übereinstimmungen und Unterschiede deutlich macht.

4. l. Klassifizierungsproblematik Die Negationsträger guere, aucunement, nullement, jamais, plus und nulle part werden in der Literatur zur Syntax der Negation häufig als Adverbien kategorisiert, ohne daß diese Zuordnung begründet wird.1 Was pas betrifft, so wird ihm innerhalb der genannten Gruppe nicht selten ein Sonderstatus zugewiesen. Kalik (1971: 128) beispielsweise hält den kategorialen Status von pas für unklar. Er vergleicht pas mit non und stellt fest, beide verhielten sich bald wie ein Adverb, bald wie ein Präfix. Weinrich (1982: 713ff.) differenziert die „schlichte Negation" pas von „Adverb-Negationen" wie jamais, plus und nulle part. Die Formen aucunement und nullement bezeichnet er als „verstärkende Varianten" (1982: 713) von pas. Er erläutert und begründet diese Unterscheidung nicht näher. Es ist jedoch aufgrund des gewählten Begriffs der „schlichten Negation" zu vermuten, daß Weinrich damit auf die Semantik von pas abzielt. Laut Muller (1991: 54) ist pas ebenso wie non, negative Präfixe und Adjektive ein „negativer Term" im Unterschied zu den „SemiNegationen" (1991: 59) jamais, plus, personne etc. Er stellt zwar fest, pas könne in „adverbialer Position" (Muller 1991: 141) auftreten, vermeidet es aber, pas als Adverb zu bezeichnen. Außer in der Arbeit von Kalik ist das Postulat eines Sonderstatus für pas offensichtlich primär semantisch motiviert. Die Kategorie der Adverbien ist jedoch insgesamt hinsichtlich der Semantik ihrer Elemente derart heterogen, daß sich aus Besonderheiten der semantischen Eigenschaften eines Adverbs nicht notwendigerweise Rückschlüsse auf seine kategoriale Klassifizierung ziehen lassen. An dieser Stelle sei Merdrup (1976: 217) zitiert, der in Anlehnung an eine Aussage von Gross (1975) über die Situation der Verben bemerkt: „[...] il est toujours possible de trouver une proprieto qui difforencie une paire quelconque d'adverbes [...]". Dies gilt zuallererst für ihre semantischen Eigenschaften.

1

Vgl. Gaatone (1971: 133), Grevisse (1993: §§976), Muller (1991: 288ff.) und Vikner (1978: 92ff.).

79

Der Nachweis der Zugehörigkeit der genannten Negationsträger zu der lexikalischen Kategorie der Adverbien soll deshalb primär auf der Grundlage einer syntaktischen Analyse ihrer Distribution und Funktion erfolgen. Dabei soll auch Kaliks Annahme widerlegt werden, das syntaktische Verhalten von pas unterscheide sich von dem anderer adverbialer Negationsträger. Grundlage dieser Analyse bildet das von Schlyter (1977) entwickelte Distributionsschema. Gegenstand von Schlyters Untersuchung sind ausschließlich -ment-Adverbien. Diese Beschränkung ihrer Untersuchung auf eine bestimmte Adverbklasse mag es problematisch erscheinen lassen, Schlyters Arbeit als Grundlage fur die Untersuchung der genannten Negationsträger heranzuziehen. Folgende Gründe rechtfertigen jedoch dieses Vorgehen: 1. Schlyter hat eine große Anzahl von Adverbien systematisch in bezug auf ihre Distribution untersucht, was für die Aussagekraft ihrer Distributionskriterien spricht: Sie sind nicht nur für einzelne Adverbien und deren deshalb evtl. als markiert oder marginal zu klassifizierenden Gebrauch entwickelt, sondern für eine große und damit auch repräsentative Gruppe von ihnen. Andere Arbeiten über die Adverbien beschränken sich dagegen auf einen Ausschnitt derselben. So behandelt Naegeli-Frutschi (1987) die Subkategorie der Satzadverbien; Korzen (1990) und Martin (1990) machen jeweils ein einzelnes Adverb zum Gegenstand ihrer Untersuchung. 2. Ziel meiner Untersuchung ist es nicht nachzuweisen, daß die Negationsträger sich bestimmten von Schlyter postulierten Subklassen der -ment-Adverbien subsumieren lassen. Ihr Ziel ist es vielmehr zu zeigen, daß es sich bei den thematisierten Negationsträgern tatsächlich um Adverbien handelt. Da Schlyters Kriterien2 in jedem Fall Adverbdistributionen repräsentieren, sind sie für diesen Nachweis geeignet. Überdies sind zwei der zu untersuchenden Negationsträger ebenfalls auf-meni gebildet. Schlyters siebzehn verschiedene Kriterien umfassendes Distributionsschema (1977: 142) wird für die Untersuchung der Negationsträger auf acht distinktive3 Adverbpositionen reduziert. Dies geschieht, weil einige der von Schlyter genannten Kriterien entweder keine Unterscheidung erlauben oder für die Analyse der Negationsträger nicht relevant sind. Die vorgenommenen Modifikationen sollen im folgenden genannt und kommentiert werden.

Schlyters Vorgehen, sowohl die Distribution als auch die semantische Interpretation der Adverbien bzw. Adverbklassen aus Regeln im Rahmen einer generativen Transformationsgrammatik abzuleiten, findet dabei keine Berücksichtigung. Die Annahme von Transformationen ist mit der grammatischen Analyse in einem oberflächennahen Format wie der LFG nicht vereinbar. Den Begriff „distinktiv" verwende ich hier, in Abgrenzung von seinem Gebrauch als Fachterminus der Phonologie, mit der allgemeinsprachlichen Bedeutung „unterscheidend".

80

4.2. Modifizierung von Schlyters (1977) Distributionsschema Das Kriterium „_S" Durch dieses Kriterium wird die Position von Adverbien in Initialstellung im Satz bezeichnet, also: 1l)

(ADV) Marie ecrit sa these.

Trotz der Stellung des Adverbs vor dem Satzganzen fungiert es grammatisch als Modifikator des Verbs. Diese Position des Adverbs entspricht damit funktional der nach dem finiten Verb: (2)

Marie 6crit (ADV) sa th6se.

Unter dieses Kriterium werden vereinfachend alle diejenigen von Schlyter untersuchten Positionen subsumiert, in denen sich das Adverb in verschiedenen Satztypen - interrogativ, Imperativisch, deklarativ negativ und positiv aktiv und passiv - in Initialstellung befindet (vgl. Schlyter 1977: 142). Diese Vereinfachung ist dadurch zu rechtfertigen, daß die Mehrheit der von Schlyter angenommenen Adverbklassen für die Erststellung in den fraglichen Satztypen identische Ergebnisse zeigen. Überdies kann eine Differenzierung in positive und negative deklarative Sätze für die Untersuchung von Negationsträgern per se nicht aussagekräftig sein. Des weiteren ist Schlyters Distributionskriterium „position finale ou insoreV insofern redundant, als dessen Resultate mit denen des Kriteriums der Initialstellung in deklarativen Sätzen übereinstimmen, wie Schlyters (1977: 142) Übersicht zeigt. Ein Adverb, das in einer vom Satzganzen getrennten Position stehen kann, besitzt diese Option sowohl am Anfang und Ende als auch - häufig durch Kommas bzw. intonatorische Pausen abgesetzt innerhalb des Satzes (vgl. Grammaire Larousse 1964: §631). Da folglich aus dem genannten Kriterium keine neuen Erkenntnisse für die Subklassifizierung der Adverbien gewonnen werden können, entfällt es in meiner Analyse.

Schlyters Kriterium „V + NP/PP_" Die Stellung der Adverbien nach direktem bzw. indirektem oder obliquem Objekt ist in meinem Schema nicht enthalten, da sich für sie keine Belege finden lassen. Nach Schlyter (1977: 142) besteht die Möglichkeit, in dieser Position aufzutreten, für Ereignis-, Rahmenund restriktive Adverbien. Der einzige von Schlyter (1977: 74) gegebene Beispielsatz für diese Verwendung von Ereignisadverbien ist folgender: (3)

La bufflesse remonte la cöte lentement.

81

Genauso wäre aber denkbar: (4)

Lentement, la bufflesse remonte la cöte.

Es handelt sich hier also wiederum um die Position, in der Adverbien vom Satzganzen getrennt auftreten, die in meinem Schema durch „_S" erfaßt ist (s.o.). Für Rahmenadverbien in der Stellung „V + NP/PP_" gibt Schlyter kein Beispiel an, wohl aber ftlr ihr Auftreten in finaler Position: (5) (6)

Je ferai un special prochainement. (Schlyter 1977: 83) La peine de mort, on peut dire qu'il en est question dans toutes les conversations actuellement. (Schlyter 1977: 83)

Diese Beispielsätze, die Schlyter selbst explizit als solche für die finale Position nennt, unterscheiden sich m.E. durch nichts von Satz (3), der als Beleg für die Verwendung in „V -l- NP/PPJ' dienen soll. Was die restriktiven Adverbien betrifft, so macht Schlyter folgende Einschränkung bezüglich ihres Auftretens in der fraglichen Stellung: „si suivi d'un NP/PP" (1977: 142). Diese Bedingung weist daraufhin, daß es sich hier im Grunde um dieselbe Position handelt, die Schlyter als „_NP/PP" bezeichnet. Da das Distributionskriterium „V + NP/PP_" sich folglich für keine der adverbialen Subkategorien, für die es postuliert ist, als distinktiv erweist, ist seine Überprüfung ohne Gehalt.

Das Kriterium „Vfm_VP" Unter dieses Distributionskriterium werden Schlyters Positionen „AUX_" und „_Vptc.po." subsumiert, wobei „Vfin" ein Hilfs- oder Modalverb, die syntaktische Kategorie „VP" dessen verbales Komplement bezeichnen soll. Das Kriterium erfaßt also das Auftreten von Adverbien zwischen Hilfs- oder Modalverb und dessen partizipialer oder infinitivischer Ergänzung: (7) (8)

Marie a (ADV) ocrit sä these. Marie veut (ADV) öcrire sä these.

Das Adverb fungiert in dieser Position als Modifikator des lexikalischen, nicht des Hilfsoder Modalverbs. Schlyter (1977:142) beschreibt „AUX_" ausführlich als „apres un verbe fini non-lexical et avant un verbe ä l'infinitif, un deuxieme verbe auxiliaire, un NP ou un PP". Ob ein Adverb, das nach einem Hilfs- oder Modalverb steht, sich in der Position vor einem (auxiliaren) Infinitiv (oder einem Partizip Perfekt, s. N.B.) befindet, ist jedoch für die Adverbklassifizierung nicht von Bedeutung. Distinktiv ist die Stellung des Adverbs vor dem Verbalkomplement: Einige Adverbien wie z.B. ici, hier, lä etc. können darin nicht auftreten (s. Weinrich 1968: 71), wohl aber nach dem infiniten Verb der verbalen Ergänzung stehen.

82 N.B. Zwischen den Stellungen des Adverbs unmittelbar nach dem Hilfsverb und unmittelbar vor dem Partizip Perfekt muß nicht differenziert werden, wie Schlyter (1977: 15ff.) annimmt. Das unterschiedliche Verhalten bestimmter Adverbien, durch das sie diese Differenzierung belegt, ist nicht durch deren relative Stellung zu Hilfsverb und Partizip begründet, sondern durch die relativ zu einem jeweils weiteren sprachlichen Element (pas, tons oder weiteres Adverb).

Die Verwendung von Adverbien in der Stellung vor dem ohne Hilfsverb gebrauchten Perfektpartizip wird in meiner Analyse durch das Kriterium „_A/ADV" mit erfaßt. Die Resultate der Distributionsanalyse sind für beide Stellungen identisch (vgl. Schlyter 1977: 142), mit Ausnahme der Verbaladverbien, von denen eine Gruppe nur vor verbalem Partizip, nicht aber vor Adjektiv oder Adverb stehen kann. Die Stellung des Adverbs nach einem finiten Hilfs-, Modal- oder Kopulaverb und vor dessen nominaler oder präpositionaler Ergänzung, die Schlyter ebenfalls durch „AUX_" bezeichnet, ist dagegen die gewöhnliche Stellung des Adverbs nach einem finiten Verb in einfacher Zeit und damit notwendig vor seinen Ergänzungen: (9)

Marie est (ADV) 6tudiante.

Semantisch mag sich das Adverb evtl. (auch) auf die nominale Ergänzung beziehen. Daraus läßt sich jedoch nicht ableiten, daß die Adverbposition durch die relative Stellung zur nominalen Ergänzung determiniert ist. Auf syntaktischer Ebene gehört das Adverb nicht zur Nominal- oder Präpositionalphrase, sondern ist unmittelbare Konstituente der Verbalphrase. Diese Adverbposition wird nicht durch das Kriterium „Vfin_VP" erfaßt und erscheint auch sonst nicht in meinem Distributionsschema, da jedes Adverb darin auftreten kann und sie somit keine Differenzierung erlaubt. Ebenso entfällt in meinem Schema Schlyters Distributionskriterium „_NP/PP". Dabei handelt es sich m.E. um Konstruktionen, in denen Subjekt und Verb elidiert sind. Daher gelten auch hier die entsprechenden Einwände: Die Stellung des Adverbs ist nicht relativ zu Nominal- oder Präpositionalphrase, sondern zum - hier elidierten - Verb zu bestimmen.

Schlyters „Fokus" Schlyter (1977: 28ff., 94ff.) bezeichnet mit „Fokus" das Auftreten eines Adverbs innerhalb des Rhemas4 eines Satzes. Mit Hilfe von Tests möchte sie ermitteln, ob ein gegebenes Wort diese Eigenschaft hat. Ein Adverb kann danach Fokus des Satzrhemas sein, wenn es ihm möglich ist, Fokus der Negation, der Interrogation, des Imperativs oder eines Spaltsatzes zu sein, als Antwort auf eine durch comment, oü oder quand eingeleitete Frage zu fungieren und den Hauptakzent des Satzes zu tragen. Von diesen Tests werden in Schlyters Distributionsschema nur zwei explizit genannt: „C'est que S... (focus)" und „Quand...?, Comment...?_" (1977: 142). Dieses Distributionskriterium ist problematisch. Ob ein Adverb als Antwort auf eine der genannten Fragen fungieren kann, ist m.E. in erster Linie von seiner Bedeutung abhängig: Ein Adverb mit lokalisierender Bedeutung wird auf eine mit oü eingeleitete Frage antworten 4

Zu Thema-Rhema, kommunikativer Dynamik etc. s. Blumenthal (1975).

83 können, eines mit temporaler Bedeutung jedoch nicht. Unklar ist auch, wie Fokus und Hauptakzent zu bestimmen sind. Als einzig klarer Test rungiert die Frage, ob ein Adverb in einen Spaltsatz gesetzt werden kann; also: (10)

C 'est (ADV) que Marie e"crit sä these.

Das Adverb, durch die „mise en relief hervorgehoben, realisiert in dieser Stellung wiederum die grammatische Funktion eines Verbmodifikators. - Dieses Distributionskriterium soll als einziges der genannten Fokustests von Schlyter in meinem Schema enthalten sein und wird als „Spaltsatz" bezeichnet.

Das Kriterium „Neg" Unter dieses Distributionskriterium sollen vereinfachend Schlyters „Vfin_Neg" und „Neg_" subsumiert werden. Für positive Adverbien ist das Differenzieren ihres Auftretens vor einer Negation von dem nach einer Negation tatsächlich sinnvoll, da die Stellung vor einem Negationsträger nur wenigen solcher Adverbien möglich ist, die nach einem Negationsträger jedoch vergleichsweise vielen. Für die zu untersuchenden negativen Lexeme ist jedoch nur die Frage relevant, ob sie mit anderen Negationsträgern kompatibel sind oder nicht. Unter das Kriterium „Neg" fallen deswegen beide Positionen: (11) (12)

Marie n'est (ADV) pas dtudiante. Marie n'est pas (ADV) etudiante.

Der grammatische Bezug des Adverbs hängt in dieser Stellung allerdings sehr wohl von seiner jeweiligen Position relativ zur Negation ab: In der Stellung vor dem Negationsträger fungiert das Adverb als dessen Modifikator und damit als Modifikator eines Adverbs. In der Stellung nach dem Negationsträger hängt der grammatische Bezug des Adverbs dagegen von seiner Stellung im Satz ab; im obigen Beispiel fungiert das (durch die Negation modifizierte) Adverb als Modifikator des Verbs. Für die -mertf-Adverbien ist die Bewertung dieses Kriteriums positiv, sofern sie in einer der beiden Positionen auftreten können.

Die Kriterien „_A/ADV" / „Vinf_" / „Vpart" / „Satzwort" Diese Distributionskriterien übernehme ich unverändert von Schlyter. „_A/ADV" meint die Position von Adverbien innerhalb einer Adjektiv- oder Adverbialphrase unmittelbar vor dem Adjektiv oder Adverb. Das Adverb fungiert hier als Modifikator des Adjektivs bzw. Adverbs: (13) (14)

Marie est une femme(ADV)jolie. Marie chante (ADV) bien.

84

Das Kriterium „Vinf_" erfaßt das Auftreten von Adverbien nach einer Verbform im Infinitiv, als dessen Modifikator es fungiert, (15)

Marie sait chanter (ADV)

und das Kriterium „Vpart_" das nach einer partizipialen Verbform mit entsprechener Modifikationsfunktion: (16)

Marie a chante" (ADV).

„Satzwort" meint, daß ein Adverb als Antwort auf eine Ja-/Nein-Frage fungieren kann. In diesem Gebrauch entspricht das Adverb grammatisch-funktional einem Satz: (17)

Est-ce que Marie chante? - (ADV).

Das modifizierte Distributionsschema wird nachfolgend dargestellt. Auf der Grundlage von Schlyters Beispielsätzen für den Gebrauch der -menf-Adverbien sowie meines eigenen Korpus filr den der Negationsträger gebe ich darin für jedes negative Wort bzw. jede von Schlyter postulierte adverbiale Subklasse an, ob es bzw. sie in der jeweiligen Position möglich („+"), nicht möglich („-") oder zwar möglich, aber untypisch ist („o"). Diese Bewertungen werden unter 4.4.2. durch die Angabe entsprechender Beispiele belegt. Wo in den von Schlyter übernommenen Kriterien meine Bewertung der -ment-Adverbien von der ihren differiert, ist Schlyters Bewertung in eckigen Klammern angefügt. N.B. Den Bewertungsmodus habe ich von Schlyter übernommen, dabei aber nicht von der Bewertung durch „(+)" Gebrauch gemacht, die angibt, daß aus einer bestimmten Klasse nur wenige Adverbien in dieser Umgebung möglich sind (s. dazu Schlyter 1977: 142). Klare und eindeutige Ergebnisse sollen Vorrang vor einer allzu detaillierten Analyse haben.

85

4.3. Distributionsschema S

Neg

A/ADV

Vfin VP

pas

Vinf

Vpart

Spaltsatz Satzwort

+ (nach Aux in

lit./geh. Spr.)

-

-

+

+

-

-

-

+

0

+

+

+

+

ο

+

+ (Adv +

+

+

-

-

+ -

nulle part

+

+

A) 0

+

+

+

+

ADV degro ADV verb. ADV ένέη. ADV cadre ADV phrase ADV relation ADV restr.

-

+

+

+

0

-

+

+

+

+

+

+

+

+

-

+

+

+

+

-

+

-

-

-

+

guere nullement/ aucunement jamais plus

-

+

+ (vor Part II selten)5 +

[o] -

[-/+] +

+

+

+

+

+

[ο] [0]

[ο] +

-

-

Ο

-

-

-

-

-

-

ο

+

+

+

-

-

4.4. Auswertung des Distributionsschemas Die im Distributionsschema dargestellten Untersuchungsergebnisse zeigen bereinstimmungen im syntaktischen Verhalten von pas, guere, aucunement, nullement, jamais, plus und nulle part einerseits und bestimmten Subklassen der -/ne«r-Adverbien andererseits. Diese Ergebnisse belegen, da es sich bei den thematisierten Negationstr gern um Adver5

S. dazu Vikner (1978: 96).

86

bien handelt. Zudem ermöglichen sie eine plausible Subklassifizierung der negativen Adverbien entsprechend ihrer Distribution und Funktion. Beide Resultate sollen nachfolgend durch Beispielsätze illustriert und kommentiert werden.

4.4.1. Subkategorien der negativen Adverbien 4.4.1.1. pas, guere, nullement, aucunement Die Negationsträger pas, guere, nullement und aucunement teilen weitgehend dieselben Stellungseigenschaften. In erster Linie sind sie in der Position vor Adjektiv bzw. Adverb und nach dem finiten, mit Ausnahme von guere auch nach dem - in der Regel auxiliaren Infinitiven Verb möglich. Funktional sind sie Modifikator eines Adjektivs, Adverbs oder Verbs. Innerhalb dieser Gruppe bestehen jedoch auch Differenzen bezüglich Distribution und Funktion. So kann guere als einziges dieser Adverbien mit anderem Negationsträger auftreten, wobei die Kompatibilität jedoch auf die mit plus beschränkt ist: (18)

Je n'y compte plus guere. (Romains, zitiert nach Gaatone 1971: 154)

Die Kombination plus guere scheint darüber hinaus weitgehend lexikalisiert zu sein, wofür auch die festgelegte Reihenfolge ihres Auftretens spricht. Denn plus ist guere stets vorangestellt: (19) (20)

Un vieux modecin qui n'excerce plus guere. (Petit Robert 1) Mot qui n'est plus guere employo. (Petit Robert 1)

Bei echt kompatiblen Negationsträgern ist dies nicht der Fall; ihre Reihenfolge ist flexibel: (21)

II ne reviendra jamais plus (Grevisse 1993: §979)

(22)

On n'emploie plus jamais ce mot. (Petit Robert 1)

Deswegen ist das Kriterium „Neg" für guere negativ bewertet. N.B. Der Grund für die fixierte Reihenfolge von plus und guere ist wohl die Abgrenzung des negativen Adverbs plus von dem Gradadverb plus, das recht häufig mit guere auftritt. Dabei ist das Gradadverb plus guere nachgestellt; vgl.: (23) (24)

Us nous ont semblo aussi vraisemblables, mieux öcrits et guere plus ridicules que certains romans de nos jours. (Musset, zitiert nach Grevisse 1993: §972) Pernette itait marraine de confirmation de Marie Chinze, eile vivait encore avec sä mdre, eile avait l'air d'avoir cent ans quoique guere plus äg e que moi, dit-elle. (Finget, zitiert nach Gaatone 1971: 153)

Die komplementäre Distribution der beiden plus in bezug auf ihre mögliche Kombination mit guere ermöglicht ihre jeweilige Identifizierung.

87 Den Korpusanalysen nach zu urteilen kann guere zudem nicht nach Infinitiven Verben stehen. - Der Gebrauch von nullement und aucunement vor Adverbien wird offensichtlich vermieden, er ist jedoch grundsätzlich möglich. Im Unterschied zu den anderen Elementen dieser Gruppe kann pas die Funktion eines Satzwortes nur übernehmen, wenn es mit anderem Adverb oder einer Verstärkung wie du tout steht.

4.4. l .2. jamais und plus Das Distributionsschema läßt eine weitere Subkategorie der negativen Adverbien erkennen, die aus jamais und plus gebildet wird. Sie treten in den gleichen Umgebungen auf wie die Gruppe pas etc., sind aber mit anderen Negationsträgern kompatibel. Zudem kann jamais satzinitial auftreten. In bezug auf die Distribution von plus gilt die Einschränkung, daß es nicht als Satzwort auftreten kann. Funktional sind jamais und plus Modifikator eines Adverbs, Adjektivs, Verbs oder eines anderen Negationsträgers. Daß die beiden Adverbien jam a is und plus miteinander kompatibel sind, stellt insofern eine Auffälligkeit dar, als normalerweise umgekehrt die Inkompatibilität von Adverbien ein Kriterium für ihre Zugehörigkeit zu ein und derselben adverbialen Klasse ist.

4.4.1.3. nulle part Für nulle part lassen sich Beispielsätze bilden, die alle acht Distributionskriterien erfüllen. Durch das Korpus sind viele dieser möglichen Positionen tatsächlich jedoch nicht oder nur sehr spärlich belegt. Eine Erklärung für diese Diskrepanz liegt in der Fragwürdigkeit des Adverbstatus selbst von nulle part. Unter 4.4.2.3. soll ausführlich auf dieses Problem eingegangen werden. Es ist jedoch bereits an dieser Stelle festzuhalten, daß nulle part sich syntaktisch grundlegend von den anderen negativen Adverbien unterscheidet.

4.4.2. Übereinstimmungen Negationsträger- Schlyters Adverbkategorien 4.4.2.\.pas, guere, nullement, aucunement - Gradadverbien a. Distribution Die Gruppe pas, guere, aucunement / nullement weist in bezug auf ihre Distribution und Funktion große Gemeinsamkeiten mit der von Schlyter (1977: 45ff.) als Gradadverbien bezeichneten Kategorie auf. N.B. Auch Grevisse (1993: §954, c, d2°) zählt guere sowie die von Schlyter als solche klassifizierten -me/2/-Adverbien zu den Gradadverbien. Es ist m.E. jedoch zwischen „klassischen" Gradadverbien wie tres, peu, assez, trop etc. und den von Schlyter angenommenen -ffie«/-Gradadverbien - zumindest in syntaktischer Hinsicht - zu differenzieren. So sind beispielsweise adnominale Adjektivphrasen, die ein modifizierendes -wze«/-Gradadverb oder ein entsprechendes negatives

Adverb enthalten, ihrem Bezugsnomen grundsätzlich nachgestellt, was für adnominale Adjektivphrasen mit „klassischem" Gradadverb nicht gilt; vgl.: (25) (26)

Marie est une femme {pas, relativement} jeune. *Marie est une (pas, relativement} jeune femme.

(27) (28)

Marie est une femme tres jeune. Marie est une tres jeune femme.

Um diese Differenzierung auch begrifflich zu verdeutlichen, sollen Schlyters Gradadverbien im folgenden als -me«/-Gradadverbien bezeichnet werden.

Im folgenden sind als Beleg hierfür Beispielsätze Schlyters für die Distribution der -mentGradadverbien angeführt, denen solche aus meinem Korpus für entsprechende Verwendungen der genannten Negationsträger gegenübergestellt werden.

_Adj: (29) (30) (31)

[...] cet äge extrSmement delicat [...]. (Radio, zitiert nach Schlyter 1977:46) II avait l'air d'un sous-chef de bureau dans un ministere, mais dans un ministere pas chic. (Montherlant, zitiert nach Gaatone 1971: 40) [...] sä grossiere muraille s'exhaussait d'un soubassement en moellons nullement polis [...] (Proust, zitiert nach Gaatone 1971:155)

_Adv: (32) (33) (34)

II faut aller nettement plus loin. (Le Monde, zitiert nach Schlyter 1977: 46) [...] il lui semblait qu'elle faisait lä quelque chose de pas bien. (Audry, zitiert nach Gaatone 1971:40) Regardez ce ruban qui court dans ces trois scenes, avec des inscriptions plus tres lisibles mais que l'on arrive assez facilement ä reconstituer. (Butor, zitiert nach Gaatone 1971: 146)

Vfin_VP: (35) (36) (37) (38) (39)

Ce coup m'afortement tauche. (Papillon, zitiert nach Schlyter 1977: 46) II n'avait pas premedite de dire que Frodorique otait sa niece. (Vailland, zitiert nach Gaatone 1997:51) II croit ne pas poitvoir venir. (Grevisse 1993: §980, b l °) M. le Comte ne s'estguere occupe de moi [...] (Bemanos, zitiert nach Gaatone 1971: 154) [...] si une jeune fille n'a guere eu de vie avant le mariage, il n'est pas de meme d'un homme. (Aragon, zitiert nach Gaatone 1971: 154)

89

(40)

C'est un simple retard sans importance, Anne, qui ne m'a nullement empeche de finir tranquillement ce soir la lecture de ce que j'e"crivais [...] (Butor, zitiert nach Gaatonel971: 156)

Vinf_: (41) (42) (43)

Vous avez choisi de changer totalement d'attitude. (Schlyter 1977: 46) Elle est convenue de n'en avoir pas6 envie. (Delay, zitiert nach Petit Robert 1) [...] tout d'un coup je constatai [...] dans le me"plat de ses joues, la construction de celles de son jeune neveu Loonor de Cambremer, qui pourtant avait l'air de ne lui ressembler nullement [...] (Proust, zitiert nach Gaatone 1971: 156)

S:

(44) (45)

*Enorm6ment, le bruit a imte" Josephine. (Schlyter 1977: 47) *Tellement, Brigitte a change". (Schlyter 1977:47)

Für pas, guere, nullement und aucunement finden sich in meinem Korpus ebenfalls keine Belege für ihren satzinitialen Gebrauch. Daß die -/we/tf-Gradadverbien nicht die Erststellung im Satz einnehmen können, ist m.E. dadurch bedingt, daß sie sich laut Schlyter (1977: 43) in starker Abhängigkeit vom Verb befinden und deswegen nicht außerhalb der Verbalphrase gebraucht werden können. Dieselbe Einschränkung ist für die hier untersuchten Negationsträger zu formulieren.

