Strategisches Technologiemanagement: Eine empirische Untersuchung am Beispiel des deutschen Pharma-Marktes 1990-2010 (German Edition) 9783835003187, 3835003186

Der immer schnellere Wandel der Unternehmensumwelt führt zur drastischen Verkürzung der Marktzyklen; die Entwicklungszyk

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Strategisches Technologiemanagement: Eine empirische Untersuchung am Beispiel des deutschen Pharma-Marktes 1990-2010 (German Edition)
 9783835003187, 3835003186

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Christoph Feldmann Strategisches Technologiemanagement

WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT

Christoph Feldmann

Strategisches Technologiemanagement Eine empirische Untersuchung am Beispiel des deutschen Pharma-Marktes 1990 – 2010

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Cornelia Zanger

Deutscher Universitäts-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Technische Universität Chemnitz, 2005

1. Auflage Februar 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Anita Wilke Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0318-7

Für meine Familie

Geleitwort Das Management von Innovationen und neuen Technologien ist ein zentraler Erfolgsfaktor der Unternehmensführung. Besondere Bedeutung kommt dabei dem strategischen Technologiemanagement zu, das technologische Entwicklungstrends rechtzeitig erkennen und bewerten muss, um die eigenen Ressourcen frühzeitig zur Technologieerzeugung (durch eigene Forschung und Entwicklung) oder Technologiebeschaffung (Erschließen externer Technologiequellen) einzusetzen sowie die Verwendung und Verwertung von Produkt- und Prozessinnovationen zu organisieren. Der Anspruch an das strategische Technologiemanagement erwächst aus der großen Tragweite von Entscheidungen für den Unternehmenserfolg sowie der enormen Komplexität von Entscheidungsprozessen, die vom Management eine integrative Betrachtung von naturwissenschaftlich-technischen, markt- und wettbewerbsbezogenen sowie wirtschaftlichen und rechtlichen Faktoren verlangen. Vor besonderen Herausforderungen steht das strategische Technologiemanagement zweifelsohne aufgrund der enormen Entwicklungsdynamik und der hohen F&E-Intensität in den s. g. High-Tech-Industrien, innerhalb derer wiederum der Pharmazeutischen Industrie eine herausgehobene Stellung zukommt. Das begründet sich zum einen daraus, dass der in F&E investierte Anteil am Umsatz in Europa fast doppelt so hoch ist wie beispielsweise im Fahrzeugbau. Zum anderen wird die Komplexität technologiestrategischer Entscheidungen durch eine im Vergleich zu anderen Industrien dramatisch hohe Intensität und Vielfalt staatlicher Regulierungsmaßnahmen geprägt. Aus dieser Perspektive empfiehlt sich die Pharmazeutische Industrie als besonders interessanter Forschungshintergrund für eine empirische Analyse des technologiestrategischen Verhaltens von Unternehmen. Mit einem ausgesprochen gründlichen, deskriptiven Forschungsdesign gelingt es dem Verfasser unter Beachtung der Spezifika der Pharmazeutischen Industrie, Trends der strategischen Unternehmenspositionierung im Technologiebereich bis 2010 sowie sieben typische Verhaltenscluster von deutschen Pharmaunternehmen in Bezug auf ihre Technologiestrategie zu ermitteln und umfassend zu charakterisieren. Der Autor leistet damit einen originären Beitrag zum strategischen Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie, in dem er seine profunden Bran-

VIII

Geleitwort

chenkenntnisse mit den wissenschaftlichen Fragestellungen zusammenführen kann. Die vorliegende Monographie wendet sich zum einen an Wissenschaftler aus den Bereichen Innovations- und Technologiemanagement sowie Marketing. Zum anderen kann sie jedoch der Unternehmensführung und Führungskräften aus den Bereichen Strategische Unternehmensentwicklung, Forschung und Entwicklung sowie Marketing in der Pharmazeutischen Industrie eine Fülle von interessanten Anregungen geben. Vor diesem Hintergrund wünsche ich dem Buch sowohl von Seiten der Wissenschaft als auch aus der Unternehmenspraxis große Resonanz und viele interessierte Leser. Univ.-Prof. Dr. Cornelia Zanger

Vorwort Die Bedeutung, die das strategische Technologiemanagement für den Erfolg von Unternehmen insgesamt hat, ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Ursächlich hierfür ist vor allem, daß die Geschwindigkeit des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt technologischen Wandels in den letzten Jahren exponentiell zugenommen hat. Diese Dynamisierung hat sich insbesondere in einer drastischen Verkürzung der Marktzyklen bei gleichzeitig immens gestiegener Länge der Entwicklungszyklen und noch stärker gewachsenen Entwicklungskosten niedergeschlagen. Dadurch werden die Unternehmen mit einer immer höheren Frequenz von weitreichenden Entscheidungen konfrontiert, die den Unternehmen gewaltige Chancen offerieren, aber auch enorme Risiken beinhalten und nicht selten über deren Aufstieg oder Fall entscheiden. Im Zentrum dieser Entscheidungen steht in fast allen Branchen das Management von Technologien. In vielen Branchen ist daher das strategische Technologiemanagement der dominierende Treiber der Unternehmensstrategie geworden. Das strategische Technologiemanagement beschränkt sich dabei keinesfalls allein auf die im Rahmen der Technologiebeschaffung oder -eigenerzeugung (durch interne F&E) zu treffenden Entscheidungen, sondern muß deren Sicherung, Verwendung und Verwertung parallel gleichermaßen in den Mittelpunkt strategischer Überlegungen stellen. Dadurch zeichnet sich das strategische Technologiemanagement nicht nur durch die große Tragweite der Entscheidungen, sondern gleichzeitig auch durch enorme Entscheidungskomplexität aus. Die vorliegende Arbeit entwickelt ein hierzu geeignetes technologiestrategisches Modell und untersucht dessen praktische Anwendbarkeit an einer besonders hochinnovativen Branche: der Pharmazeutischen Industrie. Die vorliegende Arbeit läßt sich in einen konzeptionellen Teil, einen Teil, der den Arzneimittelmarkt und das Umfeld der Pharmazeutischen Industrie beschreibt, und einen inhaltlich-deskriptiven Teilblock unterteilen: In konzeptioneller Hinsicht besteht der Erkenntnisfortschritt in der Entwicklung eines umfassenden technologiestrategischen Entscheidungsmodells, das alle Entscheidungsebenen und Optionen, die einem Unternehmen im Rahmen technologiestrategischer Entscheidungsprozesse zur Verfügung stehen, systematisch abbildet. Auf diese Weise wurde ein Bezugsrahmen geschaffen, der, insbesonde-

X

Vorwort

re vor dem Hintergrund eines sich mit immer höherer Frequenz ändernden und komplexer werdenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen (insbesondere regulatorischen) und technologischen Umfeldes, eine klar strukturierte Entscheidungsfindung ermöglicht, die nicht nur alle Entscheidungsebenen, sondern auch deren redundante Wechselwirkungen umfassend berücksichtigt. Im zweiten Teilblock werden die Charakteristika des Arzneimittelmarktes sowie das spezifische Umfeld und die Veränderungstrends der Pharmazeutischen Industrie differenziert und umfassend charakterisiert. Hierauf aufbauend wird das technologiestrategische Entscheidungsmodell für die spezifische Situation der Pharmazeutischen Industrie präzisiert. In dem dritten, inhaltlich-deskriptiven Teil wird dieses Modell einem aufwendigen Praxistest unterzogen. In einer aufwendigen empirischen Studie unter Einsatz einer Kombination von qualitativen und quantitativen Analysetechniken wurden hierzu 250 fragebogengestützte Experteninterviews mit 80 Pharma- und Biotechnologieunternehmen durchgeführt. Die im Rahmen dieser praktisch einer Vollerhebung der in Deutschland tätigen Pharma-Industrie entsprechenden Studie gewonnenen inhaltlichen Erkenntnisse wurden zur erstmaligen vollständigen und umfassenden Charakterisierung der technologiestrategischen Ausrichtung einer Gesamtbranche und der sie konstituierenden Technologiestrategietypen genutzt. Der inhaltliche Erkenntnisgewinn konnte durch die Simulation einer zeitlichen Längsschnittanalyse zu drei Betrachtungszeitpunkten (1990, 2000 und 2010) sowie durch eine Untersuchung der wichtigsten Faktoren des technologiestrategischen Umfeldes (relative Bedeutung der zentralen Wettbewerbsfaktoren, Technologiestrategieimpuls und technologiestrategischer Planungshorizont) weiter erhöht werden. Das Zustandekommen dieser, an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Chemnitz eingereichten und angenommenen Dissertation wurde von vielen Seiten auf verschiedenste Art und Weise unterstützt. Mein besonderer Dank gilt meinem akademischen Lehrer Frau Professor Dr. Cornelia Zanger, die mit konstruktiver Kritik das Projekt hilfreich gefördert hat. Für die Übernahme des Korreferats danke ich Herrn Professor Dr. Jürgen Hauschildt und Herrn Professor Dr. Gundolf Baier. Mein Dank gilt auch den Mitgliedern der Prüfungskommission: Herrn Prof. Dr. B. Stöckert, Frau Prof. Dr. C. Zanger, Herrn Prof. Dr. U. Götze und Herrn Prof. Dr. G. Baier.

Vorwort

XI

Ganz herzlich möchte ich auch meinen Condoktoranden vom Lehrstuhl für Marketing für viele fruchtbare Diskussionen, die Aufnahme in ein tolles Team und viele anregende Gespräche, insbesondere im Rahmen der Doktorandenkolloquien, danken. Insbesondere die konstruktive Kritik und die fruchtbaren Diskussionen mit Herrn Dr. Hansjörg Gauß und Herrn Prof. Dr. Gundolf Baier waren äußerst hilfreich. Das Entstehen dieser Arbeit wäre ohne die Mitarbeit und insbesondere die Bereitschaft zu intensiven mehrstündigen Gesprächen von Mitarbeitern fast aller deutschen Biotechnologie- und Pharma-Unternehmen nicht möglich gewesen: Diese Bereitschaft, die Untersuchungsthematik des Technologiemanagements detailliert und differenziert vor dem Hintergrund der Wettbewerbsdynamik und der regulatorischen Rahmenbedingungen in mehrstündigen Interviews zu diskutieren, kann angesichts der überall bestehenden Zeitknappheit gar nicht hoch genug wertgeschätzt werden. Ganz besonders möchte ich hierbei auch dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller, dem Deutschen Generikaverband und dem Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller, dem Informationssekretariat Biotechnologie der DECHEMA und der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie des Verbandes der Chemischen Industrie danken. Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Kortland und seinen Kollegen vom Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller, die durch ihre Hilfestellung, insbesondere bei der Kontaktaufnahme und durch die Organisation eines Abschluß-Workshops zur Diskussion der Ergebnisse mit den teilnehmenden Unternehmensvertretern, wesentlichen zum Erfolg der empirischen Studie beigetragen haben. Besonders möchte ich auch dem Studienförderwerk der Stiftung der Deutschen Wirtschaft danken, ohne deren materielle und ideelle Förderung dieses Projekt nicht hätte realisiert werden können. Die faszinierenden Gespräche und die prägenden Begegnungen im Rahmen der spannenden Veranstaltungen der ideellen Förderung haben nicht nur die Durchführung der vorliegenden Arbeit gefördert, sondern auch meinen weiteren Lebensweg maßgeblich bereichert. Meinen herzlichen Dank möchte ich auch den hilfsbereiten Damen und Herren der Bibliothek des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel aussprechen, ohne deren außergewöhnliche Einsatzbereitschaft die umfangreiche internationale Literaturrecherche, die dieser Arbeit zugrunde liegt, nicht durchführbar gewesen wäre.

XII

Vorwort

Besonders herzlich möchte ich auch meinem Freund Dr. Berthold Fürst für die aufmunternden Worte und sein äußerst hilfreiche Kritik danken. Am allermeisten möchte ich aber meiner Familie danken, der ich diese Arbeit widmen möchte. Ohne das viele Verständnis, die vielen Aufmunterungen und die unermüdliche Hilfe zu jeder Zeit, insbesondere von meiner Mutter, wäre die vorliegende Arbeit wohl niemals in der vorliegenden Form vollendet worden. Dr. Christoph Feldmann

Inhaltsüberblick 1

Einleitung...................................................................................1

2

Konzeptionelle Grundlagen – Technologiemanagement im Rahmen der Unternehmensstrategie...................................13

3

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells des strategischen Technologiemanagements ...............................113

4

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie ...................................................205

5

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik ....................................................397

6

Die technologiestrategische Positionierung im deutschen Pharma-Markt 1990-2010.....................................431

7

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen im deutschen Pharmamarkt....................................................593

8

Modellkritik und -erweiterung im Spiegel der empirisch gewonnenen Erkenntnisse.....................................655

9

Zusammenfassung und Ausblick...........................................665

Anhang .........................................................................................689 Literaturverzeichnis......................................................................709

Inhaltsverzeichnis Geleitwort.......................................................................................................... VII Vorwort .............................................................................................................. IX Inhaltsüberblick ................................................................................................XIII Inhaltsverzeichnis ..............................................................................................XV Abbildungsverzeichnis ..................................................................................XXIII Tabellenverzeichnis..................................................................................... XXXV

1

2

Einleitung..................................................................................1 1.1

Problemstellung und Zielsetzung ........................................................1

1.2

Aufbau und methodische Vorgehensweise..........................................6 1.2.1 Konzeption des theoretischen Teils ...............................................7 1.2.2 Konzeption des empirischen Teils ...............................................10

Konzeptionelle Grundlagen – Technologiemanagement im Rahmen der Unternehmensstrategie..............................13 2.1

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements ...........14 2.1.1 Theorie, Technologie und Technik ..............................................14 2.1.2 Invention und Innovation.............................................................16 2.1.2.1 Die inhaltliche Dimension des Innovationsbegriffes.......22 2.1.2.2 Die originäre Dimension des Innovationsbegriffes .........28 2.1.2.3 Die subjektive Dimension des Innovationsbegriffes .......35 2.1.3 Der Innovationsprozeß.................................................................37 2.1.4 Innovations-, F&E-, Technologie- und Wissensmanagement......46 2.1.4.1 F&E und F&E-Management ...........................................46 2.1.4.2 Innovationsmanagement..................................................49 2.1.4.3 Technologiemanagement.................................................50 2.1.4.4 Wissen und Wissensmanagement....................................52 2.1.4.5 Abgrenzung von F&E-, Innovations- und Wissensmanagement gegenüber dem Technologiemanagement ..58

2.2

Strategie, strategisches Management und Strategietypologien..........64

XVI

Inhaltsverzeichnis

2.2.1 Definitorische Grundlagen des strategischen Managements........64 2.2.1.1 Strategie und strategische Entscheidungen......................64 2.2.1.2 Strategisches Management und strategische Planung......65 2.2.1.3 Kategorien von Strategien ...............................................69 2.2.2 Generische Wettbewerbsstrategien und Strategietypologien .......75 2.2.2.1 Generische Wettbewerbsstrategien und Normstrategien .76 2.2.2.2 Strategietypologien..........................................................82

3

2.3

Strategisches Technologiemanagement und technologieorientierte Strategietypologien .................................88 2.3.1 Strategisches Technologiemanagement in Abstimmung mit anderen Funktionsbereichsstrategien im Rahmen der Unternehmensstrategie.................................................................88 2.3.2 Ansätze von Strategietypologien im Rahmen des strategischen Technologiemanagements ......................................94 2.3.2.1 Zusammenfassende Würdigung der technologieorientierten Strategietypologisierungsansätze...................................101

2.4

Bisherige Ansätze zu Entscheidungsmodellen des strategischen Technologiemanagements ...............................................................105 2.4.1 Der Modell-Ansatz von Ford (1985) .........................................106 2.4.2 Der Modell-Ansatz von Wolfrum (1992) ..................................107 2.4.3 Zusammenfassende Würdigung der Ansätze zu Modellen des strategischen Technologiemanagements.........110

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells des strategischen Technologiemanagements............................113 3.1

Die einzelnen Modellbausteine: Entscheidungsbereiche und Entscheidungsdimensionen.......................................................114 3.1.1 Technologiestrategische Entscheidungsbereiche .......................114 3.1.2 Technologiestrategische Entscheidungsdimensionen ................116

3.2

Das Gesamtmodell des strategischen Technologiemanagements ....118

3.3

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente ..............120 3.3.1 Technologiestrategische Entscheidungsbereiche .......................120 3.3.1.1 Technologiebeobachtung...............................................120 3.3.1.2 Technologiebeschaffung................................................125

Inhaltsverzeichnis

XVII

3.3.1.3 Technologiesicherung/-speicherung ..............................126 3.3.1.4 Technologieverwertung .................................................134 3.3.2 Technologiestrategische Entscheidungsdimensionen ................136 3.3.2.1 Höhe des angestrebten technologischen Leistungniveaus.............................................................137 3.3.2.2 Timing ...........................................................................172 3.3.2.3 Intensität der Außenorientierung ...................................180 3.3.2.4 Technologischer Verflechtungsgrad..............................190 3.3.2.5 Breite der technologischen Ausrichtung........................197 3.3.2.6 Geographische Ausdehnung und Standort- bzw. Marktwahl/präferenzen..................................................198

4

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie ...............................................205 4.1

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt..........................206 4.1.1 Die verschiedenen Arten von Arzneimitteln: Definition und unterschiedliche Systematisierungskriterien ..............................208 4.1.2 Der Arzneimittelmarkt ...............................................................220 4.1.2.1 Weltpharmamarkt und regionale Segmentierung ..........220 4.1.2.2 Preisniveau, Kostenstruktur von Arzneimitteln und nationale Preisunterschiede im Pharma-Markt ..............224 4.1.2.3 Patentrechtliche Marktsegmentierung: Patentablauf als technologiestrategischer Scheidepunkt ....................244 4.1.2.4 Veränderungstendenzen in der Struktur des deutschen GKV-Marktes.........................................259 4.1.2.5 Der Fragmentierungsgrad im Arzneimittelmarkt ..........261 4.1.3 Die Pharmazeutische Industrie...................................................268 4.1.3.1 Die Wertschöpfungskette der Pharmaz. Industrie .........268 4.1.3.2 Der gesamtwirtschaftliche pharmazeutische Wertschöpfungsprozeß ..................................................274 4.1.3.3 Die Distributionskette der Pharmazeutischen Industrie...........................................289 4.1.4 Innovationsprozesse in der Pharmazeutischen Industrie............308 4.1.5 Die Technologiewertschöpfungskette der Pharmazeutischen Industrie .......................................................326

XVIII

Inhaltsverzeichnis

4.2

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie: Modelladaption..................................333 4.2.1 Technologiebeschaffung ............................................................334 4.2.1.1 Angestrebtes technologisches Leistungsniveau.............334 4.2.1.2 Timing ...........................................................................343 4.2.1.3 Intensität der Außenorientierung ...................................346 4.2.1.4 Technologischer Verflechtungsgrad..............................351 4.2.1.5 Breite der technologischen Ausrichtung........................354 4.2.1.6 Geographische Ausdehnung und Standortwahl.............355 4.2.2 Technologieverwertung .............................................................357 4.2.2.1 Angestrebtes technologisches Leistungsniveau.............357 4.2.2.2 Timing ...........................................................................358 4.2.2.3 Intensität der Außenorientierung ...................................364 4.2.2.4 Technologischer Verflechtungsgrad..............................365 4.2.2.5 Breite der technologischen Ausrichtung........................368 4.2.2.6 Geographische Ausdehnung und Marktwahl.................369 4.2.3 Das technologiestrategische Umfeld der Pharmazeutischen Industrie .....................................................................................370 4.2.3.1 Relative technologiestrategische Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und Wettbewerbspotentiale ..370 4.2.3.2 Technologiestrategieimpuls in der Pharmazeutischen Industrie...........................................373 4.2.3.3 Der technologiestrategische Planungshorizont in der Pharmazeutischen Industrie.................................374

4.3

Zusammenfassung der konkreten Modellableitung für die Pharmazeutische Industrie und Operationalisierung .......................374

4.4

Technologieorientierte Strategietypologien in der Pharmazeutischen Industrie.............................................................377 4.4.1 Zentrale Technologiestrategietypologisierungsansätze im Bereich der Pharmazeutischen Industrie...............................378 4.4.2 Überblick zu Forschungsdesign und Stichprobe wichtiger empirischer Studien zu technologieorientierten Strategietypologien ....................................................................386

4.5

Zusammenfassendes Fazit der Literaturanalyse und Anforderungen an die weiterführenden Überlegungen....................393

Inhaltsverzeichnis

5

6

XIX

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik .................................................397 5.1

Grundlagen der empirischen Untersuchung ....................................397 5.1.1 Ziel der empirischen Untersuchung ...........................................397 5.1.2 Das empirische Feld...................................................................399

5.2

Forschungsdesign und Aufbau der vierstufigen Erhebung ..............403 5.2.1 Pretestphase ...............................................................................407 5.2.2 Haupterhebungsphase ................................................................408 5.2.3 Validierungsphase......................................................................409 5.2.3.1 Ergebnis-Workshop.......................................................409 5.2.3.2 Schriftliche Feedbackrunde über individuelle Benchmarks .......................................409

5.3

Zusammensetzung der Stichprobe...................................................410

5.4

Datenauswertung und angewandte statistische Verfahren...............414 5.4.1 Clusteranalytische Methodik der Identifikation von Technologiestrategietypen .........................................................415 5.4.1.1 Hierarchische Clusteranalyse ........................................417 5.4.1.2 Partitionierendes Verfahren...........................................422 5.4.2 Mittelwertvergleiche ..................................................................426

Die technologiestrategische Positionierung im deutschen Pharma-Markt 1990-2010.................................431 6.1

Überblick über den Fortgang der Analyse zur technologiestrategischen Positionierung .........................................431 6.1.1 Einordnung in die Gesamtuntersuchungsproblematik ...............431 6.1.2 Aufgabenstellung der Analyse zur technologiestrategischen Positionierung....................................432 6.1.3 Abfolge der Analyse zur technologiestrategischen Positionierung....................................434

6.2

Technologiebeschaffungsstrategie...................................................436 6.2.1 Angestrebtes technologisches Leistungsniveau .........................436 6.2.1.1 Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette ..................................436 6.2.1.2 Technologiestrategische Risikobereitschaft ..................453

XX

Inhaltsverzeichnis

6.2.2 Timing im Rahmen der Technologiebeschaffung......................459 6.2.3 Intensität der Außenorientierung im Rahmen der Technologiebeschaffung ......................................................465 6.2.4 Technologischer Verflechtungsgrad im Rahmen der Technologiebeschaffung ......................................................468 6.2.5 Breite der technologischen Ausrichtung im Rahmen der Technologiebeschaffung ......................................................473 6.2.6 Geographische Ausdehnung und Standortwahl im Rahmen der Technologiebeschaffung ......................................................478 6.2.7 Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung im Rahmen der Technologiebeschaffung und Zusammenfassung der wichtigsten Trends ................................482 6.2.7.1 Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung .........................................................482 6.2.7.2 Zentrale Trends..............................................................489 6.3

Technologieverwertungsstrategie ....................................................491 6.3.1 Angestrebtes technologisches Leistungsniveau .........................491 6.3.1.1 Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette ..................................492 6.3.1.2 Technologiestrategische Risikobereitschaft ..................509 6.3.2 Timing im Rahmen der Technologieverwertung .......................511 6.3.3 Intensität der Außenorientierung im Rahmen der Technologieverwertung .............................................................518 6.3.4 Technologischer Verflechtungsgrad im Rahmen der Technologieverwertung .............................................................527 6.3.5 Breite der technologischen Ausrichtung im Rahmen der Technologieverwertung .............................................................536 6.3.6 Geographische Ausdehnung der Technologieverwertung und relative Bedeutung unterschiedlicher Märkte .....................542 6.3.7 Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung im Rahmen der Technologieverwertung und Zusammenfassung der wichtigsten Trends ................................550 6.3.7.1 Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung .........................................................550 6.3.7.2 Zentrale Trends..............................................................557

Inhaltsverzeichnis

6.4

7

XXI

Das technologiestrategische Umfeld ...............................................559 6.4.1 Relative technologiestrategische Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und Wettbewerbspotentiale.........................559 6.4.2 Technologiestrategieimpuls .......................................................581 6.4.3 Der technologiestrategische Planungshorizont ..........................589

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen im deutschen Pharmamarkt ...............................................593 7.1

Biotechnologie-Unternehmen..........................................................595 7.1.1 Technologiebeschaffungsstrategie .............................................595 7.1.2 Technologieverwertungsstrategie ..............................................598

7.2

Große Internationale Forscher .........................................................602 7.2.1 Technologiebeschaffungsstrategie .............................................602 7.2.2 Technologieverwertungsstrategie ..............................................605

7.3

Mittelgroße Internationale Forscher ................................................608 7.3.1 Technologiebeschaffungsstrategie .............................................608 7.3.2 Technologieverwertungsstrategie ..............................................612

7.4

Innovationsorientierter Mittelstand .................................................616 7.4.1 Technologiebeschaffungsstrategie .............................................616 7.4.2 Technologieverwertungsstrategie ..............................................619

7.5

OTC/Traditioneller Mittelstand .......................................................623 7.5.1 Technologiebeschaffungsstrategie .............................................623 7.5.2 Technologieverwertungsstrategie ..............................................627

7.6

OTC-Töchter von international operierenden Pharma-Unternehmen......................................................................631 7.6.1 Technologiebeschaffungsstrategie .............................................631 7.6.2 Technologieverwertungsstrategie ..............................................635

7.7

Generika-Hersteller .........................................................................638 7.7.1 Technologiebeschaffungsstrategie .............................................638 7.7.2 Technologieverwertungsstrategie ..............................................642

7.8

Zusammenfassende Gruppenübersicht ............................................646 7.8.1 Gruppenübersicht Technologiebeschaffungsstrategie................646 7.8.2 Gruppenübersicht Technologieverwertungsstrategie .................650

XXII

8

9

Inhaltsverzeichnis

Modellkritik und -erweiterung im Spiegel der empirisch gewonnenen Erkenntnisse.................................655 8.1

Kritische Betrachtung der Konzeption der technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen .....................656

8.2

Kritische Betrachtung der Konzeption der technologiestrategischen Entscheidungsbereiche ............................660

8.3

Kritische Betrachtung des Gesamtmodells im Spiegel der clusteranalytischen Befunde ......................................................663

8.4

Zusammenfassende kritische Würdigung des Gesamtmodells im Spiegel der empirischen Befunde .....................664

Zusammenfassung und Ausblick........................................665 9.1

Zusammenfassender Überblick über die zentralen Ergebnisse........666

9.2

Problemstellung: Gestiegene Bedeutung des strategischen Technologiemanagements für den Unternehmenserfolg .................667

9.3

Konzeptionelle Zielsetzung .............................................................668

9.4

Konzeptionelle Ergebnisse der Literaturanalyse .............................669

9.5

Modellableitung...............................................................................669

9.6

Analyse bisheriger empirischer Studien ..........................................671

9.7

Deskriptiv-inhaltliche Zielsetzung...................................................671

9.8

Forschungsdesign und Stichprobenauswahl der empirischen Studie ..........................................................................674

9.9

Zusammenfassung der inhaltlichen Befunde...................................674

9.10 Nutzen der erzielten Ergebnisse für Wissenschaft und Praxis.........682 9.11 Ausblick auf weiterführende Forschungsansätze.............................685 9.12 Fazit .................................................................................................687

Anhang ........................................................................................689 A1

Interviewleitfaden – Technologiebeschaffungsstrategie..................691

A2

Interviewleitfaden – Technologieverwertungsstrategie ...................700

Literaturverzeichnis...................................................................709

Abbildungsverzeichnis Abb. 1-1: Abb. 1-2: Abb. 1-3: Abb. 2-1: Abb. 2-2: Abb. 2-3: Abb. 2-4: Abb. 2-5: Abb. 2-6: Abb. 3-1: Abb. 3-2: Abb. 3-3: Abb. 3-4: Abb. 3-5: Abb. 4-1: Abb. 4-2:

Abb. 4-3: Abb. 4-4: Abb. 4-5: Abb. 4-6: Abb. 4-7: Abb. 4-8: Abb. 4-9:

Einordnung von Kapitel 1 in den Gesamtkontext der Arbeit. .........1 Methodische Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit....................7 Methodische Vorgehensweise und Aufbau des theoretischen Teils der Arbeit. .....................................8 Einordnung von Kapitel 2 in den Kontext der Arbeit. ..................13 Zusammenhang zwischen Theorie, Technologie und Technik. ....16 Der Innovationsprozeß im weiteren Sinne. ...................................46 Das Gesamtsystem der strategischen Unternehmensführung........67 Übersicht und Kategorisierung zentraler technologieorientierter Strategietypologien. .................................95 Analytische Vorgehensweise von der Analyse bisheriger Ansätze bis zur Entwicklung eines eigenen Modells. .................112 Einordnung von Kapitel 3 in den Gesamtkontext der Arbeit. .....113 Entscheidungsbereiche des strategischen Technologiemanagements...........................................................115 Modell des strategischen Technologiemanagements. .................119 Die Technologiewertschöpfungskette unter Berücksichtigung des Aktivitäts- und Ergebnisaspektes..........................................150 Die Dimensionen der Technologiewertschöpfungskette.............153 Einordnung von Kapitel 4 in den Gesamtkontext der Arbeit. .....205 Entwicklung der Marktsegmente nach dem Kriterium der Kostenträgerschaft im deutschen Arzneimittelmarkt 1996-2000. ..................................................................................217 Arzneimittelverbrauch in Abhängigkeit vom Lebensalter. .........221 Weltpharmamarkt nach Regionen 2000......................................222 Marktgröße der westeuropäischen Arzneimittelmärkte 1999. ....223 Entwicklung der zwölf größten Arzneimittelmärkte 1999-200...223 Kostenstruktur der deutschen Pharmazeutischen Industrie.........233 Arzneimittelpreise im europäischen Vergleich: Herstellerabgabepreise 1998. ......................................................242 Arzneimittelpreise im europäischen Vergleich: Apothekenverkaufspreise 1998...................................................242

XXIV

Abb. 4-10: Abb. 4-11: Abb. 4-12: Abb. 4-13: Abb. 4-14: Abb. 4-15: Abb. 4-16: Abb. 4-17: Abb. 4-18: Abb. 4-19: Abb. 4-20: Abb. 4-21: Abb. 4-22: Abb. 4-23: Abb. 4-24: Abb. 4-25: Abb. 4-26: Abb. 4-27: Abb. 4-28:

Abb. 4-29: Abb. 4.30:

Abbildungsverzeichnis

Generikaanteil am Gesamtverschreibungsmarkt in ausgewählten OECD-Ländern nach Wert 1996/1997. ................244 Generikaanteil am deutschen Arzneimittelmarkt 1981-1999......245 Generikaanteil am generikafähigen Teilmarkt des deutschen Arzneimittelmarktes 1981-1999..................................................245 Generikaanteil an den 20 wichtigsten patentfreien Wirkstoffen im deutschen GKV-Arzneimittelmarkt. ......................................247 Entwicklung der Arzneimittelausgaben der deutschen GKV 1993-2000. ..................................................................................260 Anbieterkonzentration im deutschen Apothekenmarkt 2000. .....262 Entwicklung des Konzentrationsgrades im westdeutschen Apothekenmarkt 1970-2000........................................................264 Die Wertschöpfungskette der Pharmazeutischen Industrie. ........269 Der gesamtwirtschaftliche pharmazeutische Wertschöpfungsprozeß................................................................275 Die pharmazeutische Distributionskette in Deutschland.............294 Pharmazeutischer Großhandel in Deutschland............................297 Das US-amerikanische Distributionssystem. ..............................302 Struktur der Arzneimittelpreise in Europa. .................................307 Der Pharmazeutische Innovationsprozeß. ...................................310 Veränderungen der Entwicklungsdauer neuer pharmazeutischer Wirkstoffe im zeitlichen Verlauf....................317 Kosten für die Entwicklung neuer pharmazeutischer Wirkstoffe 1976-2000. ................................................................318 Kostenstruktur der Arzneimittelentwicklung nach Einzelaktivitäten. ........................................................................321 Die Technologiewertschöpfungskette der Pharmazeutischen Industrie. .....................................................................................327 Häufigkeitsverteilung der Gegenwartswerte von Vermarktungserlösen neuer Wirkstoffe relativ zu ihren durchschnittlichen Entwicklungskosten......................................341 Intensität der Außenorientierung (Fremdvergabegrad) für unterschiedliche Bereiche der pharmazeutischen Entwicklung. .350 Einfluss einer früheren Markteinführung auf den kumulierten Deckungsbeitrag eines Arzneimittels über seinen Produktlebenszyklus. .......................................................359

Abbildungsverzeichnis

Abb. 4-31: Abb. 4-32: Abb. 4-33: Abb. 5-1: Abb. 5-2: Abb. 5-3: Abb. 5-4: Abb. 5-5: Abb. 5-6: Abb. 5-7: Abb. 5-8: Abb. 5-9: Abb. 5-10: Abb. 5-11: Abb. 5-12: Abb. 5-13: Abb. 6-1: Abb. 6-2:

Abb. 6-3: Abb. 6-4:

XXV

Verkürzung der Periode der Marktexklusivität neuer Wirkstoffe 1965-1999. ................................................................363 Operationalisierung der Variablen der Technologiebeschaffungsstrategie. .............................................375 Operationalisierung der Variablen der Technologieverwertungsstrategie................................................376 Einordnung von Kapitel 5 in den Gesamtkontext der Arbeit. .....398 Verteilung der interviewten Experten nach Verantwortungsbereich / Funktion..............................................405 Vierstufiges Verfahren der Datenerhebung und Validierung......406 Übersicht: Die 80 Unternehmen der Haupterhebung. .................411 Häufigkeitsverteilung der Unternehmensgröße in der Gesamtstichprobe: Mitarbeiter....................................................413 Häufigkeitsverteilung der Unternehmensgröße in der Gesamtstichprobe: Umsatz..........................................................414 Anwachsen der Fehlerquadratsummen bei dem Average-Linkage-Verfahren. ......................................................418 Dendrogramm des Average-Linkage-Verfahrens. ......................419 Anwachsen der Fehlerquadratsummen bei dem Ward-Verfahren.............................................................420 Dendrogramm des Ward-Verfahrens. .........................................421 Größe der vier Cluster auf Basis des k-means-Verfahrens. ........422 Untergliederung der vier Cluster in sieben Technologiestrategietypen. .........................................................424 Größe der sieben Technologiestrategietypen. .............................425 Einordnung von Kapitel 6 in den Gesamtkontext der Arbeit. .....432 Die sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen der Technologiebeschaffungsund Technologieverwertungsstrategie.........................................435 Bedeutung des Ziels, „Technologieführer zu sein“ im Rahmen der Technologiebeschaffung....................................437 Technologiebeschaffungsstrategieprofil der Pharma-Branche 1990-2010: Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus – Teil I: Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette..........................................439

XXVI

Abb. 6-5:

Abb. 6-6: Abb. 6-7: Abb. 6-8:

Abb. 6-9:

Abb. 6-10: Abb. 6-11:

Abb. 6-12: Abb. 6-13: Abb. 6-14:

Abb. 6-15:

Abb. 6-16:

Abbildungsverzeichnis

Technologiebeschaffungsstrategische Neupositionierung der Pharma-Branche 1990-2010: Veränderungen in der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus – Teil I: Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette................................................440 F&E-Intensität der Pharma-Branche 2000..................................442 Bedeutung des Ziels, „Gänzlich neue Wirkstoffe zu erforschen“, im Rahmen der Technologiebeschaffung. ..............443 Bedeutung des Ziels, „bekannte Wirkstoffe zu verbessern und neue Indikationen zu identifizieren“, im Rahmen der Technologiebeschaffung. ............................................................444 Bedeutung des Ziels, „neue Kombinationen bekannter Wirkstoffe zu entwickeln“, im Rahmen der Technologiebeschaffung. ............................................................446 Bedeutung des Ziels, „eine verbesserte Galenik zu entwickeln“, im Rahmen der Technologiebeschaffung...............447 Bedeutung des Ziels, „alle Verbesserungsaktivitäten ausschließlich auf eigene Wirkstoffe zu beschränken“, im Rahmen der Technologiebeschaffung....................................448 Bedeutung des Ziels, „Generika zu entwickeln“, im Rahmen der Technologiebeschaffung....................................449 Bedeutung des Ziels, „neue Verfahren und Prozesse zu entwickeln“, im Rahmen der Technologiebeschaffung...............451 Bedeutung des Ziels, „Verfahrensentwicklung primär zur Produktkostenreduktion zu betreiben“, im Rahmen der Technologiebeschaffung. ......................................................452 Bedeutung des Ziels, „Verfahrensentwicklung primär zur Verbesserung der Produktqualität zu betreiben“, im Rahmen der Technologiebeschaffung. ......................................................453 Technologiebeschaffungsstrategieprofil der Pharma-Branche 1990-2010: Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus – Teil II: Technologiestrategische Risikobereitschaft........................................................................454

Abbildungsverzeichnis

Abb. 6-17:

Abb. 6-18: Abb. 6-19: Abb. 6-20: Abb. 6-21: Abb. 6-22:

Abb. 6-23:

Abb. 6-24: Abb. 6-25:

Abb. 6-26: Abb. 6-27: Abb. 6-28:

Abb. 6-29:

XXVII

Technologiebeschaffungsstrategische Neupositionierung der Pharma-Branche 1990-2010: Veränderungen in der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus – Teil II: Technologiestrategische Risikobereitschaft....................455 Bedeutung des Ziels, „Erforschung bislang unheilbarer Krankheiten“, im Rahmen der Technologiebeschaffung. ...........456 Bereitschaft, „hohe F&E-Risiken einzugehen“, im Rahmen der Technologiebeschaffung....................................457 Bedeutung der Konzentration auf angestammte Indikationsgebiete im Rahmen der Technologiebeschaffung. ....458 Bereitschaft, in neue, bislang unbekannte Indikationsgebiete zu expandieren, im Rahmen der Technologiebeschaffung..........459 Technologiebeschaffungsstrategieprofil der Pharma-Branche 1990-2010 hinsichtlich der technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen Timing, Make-or-Buy-Gewichtung, F&E-Kooperationsbereitschaft sowie Spezialisierungs- und Globalisierungsgrad. ...................................................................460 Technologiebeschaffungsstrategische Neupositionierung der Pharma-Branche von 1990-2010 hinsichtlich der Timingstrategie, der Make-or-Buy-Gewichtung, der F&E-Kooperationsbereitschaft und des Spezialisierungsund Globalisierungsgrades der F&E-Aktivitäten. .......................461 Bedeutung des Ziels, „F&E-Pionier zu sein“, im Rahmen der Technologiebeschaffung....................................462 Bedeutung interner Technologieerzeugung im Vergleich zu externen Know-how-Beschaffungsalternativen im Rahmen der Technologiebeschaffung. ......................................................465 Bedeutung von F&E-Kooperationen im Rahmen der Technologiebeschaffung. ......................................................469 Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologiebeschaffung. .......471 Bedeutungsänderung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologiebeschaffung....................................472 Bedeutung eines hohen Spezialisierungsgrades im Rahmen der Technologiebeschaffung...................................474

XXVIII

Abb. 6-30:

Abb. 6-31:

Abb. 6-32:

Abb. 6-33: Abb. 6-34: Abb. 6-35: Abb. 6-36: Abb. 6-37: Abb. 6-38:

Abb. 6-39:

Abb. 6-40:

Abb. 6-41:

Abbildungsverzeichnis

Bandbreite der Technologiebeschaffungsaktivitäten der Pharma-Branche: Anzahl der bearbeiteten Hauptindikationsbereiche im Jahr 2000......................................475 Bandbreite der Technologiebeschaffungsaktivitäten der Pharma-Branche: Häufigkeitsverteilung der Anzahl an Forschungsvorhaben im Jahr 2000..............................................476 Bandbreite der Technologiebeschaffungsaktivitäten der Pharma-Branche: Häufigkeitsverteilung der Anzahl an Entwicklungsprojekten im Jahr 2000..........................................477 Bedeutung eines hohen Globalisierungsgrades im Rahmen der Technologiebeschaffung....................................479 Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologiebeschaffung. .......480 Bedeutungsveränderung verschiedener F&E-Standorte für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologiebeschaffung. .......481 Technologiestrategische Bedeutung des F&E-Standortes Deutschland und EU für die Pharma-Branche. ...........................482 Gesamtausmaß der Neupositionierung der Technologiebeschaffungsstrategie. .............................................483 Gesamtausmaß der Neupositionierung der Technologiebeschaffungsstrategie relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche............................................484 Ausmaß der Neupositionierung der Technologiebeschaffungsstrategie hinsichtlich der „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche. ....................................485 Ausmaß der Neupositionierung der Technologiebeschaffungsstrategie hinsichtlich Timing, Außenorientierung, F&E-Kooperationsbereitschaft sowie des Spezialisierungs- und Globalisierungsgrades relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche............................................486 Ausmaß der Neupositionierung der Technologiebeschaffungsstrategie hinsichtlich des Bestrebens, „hochinnovativer, risikobereiter Technologieführer zu sein“ relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche. .........................489

Abbildungsverzeichnis

Abb. 6-42:

Abb. 6-43:

Abb. 6-44: Abb. 6-45:

Abb. 6-46: Abb. 6-47: Abb. 6-48:

Abb. 6-49: Abb. 6-50:

Abb. 6-51:

Abb. 6-52:

Abb. 6-53:

XXIX

Technologieverwertungsstrategieprofil der Pharma-Branche 1990-2010: Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus.........................................................................492 Technologieverwertungsstrategische Neupositionierung der Pharma-Branche 1990-2010: Veränderungen in der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus. ........................493 Bedeutung einer Markteinführung gänzlich neuer Wirkstoffe im Rahmen der Technologieverwertung. ....................................497 Bedeutung einer Markteinführung verbesserter Wirkstoffe und eines erweiterten Indikationsspektrums im Rahmen der Technologieverwertung. .......................................................499 Bedeutung einer Markteinführung neuer Kombinationspräparate im Rahmen der Technologieverwertung. ....................................502 Bedeutung einer Markteinführung galenisch verbesserter Präparate im Rahmen der Technologieverwertung. ....................503 Bedeutung einer Markteinführung preisgünstiger, qualitativ vergleichbarer Präparate im Rahmen der Technologieverwertung. .........................................505 Bedeutung einer Markteinführung von Generika im Rahmen der Technologieverwertung. ....................................507 Häufigkeit der Markteinführung eines neuen Arzneimittels und eines neuen Wirkstoffs (NME) sowie der Etablierung einer neuen Wirkstoffklasse im deutschen Pharmamarkt 2000. ..........508 Bedeutung einer Markteinführung von Präparaten gegen bislang unheilbare Krankheiten im Rahmen der Technologieverwertung. .......................................................510 Technologieverwertungsstrategieprofil der Pharma-Branche 1990-2010: Die technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen Timing, Eigen- oder Fremdverwertung, Vermarktungskooperationsbereitschaft sowie Spezialisierungs- und Globalisierungsgrad.......................512 Technologieverwertungsstrategische Neupositionierung der Pharma-Branche 1990-2010: Veränderungen hinsichtlich Timing, Eigen- versus Fremdverwertung, Vermarktungskooperationsbereitschaft sowie Spezialisierungs- und Globalisierungsgrad.................................515

XXX

Abb. 6-54: Abb. 6-55:

Abb. 6-56:

Abb. 6-57:

Abb. 6-58: Abb. 6-59:

Abb. 6-60:

Abb. 6-61: Abb. 6-62:

Abb. 6-63: Abb. 6-64: Abb. 6-65:

Abb. 6-66:

Abbildungsverzeichnis

Bedeutung des Ziels, „Marktpionier zu sein“, im Rahmen der Technologieverwertung. ....................................516 Bedeutung einer Eigenvermarktung von Wirkstoffen und Therapiekonzepten im Vergleich zu externen Verwertungsalternativen über Partner im Rahmen der Technologieverwertung. .......................................................519 Benchmark: Direkter Vergleich der drei Gruppen „Mittelgroße Internat. Forscher“, „Innovat. Mittelstand“ und „OTC/ Trad. Mittelstand“ hinsichtlich der relativen Umsatzbedeutung einzelner Marktsegmente. ...........................................................524 Bedeutung der Eigennutzung verfahrenstechnischen Know-hows im Vergleich zur Lizenzvergabe an Dritte im Rahmen der Technologieverwertung. ....................................526 Bedeutung von Vermarktungskooperationen im Rahmen der Technologieverwertung. ....................................528 Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologieverwertung. .............................................................531 Bedeutungsänderung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologieverwertung. ....................................535 Bedeutung eines hohen Spezialisierungsgrades im Rahmen der Technologieverwertung. ....................................537 Häufigkeitsverteilung der Anzahl der im Rahmen der Technologieverwertungsaktivitäten bearbeiteten Hauptindikationsbereiche in der Pharma-Branche 2000.............539 Bedeutung eines hohen Globalisierungsgrades im Rahmen der Technologieverwertung. ....................................543 Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologieverwertung....547 Bedeutungsveränderung verschiedener Länder/Regionen als Märkte für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologieverwertung. .............................................................550 Gesamtausmaß der Neupositionierung der Technologieverwertungsstrategie................................................551

Abbildungsverzeichnis

Abb. 6-67:

Abb. 6-68:

Abb. 6-69:

Abb. 6-70:

Abb. 6-71:

Abb. 6-72:

Abb. 6-73: Abb. 6-74: Abb. 6-75: Abb. 6-76: Abb. 6-77: Abb. 6-78: Abb. 6-79: Abb. 6-80:

XXXI

Gesamtausmaß der Neupositionierung der Technologieverwertungsstrategie relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche. ....................................552 Ausmaß der Neupositionierung der Technologieverwertungsstrategie hinsichtlich der „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche. .........................553 Ausmaß der Neupositionierung der Technologieverwertungsstrategie hinsichtlich Timing, Außenorientierung, Vertriebskooperationsbereitschaft sowie des Spezialisierungs- und Globalisierungsgrades relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche............................................554 Ausmaß der Neupositionierung der Technologieverwertungsstrategie hinsichtlich des Bestrebens, „hochinnovativer, risikobereiter Technologieführer im Arzneimittelmarkt zu sein“, relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche. ....................................556 Relative technologiestrategische Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und ihrer Veränderungspotentiale für die Pharma-Branche 1990, 2000 und 2010. ......................................560 Veränderung der relativen technologiestrategischen Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und ihrer Veränderungspotentiale für die Pharma-Branche 1990-2010. ....561 Intensität des Preiswettbewerbs 1990, 2000 und 2010................563 Größe der Steigerungspotentiale für die Intensität des Preiswettbewerbs. .......................................................................565 Intensität des Innovationswettbewerbs........................................568 Größe der Steigerungspotentiale für die Intensität des Innovationswettbewerbs..............................................................569 Intensität des Image- und Marketingwettbewerbs.......................572 Die drei Typen von Marketing-Strategien im Generikamarkt.....575 F&E- und Werbeausgaben in der US-amerikanischen Pharma-Industrie 1997-2000.......................................................577 Größe der Steigerungspotentiale für die Intensität des Image- und Marketingwettbewerbs.............................................579

XXXII

Abb. 6-81: Abb. 6-82: Abb. 6-83: Abb. 6-84:

Abb. 6-85:

Abb. 6-86: Abb. 7-1: Abb. 7-2: Abb. 7-3: Abb. 7-4: Abb. 7-5: Abb. 7-6: Abb. 7-7: Abb. 7-8: Abb. 7-9: Abb. 7-10: Abb. 7-11: Abb. 7-12:

Abbildungsverzeichnis

Veränderungen in der Gesamthöhe der Wettbewerbsintensität 1990-2010. ..................................................................................580 Relative Bedeutung von Marktimpulsen für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung. ............................582 Relative Bedeutung von Technologieimpulsen für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung. ............................583 Gegenüberstellung der relativen Bedeutung von Markt- und Technologieimpulsen für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung der sieben Technologiestrategietypen 2000. .........585 Gegenüberstellung der relativen Bedeutung von Marktund Technologieorientierung für fünf Innovationsstrategietypen 1981 nach Cooper (1984)............................................................587 Länge des technologiestrategischen Planungshorizonts..............590 Einordnung von Kapitel 7 in den Kontext der Gesamtarbeit. .....594 Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Gruppe der „Biotechnologie-Unternehmen“...............................596 Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Gruppe der „Biotechnologie-Unternehmen“............................................598 Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Gruppe der „Biotechnologie-Unternehmen“. ..................600 Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Gruppe der „Biotechnologie-Unternehmen“. ..................601 Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Gruppe der „Großen Internat. Forscher“.....................................604 Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Gruppe der „Großen Internat. Forscher“..................................................605 Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Gruppe der „Großen Internat. Forscher“. ........................606 Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Gruppe der „Großen Internat. Forscher“.....................................607 Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Gruppe der „Mittelgroßen Internat. Forscher“. ...........................610 Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Gruppe der „Mittelgroßen Internat. Forscher“.........................................611 Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Gruppe der „Mittelgroßen Internat. Forscher“.................614

Abbildungsverzeichnis

Abb. 7-13: Abb. 7-14: Abb. 7-15: Abb. 7-16: Abb. 7-17: Abb. 7-18: Abb. 7-19: Abb. 7-20: Abb. 7-21: Abb. 7-22: Abb. 7-23: Abb. 7-24: Abb. 7-25: Abb. 7-26: Abb. 7-27: Abb. 7-28: Abb. 7-29: Abb. 7-30:

XXXIII

Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Gruppe der „Mittelgroßen Internat. Forscher“.................615 Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Gruppe des „Innovationsorientierten Mittelstandes“.......618 Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Gruppe des „Innovat. Mittelstandes“. ......................................................619 Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Gruppe des „Innovat. Mittelstandes“...............................621 Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Gruppe des „Innovat. Mittelstandes“...............................623 Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Gruppe des „OTC/Tradit. Mittelstandes“..............................626 Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Gruppe des „OTC/Trad. Mittelstandes“...................................................627 Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Gruppe des „OTC/Trad. Mittelstandes“. .........................629 Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Gruppe des „OTC/Trad. Mittelstandes“. .........................630 Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Gruppe der „OTC-Töchter von MNEs“. .....................................633 Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Gruppe der „OTC-Töchter von MNEs“. ........................................................634 Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Gruppe der „OTC-Töchter von MNEs“...........................636 Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Gruppe der „OTC-Töchter von MNEs“...........................638 Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Gruppe der „Generika-Hersteller“.........................................640 Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Gruppe der „Generika-Hersteller“. ..........................................................641 Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Gruppe der „Generika-Hersteller“...................................644 Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Gruppe der „Generika-Hersteller“...................................645 Legende: Skalierung der technologiestrategischen Bedeutung. ..646

XXXIV

Abb. 7-31: Abb. 7-32: Abb. 7-33: Abb. 7-34: Abb. 7-35: Abb. 7-36: Abb. 8-1: Abb. 9-1:

Abbildungsverzeichnis

Übersicht: Technologiebeschaffungsstrategie der sieben Technologiestrategietypen 1990. ................................................647 Übersicht: Technologiebeschaffungsstrategie der sieben Technologiestrategietypen 2000. ................................................648 Übersicht: Technologiebeschaffungsstrategie der sieben Technologiestrategietypen 2010. ................................................649 Übersicht: Technologieverwertungsstrategie der sieben Technologiestrategietypen 1990. ................................................651 Übersicht: Technologieverwertungsstrategie der sieben Technologiestrategietypen 2000. ................................................652 Übersicht: Technologieverwertungsstrategie der sieben Technologiestrategietypen 2010. ................................................653 Einordnung von Kapitel 8 in den Gesamtkontext der Arbeit. .....655 Einordnung von Kapitel 9 in den Gesamtkontext der Arbeit. .....665

Tabellenverzeichnis Tabelle 2-1: Übersicht zu den unterschiedlichen Ansätzen ausgewählter Autoren, eine Abgrenzung des Innovationsprozesses und Unterteilung in Phasen vorzunehmen ...........................................38 Tabelle 2-2: Übersicht verschiedener Technologiestrategietypologien und der in ihnen enthaltenen Technologiestrategieelemente.......103 Tabelle 4-1: Absatzstätten für Arzneimittel in Deutschland 2000. .................299 Tabelle 4-2: Detaillierte Synopse zur empirischen Vorgehensweise und zum Forschungsdesign zentraler Technologiestrategietypologisierungsansätze im Bereich der Pharmazeutischen Industrie. .................................................379 Tabelle 4-3: Zusammenfassende Übersicht zur empirischen Vorgehensweise und zum Forschungsdesign zentraler Technologiestrategietypologisierungsansätze im Bereich der Pharmazeutischen Industrie. .......................................................385 Tabelle 4-4: Synopse zur empirischen Vorgehensweise und zum Forschungsdesign zentraler branchenübergreifender Technologiestrategietypologisierungsansätze. ............................387

1

Einleitung 1. Einleitung

Prolog

2. Konzeptionelle Grundlagen: Technologiemanagement im Rahmen der Unternehmensstrategie

Analyse & Extraktion

3. Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells des strategischen Technologiemanagements

Synthese

4. Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Konkretisierung

5. Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik Fazit 6. Die technologiestrategische Positionierung im deutschen Pharma-Markt im zeitlichen Verlauf 1990 Ÿ 2000 Ÿ 2010 7.1. BiotechnologieUnternehmen

7.2. Große internat. Forscher

7.3. Mittelgroße internat. Forscher

7.4. Innovat. Mittelstand

7.5. OTC/ Trad. Mittelstand

7.6. OTCTöchter von MNEs

7. Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen im deutschen Pharma-Markt

Abb. 1-1:

7.7. GenerikaHersteller

8. Modellkritik und -erweiterung im Spiegel der empirisch gewonnenen Erkenntnisse 9. Zusammenfassung und Ausblick

Übersicht: Einordnung von Kapitel 1 in den Gesamtkontext der Arbeit. Quelle: Eigene Darstellung.1

1.1 Problemstellung und Zielsetzung Die Geschwindigkeit des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt technologischen Wandels hat in den letzten 50 Jahren exponentiell zugenommen. Anstelle sich langfristig abzeichnender evolutionärer technologischer Veränderungen sind immer stärker abrupte revolutionäre Umbrüche getreten, die bestehende Markt- und Wettbewerbskonstitutionen erschüttert und nachhaltig umgewälzt haben. Diese Dynamisierung hat sich insbesondere in einer drastischen

1

Auf den in Abb. 1-1 skizzierten Aufbau und die methodische Vorgehensweise der vorliegenden Arbeit wird unmittelbar an diese kurze inhaltliche Einleitung anschließend in Kap. 1.2 (S. 6ff) zurückzukommen sein.

2

Einleitung 2

Verkürzung der Marktzyklen bei gleichzeitig immens gestiegener Länge der Entwicklungszyklen3 und noch stärker gewachsenen Entwicklungskosten niedergeschlagen.4 Parallel dazu hat vor allem in der letzten Dekade die wirtschaftliche Globalisierung diese Dynamisierung nochmals rigoros vorangetrieben, da technologische Diskontinuitäten, die früher erst mit zum Teil großer Verzögerung auch Folgewirkungen in anderen Regionen entfaltet hatten, jetzt nahezu unverzüglich in der gesamten Welt bekannt und wirksam werden. Diese Dynamisierung konfrontiert die Unternehmen mit einer immer höheren Frequenz von weitreichenden Entscheidungen, die den Unternehmen gewaltige Chancen offerieren, aber auch enorme Risiken beinhalten und nicht selten über deren Aufstieg oder Fall entscheiden. Im Zentrum dieser Entscheidungen steht in fast allen Branchen das Management von Technologien. In vielen Branchen ist daher das strategische Technologiemanagement der dominierende Treiber der Unternehmensstrategie geworden. Das strategische Technologiemanagement beschränkt sich dabei keinesfalls allein auf die im Rahmen der Technologiebeschaffung oder -eigenerzeugung (durch interne F&E) zu treffenden Entscheidungen, sondern muß deren Sicherung, Verwendung und Verwertung parallel gleichermaßen in den Mittelpunkt strategischer Überlegungen stellen. Dadurch zeichnet sich das strategische Technologiemanagement nicht nur durch die große Tragweite der Entscheidungen, sondern gleichzeitig auch durch enorme Entscheidungskomplexität aus. Diese Entscheidungskomplexität wird in vielen Industrien noch durch die in ihrer Vielfalt und Intensität immer umfangreicher werdenden staatlichen Regulierungen dramatisch verschärft. Dies trifft insbesondere deshalb zu, weil die Frequenz, mit der die regulatorischen Rahmenbedingungen novelliert werden, kontinuierlich zugenommen hat und in vielen Fällen den (immer langfristiger werdenden) technologiestrategischen Planungszeitraum unterschreitet.5 Hinzu kommt, daß derartige Veränderungen in vielen Fällen nur sehr schwierig prognostizierbar sind. Umso wichtiger ist es daher, alle Ebenen technologiestrategi2

3

4 5

Vgl. hierzu z.B. Bitzer, M. R.; (1991), S. 35-38 und die dort zitierte Literatur. Bezüglich kürzer werdender Marktzyklen im Arzneimittelmarkt vgl. Abb. 4-31 (S. 363) der vorliegenden Arbeit und die dortigen Ausführungen. Vgl. z.B. Specht, G.; (1997), S. 402-403, der in diesem Zusammenhang von einer „Zeitfalle“ spricht, in die die Unternehmen zunehmend geraten. Vgl. hierzu die detaillierten Ausführungen in Kap. 4.1.4, S. 308ff. Vgl. Wenninger, W.; (1994), S. 72-74.

Problemstellung und Zielsetzung

3

scher Entscheidungen systematisch und explizit in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Die zentrale Zielsetzung dieser Arbeit ist es, ein umfassendes technologiestrategisches Entscheidungsmodell zu identifizieren bzw. zu entwickeln. Dieses soll alle Entscheidungsebenen und Optionen, die einem Unternehmen im Rahmen technologiestrategischer Entscheidungsprozesse zur Verfügung stehen, systematisch abbilden. Auf diese Weise soll ein Bezugsrahmen geschaffen werden, der, insbesondere vor dem Hintergrund eines sich ändernden und komplexer werdenden regulatorischen Umfeldes, eine klar strukturierte Entscheidungsfindung ermöglicht, die nicht nur alle Entscheidungsebenen, sondern auch deren redundante Wechselwirkungen umfassend berücksichtigt. Kernstück der Arbeit soll die Überprüfung der Praxistauglichkeit dieses Modells mittels einer empirischen Studie an einem besonders aussagekräftigen Untersuchungsobjekt sein. Eine detaillierte und differenzierte systematische Analyse des Zusammenhanges zwischen staatlicher Regulierung und unternehmerischer Technologiestrategie, die auf den hier gewonnenen Erkenntnissen aufbauen, soll allerdings einer späteren seperaten Ausführung überlassen bleiben. 6 Als äußerst aussagekräftiges Untersuchungsobjekt zur empirischen Evaluierung des Modells eignet sich in besonderer Weise die Pharmazeutische Industrie. Dies hat drei zentrale Gründe: –

In der Pharmazeutischen Industrie ist der strategische Stellenwert des Technologiemanagements im Vergleich zu allen anderen Branchen besonders hoch: Die Pharmazeutische Industrie weist, selbst im Vergleich zu „High-Tech“Industrien wie der Computer-, Elektronik- oder Luft- und Raumfahrtindustrie, die höchste durchschnittliche F&E-Intensität aller Industrien auf.7 Da der An-

6

Der Zusammenhang von Regulierungsbetroffenheit und technologiestrategischer Ausrichtung von Pharma-Unternehmen wurde zeitgleich mit den hier beschriebenen Untersuchungen zum strategischen Technologiemanagement konzeptionell entwickelt, empirisch erhoben und analysiert. Forschungsdesign und Stichprobe waren identisch mit der vorliegenden Arbeit. Vgl. EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations; (2000), S. 11. Während die Pharmazeutische Industrie 1997 12,5 % des Umsatzes für F&E investierte, betrugen die Vergleichswerte für die Elektrotechnikbranche 6,7 %, für den Fahrzeugbau 6,4 % und für den Maschinenbau nur 3,4 %, vgl. hierzu VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 25 sowie die detaillierteren Ausführungen und eigenen Befunde in Kap. 6.2.1.1, S. 436ff (insbesondere Abb. 6-6, S. 442).

7

4

Einleitung

teil staatlicher Subvention an der F&E-Finanzierung gleichzeitig (mit 0,8 % ) der niedrigste aller forschungsintensiven Branchen ist, ist die Ausgestaltung der Technologiestrategien nicht durch die Vorgaben öffentlicher Geldgeber prädeterminiert.8 –

8

Im Vergleich zu vielen anderen forschungsintensiven Branchen ist die Pharmazeutische Industrie außerordentlich fragmentiert: Die fünfundzwanzig

Die begriffliche Abgrenzung, was in der unternehmerischen Praxis (z.B. in Jahresberichten) unter F&E-Budget oder Innovationsaufwand verstanden wird, ist nicht immer einheitlich und deckt sich nur zum Teil mit den nachfolgend in Kap. 2.1 (S. 14ff) vorgenommenen Definitionen. In der Regel wird in der unternehmerischen Praxis unter F&E-Ausgaben ein Großteil der Summe der zur technologischen Know-how-Beschaffung verwendeten Mittel ausgewiesen, unabhängig davon, ob diese Mittel für die Eigenerzeugung (durch interne F&E) oder den Fremderwerb (etwa in F&E-Kooperationen, Patent- oder Lizenzerwerb oder Auftragsforschung) ausgegeben werden. Auch unterscheiden sich die dabei verfolgten strategischen Ziele (z.B. Entwicklung eines gänzlich neuen Wirkstoffs oder Entwicklung eines Imitats (Generikums)) von Unternehmen zu Unternehmen. Insofern ist es erheblich zutreffender, von Technologieausgaben anstelle von Innovationsausgaben und von Technologiebudgets anstelle von F&E-Budgets zu sprechen. Auch wenn dort nicht alles, was in diese Rubrik gehört, vollständig ausgewiesen wird – so werden z.B. in vielen Fällen Lizenzausgaben für bereits zugelassene Wirkstoffe an anderer Stelle in Jahresberichten berücksichtigt. Diese Ausführungen mögen genügen, um die Annahme, daß es sich bei der Pharmazeutischen Industrie um eine „technologieintensive“ Branche handelt, zu belegen. Die definitorische Abgrenzung der zentralen Begriffe des Technologiemanagements wird in Kap. 2.1.4.3 (S. 50ff) erfolgen. Die umfassende systematische Aufarbeitung aller technologiestrategischen Handlungsoptionen – welche den Kern der vorliegenden Arbeit bilden – erfolgt später in Kap. 3, S. 113ff. Starke Unterstützung für die Berechtigung dieser Annahme ergeben schließlich die eigenen empirischen Befunde in Kap. 6 (S. 431ff) und Kap. 7 (S. 593ff). Vgl. EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations; (2000), S. 11. Während die Technologieausgaben der Pharmazeutischen Industrie 1995 nur zu 0,8 % auf staatliche Finanzierung zurückgingen, betrugen die Vergleichswerte für die Chemische Industrie 0,9 %, den Maschinenbau 2,2 %, die Nachrichtentechnik 3,0 %, das Verarbeitende Gewerbe 6,3 %, die Automobilindustrie 13,6 % und die Luft- und Raumfahrtindustrie sogar 52,1 %, vgl. hierzu Stifterverband der Deutschen Wissenschaft (1997), zitiert nach VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (1998 b), S. 40-41 und Boston Consulting Group; (1998), S. 117-118. Dabei war die Pharmazeutische Industrie auch schon früher die Branche mit der höchsten F&E-Intensität. Die Branchenunterschiede in der Relation von Eigenfinanzierungsanteil und öffentlicher Finanzierung waren früher sogar noch ausgeprägter, vgl. Grabowski, H.; (1967), S. 24-28, der deshalb auch die Pharma-Branche (als eine von drei Industrien) als Untersuchungsobjekt für seine grundlegenden empirischen Studien des industriellen Innovationsverhaltens auswählte.

Problemstellung und Zielsetzung

5

führenden Unternehmen im deutschen Pharma-Markt (einschließlich des Krankenhausmarktes) repräsentieren nur einen kumulierten Marktanteil von 64,9 % (1999).9 Diese Aussage trifft auch für alle anderen weltweiten Pharma-Märkte zu, allerdings weist der deutsche Arzneimittelmarkt auch im internationalen Vergleich der Pharma-Märkte einen besonders niedrigen Konzentrationsgrad auf.10 Gerade im deutschen Pharma-Markt sind also eine besonders hohe Anzahl marktrelevanter Unternehmen (und damit auch Technologiestrategien) anzutreffen, was ihn als Untersuchungsobjekt besonders prädestiniert. Die Wahrscheinlichkeit, hier eine besonders große Bandbreite unterschiedlicher in der unternehmerischen Praxis verfolgter Technologiestrategien anzutreffen, sollte also besonders hoch sein.11 –

Die Regulierungsintensität und -vielfalt ist in der Pharmazeutischen Industrie im Vergleich zu allen anderen Branchen besonders ausgeprägt.12 Nationale Regierungen haben einen größeren Einfluß auf die weltweite Pharmaindustrie als jede andere Gruppe oder Kraft. Sie sind in der einzigartigen Position, zugleich z.T. Hauptkunde und Zulassungs- und Genehmigungsbehörde mit (in vielen Ländern) Preisgestaltungskompetenz zu sein.13 Diese Tatsache erhöht die Komplexität technologiestrategischer Entscheidungen bedeutend, insbesondere, da die Planungszeiträume in der Pharmazeutischen Industrie

9

Vgl. IMS Health, zitiert nach Gambardella, A.; et al.; (2000), S. 25. Vgl. ebenda, S. 25. Auf den Aspekt der Marktkonzentration werden wir in Kap. 4.1.2.5 (S. 261ff) später genauer eingehen. Starke Unterstützung für die Berechtigung dieser Vermutung werden schließlich die eigenen empirischen Befunde in Kap. 6 (S. 431ff) und Kap. 7 (S. 593ff) ergeben. „The pharmaceutical industry has been among the most innovative while being one of the most highly regulated industries in the United States“, vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1979 a), S. 43. Diese Aussage trifft nicht nur auf die USA zu, sondern besitzt weltweite Gültigkeit, wie die späteren Ausführungen noch differenziert belegen werden. Vgl. hierzu z.B. Taggart, J.; (1993), S. 118; Olson, M.; (1992), S. 1. Die Rolle des Staates im gesamtwirtschaftlichen pharmazeutischen Wertschöpfungsprozeß wird in Kap. 4.1.3.2 (S. 274ff) genauer behandelt werden. Die enorme Bedeutung, die das regulatorische Umfeld auf die technologiestrategische Ausrichtung von Pharma-Unternehmen hat, wird im Rahmen der Ergebnisdiskussion in Kap. 6 (S. 431ff) verdeutlicht werden. Eine differenzierte und systematische Aufarbeitung des komplexen Zusammenhangs von staatlicher Regulierung und unternehmerischen Technologiestrategien erfolgt im Rahmen einer späteren eigenständigen Publikation an anderer Stelle.

10

11

12

13

6

Einleitung 14

außergewöhnlich lang und die Frequenz von Veränderungen im regulatorischen Umfeld (vor allem im Bereich der Kostendämpfung) extrem hoch sind.15

1.2 Aufbau und methodische Vorgehensweise Nach dieser kurzen Einführung in die Problemstellung und die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit soll nachfolgend ein Gesamtüberblick über deren Aufbau und die eingeschlagene methodische Vorgehensweise gegeben werden. Die vorliegende Arbeit ist zunächst, wie in Abb. 1-2 dargestellt, in zwei zentrale Blöcke gegliedert: Einen theoretischen Teil, der auf die Ableitung eines technologiestrategischen Entscheidungsmodells zielt, und einen praktischen Teil, der die Praxistauglichkeit dieses Modells am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie überprüft und dessen Kernstück eine empirische Studie ist. Dabei wird der praktische Teil nicht nur der Modellevaluierung dienen, sondern vor allem auch eine genaue Analyse der unterschiedlichen technologiestrategischen Positionierungen im deutschen Pharma-Markt zu drei Betrachtungszeitpunkten (1990, 2000 und 2010) vornehmen. Auf diese Weise lassen sich schließlich clusteranalytisch sieben verschiedene Technologiestrategietypen im deutschen Pharmamarkt identifizieren und genau charakterisieren. Auch das Ausmaß und die Richtung der von diesen Gruppen und der Branche als Ganzes vorgenommenen technologiestrategischen Repositionierung innerhalb der zwei Betrachtungsdekaden werden beschrieben und differenziert (auch hinsichtlich ihrer Ursachen) analysiert. Um dem Leser zu jedem Zeitpunkt eine rasche Orientierung zu ermöglichen, ist jedem der neun Hauptkapitel eine auf Abb. 1-2 basierende Übersichtsgraphik vorangestellt, wie dies bereits zu Beginn dieses Hauptkapitels der Fall war.

14

15

Im Branchendurchschnitt beträgt die Länge des technologiestrategischen Planungshorizontes 8,5 Jahre, vgl. Kap. 6.4.3 (S. 589ff). Vgl. z.B. Boston Consulting Group; (1995), S. 116-117.

Aufbau und methodische Vorgehensweise

1.2.1

7

Konzeption des theoretischen Teils 1. Einleitung

THEORIE: Ableitung eines technologiestrategischen Entscheidungsmodells

Prolog

2. Konzeptionelle Grundlagen: Technologiemanagement im Rahmen der Unternehmensstrategie

3. Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells des strategischen Technologiemanagements

4. Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Empirische Befunde: a) die Branchenperspektive

b) Detailperspektive

Konkretisierung

Fazit 6. Die technologiestrategische Positionierung im deutschen Pharma-Markt im zeitlichen Verlauf 1990 Ÿ 2000 Ÿ 2010 7.1. BiotechnologieUnternehmen

7.2. Große internat. Forscher

7.3. Mittelgroße internat. Forscher

7.4. Innovat. Mittelstand

7.5. OTC/ Trad. Mittelstand

7.6. OTCTöchter von MNEs

7.7. GenerikaHersteller

7. Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen im deutschen Pharma-Markt

Abb. 1-2:

Synthese

5. Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

PRAXIS: Empirische Überprüfung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie

Analyse & Extraktion

8. Modellkritik und -erweiterung im Spiegel der empirisch gewonnenen Erkenntnisse 9. Zusammenfassung und Ausblick

Übersicht über methodische Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit. Quelle: Eigene Darstellung.

