Die Romanischen Sprachen: Eine vergleichende Einführung 9783875485189

Zielgruppe: Studierende und Lehrende der Romanistik, der vergleichenden Sprachwissenschaft und anderer philologischer Fä

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German Pages 380 [378] Year 2008

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Die Romanischen Sprachen: Eine vergleichende Einführung
 9783875485189

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Bossong Die romanischen Sprachen

Georg Bossong, geboren 1948, habilitierte sich 1977 in

Heidelberg für Romanistik und Allgemeine Linguistik. Nach Stationen in Paris, München und Mannheim lehrt er seit 1994 als Ordinarius für Romanische Philologie an der Universität Zürich und nimmt überdies Gastdozenturen in der europäischen Romania sowie in den USA und Lateinamerika wahr. Seine Forschungsschwerpunkte sind Sprachtypologie und Universalienforschung, Vergleichende Romanische Sprachwissenschaft, Hispano-Arabistik sowie Sprachkontakt und·Soziolinguistik. Für weitere Informationen: www.rose.uzh.ch/seminar/personen/bossong.html; Kontakt: boss@rom. uzh.ch.

Georg Bossong Die romanischen Sprachen Eine vergleichende Einführung Buske

UNIVERSfTÄT STITITGAilT INSTITOT LINGUISTffUROf\1AN1STIK

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen N ationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-87548-518-9

© Helmut_Buske Verlag GmbH, Hamburg 2008. Alle Rechte vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Umschlaggestaltung: Qart, Hamburg. Satz: JensSären Mann. Druck und Bindung: Druckerei C. H. Beck, Nördlingen. Printed in Germany

Inhalt

7

Vorwort

13

Einleitung 1. Die romanische Sprachfamilie: genealogisch und kulturell ... · · · · ·

13

2. Die romanischen Sprachen: wie viele und welche? .. · · · · · · · · · · · ·

16

3. Die16 Kriterien

31 31

3.1 Externe Merkmale ......... · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · 1. Verbreitung 31

1

2. Sprecherzahl 31

I

3. Status 32

33

3.2 Interne Merkmale .......... · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · 4.Vokalsystem 33 rung 36

1

5. Nasalvokale 35

1

8. Palatalisierung 37

markierung 40

1

14. Auxiliarien 44

11. Artikel 41 1

1

I

6. Akzentsystem 36

9. Kasus 39 1

I

I

7. Geminie-

10. Differentielle Objekt-

12. Partitiv 41

15. Subjektklitika 44

I

I

13. Präteritum 42

I

16. Anredeformen 45

Einzeldarstellungen

1. Portugiesisch ............... · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·

49

2. Spanisch

75

3. Katalanisch ............. · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·

99

4. Okzitanisch .............. · · · · · · · · · · · · · · ·

123

5. Französisch . . . . . . . . . . . . . . . · · · · · · · · · · · · · · · · ·

145

6. Rätoromanisch ............. · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·

173

7. Italienisch .............. · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·

197

8. Sardisch

225

9. Rumänisch ........... · . · · · · · · · · ·

247

10. Die romanischen Sprachen im Vergleich

273

11. Schlussbetrachtungen ........ · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·

305

Inhalt

5

Anhang

1. Bibliographie ...........................................

311

2. K'arten .............................................. .

321

Eu~opäische Romania

reich 324 kan 327

I

322

I Fokus Iberische Halbinsel 323 I Fokus Frank-

Fokus Alpenraum 325

I Amerika

328

I

Fokus Sardinien 326

I Fokus Karibik

329

I Afrika

330

1

Fokus Bal-

I Süd- und Ost-

asien 331 3. Die romanisch-basierten Kreolsprachen im. Überblick . . . . . . . . . . . .

332

4. Kurzes Glossar linguistischer Fachbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

335

5. Das Internationale Phonetische Alphabet (IPA) . . . . . . . . . . . . . . . . .

338

6. Symbole und Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

339

7. Textbeispiele: Aus der Universalen Erklärung der Menschenrechte der

6

Vereinten Nationen (1948) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

341

8. Zweisptachige Gedichtanthologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

349

9. Sprachenregister .............................. ~ . . . . . . . . .

373

Zur beigefügten CD ...................................... .

377

CD-Inhaltsverzeichnis . " ................ . ..................

378

Inhalt

Vorwort

Die romanischen Sprachen zählen zu den wichtigsten Sprachen der heutigen Welt. 8oo Millionen Menschen (12% Prozent der Weltbevölkerung) sprechen sie als Muttersprache, für über 1,1 Milliarde Menschen (17%) haben sie offizielle Funktion als Nationalsprachen für die internationale Kommunikation. Eine der beiden Amtssprachen und zwei der sechs Arbeitssprachen der Vereinten Nationen sind romanische Idiome. 1 Die politische, soziale und kulturelle Bedeutung der romanischen Sprachen ist unermesslich, ihr Einfluss auf zahllose grundverschiedene Sprachen weltweit unkalkulierbar. Das Englische, dieses moderne Esperanto, das sich zur unangefochtenen Nummer eins in der Welt entwickelt hat, ist zutiefst von romanischen Elementen durchdrungen - es ist keineswegs abwegig, das Englische als eine germanisch-romanische Mischsprache zu cha-

rakterisieren. Angesichts der Bedeutung der romanischen Sprachfamilie verwundert es, dass im deutschsprachigen Raum, wo die Vergleichende Romanische Sprachwissenschaft eine ihrer wichtigsten Wurzeln hat, eine knappe einführende Darstellung bislang fehlt. Zwar herrscht an Einführungen in die individuellen romanischen Sprachen kein Mangel; einzelne Aspekte wurden in vielen Werken bearbeitet. Rainer Schlösser hat eine sehr lesenswerte Präsentation der romanischen Sprachen in der Reihe »Beck Wissen« publiziert; er bringt aber nur externe Fakten in Kurzfassung, keine Darstellung interner sprachlicher Eigenschaften. Als Einführung ist auch das Werk des in Gent lebenden Romanisten Eugeen Roegiest (2oo6) sehr zu empfehlen. Es ist jedoch stark historisch ausge:... richtet. In Deutschland wurde das umfassendste Sammelwerk zu unserem Fachgebiet publiziert, das vielbändige und mehrsprachige, in jeder Hinsicht monumentale Lexikon der romanistischen Linguistik, doch ist dies ein Werk für Spezialisten. Es gibt auch exzellente Einführungen in die Geschichte und Methodik der Romanistik als sprachwissenschaftliches Fach, auf Deutsch und in anderen Sprachen; allein im.letztenJahr sind zwei umfangreiche neue Standardwerke zu diesem Thema erschienen, auf Französisch aus der Feder des Zürcher Roma-

Die beiden Amtssprachen der UNO sind das Englische und das Französische, die sechs Arbeitssprachen umfassen darüber hinaus noch das Spanische, Russische, Arabische und Chinesische.

Vorwort

7

nisten Martin-Dietrich Gießgen und aufSpanisch vonJose Enrique Gargallo Gil und Maria Reina Bastardas, die in Barcelona lehren. Über Wissenschaftsgeschi?hte und Methodologie kann man sich umfassend informieren. Was bislang jedoch fehlt, ist eine übersichtliche Präsentation der einzelnen romanischen Sprac~en in vergleichender Perspektive auf dem heutigen Stand des Wissens. Nötig ist eine Einführung, die in übersichtlicher und vom Umfang her über-· schaubarer Form möglichst viel Faktenwissen über die äußeren Bedingungen und über wichtige Strukturmerkmale aller romanischer Sprachen bietet- aller Sprachen: der großen Nationalsprachen ebenso wie der Idiome kleiner und kleinster Minderheiten. Eine solche Einführung bietet dieses Buch. Die vorliegende Darstellung beschreitet in mehrfacher Hinsicht neue Wege. Zmn einen wird den sprachexternen Faktoren relativ viel Raum eingeräumt. Die Angaben zu Verbreitung, Sprecherzahl und soziapolitischem Status der einzelnen Sprachen wurden aus den neuestenverfügbaren Quellen kompiliert, mit dem Ziel einer möglichst aktuellen Bestandsaufnahme der heutigen Situation aller romanischen Sprachen; zum anderen wurde bei den sprachinternen Faktoren konsequent die typologische Betrachtungsweise in den Mittelpunkt gerückt. Sprachtypologie untersucht die reale Vielfalt der Sprachen der Welt; sie versucht, die »Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues« (Wilhehn von Humboldt) als Ausprägung sprachlicher Universalien zu interpretieren und so verstehbar zu machen. Einzelsprachliche Phänomene sowie Phänomene, die eine ganze Sprachfamilie betreffen, werden nicht isoliert betrachtet, sondern vor dem Hintergrund eines breiten Vergleichs von Sprachstrukturen weltweit. So wird das, was auf den ersten Blick isoliert erscheint, in größere Zusammenhänge eingeordnet. Noch ein weiterer Punkt ist wichtig: Während traditionelle Darstellungen der Vergleichenden Romanischen Sprachwissenschaft ihren Schwerpunkt auf die historische Laut- und Formenlehre gelegt haben, steht hier die synchrone Perspektive im Vordergrund. Dies schließt historische Rückblenden nicht aus. Überhaupt ist die seit Ferdinand de Saussure in der Sprachwissenschaft übliche Spaltung von Synchronie und Diachronie eine künstliche; beide Perspektiven gehören komplementär zusamm_en, so wie Film und Photographie. Das bewegte Bild zeigt eine Wahrheit, das stehende Bild eine andere; beide ergänzen sich, keine kann einen Absolutheitsanspruch erheben. Primär will die vorliegende Darstellung eine aktuelle Momentaufnahme sein; aber jedem Kapitel ist ein kurzer Abriss der externen Sprachgeschichte vorangestellt, und historische Erläuterungen sind an vielen Stellen unverzichtbar. Schließlich sei noch auf die Verknüpfung von strukturellen und sprachexternen (politischen, sozialen und kulturellen) Faktoren verwiesen, die mir für eine

8

Vorwort ffii

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erneuerte und zukunftstaugliche Romanistik unverzichtbar erscheint. Die Vergleichende Romanische Sprachwissenschaft kann sich nicht daraufbeschränken, Themen wie »das Schicksal der lateinischen e-Deklination in den romanischen Sprachen« zu behandeln. Der Vergleich des Ausbaugrades, der Normierung, der Sprachgesetzgebung und der Glottopolitik ist wichtig für eine zukunftsorientierte Romanistik; doch auch Them_en wie die Anredeformen und ihre soziale Bedeutung können diese Wissenschaft aus ihrem philologischen Elfenbeinturm herausführen. Dieses Buch enthält auch Anregungen für eine solche inhaltliche Weiterentwicklung der traditionellen Romanistik. Wie schon gesagt, will dieses Buch keine Einführung in die Probleme und Methoden der Romanistik als wissenschaftliche Disziplin bieten; vielmehr ist das vorrangige Ziel die Präsentatio-n der einzelnen romanischen Sprachen, sie sollen dem Leser als plastisch umrissene Gestalten greifbar werden. Zu diesem Zweck wird auch eine Anthologie von Gedichten beigegeben. In der Lyrik findet Sprache zu essentieller Verdichtung; nirgendwo sonst kommt eine Sprache so zu sich selbst, wird sie so als einmalige, unwiederholbare Individualität fassbar wie im vollendeten Vers. Dazu gehört wesentlich ihr Klang. Auf der beigegebenen CD werden die Sprachen zu Gehör gebracht und so, über die intellektuelle Durchdringung hinaus, auch sinnlich erfahrbar. Das Buch wendet sich an alle, die sich für die romanischen Sprachen interessieren. Es ist bewusst so angelegt, dass auch linguistisch nicht ausgebildeten Lesern elementare Grundkenntnisse vermittelt werden. Es ist natürlich erst einmal für Studierende der Romanistik bestimmt, sei es der Vergleichenden Romanischen Sprachwissenschaft, sei es einer der Einzelsprachen. Wer immer auch Französisch, Spanisch oder Italienisch studiert, wird Nutzen daraus ziehen, wenn er etwas über die Einbettung »seinerVerdoppelung« (eigentlich »Verzwillingung«). Tatsächlich geht es nicht um Verdoppelung, sondern mn Längung von Konsonanten. Die Bezeichnung rührt daher, dass gelängte Konsonanten im Lateinischen durch die Ver-

Einleitung

··~

doppelungder betreffenden Buchstaben ausgedrückt wurden. Im Lateinischen konnten beliebige Konsonanten überall im Wort gelängt werden, die konsonantische Quantität war bedeutungsunterscheidend. In den romanischen Sprachen ist die Quantität der Konsonanten ebenso verschwunden wie diejenige der Vokale, allerdings mit dem Unterschied, dass dieses Verschwinden nicht vollständig war: Zum einen lebt die quantitative Differenzierung im Sardischen und Italienischen fort, wenn auch unter anderen Bedingungen und in anderen Kontexten als im Lateinischen; zum anderen finden sich auch in anderen romanischen Sprachen, vom Portugiesischen bis zum Französischen, Ansätze zur Weiterentwicklung der konsonantischen Quantität. Auch dieses Kriterium ist wichtig für die Lautgestalt der einzelnen romanischen Sprachen. Bei der Behandlung der westromanischen Sprachen wird dem Schicksal des /r/ in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit geschenkt. 8. Palatalisierung. Hierbei beschränken wir uns auf die Palatalisierung der ve-

laren Verschlusslaute, also die Entwicklungen von lateinischem /k/ und /g/ vor /e/ und Ii/, teilweise auch vor /a/. Der Konsonant /k/ wird sehr variabel realisiert, je nachdem, welcher Vokal folgt. Jeder Leser kann sich selbst davon überzeugen, wenn er die Bewegung seiner eigenen Zunge bei der Artikulation der deutschen Wörter Kuh und Kiel beobachtet; /k/ wird vor Ii/ viel »palataler>Buchstabe p« [pe]

~

pe »Fuß>ihr seid« [soif]

~

s6is »Sonnen>farben« (~ lat. colorare) BP: beides [(dc)ka'rar] EP: provar [pru'var] »beweisen«

62

Portugiesisch

~

poupar [po'par] »sparen«

(~

lat. palpare)

1.5 Nasalvokale [5]

Portugiesisch und Französisch sind die beiden einzigen rm~anischen Sprachen mit einem klar ausgeprägten System von Nasalvokalen. Uber den phonolo. hen Status dieser Vokale wird im Folgenden noch gerrauer zu sprechen sein;

glSC

.

.

.

honetischjedenfalls s1nd s1e sehr markant, was wesenthch zu dem eben schon

~eschilderten »weichen« Klang des Portugiesischen beiträgt.

Nach den Erkenntnissen der typologischen Forschung sind Nasalvokale gegenüber Oralvokalen markiert. Das bedeutet dreierlei. Erstens kommen sie nur in einer Minderheit von Sprachen vor; das gilt auch innerhalb der Romania, wo nur zwei von neun Sprachen Nasalvokale haben. Zweitens sind Nasalvokale diachronisch instabil, was auch in der Romania zu beobachten ist, denn an mehreren Orten beobachten wir ihr Verschwinden. Drittens sind sie an Zahl geringer oder maximal gleich mit den Oralvokalen; auch diesbezüglich liegen die romanischen Sprachen typologisch im Trend, denn im Französischen ist ihre Zahl erheblich geringer, und auch im Portugiesischen mit seiner reicheren Palette immer noch deutlich geringer als die Zahl der Oralvokale. Die geringere Zahl im Portugiesischen resultiert daraus, dass bei den Nasalvokalen die Öffnungsunterschiede neutralisiert sind. Statt vier werden nur drei Öffnungsgrade unterschieden; als Effekt der Nasalisierung werden die Vokale geschlossen (im Französischen hingegen werden sie geöffnet, s. u. 5-5). Es gelten folgende Entsprechungen:

Man erkennt einen Portugiesen, wenn er Französisch spricht, sofort daran, dass er en I an als [u] und nicht als [6.] realisiert; für einen Franzosen klingt das wie in [E]! Über den phonologischen Status der portugiesischen Nasalvokale ist viel diskutiert worden: Handelt es sich um rnonophonernatische Einheiten oder um die Verbindung des Oralvokals mit einem abstrakten Archiphonern [Nasalität]? Mit der biphonernatischen Interpretation reduziert man das Inventar der Vokalphoneme, aber man kornpliziert deren Kombinatorik. Es gibt durchaus Argumente, welche die biphonematische These stützen. Eines davon sei hier kurz skizziert. Nach Nasalvokal steht die »starke« Form von Ir! (s. u.), so wie generell nach Konsonanten: bilm »Ballschläger« wird [bilRu] realisiert, nicht [bilru], eben weil

Portugiesisch

63

Ir/ nach dem Konsonanten /1/ steht; Wörter wie genro »Schwiegersohn« oder honra »Ehre>ich sah« [vi]

,. ._, vim »ich kam« [vi]

seda >>Seide« ['sedB]

,..., senda »PfadDia de la Raza«, bei dem die Hispanität zelebriert wird; die regelmäßig veranstalteten Kongresse wie der Congreso Internacional de la Lertgua Espaiiola; vor allem aber die spanischen Sprachakademien, die eine sehr aktive und energische Rolle in der Sprachentwicklung spielen. Im Unterschied zu den »40 Unsterblichen« der Academie Franfaise, die für die Neuausgabe ihres Wör-

82

Spanisch

terbuchs viele Jahrzehnte benötigen, erscheinen die Auflagen des Wörterbuchs der Real Academia Espafiola in dichter Folge und nahe am_ Puls der Zeit. Die Akaden;üker sind offen für Neuesund Exotisches. Dazu trägt auch bei, dass die Akademie ihren Sitz zwar in Spanien hat, aber eingebettet ist in ein weltweites Netz nationaler Sprachakademien, die untereinander in engem Austausch stehen. Die letzte Gründung war die »Spanische Sprachakademie von Nordamerika« mit Sitz in N ew York; sie wurde I976 ins Leben gerufen und unterstreicht schon durch ihre bloße Existenz die herausragende Bedeutung des Spanischen in den USA. Die Klassifikation der spanischen Dialekte in zwei Hauptvarietäten, das »kastilische Spanisch« im engeren Sinn (KS) und das »atlantische Spanisch« (AS), ist unter rein linguistischen Gesichtspunkten sinnvoll; zur Beschreibung der Eigenwahrnehmung der Sprecher und der sozialen Stellung der Dialekte taugt sie weniger. Hier werden eher die Unterschiede zwischen den Nationen Lateinamerikas sowie innerhalb der Länder selbst registriert. Das Spanische ist also nicht auf zwei Zentren fixiert, wie das Englische oder Portugiesische, vielmehr haben sich auf einer einheitlichen Basis zahlreiche lokale Zentren gebildet, die in ihrer jeweiligen Region tonangebend sind. Das Spanische ist nicht bipolar, sondern polyzentrisch.

2.1 Verbreitung [21] Das Spanische ist Staatssprache in den folgenden Ländern (in der Reihenfolge der Einwohnerzahl): Mexiko, Spanien, Kolumbien, Argentinien, Peru, Venezuela, Chile, Ecuador, Guatemala, Kuba, Dominikauische Republik, Bolivien, Honduras, El Salvador, Paraguay, Nicaragua, Costa Rica, Puerto Rico, Uruguay, Panama, Äquatorial-Guinea. Eine wichtige Rolle spielt es, injeweils ganz unterschiedlicher Weise, in einigen weiteren Ländern: USA, Philippinen, Belize, Andorra; in Form des Judenspanischen kommt es in der Türkei, in Israel, Griechenland, auf dem Balkan sowie in der Diaspora in Westeuropa und Amerika vor. Nach der Zahl der Länder, in welchen es offizielle Funktion hat, steht Spanisch weltweit an dritter Stelle, hinter Englisch und Französisch.

2.2 Sprecherzahl [Primärsprecher: ca. 420 Mio.; Geltungsbereich: 400 Mio.] Angaben über die Sprecherzahl sind beim Spanischen schwierig zu machen. Zwar ist die Einwohnerzahl der 2r Länder, in denen es offiziellen Status hat,

Spanisch

83

relativ einfach zu ermitteln. Sie liegt aktuell bei fast genau 400 Millionen. Wie viele dieser 400 Millionen Menschen aber tatsächlich Spanisch sprechen, wie viele als primäre, wie viele als mehr oder minder gut beherrschte Zweitsprache, ist statistisch kaum zu erfassen. Zwar gibt es mehrere Länder, etwa Bolivien, die eine genaue Statistik über Zwei- und Dreisprachigkeit führen, aber zum einen ist die Genauigkeit dieser Statistiken trügerisch, zum anderen ist man in de~ meisten anderen Ländern ohnehin auf grobe Schätzungen angewiesen. Zudem muss noch bedacht werden, dass »Zweisprachigkeit« beispielsweise im europäischen Katalonien etwas völlig anderes bedeutet als etwa im Hochland von Peru oder im Landesinneren von Paraguay: Während man im einen Fall mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass neben dem Katalanischen auch das Spanische mit (nahezu) primärsprachlicher Kompetenz beherrscht wird, ist es in Lateinamerika oft so, dass allenfalls rudimentäre oder auch gar keine Kenntnisse des Spanischen vorhanden sind. Die Gesamtzahl der echten »Sprecher« ist also auf jeden Fall niedriger anzusetzen als die Zahl der Einwohner im Geltungsbereich; um wie viel niedriger, ist von Fall zu Fall verschieden. In manchen Ländern herrscht nahezu perfekte Einsprachigkeit (z. B. in Kuba); in vielen Ländern gibt es indigene Minderheiten (etwa in Mexiko, wo knapp ro% der Gesamtbevölkerung 54 offiziell erfasste indianische Sprachen sprechen); in anderen Ländern spricht die Mehrheit der Bevölkerung primär oder ausschließlich indianische Sprachen (so in Guatemala und in Bolivien); in Paraguay sprechen fast alle Menschen Guarani, neben/vor/nach/anstatt des Spanischen, in ganz unterschiedlichen Konstellationen. Dies alles statistisch erfassen zu wollen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Auf der anderen Seite bleibt bei dem, was wir hier als »Geltungsbereich« bestimmen, das viertgrößte spanischsprachige Land der Welt außer Betracht: die USA. Die Gesamtzahl der »Hispanics« wird für 2006 mit 14% von 300 Millionen angegeben- das sind n1.ehr als 42 Millionen! Wie viele dieser Menschen das Spanische tatsächlich in welchem Umfang beherrschen, kann keine Statistik erfassen; es dürfte aber ein hoher Prozentsatz sein. Die Gesamtzahl der Spanischsprecher liegt also einerseits um einen Faktor 30-40 Millionen über der Zahl der Einwohner des Geltungsbereichs; andererseits sind die monolingualen Sprecher indigener Sprachen abzuziehen. In der Gesamtbilanz erscheint die angegebene Zahl von 420 Millionen tatsächlichen Sprechern (mit unterschiedlichen Kompetenzgraden) als realistische Schätzung. Die folgende statistische Übersicht verzichtet, aus den genannten Gründen, bewusst auf Schätzungen der Sprecherzahl, sie beschränkt sich auf die Einwohnerzahlen des Geltungsbereichs; diese werden nach der hier einheitlich verwendeten, aktuellsten Quelle gegeben (Britannica Book of the Year 2007). Die Zahl der Immigranten, Kreolsprecher und dergleichen bleibt unberücksichtigt.