Neg: (46)

Brigitte n'a pas tellement change". (Schlyter 1977: 47)

Diese Stellung ist pas, guere, aucunement und nullement nicht möglich, da eine Inkompatibilität dieser Gruppe sowohl untereinander als auch mit den anderen Negationsträgern7 besteht. Für die von Schlyter untersuchten -/»^-Gradadverbien verhält es sich jedoch nicht anders: Auch sie sind miteinander inkompatibel: (47) (48)

*Elle a e"norm6ment relativement change". *Ce probleme est logerement e"norm£ment difficile.

Als Grund für die Inkompatibilität der -/we«/-Gradadverbien nennt Schlyter (1977: 53, Auslassungen von mir) „[...] que ces adverbes n'ont pas de sens tres distincts les uns des autres Engver (1972: 17) erklärt die Option der „Forklusive", womit er in Anlehung an Damourette/Pichon (1911 - 1940) die Negationsträger bezeichnet, in postinfinitiver Stellung aufzutreten damit, daß die meisten von ihnen ursprünglich Nomina in der Funktion eines direkten Objekts waren. Zum Sonderstatus von guere bezüglich seiner Kompatibilität s. 4.4.1.1.

90

[...] mais sont souvent remplasables 1'un par l'autre, de sorte qu'il y a toute une sorie qui oquivaut, ä peu pres, ä tits." Eine entsprechende Bedeutungsähnlichkeit besteht auch zwischen pas, guere, aucunement und nullement. guere ist semantisch abgeschwächter Ausdruck der Negation, nullement und aucunement verstärken diesen, so daß sie sich nicht sinnvoll gegenseitig modifizieren können, denn dazu bedarf es jeweils unterschiedlicher Bedeutungsaspekte. Diese semantisch motivierte Inkompatibilität der negativen wie der -we«/-Gradadverbien ist als ein Kennzeichen ihrer Zugehörigkeit zu jeweils ein und derselben Adverbkategorie zu werten.

Spaltsatz: (49)

?*C'est tellement que Brigitte a changS. (Schlyter 1977: 47)

Die fraglichen Negationsträger können in dieser Position ebenfalls nicht auftreten.

Satzwort: (50) (51) (52)

(53)

Brigitte a-t-elle changed {- Pas tellement, - Enormoment.} (Schlyter 1977: 47) Est-ce parce qu'ils flairent en moi le rene"gat possible, l'homme facile ä corrompre? Certes pas.8 (Romains, zitiert nach Gaatone 1971: 43)] „Raconte d'abord, dit-elle. Qu'as-tu fait de Xaviere? Avez-vous enfin travaille"?" Pierre la regarda d'un air un peu penaud. „Guere" dit-il. (Beauvoir, zitiert nach Gaatone 1991: 153) Cela vous doplait-il? - Nullement. (Petit Robert 1)

Zwischen den -wen/-Gradadverbien einerseits und den Negationsträgern pas, guere, nullement und aucunement andererseits besteht folglich bezüglich ihrer Distribution sehr weitgehende Übereinstimmung. Entsprechendes gilt für die grammatischen Funktionen, die beide Gruppen im Satz jeweils realisieren (s. 4.2.): Sie können Modifikator eines Adjektivs, Adverbs oder Verbs sein und Satzfunktion haben.

b. Semantik Wie unter 4.1.1. ausgeführt und begründet, soll der Nachweis, daß es sich bei den thematisierten Negationsträgern um Adverbien handelt, primär auf der Grundlage syntaktischer Kriterien geführt werden. Die semantischen Eigenschaften von pas, guere, aucunement, nullement einerseits und den -/weni-Gradadverbien andererseits sollen an dieser Stelle denDer relevante Unterschied zwischen diesem und dem vorausgehenden Beispiel besteht in der jeweiligen Position \onpas relativ zu einem anderen Adverb: In (47) fungiert pas als Modifikator des Adverbs tellement, in (48) wird pas selbst durch certes modifiziert. Die Funktion des Satzwortes wird damit in (47) durch tellement und in (48) durchras realisiert.

91

noch kurz angesprochen werden, weil sie eine weitere Übereinstimmung beider Gruppen belegen. Bezüglich der Semantik der -we/tf-Gradadverbien stellt Schlyter (1977: 48) fest [...] qu'ils indiquent le degre, l'intensito etc. du contenu exprimo par Padjectif ou le verbe. Ils peuvent etre considiros comme des equivalents, mais plus nuancos, de tres. beaucoup. assez, peu, etc., c'est-a-dire indiquant un degro approximatif. II s'agit d'un champ simantique ä deux poles: un degro haut et un degre bas.

Werden die Pole der Intensitätsskala nicht mit hoch und niedrig, sondern mit hoch und Null angesetzt - wobei der niedrige Grad dann zwischen diesen beiden Polen anzusiedeln ist - so lassen sich auch die negativen Adverbien darin integrieren. Sie können innerhalb der semantischen Skala dem Pol der Intensität Null zugeordnet werden, während Adverbien wie enormement, extremement eine hohe, solche wie relativement, legerement eine mittlere oder niedrige Intensität anzeigen; vgl.:

Fig. l hohe Intensität II est extremement douo.

II est relativement doue\

II n'est pas doue\ Intensität Null

4.4.2.2. jamais und plus - Rahmenadverbien a. Distribution Die im Distributionsschema dargestellten Untersuchungsergebnisse (s. 4.3.) zeigen, daß jamais und plus die größten Übereinstimmungen mit Schlyters Kategorie der Rahmenadverbien aufweisen. Die Gemeinsamkeiten bezüglich Distribution und Funktion sollen wiederum durch eine Gegenüberstellung von Schlyters Beispielen (1977: 81 ff.) für den Gebrauch von Rahmenadverbien und entsprechenden Sätzen meines Korpus für den von jamais und plus belegt werden.

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(54) (55) (56)

Actuellement, ce point demeure assez flou pour nous. (Schlyter 1977: 82) Extorieurement, cette nouvelle „344" ne differe guere de l'ancienne „144". (FranceSoir, zitiert nach Schlyter 1977: 82) Jamais je n'avais send si cruellement sa solitude et la mienne. (Bernanos, zitiert nach Gaatone 1971: 137)

plus kann zwar ebenfalls in Initialstellung auftreten, jedoch nur in Kombination mit einem anderen Wort; vgl.: (57) (58)

Plus jamais il ne reviendra. (Grevisse 1993: §979) Plus personne aujourd'hui n'est capable de construire une öglise. (Simon, zitiert nach Gaatone 1971: 149)

Dieser Gebrauch entspricht nicht dem von Adverbien in Initialstellung, denn plus fungiert hier nicht als Modifikator des Verbs, wie das normalenveise mit der Initialstellung verbunden ist, sondern modifiziert das nachfolgende Wort, in den gezeigten Beispielen einen Negationsträger. Position und Funktion von plus entsprechen hier folglich dem Kriterium „Neg" und nicht „_S". Rahmenadverbien sind, wie Schlyter (1977: 81ff.) zeigt, daneben auch in eingefügter und finaler Position möglich; vgl.: (59) (60)

Je ferai un spocial prochainement. (Schlyter 1977: 83) La peine de mort, on peut dire qu'il en est question dans toutes les conversations actuellement. (Schlyter 1977: 83)

In 4.2. ist begründet, warum ich diesen Gebrauch unter das Kriterium der Initialstellung im Satz subsumieren möchte. Gleichwohl zeigt sich darin ein Unterschied zwischen den Rahmenadverbien und den thematisierten Negationsträgern, da letztere nicht in finaler oder eingefügter Position stehen können. Die Bewertung des Distributionskriteriums „_S" lautet für jamais und besonders plus daher „o".

Vfin_VP: (61) (62) (63)

Les effectifs, [...], bien qu'ils aient rocemment progresse", ne ddpassent pas [...]. (Politique Hebdo, zitiert nach Schlyter 1977: 82) Sade n'a meme jamais cru que sa nation consentirait 1'effort supplomentaire que la ferait "re"publicaine". (Camus, zitiert nach Gaatone 1971: 137) L'enfer, Madame, c'est de ne plus aimer. (Bernanos, zitiert nach Gaatone 1971: 149)

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Neg: (64) (65) (66) (67)

Les blancs ne dominent pas oconomiquement ce pays (mais seulement culture! lement). (Schlyter 1977:84) Vous n'aurezjamais aucun succes! (Grevisse 1993: §979) II ne reviendra jamais plus. (Grevisse 1993: §979) A partir de ce moment, les passagers n'avaient plus rien vu [...] (Camus, zitiert nach Gaatone 1971: 148)

Die Rahmenadverbien können nur in der Stellung nach einem Negationsträger stehen (64), jamais und plus sind dagegen generell mit anderen Negationsträgern kompatibel, können also sowohl vor als auch nach diesen auftreten. Die grammatische Funktion hängt dabei, wie unter 4.2. ausgeführt, von der jeweiligen Konstruktion ab. So fungieren economiquement, jamais und plus in (64), (65) und (67) jeweils als Verbmodifikator, jamais in (66) dagegen als Modifikator des adverbialen Negationsträgers plus, der seinerseits wiederum das Verb modifiziert.

_A / ADV:

(68) (69) (70) (71)

[...] la position prise comme moralement la plus inadmissible. (Salacrou, zitiert nach Schlyter 1977: 83) [...] un e"nonc6 grammaticalement unique. (Ducrot, zitiert nach Schlyter 1977: 83) Un amour jamais satisfait. (Petit Robert 1) Un vieux pere, une fille plus tres jeune.9 (Sartre, zitiert nach Grevisse 1993: §972)

Schlyter führt an, daß die Rahmenadverbien auch vor einem ohne Hilfsverb gebrauchten Partizip Perfekt stehen können. Da es sich dabei um den adjektivischen Gebrauch des Partizips handelt, ist diese Stellung der Rahmenadverbien ebenfalls durch „_A/ADV" zu erfassen;10 vgl.: (72) (73)

[...] les exemples habituellement choisis concernent des personnages dont [...] (Ducrot, zitiert nach Schlyter 1977: 83) Elle e"tait coquette, et si eile se lavait rarement, eile mettait une fleur dans ses cheveux jamais peignes, un collier autour d'un cou-tige. (Triolet, zitiert nach Gaatone 1971:135)

9 Isiplus einem Adjektiv vorangestellt, so muß zwischen beiden ein graduierendes oder quantifizierendes Adverb stehen (s. Gaatone 1971: 147f.). Hierbei handelt es sich um einen syntaktischen Niederschlag des pragmatischen Prinzips der Eindeutigkeit: Es sollen dadurch mögliche Verwechslungen mit dem Mengenadverb plus ausgeschlossen werden. 10 S. dazu N.B. zu „Vfin VP" in 4.2.

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Spaltsatz: Rahmenadverbien können in einen Spaltsatz gesetzt werden, was furjamais und plus nicht möglich ist; vgl.: (74) (75) (76)

C'est actuellement qu'elle propare une these. (Schlyter 1977: 84) C'est oconomiquement que les blancs dominent ce pays. (Schlyter 1977: 84) *C'est jamais / plus que les blancs dominent ce pays.

Daneben sind Rahmenadverbien laut Schlyter (1977: 84) auch in „Pseudospaltsätzen" möglich, vor allem in der Position nach dem Verb faire. Dies gilt auch für jamais \mdplus. Zwar finden sich in meinem Korpus keine entsprechenden Belege für eine solche Verwendung der Negationsträger, es lassen sich aber ausgehend von Schlyters (1977: 85) Beispielen korrekte Konstruktionen bilden: (77) (78) (79) (80)

Ce qu'elle fait actuellement, c'est proparer une these. (Schlyter 1977: 85) Ce qu'il a fait rocemment, c'est envoyer un tologramme. (Schlyter 1977: 85) Ce qu'elle ne fait plus, c'est proparer une these. Ce qu'il n'a jamais fait, c'est envoyer un

Diese Stellung ist jedoch nicht distinktiv, denn in ihr können alle diejenigen Adverbien auftreten, die in der Position nach dem finiten Verb in einfacher Zeit stehen können. Da dies, wie bereits bemerkt (s. 4.2.), jedem Adverb möglich ist, kann folglich auch jedes Adverb in einem solchen Pseudospaltsatz auftreten. Die Bewertung des Distributionskriteriums „Spaltsatz" bewegt sich für die Negationsträger jamais und plus daher zwischen „o" und „-". Daß die entsprechenden Verwendungen in meinem Korpus nicht belegt sind, spricht für „-".

Vinfj (81) (82) (83)

On a vu juger röcemment ä Oslo les agents israoliens. (Le Monde, zitiert nach Schlyter 1977: 83) II ne sut l'exprimer jamais. (Bernanos, zitiert nach Grevisse 1993: §980, bl°) Cette vieille femme se meurt de ne possöder plus son ills. (Mauriac, zitiert nach Grevisse 1993: §980, b l °)

Der Gebrauch von jamais und plus in der Position nach einem Verb im Infinitiv ist allerdings als archaisierend markiert und gehört dem gehobenen literarischen Register an.

Vpart_: (84)

[...] a declare dernierement M. Lara. (Le Monde, zitiert nach Schlyter 1977: 83)

95

Nach einem Perfektpartizip können jamais und plus nicht auftreten.

Satzwort: Wie die Rahmenadverbien, so kann auch plus nicht als Satzwort auftreten; vgl.: (85)

Habite-t-il encore la France? demanda-t-elle. - Plus maintenant, dit Mme Vavasseur. (Troyat, zitiert nach Gaatone 1971: 148)

In diesem Gebrauch hat plus keine Satzfunktion, wie dies für ein Satzwort kennzeichnend ist, sondern fungiert als Modifikator des nachfolgenden Adverbs. Diese Funktion entspricht somit der in der Position „_A/ADV". jamais unterscheidet sich darin sowohl von plus als auch den Rahmenadverbien; es kann mit Satzfunktion auftreten; vgl.: (86)

Bien: vous n'en parlerez pas, n'est-ce pas? - Jamais! (Larbaud, zitiert nach Gaatone 1971: 136)

Die Übereinstimmungen in bezug auf Distribution und Funktion \onjamais und plus einerseits sowie den Rahmenadverbien andererseits sind geringer als im Fall des Vergleichs von pas, guere etc. und den -me«/-Gradadverbien. Die Negationsträger jamais und plus können weder in einen Spaltsatz gesetzt" noch nach einem Perfektpartizip auftreten wie die Rahmenadverbien, und allein jamais kann Satzwort sein, wobei es sich dabei jedoch zumindest um eine adverbtypische Position und Funktion handelt. Beiden Gruppen gemeinsam ist, als Modifikator von Adjektiven, Adverbien und Verben fungieren zu können. - Die semantischen Eigenschaften der untersuchten Wörter sollen auch hier zusätzliche Evidenz liefern.

b. Semantik Als gemeinsames semantisches Merkmal der Rahmenadverbien wertet Schlyter (1977: 85) [...] qu'ils indiquent le cadre ä l'interieur duquel la proposition a une valeur de verite. Si on dit: 'Actuellement, cette voiture est la meilleure.' la voiture n'est pas forcement la meilleure (§ ralement et toujours) mais seulement au moment la phrase est dite.

Die Rahmenadverbien bilden mehrere Subklassen: die Standpunktadverbien (techniquement, physiquement etc., s. Schlyter 1977: 88ff), die Temporaladverbien (actuellemeni, recemment etc., s. Schlyter 1977: 90f.) sowie die Norm- und iterativen Adverbien (habituellement, frequemment etc., s. Schlyter 1977: 9Iff.). Dafür, daß die adverbialen Negationsträger allgemein nicht in Spaltsätzen stehen, sind semantische Gründe zu vermuten.

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Überträgt man Schlyters Bestimmung der Semantik von Rahmenadverbien auf die Subklasse der Temporaladverbien, so ergibt als ihr semantisches Merkmal, daß sie den zeitlichen Rahmen angeben, innerhalb dessen die Äußerung wahr ist. Die semantischen Eigenschaften von jamais und plus stimmen damit überein: Auch sie legen den zeitlichen Rahmen fest, innerhalb dessen die Äußerung wahr ist. Aufgrund ihrer Funktion als syntaktische Negationsträger definieren sie diesen negativ als „zu keiner Zeit" bzw. „zu keiner Zeit mehr". Die semantischen Eigenschaften von jamais und plus sprechen dafür, daß sie mit den Rahmenadverbien zumindest vergleichbar sind. Sie sollen als „negative Temporaladverbien" bezeichnet werden.

4.4.2.3. Das Lokaladverb nulle pari nulle part entspricht offensichtlich keiner der von Schlyter postulierten Adverbsubkategorien. Die Beispielsätze meines Korpus lassen sich überdies nur schwer den einzelnen Distributionskriterien zuordnen. Gleichzeitig liefern die Beispiele eine Erklärung für dieses Phänomen: nulle part kommutiert in (fast) jeder seiner Verwendungen mit einer Präpositionalphrase auf a. Dabei realisiert nulle part sowohl regierte als auch nicht regierte grammatische Funktionen im Satz. Im folgenden wird diese Beobachtung durch Beispiele illustriert. Dabei soll einer Verwendung von nulle part jeweils der entsprechende Gebrauch einer Präpositionalphrase gegenübergestellt werden, um ihre Kommutierbarkeit zu belegen. Des weiteren soll gezeigt werden, daß indefinite Lokaladverbien wie partout und quelque part das gleiche syntaktische Verhalten wie nulle part zeigen. Die meisten Korpusbelege zeigen nulle part in der nicht regierten grammatischen Funktion eines Adjunkts. In diesen Sätzen kann statt nulle part auch eine Präpositionalphrase mit spatial lokalisierender Präposition - also ä, en, dans etc. - stehen: (87) (88)

Je ne suis jamais bien nulle part. (Petit Robert 1) Je ne suis jamais bien (ä Paris, en avion, partout.}

(89)

Quant ä Albertine, je ne peux pas dire que nulle part, au Casino, ä la plage, eile eüt avec une jeune fille des manieres trop libres. (Proust, zitiert nach Gaatone 1971: 158) [...] je ne peux pas dire qu' {au restaurant, ä Phötel, dans sa chambre, quelque part}, au Casino, ä la plage, eile eut avec une jeune fille [...]

(90)

(91) (92)

Elle n'a Elle a

vue nulle part. (Vikner 1978: 96) vue {ä Paris, ä Puniversito, en Suisse, quelque part}.

Daneben fungiert nulle part auch als Obliquus des Verbs. Es kommutiert hier wiederum mit Präpositionalphrasen, die mit spatial lokalisierender Präposition gebildet sind; vgl.:

97

(93) (94)

[...] cette rue ne menait nulle part [...] (Bernanos, zitiert nach Gaatone 1971: 157) [...] cette rue menait {a Paris, au chateau, en Suisse, quelque part} [...]

(95)

Mais ma place n'est nulle part; je suis de trop. (Sartre, zitiert nach Trosor de la Langue Fran9aise) Mais ma place est {ä Paris, dans la cuisine, ä la maison, partout}; [...]

(96)

Muller (1991) nennt ein Beispiel für den Gebrauch von nulle part in der Funktion eines direkten Objekts. Es kommutiert hier mit einer Nominalphrase: (97)

(98) (99)

Pourtant, des gens s'y accrochent, vivant dangereusement dans des maisons delabroes, probablement parce qu'ils n'ont nulle part oü aller. (Le Monde, zitiert nach Muller 1991:289) [...] probablement parce qu'ils n'ont aucun endroit oü aller. [...] probablement parce qu'ils ont {une place, un endroit, quelque part} oü aller.

Diese Verwendung von nulle part ist jedoch als äußerst ungewöhnlich zu bewerten. - In Subjektfunktion tritt nulle part dem Korpus zufolge nicht auf; eine weitere Eigenschaft, die es mit Präpositionalphrasen teilt. In einer Stellung ist der Gebrauch von nulle part adverbtypisch, und zwar in der zwischen Hilfsverb und Perfektpartizip einer zusammengesetzten Verbform. Diese Stellung entspricht also dem Kriterium „Vfin_VP" (s. 4.2.). Weder eine Nominal- noch eine Präpositionalphrase kann in dieser Position auftreten, wohl aber die Lokaladverbien partout und quelque part;12 vgl.: (100) La täche d'un monarque chrötien lui paraissait etre de veiller ä ce que le pouvoir absolu, Omanation de la divine, ne soit nulle part menaco. (Troyat, zitiert nach Gaatone 1971: 158) (101) La täche d'un monarque chrotien lui paraissait etre de veiller ä ce que le pouvoir absolu, Emanation de la volonto divine, soit {?quelque part, partout}menace". (102) *[...] lui paraissait etre de veiller ä ce que le pouvoir absolu, Omanation de la volonto divine, (ne) soit {ä aucun endroit, au chateau, ä Paris} menaco. (103) Les euros de village ne sont nulle part recrutos dans les rangs de la noblesse de naissance. (Vikner 1978: 96) (104) Les euros de village sont {partout, quelque part} recrutos dans les rangs de la noblesse de naissance. (105) *Les euros de village sont {au monastöre, ä Lyon} recrutes dans les rangs de la noblesse de naissance.

Ein entsprechendes syntaktisches Verhalten ist auch im Falle des indefiniten Pronomens rien zu beobachten: Ansonsten funktional eine Nominalphrase, tritt es in der Funktion als direktes Objekt des Verbs bei zusammengesetzter Verbform zwischen Hilfs- bzw. Modalverb und das infinite Verb (s. 3.5.2.).

98

Allerdings ist auch dieser Gebrauch von nulle pari als markiert zu bezeichnen, wie auch die als fragwürdig zu klassifizierende Verwendung von quelque part in (101) zeigt. Die unmarkierte Stellung sowohl für nulle part als auch partout und quelque part ist bei zusammengesetztem Verb die nach dem Perfektpartizip. In dieser Position kommutieren sie wiederum mit Präpositionalphrasen; vgl.: (106)

[...] lui paraissait etre de veiller ä ce que le pouvoir absolu, Omanation de la volonto divine, (ne) soit menacö {nulle part, quelque part, ä aucun endroit}. (107) Les euros de village (ne) sont recrutos {nulle part, au monastere, partout} dans les rangs de la noblesse de naissance. Der Negationsträger nulle part verhält sich somit in bezug auf seine Distribution und Funktion wie eine Präpositionalphrase mit lokalisierender Präposition in Adjunkt- oder auch Obliquusfunktion. Entsprechendes gilt für die indefiniten Lokaladverbien partout und quelque part. Die erwähnten Verwendungen von nulle part, partout und quelque part, in denen ihr syntaktisches Verhalten nicht dem einer Präpositionalphrase entspricht, sind als marginal zu bewerten und werden nicht weiter behandelt (s. 4.5.).

4.4.3. Positive Verwendung der negativen Adverbien Die aufgrund des Distributionsschemas postulierte Subkategorisierung der negativen Adverbien erfährt Bestätigung durch eine weitere Beobachtung: Einige dieser Negationsträger können mit positiver Bedeutung und damit als „stilistische Variante" (Gaatone 1971: 134) ihrer positiven Entsprechung gebraucht werden. In verbalem Kontext tritt dabei die klitische Form ne nicht auf. Es handelt sich bei diesen Lexemen umjamais, plus und nulle part; vgl.: (108) Si vous venez jamais me voir, je vous montrerai mes bibelots, (zitiert nach Grevisse 1993:§981) (109) [...] comme je n'avais plus assez de calme pour laisser ma pense"e se poser sur les choses qui e"taient devant moi, elles cesserent de plus rien contenir de moi [...] (Proust, zitiert nach Gaatone 1971: 151) (l 10) Oh! la vie est dure, et je n'ai pas le temps de prendre racine nulle part. (Bernanos, zitiert nach Gaatone 1971: 158f.) Die Negationsträger pas, guere, aucunement und nullement besitzen die genannte Eigenschaft nicht. Dieser Befund kann dadurch erklärt werden, daß die erste Gruppe in ihrer Semantik eine positiv zu bestimmende Komponente enthält, die nach Abzug der Negativität durch einen spezifischen Kontext ihre alleinige Bedeutung ausmacht. Die zweite Gruppe drückt - in abgeschwächter oder verstärkter Form - die reine Negation aus und hat diese Option entsprechend nicht. - Wie bei der Behandlung der negativen Pronomina und Determinanten ausgeführt (s. 3.3.), handelt es sich bei diesem Gebrauch der Negationsträger meist um einen als archaisierend markierten, der dem literarischen Register angehört. Im Rahmen meiner Untersuchung soll deshalb auf eine detaillierte Analyse dieser positiven Verwendung verzichtet werden.

99 4.4.4. Zusammenfassung der Ergebnisse Die Untersuchung von Distribution und Funktion der Negationsträger pas, guere, aucunement, nullement, jamais, plus und nulle part hat folgende Ergebnisse erbracht: Die thematisierten Negationsträger gliedern sich in drei Subklassen. Die erste Klasse besteht aus pas, guere, aucunement und nullement. Diese Gruppe stimmt sowohl intern als auch mit der von Schlyter als Gradadverbien bezeichneten Klasse von -/we«/-Adverbien in bezug auf ihre Distribution und grammatische Funktion im Satz überein. Des weiteren teilen Negationsträger und -/we«/-Gradadverbien die semantische Eigenschaft, eine bestimmte Intensität hinsichtlich des modifizierten Sachverhaltes zum Ausdruck zu bringen, die sich auf einer Skala zwischen hoher Intensität und Intensität Null einordnen läßt. Es ist damit nachgewiesen, daß pas, guere, aucunement und nullement kategorial Adverbien sind und das Postulat eines Sonderstatus für pas weder syntaktisch noch semantisch gerechtfertigt ist. Diese Gruppe soll als „Negationsadverbien" bezeichnet werden. Die zweite Gruppe bilden jamais und plus. Diese Negationsträger haben in etwa die gleiche Distribution und Funktion wie Schlyters Rahmenadverbien. Sie stimmen mit deren Subklasse der Temporaladverbien bezüglich ihrer semantischen Eigenschaften überein. Auch für jamais und plus ist damit der Nachweis erbracht, daß sie der lexikalischen Kategorie der Adverbien zuzuordnen sind. Sie sollen als „negative Temporaladverbien" bezeichnet werde. Die dritte Klasse schließlich beinhaltet nur ein Element: nulle part. Es entspricht in Distribution und Funktion einer Präpositionalphrase und teilt diese Eigenschaft mit den indefiniten Lokaladverbien partout und quelque pari. Deswegen soll nulle part als „negatives Lokaladverb" bezeichnet werden. Die Lokaladverbien sind den Pronomina vergleichbar, die Distribution und grammatische Funktion von Nominalphrasen erfüllen (s. Kapitel 3). Die Tatsache, daß die Lokaladverbien regierte grammatische Funktionen realisieren können, spricht ebenfalls für eine solche Annäherung.13

4.5. Lexikalisch-funktionale Repräsentation der negativen Adverbien Der folgende Grammatikausschnitt ist im wesentlichen auf die Behandlung der negativen Adverbien beschränkt und hat nicht den Anspruch, eine „Adverbialgrammatik" zu sein. Er stellt die charakteristischen Eigenschaften der negativen Adverbien in bezug auf ihre Distribution und Funktion dar. In der LFG können sie durch die Angabe von Merkmalen entweder im Lexikoneintrag der Wörter oder in den k-Regeln erfaßt werden. Nachfolgend soll die Frage geklärt werden, in welcher Weise die festgestellten Charakteristika der Syntax der negativen Adverbien adäquat zu repräsentieren sind. Die entsprechenden Merkmale werden erläutert und ihr Einführen begründet.

Schon Sechehaye (1926: 65) plädiert dafür, Lexeme wie hier, ici, demain etc. eher als lokative und temporale Pronomina denn als Adverbien zu behandeln.

100 4.5.1. Lexikoneinträge und k-Regeln der Negations- und negativen Temporaladverbien Wie die Distributionsanalyse dieser Adverbien gezeigt hat, gibt es im Satz mehrere mögliche Adverbpositionen. Negations- und negative Temporaladverbien können nur in einigen und nicht in allen dieser Positionen auftreten. Welche das jeweils sind, legen die Adverbien selbst fest, d.h. es handelt sich um lexikalische Eigenschaften der Adverbien. In LFG können diese Eigenschaften adäquat durch entsprechende Merkmale im Lexikoneintrag der Adverbien repräsentiert werden. Dafür werden Positionsmerkmale definiert, die die verschiedenen Stellungsmöglichkeiten der Adverbien erfassen. So wird die Möglichkeit der Adverbien, innerhalb der Verbalphrase in der Stellung nach dem finiten Hilfs- oder Modalverb und vor dem infiniten lexikalischen Verb aufzutreten, durch das Positionsmerkmal „VP-POS = +" bezeichnet. Die Adverbposition „Vinf_", also ihr Auftreten nach einem Infinitiv, wird durch das Attribut „VPI-POS" mit dem Wert „+" repräsentiert, wobei das „I" auf die Infinitheit des Verbs verweist. Für das Auftreten der Adverbien nach dem finiten Verb in einfacher Zeit wird kein Positionsmerkmal definiert. Da alle Adverbien in dieser Position auftreten können, werden sie darin allein durch eine entsprechende k-Regel erzeugt. Das Merkmal „ADP-POS = +"14 erhalten solche Adverbien, die in einer Adjektiv- oder Adverbialphrase in der Stellung „_A/ADV" auftreten können. Die Eigenschaft von Adverbien \viQjamais, im Satz die Erststellung einzunehmen, wird durch „INI-POS = +" bezeichnet. Können Adverbien als Antwort auf eine Ja-/Nein-Frage fungieren, so bekommen sie das Merkmal „MOT-PHRASE = +" zugesprochen.15 Daß die negativen Adverbien funktional syntaktische Negationsträger sind, drückt das Merkmal „N EG = +" in ihrem Lexikoneintrag aus. Aus dieser Darstellung der adverbialen Eigenschaften in Form von Merkmalen resultieren Lexikoneinträge wie der folgende für pas: (111) /pas/ADV,

(TPRED) ='Pas' (tNEG) = + (tVP-POS) = + (tVPI-POS) = + (t ADP-POS) = +.