Nachdem im 1. Kapitel ein einleitender Überblick über Problemstellung und Zielsetzung der vorliegenden Arbeit sowie über deren Aufbau und Konzeption gegeben wurde, schließt sich der theoretische Teil an, der die Kap. 2, 3 und 4 umfaßt. Ziel dieses ersten zentralen Hauptteils ist es, auf Basis einer sorgfältigen Analyse der wissenschaftlichen Literatur ein umfassendes technologiestrategisches Entscheidungsmodell abzuleiten. Die dabei eingeschlagene genaue Vorgehensweise innerhalb dieses theoretischen Teils wird in Abb. 1-3 beschrieben. Die methodische Vorgehensweise im theoretischen Teil ist in drei Arbeitsschritte untergliedert, die sich dabei gut mit den Begriffen Analyse und Extraktion, Synthese sowie Konkretisierung charakterisieren lassen: – Kapitel 2 hat die Analyse und Extraktion zum Gegenstand.16 Das Kapitel ist

dabei in einen grundlegenden definitorischen Teil und drei aufeinander aufbauende Analyse- und Extraktionsschritte untergliedert. Alle drei Schritte gemeinsam haben zum Ziel: 16

Vgl. S. 13ff.

8

Einleitung

Kapitel 2 • Aufbau des definitorischen Fundamentes (2.1, 2.2.1, 2.3.1) • Sichtung aller bedeutenden Ansätze von Normstrategien und - insbesondere technologieorientierten - Strategietypologien mit den Zielen: - Identifikation eines (für die vorliegende Aufgabenstellung) „optimalen“ technologiestrategischen Entscheidungsmodells und - falls ein solches nicht vorhanden ist: - Extraktion der in den jeweiligen Ansätzen enthaltenen Strategieelemente (2.2.2, 2.3.2, 2.4)

Analyse & Extraktion

Abb. 1-3:

Kapitel 3

Kapitel 4

• Systematische Differenzierung der (in Kap. 2 extrahierten) Strategieelemente in technologiestrategische Entscheidungsdimensionen und -bereiche (3.1) • Synthese eines umfassenden technologiestrategischen Entscheidungsmodells (3.2) • Kompakte Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine (3.3): - Technologiestrategische Entscheidungsbereiche (3.3.1) - Technologiestrategische Entscheidungsdimensionen (3.3.2)

• Definition und Beschreibung der zentralen Charakteristika von Pharmazeutischer Industrie und Arzneimittelmarkt (4.1) • Konkretisierung des in Kap. 3 abgeleiteten technologiestrategischen Entscheidungsmodells für die spezifischen Gegebenheiten des Untersuchungsobjektes Pharmazeutische Industrie sowie Operationalisierung des Modells zur Entwicklung eines Interviewleitfadens (4.2)

Synthese

Konkretisierung

Übersicht über methodische Vorgehensweise und Aufbau des theoretischen Teils der Arbeit. Quelle: Eigene Darstellung.

1) zu klären, ob in der wissenschaftlichen Literatur ein für die vorliegende Arbeit geeignetes, umfassendes, technologiestrategisches Entscheidungsmodell existiert und, falls dies nicht der Fall sein sollte, (was in der Tat zutraf) 2) alle bestehenden konzeptionellen Ansätze auf darin enthaltene technologiestrategische Entscheidungselemente hin zu analysieren, um schließlich 3) eine umfassende Zusammenstellung aller dieser einzelnen technologiestrategischen Entscheidungselemente zu extrahieren. Vor Beginn der einzelnen Analyseschritte wird zunächst das definitorische Fundament gelegt (Kap. 2.1).17 In Analyseschritt 1 (Kap. 2.2) folgt dann zunächst die genauere Spezifizierung der zentralen Ansätze des strategischen Managements, die Bedeutung für das strategische Technologiemanagement erlangt haben.18 Im darauf aufbauenden zweiten Schritt werden die unter17

18

Vgl. S. 13ff (Definitorische Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements), sowie für die definitorischen Grundlagen des strategischen Managements Kap. 2.2.1, S. 64ff. Vgl. S. 64 ff.

Aufbau und methodische Vorgehensweise

9

schiedlichen Ansätze zu technologieorientierten Strategietypologien mit Blick auf die ihnen jeweils zugrundeliegenden Technologiestrategieelemente genauer analysiert und die verschiedenen Ansatztypen systematisiert (Kap. 2.3).19 Im dritten Analyseschritt schließt sich schließlich die genauere Betrachtung der wichtigsten bereits existierenden konzeptionellen Ansätze zu technologiestrategischen Entscheidungsmodellen an (Kap. 2.4).20 Der besseren Übersichtlichkeit und Stringenz halber konzentrieren sich die Ausführungen im Haupttext dabei auf die zentralen Ergebnisse der Analyseschritte eins und zwei.21 –

Die in allen drei Analyseschritten extrahierten Technologiestrategieelemente bilden dann die Ausgangsbasis für die in Kapitel 3 vorgenommene Synthese eines eigenen Entscheidungsmodells des strategischen Technologiemanagements.22 Auch hierzu werden drei Synthesestufen vorgenommen: 1) wird zunächst eine systematische Differenzierung der in Kap. 2 identifizierten Strategielemente in sechs technologiestrategische Entscheidungsdimensionen und vier Entscheidungsbereiche (von denen zwei von zentraler Bedeutung sind) vorgenommen (Kap. 3.1).23 2) erfolgt darauf aufbauend die Synthese eines umfassenden, alle relevanten Entscheidungsebenen und –bereiche beinhaltenden technologiestrategischen Entscheidungsmodells (Kap. 3.2).24 3) werden unter Bezug auf die wichtigsten jeweiligen wissenschaftlichen Arbeiten die einzelnen technologiestrategischen Entscheidungsbereiche und Entscheidungsdimensionen kompakt charakterisiert (Kap. 3.3).25



Das letzte Hauptkapitel (Kapitel 4) des theoretischen Teils der vorliegenden Arbeit zielt auf die Konkretisierung des vorstehend abgeleiteten technologie-

19

Vgl. S. 88ff. Vgl. S. 105ff. Die im Text vorgenommenen Ausführungen sind nur das Ergebnis einer ausführlichen Analyse der zugrundeliegenden Literatur, auf deren Wiedergabe hier aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet wird. Die zugrundeliegende ausführliche Synopse der einzelnen Ansätze und Modelle kann am Lehrstuhl für Marketing der TU Chemnitz angefordert werden, vgl. Feldmann, C.; (2005 a). Vgl. S. 113ff. Vgl. S. 114ff. Vgl. S. 118ff. Vgl. S. 120ff.

20 21

22 23 24 25

10

Einleitung

strategischen Entscheidungsmodells auf die spezifischen Gegebenheiten des Untersuchungsobjektes Pharmazeutische Industrie:26 1) Hierzu werden zunächst die für die Konkretisierung des Modells entscheidenden wichtigsten Begriffe präzisiert und die zentralen Innovations-, Markt- und Wettbewerbscharakteristika dieser Branche beschrieben (Kap. 4.1).27 2) Dann erfolgt die eigentliche Konkretisierung der einzelnen technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen für die beiden Hauptentscheidungsbereiche Technologiebeschaffung und -verwertung (Kap. 4.2).28 Diese mündet nahtlos in die Entwicklung eines Interviewleitfadens für die im praktischen Teil durchzuführende empirische Studie. 1.2.2

Konzeption des empirischen Teils

Kernstück der vorliegenden Arbeit bildet die durchgeführte empirische Studie, die auf der zielgerichteten Kombination quantitativer und qualitativer Analysetechniken basiert. Der dabei im Vordergrund stehende aufwendige quantitative Teil verfolgt in erster Linie einen deskriptiven Ansatz. Der diesen ergänzende qualitative Teil zielt auf die explorative Erklärung bestimmter Phänomene und die Interpretation der quantitativ-deskriptiven Befunde. Dadurch dient diese gewählte empirische Konzeption nicht nur, wie bereits erwähnt, der Evaluation des im theoretischen Teil abgeleiteten Entscheidungsmodells, sondern zielt darauf, eine möglichst umfassende und vollständige Beschreibung der Vielfalt technologiestrategischer Ausrichtungen in einer besonders technologieintensiven Branche vorzunehmen. Dementsprechend wurde für die empirische Studie bewußt ein aufwendiges Design in Form mehrstündiger fragebogengestützter Experteninterviews gewählt. Um dabei auch hinsichtlich der Repräsentativität des quantitativen Teils zu möglichst aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen, wurde die Zahl der in die Studie einbezogenen Unternehmen mit 80 und die Anzahl der be-

26 27 28

Vgl. S. 205ff. Vgl. S. 206ff. Vgl. S. 333ff.

Aufbau und methodische Vorgehensweise

11

fragten Experten mit 250 bewußt außergewöhnlich hoch angesetzt. Gleichzeitig wurde bei der Auswahl der in die Studie einbezogenen Unternehmen gezielt darauf geachtet, durch eine möglichst gleichmäßige Abdeckung aller verschiedenen Marktsegmente die Vielfalt der untersuchten Unternehmen und den in der Studie vertretenen Anteil am Gesamtpharmamarkt zu maximieren. Die erreichte Marktabdeckung lag am Ende bei deutlich über 70 %, so daß der Umfang fast an eine Vollerhebung grenzt. Über Konzeption der empirischen Untersuchung, den Aufbau des Forschungsdesigns in Form einer vierstufigen Erhebung und die anschließende Auswertungsmethodik mittels Clusteranalyse und Mittelwertvergleichen gibt Kapitel 5 Auskunft.29 Die Beschreibung und differenzierte inhaltliche Diskussion der empirischen Befunde ist den Kap. 6 und 7 überlassen. Dabei nimmt Kapitel 6 die Analyse aus Branchenperspektive vor:30 Getrennt nach Technologiebeschaffung (Kap. 6.2)31 und -verwertung (Kap. 6.3)32 wird für jede der sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen das Ausmaß der Neupositionierung im zeitlichen Verlauf von 1990 bis 2010 für die Gesamtbranche und die dabei auftretenden Unterschiede zwischen den sieben Technologiestrategietypen im deutschen Pharmamarkt vorgenommen. Hierbei werden sowohl das Gesamtausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung als auch Veränderungen im technologiestrategischen Umfeld differenziert analysiert (Kap. 6.4):33 beides wiederum sowohl für die Branche als Ganzes als auch mit Blick auf die dabei auftretenden technologiestrategietyp-spezifischen Besonderheiten. Die Veränderungen in der Intensität der einzelnen Wettbewerbskräfte, der technologiestrategischen Impulse, des Planungshorizontes und insbesondere des regulatorischen Umfeldes leisten dabei einen wichtigen Erklärungsbeitrag zum Verständnis der technologiestrategischen Veränderungen bei der Branche insgesamt, genauso wie bei den sieben Strategietypen. Kapitel 7 nimmt eine analoge Betrachtung vor, nur steht hier die Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen im Mittelpunkt.34

29 30 31 32 33 34

Vgl. S. 397ff. Vgl. S. 431ff. Vgl. S. 436ff. Vgl. S. 491ff. Vgl. S. 559ff. Vgl. S. 593ff.

12

Einleitung

Kapitel 8 schlägt schließlich wieder den Bogen zurück zum theoretischen Teil der Arbeit, indem resümiert wird, inwieweit die empirischen Befunde das entwickelte technologiestrategische Entscheidungsmodell stützen. Im Rahmen dieser Modellkritik werden im Spiegel der empirischen Erkenntnisse gewonnene Erweiterungsnotwendigkeiten aufgezeigt.35 Kapitel 9 gibt einen zusammenfassenden Überblick über die zentralen Befunde der vorliegenden Arbeit, erörtert daraus abzuleitende Implikationen für Theorie und Praxis und gibt einen Ausblick auf Anstöße für weitere zu vertiefende Forschungsfelder.36 Im Anhang A1 und A2 befindet sich schließlich der für die fragebogengestützten Experteninterviews verwendete Interviewleitfaden.37

35 36 37

Vgl. S. 655ff. Vgl. S. 665ff. Vgl. S. 691ff. Wie bereits vorstehend angeführt, kann eine detaillierte und differenziert kommentierte Synopse zentraler Modelle zu generischen Wettbewerbsstrategien und Strategietypologien des strategischen Managements als auch der wichtigsten Ansätze technologieorientierter Strategietypologien, auf deren Wiedergabe hier aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet wurde, am Lehrstuhl für Marketing der TU Chemnitz angefordert werden, vgl. Feldmann, C.; (2005 a). Außerdem ist dort auch eine Dokumentation der Ergebnistabellen der empirischen Befunde, die dem interessierten Leser detaillierte Einblicke in die statistische Datenstruktur erlauben, erhältlich, vgl. Feldmann, C.; (2005 b).

2

Konzeptionelle Grundlagen: Technologiemanagement im Rahmen der Unternehmensstrategie

Im Rahmen des theoretischen Teils der vorliegenden Arbeit soll nun, wie angekündigt, die systematische theoriegeleitete Entwicklung eines technologiestrategischen Entscheidungsmodells erfolgen. Zu Beginn dieses Kapitels, in dem es um die Extraktion aller relevanten Elemente von Technologiestrategien aus bisherigen Ansätzen geht (vgl. Abb. 2-1), wird im Unterkapitel 2.1 zunächst der Definitionsrahmen vorgegeben, um anschließend in den nachfolgenden Unterkapiteln 2.2, 2.3 und 2.4 auf Basis einer sorgfältigen Analyse der technologieorientierten Strategietypologien und bisherigen Konzeptionen zu technologiestrategischen Entscheidungsmodellen der wissenschaftlichen Literatur zu einer umfassenden Zusammenstellung aller relevanten Elemente von Technologiestrategien zu gelangen. 1. Einleitung

Prolog

2. Konzeptionelle Grundlagen: Technologiemanagement im Rahmen der Unternehmensstrategie 3. Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells des strategischen Technologiemanagements

Analyse & Extraktion Synthese

4. Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Konkretisierung

5. Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik Fazit 6. Die technologiestrategische Positionierung im deutschen Pharma-Markt im zeitlichen Verlauf 1990 Ÿ 2000 Ÿ 2010 7.1. BiotechnologieUnternehmen

7.2. Große internat. Forscher

7.3. Mittelgroße internat. Forscher

7.4. Innovat. Mittelstand

7.5. OTC/ Trad. Mittelstand

7.6. OTCTöchter von MNEs

7. Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen im deutschen Pharma-Markt

Abb. 2-1:

7.7. GenerikaHersteller

8. Modellkritik und -erweiterung im Spiegel der empirisch gewonnenen Erkenntnisse 9. Zusammenfassung und Ausblick

Übersicht: Einordnung von Kapitel 2 in den Kontext der Arbeit. Quelle: Eigene Darstellung.

14

Konzeptionelle Grundlagen:

2.1 Grundlagen des Innovationsund Technologiemanagements Die begrifflichen Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements finden weder in der Wissenschaft noch in der Praxis einheitliche Verwendung. Zur Vermeidung von Mißverständnissen ist es daher unverzichtbar, zunächst eine eindeutige Definition und Abgrenzung der relevanten Termini für die vorliegende Arbeit vorzunehmen. Die Überlegungen zur Entwicklung eines für die hier zu bearbeitende Aufgabenstellung geeigneten Definitionsrahmens und der hierfür relevanten wissenschaftlichen Grundlagen wurden hierzu mit großer Sorgfalt durchgeführt, da alle nachfolgenden Betrachtungen in der vorliegenden Arbeit auf diesem Fundament aufbauen. 2.1.1

Theorie, Technologie und Technik

„Strictly speaking, as the word itself implies, technology is simply a body of knowledge about techniques. But it is frequently used to encompass both the knowledge itself and the tangible embodiment of that knowledge in an operating system using physical production equipment.“1 Anders als im angelsächsischen Sprachgebrauch, wo der Begriff technics selten und technology häufig sowohl in der Bedeutung von Technologie als auch von

1

Freeman, C.; (1982), S. 4. Dosi verwendet im Rahmen seiner Überlegungen zur Technologieentwicklung und der Postulierung seines Trajektorenmodells einen noch weiter und tiefgründiger gefaßten (oder wie Dosi es selbst bezeichnet, „impressionistischen“) technology-Begriff: „The definition we suggest here is,..., much broader. Let us define technology as a set of pieces of knowledge, both directly „practical“ (related to concrete problems and devices) and „theoretical“ (but practically applicable although not necessarily already applied), know-how, methods, procedures, experience of successes and failures and also, of course, physical devices and equipment. Existing physical devices embody – so to speak – the achievements in the development of a technology in a defined problem-solving activity. At the same time, a „disembodied“ part of the technology consists of particular expertise, experience of past attempts and past technological solutions, together with the knowledge and the achievements of the „state of the art“. Technology, in this view, includes the „perception“ of a limited set of possible technological alternatives and of national future developments.“ Vgl. Dosi, G.; (1982), S. 151-152.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

15

2

Technik Verwendung findet, besitzen diese in der deutschen Sprache unterschiedliche Bedeutung.3 Aus ethymologischer Sicht setzt sich der Terminus Technologie aus den beiden griechischen Bestandteilen Techne (Handwerk, Kunst, Kunstfertigkeit) und Logos (Lehre, Wissenschaft, Rede) zusammen.4 Der Begriff Technologie geht in Deutschland auf den Göttinger Ökonomen Johann Beckmann zurück, der Technologie als eine Wissenschaft definiert, die sich mit der Verarbeitung von Naturalien oder mit den Kenntnissen der Handwerke befaßt.5 Für diese Arbeit soll auf eine zeitgemäßere Definition zurückgegriffen werden, nach der Technologie als die Kenntnis von naturwissenschaftlichen / technischen Wirkzusammenhängen aufgefaßt werden kann, die zur Lösung von technischen Problemen Anwendung findet oder finden kann.6 Zahn konkretisiert diese Definition des Technologiebegriffs „als Anwendungswissen oder Könnenwissen im Gegensatz zum reinen Erklärungswissen oder Kennenwissen (der Naturwissenschaften)“.7 Technik dagegen ist als die „konkrete materielle Anwendung“,8 also als tatsächliche Realisierung9 eines oder mehrerer Elemente einer oder mehrerer Technologien zu verstehen, „die sich in Produkten oder Prozessen verkörpert“.10 Somit stellen Technologien die Basis einer Menge potentieller Techniken dar, deren zieladäquate Auswahl dann als Implementierung von Technologien aufgefaßt werden kann.11

2 3

4 5

6 7 8 9

10 11

Vgl. Sachsse, H.; (1989), S. 364. Dennoch werden beide Begriffe häufig synonym benutzt, vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 27. Vgl. Corsten, H.; (1982), S. 4. Vgl. Beckmann, J.; (1809): Anleitung zur Technologie, oder zur Kenntniß der Handwerke, Fabriken und Manufacturen, vornehmlich derer, welche mit der Landwirtschaft, Polizey und Cameralwissenschaft in nächster Verbindung stehn, 6. verbesserte und vermehrte Ausgabe, Göttingen, S. 20. Zitiert nach Corsten, H.; (1982), S. 4. Vgl. Zörgiebel, W. W.; (1983), S. 11. Vgl. Zahn, E.; (1995a), S. 4. Vgl. Klein, M.; (1998), S. 28 und Milling, P.; (1974), S. 24-25. „Technik ist ein tatsächlich realisiertes, angewandtes Element einer Technologie.“ Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 27. Vgl. Specht, G.; (1993), Sp. 4155 und Specht, G.; Michel, K.; (1988), S. 503. Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 27.

16

Konzeptionelle Grundlagen:

Theorie

Abb. 2-2:

Technologie

Technik

Zusammenhang zwischen Theorie, Technologie und Technik. Quelle: Eigene Darstellung

Fundament der Technologie ist die Theorie. Specht/Beckmann definieren Theorie als eine Menge bewährter Hypothesen, die miteinander in Beziehung stehen. Theorien leisten mittels der in ihnen enthaltenen Gesetzmäßigkeiten durch das Aufzeigen von Ursache-Wirkungs-Aussagen einen Beitrag zur Erklärung der Realität. Um zur Lösung praktischer Probleme zu gelangen, müssen diese theoretischen Ursache-Wirkungs-Aussagen in final-technologische ZielMittel-Aussagen transferiert werden.12 Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß nicht zwangsläufig zuerst eine Theorie vorhanden sein muß, auf deren Basis dann eine Technologie entwickelt und nachfolgend eine Technik konstruiert wird. Insbesondere bei ungeplanten Erfindungen oder der Natur entnommenen Techniken dürfte sich erst auf Basis der Technik die Frage nach der zugrundeliegenden Technologie und der dahinterstehenden Theorie gestellt haben. Genauso können bei der Anwendung einer Technik Schwierigkeiten und zusätzliche Anforderungen an ihre Leistungsfähigkeit auftreten oder durch die praktische Anwendung neue Erkenntnisse gewonnen werden, die die Entwicklung neuer Theorien und Technologien initiieren. Diese Reversibilität der Zusammenhänge zwischen Theorie, Technologie und Technik wird in Abb. 2-2 dargestellt. 2.1.2

Invention und Innovation

Unterschiedliche Forschungsansätze und Theoriekonzepte13 bedingen sehr verschiedene Definitionen und Abgrenzungen des Innovationsbegriffes in der Lite12 13

Vgl. Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 14. So hat beispielsweise die Betrachtungsperspektive bzw. Untersuchungsebene von Innovationen auf Industrie-, Unternehmens- oder Individuumsniveau Einfluß auf die Begriffsdefinition, vgl. Damanpour, F.; (1996), S. 694.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

17

14

ratur. Eingang in die wirtschaftswissenschaftliche Literatur fand der auf die lateinischen Termini „novus“ (neu) bzw. „innovatio“ (Erneuerung, Schaffen von etwas Neuem) zurückgehende Begriff „Innovation“ durch die Arbeiten Schumpeters.15 In den letzten Jahren werden in der wissenschaftlichen Literatur Interpretationen des Innovationsbegriffs nach einer prozessualen und einer objektbezogenen Dimension differenziert.16 Hauschildt gelangt bei seiner Analyse der verschiedenen Definitionsansätze zu der Überzeugung, daß der Begriffsbildung vier Grunddimensionen zugrunde liegen:17

14

15

16 17

Mueser diskutiert allein 39 verschiedene Begriffsdefinitionen, vgl. Mueser, R.; (1985), S. 163-175. Hauschildt stieß bei seinen Untersuchungen des Innovationsbegriffs allein auf 18 verschiedene Definitionen, die er einander anhand der acht Kriterien: Tatsache und Ausmaß der Neuartigkeit, Wahrnehmung der Neuartigkeit, Erstmaligkeit der Neuartigkeit, Neuartige Kombination von Zweck und Mittel, Verwertungsbezug, Prozeßaspekt und schließlich Extension gegenüberstellt. Vgl. Hauschildt, J.; (1997), S. 3-7. Zu einer ersten Charakterisierung des Innovationsphänomens vgl. Schumpeter, J.; (1912), S. 103-198, bezüglich einer prägnanteren Charakterisierung Schumpeter, J.; (1931), S. 100-101. Schumpeter benutzt den Begriff Innovation allerdings explizit erst ab 1939 zur Umschreibung des damit gemeinten Sachverhalts, vgl. Schumpeter, J. A.; (1939), S. 84-102. Vgl. zu einer ausführlichen Bewertung der grundsätzlichen Bedeutung der Schumpeterschen Innovationstheorie auch die Ausführungen von Scherer, F. M.; (1992), S. 1416-1433. Vgl. Thom, N.; (1994), S. 323. Vgl. Hauschildt, J.; (1997), S. 3-25. Weber schlägt unabhängig davon, aufbauend auf den Überlegungen von Voigt und Meffert, die jeweils Drei-Kriterien-Schemata verwendeten, ebenfalls vier zum Teil von Hauschildt abweichende Präzisierungskriterien (Subjektbezug, Objektbezug, Intensitätsbezug und Zeitbezug) vor, vgl. Weber, M.; (1992), S. 100-118, insbesondere S. 102 und die dort zitierte Literatur. Die Überlegungen Hauschildts können als die derzeit am weitesten fortgeschrittenen und klarsten gegliederten betrachtet werden: Objektbezug und Intensitätsbezug (von Weber als die Höhe des Innovationsgrades interpretiert) finden in der inhaltlichen Dimension Hauschildts Berücksichtigung. Die Frage nach dem Zeitbezug („Wie lange eine Innovation als Neuerung zu gelten hat?“ (Weber)), die Weber konkret an dem Fortbestehen eines Imitationsanreizes festmacht (Weber, M.; (1992), S. 117-118), wird in der vorliegenden Arbeit als Teil der prozessualen Dimension angesehen (und dort diskutiert werden). Neben der in beiden Ansätzen enthaltenen subjektiven Dimension enthält Hauschildts Variante also zusätzlich die prozessuale und normative Dimension, wobei die prozessuale Dimension bei Weber nebenbei, getrennt in Form des Innovationsprozesses, ebenfalls eine gewisse Berücksichtigung findet (Weber, M.; (1992), S. 100).

18

Konzeptionelle Grundlagen:



eine „inhaltliche“ Dimension: „Was ist neu?“



eine „subjektive“ Dimension: „Neu für wen?“



eine „prozessuale“ Dimension: „Wo beginnt, wo endet die Neuerung?“



und eine „normative“ Dimension: „Ist neu gleich erfolgreich?“.18

Die Arbeitsgruppe „Innovationsstrategien für die deutsche Industrie“ des Expertenkreises Zukunftsstrategien entwickelt im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie auf Basis einer Synopse der wissenschaftlichen Literatur und praktischer Erfahrungen eine „Morphologie der Innovation“, in der acht Kriterien (nebst einigen idealtypischen Ausprägungen für jedes Kriterium) für die Differenzierung von Innovationen genannt werden:19 –

Ort (betrieblich – überbetrieblich – gesellschaftlich)



Gegenstand (Produkt, Erzeugnis und Dienstleistung – Organisatorische Prozesse – Technische Prozesse – Verhalten, Einstellung)



Höhe (Sprunginnovation – inkrementale Innovation)



Zeit (Führer – Folger)



Treiber/Auslöser (Technology-Push – Market Pull – Antizipation)



Träger (Spezialist/Einzelperson – Kooperation/Team)



Rahmenbedingungen (chancengetrieben – krisengetrieben)



Art (Einzelinnovation – Systeminnovation)

Gemeinsam ist allen zuvor diskutierten Ansätzen, daß sie eine Präzisierung des Innovationsbegriffs und des Innovationsphänomens zum Ziel haben. Während aber Hauschildt20 hierzu eine Systematisierung, die eine Verdichtung einzelner Kriterien zu Dimensionen zur Folge hat, vor allem mit dem Ziel vornimmt, eine eindeutige Abgrenzung des „Innovationsfalls“ vom „Routinefall“ vorzunehmen,21 sucht der Expertenkreis auf Basis dieser Kriterien Innovationsstrategien

18 19 20

21

Vgl. Hauschildt, J.; (1997), S. 7-25. Vgl. Hartmann, M.; König, B.; (1996), S. 145-192, insbes. S. 152ff. Genau wie die übrigen zuvor genannten Ansätze von Weber und Thom, vgl. Fußnote 16 (S. 17) und 17 (S. 17). Die Eindeutigkeit dieser Unterscheidung hat deshalb fundamentale Bedeutung, weil sie auf der Grundüberzeugung basiert, daß das „Innovationsmanagement etwas sub-

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

19

zu identifizieren, wobei ein Systematisierungsversuch unterbleibt. Inwieweit die acht Kriterien des Expertenkreises sich zur Ableitung von Innovationsstrategien eignen, soll an dieser Stelle zunächst nicht nachgegangen werden.22 Entscheidend für die vorliegende Arbeit ist, einen Definitionsrahmen des Innovationsbegriffes zu entwickeln, der hinsichtlich aller Differenzierungskriterien den folgenden drei Kernbedingungen genügt: 1) Eine eindeutige Festlegung des Innovationsbegriffes vorzunehmen, dabei 2) den Definitionsrahmen durch Ausgrenzung nicht relevanter Aspekte bzw. Arten von Innovationen exakt auf die verfolgte Aufgabenstellung zuzuschneiden und darüber hinausgehend 3) auch jene Differenzierungsmerkmale aufzuarbeiten, die zwar nicht für die Ausgrenzung (irrelevanter Innovationsaspekte) von Bedeutung sind, deren Konkretisierung aber im weiteren Verlauf der Untersuchung noch von Bedeutung sein wird. Insofern schließt diese dreigestaltige Zielsetzung die zentralen Aspekte beider zuvor diskutierter Ansätze ein. Es wird daher im Folgenden der Versuch unternommen, beide Betrachtungsweisen zusammenzuführen, um einen für die Arbeit geeigneten Definitionsrahmen abzuleiten. Hierzu stellt sich zunächst die Frage, inwieweit eine Verdichtung der acht Kriterien des Expertenkreises zu Dimensionen sinnvoll ist und worin entscheidende Unterschiede zum Hauschildtschen Gedankengebäude bestehen: Hauschildt subsumiert (unabhängig vom Ansatz des Expertenkreises) die Kriterien „Neu dem Grade nach“ (Innovationsgrad/-höhe) und „Neu der Tatsache nach“ – wiederum bestehend aus den Einzelaspekten „Anstoß“ (Impuls), „Substrat der Innovation“ (Produkt- versus Prozeßinnovation) und „funktionalen Bereich der Unternehmensführung“, in den sie fallen, sowie „Zweck-Mittel-Beziehung“23 –, unter die inhaltliche Dimension. Die naheliegende Frage ist also, ob

22

23

stantiell anderes als das Management von wiederholten Routineentscheidungen“ ist, vgl. Hauschildt, J.; (1997), S. 23 und die dort zitierte Literatur. Für eine diesbezügliche Betrachtung wird die „Morphologie der Innovation“ in Kap. 2.4 (S. 105ff) erneut aufgegriffen werden, wenn es um die Sichtung bestehender Ansätze zu innovations- bzw. technologiestrategischen Entscheidungsmodellen gehen wird. Aus konsequent wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive hält Hauschildt für eine sinnvolle Differenzierung davon einzig die Zweck-Mittel-Beziehung geeignet. Als

20

Konzeptionelle Grundlagen:

nicht auch die acht Kriterien des Expertenkreises Subdimensionen der inhaltlichen Dimension darstellen. Eine derartige Betrachtungsweise wäre aber mit dem schwerwiegenden Nachteil verbunden, daß darunter die semantische Trennschärfe der inhaltlichen Dimension erheblich leiden würde: Bereits zu den Ausführungen Hauschildts ist diesbezüglich kritisch anzumerken, daß die Behandlung des Innovationsimpulses als Teil der inhaltlichen Dimension fragwürdig ist: Impuls und Inhalt stellen für uns nämlich zunächst voneinander unabhängige Dimensionen dar. Nur in Ausnahmefällen wird der Impuls beispielsweise ein bestimmtes Innovationsobjekt begünstigen, in jedem Fall kann dies aber nicht als von vornherein evident angesehen werden. Deshalb erscheint die Erweiterung um eine fünfte Dimension, –

eine „originäre“ Dimension: Neu auf Grund welcher(n) Impulse(s)?

sinnvoll. Unter diese insgesamt fünf Dimensionen lassen sich auch die acht Kriterien des Expertenkreises anschließend ohne Präzisionsverlust subsumieren.24

24

„eigentliche“ Innovationen sind dann nur solche anzusehen, wo zur Erfüllung neuer Zwecke neue Mittel eingesetzt werden, vgl. Hauschildt, J.; (1997), S. 7-11, insbes. S. 9. Auch bei dieser Betrachtungsweise bleibt aber die Frage, von welcher Seite – Zweck (Markt/Nachfrage) oder Mittel (Technologie) der anfängliche Innovationsimpuls (stärker) ausging, auch wenn die initiierte Innovation zweifelsfrei eine „angemessene“ Berücksichtigung beider Faktoren voraussetzt, um erfolgreich zu sein, vgl. hierzu, insbesondere zur Konkretisierung des Terminus „angemessen“, die nachfolgenden Betrachtungen in Kap. 2.1.2.2, S. 28ff. Die Kriterien „Träger“, „Gegenstand“ und „Art“ können als Untergesichtspunkte einer „Objekt“-bezogenen Betrachtungsweise der inhaltlichen Dimension aufgefaßt werden, welche zusätzlich noch eine „Neuigkeitsgrad“-bezogene („Höhe“) und eine Zeit-bezogene („Zeit“) Perspektive besitzt. Die Kriterien „Treiber/Auslöser“ und „Rahmenbedingungen“ könnten unter der „originären“ Dimension zusammengefaßt werden, während das Kriterium „Ort“ der „subjektiven“ Dimension zuzurechnen wäre. Um der nachfolgenden systematischen Aufarbeitung nicht vorzugreifen, soll an dieser Stelle dieser Fußnotenverweis genügen. Das konsistente Gesamtbild wird sich dann nachfolgend Schritt für Schritt entwickeln, wobei allerdings für diese Arbeit zweitrangige Aspekte keine Berücksichtigung finden werden.Auf die Frage, ob die „Morphologie der Innovation“ des Expertenkreises ein zur Ableitung von Innovationsstrategien geeigneten und u.a. auch vollständigen Kriterienkatalog darstellt, wird in Kap. 2.4, S. 105ff, eingegangen werden. An dieser Stelle sollen nur die zur Ableitung eines Definitionsrahmens hilfreichen Kriterien nähere Betrachtung finden.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

21

Diese fünfdimensionale Systematik stellt den Ausgangspunkt der nachfolgenden Betrachtungen dar, wobei allerdings eine der speziellen Zielsetzung der vorliegenden Arbeit entsprechende Schwerpunktsetzung vorgenommen wird: So nimmt die erweiterte Betrachtung der inhaltlichen Dimension den breitesten Raum ein und die der „prozessualen“ Dimension erfolgt – der größeren Übersichtlichkeit halber und um ihre zentrale Bedeutung für die vorliegende Arbeit stärker hervorzuheben – in der „klassischen“ Form des „Innovationsprozesses“ in einem eigenen Unterkapitel.25 Die „normative“ Dimension schließlich verdeutlicht, daß das Ausmaß, inwieweit eine Innovation als Verbesserung gegenüber dem Status Quo wahrgenommen wird, stark vom Zielsystem und Interessenstandpunkt des Betrachters abhängt. Diese Dimension hat also letztlich die Bewertung des Innovationserfolges zum Gegenstand. Da aber die Erfolgswirksamkeit der im weiteren Verlauf dieser Arbeit diskutierten und analysierten Technologiestrategien nicht im Fokus der vorliegenden Arbeit ist, soll auf diese Dimension nicht weiter eingegangen werden.26 25 26

Bezüglich Abgrenzung und Definition vgl. Kap. 2.1.3, S. 37ff. Hauschildt kommt am Ende seiner differenzierten Betrachtung ohnehin zu dem Schluß, daß dieses Kriterium für eine Abgrenzung des Innovationsbegriffes ungeeignet ist, vgl. Hauschildt, J.; (1997), S. 23. Neben der prinzipiellen Schwierigkeit, die die Erhebung sensibler Erfolgsdaten bei den untersuchten Unternehmen in der praktischen Umsetzung mit sich gebracht hätte, ist einer der zentralen Gründe, warum in der vorliegenden Arbeit auf eine Erfolgsbeurteilung der betrachteten Technologiestrategien verzichtet wird, gerade auch diese „normative Dimension“, die für eine geeignete Operationalisierung der Erfolgsmessung mit Blick auf den Innovationserfolg weitreichende Konsequenzen hat: Die Schwierigkeit dieser Erfolgsmessung liegt nämlich vor allem darin, daß die Kriterien der Erfolgsbeurteilung vom jeweiligen Zielsystem abhängen. Wie stark diese Zielsysteme selbst dann variieren, wenn man als Bezugsbasis – nicht wie Hauschildt zu Beginn seiner Analyse die gesamte Gesellschaft, sondern – „nur“ innovierende Unternehmen nimmt, zeigen beispielsweise eindrucksvoll die umfangreichen empirischen Studien von Cooper/Kleinschmidt, die im Rahmen ihrer früheren empirischen Studien neun, nach faktoranalytischer Verdichtung immer noch drei unabhängige Dimensionen des Innovationserfolgs ermittelten (vgl. Cooper, R.G.; (1984a), S. 7ff; Cooper, R.G.; (1984b), S. 13ff und zum Zusammenhang, welche Erfolgskriterien für welche Unternehmen, genauer welche realisierten Innovationsstrategien, besondere Bedeutung besitzen, S. 36-43, insbes. S. 40). Diese Palette unterschiedlicher Erfolgskriterien verfeinern Cooper/Kleinschmidt immer weiter (Cooper, R.G.; Kleinschmidt, E.J.; (1987), S. 177-178; Cooper, R.G.; et al.; (1994), S. 284-286) und können später sogar die hinsichtlich von zehn Innovationserfolgskriterien bestehenden Unterschiede zur Identifikation und Charakterisierung von vier Leistungstypen („Performance Types“) nutzen, vgl. Cooper, R.G.; Kleinschmidt, E.J.; (1995), S. 374-391. Einen guten inter-

22

Konzeptionelle Grundlagen:

Im Folgenden wird daher nacheinander der Frage nach der inhaltlichen, der originären und der subjektiven Dimension des Innovationsbegriffes nachgegangen, bevor der Innovationsprozeß betrachtet wird. 2.1.2.1

Die inhaltliche Dimension des Innovationsbegriffes

Die inhaltliche Dimension des Innovationsbegriffes läßt sich weiter in eine „Objekt“-bezogene und eine „Neuigkeitsgrad“-bezogene27 sowie eine „Zeit“-bezogene28 Betrachtung unterteilen. An dieser Stelle soll zunächst nur auf das Innovationsobjekt eingegangen werden.29 Das Innovationsobjekt kann weiter funktional und hinsichtlich seiner Art differenziert werden. Die Art des Innovationsobjekts läßt sich hinsichtlich der Breite der Innovationsbestrebungen konkreter unterteilen in:30 –

Einzelinnovationen



Systeminnovationen

27 28

29

30

nationalen Überblick über ähnliche bisherige diesbezügliche Studien und die dabei ermittelten bzw. Eingesetzten unterschiedlichen Erfolgskriterien geben Köhler, R.; (1993), S. 255-293; sowie Kotzbauer, N.; (1992a), S. 4-20 und Kotzbauer, N.; (1992b), S. 108-128. Zur grundsätzlichen Problematik der Messung des Innovationserfolges, vgl. z.B. Mechlin, G. F.; Berg, D.; (1980), S. 93-99; Hauschildt, J.; (1991), S. 451-476; Hauschildt, J.; (1993b), S. 295-326; sowie mehr aus praktischer und volkswirtschaftlicher Perspektive Griliches, Z.; (1995), S. 52-89, insbes. S. 74-79. Vgl. Wolfrum, B.; (1994), S. 8-11. Vgl. Hartmann, M.; König, B.; (1996), S. 147-163, insbes. S. 156-157, auf die der Vorschlag dieses Kriteriums zur Differenzierung des Innovationsbegriffs zurückgeht, die Einordnung in das obige konzeptionelle Schema erfolgte durch den Autor der vorliegenden Arbeit. Der Frage nach dem Innovationsgrad und dem Timing sowie den damit verbundenen Differenzierungsmöglichkeiten in entsprechende Innovationsarten wird in Zusammenhang mit der Diskussion der Entscheidungsdimensionen des strategischen Technologiemanagements, insbesondere des angestrebten technologischen Leistungsniveaus, siehe Kap. 3.3.2.1 (S. 137ff), sowie des Timings, vgl. Kap. 3.3.2.2 (S. 172ff), nachgegangen werden. Vgl. Hartmann, M.; König, B.; (1996), S. 147-163, insbes. S. 160, auf die der Vorschlag dieses Kriteriums zur Differenzierung des Innovationsbegriffs und seine Ausprägungen zurückgeht. Die Einordnung in das obige konzeptionelle Schema erfolgte durch den Autor.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

23

In funktionaler Hinsicht wird bei Innovationsobjekten unterschieden zwischen:31 –

Technischen Innovationen32



Organisationalen Innovationen



Geschäftsbezogenen Innovationen



Finanzwirtschaftlichen Innovationen



Sozialinnovationen.