84

Spanisch

Mexiko

104.038

Spanien

44.561

2

Kolumbien

43.593

3

USA/Hispanics

42.205*

4

Argentinien

38.971

5

Peru

27.515

6

Venezuela

27.216

7

Chile

16.436

8

Ecuador

13.419

9

Guatemala

13.019

10

Kuba

11.294

11

Bolivien

9.354

12

Oominikanische,,Republik

9.021

13

Honduras

7.329

14

EI Salvador

6.991

15

Paraguay

5.993

16

Nicaragua

5.233

17

Costa Rica

4.274

18

Puerto Rico

3.927

19

Uruguay

3.266

20

Panama

3.191

21

Äquatorial-Guinea

0.515

22

Gesamt ohne USA

399.156

Gesamt mit USA

441.361 * = 14.1 % von 299.330

Status [16 Staaten offiziell, 5 Staaten + kooffiziell, sonst minoritär]

In allen soeben aufgeführten Ländern (außer den USA) ist das Spanische offizielle Landessprache. In manchen Ländern haben daneben weitere Sprachen kooffiziellen Status. Dies sind: Spanien: regional kooffiziell sind Katalanisch, Baskisch und Galicisch - Peru: regional kooffiziell sind Quechua und Aymara - Paraguay: Guarani hat als »Nationalsprache« kooffiziellen Status - Puerto Rico: Englisch ist kooffiziell - Äquatorial-Guinea: kooffiziell sind Französisch und seit 2007 Portugiesisch

Spanisch

85

Zu den weiteren oben genannten Ländern sind folgende Angaben zu machen· In den USA ist das Spanische trotz der sehr hoher1 Sprecherzahl eine mino• ritäre Sprache ohne besonderen Status; natürlich ist es in den USA die mit Abstand meistgelernte Fremdsprache an Schulen und Universitäten. -- Im kleinen Belize auf der Halbinsel Yucatan, dem ehemaligen British Honduras, spricht zwar eine relative Mehrheit der Bevölkerung Spanisch (neben Kreol-Englisch, Maya-Sprachen und dem karibischen Garifuna), aber das Englische ist die einzige offizielle Sprache des Landes. Auf den Philippinen werden bis heute, wie schon erwähnt, mehrere Dialekte der spanischen Kreolsprache Chabacano gesprochen. Von der einstigen Dominanz des Spanischen, die nach der Niederlage der Spanier gegen die USA im Jahre 1898 verloren ging, ist nicht mehr viel übrig, es hat seine Führungsrolle seit Langem an. das Englische abgegeben. Immerhin gibt es eine Spanische Sprachakademie, in höheren Gesellschaftsschichten gilt es als fein Spanisch zu können, und auch private Vereinigungen kli1;nmern sich um di~ Pflege der Sprache. Einen offiziellen Status hat es aber nicht; Staatssprache ist das austronesische Tagalog, auch Filipino genannt. Administration und Erziehungswesen spielen sich aber großenteils auf Englisch ab. Der Zwergstaat Andorra in den Pyrenäen ist offiziell katalanischsprachig. Daneben werden Französisch und Spanisch gesprochen, wobei die Mehrheit der Bevölkerung das Spanische als Verkehrssprache bevorzugt. An dieser Stelle muss noch die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) erwähnt werden, die 1976 von der Widerstandsbewegung Polisario ausgerufen wurde und heute von 53 Staaten anerkannt wird. Während die westlichen zwei Drittel des von den Sahraouis beanspruchten Gebiets von Marokko annektiert wurden, steht das östliche, nominell unabhängige Drittel unter dem Schutz Algeriens. Die DARS ist das einzige Land der arabischen Welt, in dem das Spanische als internationale Verkehrssprache und als Sprache für Unterricht und Verwaltung verwendet wird. Das Spanische hat dort die Rolle inne, die in Tunesien, Algerien, Marokko und Mauretanien das Französische einnimmt (s. u. 5.3). Über viele weitere Länder müssten hier genauere Daten referiert werden. So hat beispielsweise die guatemaltekische Regierung einschneidende Maßnahmen zur Kooffizialisierung der im Lande gesprochenen Maya-Idiome beschlossen, bislang sind dies aber eher Absichtserklärungen ohne konkrete Auswirkung. 10 10

Die Sprachsituation in den 21 Ländern der hispanischen Weit kann aus Platzgründen in diesem Werk nicht im Detail dargestellt werden.

Spanisch

• 24

Vokalsystem [5: 0: 0]

anische hat das einfachste Vokalsystem aller romanischen Sprachen. Es Das Sp cribt drei Öffnungsgrade; zwischen Ii/, /u/ und /a/ stehen die mittleren, nicht ~ach offen und geschlossen differenzierten Vokale /e/ bzw. /o/. Je nach Position, und auch je nach regionaler Varietät, können sie offener oder geschlossener ausrochen werden ohne dass dies am Sinn etwas ändert. Dieser Tatbestand gesp ' . . .. muss in dreifacher Hinsicht kommentiert werden: h1stonsch, romamstisch-vergleichend und typologisch-vergleichend. Die Reduktion des Vokalsystems auf die fünf Grundvokale hat vermutlich mit präromanischen Substraten zu tun. Auch das Baskische und, soweit wir es kennen, das ausgestorbene Iberische haben gerrau diese fünfVokale. Das Spanische ist in einer Zone mit intensiver baskisch-romanischer Zweisprachigkeit entstanden; so liegt es nahe, hier eine Beeinflussung zu vermuten. Dies ist mnso wahrscheinlicher, als das Spanische mit diesein reduzierten VokalsystF:m in der Romania isoliert dasteht. Alle anderen Sprachen haben mehr Vokale als diese fünf, wie in diesem Werk in vergleichender Übersicht deutlich wird. Andererseits repräsentiert das Spanische mit seinen fünf Vokalen in typologischer Perspektive den NormalfalL Eine relative Mehrheit von Sprachen weltweit (über 40 %) weist genau dieses System auf. In der Ronunia isoliert, hat das Spanische gleichsam die Rückkehr zur typologischen Normalität vollzogen. Das genannte Vokalsystem hat in der gesamten spanischen Welt Geltung, außer in den östlichen Varietäten des Andalusischen, mit Zentrum in Granada. Dort wurde, wie auch andernorts (Mittelamerika, Argentinien), auslautendes -s zunächst zu -h aspiriert und fiel dann ganz aus. Damit sind zwei zentrale grammatische Differenzierungen ununterscheidbar geworden: beim Nomen die zwischen Singular und Plural, beim Verbum die zwischen 2. und 3· Person Singular: hombre und hombres »Mann I Männer« sowie pone und pones »er stellt I du stellst« werden jeweils gleich realisiert. In der genannten andalusischen Varietät hat die Aspiration des -s zur Öffnung des vorangehenden Vokals geführt. Nach dem vollständigen Verschwinden des -s .wurde dann die Vokalqualität zum Träger der beiden morphologischen Oppositionen und gewann dadurch phonologisch distinktive Funktion. Man kann dort also unterscheiden:

hombre »Mannsie stellen« [poneiJ

~

pone]

Davon _abgesehen gibt es keine phonologische Nasalisierung im Spanischen.

2.6 Akzentsystem [drei [vier]] (>) > > > 4 32 1 Im Spanischen sind die drei Akzenttypen des Frühromanischen in klassischer Form erhalten. Die Wörter werden auf einer der drei letzten Silben betont, wobei die vorletzte Silbe (sogenannte llano-Betonung) am häufigsten ist, gefolgt von der letzten (agudo-Betonung) und der Betonung auf der drittletzten Silbe (esdrujulo-Betonung), die zwar immer noch recht häufig vorkommt, insgesamt

aber doch deutlich seltener ist als im Italienischen. Der phonetische Akzent wird graphisch mit dem Akut markiert, wenn er nicht auf die vorletzte Silbe fällt; wenn die letzte Silbe auf einen anderen Konsonanten als -s oder -n endet, tritt automatisch agudo-Akzent ein, ohne graphischen Akut. Die Halbvokale Ii/ und

Iu! müssen graphisch markiert werden, wenn sie als volle silbische Vokale den phonetischen Akzent tragen. Diese Regeln in ihrer Einfachheit und Ausnahmslosigkeit unterscheiden sich vom Portugiesischen (s.o. r.6) sowie vom Italienischen, wo insbesondere das Fehlen des graphischen Akzents bei >3 für den ungeübten Lerner ein Problem darstellt (s. u. 7.6). Die drei Typen sind bedeutungsunterscheidend, sie bilden Minimalpaare; es folgen Beispiele für dreifache Minimalpaare des Typus >3 ~ >2 ~ >1:

88

Spanisch

l{mite »Grenze«

limite »er begrenze«

limite >>ich begrenzte«

vario »Verschieden«

vario »ich variiere«

vari6 »er variierte«

co 11 tinuo »ständig«

continuo »ich fahre fort«

continu6 »er fuhr fort«

Im Vergleich dazu ist im Portugiesischen die Opposition zwischen der r. Sinular Präsens und der 3. Singular Präteritum nicht nur eine Frage des Akzents,

~ondern

auch von dessen Auswirkungen, sodass die Unterscheidung am Ende

nicht nur im Akzent, sondern auch in der Vokalqualität liegt:

pG

tomo »ich nehme« ['tomu]

tomou »er nahmich habe niemanden gesehen« Ace+ obligatorisch bei Eigennamen und Verwandtschaftsbezeichnungen:

,_-no has encontrado a]uan? »hast du Hans ni::ht getroffen?« vas a conocer a mi hermano »du wirst meinen Bruder kennenlernen« Ace+ fakultativ bei Personenbezeichnungen (mehr bei definiten, aber auch bei indefiniten): Juan salud6 al doctor I (a) un amigo »Hans grüßte den Arzt I einen Freund) > > >

• 4 3 2 1 St~ukturell entspricht dieses Schema dem spanischen, aber die Häufigkeit der

einzelnen Typen ist ganz anders verteilt. Im Katalanischen wurden nachtonige Silben weitgehend abgebaut; Endbetonung dominiert, weil die letzte Silbe meist abgeschnitten wurde; nur der schallstärkste Vokal -a blieb erhalten, wenn auch zu Schwa h/ reduziert; andere Vokale konnten sich nur im Schutz schwerer Konsonantengruppen behaupten (z. B. -str im folgenden Beispiel), wurden dort. aber ebenfalls zu Schwa reduziert. Man vergleiche die folgende Gegenüberstellung:

poco, poca [poko, poka], poc, poca [pok, pob ],

SP KT (OK) Scherz~uft

nuestro, nuestra [nwEstro, nwEstra] nostre, nostra [nostrg, nostrg]

pflegen die Spanier zu sagen: El catala es el castella truncat- »Katalansch

ist abgeschnittns Spansch«! Betonung auf der drittletzten Silbe kommt nur noch in wenigen Kontexten vor: in Entlehungen aus dem Lateinischen oder Griechischen, also in gelehrten Wörtern wie funebre) epoca) hipotesi; in Femininbildungen von Adjektiven, die im Maskulin auf der vorletzten Silbe betont sind, wie gotic - gotica, llric - llrica, oder in Wörtern, wo schwere Konsonantengruppen im Wortinnern den Ausfall von Silben verhindert haben, wie in fabrica. Die Zahl der auf der letzten Silbe betonten Wörter ist erheblich größer als im Spanischen oder Portugiesischen. Dennoch ist im Katalanischen der Akzent im1ner noch bedeutungsunterscheidend, wobei allerdings wieder der Unterschied zwischen West- und Ostkatalanisch zu bedenken ist. Im Westen ist der Akzent einziger Träger der Differenzierung, im Osten führt die Reduktion in unbetonter Silbe dazu, dass die unterschiedliche Vokalqualität zusätzlich zum Träger der Unterscheidung wird. Man vergleiche die folgenden Minimalpaare: >2 ~ >1:

canta >>er singt« WK: OK:

canta »er sang« (literar.) ['kanta- kan'ta] ['kantg- kgn'ta]

cantar »singen«

>3~>2~>1:

carrega >>Last« WK: OK:

112

Katalanisch

carrega »er belastet« ~ carregar »belastencatalan heavy« bzw. >>calatan light« bezeichnet wird. In der Umgangssprache spielen puristische Abgrenzungsversuche gegenüber der Staatssprache Spanisch kaum eine Rolle.

3.11. Artikel [prae; ille, dialektal ipse; POSS+]

Der katalanische Artikel ist präponiert, so wie in allen Nachbarsprachen. In der Standardsprache und in den meisten Dialekten geht er auflateinisch ille zurück. Auf den Balearen, an der Costa Brava und in einer Zone nördlich von Alicante finden wir Abkömmlinge des lateinischen ipse. Dazu müssen kurz sprachhistorische Erläuterungen gegeben werden. Das Lateinische kannte keinen Artikel. Im gesprochenen Latein der Spätantike bildete sich allmählich ein bestimmter Artikel heraus~ wobei ille >~ener« und ipse »derselbe« zunächst in Konkurrenz standen. Bis zum Ende des I. Jahrtausends war der Wettstreit zwischen diesen beiden Formen unentschieden; in den spätlateinischen Dokumenten kann man sogar ein gewisses Übergewicht von ipse feststellen. Dann aber gelangte ille fast überall zur Vorherrschaft. Die große Ausnahme blieb Sardinien, wo ipse flächendeckend dominiert. hn Bereich des Katalanischen kam es zu einer dialektalen Aufgliederung. Während die meisten Dialekte ille verallgemeinert haben (bei Bewahrung von ipse-Formen in zahlreichen Orstnamen), setzte sich auf den Balearen und an der Costa Brava ipse durch. Volkstümlich werden diese Formen des Artikelssalat genannt, das Katalanische dieser Regionen heißt el catala salat. Auf den Balearen ist ipse in der gesprochenen Sprache alleinherrschend (außer in der Stadt Pollen>Hast du die Briefe?- Ich habe drei (davon).« und mit Präposition:

Tens cintes blaves?- En tinc de grogues; si vols taronges, te'n puc donar demalt bones, en tinc quatre de grans i tres de petites. »Hast du blaue Bänder?- Ich habe gelbe; wenn du orangenfarbene willst, kann ich dir sehr gute geben, ich habe vier große und drei kleine.«

Katalanisch

117

Mit diesem Ansatz zu einem Partitiv entfernt sich das Katalanische vom Spanischen und Portugiesischen; es stimmt mit den südlichen Dialekten des Okzit~anischen

überein, erreicht aber nicht das Französische mit seinem voll ausge-

bildeten Teilungsartikel. Auch in diesem Bereich der Grammatik zeigt sich also d~r Charakter des Katalanischen als »Brückensprache« zwischen Ibero- und

Gallo-Romania.

3.13 Präteritum [PSLat ~ ppcat] Wie in anderen romanischen Sprachen (Französisch, Rätoromanisch, Sardisch, Rumänisch) ist das aus dem Lateinischen ererbte synthetische Perfekt weitgehend aus der Sprache verschwunden; es lebt noch als Archaismus, als literarische Reminiszenz und als Dialektalismus fort. Im Unterschied zu den soeben genannten romanischen Sprachen aber hat sich im Katalanischen ein einzigartiges neues !empus herausgebildet, welches das ursprüngliche PS ersetzt; hier benutzt man ein neues periphrastisches Perfekt (PP), das mit dem Verb anar »gehen« + Infinitiv gebildet wird. Dies ist eine herausragende Besonderheit des Katalanischen gegenüber allen anderen romanischen Sprachen: Überall sonst wird das Verb »gehen« für die Zukunft gebraucht, hier hingegen dient es zum Ausdruck der Vergangenheit. Der Blickwinkel auf der Zeitachse ist gleichsam umgedreht: Während man sonst den Blick auf die Zukunft richtet und zu dieser voranschreitet, schaut man im Katalanischen auf die Vergangenheit zurück, die im Unterschied zur Zukunft ja schon bekannt ist. An dies~m Beispiel wird schlagend deutlich, wie relativ solche Metaphern sind, bei denen räumlich Konkretes auf zeitlich Abstraktes übertragen wird. Im Katalanischen bedeutet also vaig cantar nicht dasselbe wie das etymologisch entsprechende spanische voy a cantar oder das französische je vais chanter, sondern es bedeutet »ich sang« (»cante, je chantai«). Diese periphrastische Form ist in der modernen Sprache Kataloniens zur Vorherrschaft gelangt. Die alte synthetische Form lebt nur im literarischen Stil fort; außerdem finden wir sie noch auf den Balearen und im Valenzianischen. Das moderne System des Katalanischen umfasst also drei Tempusformen für die Vergangenheit: das Imperfekt; das zusammengesetzte Perfekt (PC), das auf die übliche Weise gebildet wird, und das periphrastische Perfekt (PP), das für den aoristischen Aspekt steht und das PS abgelöst hat. Im Ergebnis liegt also ein System vor, in dem der imperfektive, der perfektive und der aoristische Aspekt klar unterschieden werden, wenn auch mit anderen morphologischen Mitteln als im Rest der Romania.

118

Katalanisch

Es folgen zwei Beispiele zur Differenzierung zwischen dem perfektiven und

dern aoristischen Aspekt: ha treballat molt »er hat viel gearbeitet« (er lebt noch und sein Lebenswerk wirkt fort)~ treballa molt (literarisch) I va treballar malt (normaler Stil) >>er hat viel gearbeitet« (historischer Rückblick auf ein abgeschlossenes Werk)

avuifa deu anys que ens he111 casat »heute sind es zehn Jahre, dass wir verheiratet sind« (wir freuen uns, immer noch beisammen zu sein)~ avuifa deu anys que ens varem casar »heute sind es zehnJahre her, dass wir geheiratet haben« (chronologische Feststellung eines Datmn.s) Das periphrastische Perfekt des Katalanischen hat seine Wurzeln in der lnittelalterlichen Sprache. Wahrscheinlich hatte es zunächst den Sinn eines historischen Präsens, ehe es für die untergehenden Fonnen des alten PS gebraucht wurde;

vaig cantar hatte also ursprünglich den Sinn von »da bin ich dir gerade am Singen, als ... «. Diese Erklärung (sie stammt von Badia Margarit 1951: 327) passt gut zu dem folgenden frühen Beleg aus der um 1325 geschriebenen Chronik von Ramon Muntaner (r265 -1336):

el cavall se sent{ ferit e lleva 's davant e detrds aix{ que f6ra caüt si no fos que era ab cadena fermat en la sella. Que us dire? Ella va metre la man a l 'espaa, e ana ferir lo cavall a la . testera, e el cavall estec estabornit. »das Pferd fühlte sich getroffen und schlug nach vorne und hinten aus, sodass sie gefallen wäre, wenn sie nicht mit einer Kette am Sattel befestigt gewesen wäre. Was soll ich euch sagen? Sie legte die Hand an das Schwert und schlug das Pferd auf den Kopfpanzer, und das Pferd war wie betäubt.« (zit. nach Nadal/Prats !982: 420)

Zunächst wird das PS gebraucht (se sent( lleva). Die Formel Que us dire? leitet eine Aktualisierung und Verlebendigung des Geschehens ein, die dann mit Formen des periphrastischen Perfekts auf anar durchgeführt wird (va metre). Besonders bemerkenswert ist die Form ana ferir, bei welcher das Verbum anar im PS steht und zugleich als Auxiliar des PP gebraucht wird. Von solchen Gebrauchsweisen aus wurde die Form dann verallgemeinert und hat am Ende das synthetische Perfekt abgelöst.

Katalanisch

119

3.14 Auxiliarien

[habere (dialektal esse.mtr ); PPP ±variabel]

~uch in Bezug auf die Auxiliarien und das Partizip der Vergangenheit steht das

Katalanische zwischen Ibero- und Gallo-Romania. Die Ausgangssituation in der . mittelalterlichen Sprache war ähnlich wie im Spanisch'en: Das PC intran ~· tiver Verben wurde mit esse, das transitiver mit habere gebildet, wobei das Par.tizip bei Intransitiva mit dem Subjekt, bei Transitiva mit dem Objekt kongruierte. Man vergleiche den folgenden Passus aus der eben schon zitierten Chronik von Muntaner von 1325: na hi sam pus tarnats per habitar, ans sa111 anats per la m6n cercant cansell amb malt male malt treball e malts perills que n'havem passats, e dels quals la majar part ne san marts en les guerres aquestes »wir sind nicht mehr dahin zum Wohnen zurückgekehrt, vielmehr sind wir ratsuchend durch die Welt gegangen, mit viel Übel, Mühe und Gefahren, die wir zu bestehen hatten und an denen die meisten zugrunde gingen in jenen Kriegen« Sam anats, som tornats, san morts: hier folgt das Partizip dem Subjekt; havem passats: und da dem Objekt. In der heutigen Sprache ist die Generalisierung von habere abgeschlossen, zumindest im Standard. Es ist bezeichnend, dass der alte Gebrauch von esse bei intransitiven Bewegungsverben dialektal noch im äußersten Norden fortlebt; bis heute sagt man s6 vingut statt he vingut »ich bin gekommen« in Gerona, Olot und den Pyrenäen - also genau in Richtung der Grenze zu Frankeich. In Gerona kam es zur Verallgemeinerung von esse statt habere, ähnlich wie im Megleno-Rumänischen (s. u. 9.14); es heißt dort nicht nur s6c anat »ich bin gegangen«, sondern auch s6c menjat »ich habe gegessen« und sogar s6c mart un conill »ich habe ein Kaninchen getötet«. Von solchen dialektalen Relikten und Sonderentwicklungen abgesehen gehört das Standard-Katalanische heute zusammen mit dem Spanischen, Portugiesischen und Standard-Rumänischen zu den Sprachen, in denen esse beim PC verschwunden und habere zur Alleinherrschaft gelangt ist. Bei der Angleichung des Partizips an das Objekt ist die Sprache derzeit mitten im Wandel; der Übergang zur Unveränderlichkeit ist noch nicht vollzogen, aber die diachrone Entwicklungstendenz geht eindeutig in diese Richtung. Hier ist die Standardsprache weiter vorangeschritten als die konservativen Dialekte von Valencia und den Balearen, wo Veränderlichkeit noch die Regel ist. Für die Standardsprache gilt:

120

Katalanisch

he vista la mare, he trabats els amics ---* vist la mare, he trabat els amics ···»ich habe die Mutter gesehen, ich habe die Freunde gefunden« ist die Veränderlichkeit des Partizips auch in der Standardsprache noch möglich, in manchen Kontexten sogar zwingend geboten: ja n'he menjada una i ell n'ha menjades tres »ich habe eine davon gegessen und er hat davon drei gegessen.« folgenden Beispiel kommt es zu einer Ambiguität, je nachdem, ob das Parangeglichen ist oder nicht: aquestes naies, les hem vistes ballar a Paris >>diese Jungs haben wir in Paris tanzen sehen« (vistes bezieht sich auf naies, das Objekt von ver ist) aquestes drmses, les hem vist ballar a Paris »diese Tänze haben wir in Paris tanzen sehen« (vist bezieht sich auf danses, das Objekt von ballar ist) Hier ist noch keine normative Verbindlichkeit erreicht. Es ist anzunehmen, dass die Sprache irgendwann dort ankommen wird, wo das Spanische schon seit 1500 steht.