Er ist zu lesen als ,j?as ist ein Adverb mit der lexikalischen Bedeutung 'Pas'. Es ist funktional ein Negationsträger und ist hinsichtlich folgender Adverbpositionen im Satz markiert: in der Stellung zwischen einem Hilfs- oder Modalverb und dessen infinitem Verbalkomplement, nach einem Verb im Infinitiv sowie vor einem Adjektiv oder Adverb innerhalb der entsprechenden Phrase." Die grammatische Funktion der Adverbien ist die eines Modifikators. Ihre je spezifische Modifikationsfunktion steht dabei in enger Korrelation mit ihrer Position im Satz. So fungiert ein Adverb, das innerhalb einer Adjektiv- oder Adverbialphrase, also in der Stellung „ADP" soll hier als Schnittmenge von „A" und „ADV" sowohl Adjektiv- als auch Adverbialphrasen bezeichnen. Die Kumulationseigenschaften der Negationsträger werden nicht hier, sondern in Kapitel 6 behandelt.

101 „_A/ADV" auftritt, als Modifikator des entsprechenden Adjektivs bzw. Adverbs. Ein Adverb, das beim Verb oder in Erststellung im Satz steht, fungiert als Modifikator des Matrixverbs. Die Modifikationsfunktion kann darüber hinaus auch mit dem jeweiligen Skopus des Adverbs korrelieren.16 Da den meisten17 Adverbien die grammatische Funktion eines Modifikators gemeinsam ist, wird diese Eigenschaft adäquat in den k-Regeln repräsentiert; vgl. folgende Regel, die Adverbien in der Stellung nach finitem Verb in einfacher Zeit erzeugt (s. auch 4.5.1.3.):

VP

V

(ADVP) (TMOD)=I

Ob das Adverb im gegebenen Satz als Modifikator eines Adverbs, Adjektivs oder Verbs fungiert, ist aus der funktionalen Struktur des Satzes ablesbar: Der adverbiale Modifikator ist Modifikator desjenigen Prädikats, mit dem er sich funktional auf einer Ebene befindet, in (112) also des Satzprädikats „Venir", wie Fig. 2 verdeutlicht: (112) Vous ne venez guere nous voir. (Petit Robert l)

Fig. 2 SUBJ

PRED PERS NUM

'Pro' 2 PL

NE + PRED 'Venir (SUBJ) {VCOMP)' MOD PRED 'Guere' [NEC +

VCOMP PRED 'Pro' PERS l NUM PL In (113) fungiert pas dagegen als Modifikator des Prädikats „Serieux", also des Prädikats des (adjektivischen) Modifikators des Nominalkomplements: (113) C'&ait une femme pas sörieuse. (Coline, zitiert nach Petit Robert 1)

16

S. dazu ausführlich Kapitel 6. Eine Ausnahme bilden hier z.B. die Lokaladverbien, s.u. 4.5.2.

102

Fig. 3 SUBJ ["FRED

'Pro1'

PRED 'Etre (SUBJ) (NCOMP)' TENSE IMPARFAIT NCOMP

PRED SPEC MOD GEN NUM

Temme' INDEF fPRED 'Serieux oerieux1 MOD [PRED PRED 'Pas'"] |_NEG NEG + J FEM SG

Die Semantik, deren Eingabe die f-Struktur ist, wertet diese Informationen entsprechend aus, bezieht also das Prädikat „Pas" in Bsp. (l 13) auf das Prädikat „Se"rieux". N.B. Von der ebenfalls nicht regierten Adjunktfunktion unterscheidet sich die eines Modifikators dadurch, daß Modifikatoren einen stärkeren semantischen Bezug zum modifizierten Element aufweisen und deshalb anderen Beschränkungen unterliegen; vgl.: (114) Pierre est extremement doue\ - *Pierre est beaucoup doue". (115) *Pierre a extremement chanto. - Pierre a beaucoup chanto. Für eine Präpositionalphrase mit Adjunktfunktion gelten diese Beschränkungen nicht in der gleichen Weise; vgl.: (116)

Pierre est douo d'une maniere exceptionnelle. - Pierre a chantd d'une maniere exceptionnelle.

4.5.1.1. Lexikoneinträge der Negationsadverbien (111) /pas/ ADV, (tPRED) = 'Pas' (tNEG) = + (tVP-POS) = + (tVPI-POS) = + (t ADP-POS) = + (tMOT-PHRASE) = +.

103

(117) /guere/ ADV, (tPRED) = 'Guere' (TNEG) = + (tVP-POS) = + (tADP-POS) = + (tMOT-PHRASE) = +. (118) /aucunement/ ADV, (tPRED) = 'Aucunement' (TNEG) = + (tVP-POS) = + (TVPI-POS) = + (tADP-POS) - + (tMOT-PHRASE) = +. (119) /nullement/ ADV, (tPRED) = 'Nullement' (tNEG) = + (tVP-POS) = + (tVPI-POS) = + (tADP-POS) = + (tMOT-PHRASE) = +. Schlyters -me«/-Gradadverbien sind, abgesehen von dem funktionalen Negationsmerkmal, durch dieselben Eigenschaften gekennzeichnet, wie die Lexikoneinträge von tellemeut und leger ement zeigen: (120) /tellement/ADV, (TPRED) = Tellement1 (tVP-POS) = + (tVPI-POS) = + (tADP-POS) = + (tMOT-PHRASE) = +. (121) /Increment/ ADV, (tPRED) = 'Logerement1 (tVP-POS) = + (tVPI-POS) = + (tADP-POS) = + (tMOT-PHRASE) = +.

104

4.5.1.2. Lexikoneinträge der negativen Temporaladverbien (122) /jamais/ ADV, (tPRED) = 'Jamais', (tNEG) = + (tVP-POS) = + (tVPI-POS) = + (tADP-POS) = + (tlNI-POS) = + (tMOT-PHRASE) = +. (123)

/plus/ ADV, (TPRED) = 'Plus' (tNEG) = + (tVP-POS) = + (tVPI-POS) = + (tADP-POS) = +.

Schlyters Rahmenadverbien besitzen, abgesehen von den obengenannten Differenzen, entsprechende Merkmale wie die negativen Temporaladverbien. Als beispielhafter, allerdings unvollständiger18 Lexikoneintrag soll der von acluellement dienen: (124) /actuellement/ ADV, (tPRED) = 'Actuellement1, (tVP-POS) = + (TVPI-POS) = + (tADP-POS) = + (tlNI-POS) = +.

4.5.1.3.k-Regeln Die Lexikoneinträge der Adverbien zeigen, daß sich negative von positiven durch ein funktionales Negationsmerkmal unterscheiden. Über dieses Merkmal wird auch durch den in Kapitel l beschriebenen Kongruenzmechanismus das Auftreten der Negationsträger mit dem Klitikum ne in verbalem Kontext erfaßt: Die lexikalische Forderung von ne nach dem Negationsmerkmal gewährleistet, daß Negationsträger immer dann auftreten, wenn das Verb durch diese klitische Form erweitert ist; vgl:19

(59)

/ne/ CL_2,

(TNE) = + (t{SUBJ|OBJ|OBL|ADJ|MOD} NEG) =c +

18

19

Merkmale zur Erfassung der Fokusposition und der Möglichkeit, nach dem Partizip Perfekt zu stehen, fehlen in diesem Lexikoneintrag aufgrund der erwähnten Beschränkung auf die Eigenschaften der negativen Adverbien. Die Numerierung der Lexikoneinträge und Regeln ist hier Kapitel l entnommen.

105

Diese Forderung gelangt durch die k-Regel zur Expansion des um Klitika erweiterten Verbs, in der ne als CL_2 erzeugt wird, in die Ebene der Konstituenz und wird dort wirksam: RIO

V



(CL_1)

CL_2

(CL_3)

V

t=4

t=l

t=4

t=i

Tritt kein ne auf, so ist die V'-Konstituente bezüglich des Auftretens von Negationsträgern negativ markiert; vgl.: Rll

V

->

(CL_1)

(CL_3)

t-;

t=4

V

t=4 (t{SUBJ|OBJ|OBL|ADJ|MOD}NEG)= -

Entsprechend kann auch der Determinant de nur auftreten, wenn das von ihm lexikalisch geforderte Negationsmerkmal im Satz präsent ist (s. Kapitel 2). Die Syntax negativer Sätze wird damit durch das funktionale Negationsmerkmal der Negationsträger und die Forderungen von ne und de gleichsam „aus dem Lexikon heraus" gesteuert. Das bedeutet, daß die möglichen Satzpositionen sowohl der negativen als auch positiver Adverbien durch dieselben k-Regeln abgeleitet werden können. Die Adverbien werden als fakultative Konstituenten erzeugt, da die k-Regeln wohlgeformte Strukturen definieren und die Adverbien nicht regiert sind, ihr Auftreten also keine Voraussetzung für die Grammatikalität von Sätzen ist. Die syntaktische Kategorie der Adverbien ist ADVP („Adverbialphrase"), da in den möglichen Adverbpositionen grundsätzlich komplexe Adverbkonstituenten auftreten können (s. R5). Weil nicht jedes Adverb in jeder möglichen Adverbposition stehen kann, werden die Regeln mit funktionaler Information annotiert. Sie bringt zum Ausdruck, über welche Eigenschaften ein Adverb, das in der jeweiligen Position auftritt, im Lexikon verfügen muß. Daher zeigen die Pfeile bei dieser Information nach unten. - Zur Bezeichnung dieser Positionen wird auf die unter 4.2. definierten Distributionskriterien zurückgegriffen. Die Regeln haben skizzenhaften Charakter; sie erzeugen nicht alle möglichen Konstituentenstrukturen, sondern sind im wesentlichen auf die Ableitung der thematisierten Adverbien beschränkt.

Rl

S

->

(ADVP) (tMOD)=l (^INI-POS) =c +

NP (tSUBJ)=l

VP l=t

PP* le(tADJ)

R2

S

->

(ADVP) (tMOD)=4 ( -POS) =c +

VP 4=T

PP* 4- (tADJ)

106

Regel 2 leitet Sätze ab, die ein klitisches Subjektpronomen enthalten, das auf der Ebene der Konstituenz Teil der Verbkonstituente ist. Satzwort: R3

S'

->

ADVP

t=4 (lMOT-PHRASE)=c _A/_ADV: R4

R5

AP

->

ADVP ->

A20

(ADVP) (tMOD)=l (4ADP-POS)=c +

t=l

(ADVP) (tMOD)=l (4ADP-POS)=c +

ADV t=l

N.B. Wenn es sich bei dem modifizierenden Adverb um ein negatives handelt, muß gewährleistet sein, daß das Bezugsadverb „unter der Negation" (s. Schlyter 1977: 38ff.) stehen kann, gekennzeichnet in seinem Lexikoneintrag durch ein Merkmal wie „(tPOSTNEG) = +".

Innerhalb der VP: Das Auftreten nach fmitem Verb in einfacher Zeit ist, wie erläutert, jedem Adverb möglich. Daher werden hier alle Adverbien ohne Beschränkung durch ein Positionsmerkmal fakultativ postverbal abgeleitet. Einige der entsprechenden Regeln sind nachfolgend exemplarisch dargestellt: R6

VP

->

V t=4

(ADVP) (tMOD)= i

PP* (tADJ)

20 Stellungsbesonderheiten von Adjektivphrasen, die einen adverbialen Modifikator enthalten, bleiben in dieser Behandlung unberücksichtigt. Dazu wäre es notwendig, die Regel mit funktionaler Information darüber zu annotieren, daß solche Adjektivphrasen dem Bezugsnomen nachgestellt sind. 21 Die negative Annotation beschränkt diese Regel auf Verbalphrasen mit fmitem Kopf.

107

R7

VP

->

V T=4

(ADVP) (TMOD)=I

NP (tOBJ)=l

R8

VP

->

V T=>L· -n(llNF)

(ADVP) (tMOD)=4

PP (tOBL)=4

PP* le(tADJ)

PP*

N.B. Diese Regeln ließen sich stark vereinfachen durch eine Ableitung der Adverbialphrase in dieser Position als fakultatives Element der V'-Konstituente. Allerdings ergäben sich dadurch Probleme in bezug auf die Differenzierung zwischen finiten und infiniten Verben als Kopf der Verbalphrase und die entsprechenden Auftretensbeschränkungen für Adverbien. Die Annahme unterschiedlicher syntaktischer Kategorien für bezüglich Finitheit unterschiedlich markierte Verbalphrasen, wie sie Berman/Frank (1996) vorschlagen, löst dieses Problem. Eine solche Annahme vernachlässigt jedoch eine wichtige Übereinstimmung finiter und infiniter Verben, da identische Subkategorisierungseigenschaften je nach Finitheit durch unterschiedliche Regeln abgeleitet werden.

Vfm_VP: Da das Auftreten nach dem finiten Hilfs- oder Modalverb einer zusammengesetzten Verbform nicht jedem Adverb möglich ist (s. 4.2.), wird diese Position durch die Forderung nach dem entsprechenden lexikalischen beschränkt: R9

VP

->

V t=4

(ADVP) (tMOD)= i (IVP-POS)=c +

VP (tVCOMP)=l

Vinf_: Auch das Auftreten von Adverbien nach einem Verb im Infinitiv muß durch entsprechende funktionale Information beschränkt werden. Die nachfolgende Regel steht dabei wiederum exemplarisch für all diejenigen Regeln, die mögliche Verbalphrasenstrukturen ableiten: RIO

VP

->

V t=l

(llNF) = INFINITIV

(ADVP) (TMOD)= 4r

(4VPI-POS)=c +

Daß negative und positive Adverbien nicht nur auf der Ebene der Konstituenz, sondern auch der der Funktion übereinstimmen, verdeutlichen die folgenden f-Strukturen für (125) und (l26): (125)

Pierre est extremement doue.

108

(126) Pierre n'est pas doud.

Fig. 4 PRED SPEC GEN NUM

'Pierre' DBF MAS SG

PRED 'Etre (SUBJ) (ACOMP)' MOD [PRED 'Extremementn ACOMP

PRED 'Doue(SUBJ)7 SUBJ GEN MAS NUM SG

Fig. 5 SUBJ

PRED 'Pierre1 SPEC DEF GEN MAS NUM SG

NE + PRED 'Etre (SUBJ) UDJ; (ACOMP)' ^/\V^' MOD [PRED ''Pas' Pas' "I NEG +

J

ACOMP [PRED 'Doue (SUBJ)1 SUBJ GEN MAS NUM SG

Beide Adverbien, extrememenl und pas, werden in der f-Struktur als Modifikator des Satzprädikats repräsentiert. Gleichzeitig sind aus den f-Strukturen aber auch die funktionalen Unterschiede zwischen dem negativen und dem positiven Satz ablesbar: Der Verbmodiflkator in Fig. 5 ist als negativ markiert, und die Präsenz des NE-Merkmals signalisiert, daß das Satzprädikat in seinen Skopus integriert ist.

109 4.5.2. Lexikoneintrag und k-Regeln des negativen Lokaladverbs 4.5.2.1. Lexikoneintrag Um in der Grammatik zu erfassen, daß nulle part die Distribution und die grammatischen Funktionen einer Präpositionalphrase erfüllt, bestehen grundsätzlich zwei verschiedene Möglichkeiten. Die erste ist, nulle pari in diesen Verwendungen als lexikalisch gegebene Präpositionalphrase zu behandeln. Das bedeutet, man weist nulle part bereits auf der Ebene des Lexikons die syntaktische Kategorie PP zu und es wird auf der Ebene der Konstituenz durch diejenigen k-Regeln erzeugt, die Distribution und grammatische Funktionen von Präpositionalphrasen ableiten. Die zweite Möglichkeit besteht darin, nulle part im Lexikon als Adverb zu klassifizieren und eine k-Regel einzuführen, die definiert, daß eine Präpositionalphrase ein Adverb (mit bestimmten Merkmalen) sein kann. Daß spatial lokalisierende Adverbien Distribution und grammatische Funktionen einer Präpositionalphrase erfüllen, ist eine Regelmäßigkeit der französischen Sprache, gilt also neben den thematisierten Adverbien partout und quelque part auch für solche wie ici, lä etc. Diese Tatsache spricht dafür, die entsprechende Eigenschaft nicht als je spezifische von nulle part, partout, ici usw. zu behandeln, sondern sie durch eine Regel zum Ausdruck zu bringen:

Rll

PP

->

ADV

t=l Präpositionen wird in der LFG, wenn sie grammatisch,22 d.h. rein strukturbildend sind, ein PCASE23 zugesprochen, der der Überprüfung der Wohlgeformtheit dient. Denn das Auftreten der grammatischen Präpositionen wird in derselben Art und Weise durch ein regierendes Lexem gefordert wie in kasushaltigen Sprachen das Auftreten bestimmter (morphologischer) Kasusmarkierungen. Haben Präpositionen neben der strukturbildenden Funktion auch eine inhaltliche, so behandelt man sie analog zu Verben: Man spricht ihnen ein Prädikat zu, das Argumente regiert, also eine lexikalische Form. Das Adverb nulle part entspricht funktional Präpositionalphrasen, die eine Präposition mit lokalisierender Bedeutung enthalten; vgl. den Eintrag für lokalisierendes ä: (127)

/ä/ P, (tPRED) = 'A'.

Diese Eigenschaft von nulle part kann erfaßt werden, indem man ihm ebenfalls eine solche lexikalische Form zuspricht. Da die relativ unspezifische lokalisierende Bedeutung von nulle part der von ä entspricht, erhält nulle part dessen Prädikat:

22 Zur Unterscheidung lexikalische - grammatische Präposition s. Schwarze (1996).

23

Zu PCASE s. Bresnan (1982: 196ff.).

110

(128) /nulle part/ ADV, (tPRED) = 'A' (TARG2 PRED) = 'Nulle Part' (tNEG) = +.24 Von den beiden Argumenten, die das Prädikat einer lokalisierenden Präposition regiert, entspricht das erste dem zu lokalisierenden Objekt, das zweite dem lokalisierenden Ort. Die Lokaladverbien haben die Eigenschaft, den lokalisierenden Ort sozusagen „mitzubringen", sie legen das Prädikat des zweiten Argumentes lexikalisch fest. Bei „echten" Präpositionalphrasen wird es dagegen durch die k-Regel definiert, die sie erzeugt: R12

PP

->

P t=4 (4PRED)25

NP (tARG2)=l

Realisiert Präpositionalphrase mit lexikalischer Präposition bzw. ein Lokaladverb Adjunktfunktion, so ist das zu lokalisierende Objekt nicht syntaktisch festgelegt. Deshalb wird den Präpositionalphrasen, die in dieser Funktion auftreten, in den k-Regeln das Prädikat „Pro" für das erste Argument zugesprochen. Es bedeutet, daß das zu lokalisierende Objekt durch den jeweiligen Kontext zu bestimmen ist; vgl.: Rl

S

->

(ADVP) NP (TMODH (TSUBJ)=4 (t INI-POS) =c +

VP 4=t

PP* Is(tADJ) (lARG l PRED) =Tro'

In Obliquusfunktion wird das zu lokalisierende Objekt dagegen durch das regierende Lexem bestimmt; vgl. die sog. „funktionale Kontrollgleichung" im Lexikoneintrag von menait (s. oben Bsp): (129) /menait/ V,

(TPRED) = 'Mener' (tOBLARGl ) = (tSUBJ)

Die Eigenschaften der indefiniten Lokaladverbien partout und quelque part sowie anderer Lokaladverbien entsprechen denen von nulle part; vgl.: (130) /partout/ ADV,

(TPRED) = 'A' (TARG2 PRED) = 'Partout'.

Die erläuterten Merkmale erlauben auch, in der k-Regel zur Ableitung von Präpositionalphrasen zwischen den Adverbien zu differenzieren: Durch diese Regel werden nur solche 24

25

Evtl. sollte man nulle part, quelque part und partout ein Spezifikationsmerkmal mit indefinitem Wert zuweisen. Die Annahme einer solchen Eigenschaft würde ein weiteres Argument dafür liefern, daß es sich bei diesen Adverbien im Grunde um Pronomina handelt. Diese Annotation gewährleistet die Unterscheidung von Präpositionalphrasen mit lexikalischer Präposition von solchen mit grammatischer (PCASE-)Präposition.

Ill

Adverbien als Präpositionalphrasen erzeugt, die eine entsprechende lexikalische Form haben; vgl.: Rll

PP



ADV

t=4,

(IPRED)=c

'

N.B. Gleichzeitig wird durch die lexikalische Form der Lokaladverbien ausgeschlossen, daß sie über die k-Regeln zur Erzeugung von Adverbialphrasen in Modifikatorfunktion abgeleitet werden. Da die Argumente, die das Lokaladverb regiert, in diesem Fall durch die Grammatik nicht definiert werden, würden gemäß des Wohlgeformtheitsprinzips der Vollständigkeit entsprechende Strukturen als nicht wohlgeformt erkannt. Um Lokaladverbien in adverbialer Position mit Modifikatorfunktion erzeugen zu können, würde fiir sie ein zweiter Lexikoneintrag ohne lexikalische Form notwendig.

4.5.2.2. k-Regeln Distribution und grammatische Funktionen der Lokaladverbien werden folglich durch diejenigen k-Regeln definiert, die Präpositionalphrasen erzeugen; vgl.: Rl

S

->

(ADVP) NP (tMOD)=l (tSUBJ)=l (tlNI-POS) =c +

VP 4=t

PP* s(tADJ) (4ARG l PRED) ='Pro'

In dieser Satzregel werden Präpositionalphrasen in Adjunktfunktion auf Satzebene erzeugt. Adjunkte können auch innerhalb der Verbalphase auftreten (s.o. 4.5.1.3.). R8

VP

->

V

t=l

(ADVP)

(tMOD)=l

PP

(TOBL)=4

In dieser Regel zur Expansion einer Verbalphrase werden Verben abgeleitet, die einen Obliquus regieren. Über die PP-Konstituente werden Präpositionalphrasen und damit wiederum auch Lokaladverbien in Obliquusfunktion erzeugt. - Die funktionale Entsprechung von Lokaladverbien und Präpositionalphrasen ist aus der f-Struktur ablesbar; vgl. für (131)-(133): (131) Cette rue ne menait nulle part.

112

Fig. 6 SUBJ

PRED SPEC GEN NUM

'Rue1 DEM FEM SG

NE + PRED 'Metier (SUBJ) (OBL)' TENSE IMPARFAIT OBL

PRED 'A(ARG1)(ARG2£ ARG1 ARG2 fPRED 'Nulle Part'

+

1

(132) Cette rue menait quelque part.

Fig. 7 ""SUBJ fPRED 'Rue' SPEC DEM GEN FEM NUM SG PRED 'Mener (SUBJ) (OBL)' TENSE IMPARFAIT OBL

PRED 'A(ARG1)(ARG2)' ARG1 ~~" ARG2 [~PRED 'Quelque Part7]

113

(133) Cette rue menait ä Paris.

Fig. 8 SUBJ fPRED 'Rue1 SPEC DEM GEN FEM NUM SO PRED 'Mener (SUBJ) (OBL)1 TENSE IMPARFA1T OBL

'PRED 'A(ARG1)(ARG2X ARG1 ARG2 fPRED 'Paris'"]

Gleichzeitig sind aus den f-Strukturen wiederum die funktionalen Unterschiede zwischen negativen und positiven Sätzen ablesbar, repräsentiert durch das NEG- und das NE-Merkmal.

4.5.3. Zusammenfassung der Ergebnisse Die Untersuchung von pas, guere, aucunement, nullement, jamais, plus und nulle part hat ergeben, daß sie hinsichtlich Distribution und grammatischer Funktion mit bestimmten Subklassen von Adverbien übereinstimmen und deshalb ebenfalls dieser lexikalischen Kategorie zuzuordnen sind. In der lexikalisch-funktionalen Repräsentation wird dies dadurch erfaßt, daß den negativen Adverbien pas, guere, aucunement, nullement, jamais, plus und entsprechenden positiven Adverbien die geichen Positionsmerkmale zugesprochen werden. Diese Merkmale erlauben, beide Gruppen auf der Ebene der Konstituenz gleich zu behandeln, d.h. sie durch dieselben Regeln zu erzeugen. Das Adverb nulle part entspricht in bezug auf seine Distribution und grammatische Funktion - wie andere Lokaladverbien - Präpositionalphrasen mit lokalisierender Präposition. In der lexikalisch-funktionalen Repräsentation wird dieses Phänomen dadurch behandelt, daß man den Lokaladverbien lexikalische Eigenschaften einer Präposition zuweist. Die Lokaladverbien unterscheiden sich von Präpositionalphrasen systematisch dadurch, daß sie den lokalisierenden Ort lexikalisch festlegen. Sie werden auf der Ebene der Konstituenz als Präpositionalphrasen erzeugt und durch dieselben k-Regeln abgeleitet wie diese. Die negativen Adverbien insgesamt unterscheiden sich lexikalisch von entsprechenden positiven Adverbien durch ein funktionales Negationsmerkmal. Auf der Ebene der Konstituenz interagiert dieses Merkmal über einen Kongruenzmechanismus mit der Präsenz von ne. Auf funktionaler Ebene differieren negative von positiven Sätzen systematisch durch das Negationsmerkmal.

5. Die Partikel ni

Gegenstand dieses Kapitels ist die Partikel ni. Es stellt ihre Distribution dar und diskutiert ihre Funktion sowohl als Negationsträger als auch als koordinierendes Element. Für die Syntax koordinierter Strukturen soll eine Behandlung entwickelt werden, die über ni hinaus auch Gültigkeit für die Koordination durch die Junktoren et und ou besitzt.

5.1. Wortart von ni Im Fall der Partikel ni ist die Frage nach ihrer Wortartzugehörigkeit leicht zu beantworten: Sie wird übereinstimmend und zu Recht als koordinierendes sprachliches Element analysiert, wobei die terminologische Bandbreite von der traditionellen der „Koordinationskonjunktion" (Gaatone 1971: 125, Grevisse 1993: §§1029, Broge 1973: 383) über „connecteur" (Muller 1991: 293), „coordonnant" (Hobaik Haff 1987) und „negativer Alljunktor" (Weinrich 1982: 502) zu ,jonctif (Tesniere 1965: §90,1) reicht. Zu Recht deswegen, weil ni die für diese Wortart typischen Charakteristika aufweist. Als Koordinationsjunktoren des Französischen werden neben ni in erster Linie ou, et, mais, or und car genannt (Grevisse 1993: §1031, Judge/Healey 1983: 379; Grammaire Larousse 1964: §583). Syntaktische Funktion all dieser Junktoren ist es, sprachliche Elemente in „nebenordnender", also gleichberechtigter Weise zu verknüpfen. Das grenzt sie von subordinierenden Verknüpfungsmitteln wie parce que, avant que, bien que etc. ab, die sprachliche Elemente verknüpfen, indem sie sie einander unterordnen. Semantisch ist ni wie die anderen Koordinationsjunktoren dadurch gekennzeichnet, daß es eine nicht-referentielle abstrakte Bedeutung besitzt und ausschließlich der Herstellung intratextueller Relationen dient. Morphologisch sind die Junktoren unveränderlich. - Vgl. zu den genannten Punkten die folgenden Beispiele: (1) (2) (3)

Pierre et Marie viendront ce soir. Ni Pierre ni Marie ne viendront ce soir. Pierre ou Marie viendront / viendra ce soir.1

Die Frage, welche Partikeln letztlich als Koordinationsjunktoren zu gelten haben, soll hier nicht ausführlich erörtert werden. Die „eindeutigsten" Koordinationsjunktoren sind sicherlich et, ni und ou. Eine Begründung dafür ist, daß car und or nur (Teil-)Sätze verbinden können, et, ni, und ou aber darüber hinaus auch andere syntaktische sowie lexikalische und Die Numeruskongruenz des Verbs hängt davon ab, ob die Lesart der durch ou koordinierten Konstituenten in Subjektfunktion kollektiv oder distributiv ist. Bei kollektiver Lesart würde man ein (pluralisches), bei distributiver zwei Subjekte annehmen (s. Schwertel 1993). Die unmarkierte Lesart bei Koordination durch ou ist laut Grevisse (1993: §432; §440) die kollektive.