Technische Innovationen „ermöglichen die Erhöhung des vom Kunden wahrgenommenen Leistungsniveaus der eigenen Produkte oder eine Reduktion der zu ihrer Erstellung notwendigen Ressourcen und stellen damit eine wesentliche Voraussetzung zur wirkungsvollen Differenzierung eines Unternehmens im Wettbewerb dar.“33 Somit kommt ihnen eine zentrale Bedeutung im Rahmen des Innovationsmanagements zu. Technische Innovationen lassen sich bezüglich des Innovationsobjektes weiter in Produktinnovationen sowie Verfahrens- und Prozeßinnovationen unterteilen.34

31

32

33 34

Vgl. z.B. Albach, H.; (1994 a); S. 50; Brockhoff, K.; (1999), S. 37; Thom, N.; (1994), S. 325; Zahn, E.; Weidler, A.; (1995), S. 362-366; Weidler, A.; (1997), S. 13); Hauschildt, J.; (1997), S. 11; Wolfrum, B.; (1994), S. 9; Faix, A.; (1994), S. 9; Weitzel, G. U.; (1996), S. 5; Wegener, R.; (1994), S. 13-14; Höft, U.; (1992), S. 7; Corsten, H.; (1989), S. 3; Anzumerken ist, daß auch bereits Schumpeter einen diesbezüglich weiter gefaßten Innovationsbegriff, der über technische Innovationen hinausgeht, benutzte, vgl. Schumpeter, J.; (1931), S. 100-101. In den letzten Jahren haben nicht-technische Innovationen stark an Bedeutung gewonnen. Hauschildt fordert daher einen Übergang von der industriellen zur postindustriellen Perspektive des Innovationsmanagements, vgl. Hauschildt, J.; (2001), S. 21. Die Begriffe technische und technologische Innovationen werden in der Literatur synonym verwendet: Den Begriff technische Innovationen verwenden z.B. Zahn, E.; Weidler, A.; (1995), S. 362,; Hauschildt, J.; (1997), S. 11; (technical innovations): Mueser, R.; (1985), S. 158-176 und Albach, H.; (1994 a), S. 50; während der Begriff technologische Innovationen z.B. bei Wolfrum, B.; (1994), S. 9 und WeisenfeldSchenk, U.; (1995 a), S. 101 benutzt wird. In dieser Arbeit soll in der Konsequenz des vorher Gesagten von technischen Innovationen die Rede sein, da spätestens bei Produktions- bzw. Markteinführung die (technische) Innovation eine Technik darstellt, während die Invention auf Technologien aufgebaut hat. Zahn, E.; Weidler, A.; (1995), S. 362. Vgl. z. B. Wolfrum, B.; (1994), S. 8-9, Brockhoff, K.; (1999), S. 37; Thom, N.; (1994), S. 325.

24

Konzeptionelle Grundlagen:

Schewe bezeichnet „diejenigen Innovationsprojekte, bei denen eine Vermarktungsabsicht vorliegt, als Produktinnovationen und alle selbstgenutzten Innovationsprojekte als Verfahrensinnovationen“.35 Diese sehr enggefaßte Definition läßt außer acht, daß auch der Verkauf von Prozessen oder Prozeßteilen bzw. -schritten (etwa in der Biotechnologie) Ziel unternehmerischen Handelns sein kann.36 Für die vorliegende Arbeit soll daher eine weitergefaßte Begriffsdefinition Verwendung finden, nach der Produktinnovationen eine Erneuerung der Marktleistung einer Unternehmung darstellen, wogegen Prozeßinnovationen auf eine erneuerte und verbesserte Faktorkombination im Prozeß der Leistungserstellung abzielen.37 Darüber hinaus werden in der Literatur weitere Gruppen von Innovationen als eigenständige Typen technischer Innovationen bezeichnet: Staudt bezeichnet „Materialinnovationen als eine derartige eigenständige Form.38 Schneider identifiziert „Werkstoffinnovationen“ als einen eigenständigen Sonderfall von Produktinnovationen, die hinsichtlich ihrer Bedeutung und Tragweite aber aus dieser Gruppe hervorstechen. Begründet wird dies damit, daß Werkstoffinnovationen „Komplementärinnovationen“ seien, worunter Innovationen verstanden werden, die die Anwendung des neuen Werkstoffs erst ermöglichen, und die wiederum ihrerseits „werkstoffinduzierte Innovationen“ initiieren, worunter solche verstanden werden, deren Innovationspotential erst durch den neuen Werkstoff eröffnet werden.39 Zahn/Weidler sehen sogar in der „Erweiterung und Vertiefung technischen Wissens“ einen derartigen eigenständigen Typus und begründen dies damit, daß die Wissenserweiterung und Vertiefung auf den Aufbau und die Pflege technolo35 36

37

38 39

Schewe, G.; (1992), S. 14. Vgl. hierzu z.B. auch die diese Überzeugung stützenden, im Rahmen der vorliegenden Arbeit gewonnenen empirischen Beobachtungen für die in Deutschland aktive Biotechnologie- und Pharma-Industrie zur internen oder externen Verwertung von Produkt- und Prozeßinnovationen in Kap. 6.3.3 (S. 518ff). In grober Anlehnung an Michel, K.; (1987), S. 9. Ähnlich Hauschildt, der beide Arten von Innovationen unter dem Zielaspekt differenziert: Danach verfolgen Prozeßinnovationen primär eine Steigerung der Effizienz, während Produktinnovationen primär auf das Bewirken von Effektivität abzielen, vgl. Hauschildt, J.; (1997), S. 9-10. Bezüglich einer weitergehenden Systematisierung von Prozeßinnovationen vgl. Keller, S.; (1997), S. 26-29. Vgl. Staudt, E.; (1986b), S. 13-14. Vgl. Schneider, H.; (1992), S. 24-43.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

25 40

gischer Fähigkeiten ziele. Diese „Innovationen für morgen“ „können nicht nur in produkt- und prozeßunabhängigen Grundlagenprojekten vorangetrieben werden, sondern auch in Projekten zur Produkt- und Prozeßinnovation, die darüber hinaus ausdrücklich Ziele der Technologieentwicklung verfolgen“.41 Diesen Argumentationen kann aber entgegengehalten werden, daß sie letztendlich dann alle doch in Form von Prozeß- oder Produktinnovationen Anwendung finden.42 Hauschildt hält sogar die Unterteilung in Produkt- und Prozeßinnovationen für fragwürdig, da diese häufig einander bedingen43 und im Falle von Dienstleistungen sogar ganz zusammenfallen.44 Dem kann hinzugefügt werden, daß die Produktinnovation des einen die Prozeßinnovation des anderen sein kann.45 Hinsichtlich des ersten Argumentes ist jedoch darauf hinzuweisen, daß in der Praxis Produkt- und Prozeßinnovationen nicht notwendigerweise verknüpft im gleichen Unternehmen durchgeführt werden.46 Untersuchungen von Albach belegen vielmehr, daß sowohl eine „reine Prozeßinnovations-Strategie“ als auch eine „reine Produktinnovations-Strategie“ sowie eine „kombinierte Innovationsstrategie“

40 41 42

43

44 45

46

Vgl. Henzler, H.; (1988), S. 1304. Vgl. Zahn, E.; Weidler, A.; (1995), S. 363. Vgl. hierzu auch die Einwände Wolfrums an Staudts „Materialinnovationen“. Vgl. Staudt, E.; (1986b), S. 13-14 und die Kritik von Wolfrum, B.; (1994), S. 9, Fußnote Nr. 34. Dieses Ineinandergreifen von Produkt- und Prozeßinnovationen wird anschaulich im dynamischen Modell Utterback/Abernathy’s verdeutlicht, vgl. hierzu Utterback, J.M.; Abernathy, W. J.; (1975), S. 639-656. Vgl. Hauschildt, J.; (1997), S. 11. Beispielsweise stellt eine neue chemische Produktionsanlage für den Anlagenbauer eine Produktinnovation dar, während sie das erwerbende Unternehmen der Chemischen Industrie als Prozeßinnovation betrachtet. Eine neuere Studie ermittelte, daß von 37064 australischen Unternehmen aller Größenklassen 33,7 % technische Innovationen vornehmen. Von diesen technisch innovierenden Unternehmen entwickelten aber nur etwas mehr als die Hälfte (57 %) sowohl Produkt- als auch Prozeßinnovationen, vgl. Phillips, R.; (1997), S. 5-7. In einer Untersuchung des Innovationsverhaltens von 482 badischen Unternehmen (unter ihnen 321 innovierende Unternehmen) des verarbeitenden Gewerbes fiel der Anteil der Unternehmen, die sowohl Produkt- als auch Prozeßinnovationen durchführen, allerdings erheblich höher aus: Danach konzentrieren sich 9 % der innovierenden Unternehmen ausschließlich auf Produktinnovationen und 11 % ausschließlich auf Prozeßinnovationen, während 80 % sowohl Produkt- als auch Prozeßinnovationen durchführen, vgl. hierzu Koschatzky, K.; (1997), S. 17-18.

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Konzeptionelle Grundlagen: 47

gleichermaßen effizient sind. Das aus der Betrachtungsperspektive resultierende Problem dürfte in der vorliegenden Arbeit von untergeordneter Bedeutung sein, da nur eine Branche als Untersuchungsgegenstand ausgewählt wurde. Perspektivische Eindeutigkeit läßt sich auch durch eine Festlegung auf den Betrachtungswinkel aus Sicht des Endverbrauchers erzielen. Da außerdem in der Arzneimittelbranche, schon aus Gründen einer unterschiedlichen regulativen Behandlung, eindeutig zwischen Produkt- und Prozeßinnovationen unterschieden wird,48 soll für diese Arbeit an der Differenzierung in Produkt- und Prozeßinnovationen festgehalten werden. Ziel organisationaler Innovationen ist die „konsequente Weiterentwicklung und Nutzung des wichtigsten Innovationspotentials im Unternehmen – das des Mitarbeiters – durch Innovationen im Bereich von Unternehmensstrukturen, der Unternehmenskultur oder des Unternehmenssystems. Sie wirken somit als „Katalysator technischer und geschäftsbezogener Innovationen“.49 Strategisches Ziel geschäftsbezogener Innovationen ist eine „dynamische Neustrukturierung des Marktes“, indem sich die Innovationsanstrengungen des Unternehmens nicht mehr allein auf technische und organisationale Innovationen beschränken, sondern das Unternehmen durch sie versucht, die für „das Unter-

47

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49

Vgl. Albach, H.; (1993), S. 456-458. Einer aktuellen kanadischen Studie unter 661 kleinen und mittleren Unternehmen zur Folge lassen sich diese zu 42 % als Nicht-Innovatoren, zu 19 % als Produktinnovatoren, zu 20 % als Prozeßinnovatoren und nur zu 19 % als kombinierte Prozeß- und Produktinnovatoren (Comprehensive Innovators) kategorisieren, vgl. Baldwin, J. R.; Johnson, J.; (1997), S. 6-7. Diese regulative Komponente dürfte auch in den meisten anderen Branchen eine eindeutige Unterscheidung ermöglichen. Vgl. Zahn, E.; Weidler, A.; (1995), S. 363-364. Eine wichtige Form organisationaler Innovationen ist die „Schlüsselprozeß-Innovation“, die das „Business Process Reengineering“, also die Neugestaltung von Geschäftsprozessen, einschließt, aber weit über deren üblicherweiser informationstechnischen Fokus hinausgeht und damit den „kulturellen Wandel von der vertikalen zur horizontalen Organisation“ bewirkt, vgl. Servatius, H.-G.; (1995), S. 859-874, insbes. S. 863-865. Konkrete Beispiele für organisationale Innovationen im Krankenhausbereich finden sich bei Kimberly, J. R.; Evanisko, M.J.; (1981), S. 698-713. Als ein besonders wichtiges Beispiel der katalytischen Wirkung organisationaler Innovationen für technische Innovationen werden kooperative Netzwerke in der Arzneimittelforschung und -entwicklung angeführt, vgl. Staropoli, C.; (1998), S. 13-23.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

27

nehmen relevanten Märkte und Branchenstrukturen sowie die im Geschäft geltenden Spielregeln“ neu zu prägen.50 Finanzwirtschaftliche Innovationen (financial innovations) sind alle Neuerungen in der finanziellen Sphäre einer Organisation (z.B. eines Unternehmens). Hierunter fallen nach der Überzeugung Albachs (in Anlehnung an Schumpeter) z.B. die Einführung handelbarer Besitzanteile von Unternehmen, die es erst möglich gemacht haben, das notwendige Risikokapital zur Finanzierung der technischen Innovationen des 19. Jahrhunderts zur Verfügung zu stellen.51 Aktuellere Beispiele für finanzwirtschaftliche Innovationen stellen derivative Finanzinstrumente dar, die für das einzelne Unternehmen die Absicherung sonst nur schwer tragbarer Risiken erlauben, oder die Öffnung des Aktienmarktes als Finanzierungsmöglichkeit für „Junge Unternehmen“, ohne die z.B. der Boom der letzten drei Jahre in der Biotechnologie- und Informationstechnologieindustrie kaum denkbar gewesen wäre. Der Begriff der sozialen Innovationen wird in der Literatur widersprüchlich verwendet.52 In der Konsequenz des vorher Beschriebenen sollen Sozialinnovationen im Sinne Zapfs verstanden werden, der darunter „neue Wege, Ziele zu erreichen, ..., die die Richtung des sozialen Wandels verändern“ begreift und beispielsweise neue Regulierungen und neue Lebensstile unter diesen Begriff subsumiert.53 Obwohl auch nicht-technische Innovationen in der unternehmerischen Praxis eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung besitzen,54 werden technische Innovationen in der vorliegenden Arbeit innerhalb der verschiedenen Innovations50 51 52

53 54

Vgl. Zahn, E.; Weidler, A.; (1995), S. 365-366. Vgl. Albach, H.; (1994 a), S. 50-51. Zahlreiche Autoren interpretieren soziale Innovationen im Sinne einer Kombination organisationaler und z.T. geschäftsbezogener Innovationen. Beispielsweise sieht Thom in Sozialinnovationen die „planmäßige Verbesserung im Humanbereich“, Thom, N.; (1994), S. 325; ähnlich: Faix, A.; (1994), S. 9. Höft versteht unter Sozialinnovationen die „geplante Änderung im Humanbereich von soziotechnischenSystemen“, worunter „organisationsstrukturelle Innovationen, Personal- und Kontraktinnovationen oder Managementinnovationen“ fallen. Vgl. Höft, U.; (1992), S. 7 und dort zitierte Literatur. Vgl. Zapf, W.; (1989), S. 177. Phillips ermittelte, daß von 37064 australischen Produktionsbetrieben aller Größenklassen 15871 technische und/oder nicht-technische Innovationen hervorbringen; von diesen entwickeln 43,6 % nur technische, 21,2 % nur nicht-technische und 35,2 % beide Arten von Innovationen, vgl. Phillips, R.; (1997), S. 8-9.

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Konzeptionelle Grundlagen:

arten den zentralen Betrachtungsgegenstand darstellen.55 Wenn im Folgenden von Innovationen die Rede sein wird, sind damit technische Innovationen gemeint.56 2.1.2.2

Die originäre Dimension des Innovationsbegriffes

Dem Innovationsbegriff liegt auch eine originäre Dimension zugrunde, d.h. Innovationen lassen sich nach dem Ursprung bzw. Auslöser oder Anstoß der Innovation, oder anders gesagt: nach der Herkunft des Innovationsimpulses differenzieren. Zusätzlich können situative Effekte Innovationen erzwingen bzw. anreizen. Hinsichtlich der Herkunft des Innovationsimpulses unterscheidet Utterback durch technologische Fortschritte hervorgerufene, also angebotsinitiierte Innovationen, „technology push“, und durch Nachfrage motivierte Innovationen, „demand pull“.57 Quadbeck-Seeger verweist darauf, daß zwischenzeitlich eine dritte Komponente, „society demand“, „die sich aus den Bedürfnissen der Gesellschaft ableitet, sich in Forderungen bezüglich bestimmter Stoffe und Technologien äußert und sich schließlich in Form von Gesetzen und Verordnungen (also Regulationen) manifestiert“,58 hinzugekommen ist. Alternativ dazu werden ne55

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Vgl. hierzu Michel, der ausführt, daß „technologische Innovationen selbstverständlich als zentraler Gegenstand einer Untersuchung zum strategischen Technologiemanagement angesehen werden müssen“, gleichzeitig aber darauf hinweist, daß „Sozialinnovationen eine erhebliche Bedeutung haben, da beide Innovationsarten hohe Interdependenzen aufweisen“. Vgl. Michel, K.; (1987), S. 9. In Anlehnung an Brockhoff, der technische Innovationen als „Innovationen im engeren Sinne“ bezeichnet. Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 37. Vgl. Utterback, J.M.; (1971), S. 124-131. Synonym zu „demand pull“ findet häufig der Ausdruck „market pull“ Verwendung. Price weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die begriffliche Unklarheit insbesondere der Termini „market pull“ bzw. „demand pull“ eine wesentliche Quelle für das Scheitern zahlreicher Innovationsprojekte ist. Ursache hierfür ist die Gleichsetzung von Marktbedürfnissen (Need) und Marktnachfrage (Demand). Während diese Gleichsetzung für klar definierte, etablierte Märkte meist nicht zu folgenschwer bleibt, endet sie bei technologie-induzierten Innovationen, die erst neue Märkte kreieren und etablieren müssen (vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen im obigen Haupttext), im Fiasko, weil ein objektiv vorhandenes Bedürfnis keineswegs automatisch eine entsprechende Nachfrage nach sich zieht, vgl. hierzu Price, R. M.; (1996), S. 46-48. Vgl. Quadbeck-Seeger, H.-J.; (1992), S. 11; und Quadbeck-Seeger, H.-J.; Bertleff, W.; (1995), S. 810-811. Als Beispiel für durch „society demand“ stimulierte Innovationen führt Quadbeck-Seeger Umweltschutzinnovationen an. Ähnlich zuvor auch

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

29

ben technologie- und marktinduzierten Innovationen auch noch antizipativ ausgelöste Innovationen angeführt, worunter offenbar solche verstanden werden, die, bevor wahrnehmbare Technologie- und Marktimpulse überhaupt entstehen, aufgrund „visionärer Vorstellungskraft“ vom Innovator initiiert werden.59 Allerdings bleibt fraglich, ob es sich dabei wirklich um eine eigene zusätzliche Ausprägung des Innovationsimpulses handelt.60 Fraglich ist aber bereits, ob eine Typologie in „technology push“ und „demand pull“ überhaupt sinnvoll ist,61 setzen erfolgreiche Innovationen doch das Zusammenwirken beider Triebkräfte voraus.62 Bei der einseitigen Ausrichtung der Unternehmensaufmerksamkeit und Strategie auf eine der beiden bzw. drei Impulsquellen bestehen beträchtliche Risiken, wenn die übrigen Impulse dabei unberücksichtigt bleiben bzw. im Extremfall sogar bewußt ausgeblendet wer-

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62

schon Gümbel, der auf juristische Impulse (z.B. Produkthaftungs- und Umweltschutzrecht) für Innovationen hinweist, vgl. Gümbel, R.; (1980), S. 48-69, insbes. S. 53. Vgl. Hartmann, M.; König, B.; (1996), S. 147-163, insbes. S. 157-158, auf die der Vorschlag dieser zusätzlichen Ausprägung zurückgeht. Als Hilfsmittel zur Systematisierung der auf die „visionäre Vorstellungskraft“ zurückgehenden „Ideenvielfalt“ werden von den Verfassern verschiedene Planungs- und Prognoseinstrumente angeführt. Der Einsatz der von Hartmann/König vorgeschlagenen Planungs- und Prognoseinstrumente dürfte nämlich in völliger Abwesenheit von Technologie- und/oder Marktimpulsen kaum möglich sein. Insofern bleibt fraglich, ob Antizipation (im Deutschen: Vorwegnahme) tatsächlich eine zusätzliche Ausprägung des Innovationsimpulses ist oder nur eine frühzeitige Wahrnehmung und „visionäre“ Beurteilung entsprechender Impulse, die dann doch wiederum stärker vom Markt oder der Technologie ausgehen können. Vgl. z.B. Hauschildt, J.; (1997), S. 8-9. Hauschildt hält die „monokausale Sichtweise“, die diesem Differenzierungsansatz zugrunde liegt, für „unrealistisch“ und schlägt als Alternative, unter Bezug auf das wirtschaftswissenschaftliche Theorem der „Zweck-Mittel-Beziehung“, eine Typologie vor, bei der in „mittelinduzierte Innovationen“, (das sind solche, bei denen „neue -durch Technologien offerierte- Mittel zur Erfüllung vorhandener oder neuer Zwecke“ eingesetzt werden,) und „zweckinduzierte Innovationen“, (jene, bei denen ein „neuer Zweck mit veränderten oder neuen Mitteln befriedigt wird“) unterschieden wird. Bei einer „eigentlichen“ Innovation sind damit „die Zwecke neu gesetzt, und zugleich werden neue Mittel zur Erfüllung dieser Zwecke angeboten. Damit unterscheiden sie sich prinzipiell von allen Änderungen, bei denen Zwecke oder Mittel unverändert sind“. Vgl. hierzu Freeman, der ausführt, daß „technological innovation (...) must involve synthesis of some kind of need with some kind of technical possibility“, Freeman, C.; (1982), S. 126. Ähnlich z.B. Servatius, H.-G.; (1988), S. 38-39.

30

Konzeptionelle Grundlagen: 63

den. Erfolgreiche Innovationen gehen in der Praxis auf die enge Abstimmung von Technologie- und Marktpotentialen zurück.64 Bei dieser Betrachtungsweise besteht aber die Gefahr, eine Reihe unterschiedlicher Betrachtungsebenen gleichzusetzen: Zunächst sind nämlich die folgenden Fragestellungen zu unterscheiden:65 1) Die einer ausgewogenen Berücksichtigung marktlicher und technologischer Triebkräfte während der Realisierung einer Innovation in den unterschiedlichen Phasen des Innovationsprozesses.66 2) Die, ob ein und ggfs. welcher Impuls primär den Ursprung für die Generierung der Innovationsidee (und damit den Ausgangspunkt für den nachfolgenden Innovationsprozeß) bildete. Konzentriert man sich auf den letztgenannten Aspekt, so schließen sich wiederum drei Folgefragen an: – Dominiert einer der beiden (drei) Impulse hinsichtlich Häufigkeit und Stärke des Innovationsanstoßes? – Hat dies Auswirkungen auf die Art der Innovation („inhaltliche Dimension“) sowie 67 – den Innovationserfolg? Hinsichtlich der ersten Betrachtungsebene (1.) herrscht Einigkeit: Ein kontinuierlicher Potentialabgleich und eine enge Kooperation aller an der Projektdurchführung beteiligten und diese Potentiale repräsentierenden Akteure und Funktions-

63

64

65

66 67

Vgl. hierzu z.B. Bleicher, K.; (1995), S. 579-596, insbes. S. 587-588, der die spezifischen Gefahren einer einseitigen Ausrichtung, die in einem „nahezu ideologischen Umgang mit Technologie und Markt“ gipfeln kann, sowohl für „Technology pushStrategien“, als auch für „Market pull-Orientierungen“ aufzeigt. Vgl. hierzu z.B. die praktischen Erfahrungen mit erfolgreichen Innovationen in der Luft- und Raumfahrtindustrie, Ambos, H.; (1995), S. 861-880, insbes. S. 870ff. Die Sinnhaftigkeit dieser dezidierten Unterscheidung, insbesondere für die Analyse der Unternehmenspraxis, wird z.B. durch die auf einer empirischen Studie Coopers aufbauenden Ausführungen und Überlegungen in Fußnote 78 (S. 33) unterstrichen. Vgl. hierzu Kap. 2.1.3 (S. 37ff). Diese drei Fragestellungen werden in bisherigen Studien häufig nicht voneinander getrennt untersucht, so beschäftigen sich viele Studien mit der Frage nach dem Ursprung des Innovationsimpulses erfolgreicher Innovationen. Vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen und Fußnotenhinweise.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

31

68

bereiche ist entscheidend für den Innovationserfolg. Gehen wir nun der zweiten Frage nach dem Ursprung des Innovationsimpulses nach: Zahlenmäßig häufiger unter den erfolgreichen Produkten sind solche, die durch Marktimpulse induziert wurden.69 Zum Teil wird sogar die These vertreten, daß erfolgreiche Innovationen fast ausschließlich marktinduziert sind.70 Dem 68

69

70

So war eine „simple linear sequential technology push assumption“ charakteristisch für die „1. Generation“ (1960) von Innovationsprozessen, eine „need-pull“ dominierte für die 2. Generation (1970), die bereits 1980 durch ein „Coupling Model“ der 3. Generation abgelöst wurde, bei dem eine Interaktion von Marketing und F&E im Fokus stand, vgl. hierzu (unter Bezug auf Rothwell) von Wichert-Nick, D.; (1995), S. 174175. Allerdings wird auch bezüglich dieser Potentialabstimmung die Auffassung vertreten, daß z.B. Intensität und Schwerpunkte des Nutzereinbezugs (Markt) für unterschiedliche Branchen und Innovationsprojekttypen variieren, wobei in einen „technology-push“-type und einen „need pull“-type differenziert wird, vgl. Holt, K.; (1986), S. 125. Ähnlich auch Nash, R.T.; (1990), S. 72-73. Die Frage nutzer-, hersteller- und zulieferer-dominierter Innovationsprozesse steht in engem Zusammenhang mit der hier diskutierten Problematik, sind nutzerdominierte Innovationsprozesse doch eher marktorientiert, wogegen herstellerdominierte Innovationsprozesse eher technologieorientiert sind. Auf die unterschiedlichen Arten von Innovationsprozessen wird in Kap. 2.1.3 (S. 37ff) noch zurückzukommen sein. Zur analogen Fragestellung, der Notwendigkeit einer engen Abstimmung mit anderen Funktionsbereichsstrategien im Rahmen des strategischen Technologiemanagements, vgl. Kap. 2.3.1, S. 88ff. Dies wird durch eine Reihe von Untersuchungen bestätigt: Utterback ermittelt ein Verhältnis marktinduzierter zu technologieinduzierten Innovationen von 75 % : 25 %, vgl. Utterback, J.M.; (1971), S. 128. Corsten nennt mit Bezug auf Holt eine Relation von 60-80 % für marktinduzierte und 20-40 % für technologieinduzierte Innovationen, vgl. Corsten, H.; (1989), S. 7. Christensen/Valentin ermitteln für 200 erfolgreiche Produktinnovationen dänischer Klein- und Mittelbetriebe, daß 45 % eindeutig auf Marktimpulse, hingegen nur 29 % eindeutig auf Technologieimpulse zurückzuführen sind (der Rest war nicht eindeutig zuzuordnen), vgl. Christensen, J. F.; Valentin, F.; (1988), S. 78-84, insbes. S. 79-80. Nash kommt bei einer Untersuchung „epochaler“ Innovationen zu dem Schluß, daß einige eindeutig marktiniiert waren, bei den meisten Marktimpulse überwogen haben und nur für wenige Technologieimpulse als eindeutiger Auslöser identifiziert werden konnten. Bei diesen handelte es sich häufig um neue Materialien, vgl. Nash, R.T.; (1990), S. 65-74. Vgl. Kleinschmidt, E.; Geschka, H.; Cooper, R.; (1996), die zu dem Ergebnis kommen: „Der Innovationsbedarf ist beim Kunden zu identifizieren und zu evaluieren“ (S. 107), gleichzeitig aber auch einschränkend einräumen, „daß Produktinnovationen sich zwar am Bedarf zu orientieren haben“, aber auch über das hinausgehen sollten, „was er (der Kunde) selbst fordert“ (S. 173), und es zusätzlich „immer einen gewissen Anteil neuer Produkte geben wird, die primär von neuen Technologien ausgehen und nicht durch konkreten Bedarf angeregt wurden“ (S. 172). Als konkrete Beispiele für derartige Ausnahmen werden Mode- und Prestigeprodukte, sowie Arzneimittel, Heil-

32

Konzeptionelle Grundlagen:

wird allerdings entgegengehalten, daß auf technology push zurückgehende Innovationen dafür besonders effektiv im Kreieren gänzlich neuer Märkte sind71 und so erst die Voraussetzung für die darauf aufbauende Vielzahl von auf konkrete Kundenbedürfnisse besser zugeschnittenen Folgeinnovationen entsteht, die dann wiederum primär marktgetrieben sind.72 In der Tat scheint ein Zusammenhang zwischen Innovationshöhe und Stärke bzw. Häufigkeit des Innovationsimpulses zu bestehen: So nimmt die Bedeutung von Technologieimpulsen mit steigender Innovationshöhe zu, umgekehrt verhält es sich mit dem Einfluß von Marktimpulsen.73 Die durch Nachfrageimpulse hervorgerufenen Innovationen sind also eher Verbesserungsinnovationen, während Technologieimpulse Basisinnovationen anstoßen, die dann wieder die Grundlage für eine Vielzahl von Verbesserungsinnovationen darstellen, womit auch der zahlenmäßige Unterschied plausibel wird. Beide Arten von Innovationsimpulsen sind damit von Bedeutung, weil sie komplementäre Arten von Innovationen anregen.74 Die drei unterschiedlichen Arten von Impulsen durchlaufen dabei allerdings „asynchrone Entwicklungszyklen“, wobei „vorauseilende Ländermärkte, sog. Lead-Märkte“ („BedarfsZyklus“) und Standorte („Technologie-Zyklus“) an unterschiedlichen geographischen Orten auf der Welt anzutreffen sind.75