5 Subjektklitika [nein] Im Katalanischen gibt es keine Subjektklitika.

3.16 Anredeformen [3: tu I vos I 3sgnom] Wie überall sonst in der Romania hat sich im Mittelalter ein zweistufiges System mit tu für die vertraut-familiäre und dem Plural vos für die höflich-ehrerbietige Anrede herausgebildet. Im 17. Jahrhundert drang das neugebildete spanische Höflichkeitspronomen usted ein; es nah1n im Katalanischen die Form. voste an (phonetisch [bus'tE]) und verbreitete sich rasch in allen Schichten der Gesellschaft, konnte aber, im. Unterschied zum Spanischen, das ältere v6s nicht völlig verdrängen. Bis heute werden die beiden Höflichkeitsformen nebeneinander gebraucht. Zunächst zog sich die Form v6s auf sehr formelle Bereiche zurück,

Katalanisch

121

offizielle Briefe oder auch Gebete an Gott, die Jungfrau und die Heiligen. I 11 jüngerer Zeit ist es aber wieder auf dem Vormarsch, weil voste allzu deutlich a1s .f:Iispanismus erkennbar ist, den man zu vermeiden sucht. Das heutige System hat insgesamt folgende Gestalt: ~Singular

.Plural

vertraut

tu

vosaltres

höflich 1

voste

vostes

höflich 2

v6s

v6s

Die Verbalformen folgen deinjeweiligen Pronomen, also der 3. Person Singular I Plural bei voste(s), hingegen der 2. Person Plural bei v6s. So werden heute gleichwertig benutzt:

v6s m'ho heu dit = voste m'ho ha dit »Sie haben es mir gesagt« Die D?ppelung der Höflichkeitsformen unterstreicht die Stellung des Katalanischen zwischen der Gallo- und der Ibero-Rom_ania; hier werden gleichsam die Höflichkeitsformen des Spanischen und des Französischen nebeneinander verwendet. Es sei noch vermerkt, dass voste sich auch im zu Frankreich gehörigen Roussillon durchgesetzt hat; hier eine Äußerung im Dialekt von Perpignan:

Ii\,

voste me'n deixa pas gaire el tempsl »Sie haben mir kaum_ Zeit gelassen!Wir wollen im

Okzitanisch

123

Land leben«. Ein führender Vertreter des Okzitanisn1us kandidierte sogar für das Amt des Staatspräsidenten, ein symbolischer Akt, aber immerhin. Zur gleichen z:eit litt das benachbarte Katalanisch immer noch unter der franquistischen Unterdrückung; die »Blmnenspiele«, die Jocs Florals, die in Katalonien nach okzitanis_chem Vorbild 1859 eingeführt worden waren, mussten 1m Ausland stattfinden, 1970 beispielsweise in Tübingen. Die Teilnahme war gefahrlich, nach d~r Rückkehr musste man in Spanien mit Gefängnishaft rechnen. Man hätte, in ExtrapoEtion der damals erkennbaren Entwicklungslinien, dem Okzitanischen eine blühende Zukunft prognostiziert, dem Katalanischen hingegen vielleicht sogar die Ausrottung. Wie man weiß, hat sich in den Jahrzehnten seither das Bild in das genaue Gegenteil verkehrt. Spanien ist offiziell ein viersprachiges Land (neben Spanisch sind Katalanisch, Galicisch und Baskisch kooffiziell); die Mehrsprachigkeit tritt nach außen nurkarrt in Erscheinung und spielt eine wichtige Rolle auf allen Ebenen des Lebens. In Frankreich hingegen führen die Regionalsprachen ein Schattendasein. Vielleicht nimmt man noch das Deutsche bzw. Elsässische das Italieni~che bzw. Korsische sowie das Baskische und das Bretonische wahr. ~ber die territorial größte und historisch bedeutsan1ste aller Minderheitensprachen im Lande, das Okzitanische, ist fast unsichtbar. Das Französische bestimmt alle Lebensbereiche mit einem Ausschließlichkeitsanspruch, der Minoritäten kaum einen Spielraum lässt. So stirbt seine große Schwestersprache, das Okzitanische, einen leisen Tod. Die Gallo-Rornania, also das heutige Frankreich mit seinen Nachbarregionen in Belgien, der Schweiz und Italien, zerfällt in zwei Hauptgebiete, die man im Mittelalter nach der von Dante geprägten Terminologie als Iangue d)oi"l und Iangue d)oc unterschieden hat. Der große italienische Dichter hat in seinem um 1305 entstandenen Traktat De vulgari eloquentia (dt. »Über das Dichten in der Muttersprache«) die romanischen Sprachen nach dem Kriterium der Bejahungspartikel in drei große Gebiete eingeteilt: In Italien sagt man si (»il dolce paese dove il si suonaSekte«, deren Hauptsitz das nahe Toulouse gelegene Albi war. Die französischen Soldaten unter Führung von Sirnon de Montfort leisteten ganze Arbeit; die blühende Kultur des Midi wurde vernichtet, die Ländereien bedingungslos der Oberhoheit der französischen Krone und des Papstes unterworfen; alles antikatholische , Gedankengut wurde mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Von diesem historischen Trauma hat sich der Midi nie wirklich erholt. Immer noch beziehen sich heutige Bewegungen zur Wiederbelebung der okzitanischen Sprache und Kultur auf

Okzitanisch

125

diese Katastrophe, auf die Zerstörung der Katharerburgen und der Höfe a ' n

denen die Liebe so subtil besungen und zelebriert worden war wie nie zuvor.

• Nach dem_ Albigenserkreuzzug setzte eine lange Periode des Niedergangs ein. Frankreich wurde zum Modell eines zentralistisch organisierten Staates. König Pranz I. erließ 1539 in dem nordfranzösischen Städtchen Villers-Cotten~~ts ein Edikt mit weitreichenden Auswirkungen; neben der Vereinheitlichung v~n Währung, Maßen und Gewichten und des Rechtsystems wurde auch dekretiert dass die Verwaltung des Reiches nunmehr ausschließlich auf Französisch erfol~ gendürfe-also nicht mehr aufLatein, aber auch nicht mehr in einer der nichtfranzösischen Landessprachen, vor allem nicht mehr auf Okzitanisch. Damit war das Schicksal der Sprache besiegelt; ohne offizielle Funktion und mit nur geringer literarischer Kultivierung kam ihr schriftlicher Gebrauch weitgehend zum Erliegen. Fast hätte ihr dann die Französische Revolution den Todesstoß versetzt, denn die Republik war nicht gewillt, andere Sprachen als das Französische zu dulden. Ers~ Anfang des 19. Jahrhunderts, noch in der Epoche Napoleons, erwachte wieder das Interesse am Okzitanischen. Man begann den Ursprung unserer eu-

ropäischen Sprachen zu studieren. Der provenzalische Gelehrte Jean-Marie-Juste Raynouard (1761 -1836) sah in der Sprache der Troubadours die Ursprache, aus der sich alle rom_anischen Einzelsprachen entwickelt hätten- ein Irrtum, aber ein fruchtbarer, denn nun setzte die intensive Erforschung der Sprache und die philologische Erschließung der Texte ein. Das Studium des Altprovenzalischen wurde zur Keimzelle der Romanistik als akademischer Disziplin. In einer ausführlichen, konstruktiv-kritischen Stellungnahme zu Raynouards Thesen entwarf der deutsche Universalgelehrte August Wilhelm Schlegel (1767-1845) das Programm einer wissenschaftlich begründeten romanischen Philologie; dieses Werk trägt den Titel »Observations sur la langue et la litterature provenc;:ales« (erschienen 1818)Y Noch weitreichender war dann die Wiederbelebung der Schriftsprache unter neuen Auspizien, nicht mehr im Zeichen der lange zurückliegenden Vergangenheit der Troubadoure, sondern der Gegenwart des volkstümlichen ländlichen Lebens mit seinem farbenprächtigen Reichtum. 1854 konstituierte sich eine Gruppe junger Dichter unter dem Namen Felibrige; die beherrschende Gestalt war von Anfang an Frederic Mistral (1830-1914), der 1859 ein Versepos über das Leben in seiner Heünat an der unteren Rhone veröffentlichte. Dieses Werk, nach seiner Heidin Mireio >>Mireille« benannt, hatte auch in Paris einen Achtungserfolg und brachte seinem Autor noch spät, im Jahre 1904, den Nobelpreis für Literatur 17

126

Schlegel initiierte dann auch die Etablierung der Romanistik als akademisches Fach an der Universität Bann, wo der erste Lehrstuhl eingerichtet wurde.

Okzitanisch

Mit Mistral und der Felibrige-Bewegung hatte die okzitanische Sprache langen Jahrhunderten der Dunkelheit wieder ein literarisches Meisterwerk rvorgebracht, das als Kristallisationskern für die Bemühungen um WiederhPJ'euu.un

dienen konnte. Zugleich kam es aber zu einer Spaltung, die entlang

h1~ 1torisc:ucL, geographischer und ideologischer Bruchlinien verlief. Mistral war

engsten Heimat verwurzelt, in der Region zwischen Ades und Avischrieb in seinem Lokaldialekt und benutzte dafür eine Orthographie, an das Französische angelehnt war; seine Bewegung war rückwärtsgewandt, sein Gedicht verklärte das traditionelle Leben der Landbevölkerung - all dies zu >rll"r-~~ew,eu Zeit, als Baudelaire, Rimbaud und Mallarme in Paris die literarische einleiteten. Dagegen formierte sich Widerstand. Das schriftliche Gewand, in das man die ,-.-cJL/-'-~·---- kleidete, wurde zum Symbol der Identität, die man sich selbst geben

1888 erschienen erstmals Gedichte in einer neuen Orthographie, die nach ihren Erfindern und Entwicklern Estieu, Perbosc und Raumanille ._...., __.__._~·----- wurde. Man knüpft€ dabei bewusst an die verschütteten Traditionen Troubadoure an und bemühte sich um die Schaffung eines überregionalen Standards auf der Basis des Dialektes des Languedoc. Diese Orthographie ist auch bekannt als »okzitanisch«, während die Regeln von Mistral unter dem Stichwort »provenzalisch« laufen. Beide Bezeichnungen sind zwar prinzipiell für den ganzen Sprachraum anwendbar, aber in der Praxis pflegt man zwischen provenfal und occitan zu differenzieren. Es entstand eine Art Glaubenskrieg um die Schreibweise des Okzitanischen. Die »provenzalische« Graphie des Felibrige . ,,v.ruvrHL mistralienne) ist lokal ausgerichtet; sie beruft sich auf das »Recht des Mei'sterwerks«, nän1lich des als klassisch empfundenen Epos Mireio, und reproduziert den Dialekt vom Unterlaufder Rhone (bas-rhodanien) mitallseinen Besonderheiten nach den orthographischen Gepflogenheiten des Französischen. Im_ Unterschied dazu bemüht sich die Graphie Estieu-Perbosc (graphie occitane oder graphie classique) um eine linguistisch fundierte Ausgleichsform, in der sich die verschiedensten Dialektsprecher wiederfinden können, eine Art Diasyste1n auf der Basis der Troubadour-Sprache jenseits der dialektalen Variabilität- jeder soll das einheitljche Schriftbild nach seiner Manier aussprechen können. In jüngerer Zeit gewannen die entsprechenden politischen Assoziationen immer 1nehr an

Bedeutung: Während der Felibrige eher rechts und traditionalistisch ist, orientieren sich die Anhänger der Graphie Estieu-Perbosc eher nach links, sie sind vereint im Protest gegen den Pariser Zentralismus. Ihr Zentrum ist Toulouse, Sitz des Institut d}Estudis Occitans, das 1945 nach dem Vorbild des Institut d}Estudis Catalans von Barcelona gegründet wurde. Die Spaltung zwischen »Provenzalisten« und »Okzitanisten>Halbmond« (croissant); größere Städte, die zum Croissant gehören, sind Gueret, Montluc;:on und Vichy. In den okzitanistischen Bewegungen rechnet man den Croissant zum okzitanischen Sprachgebiet hinzu, während er in den Handbüchern der Romanistik meist ausgeklammert wird.

Im Osten schiebt sich zwischen das Gebiet des Französischen und des Okdas Frankoprovenzalische, das man linguistisch als eigenständige romanische Sprache zu klassifizieren pflegt, dessen Varietäten soziolinguistisch aber den Status französischer Dialekte haben. Die Abstandsprache Frankoprovenzalisch wird hier, aus eingangs genauer dargelegten Gründen (s. Einleitung, 3.), nicht eigens berücksichtigt; es umfasst die Region Rhone-Alpes in Frankreich, das Aosta-Talin Italien und den größten Teil der französischsprachigen Schweiz. Wenn die Lage des Okzitanischen als prekär bezeichnet werden kann, so muss man die Situation des Frankoprovenzalischen als katastrophal klassifizieren. Außer im Aosta-Tal gibt es nirgends auch nur den Ansatz einer geziehen Förderung oder Pflege; ein Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer übergeordneten Einheit »Frankoprovenzalisch« in der Bevölkerung fehlt völlig, nun kann auch an keine literarischen Modelle der Vergangenheit anknüpfen; dementsprechend hat sich eine supradialektale Hochsprache nie etablieren können. In jüngster Zeit versucht man, vom Dialekt der Bresse (einer Region nordöstlich von Lyon) ausgehend einen schriftsprachlichen Standard zu schaffen und dafür den Sprachnam_en »Arpetanisch« (arpitan) in U1nlaufzu bringen. Dies sindjedoch Versuche einzelner Idealisten, diese sterbende Sprache im letzten Moment zu retten. Leider wird sie wohl bald nur noch in den Sprachatlanten und Grammatiken der Romanisten fortleben! zitanisc~1en

Das Okzitanische ist dialektal stark zerklüftet; die Unterschiede können zu wechselseitigen Verständnisbarrieren führen. In großen Zügen kann man die folgenden Hauptdialekte unterscheiden: die Gruppe der nördlichen Dialekte, nüt dem_ Limousinischen, dem Auvergnatischen und den Alpenmundarten; das Provenzalische im engeren Sinne; das zentrale Languedokische; und schließlich

128

Okzitanisch

Südwesten das Gaskognische. Die »graphie classique« sucht, wie schon gesagt, , ____ ,,, ____ "v-'-~·-----

supradialektalen Ausgleich, eine neutrale Orthographie, in der sich alle n 1 ~.1eKr~qJLc::uLlc::l wiederfinden können und die jeder auf seine Weise ausspricht. der Ausgleich immer so einfach möglich ist, muss allerdings bezweifelt werdenn die Unterschiede betreffen nicht nur das Lautliche, sondern auch die ---~·"'"""''"'"'""und

den Wortschatz, stellenweise sogar die Syntax. hnmerhin ist .es ein ernstzunehmender Versuch, die Sprache für die Anforderungen der heutigen Zeit tauglich 'zu machen, was nur möglich scheint, wenn eine allgemein verbindliche Schriftform mit den entsprechenden Ausbauregistern in den Schulen gelehrt werden kann. Der Abstand zwischen dem Gaskognischen und dem Rest der okzitanischen Dialekte ist besonders groß; es wäre durchaus zu rechtfertigen, das Gaskognische als eigenständige Sprache zu klassifizieren. Schon im Mittelalter galt es als lenguatge estranh »seltsame Sprache«; die Unterschiede haben sich seither eher noch vertieft als abgeschwächt. In der folgenden Darstellung muss daher das Gaskognische an vielen Punkten gesondert behandelt werden.

4.1 Verbreitung [4] Okzitanisch wird in vier Staaten gesprochen: Frankreich, Italien, Monaco und Spanien. In Frankreich gehört der gesamte Süden zum okzitanischen Sprachgebiet. Am besten verdeutlicht man sich die sprachliche Zweiteilung des Landes, indem man die größeren Städte beiderseits der Grenze aufzählt (immer in der Reihenfolge französisch bzw. frankoprovenzalisch I okzitanisch mit Einbeziehung des »Croissant>Tal-Tal«.

Okzitanisch

Sprecherzahl [zwischen 0.5 und 2 Mio.]

dje Zahl der Sprecher des Okzitanischen lassen sich keine verlässlichen &-n,a-::~r:1 en machen. Zu den üblichen Schwierigkeiten (wie zählt man Sprecher I

, ":.-aufbrechen« [par'ti] ca11t6n »Ecke« [kan'tu]

Dies gibt der Sprache ihren unverwechselbaren, sofort hörbaren Rhythmus, wie - Robert Lafont betont: »A premiere audition, l'occitan dans toutes ses formes est characterise par son accentuation paroxytonique.« (LRL: V, 2, 3). Eines der Merkmale der Dialekte des nördlichen Grenzgebiets, des »Croissant«, ist die Aufgabe dieses Betonungstypus und die Übernahme der generalisierten Oxytonie des Französischen.

4.7 Geminierung [nein, außer /r/ vs /rr/] Wie in den iberoromanischen Sprachen bleibt die konsonantische Quantität auf den Vibranten lrl beschränkt. Hier zwei Minimalpaare:

UNIVERSITAT STi.ITrGART INSTITUT

LINGU1STlK/RO!·AA~'~1STlK

Okzitanisch

135

marit »Ehemann« »er war>Fee« [fe]

~

paume »Handfläche« [porn] jeune »Fasten« [30n]

~

~

fait »gemacht« [fE] pamme »Apfel« [parn] jeune »jung« [3ren]

In _:rielen Kontexten sind diese Oppositionen neutralisiert; so wird vor auslautendem Ir/ und/v/immer offenes [o] und [ce], vor auslautendem /z/ hingege'n immer geschlossenes [o] und [0] gesprochen, zumindest in der Standardsprache. Die Behandlung der offenen und geschlossenen Vokale ist ein wichtiges Kriterium für regionale Akzente im ansonsten dialektfreien und relativ uniformen Französisch. Zum »accent du Midi« gehört es, dass die geschlossenen Vokale dort geöffnet werden; rase wird [Rozg] statt [Roz], Creuse [kRcezg] statt [kR0z] ausgesprochen. In Lyon realisiert man um_gekehrtfieuve »Strom« wie [fl0v] statt [flcev]. Die Opposition Iei ~ !EI spielt 1n der Verbalkonjugation eine wichtige grammatische Rolle; dort wird nämlich im Prinzip zwischen den Formen je ferai »ich werde nuchen « [3gfRe] und je ferais »ich würde machen« [3gfRE] differenziert zumindest im Prinzip, denn in der heutigen Umgangssprache hört man fast nur offenes t E] in beiden Formen. Die Unterscheidung von /a/ und Ia/ ist im weltweiten typologischen Vergleich selten; markant findet sich eine solche Differenzierung etwa im Persischen, wo allerdings die Tendenz herrscht, den geringen phonetischen Abstand zwischen den beiden Phonemen dadurch zu vergrößern, dass [a] zu [::e] palatalisiert und [a] zu [o] velarisiert wird. Im Französischen besteht eher die Tendenz, die typologisch rare Opposition einzuebnen, doch differenzieren auch heute noch viele Sprecher Minimalpaare wie die folgenden mithilfe der Vokalqualität (wobei allerdings die Quantität meist pnterstützend hinzukommt, denn Ia/ wird üblicherweise gelängt):

patte »Pfote« [pat] mal »schlechtMeister« [rnE:tRg]

differenzieren, muss es aber nicht unbedingt. Der phonemarische Status des Schwa-Vokals [g] ist umstritten. Man kann argumentieren, dass sein Vorkommen durch die lautliche Umgebung determiniert ist. Dabei geht es um das »Drei-Konsonanten-Gesetz«, wonach in einem

Französisch

ündel von drei oder mehr Konsonanten wenigstens ein h/ eingefügt werden uss. Dessen Platz kann variabel sein:

je le ftrai »ich werde es machen« [3glfRe] oder [3lgfRe] dieser Regel wird auch dann ein [g] eingefügt, wenn die Orthographie keinen Anhaltspunkt liefert:

match nul »Unentschieden« [rnatf gnyl] Den Schwa-Laut nannte man frühere muet; heute zieht man die Bezeichnungen

e instable oder e caduc vor. Wie viele Schwa-Vokale tatsächlich realisiert werden, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab und lässt sich nicht in absolute Regeln fassen. In der Metrik zählt [g] als Silbe und wird daher, wenn nicht konkret realisiert, zumindest »mitgedacht«. Der Schwa-Vokal kann auch in eine Position gelangen, in welcher der automatische Endakzent (s. u. 5.6) auf ihn fällt; in diesem Fall tendiert die Aussprache zu [0]:

fais-le! »tu es!« [fE'lg]

-+

[fE'l0]

Nasalvokale [4]

Neben dem Portugiesischen ist das Französische die einzige romanische Sprache mit einem synchron voll funktionalen System von Nasalvokalen. Während man im Portugiesischen alternative Beschreibungsmodelle bezüglich der N asalität erwägen kann, steht im Französischen der monophonemarische Charakter der Nasalvokale außer Frage. Reihen wie die folgende

beau »schön« [bo] ~ banne »gutf« [ban] ~ Beaune [bon] »Stadt in Burgund« ~

ban »gut « [bö] 111

belegen eindeutig, dass der Nasalvokal sowohl dem einfachen Oralvokal als auch der Kombination Oralvokal + Nasalkonsonant entgegensteht. Historisch war . dies nicht immer so: Die Schreibung nüt zwei -nn- ist sicher ein Indiz für frühere Nasalisierung: banne wurde [b5n] ausgesprochen, so wie die Aussprache von femme »Frau« als [farn] ja auch bis heute die frühere kombinatorische Nasalisierung [fdm] bezeugt. Das Inventar der Nasalvokale umfasst vier Phoneme:

IE-1 ~Ire!~ !öl~ /ö/ Historisch wurden die Nasalvokale »eingedunkelt« oder »abgesenkt«, was noch in der Orthographie ersichtlich ist; dabei gilt vereinfacht folgendes Schema:

Französisch

163

5

Die_ in der heutigen Umgangssprache zu beobachtende Tendenz von /Ci/ zu passt in dieses Gesamtbild. Die Opposition zwischen 181 und I& I, die nur auf der Eigenschaft[± det] des offenen Vorderzungenvokals beruht, ist in der heutigen Umgangssprache im Verschwinden begriffen, und zwar zugunsten des- typologisch weniger markierten - 181. Brun »braun>Halm«; dies ist aber nicht gravierend, da auf dieser Opposition nur ganz wenige Minimalpaare beruhen.