115

sogar morphologische Kategorien (Grevisse 1993: §1031, a). Letzteres ist zwar auch mais möglich, dieser Junktor kann jedoch nicht, wie et, ou und ni, beliebig viele Konstituenten verknüpfen (Hobaek Haff 1987: 92); vgl.: (4) (5) (6)

Je n'ai pas vu Luc, mais Marie. *Je n'ai pas vu Luc, mais Marie, mais Jean. J'ai vu Luc et Marie et Jean et Sylvie et...

Daher beschränkt sich die folgende Untersuchung auf Vergleiche von ni mit et und ou.

5.2. Das Äquivalenzkriterium Für die Syntax der Koordination ist die Bedingung der „Gleichartigkeit" der koordinierten Elemente von besonderer Bedeutung. Dieses Phänomen möchte ich als „Äquivalenzkriterium" bezeichnen. Nachfolgend soll untersucht werden, was genau darunter zu verstehen ist, d.h. hinsichtlich welcher Eigenschaften sprachliche Elemente übereinstimmen müssen, damit ihre Koordination möglich ist. Zu diesem Zweck sei zunächst ein kurzer Überblick über die Literatur zu diesem Themenbereich gegeben. Weinrich (1982: 492) nennt als Kriterium für eine Verknüpfung sprachlicher Elemente durch „Alljunktoren" wie et, ou, ni ihre Zugehörigkeit zu ein und derselben „Sprachzeichenklasse". Wie Weinrich (1982: 29) in der Einfuhrung seiner Textgrammatik erläutert, verwendet er den Begriff des Sprachzeichens anstelle des traditionellen des Monems. Sprachzeichenklasse bedeutet somit „übersetzt" Monem- bzw. Morphemklasse (vgl. dazu Bußmann 1983: 329f.). Da Weinrich (1982: 492) jedoch als beispielhafte Elemente einer Sprachzeichenklasse zwei Nomina oder zwei Verben nennt, scheint er durch diesen Begriff vielmehr den der Wortart ersetzen zu wollen. Zwei sprachliche Elemente können folglich koordiniert werden, wenn sie derselben Wortart angehören. Weinrich (1982: 493) faßt die Definition dieses Terminus jedoch noch weiter, wenn er feststellt, daß Kommutierbarkeit als Test für die Zugehörigkeit von Sprachzeichen zu einer Klasse und damit auch für die Möglichkeit ihrer Koordination fungiert. Wie das folgende Beispiel zeigt, sind auch Wörter unterschiedlicher lexikalischer und/oder syntaktischer Kategorie kommutier- und koordinierbar; vgl. die folgenden Beispiele der Verknüpfung einer Adjektiv- und einer Nominalphrase: (7) (8) (9)

La voiture est chere. La voiture est de mauvaise qualite". La voiture est chere et de mauvaise qualite. - La voiture n'est ni chere ni de mauvaise qualitö.

So verstanden decken sich Weinrichs Ausführungen zum Äquivalenzkriterium sehr weitgehend mit denen anderer Linguisten. Sie sprechen in der Mehrzahl davon, daß die koordi-

116

nierten Elemente der gleichen Konstituenten- und/oder funktionalen Kategorie angehören. Nachfolgend seien einige diesbezügliche Aussagen exemplarisch zitiert: (10)

La coordination est la relation, explicite ou implicite [...], qui unit des etements de meme Statut: soit des phrases, soit, ä l'intorieur d'une phrase, des termes qui ont la meme fonction par rapport au meme mot. (Grevisse 1993: §258, Auslassungen von mir)

(11)

[...] depuis la fin du XVII* siocle, elles [= les conjonctions de coordination, V.K.] doivent unir des olements de mSme nature et done former des constructions symitriques. (Grammaire Larousse 1964: §584, Auslassungen von mir)

(12)

Par coordonnants nous entendons une classe de monemes ayant pour role d'unir des segments de meme fonction ou de meme Statut. (Hobaek Haff 1987: 65)

(13)

Coordinators link items which have the same function in relation to the same word, whereas subordinators link items which have a different function. (Judge/Healey 1983: 380)

(14)

Konstitutiv für die koordinative Verknüpfung zwischen Konjunkten ist deren Gleichartigkeit hinsichtlich einer Menge von Eigenschaften, die den Konjunkten als grammatisch determinierten Einheiten zukommen. (Lang 1977: 37)

Die von Weinrich angesprochene Kommutierbarkeit der koordinierten Elemente ist somit eine adäquate Methode, um die postulierte Äquivalenz der Konjunkte hinsichtlich Distribution und vor allen Dingen grammatischer Funktion zu überprüfen. N.B. Auf Kommutierbarkeit als Kriterium für Koordinierbarkeit sprachlicher Elemente verweisen neben Weinrich (s.o.) auch Hobsk Haff (1987: 129) sowie - indirekt - Sag et al. (1984: 4), die in Ahnlehnung an Chomsky (1957) formulieren: „If sentences SI and S2 differ only in that constituent Cl appears in a parse of sentence SI, and constituent C2 appears in the corresponding position in the parse of S2; then a sentence S3 exists in which the constituent Cl is replaced by the constituent ClconjC2." „corresponding position" meint dabei, daß sowohl Cl als auch C2 durch dieselben Grammatikregeln und denselben Subkategorisierungsrahmen in den Baum („parse") eingesetzt werden.

Die folgenden Beispiele zeigen, daß das Äquivalenzkriterium dabei tatsächlich relativ weit zu fassen ist. Denn die koordinierten Elemente können sich entweder kategorial und funktional entsprechen; vgl.: (15) (16) (17)

Je ne bois ni ne mange entre les repas. (Grevisse 1993: §1035) Le soleil et la lune sont des astres qui alternent. (Weinrich 1982: 494) 11 lui otait parfaitement e"gal d'etre ici ou la, parti ou revenu. (Gautier, zitiert nach Petit Robert 1)

Zu diesen Eigenschaften zählt Lang (1977: 37f.) u.a. Wortartzugehörigkeit und grammatische Funktion des Konjunkts sowie Übereinstimmen der Distribution von einzelnem Konjunkt und koordinierten Konjunkten.

117

Sie können aber auch verschiedenen lexikalischen oder syntaktischen Kategorien angehören und unterschiedliche grammatische Funktionen realisieren; vgl.: (18) (19) (20) (21) (22)

A partir de cela, le Caire accepterait alors de reprendre les nogociations au Sina'i ou ailleurs. (Le Monde, zitiert nach Hobaek Haff 1987: 227) Ce produit n'est ni eher ni de mauvaise qualite". (Hobaek Haff 1987: 216) Je suis instituteur et fier de l'etre. (Grevisse 1993: §264,c) Dis-moi que tu m'aimes ou rien du tout. (Hobaek Haff 1987: 231) Le texte ne procise pas le nom des spocialistes ni s'ils auront acces ä Pensemble des carnets. (Le Monde, ztiert nach Hobaek Haff 1987:232)

In Beispiel (18) sind die koordinierten Elemente verschiedener Wortart, aber identischer grammatischer Funktion. Es handelt sich jeweils um ein Adjunkt, das einmal als Präpositionalphrase und einmal als Adverb realisiert ist. Die anderen Beispielsätze dagegen zeigen funktional und kategorial differierende koordinierte Elemente, nämlich jeweils ein Adjektiv- und ein Nominalkomplement ((19), (20)) sowie ein direktes Objekt und einen Komplementsatz ((21), (22)). Eine mögliche Behandlung der Äquivalenz dieser Konjunkte besteht darin, die grammatischen Funktionen weiter zu fassen, als dies in der LFG üblich ist. Die traditionelle Terminologie von „Objektsatz" für Satzkomplemente und „prädikativer Ergänzung" zur Bezeichnung sowohl adjektivischer als auch nominaler Komplemente ist ein Beispiel für die begriffliche Realisierung einer solchen Erweiterung. Denn sowohl Nominalphrasen als auch Sätze können direkt konstruierte und grammatisch geforderte Ergänzung eines Verbs sein und so als sein „Objekt" fungieren. - Es sollten zusätzlich zu den in LFG etablierten grammatischen Funktionen diese oder ähnliche Begriffe (wieder) eingeführt werden, um eine Ebene von Funktionskategorien zu schaffen, denen die bestehenden grammatischen Funktionen subsumiert werden können. Formal kann die Äquivalenz der Konjunkte durch in Funktionskategorien formulierte lexikalische Formen rektionsfähiger Lexeme und die an die f-Struktur gestellten Wohlgeformtheitsbedingungen der Kohärenz und der Vollständigkeit gewährleistet und erfaßt werden (s. 4.3.). Die in den Beispielsätzen verknüpften Elemente kommutieren jeweils; vgl. beispielsweise: (23) (24) (25)

Dis-moi que tu m'aimes. Dis-moi rien du tout. Dis-moi que tu m'aimes ou rien du tout.

(26) (27) (28)

Le texte ne procise pas le nom des spe"cialistes. Le texte ne precise pas s'ils auront acces ä l'ensemble des carnets. Le texte ne precise pas le nom des spocialistes ni s'ils auront acces ä l'ensemble des carnets.

Die Kommutierbarkeit kann somit als Kriterium für die syntaktische Äquivalenz sprachlicher Elemente und damit zugleich für ihre Koordinierbarkeit dienen. Für eine präzise Definition der Funktionskategorien „Objekt", „prädikative Ergänzung" etc. müßte mit Hilfe des

118

Kommutationstests zunächst herausgefunden werden, welche grammatischen Funktionen sich in dieser Weise als äquivalent erweisen. Dieses Vorgehen kann hier nur angedeutet werden. Nun kann die eingangs gestellte Frage nach dem genauen Inhalt des Äquivalenzkriteriums durch das Formulieren eines entsprechenden Prinzips beantwortet werden: (29)

Äquivalenzprinzip: Sprachliche Elemente können koordiniert werden, wenn sie entweder derselben Wortart angehören, dieselbe grammatische Funktion innerhalb des Satzes erfüllen oder derselben Funktionskategorie angehören. Sprachliche Elemente sind in dieser Weise äquivalent, wenn sie syntaktisch kommutieren.

N.B. Neben der grammatischen sind auch semantische und pragmatische Gleichheit der Konjunkte für die Akzeptabilität koordinierter Strukturen relevant, wie Brettschneider (1978: 73) bemerkt. So verstößt ihm zufolge beispielsweise „Karin ist groß und krank" gegen pragmatische (Brettschneider 1978: 75) und „Peter und der Zug fahren nach Köln" gegen „syntakto-semantische" (Brettschneider 1978: 153) Kompatibilitätskriterien, weshalb beide Beispiele trotz grammatischer Wohlgeformtheit problematische Koordinationen darstellen.

5.3. Negativität von ni In der Literatur finden sich im wesentlichen zwei Standpunkte bezüglich der Frage, welche Stellung ni innerhalb der syntaktischen Negation des Französischen einnimmt. Entweder wird ni als syntaktischer Negationsträger betrachtet und ihm damit ein negativer Wert zugesprochen.3 Oder das Auftreten von ni wird als eines analysiert, das auf negative Kontexte beschränkt ist.4 Letzteres impliziert, daß ni selbst keine negative Bedeutung zugesprochen wird, sondern es mit der klitischen Form ne und dem Determinanten de vergleichbar ist: Ohne selbst negativ zu sein treten auch diese stets in negativen Kontexten bzw., genauer, im Skopus eines Negationsträgers auf. Tatsächlich können Beispiele wie die folgenden zu einer solchen Annahme veranlassen: (30) (31) (32)

3

4

On ne savait pas son nom ni son histoire. (Farröre, zitiert nach Grevisse 1993: §1033,b) D'autres parmi nos concitoyens, et qui n'otaient pas toujours concierges ni pauvres [...] (Camus, zitiert nach Grevisse 1993: §1033,b) Nous n'avons jamais manquo ni de poetes, ni de penseurs, ni de modecins, [...] ni d'hommes d'action et ni meme de reveurs. (G. Antoine, zitiert nach Muller 1991: 296)

Vgl. Weinrich (1982), Muller (1991), Gaatone (1971), Klein/Kleineidam (1991) und Judge/Healey(1983). Vgl. Grevisse (1993), Grammaire Larousse (1964) und Hobaek Haff (1987).

119 (33)

Rien n'otant vrai ni faux, bon ou mauvais, la regie sera de se montrer le plus efficace [...] (Camus, zitiert nach Gaatone 1971: 128)

Alle Sätze enthalten sowohl einen Negationsträger als auch ni. Bildet man ihre positiven Entsprechungen, also z.B.: (34) (35)

On sail (et) son nom et son histoire. D'autres parmi nos concitoyens, et qui otaient toujours concierges et pauvres [...].

so entfällt der Negationsträger - in diesen Beispielen pas - und statt ni wird et gesetzt. Das Auftreten von ni scheint offensichtlich an die Präsenz eines Negationsträgers gekoppelt zu sein. Folgende Argumente sprechen jedoch dafür, daß ni selbst negative Bedeutung besitzt: 1. Spricht man ni keinen negativen Wert zu, so folgt aus den zahlreichen Beispielen, in denen ni allein mit ne auftritt, daß ne hier als syntaktischer Negationsträger zu analysieren ist; vgl.: (36) (37) (38)

Ni Rocard ni sä commission n'auront carte blanche [...] (Le Nouvel Observateur, zitiert nach Hobask Haff 1987: 171) II ne boit ni ne mange. (Academic fran9aise, zitiert nach Grevisse 1993: §1033,b) Luc n'a parle" ni ä Pierre, ni ä Paul. (Muller 1991: 294)

Grevisse und die Grammaire Larousse formulieren diese Annahme jeweils explizit: (39)

Primitivement, la nögation portant sur un verbe est exprimoe par l'adverbe ne, et celui-ci peut encore suffire dans certaines circonstances. (Grevisse 1993: §973) Ne [est, V.K.] employe" obligatoirement seul [...] avec ni [...]. (Grevisse 1993: §974, Auslassungen von mir)

(40)

NI COORDONNANT DES TERMES. Ni doit etre devant chaque terme depuis le XVII* siecle, le verbe est pre'ce'dd de la negation NE. (Grammaire Larousse 1964: §592)

Wie in Kapitel l gezeigt, ist ne jedoch kein syntaktischer Negationsträger und besitzt auch keine negative Bedeutung, sondern ist als eine Art Skopussignal der Negation zu sehen, das die Anwesenheit eines Negationsträgers markiert. Daraus folgt umgekehrt, daß ni in den gezeigten Beispielen dieser syntaktische Negationsträger ist, da die Sätze (36)-(38) eindeutig negativ sind. Daß nicht ne, sondern ni negativen Wert hat, zeigen auch die folgenden Beispiele: (41) (42)

Adoquat ä lui seul, re"ductible ni ä Tun ni ä l'autre de ces divers sentiments, il [l'amour conjugal] ä sä nature propre [...] (Beauvoir, zitiert nach Gaatone 1971: 125) Etre le soldat ni d'un roi, ni d'un ge"ne"ral, mais d'une ide"e. (Aragon, zitiert nach Gaatone 1971:125)

120

Beide Sätze beinhalten jeweils eine Negation, für die nur ni verantwortlich sein kann, da kein anderes sprachliches Element in diesen Sätzen dafür in Frage kommt. 2. Bezüglich der Kompatibilität mit anderen Negationsträgern verhält sich ni weitgehend wie diese: Es kann nicht zusammen mit pas, guere, aucunement und nullement auftreten; vgl. die folgenden Beispiele der Inkompatibilität von ni bzw. personne mitlas:5 (43) (44)

Elle ne se leva pas ce jour-lä, ni ne fit sa toilette. (Mauriac, zitiert nach Grevisse 1993: §1033, b) *Elle ne se leva/jos ce jour-lä, ni ne fit pas sa toilette.

(45) (46)

Les femmes ne se leverent/?as ce jour-lä et personne ne fit sa toilette. *Les femmes ne se leverent pas ce jour-lä et personne ne fit pas sa toilette.

Mit allen anderen Negationsträgern ist ni dagegen ohne Einschränkung kompatibel; vgl.: (47) (48) (49)

Le temps ni les soins modicaux n'apporterent aucun soulagement. (Littre", zitiert nach Grevisse 1993: §1033, b) J'ai sans doute pris, trop jeune, de mauvaises decisions et rien ni personne ne m'en a fait domordre. (Le Monde, zitiert nach Muller 1991: 193) La plupart du temps, je monageais la paix de mon coeur en prenant soin de nejamais tout a fait exclure ni la liberto qui exalte ni la nocessite" qui justifie. (Sartre, zitiert nachGaatone 1971: 128)

Das Kompatibilitätsverhalten von ni deckt sich damit mit dem der anderen syntaktischen Negationsträger, die ebenfalls mit pas, guere, nullement und aucunement inkompatibel, von diesen abgesehen aber miteinander kompatibel sind. 3. Schließlich ist als Argument für eine Entsprechung ni - andere Negationsträger zu nennen, daß ni wie diese - mit Ausnahme wiederum von pas, nullement und aucunement - in bestimmten Kontexten mit positiver Bedeutung als Variante von sowohl et als auch o«6 gebraucht werden kann; vgl.: (50) (51) (52)

Un des plus beaux chevaux que j'aie jamais eus, ni rencontre's. (La Varende, zitiert nach Grevisse 1993: §1035) Je suis 61oign6 de soutenir ni Tun ni Pautre de ces deux faits. (J. de Maistre, zitiert nach Grevisse 1993: §1035) Ce 'r' que toi ni moi serions incapables de faire sortir comme lui. (A. Stil, zitiert nach Grevisse 1993: §1035, Hervorhebungen von mir)

S. dazu auch 6.2.5. Moignet (1973: 332) erklärt dies damit, daß in negativem Kontext die Bedeutungsopposition von et und ou gleichsam „neutralisiert" wird. Muller (1991: 296) stellt ebenso fest, daß zwischen „et (NEG)" und „NEG (ou)" (einem et, dessen Konjunkt negativ ist, und einem ou, das sich im Skopus der Negation befindet) logische Äquivalenz besteht.

121

(53)

La rue Saint-Victor otait toute sombre, sans un bee de gaz ni une lumiere aux maisons (Flaubert, zitiert nach Grevisse 1993: §1035, 1°)

Solche Kontexte7 können beispielsweise superlativische Konstruktionen (50) oder lexikalische Negationen (51) sein. Alle diese Kontexte bewirken quasi ein „Abziehen" der Negation vom Negationsträger, so daß sein positiver Bedeutungsrest sichtbar wird. Syntaktisches Kennzeichen dieses „Negationsverlustes" ist der Ausfall von ne. Negationsträgern wie jamais, plus, personne etc. ist dieser als archaisierend markierte Gebrauch ebenfalls möglich: (54) (55)

(56)

La plus belle chose que j 'aie jamais vue. (Petit Robert l) [...] comme je n'avais plus assez de calme pour laisser ma pensoe se poser sur les choses qui otaient devant moi, elles cesserent de plus rien contenir de moi [...] (Proust, zitiert nach Gaatone 1971: 151) II sortit sans que personne s'en aperfüt. (Petit Robert 1)

Der Koordinationsjunktor ni ist folglich ein syntaktischer Negationsträger, weil er sprachliche Elemente negiert, das Auftreten von ne in verbhaltigen Äußerungen bedingt und unter denselben Bedingungen wie die anderen Negationsträger mit diesen kompatibel sowie mit pas, guere, aucunement und nullement inkompatibel ist. Darüber hinaus teilt ni mit den negativen Indefinite sowie den negativen Temporal- und Lokaladverbien die Eigenschaft, in negationssubtrahierenden Kontexten mit positiver Bedeutung auftreten zu können.

5.4. Funktion von ni In den vorigen Abschnitten wurde gezeigt, daß ni ein Koordinationsjunktor ist und als syntaktischer Negationsträger fungiert. Hier soll geklärt werden, welche Funktion ni im System der französischen Sprache hat, d.h. welche spezifische Leistung ni als Negationsträger und Koordinationsjunktor in Abgrenzung von et und ott erbringt, mit denen ni in paradigmatischer Beziehung steht. Betrachten wir die folgenden Beispiele: (57) (58) (59) (60)

Ni toi ni moi ne pouvons nous permettre de dormir cette nuit. (Muller 1991: 293) Rien ni personne ne peut lui faire oublier ses ide"es noires. (F-Magazine, zitiert nach Hoba?kHaffl987:223) Fideles de Jacques Chirac, ces Corroziens ne me"nagerent pourtant ni sourires ni applaudissements. (Le Nouvel Observateur, zitiert nach Hobaek Haff 1987: 165) On ne savait pas son nom ni son histoire. (Fairere, zitiert nach Grevisse 1993: §1033,b)

S. zu diesem Punkt ausführlich Fauconnier (1977) und Muller (1991).

122

Folgendes ist an diesen Sätzen zu beobachten: Entweder steht jeweils ein ni vor jedem der Konj unkte, oder es tritt insgesamt nur ein ni auf, und zwar vor dem zweiten der zu koordinierenden Elemente. In letzterem Fall ist (mindestens) ein weiterer Negationsträger im Satz präsent. Wenn es einen neben ni einen weiteren Negationsträger im Satz gibt, entfällt folglich das initiale ni, während das zweite ni zwischen den negativen oder negierten Konjunkten bestehen bleibt. Das initiale ni wird durch einen weiteren Negationsträger quasi „ersetzt". An einem einfachen Beispiel illustriert: (61) (62)

Pierre ne veut ni manger ni boire. Pierre ne veut pas manger ni boire.

Eine naheliegende Erklärung für dieses Phänomen wäre, daß nur das erste ni negativ ist, während das zweite (und jedes weitere) ähnlich den Partikeln ne und de als redundantes Kennzeichen der Negation fungiert und wie diese als bloßes Signal dafür dient, daß das nachfolgende Element in den Skopus der Negation eingeschlossen ist. Geht man von der Existenz zweier ni aus, so sind bezüglich der Frage der Negativität von ni folglich beide unter 5.3. ausgeführten Standpunkte berechtigt: Es gibt sowohl ein ni, das syntaktischer Negationsträger ist, als auch ein sprachliches Element ni, das ausschließlich in negativen Kontexten auftritt, selbst aber keine negative Bedeutung besitzt. Angesichts der Existenz von Sätzen wie den nachfolgenden ist diese These jedoch nicht haltbar; vgl.: (63) (64)

(65) (66) (67)

(68)

L'instituteur ni le euro n'ont besoin d'avoir un nom qui les dosigne. (Mauriac, zitiert nach Grevisse 1993: §1033, b) Quand la raison, ni la libre expression des individus, ne parviennent ä fonder systomatiquement unite", il faut se rosoudre ä retrancher les corps otrangers. (Camus, zitiert nach Gaatone 1971: 126) II ne lavait ni ne rangeait ses chaussettes. (F-Magazine, zitiert nach Hobaek Haff 1987:225) Je ne veux, ni ne dois, ni ne puis obeMr. (Littre", zitiert nach Grevisse 1993: §1033, b) Meme Gisele, sauf peut-etre aux äges du berceau, n'avait connu pareil empire sur sä fille, ni l'exquise blessure d'une tendresse vigilante produigue"e sans retour. (Blondin, zitiert nach Gaatone 1971: 127) Une valeur ä venir est d'ailleurs une contradiction dans les termes, puisqu'elle ne peut oclairer une action ni fournir un principe de choix [...] (Camus, zitiert nach Gaatone 1971: 127)

Die Beispiele zeigen, daß die Interpretation der Konjunkte auch bei Auftreten von nur einem ni negativ ist. Wie (63) und (64) zu entnehmen ist, gilt dies auch dann, wenn ihnen kein ne als Negationssignal vorangestellt ist. Dies belegt eindeutig, daß auch das zweite ni negativ ist und somit beide ni gleichermaßen als syntaktische Negationsträger fungieren. Die Beispielsätze belegen auch, daß das erste ni offensichtlich fakultativ gebraucht werden kann, während das Auftreten des zweiten und jedes weiteren ni obligatorisch ist. Damit zeigt sich, daß entgegen der obigen Annahme, das zweite ni sei ein bloßes Redundanzsignal der Negation, dieses ni im Grunde „negativer" ist als das initiale. Denn das zweite und jedes

123

weitere ni können offensichtlich sowohl das vor- als auch das nachgestellte Konjunkt negieren. Für den fakultativen Gebrauch des ersten ni scheint es meinem Korpus zufolge bestimmte Regeln zu geben. So tritt bei Koordination von Verben regelmäßig nur ein ni auf; vgl. zusätzlich zu den obigen Beispielen (65) und (66): (69) (70) (71) (72) (73) (74)

II ne boit ni ne mange. (Acadomie francaise, zitiert nach Grevisse 1993: §1033, b) Je ne bois ni ne mange entre les repas. (Grevisse 1993: §1035) L'absolu ne s'atteint ni surtout ne se croe ä travers l'histoire. (Camus, zitiert nach Gaatone 1971: 128) Je ne rassasie Jacques ni ne l'excite. (Giraudoux, zitiert nach Grevisse 1993: §1033, b) Ils ne parlaient, ne riaient, ni ne chantaient. (Vailland, zitiert nach Gaatone 1971: 128) Domingo, lui, ne l'aimait ni ne l'aimait pas [...] (Arnaud, zitiert nach Gaatone 1971: 128)

Dieses Phänomen ist möglicherweise durch das bereits angesprochene Auftreten von ne vor dem ersten Konjunkt bedingt: Da ne markiert, daß das nachfolgende Verb in den Skopus der Negation eingeschlossen ist, ist das Konjunkt leicht und eindeutig als negativ zu identifizieren. Deswegen kann das erste ni ohne „Gefährdung" einer gelingenden Satzinterpretation ausfallen. Genau umgekehrt verhält es sich, wenn ni Verbergänzungen koordiniert. Sein Auftreten ist hier offensichtlich vor beiden (bzw. allen) Konjunkten obligatorisch, sofern es nicht einen anderen Negationsträger gibt, der das erste Konjunkt in seinen Skopus einschließt. Denn in meinem Korpus findet sich eine vergleichsweise geringe Anzahl von Beispielen, in denen bei alleiniger Verneinung durch ni dieses vor dem ersten Konjunkt fehlt; vgl. zusätzlich zu den obigen Beispielen (63), (64) und (67): (75) (76) (77)

La vieillesse ni la mort ne le peuvent exerciser. (Barres, zitiert nach Grevisse 1993: §1033,b) Elle n'avait pere, mere, fröre, ni soeur. (Giraudoux, zitiert nach Grevisse 1993: §1033, b) Je n'avais faim, ni soif. (Bosco, zitiert nach Grevisse 1993: §1033, b)

Der Ausfall des ersten ni bei koordinierten Verbergänzungen ist denn auch laut Grevisse (1993: §1033, b3°) ein Phänomen der literarischen Sprache und auf den klassischen Gebrauch von ni zurückzuführen. So bietet auch mein Korpus ansonsten nur gegenteilige Belege: (78) (79) (80) (81)

Ni sä maison ni son jardin ne sont entretenus. (Grevisse 1993: § 1033,b) Ni ses sens, ni son coeur, ni son intelligence, ni son imagination n'avaient besoin d'elle. (Montherlant, zitiert nach Gaatone 1971: 126) II n'a ni argent ni travail (Muller 1991: 295) II n'avait encore ni gele" ni neige". (Hugo, zitiert nach Grevisse 1993: §1033, b)

124

Auch hier sind sicherlich pragmatische Wahrnehmbarkeitsbedingungen verantwortlich: Anders als im Falle der koordinierten Verben ist ni bei koordinierten Verbergänzungen einziger Hinweis auf ihre negative Interpretation. Zwar kann diese Interpretation für das erste Konjunkt offensichtlich „rückwirkend" auch durch das nachgestellte ni geleistet werden. Die Anstrengung, diese rückwirkende Information zu verarbeiten, ist ftir den Rezipienten in diesem Fall jedoch ungleich höher, weshalb solche Konstruktionen dort, wo keine stilistische Markiertheit gefragt ist, vermieden werden. Bei den koordinierten Verben ist, wie gesagt, durch das Auftreten von ne die negative Interpretation des ersten Konjunkts „gesichert". - Als Fazit ist an dieser Stelle festzuhalten, daß das erste und alle weiteren ni in derselben Weise Negativität zum Ausdruck bringen. Wie verhält es sich aber mit ihrer koordinierenden Funktion? Betrachten wir dazu folgende Sätze: (82) (83) (84)

Pierre et Marie viendront ce soir. Pierre ou Marie viendront ce soir. Ni Pierre ni Marie ne viendront ce soir.