71

72

73

74 75

mittel und medizinische Geräte genannt (S. 173). Da Arzneimittel ja den Untersuchungsgegenstand dieser Studie bilden, wird eine interessante Frage sein, ob sich dieses Ergebnis bestätigen läßt und inwieweit es relativiert werden muß, vgl. hierzu die Ergebnisse in Kap. 6.4.2, S. 581ff. Betz, F.; (1987), S. 94. Ein Beispiel für eine derartige Kreation eines gänzlich neuen Marktes stellen die nahezu ausschließlich auf Technologieimpulse zurückgehenden neuen Märkte der Bio- und Gentechnik dar, wo der konkrete Bedarf erst identifiziert werden mußte, vgl. Hacking, A. J.; (1986), S. 246. “Market pull innovations most often are incremental innovations since an established market inspires the need. Technological push is often the source of the radical innovations”, Betz, F.; (1987), S. 96. Brockhoff, K.; (1985a), S. 626-628, der übrigens entschieden der Überzeugung entgegentritt, daß alle für Innovationen notwendigen Informationen beim Kunden oder im Markt zu erfragen sein könnten (S. 626). Vgl. Corsten, H.; (1989), S. 7. Vgl. Gerybadze, A.; (1998 a), S. 243-247, der diese asynchronen Entwicklungszyklen für den maßgeblichen Motor der zunehmenden Globalisierung unternehmerischer Standortentscheidungen hält. Auf diesen Sachverhalt wird in Kap. 3.3.2.6 (S. 198ff) nochmals zurückzukommen sein.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

33

Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß die Bedeutung der einzelnen drei Innovationsimpulse in zeitlicher und geographischer Hinsicht, zwischen Branchen, innerhalb einer Branche zwischen Unternehmen und dort wiederum zwischen einzelnen Innovationsprojekten unterschiedlich sein kann und in vielen Fällen auch ist. Eine monokausale Sichtweise, der die Vorstellung zugrunde liegt, daß nur ausschließlich eine Komponente (demand pull, technology push oder society demand) als Innovationsimpuls wirksam wird, stellt zweifelsfrei eine idealtypische Vereinfachung dar, einen Grenzfall, der in der Praxis nur in sehr seltenen Ausnahmefällen anzutreffen sein wird. Zutreffender ist es, den Innovationsimpuls als dreidimensionalen Vektor zu interpretieren, dessen Wirkrichtung aus drei Komponenten zusammengesetzt ist. Die Größe des Betrags der einzelnen Vektoren wird aber ebenfalls nur in sehr seltenen Ausnahmefällen die gleiche sein: also eine der Impulsquellen immer stärker oder häufiger in einem Unternehmen Innovationen initiieren – also primär deren Ursprung darstellen.76 Insofern ist die „originäre“ Dimension bezüglich einer Differenzierung nach dem Ursprung des Innovationsimpulses eine wichtige Facette des Innovationsbegriffs. In praktischer Hinsicht liegt ihr Wert z.B. auch darin, daß die Unterscheidung in primär technologie- oder marktinduzierte Innovationen eine differenziertere Behandlung unterschiedlicher Innovationsprojekte – im Gegensatz zu den zu Eingang dieses Kapitels geschilderten negativen Entwicklungen, hier im positiven Sinne – durch das Management ermöglicht.77 Für die vorliegende Arbeit ist insbesondere der in der Literatur postulierte78 Zusammenhang zwischen Innovationsimpuls und Innovationsstrategie (z.B. der 76

77

78

Zur Differenzierung von Innovationsprojekten (genauer F&E-Projekten) hinsichtlich ihres Impulses existieren geeignete Instrumente, die eine Unterscheidung und Klassifikation von eben nicht nur monokausal durch einen Impuls angestoßenen Projekten ermöglichen. Vgl. hierzu Möhrle, M. G.; (1988), S. 12-19 und Möhrle, M. G.; (1994), S. 230-234; sowie zur praktischen Erprobung dieses Instruments Möhrle, M. G.; Voigt, I.; (1993), S. 973-992. Hartmann/König schlagen für die Realisierung technologie- und marktinduzierter Innovationen zwei unterschiedliche Idealtypen „durchgängiger Innovationsprozesse“ vor, vgl. Hartmann, M.; König, B.; (1996), S. 174-178. Auch aus empirischen Ergebnissen kann auf einen derartigen Zusammenhang geschlossen werden: So beobachtete Cooper hochsignifikante Unterschiede hinsichtlich der strategischen Dimensionen „Technological sophistication, orientation und innovativeness“ und „Market orientation and domination“ zwischen den fünf zuvor clusteranalytisch (unter Einbezug beider Dimensionen) identifizierten Innovationsstrategiety-

34

Konzeptionelle Grundlagen:

angestrebten Innovationshöhe) von besonderem Interesse. Auf diese Fragestellung werden wir, übertragen auf Technologiestrategieimpuls und Technologiestrategie, im Rahmen der vorliegenden empirischen Studie noch zurückkommen.79 Zusätzlich zu den bislang ausführlich betrachteten Innovationsimpulsen können auch situative Effekte zum Anstoß für Innovationen werden: Hartmann/König unterscheiden hinsichtlich der konkreten „Rahmenbedingungen“ für das innovierende Unternehmen in chancen- und krisengetriebene Innovationen: Krisengetriebene Innovationen werden durch eine für die jeweilige Unternehmung bedrohliche Unternehmenssituation erzwungen,80 chancengetriebene Innovatio-

79

80

pen, vgl. Cooper, R. G.; (1984 b), S. 29 und Figure 4, S. 38 sowie bezüglich der genaueren Beschreibung dieser Studie und der Innovationsstrategietypen auch die Ausführungen in Feldmann, C.; (2005a), S. 107ff. Während die erste der beiden Dimensionen tendenziell als Maß – hinter ihnen verbirgt sich nämlich ein komplexes Konstrukt aus 14 bzw. 5 verschiedenen Variablen (Cooper, R. G.; (1984 b), S. 51-52) – für die Bedeutung von Technologieimpulsen angesehen werden kann, repräsentiert die zweite tendenziell die Bedeutung von Marktimpulsen. Marktimpulse (Hoch : Niedrig = 31,2 % : 45,1 % = 0,69) sind dabei für die untersuchten 122 kanadischen Unternehmen relativ genauso häufig von hoher und niedriger Bedeutung für die Innovationsstrategie wie Technologieimpulse (Hoch : Niedrig = 41,8 % : 58,3 % = 0,72). Äußerst bemerkenswert ist, daß beide Impulse deutlich häufiger von niedriger als von hoher Bedeutung für die jeweilige Innovationsstrategie sind, vgl. hierzu die deutlich unter 1 liegenden Relationen. Unternehmen, für die sowohl Technologie- als auch Marktimpulse von sehr hoher Bedeutung für ihre Innovationsstrategie waren („Balanced Strategy“), erwiesen sich nach der Untersuchung Coopers hinsichtlich aller Erfolgskriterien den übrigen vier Innovationsstrategietypen überlegen, vgl. Cooper, R. G.; (1984 b), S. 31-39, insbes. S. 32-34. Vgl. hierzu die im Rahmen der empirischen Untersuchung der vorliegenden Arbeit ermittelten Ergebnisse in Kap. 6.4.2, S. 581ff, die auch eine direkte Gegenüberstellung zu den Resultaten Coopers (vgl. Fußnote 78) enthalten. Der Zusammenhang von Impuls und Erfolg ist, wie bereits erwähnt, hingegen nicht im Fokus der vorliegenden Arbeit. Vgl. hierzu die Ausführungen von Kinast, K.; (1995), S. 12-13, der diesen Fall sogar für die Regel hält, nach der insbesondere Klein- und Mittelbetriebe in der erzwungenen Situation sind, „Innovation als Anpassungsprozeß“ mit existentiellem Charakter zu betreiben: Von der Bewältigung dieses Anpassungsprozesses hängt dann – in Analogie zum biologischen Evolutionsprozeß – das Wachsen oder „Sterben“ der Unternehmung ab.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

35

nen in einer guten wirtschaftlichen Ausgangssituation ohne akuten Handlungsdruck durch die Aussicht auf (weitere) zukünftige Erfolge angestoßen. 81 Sowohl die Ursache der Unternehmenskrise als auch der Ursprung der Chancen können dabei wiederum primär auf technologische Impulse (z.B. zu spät bzw. falsch oder frühzeitig bzw. richtig bemerkte und eingeschätzte technologische Diskontinuitäten), Marktimpulse (z.B. zu spät bzw. falsch oder frühzeitig bzw. richtig bemerkte und eingeschätzte Marktentwicklungen) oder gesellschaftliche Impulse (z.B. zu spät bzw. falsch oder frühzeitig bzw. richtig bemerkte und eingeschätzte gesellschaftliche Anforderungen oder Regulierungen) zurückgehen. 2.1.2.3

Die subjektive Dimension des Innovationsbegriffes

Konstituierendes Merkmal aller Definitionsansätze ist die Neuheit. Die genaue Bedeutung dieses Neuheitsanspruchs wird hingegen bereits keinesfalls mehr einheitlich betrachtet. Die Schwierigkeiten, die Kriterien für diesen Neuheitsanspruch eindeutig festzulegen, bestehen dabei weniger in direkten Meßproblemen des Neuheitsgrades82 als viel fundamentaler in der Auswahl des Referenzsystems. So definiert beispielsweise Weisenfeld-Schenk technologische Innovationen im engeren Sinne als eine „erstmalige Einführung einer Invention in ein bestimmtes Innovationsumfeld“.83 Die Frage, wie weit dieses „Innovations81

82

83

Vgl. Hartmann, M.; König, B.; (1996), S. 147-163, insbes. S. 159-160, auf die der Vorschlag dieses Kriteriums zur Differenzierung von Innovationen und die genannten Ausprägungen zurückgeht; die Einordnung in das konzeptionelle Schema erfolgte durch den Autor. Auf die Höhe des Neuheitsgrades soll hier nicht näher eingegangen werden. Den damit verbundenen Differenzierungsmöglichkeiten in Innovationsarten wird in Zusammenhang mit der Diskussion der Entscheidungsdimensionen des strategischen Technologiemanagements, insbesondere des angestrebten technologischen Leistungsniveaus, siehe Kap. 3.3.2.1 (S. 137ff), nachgegangen werden. Zum Problem der Messung von Neuigkeitsgraden aus betriebswirtschaftlicher Perspektive vgl. Brockhoff, K.; Zanger, C.; (1993), S. 837-839. Zum generellen Problem der Meßbarkeit neuen Wissens, Inventionen, innovativen Aktivitäten und technischen Fortschritts, vgl. Kuznets, S.; (1962), S. 24-41; Cohen, W. M.; Levin, R. C.; (1989), S. 1062-1066 und die dort analysierte Literatur sowie Acs, Z. J.; Audretsch, D. B.; (1993), S. 111-118. So führen beispielsweise Cohen/Levin nach sorgfältiger Literaturanalyse aus: „A fundamental problem in the study of innovation and technical change in industry is the absence of satisfactory measures of new knowledge and its contribution to technological progress“, vgl. Cohen, W. M.; Levin, R. C.; (1989), S. 1062. Weisenfeld-Schenk, U.; (1995 a), S. 101.

36

Konzeptionelle Grundlagen:

umfeld“ gefaßt bzw. aus welcher Betrachtungsperspektive die Erstmaligkeit der Neuartigkeit beurteilt werden sollte, charakterisiert die „subjektive“ Dimension des Innovationsbegriffs. Stoneman z.B. differenziert daher zwischen globalen und lokalen Innovationen: „Global innovation would be the first occurence in an economy (or even wider in the world economy) of a particular event, say the launching of a new product. Local innovation would be the first occurence of an event in the unit of observation, even if the event has occurred already in other units of observation. Thus the introduction by a firm of its first robot would be a local innovation even if other firms had introduced robots many years before. Clearly the very first firm to be a local innovator is the global innovator.“84 In einer weiter verfeinerten Sichtweise kann zwischen einer individualistischen85, einer betriebswirtschaftlichen, einer industrieökonomischen, einer national-ökonomischen und einer weltweiten Perspektive zur Beurteilung der Neuartigkeit unterschieden werden.86 Die meisten Autoren in der wissenschaftlichen Literatur interpretieren den Neuigkeitsbegriff im Sinne einer lokalen (Stoneman) bzw. betriebswirtschaftlichen (Hauschildt) Innovation. „Neu“ wäre dann „als neu im subjektiven Meinungsbild des Betroffenen (d.h. der jeweiligen Unternehmung)“87 aufzufassen. Jedoch kann eine derartige „Unternehmensneuheit“ für den Gesamtmarkt durchaus auch eine Imitation darstellen.88 Eine solche subjektive, unternehmensbezogene Sichtweise hat zwar insofern seine Rechtfertigung, als sich so in der Behandlung durch das Management der Innovationsfall klar vom Routinefall abgrenzen läßt, sie birgt aber gleichzeitig die enorme Gefahr in sich, daß eine klare 84 85

86

87

88

Stoneman, P.; (1995), S. 3. Diese indivualistische Sichtweise kann z. B. in der Wahrnehmung einer Innovation aus der Perspektive des Kunden bestehen, vgl. zur Wahrnehmung aus Kundenperspektive und daraus resultierenden Nachfragetypologien beispielsweise Weiber, R.; Pohl, A.; (1995), S. 408-435. Vgl. Hauschildt, J.; (1997), S. 16-19, der für jede dieser Perspektiven eine entsprechende Definition des Innovationsbegriffes angibt. Wolfrum, B.; (1994), S. 8. Für Witte ist für eine Unternehmung dann eine Innovation zu konstatieren, „wenn sie eine technische Neuerung erstmalig nutzt, unabhängig davon, ob andere Unternehmungen den Schritt vor ihr getan haben oder nicht.“, vgl. Witte, E.; (1973), S. 3. Eine ähnliche Auffassung vertritt z.B. auch Thom, N.; (1994), S. 324. Vgl. die Einwände von Gedenk, G.; (1987), S. 64.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

37

und eindeutige Abgrenzung zwischen Innovation und Imitation nicht möglich ist. Deshalb soll in der vorliegenden Arbeit der Innovationsbegriff – im Gegensatz zur betriebswirtschaftlichen Perspektive – auf den relevanten Markt bezogen werden.89 2.1.3

Der Innovationsprozeß

Unter Innovationsprozeß90 versteht man grundsätzlich den Weg von der Idee bis mindestens zur Markteinführung der Innovation. Analog zum Innovationsbegriff wird auch der Begriff des Innovationsprozesses in der wissenschaftlichen Literatur und unternehmerischen Praxis recht unterschiedlich interpretiert. Unterschiede ergeben sich zum einen aus der Betrachtungsperspektive. So kann man in gesamtwirtschaftliche (makroökonomische)91, eher mikroökonomische92 und betriebswirtschaftlich orientierte Ansätze unterteilen. Bei den hier im Mittelpunkt stehenden unternehmerischen Innovationsprozessen ergeben sich Unterschiede neben der Abgrenzung der einzelnen Phasen (Phasenweite) und der damit korrespondierenden Phasenanzahl sowie ihrer Benennung vor allem in der Frage, wie weit der Innovationsprozeß in seiner Ausdehnung reicht (vgl. Tabelle 2-1).

89

90

91

92

Der Bezug auf den relevanten Markt nimmt eine Zwischenposition zwischen den Extremen Weltneuheit und Individualneuheit ein. Im Gegensatz zu einem Branchenoder Industrieneuheitsbezug werden hierdurch auch gegenwärtige oder zukünftige Überschneidungen von Industrien (etwa durch Marktneueintritte aufgrund von Diversifikation) mitberücksichtigt. Diese Sichtweise stimmt mit der Schewes überein, der feststellt: „Der Systembezug unserer Begriffswahl muß sich zwingend auf den relevanten Markt einer Produkt- oder Verfahrensinnovation ausdehnen und darf sich nicht auf die subjektive, unternehmensbezogene Sichtweise beschränken“, vgl. Schewe, G.; (1992), S. 12. Die im Folgenden vorgenommene sorgfältige Definition und Diskussion des Innovationsprozesses dient u.a. als wesentliche Grundlage für die späteren Ausführungen zur Entwicklung und Abgrenzung zur Technologiewertschöpfungskette, vgl. hierzu Kap. 3.3.2.1, S. 137ff. Vgl. beispielsweise Albach, H.; (1983), S. 18-23, der einen Überblick über die wesentlichen makroökonomischen Theorien gibt, die dem „gesamtwirtschaftlichen“ (S. 18) Innovationsprozeßbegriff zugrundeliegen. Oppenländer sieht als Triebkräfte des (gesamtwirtschaftlichen) Innovationsprozesses das Ineinandergreifen der Innovationsysteme Innovator, Organisation (Unternehmen) und Umwelt, vgl. Oppenländer, K. H.; (1994), S. 255-257. Vgl. beispielsweise Albach, H.; (1983), S. 23-26.

38

Konzeptionelle Grundlagen:

Tabelle 2-1: Übersicht zu den unterschiedlichen Ansätzen ausgewählter Autoren, eine Abgrenzung des Innovationsprozesses93 und Unterteilung in Phasen vorzunehmen94 Abgrenzung und Phaseneinteilung von Innovationsprozessen Typ des PhasenAutor (Jahr) Bezeichnung der Phasen Innovationsanzahl prozesses 1) Grundlagenforschung („basic research“) 2) Phase der erfinderischen Tätigkeit („inventive work“) Machlup 4 3) Phase der Entwicklungstätigkeit IP i.e.S. 95 (1962) („development work“) 4) Erste Umsetzung der erzielten Ergebnisse („new type plant construction“) 1) „recognition“ 2) „idea formulation“ Marquis 3) „problem solving“ 6 IP i.w.S. (1982)96 4) „solution“ 5) „development“ 6) „utilization & diffusion“ 1) „recognition“ 2) „invention“ Maidique 3) „development“ 5 IP i.w.S. 97 (1982) 4) „implementation“ 5) „diffusion“ Booz.Allen & Hamilton (1982)98

93

94

95 96 97 98

6

1) 2) 3) 4) 5)

„exploration“

„screening“ „business analysis“ „development“ „testing“ 6) „commercialization“

IP i.e.S.

„IP i.e.S.“ (= Innovationsprozeß im engeren Sinne) und „IP i.w.S.“ (= Innovationsprozeß im weiteren Sinne). Bezüglich einer Systematisierung und Klassifizierung der frühen Ansätze zu Innovationsprozeßmodellen, vgl. Saren, M. A.; (1984), S. 11-24. Dort werden die wichtigsten Ansätze eingehend diskutiert, die zum Teil das spätere Fundament für die oben in der Tabelle beschriebenen Konzepte bildeten. Vgl. Machlup, F.; (1962), S. 178-183, ähnlich Freeman, C.; (1982), S. 8-9. Vgl. Marquis, D. G.; (1982), S. 43-45. Vgl. Maidique, M. A.; (1982), S. 567. Vgl. Booz.Allen & Hamilton (1982), S. 3.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

39

Abgrenzung und Phaseneinteilung von Innovationsprozessen Typ des PhasenAutor (Jahr) Bezeichnung der Phasen Innovationsanzahl prozesses

Gerybadze (1982)99

Töpfer (1984)100

Michel (1987)101

99

100 101

2 (4)

7

3 (7)

1) „Innovationsentstehung“: a) „Invention (Mögliche Technologie)“ b) „Entwicklung (Technologie)“ c) „Innovation (Angewandte Technologie)“ 2) „Innovationsverbreitung“: a) „Adoption und Imitation (Verbreitete Technologie)“

IP i.w.S.

1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)

IP i.e.S.

„Markt- und Umfeldbeobachtung“ „Problemidentifikation“ „Invention“ „Produktentwicklung“ „Herstellung der Marktreife“ „Produktion“ „Markteinführung“

1) „Ideengenerierung“ a) „Ideenproduktion“ b) „Ideenvorschlag“ 2) „Ideenakzeptierung“ a) „Ideenbewertung“ b) „Ideenauswahl“ 3) „Ideenrealisierung“ a) „Entwicklung“ b) „Produktions-/Absatzvorbereitung“ c) „Markteinführung“

IP i.e.S.

Gerybadze unterteilt in Stromgrößen und damit korrospondierende Bestandsgrößen des Innovationsprozeß, vgl. Gerybadze, A.; (1982), S. 21-34. Vgl. Töpfer, A.; (1984), S. 394. Michel unterteilt den Innovationsprozeß in die drei Hauptphasen (bestehend aus verschiedenen Teilprozessen): „Ideengenerierung“ („Ideenproduktion“, „Ideenvorschlag“), „Ideenakzeptierung“ („Ideenbewertung“, „Ideenauswahl“) und „Ideenrealisierung“ („Entwicklung“, „Produktions-/Absatzvorbereitung“, „Markteinführung“), die Teilprozesse „Marktdurchdringung“, „Marktsättigung“ und „Marktdegeneration“ werden von Michel nicht mehr zum Innovationsprozeß gezählt, vgl. Michel, K.; (1987), S. 10-14.

40

Konzeptionelle Grundlagen:

Abgrenzung und Phaseneinteilung von Innovationsprozessen Typ des PhasenAutor (Jahr) Bezeichnung der Phasen Innovationsanzahl prozesses Bühner (1991)102

4

1) 2) 3) 4)

Marr (1993)103

3

1) „Ideengenerierung“ 2) „Ideenselektion“ 3) „Implementationsphase“

IP i.e.S.

5

1) 2) 3) 4) 5)

„Vorphase“ „Planung und Konzeptionsfindung“ „Produkt- und Verfahrensentwicklung“ „Aufbau der Produktion“ „Markteinführung“

IP i.e.S.

12

1) „Analysis of external and internal environment and formulation of research strategy“ 2) „Search for ideas“ 3) „Invention“ 4) „Screening for technical feasibility“ 5) „Development“ 6) „Testing of prototype from pilot plant“ 7) „Economic screening“ 8) „Further development of production process machinery“ 9) „Testing of the first series of products from regular production line“ 10) „Application for approval or registration with authorities“ 11) „Launch in the market“ 12) „Control“

IP i.e.S.

Geschka (1993)104

Albach (1994)105

102

103

104 105

„Ideengenerierung“ „Ideenauswahl“ „Umsetzung“ „Etablierung des Neugeschäfts“

IP i.e.S.

Bühner betont den Prozeßcharakter der Produktdiversifikation, indem er sie auf Basis eigenen technologischen Know-hows als Innovationsprozeß beschreibt, vgl. Bühner, R. (1991), S. 1396-1400. Vgl. Marr, R.; (1993), Sp. 1798-1799 in Anlehnung an Trommsdorff, V.; (Hrsg.); (1990); Vgl. Geschka, H.; (1993), S. 159-176. Vgl. Albach, H.; (1994 a), S. 87.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

41

Abgrenzung und Phaseneinteilung von Innovationsprozessen Typ des PhasenAutor (Jahr) Bezeichnung der Phasen Innovationsanzahl prozesses 1) „Entstehungszyklus“ a) „Inventionsphase“ i) „Ideengenerierung“ ii) „Ideenakzeptierung“ b) „Innovationsphase“ (= „Ideenrealisierung“) 2) „Marktzyklus“ (= „Diffusions- und Verbreitungsphase“)

IP i.w.S.

6

1) 2) 3) 4) 5) 6)

„Entdeckung“ „Definition“ „Entwicklung“ „Spezifikation“ „Prototyp/Pilot“ „Markterfolg“

IP i.e.S.

4

1) 2) 3) 4)

„Suchphase“ „Technologiephase“ „Entwicklungsphase“ „Engineeringphase“

IP i.e.S.

Gruner (1997)109

6

1) „Produktideenfindung, -bewertung und -auswahl“ 2) „Produktkonzepterstellung, -bewertung und -auswahl“ 3) „Produkt-, Projektdefinition“ 4) „Konstruktionsentwurfserstellung, -bewertung und -auswahl“ 5) „Prototyperstellung, -bewertung und -auswahl“ 6) „Markteinführung“

IP i.e.S.

Arthur D. Little (1997)110

3

1) „Inventionsphase“ 2) „Inkubationsphase“ 3) „Implementierungsphase“

IP i.e.S.

Wolfrum (1994)106

Ebner/Walti (1996)107

Hasler/Hess (1996)108

106 107 108 109 110

2 (4)

Vgl. (ähnlich wie zuvor bereits Michel) Wolfrum, B.; (1994), S. 11-14. Vgl. Ebner, M.; Walti, A.; (1996), S. 19-22. Vgl. Hasler, R.; Hess, F.; (1996), S. 163-165. Vgl. Gruner, K. E. (1997), S. 63-66. Vgl. Arthur D. Little (Hrsg.); (1997), S. 157.

42

Konzeptionelle Grundlagen:

Abgrenzung und Phaseneinteilung von Innovationsprozessen Typ des PhasenAutor (Jahr) Bezeichnung der Phasen Innovationsanzahl prozesses

Reger (1997)111

Hauschildt (1997)112

Gauglitz-Lüter (1998)113

6

7

5

1) 2) 3) 4) 5) 6)

„Erkennen der Möglichkeiten“ „Ideenformulierung“ „Problemlösung“ „Prototypen erstellen“ „Kommerzielle Entwicklung“ „Technologische Nutzung und/oder Diffusion“

IP i.w.S.

1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)

„Idee“ „Entdeckung/Beobachtung“ „Forschung“ „Entwicklung“ „Erfindung“ „Einführung“ „Laufende Verwertung“

IP i.w.S.

1) 2) 3) 4)

„Ideengenerierung“ „Ideenbewertung und Ideenauswahl“ „Forschung und Entwicklung“ „Implementierung, Markteinführung, Verkauf (Lizenzvergabe o. ä.)“ 5) „Marktdurchsetzung, Technologietransfer sowie Konkurrenz durch Nachahmung“

IP i.w.S.

Strittig ist hier insbesondere der Punkt, ob der Innovationsprozeß mit der Markteinführung endet oder ob (und inwieweit) auch die Marktdurchsetzung und die Konkurrenz durch Nachahmung (Diffusions- und Imitationsphase) mit zum Innovationsprozeß hinzuzurechnen sind. Brockhoff differenziert daher zwischen dem Innovationsprozeß im engeren Sinne, der mit der Markteinführung endet, und dem Innovationsprozeß im weiteren Sinne, der auch den Marktzyklus mit

111

112

113

Reger erstellt aufbauend auf diesen sechs Phasen ein schematisches Modell des Innovationsprozesses, vgl. Reger, G.; (1997), S. 41-43. Hauschildt identifiziert sieben idealtypische Prozeßschritte, vgl. Hauschildt, J.; (1997), S. 19-22. Vgl. Gauglitz-Lüter, S.; (1998), S. 29-32.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

43

114

einbezieht. Der Innovationsprozeß kann sogar noch weitergehend als Innovationszyklus aufgefaßt werden, in dem die Reaktionen aus dem Markt in der „Markterfolgsphase“ wiederum Anpassungen oder Neuentwicklungen anstoßen, die einen erneuten Durchlauf der (bzw. einiger) Phasen des Innovationszyklus auslösen.115 In der vorliegenden Arbeit wird vom Innovationsprozeß im weiteren Sinne ausgegangen, da nicht nur der Innovationsprozeß i.e.S., sondern auch der gesamte Marktzyklus Auswirkungen auf die Entscheidungsprozesse im Rahmen des strategischen Technologiemanagements hat. Die einzelnen Phasen des Innovationsprozesses dürfen nicht als „notwendige zeitliche Sequenz“ angesehen werden.116 Vielmehr sollten während des gesamten Innovationsprozesses alle betrieblichen Funktionsbereiche eingebunden117 und (so weit möglich) Phasen des Entwicklungsprozesses parallelisiert und standardisiert werden (Simultaneous Engineering).118 114 115 116 117

118

Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 35-47. Vgl. Ebner, M.; Walti, A.; (1996), S. 19-21. Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 43. Vgl. Schmidt-Tiedemann, K. J.; (1982), S. 18-21; Schmidt-Tiedemann, K. J.; (1988), S. 17-24; und Hauschildt, J.; Schmidt-Tiedemann, J.; (1993), S. 13-21, insbes. S. 18: In einem Konkomitanzmodell werden hier die Funktionsbereiche als drei „aktive Stränge“: ein „kreativer Strang“ (bestehend aus Forschung, Vorentwicklung, Marktanalyse, Erzeugung von Produkt- und Marktoptionen, Test der Machbarkeit und der kommerziellen Lebensfähigkeit), ein „produktiver Strang“ (bestehend aus allen produktionsbezogenen Entwicklungsaktivitäten) und ein „distributiver Strang“ (bestehend aus Vertriebs- und Einkaufshandeln, Marktvorbereitung, Logistik, Installation und Wartung), die zu einer über „Kommunikationsbrücken vernetzten“ Triple-Helix verwoben sind, betrachtet. In diesem Modell werden die drei „aktiven Stränge“ als „konkomitant“ aufgefaßt, d. h. sie befinden sich in ständiger gegenseitiger Beeinflussung und „reziproker“ Wechselwirkung. Zur Definition und Bedeutung von Simultaneous Engineering im Innovationsprozeß vgl. Stanke, A.; Berndes, S.; (1997), S. 15-27; Bullinger, H.-J.; (1989), S. 17-21; Bullinger, H.-J., S. 9-11; Bullinger, H.-J.; et al.; (1995), S. 377-394; Corsten, H.; (1998), S. 123-166; Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (1990), S. 1314; Kieser, A.; (1993), S. 109; Weber, H.; (1993); Matz, J.; (1998). Für aktuelle Anwendungsbeispiele in der Automobilindustrie vgl. Heßen, H.-P.; Franke, H.; (1998), S. 167-179; Bürgel, H. D.; et al.; (1998), S. 186-187; Auch in der Pharmabranche spielt Simultaneous Engineering eine Rolle. So setzt sich beispielsweise Ciba-Geigy im Rahmen der organisationalen Reform ihrer weltweiten Innovationsaktivitäten der Pharmasparte das Ziel der Parallelisierung von Innovationsphasen bei gleichzeitiger koordinierter Integration anderer Funktionsbereiche (insbes. Marketing), vgl. Ganz, K.; (1993), S. 9 und Jenkins, W.; (1993), S. 10. Zur Parallelisierung von Forschungsund Entwicklungsaktivitäten im Innovationsprozeß vgl. Schröder, H.-H.; (1994).

44

Konzeptionelle Grundlagen:

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß selbst in den Innovationsprozeß i.e.S. in den meisten Fällen mehr als eine Organisation (nicht nur das betreffende Unternehmen) einbezogen ist. Die dabei involvierten Organisationstypen und die Art der Wechselwirkung können eine große Komplexität aufweisen,119 so daß das Modell eines Innovationsnetzwerkes sich besser zur Abbildung der Realität eignen dürfte als die verschiedenen Varianten des Innovationsprozesses.120 Popp unterstreicht die Aufgabenverteilung im Innovationsprozeß i.e.S. und betrachtet ihn als eine „Innovationskette“ gestufter Förderbänder, die die Idee zum marktfähigen Produkt „transportieren“.121 Brockhoff unterscheidet in Anlehnung an von Hippel in drei Typen von Innovationsprozessen: In einen nutzer-dominierten, einen hersteller-dominierten und einen kooperativen Innovationsprozeßtyp.122 Das Ausmaß und die Intensität, mit der unternehmensexterne Organisationen oder Personen eingebunden werden, variiert dabei zwischen den einzelnen Phasen des Innovationsprozesses.123 Auch

119

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123

Dies kommt z.B. in der Darstellung des Innovationsprozesses von Arthur D. Little zum Ausdruck, vgl. Arthur D. Little (Hrsg.), (1988), S. 121. Beispiele für Innovationsnetzwerke finden sich etwa bei Reiß, M.; (1998). Vgl. Popp, M.; (1998), S. 80-81. Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 38-41 und von Hippel, E.; (1977), S. 60-71. Ausführlicher von Hippel, E.; (1988): S. 11ff (nutzerdominierter), S. 30ff (herstellerdominierter), S. 35ff (zuliefererdominierter) und S. 76ff (kooperativer Innovationsprozeßtyp). Zahn/Weidler halten daher ein integriertes Innovationsmanagement für erforderlich, dessen Ziel ist „die Gewährleistung aufeinander abgestimmter Innovationsprozesse, deren Wirkung sich nicht gegenseitig konterkariert, sondern möglichst in synergistischer Weise verstärkt“. Vgl. Zahn, E.; Weidler, A.; (1995), S. 361. Noch weiter gefaßt ist das Konzept eines „Integrationsmanagements für neue Produkte“, das, aufbauend auf dem Modell des „House of Integration“, eine ganzheitliche Integration über den Innovationsprozeß fordert, vgl. Horváth, P.; Fleig, G.; (Hrsg.); (1998). Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Arbeit von Studinka, C.; (1998) zum integrativen Management der Produktentwicklung. Gruner ermittelt z.B. signifikante Unterschiede in der Intensität der Kundeneinbindung zwischen den einzelnen Phasen des Innovationsprozesses, vgl. Gruner, K. E.; (1997), S. 177-183. Der aus der Kundeneinbindung resultierende Beitrag zum Innovationserfolg variiert zwischen den einzelnen Phasen genauso wie die Art und die Intensität der Einbindung. Kunden können auf unterschiedlichste Art und Weise Beiträge zum Innovationserfolg liefern, indem sie als Nachfrager konkrete Bedürfnisse erkennen lassen, als aktive Mitgestalter am Produktentwicklungsprozeß mitwirken (launching customer), sogar selbst als Innovatoren fungieren, die fertige oder quasi-fertige Problemlösungen einbringen (lead user), als Quelle von Anwendungswissen den Innovationsprozeß promovieren (Referenzkunden) oder bei der Überwindung von Inno-

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

45

sind Innovationsprozesse nicht geographisch begrenzt (etwa auf eine Volkswirtschaft), sondern verlaufen zunehmend international.124 Zusätzlich weist jede Branche eine eigene Struktur von Innovationsprozessen auf.125 Einen Überblick für das allgemeine (branchenübergreifende) Verständnis des Innovationsprozesses i.w.S. gibt die entsprechende Darstellung in Abb. 2-3.126 Eine detailliertere Darstellung, was unter diesen noch relativ abstrakten und weitgefaßten Phasen konkret zu verstehen ist, wird am Beispiel der im Mittelpunkt der Betrachtungen der vorliegenden Arbeit stehenden Branche – der Pharmazeutischen Industrie – in Kap. 4.1.4 erfolgen.127

124

125

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vationswiderständen innerhalb des innovierenden Unternehmens den Innovationsprozeß befördern, vgl. Brockhoff, K.; (1998 a), S. 8-15. Zur Bedeutung einer wechselseitigen Kommunikation (Know-how-Vermittlung) zwischen dem innovierenden Unternehmen und Pilotkunden in den verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses als Marktvorbereitungsaktivität und wertvoller Anwendungsrückkopplung, vgl. Lender, F.; (1991), S. 232-242. Allerdings können aus der Einbeziehung von Kunden in den Innovationsprozeß neben den Vorteilen auch Probleme und Störungen resultieren, vgl. hierzu Brockhoff, K.; (1997 b), S. 361-368. Zur Identifizierung von „Lead Usern“ vgl. z.B. Urban, G.L.; Von Hippel, E.; (1988), S. 569-582. Analoges gilt auch für die Einbindung von Zulieferern in den Innovationsprozeß, so belegen empirische Studien, daß der Innovationserfolg maßgeblich durch die Intensität und das Ausmaß des Einbezugs von Zulieferern in die verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses bestimmt wird, vgl. Bidault, F.; Despres, C.; Butler, C.; (1998), S. 49-69. Vgl. hierzu auch von Hippel, E.; (1988), S. 35-42. Eine eingehendere Betrachtung der „globalen geographischen Diversifikation des Innovationsprozesses“ findet sich bei Weitzel, G. U.; (1996), S. 27-56. Zu Typen internationaler Innovationsprozesse vgl. Gassmann, O.; Zedwitz, M. von; (1996), S. 10. Vgl. Albach, H.; (1994 a). Nach Analyse der spezifischen Unterschiede von Innovationsprozessen (insbesondere der einzelnen Phasen) in der Automobilindustrie, der Pharma-Industrie (Entwicklung ethischer Arzneimittel und der „Pille“), der Pflanzenschutzmittelindustrie und der Computerindustrie gelangen sie zu einem „generalisierten“ Innovationsprozeß, dessen Phasen bereits zu Beginn beschrieben wurden, vgl. Tabelle 2-1 (S. 38ff). Branchenunterschiede in Entwicklungsprozessen (insbesondere der einzelnen Phasen und der jeweiligen Entwicklungsdauer) werden auch von Brockhoff/Urban beschrieben, vgl. Brockhoff, K.; Urban, C.; (1988), S. 7-9. Hinsichtlich weiterer branchenspezifischer Innovationsprozesse vgl. De Pay, D.; (1994), S. 61-64 (Automobilindustrie) und Dalle Carbonare, B.; Völker, R.; (1996), S. 63-65 (PharmaIndustrie). Auf die spezifischen Besonderheiten von Innovationsprozessen in der Pharmazeutischen Industrie wird in Kap. 4.1.4 (S. 308ff) zurückgekommen werden. Vgl. S. 46. Vgl. hierzu S. 308ff.