5.6 Akzentsystem [eins] >

Im Französischen ist der Endpunkt der Entwicklung erreicht, die wir bisher vom Portugiesisch-Spanischen über das Katalanische bis zum_ Okzitanischen nachgezeichnet haben. Die Reduktion von nachtonigem Lautmaterial ist vollständig. Es bleibt nur noch der okzytone Betonungstypus übrig, alles wird auf der letzten Silbe betont. Dabei bleibt ein phonetisch nachklingendes e caduc außer Betracht,da es phonologisch irrelevant ist. Im Unterschied zu allen anderen romanischen Sprachen ist der Akzent im Französischen also nicht mehr bedeutungsunterscheidend. Die Endbetonung wurde verallgemeinert und auch auf solche Fälle ausge- · dehnt, wo sie der Etymologie widerspricht. Dies ist sehr häufig der Fall in Latinismen, wo nachtonige Silben zwar wieder erscheinen, weil die Wörter direkt aus dem klassischen Latein entlehnt sind, aber jetzt den generalisierten Endakzent auf sich ziehen. Betrachten wir kurz zwei Beispiele mit der Endung -[cu. Im Lateinischen fiel der Akzent in Wörtern wie viatfcum oder musfca automatisch auf die drittletzte Silbe, weil die vorletzte kurz war. In der Romania hat sich dieser Akzent erhalten; Formen wie span. viaje I katal. viatge I ital. viaggio setzten viaticu voraus, musica geht auf lat. musica zurück. Im Französischen ist bei dem erbwörtlich entwickelten voyage nachtonig nichts mehr erhalten, der Akzent liegt auf der etymologisch korrekten letzten Silbe; musica hingegen wurde als Kultismus aus dem Schriftlatein übernommen, der etymologische Akzent auf der drittletzten Silbe war umnöglich geworden und musste daher auf die nun-

164

Französisch

letzte Silbe verschoben werden. So wurde musica zu musique [my'zik]- und auch die deutsche Musik [mu'zik] zu ihrer anti-etymologischen End' denn unser Wort ist aus dem Französischen entlehnt (wie noch MoSchreibweise Musique verdeutlicht). er extreme Lautverlust des Französischen, der letztlich auf den starken llLJ~"~..~'~~~-~~t

des germanischen Substrats zurückzuführen ist, wurde durch die Ausdifferenzierung des Vokalsystems teilweise kompensiert. So können wiefocus ~Jeu »Feuer« undfustus ~ fut »Stock« immer noch vonfalsus

Äfaux »falsch« differenziert werden, weil sich im Französischen die gerundeten Vorderzungenvokale 101 und lyl gebildet haben ([f0] ~ [fy] ~ [fo], vgl. beispiels. e span. fuego ~ Justo ~ falso). In sehr vielen Fällen kommt es aber trotz allem lautlichem Zusamm_enfall; das Französische ist geprägt von einer enormen Zahl von Homophonen, also gleichlautenden Wörtern mit verschiedener Beng. Die historisierende Orthographie, die im Wesentlichen den Lautstand 13. Jahrhunderts wiedergibt, dient zur graphischen Differenzierung zahlloser Homc>DtlOnLe und hat allein schon deshalb etlichen Reformversuchen erfolgwiderstanden. Man vergleiche zum Beispiel franz. sans I sang I cent »oh1 Blut I hundert« (alles [sö]) mit ital. senza I sangue I cento oder- noch extremer - franz. eau I haut I au >>Wasser I hoch I dem« (alles [o]) mit span. agua I alto I al.

Geminierung [ja]

Im Französischen geht es nicht, wie in der übrigen Westromania, um die Bewahrung einer alten Opposition lrl ~ lrrl, auch nicht, wie im Italienischen und Sardischen, um die feste Etablierung gelängter Konsonantenphoneme, sondern um Längungen, die sich im satzphonetischen Zusammenhang, gelegentlich auch in der Verbalmorphologie, ergeben und dann allerdings durchaus bedeutungsdifferenzierend sind. Die Geminierung ist in rascher Umgangssprache nicht obligatorisch, sie kann aber jederzeit zur Verdeutlichung und zur Vermeidung von Missverständnissen realisiert werden: il aime ~ ill 'aime »er liebt I er liebt sie« [ilErn - il(: )Ern] il courait ~ il courrait »er lief I er liefe« [ilkuRE - ilkuR:E] la dent ~ la-dedans »der Zahn I da drin« [lada - lad:a]

ils servent ~ ils se servent »sie dienen I sie bedienen sich« [isERV- is:ERv] (mit umgangssprachlichem Ausfall des -l) Im gesprochenen Französisch ist darüber hinaus oft eine emphatische Längung bestimmter Konsonanten zu beobachten, die aber keine phonologische Relevanz hat (c'est terrrible; mes chers colllegues).

Französisch

165

5.8 Palatalisierung [k+e, i ---7 ts ---7 s; k+a

---7

tJ ---7 f]

Wie das atlantische Spanisch, das Standard-Portugiesische, das Katalanische und das Okzitanische hat sich palatales lkl über die Affrikate ltsl zu ls/ entwickelt. Aus hispanistischer Perspektive kann man das Französische 'als Sprache mit seseo klassifizieren! Diese Entwicklung vergrößert noch die ohnehin schon große Homophonenfülle:

cent »hundertHaus« [caze]

cerza »Mahlzeit« [tfcna]

Kasus [nein; diachronische Relikte]

In den heutigen rätoromanischen Sprachgruppen gibt es keine voll funktionale Kasusflexion im eigentlichen Sinn. Allerdings sind Relikte des lateinischen Kasussystem_s an zwei Stellen noch erhalten. Zum einen findet man in der Pluralbildung noch Reste des lateinischen Betonungswechsels zwischen Nominativ Singular und Akkusativ Plural; hier ein Beispiel aus dem Oberengadinischen: PT

peccator--+ pchil:der

~

~

peccat6re5 --+ pchiaduor5p1 »Sünder>der Mann ist gut«

in cavagl vegl »ein altes Pferd>das Pferd ist alt«

tut ei fatg »alles ist getan« quei ei ver »das ist wahr« (~ il proverbi ei vers »das Sprichwort ist wahr«)

Diese Erscheinung ist strikt auf das Surselvische beschränkt. Im Engadinischert und den anderen Idiomen findet sich keine Spur davon: VL

ün chavagl vegl »ein altes Pferd«

~

il chavagl es vegl »das Pferd ist alt«

6.10 DOM [ja, partiell] Die Differentielle Objektmarkierung findet sich nur in einem einzigen der rätoromanischen Dialekte, nämlich im Unterengadinischen. Überall sonst ist sie unbekannt. Im Vallader allerdings ist sie voll ausgeprägt. Warum sie sich nur . dort entyvickelt hat, ist unbekannt; Kontakteinflüsse scheiden mit Sicherheit aus ebenso interne Systemzwänge. Es ist wohl so, dass DOM sich oft spontan

he~

raus bildet, weil sie in sprachvergleichender Perspektive ein häufiges, immer wiederkehrendes Muster der Kasusmarkierung ist. Zur Markierung belebter und definiter Objekte wird, wie meist in der Romania, die Präposition a verwendet, die auch zur Markierung des Dativs dient. Es folgen Beispiele, wobei das Surselvische, das keine DOM kennt, stellvertretend für die übrigen Dialekte als Kontrast zitiert wird: Ace+ obligatorisch beim Pronomen: VL davo traraja sü eir a tai »danach werde ich auch DICH hochziehen« VL

ss

nus invidain be ad ella, ad el brich nus envidein mo ella, el buc »IHN laden wir sehr wohl ein, SIE nicht«

Ace+ üblich bei Personenbezeichnungen: VL

il vegl vaiva lascha al pover mat

>>der Alte hatte den armenJungen zurückgelassen>es gibt keine Milch mehr«

il n'y a plus de lait

non c' epiä latte

6.13 Präteritum

[PS~ PC]

Das · h en . Rätoromanische gehört mit dem Französischen und den nordital 1·e n1sc Dialekten zu der Zone, in der das synthetische Perfekt des Lateinischen Weitest· gehend verschwunden ist. Die Verhältnisse haben sich in den einzelnen s h .. . prac raumen m1t unterschiedlicher Geschwindigkeit entwickelt ' aber das Ergeb lllS· 1S ·

heute überall gleich. Dabei gilt Folgendes: Nur in den beiden Dialekten des Engadin hat sich das PS schriftsprachlich bis ins 20. Jahrhundert gehalte n. E kann heute noch im Vallader und Puter in traditionellen Märchen oder in ps_eudo-historisierenden Kontexten verwendet werden, klingt aber manierier oder archaisierend. Im Roman war es noch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gebräuchlich; etwa zur Mitte des Jahrhunderts ist es dann definitiv zu einem stilistisch markierten Tempus geworden.

Zur Illustration führe ich das Ende der Fabel vom Raben und dem Fuchs auf Oberengadinisch an; zu der schriftsprachlich-traditionellen Form des PS wird die mngangssprachlich-moderne Form des PC in Klammern hinzucrefügt· b wie zu sehen ist, haben sich im PS analogisch vereinfachte Formen auf -t ausgebreitet: PT

tuot lusingio da quistas lodavaglias, il corv vulet (ho vulieu) Jer udir sa bella vusch, avrit (ho aviert) il pical e's mettet (s'ho miss) a sbragir: »Qua, qua ... «, ma inaquella il tschigrun crudet (es crudo) per terra, e la vuolp nu Jet (ho Jat) ne üna ne duos e'l maglief (l 'ho maglio).

(Liver 1983: 172) »Ganz geschmeichelt von diesen Lobreden wollte der Rabe seine schöne Stimme hören lassen, öffnete den Schnabel und begann zu krächzen: >Kra kra ... >Sie kamen an, als das Boot kam. Es war dort; sie setzten sich in das Gras,

-

um auf es zu warten.«

St

s

s n t s -

s S · ' -

i

m n r s

Auxiliarien [esse+ habere; PPP variabel ~invariabel]

Wie in vielen anderen romanischen Sprachen wird bei intransitiven Verben das Hilfsverb »sein«, bei transitiven hingegen »haben« verwendet; dabei kongruiert das Partizip im ersten Fall mit dem Subjekt, im zweiten mit dem Objekt, allerdings nur, wenn dieses dem Partizip in pronominaler Form (jedoch nicht als Relativpronomen) vorangeht. Es folgen Beispiele aus dem Oberengadinischen: PT

el es turno ~ ella es turne da >>er I sie ist zurückgekehrt« el ho lavo la roba »er hat die Kleidung gewaschen«

tü ans hest invidos ~ tü hest invido a nus »du hast uns/UNS eingeladen« las chartas cha tü Iust scrit nu'm pleschan »die Briefe, die du geschrieben hast, gefallen mir nicht«

(vgl. franz. les lettres que tu m 'as ecrites ne me plaisent pas) Die Unveränderlichkeit des Partizips ist hier weiter vorangeschritten als im Französischen, ohne bereits völlig verallgemeinert zu sein, wie etwa im Spanischen. Im Surselvischen wird das Partizip beim Irrtransitivum nach der generellen Regel für prädikative Adjektive behandelt (s.o. 6.9); das bedeutet, dass im Maskulinum Singular die aus dem Lateinischen bewahrte Endung -s angefügt werden muss, sie darf hier also nicht n1.it dem Plural-s verwechselt werden: SS

el ei arrivaus >>er ist angekommen« nua ei el stats »wo ist er gewesen?«

Rätoromanisch

189

Eine Besonderheit ist es, dass das Partizip nicht nur mit dem Akkusativ-, sondern fakultativ auch mit dem Dativobjekt kongruiert, natürlich immer nach der ge~ p_erellen Regel, dass dieses pronominal voranstehen muss: PT

el ho dit sieu parair a las mattas ~ ellas ho ditl dittas sieu parair »er hat den Mädchen/ihnen seine Meinung gesagt«

6.15 Subjektklitika [ja] In diesem Punkt stimmt das Rätoromanische mit dem Französischen und den norditalienischen Dialekten überein; überall in dieser Zone wurden Pronomina in Subjektfunktion klitisiert, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Im Bereich des Rätoromanischen muss wie immer zwischen den einzelnen Dialekten differenziert werden. Wir beobachten eine Gradation der Klitisierung von Westen nach Osten. Ganz im Westen, im Surselvischen, sind Subjektklitika unbekannt. Dazu muss gesagt werden, dass es in diesem Dialekt, abweichend von fast allen anderen romanischen Sprachen, auch keine Objektklitika gibt. Unter dem Einfluss des Deutschen wurden hier die klitischen Objektpronomina durch nicht-klitische ersetzt. Das Fehlen der Subjektklitika liegt damit auf einer Linie. Die Entklitisierung der Objektpronom.ina ist in der Romania ein ganz besonderes Phänomen; eine vergleichbare Tendenz findet sich nur im umgangssprachlichen Portugiesisch von Brasilien (s.o. 1.15); dort ist der Kontext natürlich ein ganz anderer, es handelt sich um typologische Parallelen, die historisch in keinerlei Zusammenhang stehen. Wegen der Auffälligkeit dieses Phänomens in der Romania folgen hier Belege für nicht-klitische Objektprononüna im Surselvischen (nachBec II, 338 ff.): SS

quels affons cloman mei >>diese Kinder rufen mich« (ohne besondere Betonung des Objektpronomens, der Satz wäre auf Französisch einfach ces enfants m'appellent, mit klitischem Pronomen)

el ha anflau el »er hat ihn gefunden« (auf Spanisch wäre dies 0 bj ektpronomen)

190

Rätoromanisch

ez lo ha hallado, mit freiem Subjekt- und klitischem

il Segner haveva priu el enta parvis »der Herr hatte ihn ins Paradies aufgenommen« (?-ufltalienisch wäre dies il Signore l'aveva preso nel paradiso) ·ter im Osten, im Sutselvischen, Surmeirischen und den beiden Idiomen des · sowie darüber hinaus im Ladinischen nördlich des Seila-Massivs (Gaund Grödnertalisch), finden sich Subjektklitika nur bei Inversion, also enklitischer Position nach dem Verb. In den ladinischen Dialekten südlich des -Massivs, also im Fassanischen, Buchensteinischen und Ampezzanischen, die Klitisierung verallgem_einert, es bildeten sich proklitische Formen. selbe gilt ganz im Osten für das Friaulische, wo, ebenso wie in den norditaen Mundarten, das proklitische Subjektpronomen stets obligatorisch ist, wenn im Satz ein nominales Subjekt steht. Damit ist am Ende der Skala das · ehe Pronomen zu einem festen Bestandteil einer neuen, partiell präfigieVerbkonjugation geworden. Ausgewählte Beispiele sollen dies verdeutlichen. Dabei muss hinzugefügt er, dass die dialektale Situation gerade in diesem Punkt besonders unüber'" 51 ,3mncll

und komplex ist; hier können nur die großen Linien herausgearbeitet

Klitisierung bei Inversion (Enklise): freies Pronomen vor dem Verb ~ enklitisches Pronomen nach dem Verb

eau müd »ich verändereRedundanter« Gebrauch des enklitischen Pronomens nüt freiem Subjekt

(clitic doubling, Supplementarität von klitischem Pronomen und Subjekt): igllungatg san-i nigns >>die Sprache kennt niemand« (das Subjektklitikum der 3. Person -i steht supplementär zum freien Subjekt nigns »niemand«) - Generalisierung der Proklise des Subjektpronomens, Enklise bei Inversion noch im Fragesatz:

l sona la tromba >>die Posaune ertönt« s6nella tromba? >>ertönt die Posaune?«

Rätoromanisch

191

- Proklitisches Pronomen

~

präfixale Konjugation:

FR

tu, no tu vens »DU kommst nicht« (das freie Pronomen tu ist formgleich mit dem Subiektklitikum tu ' w o be1. J letzteres aber unbetont und strikt an das Verbum gebunden ist)

FR

un om al veve doi fis »ein Mann hatte zwei Söhne>Sier sind Friaulerin>fur Dich, Mutter, unternehme ichjede Anstrengung« cun V8, parone, 110 si po fevela »mit Ihnen kann man nicht diskutieren>Gastarbeiter« angewendet hat. In der Schweiz ist das Italienische eine linguafranca geworden, also eine interethnische Verständigungssprache zwischen llnmigranten verschiedenster Herkunft, von Spaniern über Serben und Albaner bis zu Türken und Arabern; bei den Spaniern (die in Wahrheit meistens Galicier sind) haben sich die beiden so eng verwandten Sprachen zu einer fast -unauflöslichen Einheit verbunden. Der Stadtteil Little Italy in New York ist internatior::!l bekannt, genauso wie die wichtige Rolle italienischer Einwanderer und ihrer Nachfahren in den USA. Besonders bedeutsam war die italienische Immigration in Argentinien zwischen r88o und I9JO. Schätzungsweise ein Drittel der argentinischen Bevölkerung ist italienischer Herkunft. Italienische Elemente sind in großer Zahl in das lokale Spanisch eingedrungen. In Buenos Aires hat sich eine Mischform zwischen Spanisch und Italienisch herausgebildet, die eine gewisse Stabilität erlangt hat, das sogenannte Cocoliche, angeblich benannt nach einem Immigrantennamens Antonio Cuccoliccio. Diese Varietät des Spanischen ist nicht nur auf der lexikalischen Ebene von Italianismen geprägt (darunter besonders viele Elemente aus dem Genuesischen), sondern auch auf der phonetischen; so wurde beispielsweise der velare Frikativ /x/ durch /k/ ersetzt (mujer [mu'kere]). Im Norden Argentiniens wird in einigen Regionen (C6rdoba, Santa Fe, Rosario) noch Piemontesisch gesprochen und besonders gepflegt; es gibt Kulturvereine für die Pflege von Brauchtum und Sprache, und auch in Italien hat man die Piemontesen der argentinischen Pampa neu entdeckt. So ist das Italienische zu einer Weltsprache besonderer Art geworden.

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7.1 Verbreitung [7] Das Italienische ist Nationalsprache in Italien sowie in dem Zwergstaat San Marino. In der Schweiz ist es eine von vier Landessprachen, mit offizieller Geltung nicht nur im zur Gänze italienischsprachigen Kanton Tessin, sondern auch

Italienisch

205

im Kanton Graubünden, dessen südliche Talschaften ebenfalls na..uems:chsn,....; .,'. ehig sind (s. u. 7.3). Im Vatikanstaat, der 1929 als Nachfolgeinstitution des cpenstaates gegründet worden ist, gilt ebenfalls das Italienische als Sprache. Enzykliken und sonstige offizielle Dokumente, die sich an die we_ite katholische Kirche richten, sin~ allerdings nach wie ~or primär nisch abgefasst. Das Italienische hat in den beiden unmittelbar an Italien angrenzenden Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien, in Kroatien und Slov-enien, den Status einer staatlich anerkannten Minderheitensprache; dies gilt fur die grenznahen Gebiete auf der Halbinsel Istrien. In Form des Korsischen ist es in Frankreich als anerkannte Minderheit präsent. Das Italienische ist in zahlreichen weiteren Staaten vertreten, ohne offiziellen Status zu besitzen. Als Kuriosität sei vermerkt, dass es in der südost-brasilianischen Stadt Santa Teresa (im Staat Espirito Santo) als »ethnische Sprache« offiziell anerkannt ist und dass dort der Unterricht auf Grundschulniveau in italienischer Sprache erteilt wird.

7.2

Sprecherzahl [Primärsprecher: ca. 60 Mio.; Geltungsbereich:

ca. 60 Mio.] Von den 58.462 Millionen Einwohnern Italiens sprechen rund 53 Millionen (ca. 91 %) das Italienische (bzw. einen italienischen Dialekt) als Primärsprache. In der Schweiz zählt man 0.562 Millionen Sprecher des Italienischen, das entspricht ca. 7,5% der Gesamtbevölkerung von 7.461 Millionen. San Marino mit seinen 29.000 Einwohnern ist einsprachig italienisch. Die italienische Diaspora in der Welt lässt sich zahlenmäßig nur ganz grob abschätzen. In der folgenden Zusammenstellung werden die größten Gruppierungen von Italienern außerhalb des italienischen Sprachgebiets aufgeführt:

Brasilien

0.752

1

· A ~Q~ntAtfien>i"

O:fß47'

Deutschland

0.613

l(anact9

0.537

Australien

0.437

';'Frankreich

o.2s·a

Belgien

0.252

Kleinere Kolonien von italienischen Emigranten finden sich in vielen weiteren Ländern rund um die Welt.

206

Italienisch

1.492 0.722 (0.702 Friaulisch, 0.020 Ladinisch) 0.302 0.302 0.117. 0.117

· es in allem halten sich die Abzüge für die Menschen in Italien, die Italienisch als Muttersprache sprechen, und die Zuschläge für die Italienischsprecher . au..u-.- ... u~-·-

von Italien in etwa die Waage, sodass die oben angegebenen Zahlen '"'·''-\NI.. U" rund 6o Millionen für Primärsprecher und Geltungsbereich) ein realis'!,tisches Bild der gegenwärtigen Situation dieser Sprache bieten dürften.