In (82) und (83) steht ein koordinierendes Element zwischen den Konjunkten. Auch bei der Koordination durch ni ist eine solche Verknüpfung mit einem ni offensichtlich ausreichend, s. obige drei Beispiele (75)-(77). Auch in den angesprochenen Fällen, in denen das erste Konjunkt durch einen anderen Negationsträger als ni negiert ist (s. (58), (60)), wird zur Koordination nur ein ni zwischen die Konjunkte gesetzt. Ist also das erste ni in Satz (84) im Hinblick auf die Koordination der beiden Eigennamen nicht redundant? Man könnte annehmen, daß es sich bei ihm um so etwas wir ein bloßes „Vorsignal"8 der Koordination handelt, das den nachfolgenden Junktor ankündigt, selbst aber keinen verknüpfenden Wert besitzt. Wie kann, so könnte man sich weiter fragen, ein sprachliches Element auch koordinierende Funktion besitzen, wenn an der Stelle, an der es im Satz auftritt, gar nicht eindeutig zu bestimmen ist, welche Konstituenten es verknüpft? Die Position, die eine solch eindeutige Bestimmung ermöglicht, ist ja die zwischen den Konjunkten und nicht etwa die vor dem ersten Konjunkt. Für ni könnte entsprechend folgende These formuliert werden: „ni ist syntaktischer Negationsträger. Dem zweiten und jedem weiteren ni im Satz ist darüber hinaus eine koordinierende Funktion zuzusprechen, während das initiale ni eine Verknüpfung lediglich signalisiert bzw. ankündigt." Was aber bedeutet denn genau „koordinierende Funktion"? Durch den Junktor werden Konstituenten verknüpft. Aus der Perspektive des koordinierenden Elementes formuliert bedeutet dies, daß mindestens zwei sprachliche Elemente im Satz vorhanden sein müssen, die in dieser Weise miteinander verbunden werden können. Der Koordinationsjunktor stellt also eine diesbezügliche Forderung auf (s. dazu auch 5.5.). Das gilt auch für das initiale ni; vgl.: (85) 8

Le president ne sera accompagne" ni de sä femme ni de ses enfants. (Hobaek Haff 1987: 169)

Den Begriff des „Vorsignals" verwendet Weinrich (1982: 710) zur Bezeichnung der klitischen Form ne und bezieht sich dabei auf dessen Funktion innerhalb des Negationssystems.

125 (86) (87)

*Le prosident ne sera accompagno ni de sä femme. *Le prosident ne sera accompagne" ni de ses enfants.

Das Beispiel macht deutlich, daß jedes ni die Präsenz mindestens zweier zu koordinierender Konstituenten fordert, da die Konstruktion sonst nicht wohlgeformt ist. Eine mögliche Behandlung der widersprüchlich scheinenden Befunde, daß einerseits beide «/jeweils zwei zu verknüpfende sprachliche Elemente fordern, andererseits aber die Präsenz lediglich des zweiten ni für die Koordination ausreichend ist, soll unter 5.5. vorgeschlagen werden. Bleibt die Frage nach der häufigen Mehrfachverwendung von ni zu klären, die es von den anderen Koordinationsjunktoren unterscheidet. Diese können jedoch ebenfalls zweioder auch mehrfach (Grevisse 1993: §1033, a) in einem Satz auftreten; vgl. die folgenden Beispiele für et und ou: (88) (89)

Ou vous acceptez, ou bien je m'en vais faire cette proposition a un autre. (Dictionnaire contemporain, zitiert nach Grevisse 1993: §1033, a) Mes meilleurs amis n'en [= de ses souvenirs] auront point connaissance, car je veux conserver la liberte" de peindre sans flatterie et moi et eux-memes (Tocqueville, zitiert nach Grevisse 1993: §1033, a)

Was ist die Funktion des mehrfachen Gebrauchs von et und o«? Syntaktisch besteht zwischen Konstruktionen mit nur einem Koordinationsjunktor und solchen mit mehreren kein Unterschied, es handelt sich jeweils um eine Verknüpfung äquivalenter (s. 5.2.) Konstituenten. Die Konstruktionen differieren jedoch semantisch; vgl. den folgenden Satz mit (88): (90)

Vous acceptez, ou bien je m'en vais faire cette proposition ä un autre.

Diesem Satz fehlt der besondere Nachdruck, der in (88) auf den alternativen Möglichkeiten „Akzeptieren" - „Angebot ergeht an jemand anderen" liegt. Die Mehrfachverwendung der Junktoren et und ou bewirkt also ein Fokussieren auf die einzelnen derart miteinander verknüpften sprachlichen Elemente.9 Ihre einfache Setzung beinhaltet keine solche Fokussierung, sondern summiert schlicht die Konjunkte bzw. setzt sie in eine alternative Relation.10 Entsprechendes gilt auch für ni. Die Mehrfachsetzung dieses Koordinationsjunktors ist nur deswegen sehr viel häufiger als die von et und OM, weil ni darüber hinaus negative Bedeutung hat. Sein Auftreten vor dem ersten Konjunkt ist deshalb zusätzlich zur Fokussierungsfunktion durch die Notwendigkeit motiviert, den Skopus der Negation möglichst eindeutig zu markieren. Ausgenommen von dieser Regel scheinen - wie gesagt - koordinierte Ver9

10

Weinrich (1982: 493) weist et auch in seiner einfachen Verwendung das Merkmal „" zu. Seine Mehrfachsetzung wäre in dieser Analyse als eine Verstärkung oder zusätzliche Betonung dieses semantischen Merkmals zu sehen. Vgl. hierzu Judge/Healey (1983: 384):JVi is the negative version of et, and can in some cases be replaced by et, namely when it is the action expressed by the verb which is being negated: je ne veux. pas le dire a Pierre et Jean -je ne veux le dire ni a Pierre ni a Jean. Ni in this sentence fulfils the role of pas. But the meaning of these two sentences is not identical: in the first Pierre and Jean are seen as forming a set or a unit, whereas in the second they are seen as separate entities since the negative element is repeated for each name."

126

ben, bei denen das Klitikum ne als Skopussignal den Negationsträger w sozusagen „vertreten" kann. Der gesprochenen Sprache stehen für eine solche Fokussierung prosodische Mittel zur Verfügung. Ein sprachliches Element, das betont werden soll, wird durch Lautstärke und / oder Tonhöhe hervorgehoben, während sich der schriftliche Sprachgebrauch auf das lexikalische Material beschränken muß. Diese Beobachtung erklärt, warum ni hauptsächlich ein Phänomen der geschriebenen Sprache ist: Die gesprochene bedarf seiner nicht.11

5.5. Lexikalisch-funktionale Repräsentation von ni

Eine grammatische Repräsentation des Koordinationsjunktors ni muß Antwort auf folgende Fragen geben: 1. Welche Konstituenten-Struktur soll für koordinierte Konstruktionen angenommen werden? 2. Welches sprachliche Element ist dabei Kopf der komplexen Konstituente? 3. Welche syntaktischen Bedingungen müssen sprachliche Elemente erfüllen, um koordiniert werden zu können, und wie können diese erfaßt werden? Die oben gestellten Fragen sollen nachfolgend zunächst auf Fälle von Konstituentennegation durch ni bezogen beantwortet und daraus resultierend eine lexikalisch-funktionale Repräsentation für ni entwickelt werden. Deren Gültigkeit darf, wenngleich nicht uneingeschränkt, auch für et und ou angenommen werden. Denn ni teilt, wie oben festgestellt, neben der koordinierenden Funktion weitere syntaktische Eigenschaften mit diesen Koordinationsjunktoren. Eine grammatische Beschreibung, die das syntaktische Verhalten des Koordinationsjunktors ni erfaßt, kann also gleichzeitig - in einem gewissen Rahmen - auch allgemeiner als eine der Koordination fungieren.

5.5.1. Konstituentenstruktur koordinierter Konstruktionen Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, die interne k-Struktur koordinierter Phrasen zu beschreiben: in Form einer flachen dreigliedrigen oder einer binären Verzweigung; vgl. die Strukturen Fig. l und Fig.2 zur Darstellung der Konstituenz der koordinierten Phrasen mit einfachem Koordinationsjunktor in (91)-(93). Mit „X" und „Y" sind jeweils die koordinierten Elemente bezeichnet, mit „C" die Konjunktion: 11

Vgl. hierzu auch Soll/Hausmann (1985: 121): "Bestimmte Negationsverfahren des code ocrit sind dem code parle fremd. So etwa die Verneinung mit ni: 'Sans etre exclue de la langue parlee, la conjunction ni y tient un röle restreint et ne figure guere que dans des locutions (Ex.: Ni l'un ni l'autre. II ne m 'a dit ni oui ni non. Ne savoir ni lire ni ecrire. Sans rime ni raison, etc.). En parlant d'une facon courante, on evite spontaniment de se mettre dans le cas d'utiliser cette conjonction'. (Wagner, R.L./Pinchon, J. Grammaire du fran9ais. S. 428f. 31973, Paris.)"

127

(91) (92) (93)

Marie [ne chante]x [ni]c [ne danse]Y. Marie [chante]x [ou]c [danse]Y. Marie [chante]x [et]c [danse]Y.

Fig. l

Fig.2

/K

/\

X C

X C

Werden die Beispiele durch solche mit einem initialen Koordinationsjunktor erweitert, wie in (94)-(96), (94) (95) (96)

Marie n'est [ni]c [grande]x [ni]c [blonde]Y. Marie est [ou]c [grande]x [ou]c [blonde]Y. Marie est [et]c [grande]x [et]c [blonde]Y.

so ergeben sich ausgehend von Fig. l und Fig.2 folgende Konstituentenstrukturen Fig. und Fig.2' für die koordinierte Phrase: Fig.21

Fig.

/X \ C

C

Bezüglich der Beispiele ergibt sich keine klare Präferenz für einen der Bäume. Zugunsten von Struktur in Fig.l im Vergleich zu Fig.2 ließe sich allenfalls sagen, daß sie einen strukturellen Reflex der semantischen Verhältnisse der Koordination darstellt, denn X und sind hier gleichberechtigt verbunden. Entsprechendes gilt jedoch auch für Fig.2'. Für Fig.2 bzw. Fig.21 spricht, daß die syntaktischen Regeln, die diese Struktur erzeugen, beschreibungsökonomisch günstiger sind als im Fall von Fig. l bzw. Fig.l', weil sie eine rekursive Ableitung der regelmäßig auftretenden Teilstruktur bestehend aus Junktor und Konjunkt erlauben. Der Vorteil einer solchen Ableitung wird deutlich, wenn man bedenkt, daß durch Koordinationsjunktoren wie ni, ou und et die Anzahl der möglichen koordinierten Elemente zumindest syntaktisch nicht beschränkt wird. Für die k-Regeln, die flache Strukturen wie in Fig.l bzw. Fig. erzeugen, bedeutet dies, daß solche theoretisch infiniten Verknüpfungen durch ebenso infinite k-Regeln zu erfassen wären; vgl.: (97) Rl

Ni Paul ni Marie ni Jean ni Florence ni Pierre ni Sylvie ni... ne viendront ce soir. XP 12

->

C

NP

C

NP

C

NP

C...

Die in Fig.2 angegebene Struktur ermöglicht es dagegen, zunächst eine Phrase bestehend aus einem Koordinationsjunktor und einem koordinierten Element abzuleiten, und durch 12

Die aus C und NP gebildete Konstituente wird hier als XP bezeichnet, weil noch zu klären ist, welches sprachliche Element jeweils als Kopf einer koordinierten Konstituente zu analysieren ist.

128

eine weitere Regel zu erfassen, daß solche Phrasen zweimal bis theoretisch unendliche Male auftreten können; vgl.: R2 R3

XP XP

-» ->

C XP nä2

NP

Eine klare Entscheidung für eine der möglichen Konstituentenstrukturen kann auf der Grundlage dieser Beobachtungen noch nicht gefällt werden. Diese Frage wird unter 5.5.4. wieder aufgenommen.

5.5.2. Kopf koordinierter Phrasen Kopf einer gegebenen komplexen Konstituente ist ein sprachliches Element dann, wenn die betreffende Konstituente dieselbe Distribution und dieselben grammatischen Eigenschaften hat wie dieses sprachliche Element. Die charakteristischen Eigenschaften des Kopfes sind damit zugleich die der gesamten komplexen Konstituente (s. Rohrer/Schwarze 1988: 15). Diese Bedingungen sollen nun für Satz (94) überprüft werden, um anhand der resultierenden Befunde zu bestimmen, welches sprachliche Element Kopf der koordinierten Konstituente ist. Dabei bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder ist der Koordinationsjunktor Kopf der Phrase, die damit eine CP (für „conjunctional phrase") ist, oder es sind die Adjektive, womit die koordinierte Konstituente kategorial eine AP wäre. Für eine Analyse der Adjektive als Kopf der Konstituente ni grande ni blonde spricht erstens, daß diese Phrase in einer adjektivtypischen Position und Funktion im Satz auftritt, und zwar der eines prädikativ gebrauchten Adjektivs, d.h. eines Adjektivkomplements der Kopula etre. Zweitens weist die koordinierte Konstituente adjektivtypische Kongruenz mit dem singularischen femininen Subjekt Marie auf. Die grammatischen Eigenschaften Numerus und Genus müssen also auf der Ebene des Kopfes verfügbar sein und können nur über das Adjektiv dorthin „transportiert" worden sein. Die koordinierte Konstituente hat drittens die gleiche Distribution wie eine Adjektivphrase. So kann sie neben der in (94) gezeigten prädikativen Verwendung auch attributiv oder als „adjectif dotache"" gebraucht werden; vgl.: (98) (99)

C'est une femme ni grande ni blonde. C'est une femme heureuse.

(100) Ni grande ni blonde, Marie se trouve moyennement jolie. (101) Heureuse, Marie se trouve aujourd'hui bien jolie. Zudem ist die Phrase als Ganzes durch Adverbien wie vraiment, absolument modifizierbar, was ebenso für Adjektivphrasen gilt; vgl.: (102) Marie n'est vraiment ni grande ni blonde. (103) Marie est vraiment heureuse.

129 N.B. Gradadverbien wie tres, plus, mains etc. modifizieren m.E. nicht Adjektivphrasen, sondern Adjektive, was mit der Analyse von ni grande ni blonde als Adjektivphrase konsistent ist. Denn es kann nicht die ganze Phrase durch ein Gradadverb determiniert sein (*Marie n 'est tres ni grande ni blonde), wohl aber die Adjektive innerhalb dieser Phrase (Marie n 'est ni tres grande ni tres blonde). Ein weiterer Beleg dafür, daß die Gradadverbien mit Adjektiven und nicht mit Adjektivphrasen eine AP bilden, ist gerade auch das Auftreten von Adverbien wie vraiment: Nur wenn die Gradadverbien als unmittelbare Konstituenten der so gebildeten AP - oder auch einer erweiterten adjektivischen Konstituente A' - analysiert werden, leitet eine entsprechende Regel R4

AP

->

DEGR (tMOD)=4

A 4r=t

korrekte Strukturen wie Marie est vraiment tres grande ab. Nimmt man dagegen eine Regel wie die folgende an, in der das Gradadverb eine AP modifiziert, R5

AP

->

DEGR (tMOD)=l

AP 4=t

so können daraus nicht wohlgeformte Äußerungen wie *Marie est tres vraiment grande abgeleitet werden, da eine AP zu einem bereits durch ein Adverb modifizierten Adjektiv expandiert werden kann. Dadurch ist die Annahme motiviert, daß A und DEGR eine Adjektivphrase bilden, die als Ganzes wiederum durch bestimmte Adverbien modifiziert werden kann.

Der Koordinationsjunktor erfüllt dagegen die Kriterien nicht, durch die der Kopf einer Phrase charakterisiert ist. Denn bezüglich Genus und Numerus ist der invariable Junktor nicht spezifiziert. Und die Distribution der Konstituente ni grande ni blonde ist nicht die von ni oder einem anderen Koordinationsjunktor. Zudem ergäbe sich, wenn der Junktor als Kopf der Phrase betrachtet wird, eine Schwierigkeit dadurch, daß eine Konjunktionalphrase neben Adjektiven auch zu koordinierten Nomina, Verben, Adverbien etc. expandieren kann. Wie aber wollte man diese verschiedenen Phrasen auf funktionaler Ebene differenzieren? Und das wäre notwendig, um auszuschließen, daß beispielsweise in R6

S

->

CP

(tsußj)=l

VP

I=T

die Konjunktionalphrase aus koordinierten Adverbien gebildet ist bzw., umgekehrt formuliert, um zu gewährleisten, daß diese Konjunktionalphrase in Subjektposition aus koordinierten Nominalphrasen besteht. Was unter Umständen dafür spräche, den Koordinationsjunktor als Kopf der koordinierten Konstituente zu betrachten, ist die Tatsache, daß er in gewisser Weise seine Konjunkte regiert. Betrachten wir dazu die folgenden aus (94) abgeleiteten Sätze: (104) *Marie n'est ni grande. (105) *Marie n'est ni blonde.

130

Die Beispiele zeigen, daß eine Äußerung dann nicht wohlgeformt ist, wenn eines der Konjunkte fehlt. Dieses Phänomen ist offensichtlich auf eine valenzartige Eigenschaft des Junktors zurückzuführen, denn ohne dessen Auftreten sind beide Sätze vollständig korrekt; vgl.: (106) Marie est grande. (107) Marie est blonde. Der Koordinationsjunktor ist darin Verben und den bereits erwähnten lexikalischen13 Präpositionen vergleichbar, die ebenfalls bestimmte Leerstellen im Satz eröffnen. Entsprechend läßt sich diese Eigenschaft in der LFG analog zur Behandlung von Verben und Präpositionen dadurch erfassen, daß dem Koordinationsjunktor eine lexikalische Form zugesprochen wird, also ein Prädikat, das syntaktische Argumente subkategorisiert. Die Annahme einer lexikalischen Form für ni wird zusätzlich dadurch unterstützt, daß seine Konjunkte auch durch andere Konstituenten getrennt im Satz auftreten können; vgl.: (108) Rien ne trahissait l'efiroi, ni meme la surprise, ou le moindre e"tonnement dans le visage incline" vers eile [...] (Bernanos, zitiert nach Gaatone 1971: 128) (109) // n'a sans doute pas roussi, ni personne aujourd'hui, dans cette tentative de fonder la nouvelle morale. (Camus, zitiert nach Gaatone 1971: 128) Wird die Wohlgeformtheitsbedingung koordinierter Strukturen, daß mindestens zwei Konjunkte vorhanden sein müssen, ausschließlich auf der Ebene der Konstituenz, d.h. durch kStruktur-Regeln, erfaßt, so ist die Behandlung von Beispielen wie den obigen äußerst problematisch. Denn zur Erfassung aller möglichen Strukturen getrennt auftretender Konjunkte müßten bei einem solchen Ansatz eine unabsehbare Vielzahl von Regeln formuliert werden. Die Annahme, daß die genannte Bedingung durch die lexikalische Eigenschaft des Koordinationsjunktors zu erklären ist, zwei Argumente zu subkategorisieren, ermöglicht dagegen eine unproblematische Analyse auf funktionaler Ebene: Die LFG-Prinzipien der Vollständigkeit und der Kohärenz14 überprüfen die Wohlgeformtheit koordinierter Strukturen daraufhin, ob beide Argumente sprachlich realisiert sind. Für Junktoren wie ni, et, ou etc. ein Prädikat anzunehmen, ist überdies dadurch gerechtfertigt, daß nur so die Unterschiede in der semantischen Interpretation von beispielsweise (110) Marie et Ciaire chantent. (111) Marie ou Ciaire chantent. (112) Ni Marie ni Ciaire ne chantent. erklärt werden können. Dabei sind die Koordinationsjunktoren eher den lexikalischen Präpositionen als den Verben vergleichbar. Denn Verben fordern nicht nur Argumente, sondern legen darüber hinaus auch fest, welche grammatische Funktion die Argumente jeweils realisieren. Dies gilt für lexikalische Präpositionen und Koordinationsjunktoren nicht. Analog zu der funktionalen Beschreibung einer Präposition wie dans in 13 14

S. dazu die Ausführungen unter 4.5.2. l. S. dazu auch 5.5.3.

131

(l 13) /dans/ P, (tPRED) = 'DANS'. kann ni demnach folgendes Prädikat zugesprochen werden: (114) /ni/ C, (tPRED) = -Ni'. Wie gesagt legt der Koordinationsjunktor ebenso wie Präpositionen und anders als Verben für seine Argumente keine grammatischen Funktionen fest. Die Verknüpfung der Argumente, also der Konjunkte, durch einen solchen Junktor ist aber nur dann möglich, wenn sie derselben Funktionskategorie angehören. - In welcher Form diese Bedingung erfaßt werden kann, soll im folgenden Abschnitt 5.5.3. besprochen werden. In der Regel wird dasjenige Element, das andere sprachliche Elemente regiert, als Kopf der entsprechenden Konstituente betrachtet. So gilt das Verb als Kopf nicht nur der Verbalphrase, sondern des ganzen Satzes, und der Kopf einer Präpositionalphrase ist die Präposition. Soll also für koordinierte Phrasen entgegen aller genannten überzeugenden Argumente angenommen werden, daß der Junktor ihren Kopf bildet? Die LFG bietet durch ihre Konzeption die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Beschreibungsebenen zu differenzieren. Dabei ist als ihr besonderer Vorteil anzusehen, daß die verschiedenen Ebenen unabhängig voneinander sind. So kann beispielsweise auf funktionaler Ebene ein Subjekt angenommen werden, auch wenn es, wie in Pro-drop-Sprachen, auf Konstituentenstrukturebene nicht realisiert ist. Für die Behandlung der Koordination gilt entsprechend, daß die funktionale Struktur keine Abbildung der k-Struktur ist. Es darf also angenommen werden, daß z.B. in (94) ein Adjektiv kategorial Kopf der koordinierten Konstituente ist, während funktional der Koordinationsjunktor die Konjunkte regiert. Aus der Gesamtheit der Befunde kann somit das Fazit gezogen werden, daß die koordinierten Elemente und nicht der Koordinationsjunktor den Kopf der komplexen Konstituente bilden. Für Satz (94) bedeutet dies konkret, daß die Adjektive Kopf der Phrase ni grande ni blonde sind. Die resultierende k-Struktur für (94) ist nachfolgend abgebildet, wobei die interne Struktur der koordinierten Phrase noch zu klären ist: Fig.3

AP

PN CLVC A C A . 1 , 1 I. l . L. l, M;,ane n est m grande m blonde.

132 5.5.3. Die koordinierten Elemente Hobaek Haff (l987) stellt fest, daß die Koordinationsjunktoren et, ou, ni und mais prinzipiell jede Wortart und jede grammatische Funktion koordinieren können, wobei einige Konstruktionen jedoch mit höherer Frequenz auftreten als andere, folglich für bestimmte Wortarten bzw. grammatische Funktionen eine größere Affinität als für andere besteht, koordiniert zu werden: II ressort des exemples prosentos [...] que toutes les classes, ä I'exception des coordonnants, sont coordonnables. II se ddgage, cependant, une hiörarchie entre les classes en ce qui concerne la froquence et le degro d'acceptabilito des difforentes structures. (Hobaek Haff 1987: 246, Auslassungen von mir) Ihren Untersuchungen zufolge „widersetzen" sich Determinanten und Relativpronomina am stärksten der Koordination: Alors que les pronoms se coordonnent assez facilement, ä en juger des reactions des informants, il en est autrement des determinants. Bon nombre des exemples comportant la structure [doterminant - dotenninant] sont rejetos par toutes les personnes interrogoes ou presque, ou suscitent des roactions oppose"es de leur part. Pour ce qui est des pronoms, la sous-classe des relatifs est la seule ä se montrer rebelle ä la coordination. (Hobask Haff 1987: 246) Eine syntaktische Beschreibung der Koordination durch ni muß nun die geforderte Gleichartigkeit der koordinierten Elemente in adäquater Weise erfassen. Wie unter 5.2. festgestellt, kann das Kommutieren sozusagen als „Test" für die syntaktisch-funktionale Äquivalenz von Konstituenten gelten. Dabei zeigt sich, daß nicht nur Konstituenten identischer Funktion kommutieren, sondern dies auch für beispielsweise ein direktes Objekt und ein Satzkomplement Gültigkeit besitzt; s. die hier wiederholten Beispiele aus 5.2.: (115) A partir de cela, le Caire accepterait alors de reprendre les nögociations au Sinai ou ailleurs. (Le Monde, zitiert nach Hobaek Haff 1987: 227) (116) Ce produit n'est ni eher ni de mauvaise qualite. (Hobask Haff 1987:216) (117) Je suis instituteur et fier de l'etre. (Grevisse 1993: §264,c) (l 18) Dis-moi que tu m'aimes ou rien du tout. (Hobaek Haff 1987: 231) (l 19) Le texte ne precise pas le nom des spocialistes ni s'ils auront acces l'ensemble des camets. (Le Monde, ztiert nach Hobaek Haff 1987: 232) Für die Behandlung der Koordination ergibt sich so die Möglichkeit, die vorausgesetzte Äquivalenz der Konjunkte dadurch zu gewährleisten, daß für sie die Zugehörigkeit zu derselben Funktionskategorie gefordert wird (s. 5.2.). Die Zugehörigkeit zu derselben Wortart und / oder grammatischen Funktion ist dadurch mit erfaßt. Die Wohlgeformtheitsbedingungen, die in der LFG an den Aufbau der funktionalen Struktur von Sätzen geknüpft sind, ermöglichen zusammen mit dem Generalisierungsme-

133

chanismus dieses Grammatikmodells eine denkbar einfache Behandlung der geforderten Äquivalenz der Konj unkte. Die Generalisierung ist eine Erweiterung des „function-application"-Algorithmus auf Reihen von Funktionen. Formal ausgedrückt wird dies in dem Algorithmus flllß, der Generalisierung zweier Funktionen oder f-Strukturen f ( und f2, und dem Mitgliedschaftsoperator als Annotation in derjenigen k-Regel, in der die koordinierte Konstituente erzeugt wird. Diese Erweiterung, die von Kaplan/Maxwell (1988) vorgeschlagen wurde, repräsentiert koordinierte Strukturen als Reihen von Funktionen und bewirkt, daß die Eigenschaften, die dieser Reihe als Ganzes zugesprochen werden, über ihre Elemente distribuiert werden. Wenn also einer komplexen koordinierten Konstituente beispielsweise zugesprochen wird, die Funktion einer prädikativen Ergänzung (XCOMP) zu realisieren, so wird diese Funktionszuweisung über die einzelnen Konjunkte distribuiert. Folglich realisiert jedes Konj unkt die Funktion einer prädikativen Ergänzung. Die angesprochenen LFG-Prinzipien der Vollständigkeit und der Kohärenz gewährleisten nun, daß einerseits alle in der lexikalischen Form eines Prädikats festgelegten grammatischen Funktionen im Satz realisiert sind (Vollständigkeit), andererseits umgekehrt keine anderen bzw. zusätzlichen grammatischen Funktionen auftreten als die in der lexikalischen Form definierten (Kohärenz). Die Prinzipien sichern also quasi „automatisch" die Äquivalenz der Konjunkte. Dieser Mechanismus soll an zwei konkreten Beispielen exemplifiziert werden. (120) Ce produit n'est ni eher ni de mauvaise qualito. (Hobaek Haff 1987: 216) (121) Je ne bois ni ne mange entre les repas. (Grevisse 1993: §1035) In (120) werden zwei Konstituenten koordiniert, von denen die erste, eher, funktional ein ACOMP, die zweite, de mauvaise qualite, funktional ein NCOMP ist. Es handelt sich hier also um einen der Fälle, in denen zur Erfassung der Äquivalenz eine neue Funktionskategorie eingeführt werden soll. Diese Funktionskategorie soll schlicht „prädikative Ergänzung" genannt und durch das Symbol „XCOMP" repräsentiert werden. Das regierende Prädikat, die Kopula etre, erhält somit folgende lexikalische Form: (122) /est/ V, nil, (TPRED) = 'Etre'... Sie gewährleistet über die erläuterten Wohlgeformtheitsbedingungen, daß in der f-Struktur von (120) nur und gleichzeitig alle die grammatischen Funktionen auftreten, die durch sie lizensiert sind, d.h. Subjekt (SUBJ) und prädikative Ergänzung (XCOMP). Durch den Generalisierungsmechanismus wird die grammatische Funktion XCOMP der koordinierten Konstituente auf die Konjunkte eher und de mauvaise qualite distribuiert; s. die folgende Skizze der entsprechenden k-Struktur:

134 Fig.4 * XP , (tXCOMP)=4

>AP A

Det

A

N

Ce produit n'est ni eher ni de mauvaise qualite" Diese Struktur macht gleichzeitig deutlich, daß das Formulieren von k-Regeln fiir koordinierte Konstituenten, die aus kategorial unterschiedlichen Elementen bestehen, problematisch ist. Wie in 5.5.2. argumentiert, sollen ja die Konjunkte und nicht ihr Junktor Kopf koordinierter Phrasen sein. Daraus ergibt sich die Frage - die an dieser Stelle als offenes Problem bestehen bleiben soll15 - ob in Fällen wie (120) die AP oder die NP als Kopf zu analysieren ist. Die koordinierte Konstituente wird in Fig.4 deshalb neutral durch XP bezeichnet. Folgende f-Struktur16 illustriert das Resultat des Generalisierungsmechanismus in bezug auf (120): Beide Konjunkte werden funktional als prädikative Ergänzung XCOMP repräsentiert:

15

S. dazu auch unten 5.5.4. 16 Es handelt sich bei Fig.5 um eine Skizze, da die Behandlung des Koordinationsjunktors ni noch zu klären ist. Er wird in Fig.5 nur durch das NEG-Merkmal repäsentiert. Darüber hinaus ist in der vorliegenden f-Struktur nicht berücksichtigt, daß, sofern man Adjektiven ein subkategorisiertes Subjekt zuspricht, man es aufgrund des Generalisierungsmechanismus in koordinierten Strukturen auch Nomina in der Funktion einer prädikativen Ergänzung zusprechen müßte.