46

Konzeptionelle Grundlagen:

Aktivität

Ergebnis

Abb. 2-3:

2.1.4 2.1.4.1

Forschung und Entwicklung

Invention

Markteinführung

Innovation i.e.S.

Marktdurchsetzung

Nachahmung

Diffusion

Imitation

Der Innovationsprozeß im weiteren Sinne. Quelle: Eigene Darstellung nach Brockhoff (1999)128

Innovations-, F&E-, Technologie- und Wissensmanagement F&E und F&E-Management

Ähnlich wie bei den übrigen zuvor diskutierten Definitionsansätzen liegt in Wissenschaft und Praxis kein einheitliches Begriffsverständnis vor, was unter Forschung und Entwicklung (F&E) zu verstehen ist.129 Unter F&E soll im Folgenden „eine Kombination von Produktionsfaktoren, die die Gewinnung neuen Wissens ermöglichen soll“ verstanden werden. Neuheit wird hierbei als die „subjektive Neuheit des Entscheidungsträgers“ definiert, Wissen auf natur- und ingenieurwissenschaftliches Wissen beschränkt.130 F&E hat auch eine prozessuale Dimension. Der F&E-Prozeß ist ein Teil des Innovationsprozesses und läßt sich dementsprechend in Phasen unterteilen. Allerdings sind mit der Gliederung des F&E-Prozesses in einzelne Phasen erheb-

128 129

130

Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 38. Eine Gegenüberstellung verschiedener F&E-Definition und kritische Kommentierung findet sich bei Brockhoff, vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 48-59. Für Unterschiede in der Definition (insbesondere von Forschung) und daraus resultierende Probleme bei der Messung vgl. auch Brockhoff, K.; (1997a), S. 13-19. Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 48-50. Hinsichtlich weiterer (z.T. davon abweichender) Definitionsansätze vgl.: Mensch, G. O.; (1993), Sp. 1199; Staudt, E.; (1993), Sp. 1185-1186; Specht, G.; (1990), S. 145; Bruck, J.; (1996), S. 61; Roussel, P. A.; Saad, K. N.; Erickson, T. J.; (1991), S. 13-15; Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 15-16; Buckley, J. V.; (1998), S. 19-29; und die dort zitierte Literatur.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

47

131

liche Abgrenzungsprobleme verbunden. Die bei der idealtypischen Einteilung in Phasen zu beachtenden Einschränkungen wurden bereits im Zusammenhang mit dem Innovationsprozeß angemerkt und werden erneut bei der Diskussion zur Abgrenzungsproblematik von F&E-, Innovations,- Wissens- und Technologiemanagement aufgegriffen, so daß an dieser Stelle auf ein weiteres Eingehen auf diesen Teilaspekt verzichtet werden kann. Am häufigsten in der wissenschaftlichen Literatur ist eine Einteilung von F&E in „Grundlagenforschung“, „angewandte Forschung“ und „Entwicklung“ anzutreffen.132 Abweichend davon schlagen Specht/Beckmann eine Gliederung in „Grundlagenforschung“, „Technologieentwicklung“, „Vorentwicklung“ und „Produkt- und Prozeßentwicklung“ vor.133 Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, F&E nach Vertragsformen (also institutionell im Vergleich zur vorherigen prozessualen Unterteilung) zu gliedern,134 um der Tatsache gerecht zu werden, daß F&E sowohl unternehmensintern als auch -extern durchgeführt werden kann. 131

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Brockhoff verweist in Zusammenhang mit den erheblichen bei der Abgrenzung in Phasen auftretenden Unterschieden auf prinzipielle Probleme, die einer einheitlichen und eindeutigen Abgrenzung und Begriffsbestimmung entgegenstehen. So existiert beispielsweise eine einheitliche Abgrenzung über Branchengrenzen hinweg derzeit nicht, vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 50-59, insbes. S. 56. Vgl. beispielsweise Brockhoff, K.; (1999), S. 50-59. Buckley schlägt eine Unterteilung in zwei Phasen vor, indem er auf die grundlegenden Unterschiede von Forschung einerseits und Entwicklung andererseits hinweist, vgl. Buckley, J. V.; (1998), S. 1929. Grundlagenforschung ist dabei „auf die Gewinnung neuer wissenschaftlicher oder technischer Erkenntnisse und Erfahrungen gerichtet, ohne überwiegend an der unmittelbaren praktischen Anwendbarkeit orientiert zu sein“. Unter Technologieentwicklung werden alle Aktivitäten „zur Gewinnung und Weiterentwicklung von Wissen und Fähigkeiten“ verstanden, „die zur Lösung praktischer Probleme in der Technik dienen sollen“. Die Vorentwicklung dient „der anwendungsorientierten Ausentwicklung (Hervorhebung im Original) von Technologien, der Prüfung der technischen Umsetzbarkeit neuer Technologien in Produkte und Produktionsprozesse, der Definition von Produktkonzepten sowie der Erbringung von Funktionsnachweisen durch den Bau von Prototypen“. Die Produkt- und Prozeßentwicklung schließlich „hat die Aufgabe, unmittelbar ein konkretes Produkt und/oder einen konkreten Prozeß auf Basis von Wissen und Fähigkeiten aus der Grundlagenforschung, der Technologie- und Vorentwicklung einerseits und aus dem Bereich der Anwendungsfelder und Märkte andererseits hervorzubringen.“ Vgl. Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 16-17. Specht untergliedert die Produkt- und Prozeßentwicklung weiter in zehn einzelne Phasen, vgl. Specht, G.; (1996), S. 60-61. Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 59-69.

48

Konzeptionelle Grundlagen:

F&E-Management ist der Aufgabenbereich im Rahmen der Unternehmensführung, der sich „auf die Leitung der wissensproduzierenden Arbeitsprozesse bezieht: F&E-Planung, F&E-Organisation, F&E-Kontrolle“135 und F&E-Führung.136 Dabei können vier verschiedene Entscheidungsebenen identifiziert und in Grundsatzentscheidungen strategische, operative und taktische Entscheidungen differenziert werden.137 Damit lassen sich auch die Aufgaben des F&E-Managements in die Gewährleistung von F&E-Produktivität („taktischer und operativer Effizienz“) und „strategischer Effektivität“ unterteilen.138 Nachdem in der Vergangenheit die Steigerung der F&E-Effizienz (etwa durch „Lean R&D“-Konzepte139 oder durch Benchmarking in F&E140) im Vordergrund stand, wandelt sich heute „die Problematik des F&E-Managements von einer F&E-Effizienz zu einer F&E-Effektivität, von einer Bereitstellung und Verwaltung kompetenter Ressourcen und der effizienten Abwicklung eines Projektpensums im Rahmen begrenzter Mittel hin zur Optimierung des Ressourcen- und Mitteleinsatzes nach Gesichtspunkten der strategischen Hebelwirkung“.141 Insgesamt wird mit Blick auf das F&E-Management von einem Generationswechsel hin zu einem „strategic and purposeful Third Generation R&D“ gesprochen,142 das inzwischen zu einer fünften Generation, dem „Systems integration and networking model“ weiterentwickelt wurde.143

135

136 137 138 139 140

141 142

143

Vgl. Mensch, G. O.; (1993), Sp. 1199. Bezüglich der strategischen F&E-Kontrolle auch Werner, H.; (1997). Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 71-72. Vgl. ebenda, S. 71-72. Vgl. Mensch, G. O.; (1993), Sp. 1199. Vgl. u.a. Bürgel, H. D.; (1995). Vgl. Tintelnot, C.; (1996), insbes. S. 70-86; Tintelnot, C.; (1997); Ernst, H.; Teichert, T.; (1997) und Stainer, A.; Nixon, B.; (1997), S. 493-494. Vgl. Sommerlatte, T.; (1995), S. 324-326. Roussel/Saad/Erickson sprechen von einer „strategic and purposeful Third Generation R&D“, die die intuitive („the intuitive mode“) erste und die systematische („the systematic mode“) zweite Generation von F&E abgelöst haben bzw. dies tun werden, vgl. Roussel, P. A.; Saad, K. N.; Erickson, T. J.; (1991), S. 23-40. Bei diesem „generalisierten Modell des F&E-Managements“ werden unter besonderer Berücksichtigung des Managements von Innovationsprozessen fünf Generationen unterschieden: Die modernste 5. Generation zeichnet sich durch ihre Systemintegration und ihren Netzwerkansatz aus, vgl. hierzu von Wichert-Nick, D.; (1995), S. 173-175 und dort zitierte Literatur.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

2.1.4.2

49

Innovationsmanagement

Das Innovationsmanagement kann sowohl aus funktionaler als auch aus institutioneller Perspektive betrachtet werden. In funktionaler Hinsicht sind weiter eine systemtheoretische und eine prozessuale Sichtweise zu unterscheiden.144 In funktional-prozessualer Hinsicht umfaßt das Innovationsmanagement „alle Aufgaben, welche die Leitung und Steuerung des betrieblichen Erneuerungsprozesses in allen Phasen mit sich bringt. Dabei sind die Bedürfnisse der Abnehmer bzw. Kunden (Adaptoren), die technischen Möglichkeiten sowie die für die Innovationen verfügbaren Mittel zu berücksichtigen.“145 Aus funktional-systemtheoretischer Betrachtung „zielt es auf die bewußte, den Innovationserfolg fördernde Gestaltung eines Innovationen hervorbringenden Systems, seien dies eine Volkswirtschaft oder ein Unternehmen“146 ab. Institutionell betrachtet stellt Innovationsmanagement „auch ein institutionalisiertes, organisatorisch (z.B. in Form einer Stelle oder Abteilung) eingegliedertes System dar, das beauftragt ist, alle dispositiven (d.h. z.B. alle planenden, steuernden, koordinierenden und überwachenden) sowie alle personal-, informations-, finanz-, sach- und zeitbezogenen Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um eine optimale, mit den betrieblichen Ziel- und Effizienzkriterien abgestimmte Innovationsstrategie zu verfolgen“.147 Der Vorteil einer Institutionalisierung des Innovationsmanagements ist aber keineswegs unumstritten.148 Der zentrale Anspruch an das Innovationsmanagement sollte die „permanente Innovation“ sein, worunter zu verstehen ist, daß „die Produkte in der Reifephase (stets) von Nachfolgeprodukten in der Wachstumsphase abgelöst werden können“.149 Das „integrierte“ Innovationsmanagement geht hinsichtlich seines Aufgabenprofils noch über diesen Anspruch hinaus, indem es sich nicht nur auf „die Gestaltung technischer Produkt- und Verfahrensneuerungen“ beschränkt, son144 145

146 147 148 149

Vgl. Brockhoff, K.; (1995 a), Sp. 986-987. Vgl. Töpfer, A.; (1984), S. 394. Auf die prozessuale Betrachtung des Innovationsmanagements war implizit bereits bei den Erörterungen zum Innovationsprozeß eingegangen worden, vgl. Kap. 2.1.3, S. 37ff. So kann „aus Prozeßsicht das betriebliche Innovationsmanagement als ein Innovationszyklus betrachtet werden“, vgl. Ebner, M.; Walti, A.; (1996), S. 19-22. Vgl. Brockhoff, K.; (1995 a), Sp. 987. Thom, N.; (1994), S. 326. Vgl. Brockhoff, K.; (1995 a), Sp. 986. Vgl. Kinast, K.; (1995), S. 69-70.

50

Konzeptionelle Grundlagen:

dern vielmehr auch alle auf „die Schaffung eines Mehrwertes für den Kunden gerichteten Neuerungen“ berücksichtigt, wozu insbesondere organisationale und geschäftsbezogene Innovationen gezählt werden. „Integriertes Innovationsmanagement wird damit zum grundsätzlichen, von organisationalen Lernprozessen getragenen Verhaltenskonzept des gesamten Unternehmens“.150 2.1.4.3

Technologiemanagement

Technologiemanagement ist verantwortlich für die technologische Kompetenz eines Unternehmens. Hierzu zählen insbesondere die Erhaltung, Weiterentwicklung und Erweiterung der im Unternehmen vorhandenen Technologien, aber auch die systematische Vernetzung einzelner Technologiebausteine zum Aufbau einer schlagkräftigen Technologiebasis mit dem Ziel der rechtzeitigen Verfügbarkeit dieses Technologiepotentials zu einer möglichst optimalen Verwertung.151 Kernbereiche des Technologiemanagements sind also die Beschaffung, Speicherung und Verwertung von Technologien.152 Hinzukommt die Technologiebeobachtung bzw. „Technologiefrühaufklärung“.153 Hervorzuheben ist hierbei, daß sich die Aufgaben des Technologiemanagements also nicht nur auf die Entwicklung neuer Technologien beschränken, sondern auch die Integration bereits vorhandener Technologien zum Gegenstand haben.154 Sowohl Beschaffung als 150 151

152 153

154

Vgl. Zahn, E.; Weidler, A.; (1995), S. 352-354 und Weidler, A.; (1997), S. 19-29. Diese Definition wurde für die vorliegende Arbeit entwickelt, hinsichtlich ähnlicher, zumeist nur Teilaspekte des hier gewählten Ansatzes enthaltender Begriffsbestimmungen vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 70-72 und 153-154; Specht, G.; (1993), Sp. 4157-4158; Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 57; Wolfrum, B.; (1995), Sp. 2449-2450; Cannell, W.; (1996), S. 1; Dankbaar, B.; (1996 a), S. 21-23; Zahn, E.; (1991), S. 281; Zahn, E.; (1995a), S. 14-17; Zahn, E.; (1996), S. 30-33; sowie die dort zitierte Literatur. Der Abgrenzungsaspekt der Definition wurde der besseren Übersichtlichkeit halber in Kap. 2.1.4.5 (S. 58ff) gemeinsam mit der von F&E-, Innovations- und Wissensmanagement vorgenommen. Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 153. Vgl. z.B. Servatius, H.-G.; (1988), S. 38-48 und Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 76-87, insbesondere S. 76-82. Eine detailliertere begriffliche Abgrenzung und Präzisierung von Technologiebeobachtung, Technologiebeschaffung, Technologiesicherung und Technologieverwertung im Rahmen des strategischen Technologiemanagements wird in Kap. 3.3.1 (S. 120ff) erfolgen. Vgl. Zahn, E.; (1995a), S. 16 und Zahn, E.; (1996), S. 31.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

51

auch Verwertung von Technologien können außerhalb des Unternehmens erfolgen. Ausdrückliche Aufgabe des Technologiemanagements sollte es sogar sein, die unter Berücksichtigung langfristiger Unternehmensinteressen optimalen Technologiequellen und Technologieverwertungsmöglichkeiten zu identifizieren. Auch die Technologie- bzw. Wissensspeicherung zählt zu den zentralen Aufgaben des Technologiemanagements, um einen unkontrollierten und ungewollten Abfluß des Wissens aus dem Unternehmen zu verhindern.155 Eine weitere unerwünschte Art der Wertminderung des Technologiebesitzes des Unternehmens stellt die Veralterung dar.156 Technologiemanagement hat neben der Aufgabe der strategischen Planung, die im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit ausschließlich betrachtet wird, auch die Aufgabe der Führung eines „risikoreichen, kreativen Prozesses“. Die in diesem Prozeß erfolgende „technologische Transformation“ zielt auf das zügige „Ent- und Erlernen neuer Problemstrukturen und -lösungen“ ab. Dies ist ohne einen organisationalen Wandel, bei dem den Mitarbeitern eine Schlüsselrolle zukommt, nicht zu bewerkstelligen 157. Eine allgemein als optimal anzusehende Organisationsform oder -kultur für die Institutionalisierung des Technologiemanagements existiert allerdings nicht, so daß immer der konkreten Unternehmenssituation sowie den übergeordneten Leitlinien und Visionen des Unternehmens und seiner Mitarbeiter Rechnung getragen werden muß.158 Neben diesen Planungs-, Führungs- und Organisationsaufgaben fällt auch die Kontrolle in die Verantwortlichkeit des Technologiemanagements.159 In der unternehmerischen Praxis weisen die Aufgabenschwerpunkte und die Gestaltung von Planung, Führung, Organisation und Kontrolle beträchtliche branchenspezifische160 und regional-kulturelle161 Unterschiede auf.

155 156 157 158 159 160

Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 70. Vgl. Zahn, E.; (1996), S. 31-33. Vgl. Bleicher, K.; (1995), S. 592-595. Vgl. Specht, G.; (1995), S. 491-519. Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 153. Zu den unterschiedlichen Ausprägungen in einigen Hochtechnologiebranchen vgl. beispielsweise: Weule, H.; (1995) (integrierter Hochtechnologiekonzern); Volkmann, H.; (1995) (Informationsindustrie); Engel, J.; Perrissoud, D.; Günther, E.; (1995) (Pharma-Industrie); Quadbeck-Seeger, H.-J.; Bertleff, W.; (1995) (chemische Industrie); Klingel, H.; (1995) (Maschinenbauindustrie); Ambos, H.; (1995) (Luft- und Raumfahrtindustrie) und Niemeier, J.; (1995) (Dienstleistungssektor).

52

Konzeptionelle Grundlagen:

2.1.4.4

Wissen und Wissensmanagement

Die Thematik des Wissensmanagements hat in jüngerer Zeit in der wissenschaftlichen Literatur sowie in Praxis und Unternehmensberatung zunehmende Beachtung gefunden,162 ohne daß es dabei jedoch zu einer eindeutigen und einheitlichen Begriffsbestimmung und -abgrenzung gekommen ist.163 Die Ursache für die definitorischen Unterschiede des Wissensmanagements liegt in einem unterschiedlichen Verständnis des Wissensbegriffes. Diese unterschiedliche Wissensdefinition wurzelt ihrerseits in verschiedenen wissenschaftstheoretischen Denktraditionen, deren Aufarbeitung jedoch den Rahmen der vorliegenden Arbeit bei weitem sprengen würde und daher hier nicht Aufgabe sein kann.164 Eine definitorische Aufarbeitung der Termini Wissen und Wissensmanagement soll daher im Folgenden nur insoweit erfolgen, als dies zur Abgren-

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Zu regionalbedingten kulturellen Unterschieden im Technologiemanagement vgl. Meyer-Krahmer, F.; Reger, G.; (1995) (Europa); Jonash, R. S.; (1995) (USA) und Kondo, K.; (1995) (Japan). Vgl. beispielsweise Boden, M.; Gibbons, M.; Metcalfe, J. S.; (1990), S. 383-394; Warnecke, H.-J; Becker, B.-D.; (Hrsg.); (1994), S. 43-57; Edge, G.; Klein, J. A.; Hiscocks, P. G.; Plasonig, G.; (1995), S. 187-217; Zahn, E.; Greschner, J.; (1995), S. 599621; Zahn, E.; Richter, F.-J.; (1995), S. 307-321; Boutellier, R.; Gassmann, O.; (1996), S. 290-295; Deiser,, R.; (1996), S. 49-76; Hasler, R.; Hess, F.; (1996), S. 161; Schneider, U.; (Hrsg.); (1996), S. 7-11; Schneider, U.; (1996), S. 13-48; Vossen, G. A.; (1996), S. 237-246; Ehrat, M.; (1997), S. 19-24; Felbert, D. von; (1997), S. 108118; Gattermeyer, W.; (1997), S. 49-55; Grabowski, H.; Geiger, K.; (Hrsg.); (1997), S. 65-73; Hill, H.; (1997), S. 9-27; Nonaka, I.; Takeuchi, H.; (1997); Nusch, F.; (1997), S. 42-48; Reger, G.; (1997), S. 119-130; Servatius, H.-G.; (1997), S. 292-293; Bullinger, H.-J.; Wörner, K.; Prieto, J.; (1998), S. 21-39; Bürgel, H. D.; Zeller, A.; (1998), S. 53-65; Gerybadze, A.; (1998 b), S. 68-71; Horváth, P.; (1998), S. 153-162; Krebs, M.; (1998); Zahn, E.; (1998), S. 41-52. Bezüglich des Managements technologischen Wissens vgl. Boden, M.; Gibbons, M.; Metcalfe, J. S.; (1990), S. 383-394; Zahn, E.; (1995a), S. 4-6; Zahn, E.; (1996), S. 2123; Amabile, T. M.; Conti, R.; (1997), S. 111-125; Brown, J. S.; (1997), S. 95-110; Garud, R.; Nayyar, P. R.; Shapira, Z.; (1997), S. 20-40; Langlois, R. N.; (1997), S. 7194; Levinthal, D.; (1997), S. 167-180. Vgl. die unterschiedlichen Ansätze und theoretischen Grundlagen der in vorstehender Fußnote zitierten Literatur. Bezüglich einer tiefergehenden Diskussion dieses Themenkomplexes sei auf die Arbeiten von Polanyi, M.; (1958) und Polanyi, M.; (1997), S. 211-303; Schneider, U.; (1996), S. 17-23; Krebs, M.; (1998), S. 33-46; und Nonaka, I.; Takeuchi, H.; (1997), S. 32-67; sowie die dort zitierte Literatur verwiesen.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

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zung gegenüber den Begriffen Technologie und Technologiemanagement erforderlich oder für in dieser Arbeit behandelte Gedanken von Bedeutung ist. Eine exakte Definition von Wissen gestaltet sich aufgrund dessen komplexer Natur äußerst schwierig, eine noch dazu allgemeingültige Definition ist aufgrund unterschiedlicher wissenschaftstheoretischer Grundvorstellungen, wie vorstehend bereits erläutert, sogar unmöglich. In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird daher beispielsweise auf die umgangssprachliche Definition von Wissen als „begründete und begründbare Erkenntnisse, die aus Informationen gewonnen wurden“, zurückgegriffen165 oder in vielen Fällen auf eine Definition ganz verzichtet. Im letzteren Fall wird anstelle einer Definition, was unter Wissen zu verstehen ist, der Wissensbegriff durch eine Beschreibung von Attributen charakterisiert, die zur Unterscheidung verschiedener Arten von Wissen bzw. verschiedener Dimensionen des Wissens dienen. An dieser Stelle kann nur auf die für die vorliegende Arbeit wesentlichen eingegangen werden.166 Am bedeutendsten ist die Unterscheidung von explizitem und implizitem Wissen. Unter explizitem Wissen (explicit knowledge) ist der Teil des Wissens zu verstehen, der sich in Zahlen und Worten ausdrücken läßt, der zumeist dokumentierbar ist und sich mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung bearbeiten, speichern und transferieren läßt.167 Auf explizites Wissen bezieht sich der Teil der Arbeiten des Wissensmanagements, der sich mit der Verbesserung der informationstechnischen Infrastruktur des Unternehmens befaßt.168 Unter implizitem oder verborgenem Wissen (tacit knowledge) sind die Teile des Wissens zu verstehen, die auf den persönlichen Erfahrungen und der durch Kultur, Ideale, Werte und Emotionen beeinflußten Wirklichkeitsauffassung und Zukunftsvision des einzelnen beruhen. Hierzu zählen die informalen und unsystematischen Aspekte des Wissens, wie beispielsweise subjektive Einsichten

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Vgl. Bürgel, H. D.; Zeller, A.; (1998), S. 53, die auf den Neuen Brockhaus (1985) zurückgreifen. Eine ausführliche Beschreibung der verschiedenen Dimensionen von Wissen und Wissenstypologien findet sich bei Machlup, F.; (1962), S. 13-43; Winter, S. G.; (1987), S. 170-173; Zahn, E.; (1998), S. 43-44. Vgl. Nonaka, J.; Byosiere, P.; Borucki, C. C.; Konno, N.; (1994), S. 337-351; und Nonaka, I.; Takeuchi, H.; (1997), insbes. S. 18-21. Rüegg-Stürm/Gomez sprechen von Expertenwissen, vgl. Rüegg-Stürm, J.; Gomez, P.; (1994), S. 369-394. Vgl. beispielsweise Grabowski, H.; Geiger, K.; (Hrsg.); (1997), S. 65-73.

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Konzeptionelle Grundlagen: 169

und Intuitionen, aber auch Know-how . Dieser subjektive Charakter des impliziten Wissens verhindert seine leichte Artikulierbarkeit und Transferierbarkeit.170 Die Art des Wissens hat auch Auswirkungen auf dessen geographische Transferierbarkeit („International Mobility“).171 Dies bleibt nicht ohne Auswirkung auf das Wissensmanagement in internationalen Unternehmen, bei denen diesbezüglich unterschiedliche Grundverhaltensmuster und daraus resultierend unterschiedliche strategische Aufgaben ihrer einzelnen Niederlassungen identifiziert werden können.172 Angemerkt werden sollte hierzu allerdings, daß aber gerade die Transferierbarkeit von lokal festverhaftetem Wissen („Sticky Information“) – und die Kosten eines solchen Transfers – nicht nur durch die Attribute des Wissens selbst bestimmt werden, sondern maßgeblich auch vom Handeln und der spezifischen Ausgangssituation von „Wissens-Suchendem“ („Information Seekers“) und „Wissens-Versorger“ („Information Provider“) abhängen.173 Eine weitere wichtige Differenzierung von Wissen ist die in individuelles und kollektives Wissen. Für die Unternehmung ist das kollektive Wissen, also der organisationale Wissensbestand, ausschlaggebend, der über die Summe der Teile, also das individuelle personengebundene Wissen einzelner Genies hinausgehen muß. Kollektives Wissen besteht hierbei sowohl aus explizitem wie impli169

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Nonaka/Takeuchi führen als Beispiel für derartiges Know-how das eines Handwerksmeisters an, der genau weiß, wie ein bestimmtes Werkstück aufgebaut und konstruiert werden muß, ohne aber einem Dritten ohne weiteres nachvollziehbar begründen zu können, warum es auf eine bestimmte Art und Weise geht oder nicht geht. Vgl. Nonaka, I.; Takeuchi, H.; (1997), S. 19. Vgl. Nonaka, J.; Byosiere, P.; Borocki, C.; Konno, N.; (1994), S. 337-351; und Nonaka, I.; Takeuchi, H.; (1997), insbes. S. 18-21, in Anlehnung an Polanyi, M.; (1958). Rüegg-Stürm/Gomez sprechen von Interaktionswissen, vgl. Rüegg-Stürm, J.; Gomez, P.; (1994), S. 369-394. Porter, M. E.; Sölvell, Ö.; (1998), S. 440-457, insbes. S. 446-449. Ebenda, S. 449-452, sowie Gupta, A. K.; Govindarajan, V.; (1994), S. 445-446, die hinsichtlich ihrer Verhaltensmuster, was die Organisation des Wissensflusses und die strategische Bedeutung, die dabei ihren lokalen Niederlassungen zukommt, multinationale Unternehmen (MNC) in vier Grundtypen unterteilen: „Globale Innovatoren“, „Lokale Innovatoren“, „Integrierte Akteure“ und „Implementierer“. Auf die Bedeutung des Wissensmanagements bei der technologiestrategischen Entscheidung über die geographische Ausdehnung der Technologiebeschaffungs- und -verwertungsaktivitäten wird in Kap. 3.3.2.6 (S. 198ff) noch genauer eingegangen werden. Vgl. hierzu von Hippel, E.; (1994), S. 429-439 und von Hippel, E.; (1998), S. 60-77.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

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zitem Wissen, das über ein Geflecht von Beziehungen im Unternehmen vernetzt ist. Zur Entstehung organisationalen Wissens bedarf es eines besonderen Kreativitätsmanagements.175 Nonaka/Takeuchi zufolge muß zur Entstehung organisationalen Wissens eine aus vier Phasen bestehende „Wissensspirale“ kontinuierlich durchlaufen werden: –

In der Kombinationsphase werden verschiedene Bereiche von explizitem Wissen miteinander verbunden, wobei wiederum explizites Wissen entsteht, was der klassischen Variante des wissenschaftlichen Arbeitens oder Lernens entspricht.



In der Internalisierungsphase wird explizites in implizites Wissen überführt, die Erfahrungen der drei übrigen Phasen werden hierbei in Form von technischem Know-how und gemeinsamen mentalen Modellen in implizites „Wissenskapital“ transferiert.



Die Externalisierungsphase stellt umgekehrt die Überführung von implizitem in explizites Wissen dar. Ausgelöst von „kollektiver Reflexion“ oder „konstruktivem Dialog“ erfolgt hier z.B. mit Hilfe von Metaphern oder Analogien die Mitteilung der schwer artikulierbaren impliziten Kenntnisse.



In der Sozalisationsphase wird implizites in implizites Wissen überführt. Es handelt sich hierbei um die Weitergabe impliziten Wissens innerhalb der Organisation.176

Ähnlich wie in der von Nonaka/Takeuchi geschilderten japanischen Sichtweise des Wissensmanagements ist auch in der westlichen Literatur mit dem Wissens174

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In vielen Fällen wird die Perspektive des Wissensmanagements in Unternehmen nur auf die des expliziten Wissens reduziert. Vgl. hierzu beispielsweise die Kritik von Calori, der kritisch anmerkt, daß die meisten etablierten Modelle des strategischen Managements aufgrund dieser verengten Sichtweise ihrerseits daher auch nur eine Sammlung expliziten Wissens darstellen und dadurch zu einer Orthodoxie im Denken geführt haben, vgl. Calori, R.; (1998), S. 281-306. Vgl. Zahn, E.; Greschner, J.; (1995), S. 599-621; Zahn, E.; (1995b), S. 5-7; Servatius, H.-G.; (1997), S. 305-307. Detailliertere Ausführungen zum Kreativitätsmanagement finden sich bei Albach, H.; (1990), S. 777-785; Schlicksupp, H.; (1988), S. 691-715; Schlicksupp, H.; (1992); und bei Jehle, E.; (1986), S. 71-97, der auch die Kreativitätsforschung einer näheren Betrachtung aus betriebswirtschaftlicher Perspektive unterzieht, vgl. ebenda, S. 74-79. Vgl. Nonaka, I.; Takeuchi, H.; (1997), S. 81-87 und Nonaka, I.; Takeuchi, H.; (1998), S. 220-225.

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Konzeptionelle Grundlagen:

management in vielen Fällen das Management des organisationellen Lernens eng verknüpft.177 Wissen wird hierbei in einer ressourcenbasierten Betrachtungsweise als wesentliche Quelle von Wettbewerbsvorteilen und als eine Kernkompetenz angesehen.178 Empirische Studien bestätigen in der Tat die zunehmende Bedeutung des Produktionsfaktors Wissen für die Wertschöpfung von Unternehmen: Zwei Drittel der von von Felbert befragten Unternehmen messen dem Produktionsfaktor Wissen eine Bedeutung von 60-80 % zu.179 Dieser Sachverhalt steht im Einklang mit Beobachtungen Druckers, der ermittelte, daß der Faktor Arbeit an den Produktionskosten in der Halbleiterindustrie nur noch 12 % ausmacht, der des Produktionsfaktors Wissen hingegen 70 %. Für die Pharmazeutische Industrie ergeben sich Anteile von 15 % für Arbeit und 50 % für Wissen.180 Diese enorme Bedeutung des Faktors Wissen ist dabei in allen (nicht nur in besonders forschungsintensiven) Branchen festzustellen.181 Dennoch muß Wissen nicht in jedem Fall eine Kompetenz darstellen. Gerybadze unterscheidet deshalb „Wissen als Information“ und „Wissen als Kompetenz“. Wissensmanagement sollte daher zweckmäßig in Wissensmanagement und ein aus dem Management von „Wissenskompetenz“, „Anwendungskompetenz“ und Durchsetzungskompetenz“ be-

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Vgl. Rasche, C.; (1994), S. 173-211, insbes. S. 173-176; Zahn, E.; Richter, F.-J.; (1995), S. 307-321, Schüppel, J.; (1996); Ehrat, M.; (1997), S. 19-24; sowie Schreyögg, G.; (1998), S. 185-202. Vgl. auch Wildemann, H.; (Hrsg.); (1996 b), insbes. S. 203-218. Zum organisationellen Lernen von Pharma-Unternehmen, insbesondere unterschiedlichen Unternehmenstypen („Wagenburg- versus Amöben-Unternehmen“) und Facetten von Lernoberflächen vgl. Simon, H.; Pascoletti, T.; (1995), S. 843-858. Vgl. Rasche, C.; (1994), S. 112-131, Hasler, R.; Hess, F.; (1996), S. 161, Ehrat, M.; (1997), S. 13-24, Gerybadze, A.; (1998 b), S. 68-71, Zahn, E.; (1998), S. 44-47. Ähnlich auch Edge, G.; Klein, J. A.; Hiscocks, P. G.; Plasonig, G.; (1995), S. 187-217, die allerdings anstelle von Kernkompetenzen von Metaskills sprechen. Hinsichtlich der diesbezüglichen Begriffsvielfalt und definitorischen Unterschiede vgl. Rasche, C.; (1994), S. 148-172. Aus der Perspektive des „Knowledge-based View“ stellt Wissen eine wichtige Quelle ökonomischer Renten dar, wobei unterschiedliche Kombination verschiedener Wissensarten auch verschiedene ökonomische Renten bedingt, vgl. Spender, J.-C.; (1996), S. 5; Spender, J.-C.; Grant, R. M.; (1996), S. 52 und Spender, J.-C.; (1998), S. 422426. Vgl. Felbert, D. von; (1997), S. 110. Vgl. Drucker, P. F.; (1986), S. 778. Hinsichtlich analoger Beobachtungen vgl. Sarges, W.; (1994), S. 386-390. Vgl. Felbert, D. von; (1997), S. 110.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

57 182

stehendes „Kompetenzmanagement“ unterteilt werden. Die Kernkompetenz Wissen ist ihrerseits wiederum das Resultat organisationaler Lernprozesse.183 Wie sich also aus dem vorstehend Gesagten ergibt, besteht die Aufgabe des unternehmerischen Wissensmanagements darin, die wissensrelevanten Prozesse im Unternehmen so zu gestalten, zu lenken und zu entwickeln, daß die Wissenskompetenz des Unternehmens nachhaltig zunimmt. Hierzu ist internes und externes Wissen zu berücksichtigen und öffentliches Wissen in unternehmensinternes Wissen184 umzuwandeln, wobei besonderes Augenmerk auf die explizite und implizite Natur des Wissens zu legen ist.185 Wissensmanagement beschränkt sich hierbei nicht auf die eigene Unternehmung, sondern kann auch im Rahmen von Unternehmensnetzwerken stattfinden, um insbesondere durch komplementäre Wissensbasen entstehende Synergien zu realisieren.186 Ein ganzheitliches Wissensmanagement trägt die Verantwortlichkeit für die Festlegung der Wissensziele sowie die Identifikation, den Erwerb, die Entwicklung, die Verteilung, die Nutzung, die Bewahrung und die Bewertung von Wissen und umfaßt dabei die Organisationsentwicklung, das Human Resources Management und das Management von Informations- und Kommunikationstechnologie.187 Besondere Bedeutung kommt dabei der Sammlung und Strukturierung des in einem Unternehmen vorhandenen sowie des für dieses relevanten Wissens mit Hilfe vernetzter und aufeinander abgestimmter informationstechnischer Systeme zu. Diese „Business Intelligence“ ist die Voraussetzung dafür, daß vorhandenes Wissen überhaupt, insbesondere für fundierte Entscheidungsfindungen, zielgerichtet eingesetzt werden kann.188

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Vgl. Gerybadze, A.; (1998 b), S. 68-71. Eine noch differenziertere und detailliertere Analyse, wann (bzw. welches) Wissen eine Kernkompetenz darstellt, vgl. Rasche, C.; (1994), S. 115-131. Vgl. Rasche, C.; (1994), S. 173-211, insbes. S. 173-176; sowie Ehrat, M.; (1997), S. 19-24. Zur Unterscheidung von öffentlichem und privatem (technologischem) Wissen sowie zur Aneignung öffentlichen (technologischen) Wissens durch privatwirtschaftliche Unternehmungen vgl. Boden, M.; Gibbons, M.; Metcalfe, J.S.; (1990), S. 387-389 und Vincenti, W. G.; (1984), S. 540-576 sowie Vossen, G. A.; (1996), S. 243-244. Vgl. hierzu beispielsweise Boutellier, R.; Gassmann, O.; (1996), S. 290-294. Vgl. ebenda, S. 294-295. Vgl. Bullinger, H.-J.; Wörner, K.; Prieto, J.; (1998), S. 21-39. Vgl. hierzu Mertens, P.; (2001), S. 25 sowie die dort angegebene Literatur.