·7.3

Status [offiziell 2, kooffiziell 3, anerkannte regionale Minorität 3 (4), minoritär in zahlreichen Staaten]

Das Italienische ist offizielle Staatssprache in Italien und in dem innerhalb Italiensgelegenen Zwergstaat San Marino. Es hat, in ganz unterschiedlichen Konstellationen, kooffiziellen Status in den folgenden drei Staaten: - In der Schweiz ist es eine von drei offiziellen Sprachen, neben dem Deutschen und dem Französischen (das Rätoromanische ist die vierte >>Landessprache«, es hataber nicht den Status einer offiziellen Sprache). De jure ist das Italienische 1nit dem Deutschen und Französischen gleichberechtigt, de facto ist es allerdings nachgeordnet. Publikationen des Bundes werden üblicherweise zweisprachig deutsch-französisch ediert, diese beiden Sprachen dominieren auch im mündlichen Gebrauch, etwa bei Parlamentssitzungen. Das Italienische spielt allerdings als lingua Jranca unter den zahlreichen Immigranten verschiedenster Herkunft in der Schweiz eine wichtige Rolle. Bezüglich der schweizer Kantone sei noch Folgendes präzisiert. Das Tessin ist einsprachig italienisch. Graubünden ist dreisprachig deutsch-rätoromanisch-italienisch; drei Distrikte gelten dort offiziell als italienischsprachig, und zwar von Westen nach Osten: Misox (Roveredo), Maloja (Bergell) und Bernina (Puschlav). In diesen drei südlichen Talschaften von Graubünden werden Varietäten des Lombardischen gesprochen, also einer »Sprache«, die offiziell als »Dialekt« des

Italienisch

207

Italienischen gilt. Ein Sonderfall ist die in Zentral-Graubünden gele gene Gemeinde Bivio, in der sich, wie der Name schon sagt, die »Wege kret:lZ enSie, wie heißen Sie?«

_ Im Piemontesischen werden die Pronomina der 3. Person chiel (maskulin) und

chila (feminin) für die höfliche Anrede benutzt. Das bedeutet, dass hier systematisch nach dem Geschlecht der angeredeten Person differenziert wird, im Unterschied zur Mehrzahl der romanischen Sprachen. Ein Beispiel (Villata I99T II9):

PM

Monsu Ross, chiel a l 'e stait al mar? E chila, madamin Ross, a l 'e stata an montagna? »Herr Rossi, sind Sie am Meer gewesen? Und Sie, Frau Rossi, sind Sie im Gebirge gewesen?«

Im Unterschied dazu dient im Lombardischen das Pronomen der 3· Singular Maskulinum als höfliche Anrede für Personen beiderlei Geschlechts. - Im Sizilianischen hat sich aus Vossa Signoria die Form voss{a gebildet, die zur allgemeinen Anredeform geworden ist, auch gegenüber niedrigergestellten Personen. Die Abwertung dieser Form ist fast mit der des spanischen vos in Lateinamerika vergleichbar. Eine echte Höflichkeitsform wurde dann vos-

cenza von Vossa Eccellenza. Allerdings ist heute unter dem Einfluss der Nationalsprache Lei überall auf dem Vormarsch. Für die höfliche Anrede mehrerer Personen steht das Pronomen Loro der 3. Plural zur Verfügung. Allerdings wird sowohl in der Standardsprache als auch in den Dialekten üblicherweise die 2. Plural voi verwendet. Loro wirkt sehr distanziert und formell,- es wird daher im Alltag, wenn möglich, vermieden. Demgemäß wird umgangssprachlich zwar im Singular, nicht aber im Plural zwischen höflichen und vertrauten Anredeformen differenziert. Dies lässt sich abschließend am Beispiel des Standard-Italienischen und des Piemontesischen mit den folgenden Schemata verdeutlichen:

Italienisch

223

SI

Singular

Plural

vertraut

tu

voi

höflich

Lei

voi (Loro)

PM.

224

,_,

·-Singular

Plgral

vertraut

ti

vojauti

höflich

chieljchilar

vojauti (lor)

Italienisch

Sardisch

präsentation und externe Sprachgeschichte

Das Sardische ist eine romanische Sprache ganz eigener Prägung, im Zentrum der Romania zwischen Westen und Osten gelegen, aber zugleich auch randständig, denn Sardinien ist die vom Festland am weitesten entfernte Insel des Mittelmeers, ein »kleiner Kontinent« (piccolo continente) mit archaischen Gesellschaftsstrukturen bis fast in unsere Gegenwart. Linguistisch gesehen ist es völlig nn:stntw::r, dass Sardisch eine eigenständige Sprache ist, aber politisch-kulturell wird es eher als »Dialekt« des Italienischen wahrgenommen. Das Sardische steht erst seit dem r8. Jahrhundert qnter italienischer Dominanz, davor war es dem Katalanischen und dem Spanischen unterstellt. Dennoch gilt es in der Außenwahrnehmung bei Vielen immer noch einfach als dialetto: Das Sardische, die größte Minderheitensprache in Italien, hat es schwer, als eigene Sprache anerkannt zu werden. Vom Standpunkt der vergleichenden Romanistik ist es von zentraler Bedeutung, obgleich sich dies in den universitären Lehrplänen nicht niederschlägt. Das Bild der romanischen Sprachen bleibt gravierend unvollständig, wenn man das Sardische nicht berücksichtigt. Kenntnisse über diese Sprache i

sind immer noch viel zu wenig verbreitet. Das Sardische wird autochthon (d. h. ohne Auswanderung) ausschließlich auf der Insel Sardinien gesprochen. Die Sprachsituation auf der Insel ist jedoch komplex, das Sardische ist nicht die einzige Sprache der Insel. Es ist sinnvoll, vor der Behandlung des Sardischen im eigentlichen Sinn kurz die Sprachen aufzuzählen, die außerdem noch auf der Insel präsent sind. Es sind dies: - das Sassaresische, gesprochen in Sassari und Porto Torres, Sorso und Stintino. Im Mittelalter war Sassaresisch integraler Bestandteil des Kontinuums der logudoresischen Dialekte im Norden Sardiniens; es wurde dann unter pisanisehern 'Einfluss toskanisiert und erlangte so in der Neuzeit seine heutige Form. Das Sassaresische hat keinen eigenständigen Ausbau, abgesehen von lokal begrenzten Dichtungen. Die Gemeinden Sorso und Sennori grenzen unmittelbar aneinander; dass in Sorso Sassaresisch, in Sennori aber Logudoresisch gesprochen wird, ist allen Bewohnern bewusst, die Sprachgrenze kann man praktisch mit dem_ Lineal von einer Straße zur anderen abzirkeln.

Sardisch

225

das Algheresische, gesprochen von etwa der Hälfte der ca. 40.000 Einwohner Algheros (katal. I:Alguer) im Nordwesten der Insel. Algheresisch ist ein katal.anischer Dialekt, der mit der Eroberung durch den aragonesischen König Pedro el Ceremonioso im Jahre 1354 auf die Insel kam und sich seither in seiner re~ativ isolierten Lage weit abseits der nächsten sardischsprachigen Dörfer hat halten können. Algheresisch wird literarisch kultiviert, wenn auch nur auf der· Stufe der Dichtung, nicht der erzählenden Prosa. Der lokale Dichter Rafael Sari (r904 -r978) hat authentischen literarischen Rang; er schrieb zunächst in seinem lokalen Algheresisch nach den orthographischen Normen des Italienischen, lernte dann das Standard-Katalanische kennen und wechselte zu den Regeln der Sprache von Barcelona. 26 Injüngerer Zeit hat die katalanische Regierung die vergessenen »Landsleute« auf Sardinien neu entdeckt und vergibt Stipendien an junge Algheresen für ein Studium in Barcelona. das Galluresische, gesprochen im Nordosten der Insel in der Korsika gegenüberliegenden Landschaft Gallura. Die Gallura hat ihren Namen angeblich davon, dass man die »Hähne« (gallo »Hahn«) auf der anderen Seite der Meerenge v.on Bonifazio krähen hört; in Wirklichkeit handelt es sich natürlich um den Reflex einer präromanischen (und sogar präindogermanischen) Substratsprache, wo die Wurzel gal I kal >>Bergkamm« bedeutet: Die Gallura ist eine dünn besiedelte, waldreiche Gebirgsregion. Im r8. Jahrhundert war sie infolge einer Pestepidemie weitgehend entvölkert, sie wurde vom nahe gelegenen Korsika aus neu besiedelt. Das Galluresische ist ein südkorsischer Dialekt, der seit etwa zweieinhalb Jahrhunderten vom Korsischen der Nachbarinsel getrennt ist und daher einige Besonderheiten aufweist. Auf Galluresisch gibt es lokale Dichtung, aber keinen wirklich eigenständigen Ausbau. 27 das Carlofortinische oder tabarchino, ein ligurischer Dialekt, der von einer Kolonie genuesischer Fischer auf die Inseln Carloforte und San Antioco im äußersten Südwesten Sardiniens gebracht worden ist. Das Carlofortinische gehört zu den Dialekten ligurischer Herkunft, die auf den tyrrhenischen Inseln an mehreren Stellen Minderheiten in der Minderheit bilden, so wie in Bonifazio an der Südspitze von Korsika und in Nicosia auf Sizilien (s. o. 7.). Der gesamte Rest der Insel wird vom Sardischen eingenommen. Dies ist eine autochthone romanische Sprache, bei der es keinerlei historische oder linguis-

226

26

Auf der beigefügten CD findet der Leser auch eine Probe des algheresischen Katalanisch.

27

Heute wird in der Region ohnehin eher Englisch oder Arabisch als irgendetwas anderes gesprochen, denn dort liegt die Costa Smeralda, das Ghetto der Superreichen.

Sardisch

Gründe gibt, sie als »Dialekt« des Italienischen zu klassifizieren. Nicht nur seines Abstandes vom italienischen Diasystem, sondern auch wegen spezifischen Entwicklung und wegen des Bewusstseins zumindest eines der. Bevölkerung ist das Sardische klar eine völlig eigenständige romanische Dennoch wird es manchmal noch von den Sarden selbst als dialetto dem

, 1 f'-'~''~u als lingua gegenübergestellt. Sardinien gehört seit fast dreihundert zu Italien, wo durchweg Diglossie-Situationen mit höchst unterschiedlichen Sprachen bestehen; daher wird das Sardische dort oft als Repräsentant dieser Konstellation gesehen, als ein Dialekt unter vielen. Sardisch wird in zwei Hauptvarietäten gesprochen, die ihrerseits in zahlreiche Subvarietäten zerfallen. Die wichtigste Sprachgrenze verläuft ziemlich genau in der Mitte der Insel von West nach Ost; sie trennt die sardischen Dialekte in einen nördlichen und einen südlichen Bereich. Die Nord-Dialekte bezeichnet man als »logudoresisch (>)

4 3 2 1 Im Sardischen wird regulär nur die vorletzte und drittletzte Silbe betont. Endbetonung, wie wir sie aus allen übrigen romanischen Sprachen kennen, ist hier nicht gegeben, weil keine auslautenden Vokale des Lateinischen ausgefallen sind. Die einzige Ausnahme ist der eben schon erwähnte Vokativ: In der Anredeform von Namen wi!d alles, was nach der letzten Tonsilbe steht, abgeschnitten; durch diese Trunkation kommt es automatisch zur Endbetonung. Außerdem wird das aus dem Spanischen oder Katalanischen entlehnte höfliche Anredepronomen , boste ebenfalls auf der letzten Silbe betont. Die Endbetonung ist für Anredeformen reserviert und somit im System marginal. Ansonsten wird bei aus dem Lateinischen ererbten einsilbigen Wörtern, die eigentlich auf dieser einzigen Silbe akzentuiert, also endbetont sind, wenn sie aufVokal enden, ein sogenannter »fester paragogischer Vokal>ich gebe«; tu ~ tue »du«; chi ~ chie »wer« peroe »aber« (+----- ital. pero); chissae »vielleicht« (+----- ital. chissa)

Wenn dem Vokal noch ein Konsonant folgt, wird ein »mobiler paragogischer Vokal« (vocale paragogica mobile) angefügt, ein Echo, das den Vokal der letzten Silbe wiederholt, zuweilen auch ein generalisiertes -e. Auch hier kommt es zu dem Effekt der Vermeidung der Endbetonung:

Sardisch

233

LO

non~ nono »nein«; cras ~ crasa »morgen«; est ~ este »er istich habe (meinen) Vater getroffen«

Ace- bei näher determinierten sowie indefiniten Personenbezeichnungen: LO

an saludadu eussu sfndieu >>sie haben diesen Bürgermeister begrüßt« apo obiau su nonnu de issu »ich habe seinen Paten getroffen«

CM

ant eirehau cuddajemina »sie habenjene Frau gesucht« at sparau e mortu unu Juruncu >>er hat auf einen Dieb geschossen und ihn getötet« (in den ersten drei Sätzen müsste auf Spanisch die Präposition a stehen)

Ace+ bei Personen~ Ace- bei Tieren: LO

a mortu a Serbadore

~

a mortu su lupu

»er hat Salvatore getötet«

~

»er hat den Wolf getötet«

(aus der Ballade eines schriftunkundigen nuoresischen Hirten) Gelegentlich findet sich in älteren Texten die Präposition sogar bei q.bstrakten Begriffen. Das folgende Beispiel stammt aus einem Pas.sionsspiel des 17. Jahrhunderts. Die Juden klagen Jesus vor Pilatus an und werfen ihm unter anderem Folgendes vor: LO

238

no tfmidi a giustitzia

no osservada derettus

»er fürchtet nicht die Gerechtigkeit«

>>er beachtet nicht die Gesetze«

Sardisch

wird hier die Gerechtigkeit als personifizierte »Justitia« gesehen und daher die Präposition, die bei der allgemeinen Erwähnung von »Gesetzen« Es folgen zwei Beispiele von Ace+ beim Personalpronomen aus Sassaresischen und galluresischen (GU) Originaltexten: si ti voi cunsula, no emegliu' eh' ami a me? »wenn du dich trösten willst, ist es dann nicht besser, dass du MICH liebst?« eomu possu eride mai chi tu a me di chissu modu tratti »wie kann ichjemals glauben, dass DU MICH auf diese Weise behandelst?«

Artikel [prae; ipse; POSS+]

in den anderen romanischen Sprachen, mit Ausnahme des Rumänischen, ist der Artikel dem Nomen vorangestellt. Im Unterschied zu allen anderen romanischen Sprachen, mit Ausnahme bestimmter katalanischer und okzitanischer Dialekte (s.o. J.II, 4.rr), ist er aber nicht vom lateinischen ille, sondern von dem. in spätlateinischer Zeit konkurrierenden ipse abgeleitet. Die Formen differieren di~lektal:

Während im Logudoresischen auch im Plural nach Genus differenziert

wird, hat das Campidanesische im Plural eine Einheitsform. Die Formen sind: su sa I sos sas su sa I is Dies ist ein markanter, auf den ersten Blick sieht- und hörbarer Unterschied zwischen den beiden Hauptdialekten, der in einer übergreifenden Norm kaum . zufriedenstellend vereinheitlicht werden kann. Das Possessivum steht immer nach dem Substantiv, und

die~es

wird stets vom

bestimintt:;n Artikel begleitet, außer, wie im Italienischen, bei Verwandtschaftsbezeichnungen: babbu meu »mein Vater«, su eaddu tuo »dein Pferd«, sa maehina issoro »ihrP1 Auto«.

· 8.12

Partitiv [ja, minimal]

Der Gebrauch des Partitivs im Sardischen ist mit dem Katalanischen vergleichbar. Im Sardischen haben sich, ähnlich wie im Katalanischen, Italienischen und im Gallo-Rom.anischen, Pronominaladverbien herausgebildet, und zwar bi für

Sardisch

239

Dativ und Lokativ (vgl. franz. y) sowie LO nde I CM ndi für Genitiv und Part· . 1t1v (vgl. franz. en). In Verbindung mit letzterem kom.n1.t der Partitiv mit de vor e . ' r Ist

abe_r auf diesen konkreten: Kontext beschränkt. Hier nur wenige Beispiele: LO

de petta no11 bi nd'at meda »Fleisch(, davon) gibt es nicht yiel« bi nd'aiat dezentel »es gab vielleicht Leute!«

CM

de acua frisca, ndi bollis? >>frisches Wasser, magst du etwas?« non ti ndi donu de rnela >>Äpfel gebe ich dir nicht>Segnore, amus intesu su bandu reale«. »Als König Barbarus, wir wir gesagt haben, in Korsika angelangt und an Land

gegangen war, brachen viele Sarden unverzüglich auf, um dem Herrscher ihre Aufwartung zu machen; von diesen klagten einige die Heiligen bei König Barbarus an, zu dem sie sagten: >Herr, wir haben den königlichen Erlass vernommen.Als was erscheint dir meine Stimme?Wenn ich dich nicht kennen würde, antwortete er, wäre auch ich furchtsam geflohen; die Riesenstimme verschwand, doch bist du eine Ameise im Handeln.dann wechselten wir die Lagerstätte und stiegen von da nach s'Erbitta hinab; die Gefährten ließen wir alle zurück und blieben ganz allein; ein unheilvoller Stern begleitete uns zu diesem schrecklichen einsamen Ort.« · in anderen romanischen Sprachen ist das Verschwinden der älteren Formen PS hier nicht vollständig; im gehobenen dichterischen Stil kommen sie gedich noch vor, sie verleihen dem Werk dann einen archaischen, feierlichen Insgesamt aber ist das PC die einzige Form, die heute die Funktionen des Perfekts als auch des Aorists erfüllt.

Auxiliarien [esseintr: PPP +variabel; haberetrans: PPP ±variabel]

In diesem Punkt stimmt das Sardische mit dem Italienischen überein. Der ursprüngliche Zustand ist bewahrt, das PC wird bei intransitiven Verben mit dem .Auxiliar essere, bei transitiven Verben hingegen mit dem Auxiliar aere gebildet. Partizip wird an das Subjekt des Intransitivums angeglichen; Beispiele finsich in dem soeben zitierten Text von Pietro Piga (semus falaos I restaos ~ amus

iau). Weitere Beispiele: b'est andadu Mariu »Mario ist dorthin gegangen« est torrada Caderina »Katharina ist zurückgekehrt« Partizip des Transitivun1s sind die Regeln komplexer. Mit einem nominalen Objekt bleibt es nonnalerweise unverändert:

apo mortu sa baca »ich habe die Kuh getötet« amus istudadu sa _fiama »wir haben die Flamme gelöscht« Mit einem pronominalen Objekt der r./2. Person ist der Gebrauch schwankend:

po maca m'at pigau I pigada? »hält er michfem für verrückt?« (wörtlich »für verrückt hat er michfem genommen?«)

Sardisch

243

Bei pronominalem Objekt der 3. Person hingegen muss das Partizip

0

risch angeglichen werden: EO

CM

non los apo agattados >>ich habe sie nicht gefunden« sa tanca l 'apo cornporada »das Feld habe ich gekauft« non dd 'as castiada, sa picioca? »hast du die Kleine nicht beschützt?« sas fentanas fiuint serradas e nernus ddas iat abertas »die Fenster waren geschlossen, und niemand hatte sie geöffnet«

8.15 Subjektklitika [nein]

Subjektklitika sind im Sardischen unbekannt.

8.16 Anredeformen [4: tu I 2pl I 3sgnoml 3sgpronom]

Die Höflichkeitsformen des Sardischen sind bislang ungenügend erforscht. Das System enthält vier Stufen oder Graduierungen, was innerhalb der Romania ein Maximum. darstellt. Allerdings weisen diese Formen eine ganz unterschiedliche Vitalität auf, und sie sind aus fremden, politisch dmninanten Sprachen entlehnt.30 Im Logudoresischeri sehen die Verhältnisse so aus: Dies ist die Basisanredefoim, die in den meisten konkreten Situationen

tu:

verwendbar ist; wie im Rest Italiens hat sich auch in Sardinien das Duzen bois:

in den letzten Jahrzehnten stark ausgebreitet. Die traditionelle 2. Person Plural, die im Italienischen mittlerweile nahezu verschwunden ist, wird in Sardinien noch im Umgang mit der älteren Generation verwendet, sofern man einen gewissen Respekt zum Ausdruck bringen will; sie gilt darüber hinaus im Gebet für die Anrede der Gott-

heit. boste: Diese aus dem Katalanischen entlehnte Höflichkeitsform wird für den Umgang mit Respektspersonen verwendet, die einer gehobenen Gesellisse:

schaftsschicht angehören. Das Pronomen der 3· Person Singular ersetzt reverentielle Nominalformen wie »Euer GnadenJ

lu un om (GEN)

omul

----)>

omu

fata

----)>

omului

~

la omu (DAT)

fetei

----)>

lafeata (DAT)

----)>

lu omu (GEN)

----)>

lufeata (GEN)

----)>

lu unafeata feata

(GEN) -----

-· -

Im Megleno-Rumänischen ist die Entwicklung hin zum analytischen Sprachtyp, wie wir ihn aus dem Italienischen, Spanischen usw. kennen, am konsequentesten vollzogen worden. Ob dieser Wandel dem Einfluss des Mazedonischen zu verdanken ist, sei dahingestellt. Einerseits ist es richtig, dass das Mazedonische (zusammen mit seiner Schwestersprache Bulgarisch) die einzige Slavine ist, die den analytischen Sprachbau verallgemeinert hat; andererseits ist das Kroatische synthetisch geblieben, und das IR hat dennoch den Analytismus weit vo~angetrieben. Es handelt sich wohl in jedem Fall um interne Entwicklungstendenzen, die von benachbarten Sprachen allenfalls verstärkt, nicht jedoch ursächlich ausgelöst worden sind.

9.10 DOM [DR: ja; AR, MR, IR: nein] Die Differentielle Objektlnarkierung ist ein für das Standard-Rumänische charakteristisches Phänomen; sie fehlt jedoch in den süddanubischen Varietäten. DOM im Dako-Rumänischen ist sowohl morphologisch als auch syntaktisch grundverschieden von DOM in der westlichen Romania. Zunächst ist die verwendete Präposition eine andere: Im Rumänischen wird nicht a benutzt, sondern pe, das in der älteren Sprache noch pre lautete, also aus lateinisch per entstanden ist. Syntaktisch sind zwei Punkte hervorzuheben. Zum einen ist das Wechselspiel zwischen Artikel und Präposition anders als in der übrigen Romania: Wenn das Objekt nicht näher spezifiziert ist, schließen sich pe und derbestimmte Artikel gegenseitig aus; die Präposition ist schon hinreichend zum Ausdruck der Definitheit, sodass der Artikel nicht auch noch gesetzt werden kann -nur wenn eine weitere Bestimmung hinzutritt, muss der Artikel gesetzt werden. Zum anderen muss das markierte Objekt beim Verbum durch ein klitisches Pronomen wieder aufgenommen werden, nicht nur wenn es dem Verbum vorangeht, sondern auch wenn es ihm folgt. Diese Konstruktion mit »redundantem Pronomen>ein Schüler sucht den ProfessorDU liebst IHN nicht (so viel), wie ER DICH liebt«

Rumänisch

265

Ältere Sprache mit der Präposition pre:

i ~tia pre tofi, tot anume »er kannte sie alle, ganz namentlichder gute Mann« steht also zu bunul om. In der älteren Sprachstufe stand der Artikel vor dem Nornen, wenn dieses spezifiziert war, insbesondere durch ein Possessivpronomen; die Nachstellung wurde also erst in den letzten Jahrhunderten verallgemeinert. Ein Beispiel:

loru sai barbafi------)> barbatilor -lor »ihre Männer« (RLR III, ros) Beim Possessivum, das immer nachgestellt ist, muss der bestimmte Artikel stehen, auch bei Verwandtschaftsbezeichnungen: fratele meu »mein Bruder«, casa

noastra >>Unser Haus«. Im letzten Beispiel ist -a der bestimmte Artikel; die Konstruktion entspricht also genau dem rnallorquinischen Katalanisch: sa casa nostra (s.o. 3.n).