135 (120) Ce produit n'est ni eher ni de mauvaise qualite". (Hobaek Haff 1987: 216) Fig.5 SUBJ

PRED SPEC

'Produit' DEM

\ NE + PRED 'Etre (SUBJ) (XCOMP)'-

XCOMP

SUBJ PRED XCOMP

PRED 'Qualite1 NEC + MOD [PRED 'Mauvaisl

J

Entsprechendes gilt für Satz (121). Hier sind zwei Verben koordiniert, boire und manger. Ihre Koordination ist möglich, weil sie dieselbe grammatische Funktion subkategorisieren, und zwar ein Subjekt. Wäre dies nicht der Fall, wie z.B. in *je ne bois ni nefais entre les repas, wo boire ein Subjekt, faire jedoch ein Subjekt und ein direktes Objekt regiert, so würde eine solche Konstruktion durch das Vollständigkeitsprinzip „ausgefiltert"; vgl. die folgenden f-Strukturen:

136 (121) Je ne bois ni ne mange entre les repas. (Grevisse 1993: § 1035) Fig.6 SUBJ

PRED PERS NUM

'Pro' l SG

NE + PRED 'Boire (SUBJ)' NEG +

SUBJ NE + PRED 'Manger (SUBJ)1 NEG +

ADJ

PRED

'Entre'

ARG [PRED 'REPAS* " SPEC NUM

DEF PL

137 (123) *Je ne bois ni ne fais entre les repas. Fig.7 SUBJ

PRED 'Pro' PERS 1 NUM SG

NE + PRED 'Boire (SUBJ)' NEC +

SUBJ NE + PRED 'Faire (SUBJ) (OBJ)' NEC +

OBJ ADJ

PRED ARG

'Entre' PRED 'REPAS' SPEC DEF NUM PL

In Fig.7 ist die grammatische Funktion eines direkten Objekts nicht realisiert und die lexikalische Form von faire deswegen nicht vollständig erfüllt. Satz (123) wird infolgedessen als nicht wohlgeformt erkannt.

5.5.4. Lexikoneinträge und k-Regeln Nachdem die wesentlichen Fragen der lexikalisch-funktionalen Repräsentation koordinierter Strukturen beantwortet sind, sollen entsprechende k-Regeln zur Ableitung koordinierter Phrasen sowie der Lexikoneintrag für ni formuliert werden. Die Untersuchung von ni hat ergeben, daß es lexikalisch durch folgende Eigenschaften charakterisiert ist: ni gehört der Wortart der Koordinationsjunktoren an, repräsentiert als lexikalische Kategorie „C". Es ist syntaktischer Negationsträger und bekommt daher das Merkmal „NEG = +" zugesprochen. In verbalem Kontext tritt ni mit dem Negationssignal ne auf, was durch den in Kapitel l beschriebenen Kongruenzmechanismus erfaßt wird, gesteuert über die lexikalische Forderung von ne nach dem Negationsmerkmal, ni besitzt das Prädikat „Ni", das es hinsichtlich der semantischen Interpretation von den anderen Koor-

138

dinationsjunktoren differenziert. Die Tatsache, daß ni die Präsenz zweier zu koordinierender sprachlicher Elemente verlangt, wird formal dadurch repräsentiert, daß das Prädikat „Ni" in seiner lexikalischen Form zwei Argumente subkategorisiert. Wir erhalten damit als Erweiterung von (114) folgenden vorläufigen Lexikoneintrag für ni: (124) /ni/C,

(tPRED) = 'Ni' (tNEG) = +

Was die k-Regeln zur Ableitung koordinierter Konstituenten betrifft, ergibt sich insofern ein Problem, als - wie bereits angesprochen (s. 5.5.3.) - theoretisch beliebig unterschiedliche syntaktische Kategorien koordinierbar sind, solange sie sich funktional entsprechen. Die funktionale Äquivalenz ist, wie gezeigt, in einer lexikalisch-funktionalen Analyse unproblematisch zu erfassen. Die entsprechenden k-Regeln müssen jedoch explizit formuliert werden, was angesichts der Kombinationsmöglichkeiten lexikalischer und syntaktischer Kategorien bei angestrebter Exhaustivität zu einer Vielzahl von Regeln führt. - Ich verzichte hier auf ihr Formulieren und beschränke mich auf eine exemplarische Analyse des Regelformats. Mögliche k-Regeln zur Ableitung koordinierter Phrasen wurden unter 5.5.1. folgendermaßen angegeben: R2 R3

XP XP

-> ->·

C XP"*2

NP

Die k-Regeln müssen so annotiert sein, daß relevante Information aus dem Lexikon an den dominierenden Knoten weitergegeben wird, und sie müssen festlegen, welches die zwei Argumente von ni sind. Hieraus ergibt sich ein Problem, denn wie kann in R2 erfaßt werden, daß noch ein weiteres Argument vorhanden sein muß? Es kann dort nur ein Argument definiert werden. An dieser Stelle möchte ich auf den unter 5.4. angesprochenen Widerspruch zurückkommen, der darin besteht, daß zwar offensichtlich beide ni die Forderung nach zwei zu koordinierenden Elementen aufstellen, jedoch das zweite ni allein zur Verknüpfung dieser Elemente ausreichend ist. Diese Beobachtung ist dadurch zu ergänzen, daß es das initiale ni ist, das unter bestimmten Umständen entfällt, niemals jedoch das zweite oder ein evtl. vorhandenes weiteres ni. Den angesprochenen Befunden kann durch die Annahme Rechnung getragen werden, daß das initiale ni lexikalisch nicht das Auftreten eines zweiten Argumentes, sondern vielmehr eines zweiten ni fordert.17 Es verknüpft also nicht selbst und subkategorisiert entsprechend nicht zwei, sondern nur ein Argument, fordert aber über das Auftreten eines zweiten ni die Verknüpfung und damit indirekt auch das zweite Argument. Diese Analyse mündet somit in der Annahme zweier ni und damit auch zweier unterschiedlicher Lexikoneinträge für ni: (125) stellt durch „NI =c +" die Forderung nach dem Auftreten eines sprachlichen 17

Die Anregung zu dieser Analyse verdanke ich Bruce Mayo.

139

Elementes mit dem Merkmal „NI = +", die durch den Lexikoneintrag für das nicht initiale ni (126) erfüllt wird; vgl.: (125) /ni/C,

(tPRED) = INi1 (tNEG) = + (tNI) =c +.

Das zweite ni subkategorisiert zwei Argumente. Bei ihm und jedem weiteren ni besteht keine Forderung nach dem initialen, was erklärt, warum dieses ausfallen kann, ohne daß ungrammatische Strukturen entstehen. Der Lexikoneintrag für nicht initiales ni lautet somit: (126) /ni/C,

(tPRED) = l Ni' (tNEG) = + (tNI) = +.

Die unterschiedlichen Lexikoneinträge ermöglichen es, zwischen den beiden ni auch kategorial zu differenzieren, um ihre je unterschiedliche Position erfassen zu können. Dem initialen ni wird deshalb die Kategorie „Cf0i

Cfok

4=t

AP

(tARG)=4

Daß das initiale ni ausfallen kann, drücken die Optionalität markierenden Klammern aus: R7

APC

->

(Cfok)

l=t

AP

(tARG)=l

Eine zweite Regel expandiert eine Adjektivphrase in eine zu koordinierende (s. R7), gefolgt von einem Koordinationsjunktor und einer weiteren Adjektivphrase:

R8

AP

->

APC (TARG1)=4

C i=t

AP (tARG2)=l

Die sich durch diese Regel ergebende Rekursion erzeugt korrekte Strukturen. Es muß allerdings dafür gesorgt werden, daß bei Rekursion das initiale ni dann ausfällt, wenn es nicht in initialer Position in der koordinierten Konstituente auftritt, etwa durch eine Forderung nach einem entsprechenden Positionsmerkmal im Lexikoneintrag von ni, Cf0k, und eine korrespondierende Annotation in Regel 8:

140

(125)

R8

/ni/Cfck, (tPRED) = 'Ni' (tNEG) - + (tNI) =c + (tlNITIAL) =c +. AP

->

APC (tARGl)=4 (tlNITIAL) = +

C l=t

AP (tARG2)=4

Durch den möglichen Ausfall des initialen ni werden so zum einen diejenigen Fälle erfaßt, in denen nur ein ni zwischen den Konjunkten auftritt wie in: (127) (128)

Leur traitement ni leurs jetons de presence ne suffisent certainement pas a l'expliquer. (Romains, zitiert nach Gaatone 1971: 126) J'ai sans doute pris, trop jeune, de mauvaises decisions et rien ni personne ne m'en a fait domordre. (Le Monde, zitiert nach Muller 1991: 293)

Es ist das verknüpfende ni der Kategorie C, das hier auftritt. Da es im Gegensatz zum initialen ni der Kategorie C^ keine Forderung nach einem weiteren ni aufstellt, werden diese Strukturen als wohlgeformt erkannt. Zum anderen sichert der obligatorische Ausfall des initialen ni bei rekursiver Ableitung von R8, also einer Verknüpfung durch ein drittes, viertes... ni wie in (129)-(131), daß weitere Koordinationen ebenfalls ausschließlich durch ni, C, erfolgen; vgl.: (129)

Ni ses sens, ni son coeur, ni son intelligence, ni son imagination n'avaient besoin d'elle. (Montherlant, zitiert nach Gaatone 1971: 126) (130) Je ne veux, ni ne dois, ni ne puis obe"ir. (Littre", zitiert nach Grevisse 1993: §1033, b) (131) S'il n'y a pas d'immortalite il n'y a ni recompense ni chätiment, ni bien ni mal. (Camus, zitiert nach Gaatone 1971: 127) Folglich besteht auch bei diesen keine lexikalische Forderung nach dem Auftreten eines weiteren ni. Jede Verknüpfung, die zusätzlich zu der der ersten zwei Konjunkte erfolgt, ist damit allein durch die Aussageabsicht des Sprechers / Autors motiviert. Aus den k-Regeln R7 und R8 ergibt sich eine weitere notwendige Modifizierung des Lexikoneintrages (125) von ni, Cfok. Die genannten Regeln legen fest, daß das nicht initiale ni sich funktional auf einer höheren hierarchischen Ebene befindet als das initiale. Denn das initiale ni, Cfok, realisiert das erste Argument des nicht initialen ni, C. Deshalb muß die Forderung des initialen ni nach dem Merkmal „NI = +", das das nicht initiale ni trägt, auf die nächsthöhere funktionale Ebene projiziert werden. Wie Bresnan (1998: 12ff.) in Anlehnung an Dalrymple (1993) und Andrews (1996) zeigt, erlaubt dies in der LFG der Mechanismus der sog. „inside-out functional uncertainty". Dadurch wird, vereinfacht gesagt, ein Pfad aus dem „Inneren" einer f-Struktur heraus nach „außen" zur nächsthöheren f-Struktur definiert, und zwar unabhängig von deren grammatischer Funktion. Auf diese Weise kann im Lexikoneintrag des initialen ni die Forderung nach einem weiteren ni spezifiziert werden; vgl.:

141

(125)

/ni/Cfck, (tPRED) = 'Ni' (TNEG) = + (Nit) =c + (TlNITIAL) =c +.

Die erläuterte Analyse ermöglicht eine analoge Behandlung der Mehrfachverwendung von et und ou. Hier fordert ebenso der initial vor dem ersten Konjunkt auftretende Junktor die Präsenz des zweiten, während der zweite keine solche Forderung impliziert und entsprechend eine „autonome" Existenz fuhrt;18 vgl.: (132) Ou vous acceptez, ou bien je m'en vais faire cette proposition a un autre. (Dictionnaire du franfais contemporain, zitiert nach Grevisse 1993: §1033, a) (133) Vous acceptez, ou bien je m'en vais faire cette proposition ä un autre. (134)

(135)

Mes meilleurs amis n'en [= de ses souvenirs] auront point connaissance, car je veux conserver la liberte" de peindre sans flatterie et moi et eux-memes (Tocqueville, zitiert nach Grevisse 1993: §1033, a) [...] car je veux conserver la liberte de peindre sans flatterie moi et eux-memes.

So wird die Existenz jeweils zweier et und ou postuliert. Aufgrund der unter 5.4. beschriebenen Funktion ihrer Mehrfachverwendung ist es auch hier motiviert, dem initialen Junktor die Kategorie Cf0|< zuzuweisen; s. für et: (136)

/et/Cfck, (tPRED) = 'Et' (ETt) =c + (tlNITIAL) =c +.

(137)

/et/C,

(tPRED) = 'Et' (tET) = +.

Durch et und ou koordinierte Strukturen werden dabei über dieselben k-Regeln abgeleitet wie durch ni verknüpfte. Unterstützt wird die Analyse, daß es sich bei Mehrfachverwendung der Junktoren um das Auftreten zwei verschiedener Lexeme handelt, zusätzlich durch Sprachen wie das Deutsche und das Englische, in denen erster und zweiter Junktor sprachlich unterschiedlich realisiert sind; vgl.: (138) Marie n'est ni grande ni blonde. (139) Maria ist weder groß noch blond. (140) Mary is neither tall nor blonde. Anders verhält es sich bei plus...plus..., mains...mains... Hier sind beide Adverbien in ihrem Auftreten obligatorisch, stellen also jeweils eine Forderung nach der Präsenz des anderen; vgl.: Plus an est defous, plus on rit. (Grevisse 1993: §948, e) - *On est defous, plus on rit. Entsprechend ist hier nicht zwischen zwei verschiedenen adverbialen Junktoren zu differenzieren, sondern es handelt sich jeweils um dasselbe Lexem.

142

(141) Marie est et grande et blonde. (142) Maria ist sowohl groß als auch blond. (143) Mary is both tall and blonde. (144) Marie est ou blonde ou brune. (145) Maria ist entweder blond oder brünett. (146) Mary is either blonde or brunette. Die skizzierten k-Regeln definieren folgende k-Struktur Fig.8 für einen Satz wie (94): (94)

Marie n'est ni grande ni blonde.

Fig.8

NP

VP

V

APc

(TARGl

AP

(tARG2>4

tARGHl PN CLVC A C i l

Mi'arie h'est ni grande ni blonde.

Damit erweist sich letztlich eine „Kreuzung" der unter 5.5.1. theoretisch angenommenen Möglichkeiten einer entweder flachen oder binär verzweigten k-Struktur als adäquate Darstellung der Konstituenz koordinierter Phrasen. Diese k-Struktur verbindet die genannten (s. 5.5.1.) Vorteile beider und ermöglicht sowohl einen strukturellen Reflex der Semantik koordinativer Verknüpfung als auch eine beschreibungsökonomisch günstige rekursive Ableitung koordinierter Strukturen.

5.5.5. Kongruenz und Annotationen Die k-Regeln, die aus der bisherigen Untersuchung koordinierter Konstituenten resultieren, sind noch unvollständig: Genus, Person und Numerus koordinierter Nominalphrasen ergeben sich nicht bzw. nicht in jedem Fall aus den Merkmalen der einzelnen Konjunkte, weshalb entsprechende Angaben in den k-Regeln notwendig sind. - Ohne hier im Detail auf Fragen der Kongruenz koordinierter (Subjekt-)Nominalphrasen eingehen zu können, soll doch zumindest eine Skizze von deren Behandlung entworfen werden. Nachfolgend sind Regeln zur Ableitung koordinierter NP-Konstituenten dargestellt:

143 R9

NPC



(Cfok) l=t

RIO

NP



NPC (tARGl)=l (tlNITIAL) = +

NP (tARG)=l C

l=t

NP (tARG2)=l

Sofern die koordinierten Nominalphrasen dasselbe Genus haben, kongruieren sie entsprechend der in ihrem Lexikoneintrag angegebenen Werte; vgl.: (147) Cette maison est magnifique. Ni la tienne ni la mienne ne sont aussi jolies. (Hobaek Haff 1987: 219) Differieren sie jedoch bezüglich ihres Genus, so ist das Genus der koordinierten NP defaultmäßig maskulin: (148)

Ni sä maison ni son jardin ne sont entretenus. (Grevisse 1993: §1033,b)

Was das Person-Merkmal der koordinierten Nominalphrase betrifft, so ergibt es sich bei differierenden Werten entsprechend einer Hierarchie, wobei die erste Person vorcangig vor der zweiten, (149)

Ni toi ni moi ne pouvons nous permettre de dormir cette nuit. (Muller 1991: 293)

diese vorrangig vor der dritten zum Merkmal der gesamten komplexen Konstituente erklärt wird (s. Grevisse 1993: §433); vgl.: (150) Lui et toi, vous etes blonds. (Grevisse 1993: §432) Diese Informationen können über Annotationen in R I O gegeben werden. Die entsprechenden Angaben für das Genus-Merkmal werden nachfolgend skizziert. Dabei wird Nominalphrase annotiert, die als zweites Argument des Koordinationsjunktors fungiert, weil ja erst ihr Auftreten zu entsprechenden Änderungen der Kongruenzmerkmale führt; vgl.:

RIO

NP

->

NPC (tARGl)=l (tlNITIAL) = +

C l=t

NP (tARG2)=l {(tARG l GEN) (IGEN) (tGEN) = MAS | (t ARG l GEN) = (IGEN) (TGEN) = (IGEN)}

Die disjunkten Annotationen sollen folgendes besagen: Entweder ist das Genus des ersten Argumentes des Koordinationsjunktors von dem des zweiten verschieden. Dann ist das Genus der komplexen Konstituente maskulin. Oder das Genus des ersten Argumentes ist gleich

144

dem des zweiten Argumentes. In diesem Fall ist das Genus der komplexen Konstituente gleich dem der Argumente des Koordinationsjunktors. Der Numerus einer koordinierten Nominalphrase ist, abgesehen von Besonderheiten im Fall von ou (s. Grevisse 1993: §§440), stets Plural; vgl.: (151) Ni Pierre ni Lucienne ne viendront ce soir. (Grevisse 1993: §1035) (152) Ni Rocard ni sä commission n'auront carte blanche [...] (Le Nouvel Observateur, zitiert nach Hobaek Haff 1987: 171) Diese Angabe kann unproblematisch über eine entsprechende Annotation erfolgen - aus dem obengenannten Grund wiederum derjenigen NP, die als zweites Argument fungiert: RIO

NP

->

NP C (tARGl)=! (TlNITIAL) = +

C I=T

NP (tARG2)=l { (TARG1 GEN) (IGEN) (tGEN) = MAS | (t ARG l GEN) = (IGEN) (tGEN) = (IGEN)} (tNUM) = PL

N.B. Evtl. ist es notwendig, durch eine Operation wie „priority union" (s. Brun 1996b) zu gewährleisten, daß die Merkmale, die das 2. Argument über die Konstruktion zugesprochen bekommt, vorrangig vor denen des ersten in die resultierende f-Struktur eingesetzt werden.

Im Zusammenhang mit den Annotationen der k-Regeln soll schließlich noch eine Frage diskutiert werden, die Kaplan/Maxwell (1988: 305) ansprechen, ob nämlich Koordinationsjunktoren funktional annotiert werden sollen, d.h. ob Information über die Koordinationsjunktoren aus dem Lexikon in die f-Struktur gelangen soll. Kaplan/Maxwell verneinen dies. Sie argumentieren, daß dadurch einerseits bei Auftreten mehrerer unterschiedlicher Junktoren inkonsistente Strukturen entstehen könnten, andererseits diese Information über die Koordinationsjunktoren nur für die Semantik relevant sei, nicht aber für die Syntax. Aus diesem Grund schlagen sie vor, über sog. „ -Projektionen" (s. Kaplan/Maxwell 1988), die eigentlich Information aus der f- in die s-Struktur19 projizieren, direkt k- und sStruktur zu verbinden; vgl. die entsprechende Regel, die sie für die Ableitung koordinierter Verben angeben (Kaplan/Maxwell 1988: 305): Rll

V

->

V Ist ale(atARGS)

CONJ (

REL)=

V let als(atARGS)

Gegen diese Argumentation von Kaplan/Maxwell sind zwei Einwände vorzubringen, die belegen, daß lexikalische Information über die Koordinationsjunktoren sehr wohl Relevanz 19

Die s-Struktur ist die semantische Struktur eines Satzes, die Informationen für dessen Interpretation enthält; s. auch Punkt 3 der Einleitung.

145 fur die Syntax besitzt. So ist erstens die Forderung der Koordinationsjunktoren nach zwei Argumenten wesentlich für die Überprüfung der syntaktischen Wohlgeformtheit koordinierter Strukturen. Für ni gilt zweitens, daß sein Negationsmerkmal in die f-Struktur gelangen muß, weil seine Position dort für die semantische Interpretation des Satzes relevant ist.20 Als Eingabe an die Semantik muß zudem aus der f-Struktur zu erkennen sein, ob der Koordinationsjunktor ein- oder mehrfach gesetzt ist, was im Fall von et und ou zu unterschiedlichen semantischen Interpretationen führt. Diese Gründe sprechen dafür, den Koordinationsjunktor in den k-Regeln funktional zu annotieren; vgl. die besprochene Regel R8:

R8

AP



APC (t ARG l H (tlNITIAL) = +

C I=T

AP (TARG2H

5.5.6. Resultierende f-Strukturen Aus dieser Analyse ergeben sich f-Strukturen, in denen das regierende Prädikat koordinierter Konstituenten der Koordinationsjunktor ist. Die Konjunkte sind als seine Argumente realisiert. Vgl. die folgende f-Struktur von Satz (94):

S. Kapitel 6 zur Bedeutung der f-strukturellen Position des NEG-Merkmals für die Satzinterpretation.

146

(94)

Marie n'est ni grande ni blonde.

Fig.9 SUBJ

PRED 'Marie' NUM SG GEN FEM

NE + PRED Etre (SUBJ) (XCOMP)'

XCOMP

PRED "Mi (ARG1) (ARG2)' NEG + ARG l PRED Ni (ARG)' NEG + PRED 'Grand (SUBJ)1 ARG NUM SG GEN FEM SUBJ ARG2

PRED 'Blond (SUBJ)' NUM SG GEN FEM SUBJ

\ \A

147 (121) Je ne mange ni ne bois entre les repas.

Fig. 10 SUBJ

PRED 'Pro' PERS 1 NUM SG

PRED 'Ni(ARGl)(ARG2)' NEG +

ARGI

+

PRED 'Manger (SUBjy_ _SUBJ ARG2

ADJ

"NE + PRED 'Boire (SUBJ)' SUBJ —"" PRED ARG

'Entre (ARG)' PRED 'Repas' SPEC DEF NUM PL GEN MAS

N.B. Eine Frage, die hier nicht abschließend geklärt werden kann, ist, wie die von den verbalen oder adjektivischen Argumenten des Koordinationsjunktors regierten grammatischen Funktionen als die des Satzes identifiziert werden. Eine mögliche Lösung wäre, den Lexikoneintrag des nicht initialen ni um eine funktionale Kontrollgleichung zu erweitern, die die grammatische Funktion seiner Argumente mit den grammatischen Funktionen des Satzes gleichsetzt; vgl. die folgende Skizze: (126)

/ni/C, (tPRED) = 'Ni' (tARG GF) = (tGF) (tNEG) = + (tNI) = +.

Die funktionalen Strukturen Fig.9 und Fig. 10 illustrieren den Unterschied zwischen der Koordination von Verben und der anderer syntaktischer Kategorien: Während die Konjunkte bei Verbkoordination (s. Fig. 10) von nur einem Prädikat, dem des nicht initialen ni, regiert werden, ist bei der Koordination anderer syntaktischer Kategorien (s. Fig.9) das Prädikat des ersten Argumentes, also das des initialen ni, gleich dem des regierenden Prädikates. Diese Information ist folglich redundant, besitzt jedoch in dieser Redundanz fokussierende Funktion. Darüber hinaus verdeutlichen die f-Strukturen Fig.9 und Fig. 10 einen wesentlichen Vorteil der erläuterten Analyse: Es kann zur Behandlung der Koordination auf die Einführung des Generalisierungsmechanismus und das daraus resultierende Distribuieren funktionaler

148

Merkmale über die Konjunkte verzichtet werden. Die Annahme, daß der (nicht initiale) Koordinationsjunkor das regierende Prädikat koordinierter Konstituenten ist, erlaubt eine unproblematische Behandlung der Funktionszuweisung, da alle Konjunkte als Argumente des Koordinationsjunktors innerhalb einer Funktionsklammer in der f-Struktur erscheinen, d.h. eine einheitliche Funktion realisieren. Diese wird den Konjunkten somit allein - wie anderen nicht koordinierten Konstituenten auch - über die k-Regeln zugesprochen und ihre ftmktionale Wohlgeformtheit entsprechend über die Prinzipien der Kohärenz und der Vollständigkeit überprüft. Durch den Verzicht auf den Generalisierungsmechanismus werden zudem Probleme vermieden, die sich aus dem unerwünschten Distribuieren funktionaler Information wie beispielsweise Genus und Numerus ergeben können. Koordinierte Strukturen werden, wie Fig.9 und Fig. 10 zeigen, so auf der Ebene der fStruktur nicht als durch „links", Verbindungslinien, miteinander verknüpfte Satzstrukturen repräsentiert, wie dies bei der bisherigen Standardbehandlung der Koordination in LFG der Fall ist.21 Eine solche Analyse der Koordination als einer Koordination von Sätzen entspricht letztlich dem transformationsgrammatischen Ansatz, der davon ausgeht, daß Koordination in der Tiefenstruktur stets eine von Sätzen ist, aus der durch bestimmte Tilgungsund Umstellungstransformationen die jeweilige Oberflächenstruktur entsteht. Bekannte Argumente gegen eine solche Analyse sind Beispiele wie John and Bill met in the park, in denen nicht von der Koordination zweier Äußerungen ausgegangen werden kann, da das Verb meet reziprok ist. Wird dagegen die in der vorliegenden Arbeit entwickelte Analyse zugrundegelegt, so sind in diesem Beispiel lediglich die Subjekte John und 5/77 koordiniert. Die kollektive Lesart dieser koordinierten Subjektkonstituente folgt aus der Semantik des Verbs meet. Die Validität dieser Analyse für Fälle von sog. „non-constituent coordination"22 ist dabei noch zu überprüfen.

5.6. Zusammenfassung der Ergebnisse Die lexikalisch-funktionale Analyse von ni hat ergeben, daß der Koordinationsjunktor unabhängig von der Frage, ob er in initialer Position vor oder zwischen den Konj unkten auftritt, negative Bedeutung und koordinierende Funktion besitzt. Aufgrund seiner negativen Bedeutung, seines Kompatibilitätsverhaltens und des regelmäßigen Auftretens mit ne in verbalem Kontext ist ni zu den syntaktischen Negationsträgern zu zählen. Zwischen dem initialen und jedem weiteren Auftreten von ni ist jedoch insofern zu differenzieren, als das initiale ni die Präsenz eines weiteren ni fordert, umgekehrt jedoch keine solche Forderung nach dem initialen ni besteht. Diese differierenden lexikalischen Eigenschaften begründen die Annahme zweier ni unterschiedlicher lexikalischer Kategorie, die durch Daten aus germanischen Sprachen unterstützt wird. Dabei illustriert die Behandlung der Koordination in besonderer Weise den Vorteil der zweifachen syntaktischen Repräsentation auf k- und f-Struktur-Ebene. Die vorliegende Un21 22

S. Kaplan/Maxwell (1988), Manning/Maxwell (1996). S. dazu Manning/Maxwell (1996).

149

tersuchung des negativen (Coordinations]unktors ni hat an vielen Stellen deutlich gemacht, daß die Syntax der Koordination auf der Ebene der Konstituenz nur sehr schwierig darzustellen ist. Hier scheint es keine Regeln zu geben, denn kategoriale Beschränkungen gibt es für die Koordination kaum. Es ergibt sich auf dieser Ebene das Bild eines ungeordneten, ja beinahe chaotisch scheinenden sprachlichen Phänomens. Auch die Wohlgeformtheitsbedingungen der Koordination können auf dieser Ebene nicht erfaßt werden. Zwar lassen sich, wie mehrfach erwähnt, k-Regeln für alle möglichen koordinierten Strukturen definieren. Alleine können diese jedoch die Wohlgeformtheit nicht gewährleisten, weil die für die Konjunkte geforderte Äquivalenz eine funktionale ist: Die auf der k-Struktur-Ebene definierten syntaktischen Kategorien sind nur unter der Voraussetzung miteinander koordinierbar, daß sie hinsichtlich ihrer grammatischen Funktion übereinstimmen. Eine primär funktionale Analyse der Koordination ermöglicht dagegen ein unproblematisches Erfassen dieser Voraussetzung. Daß der Koordinationsjunktor mindestens zwei Konjunkte fordert, ist dagegen eine Eigenschaft, die auch auf Konstituentenebene über entsprechende k-Regeln dargestellt werden kann: Der Junktor wird in diesem Fall nur über solche Regeln abgeleitet, die gleichzeitig zwei Konjunkte expandieren. In dieser Behandlung sind jedoch, wie erläutert, im Satz getrennt auftretende Konjunkte nicht oder nur sehr schwer zu erfassen. Auch hier bietet der funktionale Ansatz, der dem Koordinationsjunktor eine lexikalische Form zuspricht, in der er - je nachdem, ob initial oder nicht initial - ein oder zwei Argumente subkategorisiert, eine adäquate Analyse. Ein weiterer Vorteil der funktionalen Analyse ist, daß nicht auf den Generalisierungmechanismus zurückgegriffen werden muß, um funktionale Information und hier insbesondere die grammatische Funktion über die Konjunkte zu distribuieren. Wird der Koordinationsjunktor als regierendes Prädikat koordinierter Strukturen analysiert, realisieren infolgedessen die Konjunkte als seine Argumente eine einheitliche grammatische Funktion. Vor dem Hintergrund dieser Analyse erscheint die Koordination als letztlich lexikalisch motiviert, indem die Präsenz (mindestens) zweier zu koordinierender Konstituenten lexikalisch durch den Junktor gefordert ist. Auch die Grundlage für die Überprüfung der geforderten Äquivalenz der Konjunkte wird im Lexikon gelegt, da sie sich aus der lexikalischen Form rektionsfähiger Lexeme, meist Verben, ableitet.