58

Konzeptionelle Grundlagen:

2.1.4.5

Abgrenzung von F&E-, Innovations- und Wissensmanagement gegenüber dem Technologiemanagement

Forschung und Entwicklung stellen eine oder mehrere Phasen des Innovationsprozesses dar,189 insofern wird F&E-Management allgemein als ein Teilbereich des Innovationsmanagements angesehen.190 Dies gilt allerdings nicht umgekehrt. Während sich F&E auf technische Innovationen beschränkt, schließt das Innovationsmanagement auch die übrigen Innovationsarten ein. Im Gegensatz zu anderen Innovationsprozessen bzw. Teilen von Innovationsprozessen können F&E-Prozesse leichter „institutionalisiert“, „besser organisiert“ und „systematisch“ durchgeführt werden.191 Umstritten ist hingegen, ob das F&E-Management die Schnittmenge zwischen Innovations- und Technologiemanagement bildet, also das F&E-Management auch Teilbereich des Technologiemanagements ist,192 oder ob nicht alle Aktivitäten des F&E-Managements gleichzeitig auch in den Aufgabenbereich des Technologiemanagements fallen.193 Zahn zählt „zwar die Transformation von Kennen- in Könnenwissen, aber noch nicht die Produktion von Kennenwissen“194 zu den Aufgaben des Technologiemanagements. Der Vorschlag, den Grundlagenforschungsanteil des F&E-Managements nicht mehr zum Zuständigkeitsbereich des Technologiemanagements zu rechnen, ist durchaus kritisch zu betrachten. Zum einen ist eine klare und eindeutige Abgrenzbarkeit zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung in der Praxis nicht gegeben.195 Des weiteren kann sogar unter strategischen Gesichts-

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Vgl. Kap. 2.1.3. Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 70-72; Hauschildt, J.; (1997), S. 27-29; Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 17-18; Zahn siedelt allerdings die „zweckfreie (Hervorhebung im Original) Grundlagenforschung“ noch im Vorfeld des Innovationsprozesses an, vgl. Zahn, E.; (1995a), S. 15 und Zahn, E.; (1996), S. 31. Vgl. Hauschildt, J.; (1997), S. 27-29. Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 70 und S. 153. Vgl. Zahn, E.; (1995a), S. 15 und Zahn, E.; (1996), S. 31; Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 17-18. Vgl. Zahn, E.; (1995a), S. 15 und Zahn, E.; (1996), S. 31. Auch Specht/Beckmann zählen die Grundlagenforschung nicht zum Tätigkeitsbereich des Technologiemanagements, wie aus Abbildung 1.11 hervorgeht, vgl. Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 18. Bereits die definitorische Abgrenzung bereitet erhebliche Schwierigkeiten und ist nicht eindeutig gelöst. Diese Schwierigkeiten nehmen in der Praxis noch zu. Vgl.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

59

punkten die Durchführung interner Grundlagenforschung aus der Perspektive des Technologiemanagements geboten sein, etwa um eine extern erworbene Technologie weiterzuentwickeln oder mit anderen Technologien zu vernetzen.196 Schließlich liegt bei der ersten Anwendung einer Technologie nur in Ausnahmefällen das gesamte komplementäre Grundlagenwissen vor; in vielen Fällen dürfte erst die Anwendung aufzeigen, wo weiterer Forschungsbedarf (auch und gerade auf der Grundlagenebene) besteht.197 Auch ein systematisches Technologiescouting macht es erforderlich, bereits die Phase der Grundlagenforschung miteinzubeziehen.198 Zudem dürfte das frühzeitige Erkennen, die schnelle und treffsichere Bewertung und die Fähigkeit zur zügigen Adaption neuen Wissens (im Sinne von Kennenwissen) und neuer Technologien (Könnenwissen) eine entsprechend konzipierte und fokussierte interne Grundlagenforschung unabdingbar machen.199 Aus diesen Gründen erscheint eine Ausgliederung der Kompetenz für Grundlagenforschung aus dem Technologiemanagement nicht zweckmäßig und soll in der vorliegenden Arbeit nicht erfolgen. Genauso fragwürdig ist auch der Ansatz, nachgelagerte Phasen des F&EProzesses aus der Schnittmenge von F&E- und Technologiemanagement auszu-

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Brockhoff, K.; (1999), S. 50-59. Vgl. Hierzu auch Ansoff, H. I.; Brandenburg, R. G.; (1970), S. 5-23 – 5-25, insbes. Abb. 2-2, die die komplexen Informationsflüsse im Rahmen des Innovationsprozesses beschreiben. Diese Sichtweise wird auch von Freeman, C.; (1982), S. 172-174; gestützt, der auf die strategische Bedeutung von Grundlagenforschung verweist. Ein gutes Beispiel hierfür stellt die Metallocen-Forschung in der chemischen Industrie dar. Dieses jahrelang als „zweckfreie“ Grundlagenforschung betriebene Arbeitsgebiet erlangte über Nacht immense Bedeutung in der Katalysatortechnologie, die z.B. einen ganz entscheidenden Wettbewerbsfaktor bei der Produktion vieler Polymere (insbesondere Kunststoffe) darstellt und hat dadurch eine enorme Renaissance auf der Grundlagenforschungsebene induziert. Aus der Perspektive von Großunternehmen hat sich diese verkürzte Sichtweise des Aufgabenspektrums des eigenen Technologiemanagements, insbesondere bei Kooperationen mit öffentlichen Forschungseinrichtungen (insbesondere Universitäten), als äußerst hinderlich und nachteilig herausgestellt, da ein Technologieerwerb und eine Technologiesicherung aufgrund frühzeitiger Publikation und unzureichender Patentierung im gewünschten Umfang nicht mehr möglich war. Zur Bedeutung von interner F&E (auch Grundlagenforschung) in den unterschiedlichen Phasen des externen Technologieerwerbs, vgl. Sen, F.; Rubenstein, A. H.; (1989), S. 123-138; Cohen, W. M.; Levinthal, D. A.; (1989), S. 569-596 und Cohen, W. M.; Levinthal, D. A.; (1990), S. 128-152, sowie die ausführlichere Diskussion zu dieser Problematik in Kap. 3.3.2.3 (S. 180ff) (Wissenssourcing/Technologiebeschaffung als Entscheidungsdimension des strategischen Technologiemanagements).

60

Konzeptionelle Grundlagen:

klammern. Neben der auch hier bestehenden generellen Abgrenzungsproblematik ist nur schwer nachzuvollziehen, warum die Produkt- oder Prozeßentwicklung nicht mehr in den Aufgabenbereich des Technologiemanagements fallen soll; schließlich kann sich auch im Rahmen der Produkt- oder Prozeßentwicklung jederzeit der Bedarf nach neuen oder zusätzlichen Technologien ergeben.200 In der vorliegenden Arbeit werden daher alle Phasen des F&E-Managements als Teilbereiche des Technologiemanagements betrachtet. In diesem Zusammenhang erscheint es zweckmäßig, die Abgrenzung des Aufgabenspektrums einer grundsätzlicheren Betrachtung zu unterziehen. Das Technologiemanagement hat nämlich durchaus auch den Charakter einer Querschnittsfunktion. Folgt man der Auffassung Porters, der darauf verweist, daß jede „Wertaktivität“ entlang der „Wertekette“ „irgendwelche“ Technologien verwendet, „um gekaufte Inputs und menschliche Arbeitskraft zur Herstellung eines Erzeugnisses zu kombinieren“, gelangt man nahezu zu einem Universalanspruch an das Technologiemanagement.201 Dieser extrem weitgefaßte Aktivitätsradius des Technologiemanagements erscheint jedoch für die vorliegende Arbeit wenig geeignet.

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Dieser Bedarf ist beispielsweise dann gegeben, wenn die im Prototyp beanstandungsfreie Technik und die ihr zugrundeliegende Technologie bei Anfahren des Produktionsprozesses technische und technologische Defizite aufweist. Das gleiche gilt für Beanstandungen oder Ergänzungswünsche des Kunden, deren Erfüllung zusätzlicher Technologie bedarf. Porter verwendet in diesem Zusammenhang allerdings nicht den Begriff Technologiemanagement, sondern Technologieentwicklung („technology development“ in der engl. Originalausgabe), vgl. Porter, M. E.; (1986 a), S. 59-92, insbes. S. 69, und S. 219-263, insbes. S. 219-225. Brockhoff verweist in Zusammenhang mit der Abgrenzung von F&E darauf, daß hiermit eher „Technikentwicklung“ gemeint sein müßte, vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 70. In der Tat verweist Porter darauf, daß „Technologieentwicklung“ über F&E hinausgeht. Die weiteren Ausführungen Porters legen dann auch den Schluß nahe, daß mit Technologieentwicklung Technologiemanagement i.w.S. gemeint ist; nämlich ein Technologiemanagement, dessen Aufgabenradius über die „direkt mit dem Endprodukt verbundenen Technologien“ hinausgeht und auch andere Querschnittsfunktionen (wörtlich: „unterstützende Aktivitäten“) sowie primäre Wertkettenfunktionen (wörtlich „primären Aktivitäten“) hinsichtlich aller benötigten Technologien mitbetreut. Zu den Querschnittsfunktionen zählen bei Porter dabei neben der „Technologieentwicklung“ auch noch die „Unternehmensinfrastruktur“, die „Personalwirtschaft“ und die „Beschaffung“, während „Eingangslogistik“, „Operationen“, „Ausgangslogistik“, „Marketing&Vertrieb“ und „Kundendienst“ als primäre Wertkettenfunktionen betrachtet werden, vgl. Porter, M. E.; (1986 a), S. 69.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

61

Im Sinne einer Integration der verschiedenen oben diskutierten Abgrenzungsansätze ist es hilfreich, noch einmal auf den Innovationsprozeß zurückzukommen. Insgesamt sollte es Aufgabe des Technologiemanagements sein, alle Phasen des Innovationsprozesses, zumindest jedoch die, die sich mit technischen Innovationen befassen, zu begleiten. Dies ist deshalb notwendig, weil jederzeit die Möglichkeit besteht, daß im laufenden Innovationsprozeß wieder Phasen durchlaufen werden, die ausdrücklich in das Aufgabengebiet des Technologiemanagements fallen. Der Innovationsprozeß stellt schließlich keine sequentielle Folge überschneidungsfrei abgrenzbarer Phasen dar, die nur in einer Richtung durchlaufen werden, sondern ein komplexes, zyklisches Netzwerk integrierter, überlappender und miteinander in Wechselwirkung stehender „Phasen“.202 In der vorliegenden Arbeit soll also das Technologiemanagement das komplette F&E-Management einschließen und darüber hinaus das Management der Technologiebasis entlang des gesamten Innovationsprozesses i.w.S. und auch der Wertschöpfungskette umfassen, sofern diese Technologien von strategischer Bedeutung für die Erzeugnisse des Unternehmens sind oder sein können.203 Die Abgrenzung vom Technologiemanagement zum Innovationsmanagement liegt zum einen darin, daß das Innovationsmanagement sich auch mit nicht-technischen Innovationen befaßt, während beim Technologiemanagement vor allem technische Innovationen im Mittelpunkt stehen. Auch sind die Aufgaben des 202

203

Zur Veranschaulichung läßt sich der Innovationsprozeß vielleicht mit dem Orbitalmodell und Schalenmodell der Atomtheorie vergleichen, wo die Vorstellung, die Elektronen bewegten sich auf festen Bahnen (Orbitalen) um den Atomkern, zwar zum Verständnis des Atomaufbaus durchaus hilfreich ist, in Wahrheit aber nur eine grobe Annäherung an die Realität darstellt, da sich mit Hilfe der Quantenmechanik lediglich Aufenthaltswahrscheinlichkeiten der Elektronen um den Atomkern bestimmen lassen, der Heisenbergschen Unschärferelation gemäß sich jedoch Ort und Impuls des Elektrons nie gleichzeitig exakt ermitteln lassen. Eine ähnliche, für das Verständnis hilfreiche, aber eben nur eine grobe Annäherung an die Realität darstellende Modellbildung liegt analog für die Abbildung des Innovationsprozesses in Gestalt eines Prozesses vor, der in dem sequentiellen Durchlaufen präzise abgrenzbarer Phasen besteht. Insofern geht die für die vorliegende Arbeit gewählte Definition in gewisser Hinsicht über die Brockhoffs hinaus, ohne aber den Universalanspruch Porters zu erheben. Eine Konkretisierung, was unter dem Management der Technologiebasis entlang der Wertschöpfungskette zu verstehen ist, werden wir in Zusammenhang mit der Ableitung des Konzeptes der Technologiewertschöpfungskette in Kap. 3.3.2.1 (S. 145ff) noch genauer vornehmen.

62

Konzeptionelle Grundlagen:

Technologiemanagements nicht nur auf neue Technologien beschränkt. Zum anderen stehen beim Technologiemanagement konzeptionelle Aufgaben im Mittelpunkt, während beim Innovationsmanagement die Durchsetzung und Überwindung von Innovationswiderständen zentrale Aufgabe ist.204 Während sich schließlich das Innovationsmanagement auf die interne Beschaffung (vornehmlich durch unternehmenseigene Forschung und Entwicklung), Speicherung und Verwertung von Technologien beschränkt, schließt das Technologiemanagement als wichtige strategische Option zusätzlich den externen Erwerb, Sicherung und Verwertung mit ein.205 Wissensmanagement und Technologiemanagement sind zweifelsfrei eng miteinander verzahnt.206 Nach der Überzeugung von Zahn ist Technologiemanagement als Management von Wissen, Technologie als Anwendungswissen oder Könnenwissen aufzufassen.207 Bürgel/Zeller interpretieren den F&E-Prozeß (der ja nach dem vorstehend Gesagten Bestandteil des Technologiemanagements ist) als Wissensprozeß; die einzelnen Phasen können jeweils aus der Perspektive des Wissensmanagements interpretiert werden: –

Idee (= Wissen im Quantensprung erzeugen)



Grundlagenforschung (= Wissen bis an die Grenzen ausloten)



Anwendungsforschung (= Wissensverwertung ausloten)



Entwicklung (= Wissen kombinieren bis zur Umsetzung)



Ergebnis (= Wissen dokumentieren).208

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205 206

207 208

Vgl. Hauschildt, J.; (1997), S. 27-29; Zahn, E.; (1995a), S. 14-17 und Zahn, E.; (1996), S. 30-33. Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 70-71, insbes. Abb. 2-20, S. 71. Dies belegen beispielsweise die Ausführungen in den nachfolgend aufgelisteten Arbeiten, die sich auf das Technologiemanagement beziehen, ohne den Bezug auf technologisches Wissen aber in weiten Teilen als Arbeiten zum Wissensmanagement durchgehen könnten: Boden, M.; Gibbons, M.; Metcalfe, J. S.; (1990), S. 383-394; Zahn, E.; (1995a), S. 4-6; Zahn, E.; (1996), S. 21-23; Amabile, T. M.; Conti, R.; (1997), S. 111-125; Brown, J. S.; (1997), S. 95-110; Garud, R.; Nayyar, P. R.; Shapira, Z.; (1997), S. 20-40; Langlois, R. N.; (1997), S. 71-94; Levinthal, D.; (1997), S. 167-180. Vgl. Zahn, E.; (1995a), S. 4-6 und Zahn, E.; (1996), S. 21-23. Vgl. Bürgel, H. D.; Zeller, A.; (1998), S. 59-62.

Grundlagen des Innovations- und Technologiemanagements

63

Fraglich ist nun aber, ob das Wissensmanagement in seiner Gesamtheit Bestandteil des Technologiemanagements ist (oder auch umgekehrt) oder darüber hinausgeht. In der vorliegenden Arbeit soll Wissensmanagement insofern als Bestandteil des Technologiemanagements betrachtet werden, als daß es sich mit technologischem Wissen oder mit Wissen befaßt, das für die Entstehung, Anwendung, Weiterentwicklung, Vernetzung oder Sicherung technologischen Wissens Bedeutung besitzt oder besitzen kann.209 Unabhängig davon werden allerdings, da viele Arbeiten des Wissensmanagements auf Fragen der Organisation von Wissen und der wissensrelevanten Implementierung von Technologiestrategien abheben, diese Gesichtspunkte keinen Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit darstellen, da zum einen organisationale Innovationen nicht im Fokus dieser Arbeit sind und sich diese Arbeit zum anderen mit den strategischen Planungsaspekten des Technologiemanagements befaßt, nicht aber mit organisatorischen. Bei der genauen Analyse der technologiestrategischen Entscheidungsebenen und der Ableitung eines integrierten technologiestrategischen Entscheidungsmodells210 wird allerdings die technologiefokussierte Sichtweise des Wissensmanagements intensive Berücksichtigung finden. Wir werden auf diesen Aspekt, z.B. bei der Auffassung des F&E-Prozesses als Technologietransformationsprozeß, später ausführlich zurückkommen, um ein Konzept der Technologiewertschöpfungskette zu entwickeln.211

209

210

211

Zahn spricht in diesem Zusammenhang beispielsweise von Wollen-Wissen, das sich in technologiebezogenen Visionen und strategischen Missionen niederschlägt und somit als handlungsleitendes Wissen im Rahmen des Technologiemanagements aufgefaßt werden kann und von Kennen-Wissen, das sich in Erkenntnissen aus der Forschung ausdrückt und als theoretisches Grundlagenwissen im Rahmen des Technologiemanagements interpretiert werden kann. Vgl. Zahn, E.; (1995a), S. 4-6 und Zahn, E.; (1996), S. 21-23. Unter technologiestrategischen Entscheidungsebenen werden, wie in Kap. 3 (S. 113ff) näher ausgeführt werden wird, die vier technologiestrategischen Entscheidungsbereiche Technologiebeobachtung/-frühaufklärung, Technologiebeschaffung, Technologiesicherung/-speicherung und Technologieverwertung sowie die sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen jedes Bereiches verstanden. Vgl. zur Ableitung des Konzeptes der Technologiewertschöpfungskette die Ausführungen in Kap. 3.3.2.1, insbes. S. 145ff.

64

Konzeptionelle Grundlagen:

2.2 Strategie, strategisches Management und Strategietypologien In diesem Unterkapitel wird zunächst eine definitorische Klärung und begriffliche Abgrenzung von Strategie und strategischem Management erfolgen. Anschließend werden die wichtigsten Typologisierungsansätze von Strategien in der wissenschaftlichen Literatur diskutiert, die das Fundament bilden für die technologieorientierten Strategietypologien, welche im nächsten Unterkapitel einer eingehenderen Betrachtung unterzogen werden.212 2.2.1

Definitorische Grundlagen des strategischen Managements

Die Begriffe Strategie, strategische Planung und strategisches Management werden in der wissenschaftlichen Literatur sehr unterschiedlich interpretiert. Dies hängt vor allem damit zusammen, daß die Strategische Managementlehre in den letzten 40 Jahren verschiedene Stadien durchlaufen hat, und es dabei zur Ausbildung verschiedener Schulen sowohl im deutschen als auch im angelsächsischen Sprachraum gekommen ist. 2.2.1.1

Strategie und strategische Entscheidungen

Der Begriff der Strategie ist äußerst vielschichtig.213 So kann Strategie als ein Plan, als ein beständiges Verhaltensmuster, als eine eingenommene (Wettbewerbs-) Position oder als eine Perspektive aufgefaßt werden.214 Von Moltke definierte Strategie in prägnanter Weise als „die Fortbildung des ursprünglich

212 213

214

Vgl. Kap. 2.3, S. 88ff. Eine ausführliche Diskussion der verschiedenen Ansätze zur Definition von Strategie und der unterschiedlichen, diese Definitionen konstituierenden Merkmale findet sich bei Welge/Al-Laham, die 16 definitorische Ansätze des deutschsprachigen Raums und 24 des angloamerikanischen Raums einander gegenüberstellen, vgl. Welge, M. K.; Al-Laham, A.; (1992), S. 165-170. Hinsichtlich einer weiteren Begriffsdiskussion vgl. auch Goodman, R. A.; Lawless, M. W.; (1994), S. 25-27; Schewe, G.; (1998b), S. 16-26; und Gälweiler, A.; (1987), S. 55-75. Gälweiler setzt sich insbesondere mit (den aus seiner Sicht) prinzipiellen Unterschieden im Strategiebegriffsverständnis aus militärischer und ökonomischer Perspektive auseinander, vgl. ebenda. Demgegenüber leitet beispielsweise Hinterhuber sein (ökonomisches) Begriffsverständnis unmittelbar aus der militärischen Sichtweise von Moltkes ab, vgl. Hinterhuber, H. H.; (1990), S. 50. Vgl. Mintzberg, H.; (1995), S. 29-35.

Strategie, strategisches Management und Strategietypologien

65 215

leitenden Gedankens entsprechend den stets sich ändernden Verhältnissen“. Diese Definition besitzt auch für das heutige ökonomische Strategiebegriffsverständnis durchaus Gültigkeit. Mintzberg interpretiert Strategie „as a pattern in a stream of decisions (where a decision is defined as a commitment to action, usually a commitment of resources)“.216 Strategie ist also nicht mit der strategischen Entscheidung gleichzusetzen, sondern stellt ein Muster in einem Strom von (strategischen) Entscheidungen dar und umfaßt demnach „eine komplexe Reihe von Entscheidungen, die nach Personen, Gegenständen, Orten und Zeiten differenziert sind“.217 Der Begriff der strategischen Entscheidungen seinerseits setzt Auswahl zwischen mehreren Handlungsalternativen voraus, die zu einer langfristigen Ausrichtung der Unternehmung in der Unternehmensumwelt führen. Im Gegensatz dazu fallen operative Entscheidungen in deutlich höherer Frequenz im Unternehmen an. Zudem fehlt ihnen der Grundsatzcharakter, den strategische Entscheidungen aufgrund ihrer großen Tragweite für die Unternehmung besitzen.218 Bevor in Kap. 2.2.1.3219 auf die den strategischen Entscheidungen zugrundeliegenden Muster, nämlich die Strategien, zurückzukommen sein wird, soll im Folgenden aber zunächst deren Bezugsrahmen definiert und abgegrenzt werden. Ausgehend von einer begrifflichen Abgrenzung und einer kurzen Beschreibung des Aufgabenprofils des strategischen Managements wird nachfolgend zu klären sein, welche Rolle die strategische Planung im strategischen Management innehat und welche Bedeutung beide für den weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit besitzen. 2.2.1.2

Strategisches Management und strategische Planung

Das Verständnis, was unter strategischer Planung und strategischem Management zu verstehen ist, hat im Laufe der letzten 40 Jahre analog zum Strategie-

215

216 217 218

219

Vgl. Moltke, H. von; (1892-1912): Militärische Werke, hrsg. vom Großen Generalstab, 13 Bände, Berlin, S. 292; zitiert nach Hinterhuber, H. H.; (1990), S. 50. Vgl. Mintzberg, H.; (1978), S. 935. Vgl. Hinterhuber, H. H.; (1990), S. 179. Ebenda. Hinterhuber führt als Beispiele für strategische Entscheidungen die Standortwahl sowie Entscheidungen über Kapazitätserweiterungen, Markteintritt oder Unternehmensverbindungen an. Vgl. S. 69ff.

66

Konzeptionelle Grundlagen:

begriff einen beständigen Wandel durchlaufen. In der vorliegenden Arbeit soll im Folgenden nur insoweit auf diese Problematik eingegangen werden, als es zum Verständnis der nachfolgenden Betrachtungen zu Strategietypen und strategischen Entscheidungsdimensionen, insbesondere von solchen, die technologieorientiert sind, erforderlich sein wird. Bezüglich eines historischen Überblicks und einer eingehenderen Diskussion sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.220 Die Aufgaben der strategischen Unternehmungsführung oder des strategischen Managements lassen sich in einen unternehmensinternen und -externen Aufgabenkomplex unterteilen. Aus Sicht des strategischen Managements läßt sich die Unternehmung als aus verschiedenen Teilbereichen (oder Subsystemen) aufgebaut und mit der sie umgebenden Umwelt als komplexes, auf vielfältige Weise miteinander verzahntes System auffassen. Das Erreichen eines strategischen Fits sowohl innerhalb des Systems Unternehmung als auch mit seiner Umwelt („Stakeholder“) wird dabei zum Leitgedanken.221 Nach Hinterhuber kann die strategische Unternehmungsführung mit Hilfe eines aus sieben sich jederzeit gegenseitig beeinflussenden Phasen/Komponenten aufgebauten Führungsmodells abgebildet werden (vgl. Abb. 2-4). Die erste Komponente, die unternehmerische Vision, findet dabei ihre Präzisierung in der Unternehmenspolitik, die als Gesamtheit von Unternehmensgrundsätzen mit Leitbildcharakter verstanden werden kann. Die Unternehmensgrundsätze wiederum werden in der Strategieformulierung präzisiert. Die hieraus resultierenden Strategien finden ihre Konkretisierung in den Direktiven für die Funktionsbereiche (funktionalen Politiken). Die wechselseitige Abstimmung und Anpassung

220

221

Hinsichtlich eines historischen Überblicks und einer ausführlichen Diskussion verschiedener Ansätze zur strategischen Planung und zum strategischen Management, vgl. beispielsweise die Arbeiten von: Mintzberg, H.; (1995); Hahn, D.; (1992a); Hahn, D.; (1992b); Hahn, D.; (1992c); Hinterhuber, H. H.; (1992); Taylor, B.; (1992); Ansoff, H. I.; Declerck, R. P.; Hayes, R. L.; (1992); Rasche, C.; Wolfrum, B.; (1993 und 1994); Rasche, C.; (1994), S. 10-33. Bezüglich einer differenzierten Diskussion der zentralen Denkschulen und Theoriengebäude des strategischen Managements, vgl. insbesondere Teece, D. J.; Pisano, G.; Shuen, A.; (1994); und Binder, V.; Kantowsky, J.; (1996), S. 19-57. Vgl. hierzu Hinterhuber, H. H.; (1996), S. 33-52 und Bea, F. X.; Haas, J.; (1995), S. 11-17.

Strategie, strategisches Management und Strategietypologien

67

Stakeholder Unternehmerische Vision

Direktiven Unternehmensorganisation

Unternehmenskultur

Strategien

Stakeholder

Stakeholder

Unternehmenspolitik

Umsetzung

Stakeholder

Abb. 2-4:

Das Gesamtsystem der strategischen Unternehmensführung. Quelle: Eigene Darstellung nach Hinterhuber222

von Strategien und Direktiven mit der Unternehmensorganisation223 ist dabei wesentliche Voraussetzung für die schließlich erfolgreiche Umsetzung. Alle diese sechs bisher genannten Komponenten müssen im Einklang mit der Unternehmenskultur stehen, die als die Gesamtheit aller für die Motivation, Identifikation und Richtungsweisung der Mitarbeiter so wichtigen, „vorherrschenden Wertvorstellungen, Traditionen, Überlieferungen, Mythen, Normen und Denkhaltungen“ aufzufassen ist.224 Bea/Haas untergliedern das System Unternehmung in sechs Teilsysteme (Subsysteme), zwischen denen ein „Intra-System-Fit“ erzielt werden muß. Das strategische Management der Unternehmung ist hiernach aus den folgenden Teilsystemen aufgebaut: 222 223

224

Vgl. Hinterhuber, H. H.; (1996), S. 40. Vgl. zur Abstimmung von Strategie und Organisation auch Schewe, G.; (1998a und 1998b) sowie bezüglich der Abstimmung von Strategie und Organisation im Rahmen des Innovations- und Technologiemanagements Kneerich, O.; (1995). Vgl. Hinterhuber, H. H.; (1996), S. 33-52.

68

Konzeptionelle Grundlagen:



Strategische Planung



Strategische Kontrolle



Information



Organisation



Unternehmenskultur



Leistungspotentiale.225

Für die vorliegende Arbeit besitzt hauptsächlich die strategische Planung Bedeutung, so daß auf eine weitere Diskussion der übrigen Subsysteme an dieser Stelle verzichtet werden soll.226 Strategische Planung kann als ein Abstimmungsprozeß zwischen Impulsen und Erwartungen aus der Umwelt und den Potentialen der Unternehmung verstanden werden, dessen Ergebnis auf den nachhaltigen Unternehmenserfolg ausgerichtete Strategien bilden.227 Anders formuliert kann strategische Planung als die „Explizitierung des Entscheidungsprozesses“ aufgefaßt werden, in dem es zur Bestimmung der strategischen Ausgangsposition und der angestrebten strategischen Ziele, der Definition des hierfür vorgesehenen Zeit- und Kostenrahmens sowie der Festlegung der hierfür geeigneten Mittel und Wege durch alle betroffenen Entscheidungsträger kommt.228 Die vorliegende Arbeit wird sich nur mit den Ergebnissen der strategischen Planung, den Strategien und den Einzelbausteinen, aus denen sie aufgebaut sind, den Strategieelementen oder strategischen Entscheidungsdimensionen beschäftigen. Der vorausgehende strategische Planungs- und Entscheidungsprozeß selbst ist nicht Betrachtungsgegenstand. Auf welche Art und Weise, beispielsweise in organisatorischer Hinsicht, die einzelnen Strategiebausteine zu einer Gesamtstrategie zusammengesetzt werden, ist also ohne Bedeutung. Es kommt nur auf das Ergebnis an. Daß eine Strategie aus mehreren Strategieelementen aufgebaut ist, also verschiedene strategische Entscheidungsdimensionen aufweist, werden die nachfolgenden Ausführungen zu den verschiedenen Betrachtungsebenen von 225 226

227 228

Vgl. Bea, F. X.; Haas, J.; (1995), S. 16-17. Das Werk von Bea/Haas ist entsprechend dieser Subsysteme in Kapitel gegliedert. Für eine tiefergehende Betrachtung vgl. ebenda, S. 42-567. Ebenda, S. 45-48. Vgl. Hinterhuber, H. H.; (1996), S. 144-146.

Strategie, strategisches Management und Strategietypologien

69

Strategien, die in unterschiedliche Möglichkeiten zur Kategorisierung von Strategien münden, belegen. 2.2.1.3

Kategorien von Strategien

Auf diese Möglichkeiten, Strategien in mehrfacher Hinsicht in Kategorien von Strategien zu unterscheiden, soll nun näher eingegangen werden. Zum einen ist es für die Vertiefung der begrifflichen Klärung hilfreich, Strategien aus prinzipieller und konzeptioneller Sicht in verschiedene Arten zu differenzieren. Zusätzlich kann aber auch aus organisatorischer und entscheidungsdimensionaler Perspektive eine Unterscheidung und Kategorisierung vorgenommen werden. Während der erste der beiden zuletzt genannten Typen (die organisatorische Dimension) als Unterscheidungskriterium den Geltungsbereich einer Strategie zum Gegenstand hat, befassen sich die Ansätze der letzten Kategorie mit dem Strategieinhalt als diskriminierendem Merkmal. Diese inhaltliche Dimension wird dann im weiteren Verlauf auch den Übergang zu den nachfolgend untersuchten Strategietypologien darstellen. Die konzeptionelle Dimension Zuerst steht nun die konzeptionelle Dimension zur Kategorisierung von Strategien im Blickpunkt. In dieser Hinsicht ist zunächst einmal zwischen expliziten und impliziten Strategien zu unterscheiden. Implizite Strategien sind nicht dokumentiert oder formalisiert und sind dadurch im Gegensatz zu expliziten Strategien (und strategischen Entscheidungen) nicht objektivierbar. Explizite Strategien hingegen sind dokumentiert und werden in der Unternehmung kommuniziert. Sie münden in einen Planungsprozeß, der klar definierte Ziele vorgibt, die kontrollierbar sind.229 Dabei ist jedoch zu beachten, daß Strategie ein evolutionärer Prozeß ist, bei dem sich im zeitlichen Verlauf sowohl die Ziele als auch die eingesetzten Mittel ändern können.230 Mintzberg unterscheidet daher fünf Strategieformen: Zum einen können beabsichtigte Strategien (intended strategies) formuliert werden, die zu kalkulierten Strategien (deliberate strategies) und anschließend, im Falle der Umsetzung, zu realisierten Strategien (realized strategies) oder, im Falle der Nichtumsetzung, zu unrealisierten Strategien (unrealized strategies) werden 229 230

Ebenda, S. 181. Vgl. Hinterhuber, H. H.; (1990), S. 181.