9.12

Partitiv [nein]

Im Rumänischen gibt es keinen Teilungsartikel. Ähnlich wie im Spanischen und Portugiesischen gibt es jedoch einen unbestimmten Artikel im Plural; dem spanischen unos I unas entspricht hier ni~te (ni~te oameni »des hornrnes I unos hornbres«).

Präteritum [DR, IR: PS

---1

PC; AR, MR: PSLat erhalten]

Das PS (rum_än. peifectul simplu) nimmt im heutigen Standard-Rumänisch eine ähnliche Stellung ein wie im Französischen: Es ist im Sprachsystem noch präsent, bleibt im Gebrauch aber strikt auf das literarische Register der Schriftsprache begrenzt. Aus der gesprochenen Sprache ist es verschwunden; seine Stelle

Rumänisch

267

hat das PC (rumän. peifectul compus) eingenommen, das demgemäß auch als Erzähltempus fungiert. Regional ist das PS im Dako-Rumänischen allerdings noch lebe-?dig, und zwar im Südwesten von Rumänien (Oltenien, Banat); im allgemeinen Sprachbewusstsein wird dieses Tempus daher nicht nur als literarisch, sonde!n auch als dialektal empfunden. Das Istro-Rumänische ist den im Dako~Rumänischen vorgezeichneten Weg bis zum Ende gegangen; das PS ist aus dem Sprachsystem völlig verschwunden. Im Gegensatz dazu ist das PS in den beiden südlichen Varietäten Aromunisch und Megleno-Rumänisch voll funktional geblieben; es wird vom PC nach den auch in anderen romanischen Sprachen üblichen Regeln differenziert (zeitliche Nähe I Bezug zur Gegenwart ~ PC; zeitliche Ferne I Erzählung ~ PS). Möglicherweise liegt hier eine Beeinflussung durch das Griechische vor, wo der Aorist bis heute das wichtigste Tempus der Vergangenheit geblieben ist, während das Perfekt strikt auf Fälle beschränkt ist, wo ein unmittelbarer Bezug zur Gegenwart hervorgehoben werden soll. Bemer~enswert ist die Bildung einer »indirekten Erlebnisform« im MeglenoRumänischen; während das normale PC (a mancat »er hat gegessen: ___ ,_,TTH'"'-""'t. Umgekehrt benötigt das Rumänischetrotz Kasusflexion die präpositionale Markierung von Objekten, weil dort Subjekte und Objekte gerade nicht auseinandergehalten werden können. In den iberoromanischen Sprachen sowie in Süditalien und Sardinien gab es nie Reste einer Kasusflexion, was die Entstehung von DOM nahegelegt haben mag. Innerhalb des Bündnerromanischen ist die komplementäre Verteilung von relikthafter Kasusflexion und DOM auffällig: Im Surselvischen hat sich der lateinische Nominativ auf-s in prädikativer Funktion bis heute gehalten, er war vermutlich auch noch für eine gewisse Zeit als Subjektkasus funktional; im Engadinischen hingegen fehlt von einer solchen längeren Bewabrung der lateinischen Kasusendungen jede Spur. tsprechend hat das Engadinische DOM, das Surselvische hingegen nicht. Das wäre eine mögliche Erklärung, aber völlig sicher können wir nicht sein, zumal Ladinisch und Friaulisch weder Kasusreste noch DOM kennen. Auch das Standard-Italienische hat weder Kasus noch DOM. Umgekehrt ist der Fall der südwestokzitanischen Dialekte gelagert: Dort bestand im Mittelalter eine voll entwickelte Zwei-Kasus-Deklination, und trotzdem hat sich DOM gebildet. Die Korrelationen, die sich hier abzuzeichnen scheinen, werden durch Gegenbeiin beide Richtungen relativiert. Man hat übrigens auch versucht, die Verbreitur~g von DOM mit der Verteilung des Partitivs in Beziehung zu setzen; beides seien »komplementäre Lösungen >desselben syntaktischen Problems« (Körner 1987). Nach dieser Auffassung wäre es die ursprüngliche Funktion des Partitivs, prototypische Objekte als solche zu ill3Lrkreren, während DOM prototypische Subjekte als Objekte gleichsam ex contrario markiert. Doch auch in diesem Fall stimmen höchstens die großen Linien der Vogelschau überein; bei gerrauerem Hinsehen lösen sich die postulierten Beziehungen auf, weil die Gegenbeispiele allzu klar zutage treten. Wahrscheinlich ist es angemessener, nicht um jeden Preis nach solchen Korrel>ationLen zu suchen, sondern die Entstehung von DOM ähnlich zu sehen wie die Entstehung von Palatalisierungen (s.o. I0.8): Der Weg ist universal vorgezeichnet, die Entwicklung von DOM, einmal eingeleitet, nimmt einen vorhersagbaren Verlauf; aber ob dieser Weg überhaupt eingeschlagen und bis zu welchem Punkt er begangen wird, bleibt offen. Bestimmte Konstellationen mögen DOM begünstigen, aber sie erzwingen sie nicht; und umgekehrt mögen andere

Die romanischen Sprachen im Vergleich

287

Konstellationen weniger für DOM geeignet sein, ohne dass sie diese kategorisch verhindern würden. Zufall und Notwendigkeit spielen ihre je eigenen, genau von.einander abgegrenzten Rollen in der Sprachentwicklung: Notwendig ist der Weg, zufällig hingegen die Bewegung. E~ folgt ein Schema, das die Verteilung von DOM in einer semi-kartogra-. phischeu Darstellung zusammenfasst; hier werden Demarkationslinien sichtbar, ' die den Norden vom Süden der Romania abgrenzen: Verteilung der Differentiellen Objektmarkierung

Rum+

&lhanz :-'2\..uv~'rgrrat ... RToveqpl--"-

Rätorom- {Vallader +} Gaskogn.,+ Port+'

.~anguedC:Jl{':+

,spalJ+

Gallo-Ital-

:rC~tal+

Centro-ltalKors+ s·~m±+

Süd-Ttal +

S;izil +

10.11 Artikel im Vergleich

Allen romanischen Sprachen ist die Ausbildung des definiten Artikels gemein; einen solchen hatte es weder im Lateinischen noch davor im Indogermanischen gegeben. Im Spätlatein standen hierfür die Demonstrativa ipse und ille in Konkurrenz; auch konnte der Proto-Artikel dem Substantiv nachfolgen oder vorangehen. In der Phase der romanischen Einzelsprachen hat sich vorangestelltes ille aufbreiter Front durchgesetzt. Nur im Rumänischen wurde die Nachstellung verfestigt. Die N achfolgefonnen von ipse finden sich in einem geographisch klar umrissenen Gebiet im und am_ westlichen Mittelmeer: an der Costa Brava, auf den Balearen, in den französischen Seealpen und aufSardinien. Diese Verteilung überschreitet in auffälliger Weise die Sprachgrenzen; der Artikel ipse gilt für bestimmte mediterrane Dialekte des Katalanischen und Okzitanischen sowie für den Gesamtbereich des Sardischen (Logudoresisch, Campidanesisch). Er giltjedoch nicht für andere auf Sardinien gesproch~ne Idiome wie Sassaresisch, Galluresisch und auch nicht für das Katalanische von Alghero. Die Verteilung des bestimmten Artikels in der Possessivkonstruktion ist unübersichtlicher, vor allem, wenn man auch diachrone Entwicklungen mit ein-

288

Die romanischen Sprachen im Vergleich

bezieht. Im Mittelalter konnte der Artikel gesetzt werden oder fehlen, ohne dass es strikte Regeln gab. In den neuzeitlichen Literatursprachen bietet sich ein Bild, dessen große Linien folgendermaßen aussehen: Portugiesisch, Katalanisch, Italienisch, Sardisch und Rumänisch haben sich für den Artikel entschieden. Das Gaskognische hat den schwankenden Gebrauch der mittelalterlichen Sprache bis heute bewahrt. Die übrigen okzitanischen Dialekte, Spanisch, Französisch, Rätorom_anisch sowie teilweise auch Gallo-Italienisch, kennen heute den Artikel bein1 Possessivum nicht mehr. Ein wichtiger semantischer Unterschied, der auch beim praktischen Erlernen der Sprachen von Bedeutung ist, betrifft den Artikel bei Verwandtschaftsbezeichnungen: Dort fehlt er im Portugiesischen und Italienischen, während er im Katalanischen und Rumänischen gesetzt wird (vgl. die Formen für »mein Bruder«:

meu irmao I mio fratello ,. . . , el meu germa I fratele meu).

Partitiv im Vergleich

Der Partitiv, also die grammatikalisierte Markierung von Teilmengen, weist innerhalb der Romania eine charakteristische Verteilungskurve auf; es ist der typische Fall einer Abstufung, die als Gradation auf zwei Ästen darstellbar ist. Der Partitiv wird in den romanischen Sprachen immer mit der Präposition de gebildet, die im Lateinischen die Bedeut·1ng »von« hatte; im Deutschen können wir dies gut nachvollziehen, denn auch in unserer Sprache sagen wir »gib mir vori de1n Brot!« oder »ich möchte von dem Weinfranzösischer«, das WestkataEmische »spanischer«; und eben weil es extern wie intern als Brücke fungiert, lässt es sich nicht eindeutig zuordnen. Daneben gibt es im Pyrenäenraum noch weitere Brückensprachen, so das Aragonesische auf spanischer und das Gaskognische auf französischer Seite. Die Pyrenäen verbinden eher, als dass sie trennen. Der aus der Gaskogne stammende Romanist und Dichter Pierre Bec hat den Begriff occitano-rontan vorgeschlagen; dieses Okzitano-Romanische würde das ganze Gebiet des Katalanischen und des Okzitanischen umfassen, und darin gebe es ein Gemein-Okzitanisch (Languedokisch, Provenzalisch, Auvergnatisch ... ) und zwei Außenseitersprachen, nämlich Katalanisch und Gaskognisch. Auch diese Einteilung hat etwas für sich, sie spiegelt eine bestimmte Realität wider - allerdings auch nur wieder eine Teilrealität, denn die unzweifelhaft iberischen Züge des Katalanischen fallen dabei unter den Tisch. Eine ähnliche Konstellation finden wir imAlpenraun'l, wo die Verhältnisse noch verwickelter sind. Die drei Varietäten des Rätoromanischen und das Gallo-Italienische bilden in vielfacher Hinsicht Brücken zwischen der Appenin-Halbinsel und Frankreit;::h. Wenn man wollte, könnte man hier analog zu Becs occitano-roman eine eigenständige Zone postulieren, die man beispielsweise »Alpen-Romanisch« nennen könnte -von Bologna aus ist bei sehr gutem Wetter der Alpenkamm noch sichtbar! Auch das Postulat einer solchen Zone bildet eine Wirklichkeit ab, aber auch dies nur partiell, denn die unzähligen sprachinternen und -externen Bindungen der großen gallo-italienischen »Sprachen/Dialekte« Piemontesisch, Lombardisch, Ligurisch und Enlilianisch bleiben dabei außer Betracht. So könnte man fortfahren. Bei der oben genannten Einteilung in die vier Großräume Iberia I Gallia I Italia I Dacia fallt das Sardische heraus: Wozu soll man es rechnen? Zweifellos hat es viel mit dem Itala-Romanischen gemein, aber viel auch mit dem Ibero-Romanischen - und in vielfacher Hinsicht geht es eigene Wege. Noch eine andere Einteilung hat in der Forschungsgeschichte eine wichtige Rolle gespielt: diejenige in West- und Ostromania, die der berühmte Schweizer

Schlussbetrachtungen

Romanist Walther von Wartburg vorgenommen hat. Die Grenze verläuft auf dem Appenin-Hauptkamm vom tyrrhenischen La Spezia zum adriatischen Rimini. Demnach gehört also das Gallo-Italienische zusammen mit dem Rätoromanischen, Okzitanischen, Französischen und Ibero-Rmnanischen zur Westromania, das Standard-Zentral-Süd-Italienische und Rumänische hingegen zur Ostro,m~lnia. Ungewiss bleibt'die Zuordnung des Sardischen, denn von Wartburg legt drei Kriterien aus der historischen Lautlehre zugrunde: die Bewahrung von auslautendem -s, die Sonorisierung der intervokalischen Verschlusslaute und die Palatalisierung der Gruppe -ct-. So unterscheidet sich die Westromania (z. B. Spanisch/Französisch) von der Ostromania (z. B. Standard-Italienisch/DakoRomanisch):

cantil dmfi nottelnoapte poterelputea

cantas I tu chantes nochelnuit Sonor: poder I pouvoir (f- pooir) -s:

-ct-:

»du singst« »Nacht« >>können«

So w~it, so gut. Aber das Sa-;dische hat:

cantas (gesprochen ['kantaza]) notte podere

~

~ ~

Westromania Ostromania Westromania

Also wohin damit? Wie alle anderen Einteilungen fördert auch diese bestimmte Realitäten zutage, lässt aber dafür andere beiseite. Dies ist unvermeidlich. Die WirklichY-_eit der Sprachen ignoriert klare Grenzziehungen, sie artikuliert sich in Kontinua, Gradationen und Übergangszonen. ,Dies gilt für die gesprochene Sprache auf der Ebene der Dialekte und Varietäten in ihrer unbegrenzbaren Vielgestaltigkeit. Auf der Ebene der Nationalsprachen mit ihren klaren Normen und ihrer langen Geschichte ergibt sich ein ganz anderes Bild. Hier stehen die einzelnen Sprachen als fest umrissene Individualitäten vor uns, als unverwechselbare Persönlichkeiten. Jede von ihnen hat, über die Einzelzüge hinaus, einen Charakter, den wir als Einheit wahrnehmen, als eine »Gestalt

Westafrika Kapverdisch [Kapverdische Inseln] - Barlavento - Sotavento Kri61 [Guinea-Bissau + Casamance im Senegal]

1>

Golf von Guinea - Saotomensisch [Sao Tarne] - Angolar [Sao Tarne] - Principensisch (Lunga Iye) [Isla do Principe] - Anobonensisch (Fa d'Amb6) [Annob6n]

I Asien 1>

Indien - Goa-Portugiesisch [Diu, Damao, Goa] - Dravido-Portugiesisch [Cannanore, Mahe, Cochin, Nagapattinam] - Sri-Lanka-Portugiesisch [Colombo, Matale, Galle, Batticaloa]

1>

Südost- und Ostasien - Papia Kristang [Malacca, Kuala Lumpur, Singapur] - Indonesisch-Portugiesisch [tTugu, tTimor, tFlores, tTernate] - Macaensisch (Patua Macaista) [Macau (Sonderwirtschaftszone in der VR China)]

Anhang

; Spanisch-basierte Kreolsprachen

Amerika 1>

Kolumhen Palenquero [Palenque bei Cartagena]

1>

Karibik Papiamento [Aruba, Bonaire, Curac;:ao]

1>

Philippinen Chabacano Caviteiio [Cavite aufLuzon] Zamboangueiio [Zamboango auf Mindanao]

3. Französisch-basierte Kreolsprachen

I Amerika 1>

USA - Louisianais [US-Bundesstaat Louisiana]

1>

Haiti - Haiben [Haiti]

1>

Kleine Antillen Martiniquais [DOM La Martinique] Gouadeloupeen [DOM La Gouadeloupe] - Dominiquais [Commonwealth ofDominica]

1>

Südamerika Guyanais [DOM La Guyane Fran>lispelnde>

Da stehe seufzend ich bei dir, und wenn ich dann betrachte, wie dein Auge ruht, so süß und sanft, dann rufe ich: »Wie ist es möglich, oh Himmel! dass aus solcher Schönheit mir solche Grausamkeit erwächst?«

Anhang

Charles Baudelaire (1821- 1867) CHANT D'AUTOMNE

HERBSTGESANG

Bientot nous plangerans dans les froides

Bald tauchen wir in Dunkelheit und Kälte, der Glanz der kurzen Sommer ist vorbei. Schon höre ich mit dumpfem Widerhall die Scheite auf den Stein der Höfe prallen.

tenebres; Adieu, vive clarte de nos etes trop courts! ]' entends deja tomber avec des chocs funebres Le bois retentissant sur le pave des cours. Tout l'hiver va rentr~r dans mon etre: colere, Haine, frissons, horreur, labeur dur et force, Et, comme le soleil dans son enfer polaire, Mon cceur ne sera plus qu'un bloc rouge et glace. ]' ecoute en fremissant chaque buche qui tombe; L'echafaud qu'on batit n'a pas d'echo plus sourd. Mon esprit est pareil a la tour qui succombe Sous les coups du belier infatigable et lourd. 11 me semble, berce par ce choc monotone, Qu'on cloue en grande hate un cercueil quelque part ... Po ur qui? C' etait hier 1' ete ; voici 1' automne! Ce bruit mysterieux sonne comme un

Der ganze Winter kehrt in mich zurück: der Zorn, der Hass, das Grauen und die Fron. Der Sonne gleich in ihrer Eiseshölle, so wird mein Herz ein rotgefrorner Block. Ich höre bebend wie die Hölzer fallen; es tönt so dumpf als baut' man ein Schafott. Mein Geist ist wie ·ein Turm, der wankt und bricht, wenn unermüdlich schwer der Rammbock wuchtet. Das monotone Schlagen wiegt mich ein; es klingt, als ob ein Sarg genagelt werde ... Für wen? Der Sommer ging; es kam der Herbst! Nach Abschied tönt geheimnisvoll der Klang.

depart.

P~ul Valery (r871- 1945) LES PAS

DEINE SCHRITTE

Tes pas, enfants de mon silence, Saintement, lentement places, Vers le lit de ma vigilance Procedent muets et glaces.

Die Schritte, Kinder meiner Stille, heilig behutsam aufgesetzt, sie kommen näher, kalt und stumm, dem Bett, worin ich wachend liege.

Personne pure, ombre divine, Qu'ils sont doux, tes pas retenus! Dieux! ... tous le dons que je devine Viennent a moi sur ces pieds nus!

Göttlicher Schatten, reines Wesen, wie sanft sind deine leisen Schritte! Ihr Götter! ... Gaben, die ich ahne, sie kommen barfuß auf mich zu!

Si, de tes levres avancees, Tu prepares pour l'apaiser, A l'habitant de mes pensees La nourriture d'un baiser,

Wenn deine Lippen dem Bewohner meiner Gedanken zart sich nahn um ihm, beruhigend und sanft, ein Mahl von Küssen zu bereiten,

Gedichtanthologie

359

Ne hate pas cet acte tendre, Douceur d'etre et de n'etre pas, Car j'ai vecu de VOUS attendre, Et mo.n cceur n' etait que vos pas.

dann übereile nicht die Tat, im Schweben zwischen Sein und Nichts: ich lebe nur, euch zu erwarten, denn deine Schritte sind mein Herz.

Rätoro'manisch I Surselvisch

Gian Fontana (r897- 1935) NOTG

NACHT

Notg, cuschenta il cunfar della tiara stunclentada, conta la canzun beada della pasch sur cuolms e mar, va tras ers madirs e praus, notg, e dai a tut ruaus.

Nacht, besänftige das Treiben auf der müdgeschafften Erde, sing den seligen Gesang: Friede über Berg und Meer, schreite über Feld und Wiesen, Nacht, und bringe allen Ruh.

Nu' ehe la tristezia va sendas stgiras· della tiara, splunta notg bufatg e siara gl' egl al Staunehel inaga. Vid tiu sein lai emblidar las dolurs dil mund amar.

Wo die Traurigkeit entschwindet in der Erde dunklen Pfaden, pocht die Nacht ganz sachte an und erquickt des Müden Auge. Lass an deiner Brust vergessen allen Schmerz der bittren Welt.

E descenda la damaun da nos cuolms, sclarend la triola bassa, vegns ti benedida, notg carina, da siu maun. E suenter vet' e smugl tuorna tut en tiu ravugl.

Wenn der Morgen von den Gipfeln in die tiefen Täler steigt, wirst zum Abschied du gesegnet, liebe Nacht, von seiner Hand.Alles Leben und Gedränge kehrt doch bald in deinen Schoß.

Rätoromanisch I Unterengadinisch

Peider Lansel (1863- 1943)

360

AD ÜN AMI

AN EINEN FREUND

Hast vis? - Cun l'ir dal temp tü est doma, Gnind plü vegl e plü scort, taut cha l'immaint riv'hoz a s'algordar sainza tunnaint eir sch'el s'volv'inavo vers il passa.

Siehst du? - Du bist gezähmt vom Lauf der Zeit, wirst älter, klüger, und so kann der Geist sich heute ohne Pein und Qual erinnern, zurück in die Vergangenheit gewandt.

I1 dovair nu pudet (quarrt t'hast dosta ?) scurznir las alas a l'impissamaint;

Die Pflicht vermochte nicht (du wehrtest dich) die Flügel deiner Fantasie zu stutzen;

Anhang

in chattand a la fin sper tai, ardaint, la vantüra tü hast dalöntsch tschercha.

so fandest schließlich du ganz nah bei dir das Glück, nach dem du in der Ferne suchtest.

Bainischem simpla es quell'in confrunt a l'invilgia da tuots, unic tesor, cha l'inexpert'ed sömget ardita.

Es ist ganz schlicht und einfach, im Vergleich rnit jenem Schatz, der alle neidisch macht, den kühn und unerfahren du erträumtest.

Mo sapchast gra listess! cun ümil frunt tscherchand 1' imperceptibla puolvra d' or aint il sablun dal tourbei flüm d'la vita.

Sei dankbar! Senk in Demut deine Stirn und such den winzig-feinen Staub von Gold im Sand des aufgewühlten Lebensstroms.

Luisa Famos (1930- 1974)

(Übertragung: 1\!Ievina Puorger)

L' aj er nair da la not Cun sa calm'ha travus Tuot las chosas dalöntsch Tuot las chosas dastrusch.

Die schwarze Nachtluft Verschluckte in ihrer Ruhe

Qua s'alvainta ün sömni, Ün sömni d'amur. El inaivra meis esser Cun sia savur.

Da erhebt sich ein Traum Der Traum der Liebe. Er macht mich trunken Mit seinem Duft.