6. Skopus der Negation

Dieses Kapitel thematisiert den Skopus der Negation. Da es sich dabei um ein semantisches Phänomen handelt, also Auswirkung auf die Interpretation von Sätzen hat, sollte dieser Gegenstand in der vorliegenden Arbeit über die Syntax der Negation zunächst nicht behandelt werden. Die Untersuchung der einzelnen zum syntaktischen System der Negation gehörenden sprachlichen Elemente hat jedoch gezeigt, daß Syntax und Skopus der Negation sehr wohl in bestimmter Weise interagieren. Die entsprechenden Beobachtungen sollen im folgenden genannt und kommentiert werden. Dabei werden relevante Resultate der vorhergehenden Kapitel zusammengefaßt bzw. wiederaufgenommen und zueinander in Beziehung gesetzt.

6.1. Was ist „Skopus"? Mit dem Begriff Skopus wird, auf eine lineare Struktur bezogen, der Bereich bezeichnet, auf den sich ein skopusfähiges sprachliches Element semantisch auswirkt. Skopusfähige sprachliche Elemente sind im Französischen u.a. quantifizierende Adverbien wie beaucoup, nombreux, peu, Gradadverbien wie trop, assez, tres und die Negationsträger pas, jamais, plus, aucun etc. Zur Bestimmung des Skopus werden für die geschriebene Sprache meist syntaktische und / oder semantische Kriterien herangezogen. Grundlegend ist dabei im Bereich der Syntax das bereits auf Klima (1964) zurückgehende Kriterium des „in construction with", in dem der Semantik das der möglichen Paraphrasierung mit „it is not so that" (Jackendoff 1969). Beide Skopuskriterien bzw. -tests werden in der Linguistik immer wieder aufgegriffen, z.T. in modifizierter Form.l Auf eine ausführliche Erörterung der Kriterien für die Skopusbestimmung soll hier verzichtet werden. Der Skopus der Negation kann weder ausschließlich syntaktisch noch ausschließlich semantisch definiert werden, weil sowohl semantische als auch syntaktische sowie intonatorische Aspekte Einfluß auf den jeweils aktuellen Skopus eines Negationsträgers nehmen. So belegen vielzitierte Beispiele wie (1)

Tous ne sont pas venus.

die Interaktion von Negationsskopus und spezifischen semantischen Eigenschaften des Quantors tous: pas negiert tous, obwohl es sich nicht „in Konstruktion mit" ihm befindet, d.h. nicht beide Konstituenten im Baumgraph durch denselben Knoten dominiert werden; vgl. die vereinfachte Skizze der k-Struktur dieses Satzes: 1

S. Stickel (1970; 1975), Jacobs (1982), Moeschler (1982), Nelke (1992), Dimroth/Klein (1996) sowie Becker/Dietrich (1996).

151

Fig.l

NP

VP

V

ADVP

I

VP

I

Tous ne sont pas venus Der Negationsträger pas ist in dieser Struktur in Konstruktion mit der V- und der VP-Konstituente, nicht aber mit der Nominalphrase tous, auf die sich die Negation tatsächlich bezieht. Entsprechendes gilt für einen Satz wie den folgenden: (2)

Ich habe nicht drei Bier getrunken.

Die erläuterten syntaktischen und semantischen Kriterien zur Skopusbestimmung ergeben, daß es sich dabei um ein Beispiel von Satznegation handelt, d.h. der Skopus des Negationsträgers nicht ist der gesamte Satz. Denn syntaktisch befindet sich die gesamte VP in Konstruktion mit nicht, und die Paraphrasenbildung mit „es ist nicht der Fall, daß" gelingt: Es ist nicht der Fall, daß ich drei Bier getrunken habe.2

(3)

Wird durch Kontext und / oder Intonation ein bestimmter Teil des Satzes fokussiert, verengt sich jedoch der Skopus des Negationsträgers auf die hervorgehobene Konstituente und es liegt ein Fall von Konstituentennegation vor, bei der sich entweder drei oder Bier im Skopus des Negationsträgers nicht befindet; vgl:. (4) (5)

Ich habe nicht DREI3 Bier getrunken (, sondern vier). Ich habe nicht drei BIER getrunken (, sondern Schnaps).

Die erläuterten Skopustests ermöglichen also keine klare Bestimmung desselben. Richtiger erscheint es daher, für die geschriebene Sprache, in der Intonation keine Entscheidungshilfe bieten kann, statt von klarer Skopusdefinition auf der Grundlage syntaktischer und semantischer Eigenschaften eines Satzes lediglich von Vorhersagen auszugehen, die die Syntax eines Satzes, die Semantik der involvierten Lexeme und der Kontext in bezug auf den Negationsskopus zulassen. Der aktuelle Skopus ergibt sich aus der Schnittmenge dieser Vorhersagen. Der Paraphrasentest soll zudem zwischen sog. „Satz-" und „Konstituentennegation" differenzieren können, indem er nur bei Satznegation möglich ist. Wie mein Beispiel zeigt, ist dieser Zusammenhang jedoch nicht zwangsläufig gegeben. Die Majuskeln sollen zeigen, daß das betreffende Wort akzentuiert ist.

152

Gleichzeitig macht das untersuche Beispiel die Problematik der Terminologie von Satzund Konstituentennegation deutlich. Obwohl (3) syntaktisch-strukturell ein Beispiel sog. Satznegation ist, sind, wie (4) und (5) zeigen, auch solche Lesarten möglich, in denen der Negationsträger sich auf eine bestimmte Konstituente semantisch auswirkt, also Beisiele von Konstituentennegation. In der vorliegenden Arbeit soll deshalb von engem und weitem Skopus statt von Konstituenten- und Satznegation gesprochen werden, da diese Begriffe die entsprechenden Phänomene präziser beschreiben: Ist der Skopus der Negation weit, so schließt er potentiell alle Satzkonsituenten ein, kann jedoch durch Intonation und / oder Kontext verengt werden. Eine Verengung ist jedoch bei dem Begriff des weiten Skopus unproblematisch, da hier keine präzise Definition des Skopus impliziert ist. Ist der Skopus der Negation umgekehrt eng, so kann er nicht erweitert werden. Ein enger Skopus entspricht damit sachlich dem Terminus der Konstituentennegation, verhält sich begrifflich jedoch komplementär zum weiten Skopus. Der syntaktische Teil der genannten Vorhersagen und die Interaktion von Skopus und Syntax der Negation sollen im folgenden näher untersucht werden.

6.2. Syntax und Skopus der Negation

6.2.1. Die Partikel ne Die klitische Form ne ist im Zusammenhang mit dem Negationsskopus besonders relevant, denn sie wird obligatorisch immer dann gesetzt, wenn sich das Verb im Skopus der Negation befindet. Aus dieser l: l -Beziehung von Skopus und Auftreten leitet sich umgekehrt die Funktion von ne ab: Es markiert die Integration desjenigen Verbs, mit dem es eine Konstituente bildet, in den Negationsskopus. In vielen Fällen handelt es sich dabei um eine redundante Information, weil Funktion und Position des Negationsträgers im Satz auch ohne Auftreten von ne deutlich machen, daß das Verb in seinen Skopus eingeschlossen ist. Diese Redundanz belegt auch der häufige Ausfall von ne in der gesprochenen Sprache (s. 1.2.3.). Da das Verb als strukturelles Zentrum des Satzes fungiert, können bei Einfluß der Negation auf das Verb auch dessen Ergänzungen davon „betroffen" sein. Bei Verbintegration liegt damit stets ein weiter Negationsskopus vor. Das bedeutet konsequenterweise, daß das Klitikum ne als Markierung der Integration des Verbs in den Negationsskopus gleichzeitig Signal für einen weiten Negationsskopus ist. Dieser Zusammenhang von Negationsskopus und Auftreten von ne findet auch in der Umkehrung dieser Regel Bestätigung, wie folgende Sätze illustrieren (s. auch 1.2.2.): (6)

C'est un hotel pas eher. - Ce n'est pas un hotel eher. (Klein/Kleineidam 1991: §295)

153

Im ersten Satz ohne ne besitzt pay einen engen, auf das Adjektiv eher beschränkten Skopus, pas spezifiziert sozusagen einen bestimmten Grad4 von eher. Im zweiten Satz mit ne bezieht sich pas auf das Verb bzw. auf die durch das Verb etablierte Beziehung zwischen Subjekt und Nominalkomplement. Das Fehlen von ne in verbhaltiger Struktur markiert damit einen engen Negationsskopus. Entsprechendes gilt auch für folgendes Satzpaar, das von Muller (1991: 124) stammt: (7)

K. Ph. E. Bach a ocrit pas moins de 52 motets. - II n'a pas 6crit moins de 52 motets.

Diese Funktion von ne ist jedoch wiederum als redundant zu bezeichnen, weil enger bzw. weiter Skopus unabhängig davon aus der je unterschiedlichen Position des Negationsträgers im Satz abzulesen sind.

6.2.2. Die Partikel de Die Analyse des negativen indefiniten Determinanten de zeigt, daß sein Auftreten ebenfalls in direktem Zusammenhang mit dem Skopus der Negation steht. Denn de determiniert ausschließlich solche Nomina, die in den Skopus der Negation eingeschlossen sind. Die bloße Präsenz eines Negationsträgers im Satz ist dafür keine ausreichende Bedingung, wie die folgenden Sätze belegen: (8)

(9)

(10)

II y avait bien un peu de cela; car on n'imagine pas des fonctionnaires arrivant ä se preserver de l'esprit de rivalito, d'un amour-propre de bureau. (Romains, zitiert nach Gaatone 1971: 113) Cette situation ambiguö est due, pour une large part, au fait que les nations occidentales et la France en particulier n'ont pas adoptö une attitude claire en ce qui concerne le röle de l'Etat dans la vie oconomique. (Wurmser, zitiert nach Gaatone 1971: 113) Les journaux ne font pas une campagne utile. (Romains, zitiert nach Gaatone 1971: 114)

Diese Sätze sind Beispiele für einen weiten Negationsskopus, d.h. das Verb und damit potentiell auch seine Ergänzungen sind darin integriert, wie auch das Auftreten von ne belegt (s.o. 6.2.1.). Das direkte Objekt als eine der Ergänzungen des Verbs ist jedoch jeweils nicht durch de, sondern durch den indefiniten Determinanten«« spezifiziert. Seine Quantität ist folglich nicht gleich Null gesetzt (vgl. 2.4.), es ist also nicht negiert. Wenn der negative Determinant de in diesen Fällen, in denen nicht der nominale Kopf des direkten Objekts selbst, sondern lediglich dessen Spezifizierung negiert ist, nicht stehen kann, so läßt diese Beobachtung umgekehrt den Schluß zu, daß die Präsenz von de signalisiert, daß sein Bezugsnomen als Kopf des direkten Objekts in den Negationsskopus integriert ist. Auch das bereits angesprochene Phänomen (s. 2.4.), daß de nicht in prädikativen Konstruktionen (11) und Beispielen kontrastiver Negation (12) stehen kann, ist dadurch zu 4

Zur Analyse von pas als Gradadverb s. 4.4.2. l.

154 erklären, daß die entsprechende Nominalphrase in diesen Strukturen nicht negiert werden kann, weil diese ihre positive Quantität präsupponieren; vgl.: (11) (12)

Nous ne sommes ni des philanthropes ni des demagogues, assure M. Andro Vauthier. (Le Monde, zitiert nach Hobaek Haff 1987: 167) II comprit rapidement que ses disciples ne lui demandaient pas des critiques, dont ils n'avaient que faire, mais seulement des encouragements [...] (Camus, zitiert nach Gaatonel971: 114)

Das syntaktische Verhalten von de illustriert daneben auch die skopusmarkierende Eigenschaft des Klitikums ne. Ohne die Präsenz von ne würden folgende Sätze so interpretiert, daß die Nomina pommes und mesquinerie nicht in den dann engen Skopus des jeweiligen Negationsträgers aucun bzw. rien integriert wären: (13) (14)

Gorard «'a mango de pommes du verger d'aucun paysan. (zitiert nach Muller 1977: 171) Enfin, il w'a montre" de mesquinerie en rien. (Romains, zitiert nach Gaatone 1971: 104)

Das Auftreten von ne in (13) und (14) macht deutlich, daß die jeweiligen Negationsträger einen weiten Skopus haben, in den das Verb und seine Ergänzungen eingeschlossen sind. Dies ermöglicht das Auftreten des negativen Determinanten de im direkten Objekt.

6.2.3. Negative Indefmita und Determinanten Die negativen Indefmita und Determinanten treten fast immer in Verbindung mit ne auf, haben also meist einen weiten Skopus; vgl.: (15) (16) (17) (18)

Personne ne sera assez hardi pour le faire. (Acadomie francaise, zitiert nach Grevisse 193: §726) Qui ne risque rien, n'a rien. (Grevisse 1993: §731) II n'oubliait la fete d'aucun de la famille. (R. Rolland, zitiert nach Grevisse 1993: §710) [...] c'otait rassurant de se dire que pas une de ses intonations, jamais, ne se modifierait. (Beauvoir, zitiert nach Gaatone 1991: 179)

Zwar gibt es Vorkommen negativer Indefinita in verbhaltigen5 Strukturen ohne ne; vgl.: (19) (20)

II y avait des Berthier, des Haudouin [...] mais personne de ceux que je m'attendais ä rencontrer. (Aymö, zitiert nach Gaatone 1971: 160) Je me sens une incroyable propension au motier du rebelle, et au bout du compte aucune au motier du soldat. (Aragon, zitiert nach Gaatone 1971: 173)

In verblosen Strukturen kann ne als Klitikum per definitionem nicht auftreten.

155

(21)

Pas un bourgeois resistant, pas un ocrivain de tradition dreyfusarde qui se soient omus. (Ayme", zitiert nach Grevisse 1993: §443)

Daß in diesen Sätzen kein ne auftritt, ist jedoch in den beiden ersten Beispielen dadurch begründet, daß die Konstituenten, zu denen personne und aucun gehören, jeweils mit nicht negativen Konstituenten koordiniert sind. Da das Verb somit Ergänzungen hat, die in bezug auf Negativität unterschiedlich markiert sind, tritt sozusagen „defaultmäßig" kein ne auf. Im dritten Satz fehlt der direkte Bezug des Determinanten pas un zum Verb. Denn als dessen Subjekt fungiert das Relativpronomen qui, das zwar die mit pas un gebildeten Nominalphrasen wiederaufnimmt, selbst aber nicht negativ ist. Es ist also festzuhalten, daß die negativen Indefmita und Determinanten regelmäßig einen weiten Skopus haben, was - abgesehen von den gezeigten Sonderfällen - in verbhaltigen Sätzen das Auftreten von ne bedingt. Dieser Befund ist m.E. in Zusammenhang damit zu sehen, daß die Indefmita bzw. die mit negativem Determinanten gebildeten Phrasen meist grammatische Funktionen auf Satzebene realisieren. Einzig rien scheint eine Ausnahme von der Regel zu bilden, daß das Realisieren einer grammatischen Funktion auf Satzebene mit einem weiten Negationsskopus einhergeht. Es gibt zahlreiche Belege, in denen rien ohne ne auftritt, obwohl das Indefinitpronomen als direktes Objekt ((22), (23)), Obliquus (24) oder Adjunkt (25) fungiert: (22) (23) (24) (25)

L'äme, ce n'est pas grand'chose, mais cette ocole-lä [de Senancour] arrivait ä en faire rien du tout. (J. Renard, zitiert nach Grevisse 1993: §982) Voilä deux matinoes que je passe ä rien faire (Musset, zitiert nach Grevisse 1993: §731) Le passe" est roduit ä rien. (Camus, zitiert nach Grevisse 1993: §731) II n'y a aucune analyse. C'est fait avec rien. Et le lecteur sent tout, comprend. (Sarraute, zitiert nach Gaatone 1971: 164)

Im Fall des Auftretens von rien in der Funktion eines Obliquus oder Adjunkts könnte man annehmen, daß die vorangestellte Präposition den Skopus von rien begrenzt6 und aus diesem Grund kein ne auftritt. Gegenbeispiele mit den anderen Indefmita belegen jedoch, daß dieser Zusammenhang nicht notwendig gegeben ist: (26) (27)

Pour cela, il faut ne de"pendre de personne, ne cohabiter avec personne, n'avoir pas d'affaires. (Montherlant, zitiert nach Gaatone 1971: 161) Mais c'dtait un homme circonspect, mode"rö, qui ne croyait un scandale de cette sorte bienfaisant pour personne. (Romains, zitiert nach Gaatone 1971: 161)

(28)

Je n'ai confiance en aucun autre que lui. (Petit Robert 1)

(29)

Ce fut pour entamer la seYie des maladies d'enfance. 11 semblait qu'il n'eüt ochappe" ä pas une. (Grevisse 1993: §714)

Gaatone (1971: 167) macht das syntaktische Verhalten von rien betreffend die gleiche Beobachtung. Er stellt fest, die Verwendung von rien ohne ne scheine vor allem nach einer 6

Bei der diesbezüglich isolierten Stellung von Präpositionalphrasen wird, wie schon einmal erwähnt, auch von einem „Inselphänomen" gesprochen (Muller 1991: 289).

156

Präposition möglich, und schlägt vor, sie seinem Gebrauch als Nomen un rien anzunähern. Beispiel (22) zeigt jedoch, daß die Verwendung ohne ne offenbar nicht zwangsläufig auf die Stellung von rien nach einer Präposition beschränkt ist. Auch Vikner (1978: 104f.) plädiert dafür, zwischen zwei rien zu differenzieren. Er macht diese Annahme fest am Auftreten von rien in Sätzen wie // ne se contentait pas de rien als Negation von // se contentait de rien in Abgrenzung von seinem „normalen" Gebrauch in // ne se contentait de rien. Dem erstgenannten rien spricht Vikner die Bedeutung „zero", „une quantite" nulle" zu und stellt fest, es könne ausschließlich als von einer Präposition regiert oder als prädikative Ergänzung des Subjekts auftreten, nicht aber als Subjekt oder Objekt. Die Funktion des direkten Objekts realisiert rien jedoch in (22) und (23). Als Subjekt scheint es hingegen tatsächlich nicht auftreten zu können, zumindest lassen sich dafür keine Belege finden. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, daß die unter (22)-(25) gezeigten Beispiele des Gebrauchs von rien nicht gegen die Annahme sprechen, daß die negativen Indefinita und Determinanten regelmäßig einen weiten Skopus haben, weil sie grammatische Funktionen auf Satzebene realisieren bzw. in einer solchen auftreten. Denn diese Sätze sind Belege der Verwendung eines rien, bei dem es sich offensichtlich um ein Nomen mit negativer Bedeutung, nicht aber um einen syntaktischen Negationsträger wie im Fall des Indefinitpronomens rien handelt. Die genauen Bedingungen für das Auftreten dieses Nomens sollen hier nicht weiter erörtert werden.

6.2.4. Negative Adverbien Bei der Analyse der negativen Adverbien wird der Zusammenhang von Negationsskopus und Syntax besonders deutlich. Denn diese Adverbien sind, anders als negative Indefinita und Determinanten, in besonderem Maße geeignet, sowohl einen engen als auch einen weiten Skopus zu haben. Ihr Skopus ist in erster Linie davon abhängig, ob sie ein Verb oder ein Adjektiv bzw. Adverb modifizieren. Bei Modifikation eines Verbs ist der Skopus der negativen Adverbien weit und das Klitikum ne tritt präverbal auf; vgl.: (30) (31) (32)

(33)

La Montadieu ne quittait pas de l'oeil Mile de la Fayette. (Mallet-Jorris, zitiert nach Gaatone 1971:48) H est probable que mes confreres n'e"taient guere plus instruits que moi, en dopit des tracts dont on nous inonde. (Bernanos, zitiert nach Gaatone 1971: 137) [...] tout d'un coup je constatai [...] dans le me"plat de ses joues, la construction de celles de son jeune neveu L6onor de Cambremer, qui pourtant avait l'air de ne lui ressembler nullement [...] (Proust, zitiert nach Gaatone 1971: 156) Depuis que je n'aiplus de servante, le facteur a pris l'habitude de glisser le courrier sous ma porte. (Bernanos, zitiert nach Gaatone 1971: 103)

Dies ist eine Konsequenz des Zusammenhanges bzw. der Gleichsetzung von Verbnegation und weitem Skopus; vgl. die betreffenden Erläuterungen in 6.2.1. Dabei muß sich das ne-

157

gative Adverb nicht notwendigerweise in einer Position direkt beim Verb befinden, wie das folgende Beispiel der Verbmodifikation dwchjamais zeigt: (34)

Jamais je rfavais senti si cruellement sa solitude et la mienne. (Bernanos, zitiert nachGaatone 1971: 137)

Ein enger Skopus liegt regelmäßig dann vor, wenn die negativen Adverbien als Modifikatoren von Adverbien oder Adjektiven fungieren, d.h. in der Distribution „_A/ADV" (s. 4.2.) auftreten;7 vgl.: (35) (36) (37) (38) (39)

[...] sa grossiere muraille s'exhaussait d'un soubassement en moellons nullement polis [...] (Proust, zitiert nach Gaatone 1971: 155) C'ötait une femme/>os serieuse. (Ce"line, zitiert nach Petit Robert 1) Une femme, opaisse etpasjeune, chanta la premiere. (Triolet, zitiert nach Gaatone 1971:40) [...] il lui semblait qu'elle faisait lä quelque chose de pas bien. (Audry, zitiert nach Gaatone 1971:40) Mon meilleur oleve est Sylvestre Galuchet, un petit gar^on pas tres propre [...] (Bernanos, zitiert nach Gaatone 1971: 41)

Übereinstimmendes syntaktisches Merkmal aller dieser Sätze ist, daß kein ne vor den entsprechenden Verben auftritt. Dies zeigt wiederum die skopusmarkierende Funktion von ne: Der Negationsskopus ist in diesen Beispielen auf das dem negativen Adverb nachfolgende Adjektiv bzw. Adverb beschränkt und das Verb folglich nicht darin eingeschlossen. Die Untersuchung der negativen Adverbien bestätigt, daß der Skopus der Negation davon abhängt, ob der Negationsträger in einer Funktion auf Satzebene oder in einer Funktion innerhalb einer weiteren Funktion auftritt. Denn mit Bezug zum Verb realisieren die Adverbien eine Modifikatorfunktion auf Satzebene, mit Bezug auf ein adnominales Adjektiv beispielsweise aber eine Modifikatorfunktion innerhalb einer weiteren Modifikatorfunktion. Zentrales Moment bei der Skopusbestimmung ist somit der Bezug zum Verb, den grammatische Funktionen auf Satzebene grundsätzlich haben, eingebettete Funktionen jedoch in der Regel nicht.

6.2.5. Die Partikel ni Die Negationsträger jamais, plus, nulle part, ni, rien, personne, aucun, pas un und nul sind grundsätzlich miteinander kompatibel, mit pas, aucunement, nullement und guere* dagegen

In Sätzen wie Pierre n 'est pas grand fungiert das negative Adverb nicht als Modifikator des Adjektivs, sondern des Verbs. Aus semantischen Gründen kann das nominale oder adjektivische Komplement einer prädikativen Konstruktion nicht negiert sein. Zu negieren ist lediglich der Bezug zwischen Subjekt oder Objekt und dem prädikativen Komplement. Eine Ausnahme bildet die Kombination von plus und guere, die ohne weitere Bedingungen möglich scheint (s. 4.4.1.1.).

158

inkompatibel. Als Beleg für die Inkompatiblität von sowohl ni als auch anderen Negationsträgern \viepersonne mit pas wurden in 5.3. folgende Beispiele zitiert:

(40) Elle ne se leva pas ce jour-lä, ni ne fit sa toilette. (Mauriac, zitiert nach Grevisse 1993: § 1033, b) (41)

*Elle ne se leva pas ce j our-lä, ni ne fit pas sa toilette.

(42) (43)

Les femmes ne se leverent/?oy ce jour-lä, et personne ne fit sa toilette. *Les femmes ne se leverent pas ce jour-lä, et personne ne fit pas sa toilette.

Diese Sätze legen die Annahme nahe, die Inkompatilität von pas mit den anderen Negationsträgern als eine Inkompatibilität innerhalb ein und derselben Satzkonstituente zu definieren. Denn das Auftreten von pas ist jeweils nur in dem Konjunkt der komplexen koordinierten Konstituente ausgeschlossen, die den anderen Negationsträger, also ni bzw. personne, enthält. - Wie aber sind vor dem Hintergrund dieser Annahme folgende Beispiele einzuordnen? (44)

(45)

Car enfin, eile n'a pas eu le mauvais exemple ä la maison; eile n'a jamais connu la misere; eile n'a ni trop tenue ni pas assez [...] (Romains, zitiert nach Gaatone 1971: 127) Evidemment, l'idöe du but, de la marche vers le but, peut soutenir un certain nombre d'entre vous. Mais pas loujours, ni pas lous. (Romains, zitiert nach Gaatone 1971: 126)

Hier treten jeweils innerhalb ein und derselben Konstituente, in beiden Fällen einer Adverbialphrase, ni und pas auf. Das Beispiel deutet auf einen Zusammenhang von Skopus und Kompatibilität hin: pas besitzt in dem gezeigten Beispiel einen engen Skopus, der auf das nachfolgende Adverb begrenzt ist. Da die Negativität von pas über dieses Adverb assez hinaus nicht „wirksam" ist, kann ni innerhalb derselben Konstituente unmittelbar vor pas stehen. Anderen Negationsträgern ist eine solche Konstruktion mit pas nicht möglich, die mit dem kategorialen Status von ni als Koordinationsjunktor zusammenhängt; vgl.: (46)

Evidemment, l'idoe du but, de la marche vers le but, peut soutenir un certain nombre d'entre vous. *Maispos toujours, jamais pas tous.

Denn als Koordinationsjunktor ist ni semantisch und funktional in gewisser Weise von der Konstituente „abgetrennt", zu der er syntaktisch gehört. Umgekehrt fällt das initiale9 ni obligatorisch aus, wenn ihm/?os vorangestellt ist; vgl.: (47) (48)

9

L'atmosphere qu'il laisse derriere lui ä Sion n'est pas sainte ni foconde. (Barres, zitiert nach Grevisse 1993: §1033,b) *L'atmosphere qu'il laisse derriere lui a Sion n'est pas ni sainte ni fdconde.

Zur kategorialen Unterscheidung zweier ni s. 5.5.4.

159

Auch dieses Beispiel zeigt, daß die Inkompatibilität von pas und ni skopusbedingt ist: Der Skopus von pas in (47) ist weit, d.h. das Verb und damit auch seine Ergänzungen sind semantisch von der durch pas ausgedrückten Negation betroffen. Folglich befindet sich auch ni in (47) im Skopus von pas . In diesem Fall kann es offensichtlich nur vor dem zweiten Konjunkt stehen, wie das ungrammatische Beispiel (48) zeigt, und fungiert dabei als eine Art „Wiederaufnahme" der durch pas ausgedrückten Negation. Die Interaktion von Skopus und Kompatibilität ni - pas stellt sich damit dar wie folgt: pas kann im Skopus von ni auftreten, wenn es selbst einen engen Skopus besitzt, während umgekehrt das Auftreten des initialen ni im Skopus von pas zu ungrammatischen Strukturen führt. Daß ni bei der Koordination von Verben nur vor dem zweiten (und jedem weiteren) Konjunkt auftritt, ist ein weiteres Phänomen, das die Relevanz des Negationsskopus für die Syntax zeigt. Da ni in diesem Fall wegen des Verbbezugs stets einen weiten Skopus besitzt und dem ersten wie auch den anderen Verben ne als zusätzliche Skopusmarkierung vorangestellt ist, ist das fakultative initiale ni zur Skopusmarkierung nicht notwendig und entfällt; vgl.: (49) (50) (51)

Je ne bois ni ne mange entre les repas. (Grevisse 1993: §1035) II ne lavait ni ne rangeait ses chaussettes. (F-Magazine, zitiert nach Hobaik Haff 1987:225) Je ne veux, ni ne dois, ni ne puis oboir. (Littrö, zitiert nach Grevisse 1993: § 1033,b)

Bei Koordination anderer als verbaler Konstituenten tritt das initiale ni dagegen regelmäßig auf; vgl.: (52) (53) (54)

Ni toi ni moi ne pouvons nous permettre de dormir cette nuit. (Muller 1991: 293) Fideles de Jacques Chirac, ces Corroziens ne monagerent pourtant ni sourires ni applaudissements. (Le Nouvel Observateur, zitiert nach Hobaek Haff 1987: 165) Notre groupe, döclarait Philippe Thomas, n'a senti ni avant ni apres le mois de mai la prosence d'un vrai chef d'orchestre de la politique industrielle. (Le Nouvel Observateur, zitiert nach Hobaik Haff 1987: 228)

Funktion des initialen ni ist es, den Negationsskopus eindeutig zu markieren. Sein Auftreten verdeutlicht, daß beide bzw. alle Konjunkte sich jeweils im Skopus der Negation befinden. Ob w, wie in den gezeigten Beispielen, einen weiten oder aber einen engen Skopus hat, hängt von der grammatischen Funktion ab, die die Konjunkte jeweils realisieren. Handelt es sich um eine Funktion auf Satzebene, so ist sein Skopus weit; vgl. die folgenden Beispiele der Koordination zweier direkter Objekte (55) bzw. Verbalmodifikatoren (56): (55) (56)

II n'a ni argent ni travail (Muller 1991: 295) H ne lit ni rapidement ni tres bien. (Hobaek Haff 1987: 227)

Beispiele für einen engen Skopus von ni sind das Koordinieren attributiver Adjektive (57) oder das des „adjectif dotacho" (58), die sich als nicht verbbezogene Modifikatoren funktional nicht aufSatzebene befinden:

160

(57)

(58)

A quoi s'ajoute ce que Pascal et Christian ne disent pas: que ce n'est pas une sion le"gere ni futile que de choisir Pemploi traditionnellement le plus spocifique aux femmes. (F-Magazine, zitiert nach Hobask Haff 1987: 170) Et ainsi, ni lavo ni rase\ il s'assit ä sa table. (Montherlant, zitiert nach Gaatone 1971: 125)

6.2.6. Zusammenfassung der Ergebnisse Die vorliegende Untersuchung hat folgende Ergebnisse im Hinblick auf den Zusammenhang von Skopus und Syntax der Negation erbracht: Das Auftreten der Partikeln ne und de ist direkt vom Skopus der Negation abhängig. Das Klitikum ne tritt dann auf, wenn das Verb, mit dem es eine Konstituente bildet, in den Skopus der Negation integriert ist. Daraus folgt gleichzeitig, daß ne durch seine Präsenz eben diese Skopusverhältnisse markiert: Erscheint ne, was in der f-Struktur durch Auftreten des Merkmals „NE = +" bei der Prädikatsfunktion gekennzeichnet ist, so ist der Skopus der Negation weit. Der negative Determinant de kann nur stehen, wenn sein Bezugsnomen sich im Skopus der Negation befindet. Im Unterschied zu ne ist sein Gebrauch jedoch häufig nicht obligatorisch (s. Gaatone 1971: 101 ff.). Trotzdem gilt auch für de, daß es - als Konsequenz seiner Auftretensbedingungen - die Integration des nachfolgenden Nomens in den Negationsskopus signalisiert. Auf funktionaler Ebene wird dies durch die Spezifikation „Quantität Null" des Nomens zum Ausdruck gebracht. Die Partikeln ne und de sind somit einerseits syntaktischer Reflex der Skopusverhältnisse im Satz und haben daraus resultierend andererseits eine - häufig redundante, selten aber auch disambiguierende - skopusmarkierende Funktion. Daß es einen Zusammenhang zwischen grammatischer Funktion der Negationsträger und der Reichweite ihres Skopus gibt, zeigt die Untersuchung der negativen Indefinita: Im Unterschied zu den negativen Adverbien realisieren sie fast immer ^ grammatische Funktionen auf Satzebene. Durch den somit gegebenen Bezug zum Verb haben sie in all diesen Fällen einen weiten Skopus. Die negativen Adverbien sind bezüglich ihres Skopus besonders flexibel. Ihr Skopus ist abhängig von ihrem Verbbezug: Modifizieren die negativen Adverbien ein Verb, so haben sie einen weiten Skopus, markiert auch durch das Auftreten von ne. Bezieht sich ihre Funktion auf ein Adjektiv oder Adverb, so ist der Skopus eng und ne tritt nicht auf. Im ersten Fall ist die Modifikatorfunktion, die das Adverb realisiert, auf Satzebene angesiedelt, im zweiten in eine weitere Funktion eingebettet. Für die Syntax von ni spielt der Negationsskopus eine Rolle in bezug auf seine Mehrfach- vs. Einfachverwendung: Bei der Koordination von Verben tritt ni nicht initial vor dem ersten, sondern nur zwischen den Konj unkten auf. Wegen des direkten Verbbezugs hat ni hier einen weiten Skopus. Deswegen und aufgrund der skopusmarkierenden Funktion des beiden bzw. allen durch ni koordinierten Verben vorangestellen ne ist das initiale ni sozusaEine grammatische Funktion, die nicht auf Satzebene angesiedelt ist, wäre die eines SubstantivModifikators wie in Elle a ouvert la porte de secours Für die negativen Indefinita in dieser Funktion enthält mein Korpus jedoch keine Belege. Dafür sind semantische Gründe zu vermuten, da mit „nichts" nicht sinnvoll zu modifizieren ist.

161 gen „überflüssig". Werden andere Konstituenten als die des Verbs koordiniert, so tritt zur eindeutigen Skopusmarkierung ni vor jeder zu koordinierenden Konstituente auf. Ob ni einen engen oder einen weiten Skopus hat, ist in der oben beschriebenen Weise von dem „Einbettungsgrad" der grammatischen Funktion abhängig, die die Konjunkte jeweils realisieren. Auch die Kompatibilität von ni mit pas ist skopusabhängig: Das negative Adverb pas kann nur dann im Skopus von ni auftreten, wenn es selbst einen engen Skopus hat. Umgekehrt fällt das initiale ni aus, wenn sich das betreffende Konjunkt im Skopus von pas befindet. Die Untersuchung der Syntax der Negationsträger zeigt somit, daß weniger die Konstituentenstruktur als vielmehr die funktionale Struktur eines Satzes sich als relevant für die Bestimmung des Negationsskopus erweist. Die entscheidende Frage dabei ist, ob der Negationsträger einen direkten funktionalen Bezug zum Verb hat. Dieser ist immer dann gegeben, wenn der Negationsträger als Modifikator des Verbs fungiert oder eine grammatische Funktion auf Satzebene realisiert und sich damit funktional auf derselben hierachischen Ebene befindet wie das Verb. In diesem Fall ist der Skopus weit, d.h. das Verb ist darin eingeschlossen. Fungiert der Negationsträger als Modifikator einer weiteren grammatischen Funktion, und damit nicht auf Satzebene, so ist sein Skopus auf diese begrenzt. Syntaktischer Reflex der beschriebenen Skopusverhältnisse ist das Auftreten von ne im Fall eines verbintegrierenden weiten Negationsskopus bzw. dessen Fehlen bei engem Skopus. - Bei diesen Aussagen, das sei nochmals betont, handelt es sich um Vorhersagen der Syntax in bezug auf den möglichen Negationsskopus. Informationen über den Kontext, die Semantik der beteiligten Lexeme, die Intonation sowie die Sprechsituation müssen miteinbezogen werden, um den aktuellen Skopus in einem gegebenen Satz präzise zu definieren. Diese syntaktischen Vorhersagen sind in der LFG aus der funktionalen Struktur eines Satzes ablesbar. Tritt das NEG-Merkmal innerhalb einer grammatischen Funktion auf Satzebene auf- bildlich gesprochen in einer Funktion „ganz links" in der f-Struktur - wie beispielsweise dem Subjekt (Fig.2) oder einem Modifikator des Satzprädikats (Fig.3), so ist sein Skopus weit; vgl.: (59)

Personne ne chante.

Fig.2 SUBJ

PRED 'Personne1 NEG + GEN MAS J4UM SG

NE PRED

+ 'Chanter (SUBJ)1

162

(60)

Vous ne venez guere nous voir. (Petit Robert 1)

Fig.3 SUBJ

'Pro1 2 PL

PRED PERS MUM

NE PRED MOD

VCOMP

'Venir (SUBJ) (VCOMP)' PRED 'GuereM

+

PRED SUBJ OBJ

J

'Voir (SUBJ) (OBJX

'PERS 1 NUM PL Tritt das NEG-Merkmal dagegen eingebettet in eine seinerseits eingebettete Funktion (Fig.4) auf, so ist der Negationsskopus auf diese begrenzt und damit eng; vgl. das Beispiel des Modifikators eines Nominalkomplements: (61)

C'otait une femme pas sorieuse. (Celine, zitiert nach Petit Robert l)

Fig.4 SUBJ

PRED

'Pro'

PRED 'Etre (SUBJ) (NCOMP)' TENSE IMPARFAIT NCOMP

PRED SPEC MOD

GEN NUM

'Femme1 INDEF PRED 'Seneux'

MOD TPRED +'Pas'

FEM SG

J_

Formal werden enger und weiter Skopus und das damit verbundene Auftreten von ne unproblematisch über die in Kapitel l entwickelten Gleichungen im Eintrag von ne bzw. der Regel zur Expansion von V erfaßt:' ]

Die Numerierung von Lexikoneintrag und Regeln bezieht sich auf Kapitel 1.

163

(59) RIO Rll

/ne/ CLJ2, (tNE) = + (T{SUBJ|OBJ|OBL|ADJ|MOD} NEG) =c + V V

-> ->

(CL_1)

CL_2

(CLJ)

V

t=i

T=4

T=l

t=l

(CL_1)

(CLJ)

t=4

t=4

V

T=l (t{SUBJ|OBJ|OBL|ADJ|MOD}NEG)= -

Da in der Forderung nach dem Negationsmerkmal bzw. der Negierung eines solchen nur Pfade zu denjenigen grammatischen Funktionen angegeben werden, die sich auf Satzebene befinden, fordert ne das Auftreten eines Negationsträgers nur innerhalb dieser Funktionen.12 Entsprechend wird, wenn kein ne erscheint, nur innerhalb dieser Funktionen ein Negationsträger ausgeschlossen. Tritt das Negationsmerkmal dagegen innerhalb einer sich nicht auf Satzebene befindenden Funktion auf, so kann es weder die diesbezügliche Forderung von ne erfüllen noch die Kongruenz mit der ,,«e-losen" V'-Konstituente verletzen: Die Negation ist in diesem Fall auf die Funktion, in die sie eingebettet ist, begrenzt und unterliegt den genannten syntaktischen Beschränkungen nicht. Das Auftreten syntaktischer Negationsträger in eingebetteter grammatischer Funktion ist damit ebenso frei wie in verblosen Konstruktionen. Den Negationsträgern kann wortartenspezifisch so etwas wie ein typisches „Skopusprofil" zugewiesen werden. Da die negativen Indefinita offensichtlich ausschließlich grammatische Funktionen auf Satzebene realisieren, haben sie stets einen weiten Skopus. Die negativen Adverbien sind im Vergleich zu ihnen flexibler und gleichermaßen dazu geeignet, sowohl als Adjektiv- und Adverbialmodifikatoren mit engem Skopus als auch als Verbmodifikatoren mit weitem Skopus zu fungieren. Der Koordinationsjunktor ni kann ebenfalls sowohl Verben als auch andere Satzkonstituenten unterschiedlicher grammatischer Funktion koordinieren und damit auch negieren. Bei der Koordination von Verben hat ni entsprechend stets einen weiten Skopus, bei der anderer Funktionen ist sein Skopus abhängig von deren Einbettung im Satz.

6.3. Kompatibilität der Negationsträger

Wie bereits angesprochen (s. 6.2.5.), können mehrere Negationsträger in einem Satz auftreten, wobei ihre Kompatibilität jedoch gewissen Beschränkungen unterliegt. Die Negationsträger jamais, plus, nulle part, personne, rien, aucun, pas un, nul und ni sind grundsätzlich miteinander kompatibel, auch wenn bestimmte Kombinationen mit größerer Frequenz auftreten als andere. Die Gruppe pas, guere, aucunement und nullement dagegen ist sowohl untereinander als auch mit der ersten Gruppe inkompatibel. Die mögliche Kombination plus Um den Negationsträger in Sätzen wie C'etait une femme pas serieuse zu „erreichen", müßte beispielsweise der Pfad „NCOMP MOD" definiert werden.

164

guere ist weitgehend lexikalisiert13 und soll deswegen im folgenden nicht berücksichtigt werden. Die ausnahmsweise Kompatiblität von ni und pas (s. 6.2.5.) hängt damit zusammen, daß in koordinierten und damit komplexen Satz- bzw. Konstituentenstrukturen andere Bedingungen für die Kompatibilität bzw. Inkompatibilität von Negationsträgern gegeben sind als in einfachen. Die Frage der Kompatibilität von Negationsträgern ist typischerweise eine innerhalb des einfachen Satzes. Bei Kombination kompatibler Negationsträger ist die Interpretation des Satzes negativ; vgl.: (62) (63) (64)

Vous n'aurez jamais aucun succes. (Grevisse 1993: §979) A partir de ce moment, les passagers n'avaient plus rien vu [...] (Camus, zitiert nach Gaatonel971: 148) Toujours prSt ä s'amuser; mais quand il s'agit de travailler, il n'y a plus personne. (Petit Robert 1)

Die mathematische Formel, wonach zweimal Minus Plus ergibt, hat für dieses mehrfache Auftreten von Negationsträgern keine Gültigkeit, weil offensichtlich nur jeweils einer der Negationsträger negativ zu interpretieren ist; vgl. die Paraphrase von (62): (65)

Vous n'aurez jamais quelque succes que ce soit.

Daraus ergibt sich die Frage, welchem der Negationsträger bei Kumulation negative Bedeutung zuzusprechen ist. Vikner (1978: 102, Auslassungen von mir) postuliert in diesem Zusammenhang für die negativen Indefinita: [...] dans une proposition contenant plusieurs pronoms indofinis nogatifs, c'est toujours le premier qui est l'auxiliaire ne"gatif proprement dit, tandis que celui ou ceux qui suivent ne sont que des variantes de pronoms indeTmis positifs [...]

Diese Analyse entspricht der im Rahmen der Transformationsgrammatik entwickelten Annahme, daß das Negationselement der Tiefenstruktur durch sog. „NEG Attraction" in der Oberflächenstruktur von der am weitesten links stehenden indefiniten Konstituente „angezogen" wird (vgl. Klima 1964). Muller (1991) zeigt jedoch, daß eine solche Erklärung die sprachlichen Fakten des Französischen nicht adäquat erfaßt. Denn die Negation sei im Französischen nicht präzise zu lokalisieren, wie er durch folgendes Beispiel belegt (Muller 1991:316): (66) (67) (68)

Je n'ai rien donnö ä personne. Je n'ai donno quoi que ce soit ä personne. Je n'ai rien donno ä qui que ce soit.

Die Paraphrasen machen deutlich, daß sowohl rien als auch personne in (66) negativ interpretiert werden können. Bei Kumulation der Indefinita ist also nicht zwangsläufig das am 13

S. dazu 4.4.1.1.

165

weitesten links stehende Pronomen das negative. Entsprechendes gilt auch für Kombinationen anderer Negationsträger. So kann auch (69) sowohl durch das bereits erwähnte (70) als auch durch (71) paraphrasiert werden: (69) (70) (71)

Vous n'aurez jamais aucun succes. Vous n'aurez jamais quelque succes que ce soit. Vous n'aurez aucun succ£s quand que ce soit.

Die Syntax kann folglich die Frage, welcher der Negationsträger bei Kumulation negativ zu interpretieren ist, nicht beantworten. Das bedeutet für die Formalisierung, daß das Auftreten eines jeden Negationsträgers funktional durch ein Negationsmerkmal zu repräsentieren ist. Die funktionale syntaktische Struktur eines Satzes dient in der LFG ja lediglich als Eingabeinformation für die Semantik und legt diese nicht fest. Das heißt, das funktionale NEGMerkmal muß nicht in jedem Fall auch einer negativen Interpretation entsprechen. Es ist anzunehmen, daß die Semantik über Regeln verfügt, die unter Miteinbeziehen von Kontextinformation etc. die jeweilige Interpretation eines Satzes bei Auftreten mehrerer NEGMerkmale „errechnen". Die Syntax muß dabei jedoch festlegen, welche Kombinationen von Negationsträgern möglich sind, da das gemeinsame Auftreten inkompatibler Lexeme zu ungrammatischen Strukturen führt: (72)

*Vous n'aurez jamais pas de succes.

Zu diesem Zweck soll auf die traditionelle Unterscheidung von absoluter und relativer Negation zurückgegriffen werden, wonach pas, nullement und aucunement absolute und guere, jamais, plus, nulle part, aucun, nul, personne und rien relative Negation zum Ausdruck bringen (Grevisse 1993: §§976-977). Diese Einteilung entspricht damit weitgehend der in inkompatible und kompatible Negationsträger und zeigt, daß ihre jeweilige Verträglichkeit logisch-semantisch begründet ist: Wenn ein Sachverhalt absolut negiert ist, kann er weder zusätzlich relativ (74) noch ein weiteres Mal absolut (75) negiert werden. (73) (74) (75)

Je ne mange pas de bananes. *Jamais je ne mange pas de bananes. *Je ne mange nullement pas de bananes.

„Relativ" meint dabei, daß nur ein Teilaspekt des dargestellten Sachverhaltes negiert wird. So negiert jamais in (76)

Je ne mange jamais de bananes.

die Handlung des Bananenessens in bezug auf seine zeitliche Lokalisierung und drückt aus, daß sie zu keiner Zeit gültig ist. Diese Negation ist durchaus mit einer weiteren relativen Negation vereinbar, etwa der durch das Adverb plus ausgedrückten: (77)

Je ne mange jamais plus de bananes.

166

Durch plus wird der im Satz dargestellte Sachverhalt wiederum in bezug auf seine zeitliche Lokalisierung negiert. Anders ahjamais hat plus jedoch aspektuelle Bedeutung: Es spezifiziert, daß das Bananenessen erst seit einem zur Äußerungszeit vorzeitigen Zeitpunkt in dieser Weise negiert ist, vor diesem Zeitpunkt also Bananen gegessen wurden. Die durch jamais und plus ausgedrückte Negation bezieht sich also in je unterschiedlicher Weise auf die temporale Situierung des dargestellten Sachverhaltes und ist deswegen kompatibel. Es ist somit davon auszugehen, daß die Negationsträger lexikalisch nicht nur als negativ, sondern auch bezuglich des Absolutheitsgrades der ausgedrückten Negation gekennzeichnet sind. Diese Charakterisierung erlaubt das Formulieren entsprechender syntaktischer Wohlgeformtheitsbedingungen. Formal ist das Auftreten mehrerer Negationsträger durch die in der vorliegenden Arbeit entwickelte Analyse unproblematisch zu erfassen: Die Forderung von ne nach einem Negationsmerkmal läßt das Auftreten mehrerer solcher Merkmale zu. Sie ist erfüllt, wenn wenigstens ein NEG-Merkmal präsent ist, was deren weiteres Vorkommen nicht ausschließt; vgl.: (59)

/ne/ CL_2, (tNE) = + (t{SUBJ|OBJ|OBL|ADJ|MOD} NEG) =c +

Die Lexikoneinträge der Negationsträger sind nun entsprechend der obigen Analyse zu modifizieren. Das Attribut „NEG" hat danach nicht einfach den Wert „+", sondern es ist hier zu unterscheiden zwischen den Werten „absolut" und „relativ"; vgl. die folgenden Skizzen: (78)

/pas/ ADV,

(tPRED) = 'PAS' (tNEG) = ABSOLUT

(79)

/personne/ ProN,

(TPRED) = 'PERSONNE1 (tNEG) = RELATIV

Diese Änderung ist jedoch noch nicht ausreichend, um das Erfassen von Kompatibilität und Inkompatibilität der Negationsträger durch entsprechende Kongruenzbeziehungen zu gewährleisten. Dafür ist eine weitere Differenzierung der ABSOLUT-Werte notwendig; etwa: (78)

/pas/ ADV,

(80)

/nullement/ADV, (tPRED) ='Nullement 1 (tNEG) = ABSOLUT_NULLEMENT

oder einfacher:

(TPRED) = 'PAS' (TNEG) = ABSOLUT_PAS

167

(78)

/pas/ ADV,

(tPRED) - 'PAS' (tNEG) = PAS

(80)

/nullemenf ADV, (tPRED) = 'Nullemenf (tNEG) = NULLEMENT

Die kompatiblen Negationsträger kongruieren danach bezüglich des einheitlichen Merkmales „NEG = RELATIV" miteinander, nicht aber mit den inkompatiblen Negationsträgem, deren unterschiedliche Merkmale auch intern nicht unifizieren. - Ungeklärt ist dabei noch die Frage, wie die angedeutete Kongruenzbeziehung der Negationsträger formal zu erfassen ist. Für die Behandlung von ne ergeben sich durch diese Modifizierung der Behandlung der Negationsträger nur geringfügige Änderungen. Das Klitikum ne fordert in dieser Analyse keinen bestimmten Wert, sondern überhaupt einen Wert für „NEG", was die Variable „a" leistet: (59) /ne/ CL_2, (TNE) = + (T{SUBJ|OBJ|OBL|ADJ|MOD} NEG) =c a Der über die ohne ne gebildete Verbkonstituente ausgedrückte Ausschluß eines syntaktischen Negationsträgers ist weiterhin gültig, da das hierfür definierte Merkmal „NEG = -" weder mit „NEG = ABSOLUT_PAS" etc. noch mit „NEG = RELATIV" kongruiert und ungrammatische Strukturen somit ausgeschlossen werden: Rll

V1

->

(CL_1)

(CL_3)

V

t=4,

t=4

T=4 (T{SUBJ|OBJ|OBL|ADJ|MOD}NEG)= -

Schlußbemerkungen: Die Negation als syntaktisches System

An dieser Stelle sollen, wie bei der Untersuchung des Zusammenhangs von Syntax und Skopus der Negation zum Teil schon geschehen, die Ergebnisse der einzelnen Analysen des Inventars der syntaktischen Negation zur Synthese gebracht werden. Das Gesamtbild, das die Untersuchungen entworfen haben, zeigt, daß die Syntax der Negation im Französischen im wesentlichen aus zwei großen Gruppen von Negationsträgern gebildet wird: den negativen Pronomina und Determinanten personne, Hen, aucun, pas un und nul einerseits und den negativen Adverbien pas, guere, nullement, aucunement, jamais, plus und nulle part andererseits. Die französische Sprache verfügt damit über ein Inventar syntaktischer Negatoren, das eine Negation in allen Konstituenten und grammatischen Funktionen des Satzes erlaubt: Die negativen Pronomina und Determinanten bilden nominale Konstituenten und realisieren als solche die grammatischen Funktionen eines Subjekts, Objekts, Obliquus oder Adjunkts. Das Lokaladverb nulle pari ist unter diesen Gesichtspunkten zu den negativen Pronomina zu zählen. Als präpositionale Konstituente ist es auf das Realisieren einer Obliquus- oder Adjunktfunktion beschränkt. Die negativen Adverbien realisieren die grammatische Funktion des Modifikators eines Verbs, Adjektivs oder Adverbs und sind als solche Teil verbaler, adjektivischer oder adverbialer Konstituenten. Der negative Koordinationsjunktor ni schließlich ist jeweils Teil derjenigen Konstituenten unterschiedlichster, aber einander entsprechender grammatischer Funktion, die er verknüpft. Die negativen Adverbien können relative oder absolute Negation zum Ausdruck bringen, wobei sich aufgrund ihrer grammatischen Funktion die relative Negation auf die zeitliche Lokalisierung der Verbalhandlung bzw. der durch Adjektiv oder Adverb bezeichneten Spezifikation bezieht, während die absolute Negation Verbalhandlung und Spezifikation als solche negiert. Die negativen Pronomina und Determinanten sind, anders als die Adverbien, ausschließlich Ausdruck relativer Negation. Die Pronomina negieren somit nur einen bestimmten Aspekt ihrer Referenz und nicht die Referenz als solche. Dieser Aspekt ist die Quantität ihrer Referenz(menge). Die negativen Determinanten haben wortarttypisch keine lexikalische Bedeutung, sondern nur eine Spezifikationsfunktion, die sich ebenfalls auf die Quantität der Referenz ihres Bezugsnomens bezieht. Negative Pronomina und Determinanten sind somit gleichermaßen durch eine Negation gekennzeichnet, die sich auf die Quantität - einmal ihrer Referenz, einmal der des Bezugsnomens - bezieht und diese als gleich Null spezifiziert. Das negative Lokaladverb bzw. das negative lokalisierende Pronomen nulle part drückt in seiner Funktion als Obliquus oder Adjunkt eine relative Negation aus, die sich auf die räumliche Lokalisierung des dargestellten Sachverhaltes bezieht. Mit dem absolut negativen Koordinationsjunktor ni verfügt das sprachliche System daneben über ein Instrument, das es erlaubt, den Einflußbereich der Negation über Satzgrenzen hinweg auszudehnen, an denen er ansonsten endet. So betrachtet ist die Partikel ni ein sprachliches Mittel, das die Beschränkung des Negationsskopus auf den einfachen Satz aufhebt. - Die Negationsträger können folglich Aufgaben in jeder Form sprachlicher Äußerung übernehmen.

169

Von einem syntaktischen System der Negation kann dabei aus folgendem Grund gesprochen werden: Der Gebrauch aller genannten Negationsträger ist in verbalem Kontext obligatorisch mit dem Auftreten des Klitikums ne verbunden. Dieses Charakteristikum negativer Sätze eint die Negationsträger und erweist sich als defmitorisch für ihre Bestimmung. Denn im Zusammenhang mit lexikalischer und morphologischer Negation tritt die Partikel ne nicht auf. Der Gebrauch von ne und de zeigt, abgesehen von seiner unterschiedlichen Relevanz für die Annahme eines Negationssystems, interessante Übereinstimmungen. Beide Partikeln teilen die lexikalische Eigenschaft, das Auftreten von Negationsträgern zu verlangen. Diese Umkehrung der gängigen Annahme, daß das Auftreten von ne und de durch die Negationsträger gefordert sei, erfaßt adäquater als diese die sprachlichen Daten, da sie eine unproblematische Behandlung derjenigen Fälle ermöglicht, in denen die Partikeln ne und de trotz Auftreten eines Negationsträgers nicht verwendet werden bzw. werden können. Letzteres gilt für ne in verblosen Konstruktionen. Das Auftreten von ne und de und die damit verbundenen Bedingungen sind folglich durch Eigenschaften dieser Partikeln motiviert. Das Negationssignal ne und der Determinant de stimmen auch bezüglich ihrer Funktion überein. Sowohl ne als auch de markieren die Integration desjenigen sprachlichen Elements in den Negationsskopus, mit dem sie eine Konstituente bilden, ne den des Verbs und de den seines Bezugsnomens. Grund für das Bröckeln des syntaktischen Negationssystems im heutigen Französisch ist, daß diese Funktionen von ne und de meist redundant sind. Die entsprechenden Skopusverhältnisse sind aus der Position des Negationsträgers im Satz und seiner grammatischen Funktion auch ohne die Präsenz der Partikeln ablesbar. Die Verhältnisse in der gesprochenen Sprache, in der ne häufig ausfällt, ohne dadurch das Gelingen der Kommunikation zu gefährden, zeigen dies deutlich. Eine Spekulation über den Gebrauch von de in der gesprochenen Sprache ist, daß er sich erhält in Konstruktionen mit direkt vorangestelltem adverbialem Negationsträger wie in je ne mange pas de bananes , und zwar aufgrund der formalen Ähnlichkeit zu Strukturen mit Mengenadverb wiey'e mange beaucoup de bananes. Zur Erhärtung dieser These wären Belege notwendig, die zeigen, ob de in der gesprochenen Sprache dann seltener als in der gezeigten Konstruktion verwendet wird, wenn der Negationsträger der mit de gebildeten Nominalphrase nicht direkt vorangestellt ist, etwa bei zusammengesetzter Verbform oder beim Gebrauch pronominaler Negationsträger. Noch ist jedoch für das geschriebene Französisch von einem syntaktischen System der Negation auszugehen. Es ist, wie erläutert, durch den Gebrauch von ne definiert. Das Auftreten von ne ist durch dessen lexikalische Eigenschaften motiviert. Diese Erkenntnisse führen zu dem Schluß, daß die Grundlage der Syntax der Negation im Französischen lexikalisch ist. Gleichzeitig erlaubt diese Annahme, die Negationsträger auf der Ebene der Konstituenz wie nicht negative Elemente der gleichen Wortart zu behandeln. Sie differieren von diesen auf funktionaler Ebene durch ihr Negationsmerkmal. Die Syntax der Negation im Französischen ist somit lexikalisch motiviert und auf funktionaler Ebene definiert.

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