Insernbel respiran N oss corps ün sper tschel. Schnüda dalmisteri Zoppanta suot ün vel.

Aneinander atmen Unsere Körper. Entblößt vom Geheimnis Versteckt unter einem Schleier.

Sün meis lefs saint la feivra D'ün'amur arsaintada. Amur sainza fuond E mai saduollada.

Auf den Lippen spür ich Fieber

Eu dod in charezzas Da tai l'impronüschiun Mo quella da tgnair Duman nun est bun.

In Liebkosungen hör ich Dein Versprechen Es einzulösen Wird morgen nicht Zeit sein.

Meis man brancla teis man Cur chi vainla daman. Vi da tai'm vögl rantar Eu nu vöglnajantar

Meine Hand umschließt die deine Im nahenden Morgen. An dich will ich mich klammern -

Aint il mar da tristezzas Chi uondag'in bodezzas.

Im Meer der Trauer Auf den Wellen des erwachenden Tags.

Alle Weite Alle Nähe.

Entflammter Liebe. Unergründliche Liebe Und niemals gesättigt.

Will nicht kentern

Gedichtanthologie

361

Rätoromanisch I Friaulisch

Piero Bonini (r844-1905) GNOT •

NACHT

Ferme tra i bars dal nul, blancje, lusint, vegle la !une sul pais ch'al duar;

Still zwischen Wolkentürmen, weiß und leuchtend,

plllf cujete tai cjamps la lus darirrt e al cor il voli de montagne al mk

bewacht der Mond das Dorf in Schlaf versunken; still regnet auf das Feld sein Silberlicht,

Sirrt a sbati un balcon; lontan 'o sirrt, e par ehe si lamenti, un cjan pajar; cjantuzzin ju avostans, e sot il puint passe l'aghe e sbrunzule e tarne al clar.

]o di's: »Ce i'se, ce nus ßsie eheste Nature? E parce mai tant si smalite? Parce la ploe, il seren e la tampieste? Parce l'odi e l"amor? Parce la vite?« Ein chel ch'o dr, ch'o pensi a la rispueste, mi sgrisuli pal stri't de la ciuite.

der Blick schweift vom Gebirge bis zum Meer. Ein Fenster hör ich schlagen in der Ferne, ein Hund lässt seinen Klagelaut vernehmen; August - die Grillen zirpen, Wasser rauscht unter der Brücke gurgelnd in die Helle. Ich sage mir: »Was ist, was soll uns diese Natur? Warum so viele Last und Mühe? Wozu der Sturm, die Stille und der Regen? Wozu der Hass, die Liebe und das Leben?« Und während ich noch nach der Antwort suche, erschaure ich beim Klageruf des Käuzchens.

Pier Paolo Pasolini (1922- 1975) TORNANT AL PAIS

HEIMKEHR INS DORF

I. Fantassuta, se i fatu sblanciada dongia il fouc, coma una plantuta svampida tal tramont? »]o i impiji vechius stecs e il fun al svuala scur disirrt ehe tal me mond il vivi al e sigur«. Ma a ehe fouc eh' al nulis a mi mancia il rispir, e i vores essi il vint ch'al mour tal pais.

Mädchen, was machst du ganz bleich am Feuer, wie ein Bäumchen vom Nordwind geschüttelt? »Ich verbrenne altes Reisig und dunkel wirbelt der Rauch, er sagt, dass in meiner Welt das Leben sicher ist.« Doch an dem duftenden Feuer fehlt mir die Luft zum Atmen und ich möchte der Wind sein, der im Dorf erstirbt.

II.

II.

Il me vias 1' e finit.

Meine Reise ist zu Ende. Es duftet nach Polenta, traurig muhen die Rinder. Meine Reise ist zu Ende.

Dols odour di polenta e tris-c' sigus di bous. 11 me vias 1' e finit.

362

I.

Anhang

>>Ti vens d di nualtris, ma nualtris si vif, a si vif quies e muars coma n'aga ch'a passa scunussuda entra i bars«.

>>Du konunst hierher zu uns, aber wir leben hier, wir leben still und tot wie das Wasser, das unerkannt zwischen Erdschollen fließt.«

III. A fiesta a bat a glons il me pais misdi. Ma prai pras se silensi ch'a puarta la ciampana! Sempri ehe tu ti sos, ciampana, e cun passion jo i torni a la to vous. »Il timp a no'l si mouf jot il ridi dai paris, conu tai rams la ploja, tai vuj dai so frutins«.

III. Festlich schlägt die Glocke in meinem Dorf zu Mittag. Doch welche Stille trägt die Glocke über die Wiesen! Immer bist du dir gleich, Glocke, und ich kehre gern zu deiner Stimme zurück. »Die Zeit bewegt sich nicht: schau das Lachen der Eltern, wie Regen im Gezweig, in den Augen ihrer Kinder!«

Leonardo Zanier (*1935)

DEN WASSERSPIEGEL SCHNEIDEN

SOT IL Plh DA L'AGA

(Übertragung: Mevina Puorger)

Denti un barcjon i navighin dal mar lunc il Stela la largja fos discjamant savalon ramac;:s e grava a inventa isulas bislungjas e fondai bas ta laguna sqra cocai como peats a una gjostra eterna ce svualin e di col si tufin cu las tanaias dal bec ch'a no perdonin ce talpucin dongja becantsi e becant tal savalon su las secjas ce si aleirr par poura lassant il puest a chei ch'a planirr a fil di aga »Ace ti fasel pensa?!- i domandi a una dongja di taulin e po a un ati e an'ata ch'a chjalin estasiats chel spetacul grandios - »A maravea da natura a bielec;:a dal creat a libertat« - mi disirr »A mi invecit a un grant mazzalizi« - i di's »cuasit platat con1.post vadi elegant jodut da dula ch'i sin vui nestis voi

Im Bauch eines Kahns fahren wir vom Meer auf die Stella die breite Mündung verteilt Sand, Strünke und Kies zaubert längliche Inseln und seichte Wasser in die Lagune darüber schweben Möwen im Himmel des immergleichen Karussells, einige fallen im Sturzflug ins Wasser, ihre Zangenschnäbel unerbittlich einige trippeln nebeneinander und schnäbelt: sich in den Untiefen einige fliegen erschreckt auf von jenen, die an der Oberfläche gleiten »Woran erinnert dich das?« - frage ich eine Tischnachbarin, dann einen anderen und noch eine, die hingerissen dem gewaltigen Schauspiel folgen - »An die Wunder der Natur an die vollendete Schöpfung, an die Freiheit« -sagen sie mir-

Gedichtanthologie

363

ma bastares jodilu cul voli saneos dal codl sposta in pinsir just sot il pel da l'aga ... «

))mir aber scheint es ein großes Gemetzel« sag ich))tmsichtbar beinahe, harmonisch, elegant wenn wir's mit unseren Augen sehen aber wie anders wäre es aus dem verzehrenden Auge der Möwe · im Gedanken versetzt, den Wasserspiegel schneidend ... «

Italienisch Francesco Petrarca (1304- 1374) SONETTO

SONETT

Pien di quella ineffabile dolcezza

Erfüllt von jener unsagbaren Süße,

ehe del bel viso trassen gli occhi miei

die ich aus ihrem schönen Antlitz sog,

nel di ehe volentier chiusi gli avrei

hätte ich meine Augen gern geschlossen, um mindre Schönheit niemals mehr zu

per non mirar gia mai minor bellezza,

schaun; lassai quel eh\' piu bramo; et o si avezza la mente a contemplar sola costei, ch'altro non vede, e cio ehe non

e lei

gia per antica usanza odia e disprezza. In una valle chiusa d' ogni 'ntorno,

Ich ließ, was ich zuallermeist begehre, doch ist mein Sinn so sehr an sie gewohnt, dass andres er nicht sieht, und alles das, was nicht sie ist, in altem Hass verachtet. In einem ringsum abgeschlossnen Tal,

eh' e refrigerio de' sospir' miei lassi,

das meinen müden Tränen Labsal bot,

giunsi sol cum Amor, pensoso e tardo.

traf ich, in Einsamkeit versenkt, die Liebe.

Ivi non donne, ma fontaue e sassi, e l'ilnagine trovo di quel giorno che'l pensier mio figura, ovunque io sguardo.

Dort finde ich nicht Frauen, sondern Quellen und Felsen und Erinnrungsbild des Tages, der mich, wohin ich schauen mag, erfüllt.

Giacomo Leopardi (1798-1837) L'INFINITO

UNENDLICHKEIT

Sempre caro mi fu quest' ermo colle, E questa siepe, ehe da tanta parte

und diese Hecke, die von überall

Dell'ultimo orizzonte il guardo esclude. Ma sedendo e mirando, interminati

dem Blick den letzten Horizont beschneidet. Doch wenn ich sitzend schaue, scheinen mir

Spazi di 1;1 da quella, e sovrumani

unendlich weite Räume jenseits auf,

Silenzi, e profondissima quiete

und Stille übermenschlich, tiefste Ruhe;

Io nel pensier mi fingo; ove per poco

dies stelle ich mir vor, und fast erschrickt

Il cor non si spaura. E come il vento

das Herz mir in der Brust. Ich hör den

Odo starmir tra queste piante, io quello

364

Stets war mir lieb die Einsamkeit des Hügels,

Anhang

Stunn,

Infinita silenzio a questa voce Vo comparando: e mi sovvien 1' eterno,

wie er durchbraust die Zweige; seine Stimme vergleiche ich der Unerrnesslichkeit

E le morte stagioni, e la presente

der Stille: und es kommt die Ewigkeit,

E viva, e il suon di lei. Cosi tra questa Immensiti s'annega il pensier mio:

und all sein Klang mir in den Sinn. Ertrinken

E il naufragar m' e dolce in questo nure.

das tote Jahr, das lebende im Jetzt in diesem Unbegrenzten will mein Denken: Süß ist mir Untergang in diesem Meer.

Giuseppe Ungaretti (1888-1970) SEGRETO DEL .POETA

DICHTERGEHEIMNIS

Solo ho amica la notte.

Nur die Nacht ist mir Freundin.

Sempre potro trascorrere con essa

Ich werde stets mit ihr verbringen können,

D'attimo in attimo, non ore vane;

in jedem Augenblick, nicht leere Stunden,

Ma tempo cui il mio palpito trasmetto

nein, Zeit, der ich den Herzschlag anvertraue,

Come m'aggrada, senza mai distrarmene.

so wie es mir gefallt, nichts lenkt mich ab.

Avviene quando sento,

Es kommt vor, wenn ich spüre,

Mentre riprende a distaccarsi da ombre, La speranza immutabile

wenn wieder sie sich aus den Schatten löst, unwandelbar die Hoffnung

In me ehe fuoco nuovamente scova E nel silenzio restituendo va,

in mir, dass Feuer sie von neuem aufspürt, und in der Stille neu erschafft,

A gesti tuoi terreni

bei deinen irdischen Gesten,

Talmeute amati ehe immortali parvero, Luce.

so lieb, dass sie unsterblich mir erscheinen, das Licht.

Eugenio Montale (1896- 1981) Non chiederci la parola ehe squadri da ogni lato

Nie frag uns nach dem Wort, das unsren ungeformten Sinn

l'animo nostro informe, e a lettere di fuoco

von allen Seiten einfasst und mit Feuerzeichen

lo dichiari e risplenda come un croco · perduto in mezzo a un polveroso prato. Ah l'uomo ehe se ne va sicuro, agli altri ed a se stesso amico, e 1' ombra sua non cura ehe la canicola · stampa sopra uno scalcinato muro! Non domandarci la formula ehe mondi possa aprirti, si qualehe storta sillaba e secca come un ra1no.

ihn aussagt, das erglänzt dem Krokus gleich, der einsam blüht auf staubbedeckter Wiese. Da geht er hin, der Mensch, mit sichrem Schritt, Freund seiner selbst und aller andren, und sorgt sich nicht um seinen Schatten, den Sommerglut auf ausgedörrte Mauer zeichnet! Frag uns nicht nach der Formel, die Welten dir eröffnet,

Gedichtanthologie

365

Codesto solo oggi possiamo dirti, cio ehe non siamo, cio ehe non vogliamo.

nur eine Silbe, verdreht und trocken wie ein Zweig. Nur dieses können wir dir heute sagen, was nicht wir sind und das, was nicht wir wollen.

Sardisch Antioco Casula (Montanaru) (1878-1957) A s'ALBESCHIDORZU

SONNENAUFGANG

Est bella s' ora cando sas istellas

Wie schön die Morgenstunde, wenn am

isparin da-e su chelu a manu a manu e in sa serenidad' 'e su manzanu parene sas muntagnas pius bellas.

Himmel die Sterne einer nach dem ander~ schwinden und wenn in klarer, wolkenloser Frühe die Berge neu in vollem_ Glanz erstrahlen!

S 'ischidana de idda sas carrellas in cussu friscu trafficu galanu: in campanile b'est su sagrestanu e s'alluen in dieja sas cappellas.

Im Dorfbeginnt das Leben zu erwachen, frohe Geschäftigkeit erfüllt die Straßen. Der Meßner hat den Glockenturm erstiegen, die Kirchendächer trifft das Morgenlicht.

Paret su mundu a nou cuminzadu

Die Welt, so scheint es, hat ganz neu begon-

e animosa est dogni criatura in cussu prinzipiare de sa die.

nen, und alle Kreatur ist frisch belebt an diesem ersten Tagesanbeginn.

Irrtantu su sole altu s' est pesadu e tra fatigas de ogni misura s' avanzat sa tristesa 'e su 1nerie.

Indessen ist die Sonne hoch emporgestiegen und unter Mühn und Lasten aller Art schreitet des Mittags Trübsal rasch voran.

Pietro Mura (1906- 1966) L'HANA MORTU CANTANDE

ER SANG BEI SEINEM MORD

L'hana mortu cantande

Er sang bei seinem Mord,

chin sa cantone in bucca.

ein Lied auf den Lippen.

E mil'han accattau

Sie fanden ihn später, auf steinigem Pfad, die Augen nach oben,

in s' andala predosa ocros a chelu chin su fror' e sa morte

auf die Stirne gebreitet: '

Fit solu chin su frittu

allein mit der Kälte

e chin sa malasorte;

und dem Verhängnis; in seinen Haaren spielte der Wind,

chin su bentu mossendeli sos pilos e in artu sa luna, pompiande. Nonl'hat cubau nemancu su dolu.

366

mit der Blüte des Todes

ispart'in fronte:

Anhang

vom Himmel herab starrte der Mond. Es barg ihn nicht einmal der Schmerz.

Sos mortores fughios ehe umbra mala, los hat bidos su ribu. E sos se~;os de luna cando dormin sas pedras se sedet a contare in segretesa a isteddos e nues comente l'hana mortu. Est ruttu chen'ischire d'aer viviu;

Die Mörder, flüchtig wie Schatten des Unheils, der Fluss hat sie gesehen: in Mondesnächten, wenn alle Steine schlafen, setzt er sich heimlich nieder und erzählt den Sternen und Wolken

chen'ischire de morrere;

von jenem Mord. Er fiel und wusste nichts von seinem Leben, seinem Tod.

l'hana mortu cantande

Er sang bei seinem Mord,

chin sa cantone in bucca.

ein Lied auf den Lippen.

Tonino Mario Rubattu (*1938) NARAMI PASTORE

SO SAG MIR HIRTE

N arami, pastore, it' est ehe t'incadenada a i custos montes brujados,

So sag mir, Hirte, was ist's, was dich kettet

ue roccas e bentu

wo Felsen und Wind

lean su respriu, ue companzu e isposa t' est

an dieses verbrannte Gebirge, den Atem dir rauben,

sa solitudine antiga?

wo uralte Einsamkeit dir Gattin und Gefährtin ist?

Che luna peregrina

Wie der wandernde Mond

andas notte e die e ehe issa ses riccu

irrst du umher Tag und Nacht,

de piuere e miseria. Belidan sas arveghes isfianchidas,

reich wie er bist du an Staub und Elend.

ti miran cun ojos de piantu

Es blöken die dürren Schafe, mit traurigen Augen schaun sie dich an,

bramende erva 'irde e rios limpios.

voller Sehnsucht nach frischem Gras und klaren Bächen.

Lamentos e feridas t'istringhes

Klagen und Wunden bedrängen

in coro e sonnias ... Sonnias tue puru pasturas saboridas,

dein Herz und du träumst ... Nun träumst auch du von grünen Almen,

cantilenas d' ab ba cristallina

vom Plätschersang kristallenklarer Wasser

e tittas pienas. Narami, pastore, ite lis contas a sas istellas in sas nottes friscas de 'eranu,

und vollen Eutern. So sag mir, Hirte, was erzählst du den Sternen in kühlen Frühlingsnächten,

solitariu, in custos montes riccos solu

einsa1n, in diesen Bergen, deren Reichtum

de lagrimas e sambene?

nur Blut und Tränen sind?

Gedichtanthologie

367

E in sas nottes frittas e iscurosas ite cunfidas a su 'entu, padronu soberanu de custas alturas chena risu? Forsi los miras solu e non (aeddas, e ehe sempre, a sa sola in segretu piantu ti consumas.

Und in den dunklen, bitterkalten Nächten, was vertraust du ihm an, dem Wind, dem Beherrscher der ewig ernsten Bergeshöhen? Du schaust vielleicht ihn an ohne zu sprechen, und wie stets, ganz fiir dich, verzehrst du dich in Einsamkeit und Klage.

Rumänisch

Mihai Eminesen (r8o8-r883) SONET I

SONETT I

Afari-i toamn3, frunza-mpr~tiat3, lar vantul zvarle-n geamuri grele picuri; ~i tu cite~ti scrisori din roase plicuri ~i i:ntr-un c~as gande~ti la via~a toata.

Da draußen ist es Herbst. Das Laub verwirbelt, der Wind treibt schwere Tropfen auf die Scheiben. Du liest in alten, längst verblassten Briefen, in einer Stunde denkst du deines Lebens,

Pierzandu-ti timpul tau cu dulci nimicuri, N-ai vrea ca nime-n U§a ta sa bata; Dar §i mai bine-i, dnd afara-i zloata, Sa stai visand la foc, de somn sa picuri. ~i eu astfel ma uit din jet pe ganduri, Visez la basmul vechi al zanei Dochii; Injuru-mi ceata cre~te dnduri-dnduri;

Deodat-aud fo~nirea unei rochii, Un moale pas abia atins de sdnduri ... Iar maini subtiri §i reci mi-acopar ochii.

verbringst die Zeit mit süßen Nichtigkeiten, und möchtest nicht, dass jemand dich besucht. Noch besser ist, wenn draußen Regen prasselt und du am Herd in Schlummerträume sinkst. So sinne ich im Sessel selbstvergessen und träume von Frau Halles alter Mär, indes der Nebel wachsend mich umhüllt. Da häre ich das Rascheln eines Kleides, ein sanfter Schritt, der kaum den Boden rührt ... auf meinen Augen zarte kalte Hände!

Tudor Arghezi (r88o- 1967) REMEMBER

REMEMBER

Anii treceau tiptil ca ni§te ~oapte. Unul venise de prin Miazanoapte ~i celalalt dintr-un Apus. S-au i:nti:lnit

Die Jahre fliehen sachte wie ein Raunen. Die einen kommen her von Mitternacht, die andren vom Abendschein. Sie trafen sich, bedankten sich. Die Hände haltend schwebten sie empor, als würden sie seit je sich kennen.

~i-au multumit. S-au luat de mi:na ~i s-au dus i:n sus, Se cuno~teau din presupus.

368

Anhang

Unde mai si:nt? Poate-au pierit. Tadna le miraase a pulberi de argint:

Wo sind sie hin?Vielleicht sind sie verloren. Die Erde fullt ein Duft nach Silberstaub:

Miresmele nu mint. Mormi:ntul pare-n asfintit, Era pe-aci pe aproape Intre scintei ~i ape.

die Düfte lügen nie. Das Grab scheint eine Dämmerung. Hier war es, hier ganz nah in funkelnden Gewässern.

Lucian Blaga (1895- 1961) POETII

Nu va mirati. Poetii, toti poetii sunt un singur, nempartit, nei:ntrerupt popor. Vorbind, sunt muti. Prin evii, ce se nasc ~i mor, cint':ind, ci mai sujesc un grai pierdut de mult. Adi:nc, prin seminttiile, ce-apar ~i-apun, pe drumul inimii mereu ei vin ~i_.. trec. Prin sunet ~i cuvint s-ar desparti, se-ntrec. I~i sunt asemenea prin ceea ce nu spun. Ei tac ca roua. Ca saminta. Ca un dor. Ca apele ei tac, ce umbla subt ogor, ~i-apoi sub dntecul privighetorilor izvor se fac i:n rari~te, izvor sonor.

DIE DICHTER

Wundert euch nicht! Die Dichter, alle Dichter sind ein einzig ungeteiltes, ungebrochnes Volk. Sie sprechen stumm. Äonen wachsen und verwehn, sie dienen singend einer längst versunkneu Rede. Und tief im Werden und Vergehen der Geschlechter beschreiten sie den Weg des Herzens unaufhörlich. In Ton und Wort getrennt, einander überbietend, sind sie einander gleich in dem, was sie nicht sagen. Sie schweigen wie der Tau. Wie Sam.en. Wie ein Sehnen. Wie Wasser schweigen sie, die unter Brachfeld strömen und schließlich unter dem Gesang der Nachtigallen zum Brunnen in der Lichtung werden, Born voll Klang

Gedichtanthologie

369

Quellenangaben Wir danken den folgenden Verlagen, soweit sie erreicht werden konnten ,für die freundliche Genehmigung zum Abdruck der Originalgedichte. At43er bei Luisa Famos und Leonardo Zanier stammen alle deutschen Übertragungen von Georg Bossong. Luis de Cam6es, Sone tos: Aubrey E G. Bell I B.Vidgal (eds.),The Oxford Book ofPortuguese Verse. Oxford: At the Clarendon Press 2

1952, p. 155. Fernando Pessoa, Mar portugu~s: Aubrey E G. BelliB.Vidgal (eds.),The Oxford Book of Portuguese Verse. Oxford: At the Clarendon Press 2 1952, p.328. Joaquim Ma~hado de Assis, Camoes:Joaquim Machado de Assis, Poesias completas. Rio de Janeiro I Belo Horizonte: Livraria Garni er 2000, p. 344 f. Carlos Drummond de Andrade, Entre o ser e as coisas: Carlos Drummond de Andrade, Antologia poetica (organizada pelo autor). s8• edic;:ao. Rio de Janeiro I Sao Paolo 2oo6, p.23I. Gareilaso de la Vega, Soneto: Gareilaso de la Vega, 'Poesias castellanas completas. Madrid: Castaha 2001, p.6s. Juan Rarnon Jimenez, Octubre: Juan Rarnon Jimenez, Libros de poesia. Madrid: Aguilar 1957, p.3r. Jorge Luis Borges, Everness:Jorge Luis Borges, Borgespor el mismo. Madrid:Visor 1999, p.38.Aufnahme: Coleccion Visor de Poesia. ISCD-130. Pablo Neruda, Veinte poemas de amor. 4: Pablo N eruda, 20 poemas de amor y una canci6n desesperada. Madrid:Visor 2000, p. 12. Aufnahme: Coleccion Visor de Poesia. ISCD-rr4. Carles Riba, El cant em mena:Jose Batllo (ed.), Seis poetas catalanes. Madrid:Taurus 1969, p. 104f. Salvador Espriu, Pero en la sequedat arrela el pi:

370

Anhang

Jose Batllo (ed.), Seis poetas catalanes. Madrid:Taurus 1969, p.228. Jean Serra, El vent de la parclUla: Jean Serra, Fe de Vida. Mallorca: Unio Musics 2000 (Veu de poeta 10), p.43.Aufnahme: ebd. Rafael Sari, Vangara un dia: Rafael Sari, Ciutat mia (Pa de casa). Poesie di Alghero. Cagliari: Edizioni della Torre 1984, p.p. Antonin Perbosc, Al solelh: Andree-Paule Lafont,Anthologie de la poesie..occitane 1900-1960. Preface d'Aragon. Paris: Les Editeurs Franc;:ais Reunis 1962, p.42. Rene N elli, La gai ta: Andree-Paule Lafont, Anthologie de la poesie occitane 19001960. Preface d' Aragon. Paris: Les Editeurs Franc;:ais Rhmis 1962, p.230. Yves Rouquette, L'escriveire public: Andn~e Paule Lafont,Anthologie de la poesie occitane. Preface d' Aragon. Paris: Les Editeurs Franc;:ais Reunis 1962, p. 396f. Lo mal de la terra: ebd., p. 398. Theophile de Viau, Stances: Je an-Pierre Chauveau I Gerard Cros I Daniel Menager (eds.),Anthologie de la poesie franc;:aise. Moyen .Age, XVIe siede, XVUC siede. Paris: Gallimard 2000, p. 1010 f. Aufnahme: Alain Fremeaux, Anthologie de la poesie franc;:aise. FA 8037, CD 2, 14. Charles Baudelaire, Chant d'automne: Georges Pompidou (ed.),Anthologie de la poesie franc;:aise. Paris: Hachette 1961, P·333· Aufnahme: Alain Fremeaux, Anthologie de la poesie franc;:aise. FA 8037, CD 4, 6. Paul Valery, Les pas: Paul Valery, CEuvres. I. Ed.Jean Hytier. Paris: Gallimard 1957, p. 120f. Gian Fontana, Notg: Gabriel Mützenberg (ed.),Anthologie Rheto-romane. Lausanne: L'Age d'Homme 1982, P·94· Peider Lansel, Ad ün ami: Gabriel Mützenberg (ed.),Anthologie Rheto-romane. Lausanne: L'Age d'Homme 1982, p.s8.

Luisa Famos, L' ajer nair da Ia not ... : Luisa Famos, Ich bin die Schwalbe von einst. Eu sun la randolina d'ünsacura. Gedichte aus dem Nachlass. Rätoromanisch und deutsch. Herausgegeben von Mevina Puorger. Vorwort von Iso Camartin. Zürich: Limmat Verlag 2004, p. 34 Piero Bonini, Gnot: Pimen Constaninescu (ed.), Poesie furlane de Rinassince al Nufcent. Cluj: Clusium 1993,p.196. Pier Paolo Pasolini, Tornant al pa{s: Pier Paolo Pasolini, La nuova gioventü. Poesie friulane 1941-1974. Torino: Einaudi 1975, 17f. Leonardo Zanier, Sot il pel da l'aga: Leonardo Zanier, Den Wasserspiegel schneiden. Sot il pel da 1' aga. Gedichte Friaulisch und Deutsch, mit italienischer Übersetzung des Autors zu den originalsprachigen Gedichten. Mit einem Vorwort von Qttavio Besomi und einem Nachwort VOJ:l Mevina Puorger. Zürich: Limmat Verlag 2002, p.256. Francesco Petrarca, Sonetto: Karlheinz Stierle, Petrarca. München: Carl Hanser 1998, p. 171. Giacomo Leopardi, L'infinito: Giacomo Leopardi, Poesie e prose. Valurne prima. Poesie. Ed. Mario Andrea Rigoni. Milano: Arnoldo Mondadori 1987, P·49·

Giuseppe Ungaretti, Segreto del poeta: Giuseppe Ungaretti,Vita d'un uomo. Tutte le poesie. Ed. Leone Piccioni. Milano: Arnoldo Mondadori 1969, p.253. Eugenio Montale, Non chiederci la parola ehe squadri da ogni lato ... : Eugenio Montale, Tutte le poesie. Ed. Giorgio Zampa. Milano: Arnoldo Mondadori 1984, p.29. Antioco Casula (Montanaru), A s'albeschidorzu: Antioco Casula, Montanaru. Poesie scelte. Ed. Giovannino Poren. Cagliari: Edizioni 3T 1982, p.300. Pietro Mura, L'hana mortu cantande: Gonario Pinna (ed.),Antologia dei poeti dialettalli nuoresi. Cagliari: Editrice Sarda Fossataro 1969, p.236. Tonino Mario Rubattu, Narami pastore: Tonino Ledda (ed.), I poeti del premio Ozieri. Prima volume, 1956-1970. Cagliari: Edizioni della Torre 1981, p.312f. Mihai Eminescu, Sonet I: Zoe DumitrescuBu~ulenga (ed.), Mihai Eminescu. Poezii. Bucure~ti: Editura Albatros 1971, p. 165. Tudor Arghezi, Remember: Annie Bentoiu (ed.), Tudor Arghezi. so poemes en vers et en prose. Bucure~ti: Minerva 1981, p.236 f. Lucian Blaga, Poemeie lumini. Les poemes de la furniere. Bucure~ti: Minerva 1978, p. 452.

Gedichtanthologie · Quellenangaben

371

1

9~

Sprachenregister

Arifgiführt werden alle im Buch envähnten Spraclifamilien, Sprachen und Dialekte mit Ausnahme der neun in den Einzeldarstellungen behandelten Sprachen (Portugiesisch,. Spanisch, Katalanisch, Okzitanisch, Französisch, Rätoromanisch, Italienisch, Sardisch und Rumänisch).

Aromunisch 23, 29, 252, 254-259, 263,

Abruzzesisch 215

Aymara 32, 85, 102

267-269,275 Arpetanisch 128 Aserbaidschanisch 254 Astmisch 18, 26, 77f., 296 Auregnais 155 Auvergnatisch 128, 139, 168, 288,291, 306

Acadien 151 f. Afroasiatisch 276 Albanisch 14, 16, 207f., 231, 247f.

Badiot (= Gadertalisch) 177, 180, 182, 191

Algheresisch ro7, 226 Algonkinisch 151

Bantu 59 Baschkirisch 254

Alpen-Romanisch 306

Baskisch 14, 76, 85, 87, 107, 124, 131, 179,

Altbulgarisch 247, 285 Altfranzösisch 39, 64, 140, 147, 166f.,

278 f., 285, 289, 297, 299, 303 Bas-Rhodanien 127 Beach-la-Mar (= Bislam.a) 30, 161

284-286 Althochdeutsch 147 Altindisch 284, 294 Altitalienisch 199 Altokzitanisch 39, 133, 136,285 Altportugiesisch 67 Altprovenzalisch 126 Altsardisch 240 Altsizilianisch 200 Altspanisch 44, 76, 90, 93 f., 96, 237 Ampezzanisch 177, 18of., 191 Andalusisch 18, 27, 67, 79, 87f., 90, 296 Angelsächsisch 285

Bairisch 27, 35, 281,297

Bengali 13 Bislama (s. Beach-la-Mar) Bretonisch 14, ro7, 124, 131, 179 Buchensteinisch (= Fod6m) 177, 181, 191, 194 Bulgarisch 14, 39, 104, 247, 264 Bündnerromanisch 21, 173 f., !76-178, 180-182, 275 f., 278, 287, 299-301 Burgundisch 20, 155 Cajun 152 Campidanesisch 227, 229-233, 235-240,

Anglonormannisch 148

243-245,275,288,303 Carlofortinisch 203, 226

Angolar 332 Anobonensisch 332

Caviteno 82, 333 Chabacano 82, 86, 333

Apulisch 23, 218 Arabisch 7, 15, 35, 57, 76, 81, 96, 131, 145,

Chinesisch 7, 15, 35, 56, 75, 276 Cocaliehe 205

161, 204, 276 Aragonesisch 18, 76-78, roo, 306

Cree 151

Aranesisch 19 f., 131 f.

Dakisch 248, 279 Dako-Romanisch 307

Armenisch 14

Sprachenregister

373

Dako-Rumänisch 23, 254-257, 259, 262-264, 266,26S

Gallo-Romanisch 39, 136f., 19S, 210, 239f., 262

Därrisch 27, 104, 2S5

Galluresisch 226, 237, 239 Garifuna S6

Deutsch 14, r6, 25, 27, 35, 41, 45, 71, ro3, 124, r6r,_ rSo-rS2, 201 f., 207f., 231, 253, 2S5, 2S9,

Gaskognisch 20, 129-132, 134, 136, 139-143, 167, 235, 2SS-29I, 306 .

297,299 Dominiquais 153, 333 Dravidisch 236

Genuesisch 205

Dravido-Portugiesisch 332

rSs, 191 Goa-Portugiesisch 332

Dalmatisch 29, 256

Dunganisch 254 Elsässisch 107, 124, 13 r Emilianisch 22, 19S, 209, 2rr, 217, 22of., 300, 306 Englisch 7, 14, r6, 25, 30, 54-57, 59, 75, S3, Ss f., ro3 f., 145, rsr, 153 f., r6of., 204,226,

Germanisch 14, 30, 39, 276, 2S5, 291 Gherdeina (= Grödnertalisch) 177, rSof.,

Gouadeloupeen 30, 153, 333 Griechisch 14f., 104, II2, 199, 20S, 21S, 26S, 2S5, 293 f. Grödnertalisch (s. Gherdeina) Guarani 53, S4f., 179 Guernesais 155 Guyanais 153, 333

276,299,303 Estnisch r.4 Etruskisch 199, 201

Haitianisch (=Haiti-Kreolisch) 152f., 161,

Faliskisch 13, 199, 293 Fassanisch (= Fascian) 177, rSof., 191 f., 194,

333 Hebräisch 35 Hindi 13, 15, 75, 154, 236, 276, 2S4-2S6

220 Filipino (=Tagalog) S6 Finnisch 14, 104, 2S9 Finno-Ugrisch 14, 2S5 Flämisch 32, 107, r6r Florentinisch 22, 200 Fod6m (s. Buchensteinisch) Frankoprovenzalisch 20 f., 2S f., I2S f., 156, r66, 19S,2oS,2ro,2S4 Friaulisch 21, 173-177, 179-1S3, rS7, rS9,

Iberisch 76, S7, 27S Ibero-Romanisch 29, 71, 135, 2II, 2S3, 2S7, 29S, 306 f. Illyrisch 24S Indo-Arisch 13, 276, 2S4-2S6 Indogermanisch 13-16, 39, 46, 199, 24S, 276, 2S5 f., 2SS, 293-295 Indonesisch 15 Indonesisch-Portugiesisch 332

191-195, 207-2IO, 220, 231,275, 299f.,

Iranisch 14

302 Gadertalisch (s. Badiot)

Irisch 14, 104 Isländisch 14, 39, 2S5 Istro-Rumänisch 23, 29, 252, 256-259, 263 f.,

Gagausisch 25S, 2S5 Galicisch 17, 2S f., so-52, 57, 64f., 67, 69f.,

26S f., 275 Italisch 13, 30, 336

73 f., Ss, 99, 123 f., 179, 203,275, 2SI, 2S4, 296,302 Gallisch 146

Jamaikanisch 30

Gallo 20, 154 Gallo-Italienisch 22, 45, 175, 19S, 203, 2rof.,

J erriais I 55 Judenspanisch rS, 2S f., 7S-Sr, S3, 90, 96

Japanisch 53, 56, 145

213, 215-2IS, 220, 2SI, 2S3 f., 2SS f., 294, 296f., 299f., 305-307

374

Anhang

Kalabresisch 215 f., 21S

Kantonesisch 56, 59 Kapverdisch 29, 57, 332 Kastilisch 77-79, Sr, 90, 105 f., 214 Kaukasisch 14, 2S5 Keltisch 14, 49, 146, 155, 199, 210 KinyaRvvanda 161 Kirchenslavisch 247, 250f. KiRundi r6r Konkani 55 Korsisch 22f., 2Sf., 45, 124, 131, 202f., 206, 20S, 221 f., 235, 275, 2SS, 299f., 302 Kri61 332 Kroatisch 29, 231, 247, 256, 264, 26S

Marathi 145 Martiniquais 153, 333 Mauricien 154, r6r, 333 Maya S6 Mazedonisch 39, 247, 264, 26S Megleno-Rumänisch 23, 29, 255-259, 263 f., 26Sf., 275, 29S Messapisch 199 Michif 151 Mittelfranzösisch 64 Moldauisch 24, 253 f., 25S f. Monegassisch 130, 132, r6r, 20S Morisco 79-S r Mozarabisch 29, 37, 67, 76, 90-92, 2S4

Kurdisch 14

Munda 15

Ladinisch 21, 173 f., 176f., 179-1S2, 1S9,

Nahuatl 35 Napoletanisch 215

191 f., 194, 207-210,220, 275, 299f., 302 Languedokisch r2S, 132, 136, 1:39-144, r66, r6S, 2SS, 29of. Lappisch 15 Leonesisch 77 Leridanisch ras Lettisch 14 Letzeburgisch 104, r6r Ligurisch 22, 161, 19S f., 203, 20S f., 2II, 216, 220f., 223,300, 302f., 306 Limba Sarda Comuna 231, 275 Limousinisch 101, I2S, 139, 141 Litauisch 14, 39, 2S5 f. Logudoresisch 23, 225, 227, 229-241, 243-

N epalesisch 13 f. Neugriechisch 24 7 Niederländisch 14, S2, r6r Niedvvaldisch (s. Sutselvisch) Normannisch 154f., 157 Norwegisch 15, 27, 2S5 Nuoresisch 227, 242 Nuragisch 227f. Oberengadinisch (=Puter) 177, rS2f., 1S5, IS7-191, 193 f., 302 Obvvaldisch (s. Surselvisch) Okzitano-Romanisch 175, 306

245,275,2SS Lombardisch 22, 19S, 201, 207-209, 2rr, 217,

Oskisch 13, 199 Ostkatalanisch 105 f., 109-rr3, 306

220,223,300,302,306 Lothringisch 20, 155 Louisianiais (= Louisiana-Kreolisch) 30,

Palenquero Sr, 333 Papia Kristang 30, 55, 69, 332

152 f., 333 Lusitanisch 49

Papiamento Sr f., 333 Patua Macaense (s. Macaensisch) Persisch 14, 96, r62, 254

Macaensisch (= Patua Macaense) 30, 55 f.,

Peruanisch 90, 93, 97f., 216

332 Madagassisch r6r

Pfälzisch 297 Piemontesisch 22f., 130, 19S, 205, 209-2rr,

Malaiisch 15, 56 Maltesisch 104, 204 f.

Pikardisch 20, 154, r66

Mandarin 254

Poitevinisch 155

Manx 155

Polnisch 14, 303

216f., 220f., 223 f., 297,300,302,306

Sprachenregister

375

Preußisch 14 Principensisch 30, 332 Provenzalisch 19f., I2S, 139-144,2S3, 2SS, 290f.~ 306 Puter (s. Oberengadinisch) Quebecois 156 f.

Süditalienisch 43, 2I5, 2I8, 235, 237, 2S6f., 297 Surmeirisch 177 f., I8o, ISS, I91, 194, 30I f. Surselvisch (= Obwaldisch) 177f., IS2f., I85-I90, I93 f., 2IO, 2S7, 299-302 Sutselvisch (= Niedwaldisch) 177, I8o, ISS, I91, I94, 30I f.

Quechua 32,35,S5, 102,179 Ragusanisch 29, 256 Rätisch 174, 176, 199 Reunionnais 154, 333 Rodriguais 154, 333 Römisch 201, 2I5 Rumantsch Grischun 178-ISO, I94, 275 Russisch 7, I4-I6, 24, I45, 253 f., 257-259, 262,27I,276,303 Sango I6I Sanskrit 39, 2S4-2S6, 293-295 Saotomensisch 332 Sassaresisch 23, ro7, 203, 225, 237, 239, 28S Schottisch-Gälisch I4 Schwedisch 14, I6, I04, 2S2, 2S5 Schweizerdeutsch 297 Semitisch 276, 286 Serbisch 24 7 Sercquais I55 Seselwa (= Seychellois) 154, I6I, 333 ShiKomor 162 Sikulisch I99 Singhalesisch I4 Sinotibetisch 276 Sizilianisch 208, 215f., 2I8, 223, 2S8, 302f. Skandinavisch 14, 35, 2S5, 297 Slavisch I4, 39, 20S, 247, 250, 256, 262, 268 f., 276,2S5,2S9,29I,297,303 Slovenisch I04, IS2, 207 Spätlatein 4I, 43 f., 76, rr6, 277f., 2SSf., 292 Sri-Lanka-Portugiesisch 55, 332 Srnanan 30 Süddeutsch 7I, 297

376

Anhang

Tadschikisch 254 Tagalog (s. Filipino) Tamil 53, I45, I54 Tatarisch 2S5 Tetum 56,59 Thrako-Dakisch 251, 27S Toskanisch 22, 2oof., 2ro, 2I3 f., 2I8, 22I, 299 Tschechisch I4 Tupi 53 Türkisch So, 247, 261, 26S Türksprachen 35, 2S5 Turkmenisch 254 Ubychisch 35 Ukrainisch 25S, 2S5 Umbrisch 13, 199 Ungarisch I4, 247, 250, 26I, 285 Unterengadinisch (=Vallader) 177-I79, IS2, IS5-IS8, 193, 2I5, 286f., 2S8, 302 Urdu 13, 75, 276 Valenzianisch I9, 103, 105 f., I09 f., II3 f., rr6, IIS Vallader (s. Unterengadinisch) Vedisch 294 Vegliotisch 29, 256 Venetisch 199 Venezianisch 22, 19S, 2IOf., 2I3 f., 2I7, 284 Walisisch I4 Wallonisch 20, I 55 f. Westkatalanisch I9, 105 f., I09-II3, 306 Zamboanguefio S2, 333

Zur beigefügten CD

Die CD enthält drei Abteilungen: Zunächst werden illustrierende Beispiele zur Phonetik und Phonologie jeder im Buch behandelten romanischen Sprache gegeben (Tracks I- 10). Die entsprechenden Passagen im Text sind mit dem CD-Symbol am Rand gekennzeichnet. Es folgt ein gemeinsames Textbeispiel fur alle Sprachen, nämlich ein Auszug aus der Universalen Erklärung der Menschrechte der Vereinten Nationen von 194S (Tracks II-2I). Den Abschluss bildet eine Anthologie, in der fU.r jede Sprache drei bis ftinf Gedichte rezitiert werden (Tracks 22- 57).

Sprecherinnen und Sprecher

Dichter als Sprecher: Borges,Jorge Luis, Everness N eruda, Pablo, Veinte poemas de amor. 4 Serra,Jean, El vent de la paraula Zanier, Leonardo, Sot il pel da l' dga Carles, Helene (Sprachproben und Textbeispiel Französisch I Paul Valery, Les pas) Chavaroche, Daniel (Antonin Perbosc, Al solelh I Rene N elli, La ~aita) Ciulla e Silva, Alena (Textbeispiel brasilianisches Portugiesisch I J oaquim Machado de Assis, Camoes I Carlos Drununond de Andrade, Entre o ser e as coisas) De Marchi, Pietro (Sprachproben und Textbeispiel Italienisch I Francesco Petrarca, Sonetto I Giacomo Leopardi, L'infmito I Giuseppe Ungaretti, Segreto del poeta I Eugenio Montale, Non chiederci la parola ehe squadri da ogni lato ... )

Gautschi, Meda (Sprachproben und Textbeispiel Rumänisch I Mihai Eminescu, Sonet I ITudor Arghezi, Remernher I Lucian Blaga, Poefii) Genovese, Eric (Charles Baudelaire, Chant d'automne) Gonon, Christian (Theophile de Viau, Stances) Krummenacher, Francine (Sprachproben und Textbeispiel Okzitanisch IYves Rouquette, L' escriveire public I Lo mal de la terra) L6pez Guil, Itziar (Sprachproben und Textbeispiel Spanisch I Gareilaso de la Vega, Soneto I Juan Ram6n Jimenez, Octubre) Masala, Giovanni (Sprachproben und Textbeispiel Sardisch I Antioco Casula (Montanaru), A s' albeschidorzu I Pietro Mura, L'hana mortu cantande ITonino Mario Rubattu, Narami pastore) Mass6 i Alegret, Ant6n-Sim6 (Sprachproben und Textbeispiel Katalanisch I Carles Riba, El cant ern mena I Salvador Espriu, Pero en Ia sequedat arrela el pi) Mendes, Marilia (Sprachproben und Textbeispiel europäisches Portugiesisch I Luis de Camoes, Sonetos I Fernando Pessoa, Mar portugues) Padella,Andrea (Rafael Sari, Vrmgara un dia) Puorger Pestalozzi, Mevina (Sprachproben und Textbeispiel Rätoromanisch (Bündnerromanisch) I Gian Fontana, Notg I Peider Lansel, Ad ün ami I Luisa Famos, L' ajer nair da la not ... ) Zanier, Leonardo (Sprachproben und Textbeispiel Rätoromanisch (Friaulisch) I Piero Bonini, Gnot I Pier Paolo Pasolini, Tornant al pa{s

Zur beigefügten CD

377

CD-Inhaltsverzeichnis

Sprachproben Portugiesisch

60-65

2

$pr;:tchproben ·Spanisch

89

3

Sprachproben Katalanisch

110-113

4

Sprachproben Okzitanisch

133-136

5

Sprachproben Französisch

162/165

6

Sprachprobe~ Rä.toromanisch (VL, SS, RG)

182-185

7

Sprachproben Rätoromanisch (FR)

18.;3-185/ 195

8

Spd(hproben Italienisch

209..:.:213

9

Sprachproben Sardisch

232-237

Sp·raslipro beli R~~nä11~sch

260-262

Declara