70

Konzeptionelle Grundlagen:

können. Nach seiner Überzeugung müssen aber andererseits nicht alle realisierten Strategien formuliert, also beabsichtigt und kalkuliert worden sein, sondern sie können sich auch formieren, also auf intuitiven Strategien (emergent strategies) beruhen.231 Im Fokus der vorliegenden Arbeit sind explizite kalkulierte Strategien, worunter wohlüberlegte und durchdachte Strategien verstanden werden sollen, deren Realisierung ernsthaft beabsichtigt und vorbereitet wird (aber deren Implementierung noch nicht notwendigerweise begonnen haben muß). Zur Vervollständigung des Gesamtbildes wird im Rahmen der empirischen Überprüfung zusätzlich auch die gegenwärtig realisierte Strategie genauer betrachtet. Letzteres dient primär zur Abschätzung, wie glaubwürdig und realistisch die kalkulierte Strategie vor dem Hintergrund der realisierten Strategie ist. Zusätzlich wird ein enormer Erkenntnisgewinn über das Wechselspiel von kalkulierter und realisierter Strategie erzielt. Eine vollständige Beschränkung der vorliegenden Arbeit auf realisierte Strategien wäre nicht zweckmäßig zum Erreichen des Untersuchungsziels gewesen, da dann nur Strategien der Vergangenheit betrachtet worden wären:232 Gegenwärtige und zukünftige Strategien wären damit also automatisch aus der Analyse ausgeschlossen gewesen. Berücksichtigt man die äußerst langen Planungszeiträume des Untersuchungsobjektes Pharmazeutische Industrie, so wird klar, daß dann sogar eine extrem lange zurückliegende strategische Positionierung analysiert worden wäre, die mit der gegenwärtigen und zukünftigen nichts mehr gemeinsam haben könnte. Die späteren empirischen Befunde bestätigen nachträglich die Richtigkeit dieser Befürchtung.233

231

232

233

Vgl. Mintzberg, H.; (1978), S. 945 und Mintzberg, H.; (1995), S. 30-33. Mintzbergs Überlegungen wurzeln in Erkenntnissen, die er aus der Analyse der US-amerikanischen Strategie im Vietnamkrieg (1950-1973) und der Unternehmensstrategie der Volkswagen AG (1934-1974) gewinnen konnte, vgl. Mintzberg, H.; (1978), S. 937947. In einer weiteren Fallstudie, der des kanadischen Damenwäscheherstellers Canadian Lady (1939-1976), wurden diese Überlegungen erneut bestätigt gefunden, vgl. Mintzberg, H.; Waters, J. A.; (1984), S. 62-93. Die Studien Mintzbergs beschäftigen sich, um alle genannten Arten von Strategien untersuchen zu können, mit länger zurückliegenden strategischen Positionierungen, vgl. hierzu die in der vorstehenden Fußnote genannten Zeiträume. Vgl. hierzu die späteren Ausführungen zu der enormen technologiestrategischen Neuausrichtung im zeitlichen Verlauf in Kap. 6 (S. 431ff) und Kap. 7 (S. 593ff).

Strategie, strategisches Management und Strategietypologien

71

Die organisatorische Dimension Die Kategorisierung von Strategien kann auch in organisatorischer Dimension erfolgen. Sie wendet sich dann dem Geltungsbereich von Strategien zu. In dieser Hinsicht lassen sich Strategien nach den folgenden Kriterien unterscheiden: –

Organisatorischer Geltungsbereich



Geltungsbereich nach Funktionen



Regionaler Geltungsbereich234

Hinsichtlich des organisatorischen Geltungsbereiches kann in Unternehmensstrategie, Geschäftsbereichsstrategie, Geschäftsfeldstrategie und Funktionsbereichsstrategien unterschieden werden. Als Funktionsbereichsstrategien lassen sich insbesondere Beschaffungsstrategie, Produktionsstrategie, Absatzstrategie, Finanzierungsstrategie, Personalstrategie und Technologiestrategie identifizieren. In regionaler Hinsicht können Strategien schließlich lokal, national, international oder global sein.235 Die verschiedenen oben aufgeführten Teilstrategien müssen im Rahmen der strategischen Planung eng miteinander abgestimmt werden. Ob dabei primär ein „top down“- Ansatz (auf Basis einer vorgegebenen Unternehmensstrategie erfolgt die Festlegung der übrigen Strategien) oder ein „bottom up“- Ansatz (die Summe der Teilstrategien wird zu einer Unternehmensstrategie aggregiert) Anwendung findet, ist im hier betrachteten Zusammenhang ohne Bedeutung. Wichtig ist allerdings festzuhalten, daß die verschiedenen Teilstrategien interdependent sind. Welche Schwerpunktsetzung im Rahmen der strategischen Planung und entsprechend auch in der wissenschaftlichen Literatur bei der Beschäftigung mit diesem Komplex erfolgt, ist u.a., wie im Folgenden dargestellt wird, stark 234

235

Vgl. Bea, F. X.; Haas, J.; (1995), S. 154. Die übrigen dort vorgeschlagenen Klassifizierungskriterien, Entwicklungsrichtung, Produkt-Markt-Kombination (mit Bezug auf Ansoff), Ansatzpunkte für Wettbewerbsvorteile (mit Bezug auf Porter) und Grad der Eigenständigkeit werden in der vorliegenden Arbeit als strategische Entscheidungsdimensionen angesehen und eine diesbezügliche Diskussion erst im weiteren Verlauf erfolgen. Internationale und globale Strategien können ihrerseits wiederum weltweit integriert („integration strategy“), nationalbezogen („national responsiveness strategy“) oder multifokal („multifocal strategy“) sein, je nach dem Grad der Zentralisierung der Strategieausrichtung, vgl. Doz, Y. L.; (1983), S. 306-313.

72

Konzeptionelle Grundlagen:

von der spezifischen Situation des Unternehmens bzw. vom theoretischen Hintergrund oder empirischen Betrachtungsgegenstand abhängig. Hinsichtlich des organisatorischen Geltungsbereichs von Strategien werden Unternehmensstrategien, im Falle von „reinen“ Pharma-Unternehmen, und Geschäftsbereichsstrategien, im Falle von divisional-organisierten Unternehmen, bei denen der Geschäftsbereich Pharma (bzw. die pharmazeutischen Geschäftsbereiche) nur ein Teil des Gesamtunternehmens darstellt, im Mittelpunkt der Betrachtung der vorliegenden Arbeit stehen. Wenn mehrere pharmazeutische Geschäftsbereiche mit unterschiedlichen, homogenen, eigenständigen, sich signifikant von den übrigen Geschäftsbereichen abhebenden (Technologie-) Strategien innerhalb eines Unternehmens existieren, wird jeder von ihnen in der vorliegenden Arbeit als eigenständige Untersuchungseinheit behandelt.236 Eine Betrachtung auf Geschäftsfeldebene erscheint aus zwei Gründen für die vorliegende Arbeit als wenig sinnvoll: Erstens ist davon auszugehen, daß alle Komponenten der Geschäftsfeldstrategien, die wesentliche strategische Tragweite besitzen, auch in der Geschäftsbereichsstrategie enthalten sind und zwar unabhängig davon, ob sie durch Aggregation von Geschäftsfeldstrategien dorthin gelangt sind, oder ob sie Bezugsrahmen für diese gewesen sind. Zweitens dürfte eine geschäftsfeldbezogene Strategiebetrachtung im Rahmen des empirischen Teils dieser Arbeit die Grenzen der Praktikabilität sprengen, da jedes Unternehmen bzw. jeder Geschäftsbereich wiederum in eine Vielzahl von Geschäftsfeldern untergliedert ist. Aus den vorstehend aufgeführten Gründen unterbleibt auch in den nun folgenden branchenunabhängigen Kapiteln eine nährere Betrachtung der Geschäftsfeldebene. Hinsichtlich der Funktionsbereichsstrategien wird, entsprechend des Themas dieser Arbeit, der Schwerpunkt auf den Technologiestrategien liegen, auch wenn die übrigen Funktionsbereichsstrategien, insbesondere die Marketingstrategie, aufgrund der starken Interdependenzen zwischen ihnen nicht völlig ausgeklammert werden können.237 Bei technologieintensiven Unternehmen ist die Technologiestrategie dabei auch der dominante Treiber der Unternehmensstrategie, weil die Tragweite der technologiestrategischen Entscheidungen (insbeson-

236

237

Vgl. hierzu die späteren präziseren Ausführungen zur Eingrenzung und Differenzierung des empirischen Feldes in Zusammenhang mit der Beschreibung des Forschungsdesigns in Kap. 5.1.2, S. 399ff. Vgl. hierzu Kap. 2.3.1, S. 88ff.

Strategie, strategisches Management und Strategietypologien

73

dere auch hinsichtlich des ihnen inhärenten Risikopotentials) die aller übrigen Funktionsbereichsstrategien bei weitem übertrifft. Dies hat auch entscheidende Auswirkungen auf den regionalen Geltungsbereich der Strategie. Immer dann, wenn der Anteil versunkener Kosten an den Gesamtkosten eines Unternehmens hoch ist, also die marginalen Kosten gering sind, wird der regionale Geltungsbereich einer Strategie global sein, d.h. es existiert nur eine übergeordnete global gültige Strategie, die den Handlungsrahmen für eventuell vorhandene Substrategien vorgibt. Technologieinvestitionen haben in hohem Maße diesen Charakter von versunkenen Kosten. Je höher der Anteil von Technologiekosten an den Gesamtkosten eines Unternehmens ist, also bei technologieintensiven Unternehmen, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, auf einen globalen Geltungsbereich der Strategie zu treffen. Die Unternehmen der Pharmazeutischen Industrie zeichnen sich (bei beträchtlichen unternehmensspezifischen Unterschieden) durch eine hohe Technologieintensität aus. In der Regel werden wir also in dieser Branche auf einen globalen Geltungsbereich der Technologiestrategie (und infolge deren dominanter Wirkung auf die Unternehmensstrategie auch auf einen globalen Geltungsbereich bei letzterer) treffen. Selbst bei diesem globalen Geltungsbereich von Technologiestrategien wird aber keineswegs bestritten, daß es auch regionen- oder länderspezifische Subtechnologiestrategien gibt, nur werden diese in den übergeordneten Rahmen der globalen Strategie passen bzw. diesen komplementär und konsistent aufbauen und definieren.238 Dabei darf die Frage nach dem Geltungsbereich der Strategie aber nicht mit der strategischen Entscheidungsdimension über den geographischen Aktionsradius des Unternehmens verwechselt werden: Auch ein ausschließlich national operierendes technologieintensives Unternehmen wird nur eine übergeordnete global gültige Technologiestrategie besitzen; und umgekehrt hat auch ein globaler Geltungsbereich keineswegs automatisch einen globalen Aktionsradius zur Folge. Wir werden auf die (technologie-)strategische Entscheidungsdimension

238

Die spätere empirische Studie stützt in der Tat diese Sichtweise. Innerhalb der Stichprobe ließen sich bei keinem Unternehmen mehrere unterschiedliche, nicht einer übergeordneten globalen Technologiestrategie folgende, regionenspezifische Technologiestrategien identifizieren. Traten in einem Unternehmen mehrere Technologiestrategien auf, so war dies auf die Existenz mehrerer pharmazeutischer Geschäftsbereiche zurückzuführen (organisatorische Dimension). Jede von ihnen hatte dann aber einen globalen Geltungsbereich.

74

Konzeptionelle Grundlagen:

der geographischen Ausrichtung später in Kap. 3.3.2.6 noch genauer zu sprechen kommen.239 Die strategische Entscheidungsdimension der geographischen Ausrichtung ist dabei eine Komponente bzw. Subdimension der nachfolgend betrachteten inhaltlichen Dimension von Strategien. Die inhaltliche Dimension Schließlich lassen sich Strategien auch noch hinsichtlich ihres Inhaltes kategorisieren. Ein Beispiel hierfür ist die Unterscheidung in Defensiv-, Offensiv-, und Desinvestitionsstrategien. Unter einer Defensivstrategie ist die nachhaltige Verteidigung von Wettbewerbsvorteilen zu verstehen. Diese Strategieart findet zumeist dann Anwendung, wenn das Unternehmen eine führende Wettbewerbsposition innehat. Eine Offensivstrategie hingegen hat das Erzielen von Wettbewerbsvorteilen zum Gegenstand und wird zum Erreichen einer führenden Wettbewerbsposition eingeschlagen. Ist das Erzielen geeigneter Wettbewerbsvorteile zur Überwindung der schwachen Wettbewerbsposition nicht möglich, ist eine Desinvestitionsstrategie zu verfolgen, um die Ressourcen anderen Aktivitäten zuzuführen.240 Eng verknüpft mit dieser Differenzierung ist auch die Unterscheidung Hinterhubers in direkte und indirekte Strategien: Während eine direkte Strategie unmittelbar auf das gewünschte Ziel gerichtet ist (häufig gepaart mit einer Offensivstrategie), versucht die indirekte Strategie auf Umwegen, z.B. durch Überraschungseffekte, ihr Ziel zu erreichen (häufig gepaart mit einer Defensivstrategie).241 Die inhaltliche Dimension von Strategien ist der Gegenstand, mit dem sich die vorliegende Arbeit auseinandersetzt. Ziel ist es, diese für die Funktionsbereichsstrategie Technologiestrategie genau zu analysieren und für sie theoriegeleitet ein Modell zu entwickeln, das einen differenzierten, systematischen und umfassenden Bezugsrahmen für die inhaltliche Dimension von Technologiestrategien darstellt.

239 240

241

Vgl. S. 198ff. Vgl. Hinterhuber, H. H.; (1990), S. 51. Analog dazu unterscheiden andere Autoren in Wachstums- und Schrumpfungsstrategien, vgl. Welge, M. K.; Al-Laham, A.; (1992), S. 292-351; bzw. in Wachstums-, Stabilisierungs- und Schrumpfungsstrategien, vgl. Bea, F. X.; Haas, J.; (1995), S. 156-164. Vgl. Hinterhuber, H. H.; (1990), S. 68-72.

Strategie, strategisches Management und Strategietypologien

2.2.2

75

Generische Wettbewerbsstrategien und Strategietypologien

Demzufolge steht die inhaltliche Dimension der Strategien auch im Mittelpunkt der nachfolgenden Betrachtungen zu den generischen Wettbewerbsstrategien und Strategietypologien. Die Betrachtung ausgewählter diesbezüglicher Ansätze verfolgt hierbei das Ziel, das konzeptionelle Fundament der Typologien des strategischen Technologiemanagements charakterisieren zu helfen. Viele technologiestrategische Ansätze knüpfen nämlich explizit an einzelne oder auch an eine Kombination mehrerer dieser grundlegenden Arbeiten an.242 Da diese Pionieransätze die letztlich für die vorliegende Arbeit relevanten strategischen Entscheidungsdimensionen und Strategieelemente243 teilweise nur als einen Baustein neben anderen hier irrelevanten Elementen zu vielfach recht komplexen Konzeptionen verknüpfen,244 soll die Diskussion an dieser Stelle nur in äußerst komprimierter Form erfolgen.245 Die Ansätze zu Strategietypen lassen sich in methodischer Hinsicht in zwei Kategorien unterteilen, die im Folgenden als Ansätze zu generischen Wettbewerbsstrategien und als Ansätze zu Strategietypologien bezeichnet und hier kurz charakterisiert werden sollen. Die erste nachfolgend betrachtete Kategorie werden die generischen Wettbewerbsstrategien oder Normstrategien bilden. Kennzeichen dieser Kategorie ist, daß sie von den jeweiligen Autoren auf theoretischer Basis abgeleitet oder postuliert werden. Diese Ansätze zeichnen sich durch ein hohes Maß an Allgemeingültigkeit aus, weisen aber auch einen hohen Abstraktionsgrad auf, was ihre 242

243

244

245

Vgl. hierzu die Diskussion unterschiedlicher technologieorientierter Typologisierungsansätze in Kap. 2.3.2 (S. 94ff) und die sich daran anschließende Betrachtung von Modellen des strategischen Technologiemanagements in Kap. 2.4, S. 105ff. Vgl. zu den einzelnen auf diese Weise extrahierten technologiestrategischen Strategieelementen und deren nachfolgender Systematisierung in technologiestrategische Entscheidungsbereiche und Entscheidungsdimensionen die späteren Ausführungen in Kap. 3.3.1, S. 120ff und Kap. 3.3.2, S. 136ff. Dieser letzte Einwand besitzt für die Gruppe der Strategietypologisierungsansätze ein hohes Maß an Gültigkeit; auf die zunächst diskutierte Klasse der generischen Wettbewerbsstrategien trifft er nicht zu. Die hier im Text vorgenommenen Ausführungen sind nur das Ergebnis einer ausführlichen Analyse der zugrundeliegenden Literatur, auf deren Wiedergabe hier aus Gründen der Übersichtlichkeit und Stringenz verzichtet wird. Die zugrundeliegende ausführliche Synopse der zentralen Ansätze der generischen Wettbewerbsstrategien und Normstrategien sowie Strategietypologien kann am Lehrstuhl für Marketing der TU Chemnitz angefordert werden, vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 3ff.

76

Konzeptionelle Grundlagen:

praktische Anwendbarkeit stark begrenzt. Eine empirische Überprüfung erfolgt erst nachträglich. Die Ergebnisse dieser empirischen Studien können dabei sehr widersprüchlich sein, je nachdem, welche Konkretisierung der (abstrakten) Strategietypen zuvor vorgenommen wurde.246 Als zweite Kategorie werden, daran anschließend, die wichtigsten Ansätze zu Strategietypologien einer eingehenderen Betrachtung unterzogen. Für diesen Typus ist die methodische Vorgehensweise tendenziell umgekehrt zu der der Normstrategien: Auf Basis empirisch ermittelter Erkenntnisse werden Verallgemeinerungen vorgenommen, die über einen rein situativen Aussagewert hinausgehen. Allerdings genügen die nachfolgend zitierten Arbeiten hierbei nicht in allen Fällen dem heutigen Stand der wissenschaftlichen Methodik und sind nicht frei von Kombinationen aus empirisch abgeleiteten (zumeist auf einer Serie von Fallstudien aufbauenden) und theoretisch postulierten Anteilen. Im Folgenden werden wir uns zunächst der ersten Kategorie, der der generischen Wettbewerbs- oder Normstrategien, zuwenden. 2.2.2.1

Generische Wettbewerbsstrategien und Normstrategien

Der Begriff der generischen Wettbewerbsstrategien geht zurück auf Porter, der in seinen grundlegenden Werken zum strategischen Management das Fundament für weitere Arbeiten zum strategischen Management und zur Ableitung von Normstrategien legte. Eine allgemeingültige Definition, was dabei unter generischen Wettbewerbsstrategien oder Normstrategien verstanden werden soll, ist nicht möglich, da dies stark vom jeweiligen Ansatz des Autors abhängt. Allen Ansätzen gemeinsam sind jedoch ihr normativer Charakter, ihre generelle Anwendbarkeit und ihre mehr oder weniger ausgeprägte theoretische Basis. Konkret bedeutet dies, daß eine Systematisierung von verschiedenen Strategien vorgenommen wird, indem, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, je nach Konstellation die eine oder die andere Normstrategie empfohlen wird. 246

Eine Konkretisierung, worunter vor allem die geeignete Operationalisierung der Strategietypen, aber auch die Auswahl des Bezugsobjektes (Stichprobe etc.) zu verstehen ist, ist dabei allerdings unvermeidbar, um sie einer empirischen Überprüfung überhaupt zugänglich zu machen. Die Problematik von z.T. widersprüchlichen Resultaten der auf ihnen basierenden empirischen Studien tritt allerdings auch bei der Gruppe der Strategietypologien auf. Zweifelsfrei sind die Typologien jedoch aufgrund ihres geringeren Abstraktionsgrades einer empirischen Überprüfung eher zugänglich als die Klasse der generischen Wettbewerbsstrategien.

Strategie, strategisches Management und Strategietypologien

77

Von zentraler Bedeutung innerhalb dieser Kategorie sind die Ansätze von Ansoff, Porter und Hinterhuber, die auch vielfach die konzeptionelle Basis der später untersuchten technologieorientierten Technologiestrategietypologien bilden.247 Der erste Ansatz, der versucht, eine derartige Systematisierung vorzunehmen, stammt von Ansoff (1958).248 In einer Vierfelder-Matrix werden vier ProduktMissions-Kombinationen bzw. Produkt-Markt-Kombinationen249 (Marktdurchdringung, Produktentwicklung, Marktentwicklung und Diversifikation) als Grundsatzstrategien für die Geschäftsbereichsebene250 vorgeschlagen.251

247

248

249

250

251

Die hier nachfolgend im Text vorgenommenen Ausführungen sind nur das Ergebnis einer ausführlichen Analyse der zugrundeliegenden Literatur, auf deren detaillierte Wiedergabe hier aus Gründen der Übersichtlichkeit und Stringenz verzichtet wird. Die zugrundeliegende ausführliche Synopse der zentralen Ansätze der generischen Wettbewerbsstrategien und Normstrategien kann am Lehrstuhl für Marketing der TU Chemnitz angefordert werden, vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 3ff. Vgl. Ansoff, H. I.; (1958), S. 393-394 und Ansoff, H. I.; (1965), S. 108-110. Bezüglich konzeptioneller Erweiterung der Ansoff’schen Markt-Produkt-Grundsatzstrategietypen vgl. Perlitz, M.; (1997 a), S. 40-49; Kleinschmidt, E. J.; Cooper, R. G.; (1988), S. 65-68; sowie Bellon, B.; Whittington, G.; (1996), S. 109-110. Die meisten Autoren sprechen von Produkt-Markt-Kombination, vgl. beispielsweise Bea, F. X.; Haas, J.; (1995), S. 153. Ansoff selbst benutzt den englischen Terminus „mission“, vgl. Ansoff, H. I.; (1965), S. 108-110, worunter er auch Markt als wesentlichste Komponente subsumiert. Es ist aber davon auszugehen, daß Ansoff dem Begriff „mission“ eine weitergefaßtere Bedeutung beimißt, vgl. ebenda, S. 109-110. Im Folgenden soll jedoch auf diese Differenzierung nicht weiter eingegangen werden. Ansoff sieht die Gefahr, daß bei einer Strategiebildung auf Unternehmensebene wesentliche Aspekte unscharf bleiben und schlägt daher die Vierfelder-Matrix explizit vor, um auf Ebene von „subindustries“, die sich durch Produkt-Märkte und Technologien mit ähnlichen Charakteristiken auszeichnen und die hier im Sinne von Geschäftsbereichsebenen interpretiert werden sollen, diese Unschärfen zu vermeiden, vgl. Ansoff, H. I.; (1965), S. 109. Die von Ansoff postulierten vier Markt-/Produkt-Strategietypen waren wiederholt Gegenstand empirischer Studien. Zwar weichen die Ergebnisse dieser Studien hinsichtlich der jeweilig beobachteten Häufigkeitsverteilung zwischen den einzelnen Strategietypen innerhalb der Stichproben zum Teil erheblich voneinander ab, was mit unterschiedlicher Zusammensetzung der Stichproben und abweichenden Forschungsdesigns erklärt werden kann, gemeinsam ist ihnen jedoch, daß sie die Existenz der Ansoffschen Strategietypen in der unternehmerischen Praxis bestätigen. Vgl. hierzu z.B. Fröhlich, E.; Pichler, J. H.; (1988), S. 104-116 (STRATOS-Studie); Cranfield (1992), zitiert nach Bellon, B.; Whittington, G.; (1996), S. 109; sowie Herdzina, K.; Blessin, B.; (1996), S. 38-39 und Blessin, B.; (1997), S. 7-9.

78

Konzeptionelle Grundlagen:

Für das strategische Technologiemanagement besitzen die Ansoffschen Produkt-Markt-Strategietypen grundlegende Bedeutung. Nach Erickson et al. ist die Voraussetzung für eine effektive F&E- und Technologiepolitik eine kohärente Produkt- und Marktstrategie. Jede Zelle der Produkt-Markt-Matrix ist somit durch jeweils eine geeignete Technologiestrategie charakterisiert, wobei allerdings umgekehrt auch die technologische Schwerpunktsetzung die Auswahl der Produkt-Markt-Strategie beeinflußt.252 Auf diesen Sachverhalt wird in Kapitel 2.3.1 näher einzugehen sein.253 Den Hintergrund der generischen Wettbewerbsstrategien Porters (1980) bildet die Industrial Organizations Theorie, innerhalb derer sich Porters grundlegende Arbeiten schwerpunktmäßig der Analyse der Branchenstruktur zuwenden. Seine Grundvorstellung ist hierbei, daß die strukturellen Charakteristiken einer Branche deren Wettbewerbsintensität und -dynamik bestimmen, welche wiederum entscheidend die Rentabilität determinieren. Porter identifiziert fünf Wettbewerbskräfte, durch deren Kräfteverhältnis die Wettbewerbsintensität und Rentabilität einer Branche bestimmt wird und die dadurch zur zentralen Ausgangsbasis der Formulierung von Wettbewerbsstrategien gelangen. Die Stärke dieser nachfolgend aufgelisteten fünf „Triebkräfte des Branchenwettbewerbs“ hängt hierbei von einer Reihe ökonomischer und technologischer Strukturmerkmale dieser Branche ab:254 –

Bedrohung durch neue oder branchenfremde Wettbewerber



Grad der Rivalität unter bestehenden Wettbewerbern



Bedrohung durch Substitutionsprodukte



Verhandlungsstärke der Abnehmer



Verhandlungsstärke von Lieferanten

252 253

254

Vgl. Erickson, T. J.; Magee, J. F.; Roussel, P. A.; Saad, K. N.; (1990), S. 75-76. Vgl. S. 88ff. Daß ein ganzheitliches Technologiemanagement mehrere (vier) Bereiche umfaßt, von denen die Technologiebeschaffung und –verwertung die beiden wichtigsten sind, wird später begründet, vgl. hierzu Kap. 3.3.1, S. 120ff. Dem entsprechend beinhalten Technologiestrategien also nicht nur die strategische Positionierung der Technologiebeschaffung, sondern u.a. auch der Technologieverwertung, was die technologierelevanten Aspekte der Produkt-Markt-Strategie einschließt. Vgl. Porter, M. E.; (1992), S. 29-55.

Strategie, strategisches Management und Strategietypologien

79

Um erfolgreich im Wirkungsbereich dieser fünf Wettbewerbskräfte bestehen und durch eine gefestigte Branchenposition höhere Kapitalrenditen erzielen zu können, sollte das Unternehmen nach Porter eine von drei generischen Wettbewerbsstrategien (generic competitive strategies) verfolgen:255 –

Kostenführerschaft



Differenzierung



Konzentration auf Schwerpunkte

Nach Porter kann jeder der drei generischen Wettbewerbsstrategietypen erfolgreich sein.256 Da aber jeder der drei Strategietypen einen „grundlegend anderen Ansatz“ zum Erzielen von Wettbewerbsvorteilen darstellt, ist ein gleichzeitiges Verfolgen mehrerer Strategietypen nach Porters Überzeugung nicht erfolgreich. Das Unternehmen muß sich für eine Alternative entscheiden, um nicht in eine Position ohne spezifische Wettbewerbsvorteile, „zwischen die Stühle“, zu gelangen.257 Diese Hypothese Porters ist jedoch in der wissenschaftlichen Literatur höchst umstritten. Gute Argumente und empirische Untersuchungen sprechen gegen Porters Unvereinbarkeitsprämisse und für den Erfolg einer simultanen Verfolgung von Differenzierungs- und Kostenführerschaftsstrategie.258 Beispielsweise

255 256

257 258

Vgl. Porter, M. E.; (1986 a), S. 31-50; Porter, M. E.; (1992), S. 62-77. Peters/Waterman untermauern diese Überzeugung und beschreiben anhand von 45 sehr erfolgreichen Unternehmen, die von ihnen in sechs Unternehmensgruppen (von Hochtechnologie bis Commodities) unterteilt werden, welche generische Wettbewerbsstrategie von diesen schwerpunktmäßig verfolgt wird. Vgl. Peters, T. J.; Waterman, R. H., jr.; (1982), S. 186-193. Covin/Slevin/Covin identifizieren bei ihrer clusteranalytischen Untersuchung von Wachstumsstrategien bei kleinen Unternehmen in Hoch- und Nicht-HochtechnologieBranchen vier strategische Grundverhaltensmuster, die deutliche Parallelen zu Porters generischen Wettbewerbsstrategien aufweisen. Hinsichtlich der Erfolgsträchtigkeit werden von den Autoren keine signifikanten Unterschiede zwischen den Strategietypen festgestellt. Vgl. Covin, J. G., Slevin, D. P.; Covin, T. J.; (1990), S. 391-412. Porter, M. E.; (1986 a), S. 38-43. Einen Überblick über die bisherige empirische Forschungsarbeit zur Überprüfung von Porters Alternativhypothese und die hierbei erzielten Ergebnisse gibt Will. Die Mehrheit der dort aufgeführten empirischen Studien widerspricht Porters Hypothese. Vgl. Will, T.; (1996), S. 53-59.

80

Konzeptionelle Grundlagen:

gelangt Albach bei seinen Untersuchungen genau zum gegenteiligen Resultat: Eine erfolgreiche Differenzierungsstrategie bedarf einer Kombination mit einer Strategie zur Senkung der Produktkosten.259 Allerdings ist es zweifelsfrei Porters Verdienst, darauf hingewiesen zu haben, daß es darauf ankommt, durch Unschärfen in der strategischen Ausrichtung nicht in eine Position zu gelangen, in der sich das Unternehmen weder durch spezifische Kostenvorteile noch durch spezifische Leistungscharakteristika der Dienstleistungen oder Produkte von denen der Wettbewerber abhebt. Nach Hinterhuber (1977) lassen sich mit Hilfe einer Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Matrix für jede der neun Zellen der Matrix Norm-Strategien ableiten.260 Jeder einzelne Normstrategietyp wird hierbei durch die Höhe der Marktattraktivität und das Ausmaß der relativen Wettbewerbsvorteile der Unternehmung in Bezug auf die strategische Geschäftseinheit definiert. Im einzelnen werden drei Arten von Normstrategien unterschieden:261 –

Investitions- und Wachstumsstrategien



Abschöpfungs- oder Desinvestitionsstrategien



Selektive Strategien: ƒ Offensivstrategien ƒ Defensivstrategien ƒ Übergangsstrategien

259

260

261

Fleck begründet theoretisch und untermauert mittels empirischer Fallstudien, daß eine Differenzierung durch Varietät, Qualität und Innovation simultan zu dauerhaften Kostenvorteilen führt, vgl. Fleck, A.; (1995), S. 104-146. Vgl. Albach, H.; (1990), S. 775 und S. 787. Bezüglich einer detaillierten Auseinandersetzung mit dieser Problematik sei auf die Arbeiten von Fleck, A.; (1995) und Will, T.; (1996) verwiesen. Vgl. Hinterhuber, H. H.; (1977), S. 90-97, sowie zum Folgenden Hinterhuber, H. H.; (1996), S. 163-169. Auf die zahlreichen weiteren strategischen Matrizen, die, insbesondere über die Beratungspraxis, Einzug in die strategische Managementlehre als wichtiges Planungsinstrument gefunden haben, soll hier nicht näher eingegangen werden, da, wie vorstehend bereits erläutert, der Prozeß der strategischen Planung und damit auch die hierfür zur Verfügung stehenden Planungstechniken nicht Betrachtungsgegenstand sind. Insofern werden im Folgenden auch nicht die Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Matrix selbst, sondern die mit ihrer Hilfe abgeleiteten Normstrategien im Mittelpunkt der Diskussion stehen. Vgl. zum Folgenden Hinterhuber, H. H.; (1996), S. 163-169.

Strategie, strategisches Management und Strategietypologien

81

Die Normstrategien Hinterhubers werden vor allem durch zwei strategische Entscheidungsdimensionen charakterisiert: Ausmaß des Ressourceneinsatzes und Aggressivität bei der strategischen Zielerreichung. Beide Entscheidungsdimensionen werden auch im folgenden Kapitel bei der Diskussion der technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen eine zentrale Bedeutung besitzen. Generell liegt die Stärke generischer Wettbewerbsstrategien und Normstrategien darin, daß sie die Aufmerksamkeit des Betrachters auf essentielle Bestandteile der Strategieentwicklung lenken. Doch zugleich macht dies auch die konzeptionelle Schwäche derartiger Ansätze aus, da sie wesentliche andere Strategieelemente unberücksichtigt lassen. Hier setzten beispielsweise auch die Kritiker Porters an, die u.a. darauf verweisen, daß in seinen Ansätzen unternehmensinterne Erfolgsfaktoren genauso wie sich bietende Marktchancen nahezu unberücksichtigt bleiben.262 Das gleiche gilt für nationale oder regionale Besonderheiten. So lassen sich bereits innerhalb Europas regionentypische Strategien identifizieren. Beispielsweise präferieren „nordische“ Unternehmen eine starke Spezialisierung über eine relativ kleine Palette von High-Tech-Produkten, „anglo-germanische“ eine starke Produktdiversifikation und „romanische“ Unternehmen eine ethnozentrische Strategie mit stark standardisierten Produkten.263 Das Problem der starken perspektivischen Einengung ist aber nicht auf Porter, Ansoff oder Hinterhuber begrenzt. Vielmehr ist es eine methodische Schwäche jedes derartigen Ansatzes. Zugunsten der Übersichtlichkeit und Allgemeingültigkeit der zu differenzierenden Strategietypen wird die Betrachtungsperspektive auf wenige Strategieelemente oder strategische Entscheidungsdimensionen verengt, was zwangsläufig dazu führt, daß die übrigen Strategieelemente oder Entscheidungsdimensionen im dunkeln bleiben. Ein zweites Problem wurde bereits eingangs angesprochen, nämlich, daß die generelle Gültigkeit dieser Ansätze mit einem hohen Abstraktionsgrad erkauft wird. Dies hat zur Folge, daß die Anwendbarkeit in der unternehmerischen Praxis und die Brauchbarkeit für empirische Untersuchungen stark eingeschränkt ist. Diese kritische Analyse wird im Anschluß an das kommende Kapitel und an die Diskussion der unterschiedlichen Technologiestrategietypologien in Kap. 2.3.2 vertieft werden.264 Zunächst soll aber ein Überblick über die wichtigsten 262 263 264

Vgl. beispielsweise die von Mugler genannte Kritik, Mugler, J.; (1996), S. 44-45. Vgl. Macharzina, K.; Oesterle, M.-J.; Wolf, J.; (1998), S. 148-151. Vgl. S. 94ff.

82

Konzeptionelle Grundlagen:

Ansätze der zweiten Gruppe von Strategiekategorisierungen im strategischen Management, die Strategietypologien, erfolgen. 2.2.2.2

Strategietypologien

Die zweite Kategorie von Ansätzen, die Strategietypologien, nehmen diese starke Fokussierung der strategischen Perspektive unter Ausblendung wesentlicher Strategieelemente (und Attribute der Unternehmensumwelt) nicht vor. Vielmehr werden in zum Teil äußerst komplexer Weise Faktoren, die die Situation und Dynamik der Unternehmensumwelt, die Organisationsstruktur der betrachteten Unternehmen oder die Art der Strategiebildung beschreiben, gemeinsam mit den Elementen, die die Grundorientierung der entwickelten Strategie charakterisieren, gemeinsam zur Unterscheidung unterschiedlicher Strategietypen herangezogen. Wichtige Ansätze dieser zweiten Kategorie sind die grundlegenden Arbeiten von Miller/Friesen (Strategieanpassungsmodell, 1976) und von Miles/Snow (Typologie, 1978) sowie die Ansätze von Kirsch/Trux (1981), Twiss/Goodridge (1989), Butler (1991) und Raffée/Effenberger/Fritz (1992). Auch diese Arbeiten bilden vielfach die konzeptionelle Basis der später untersuchten technologieorientierten Technologiestrategietypologien.265 Miller/Friesen (1976) untersuchen in ihrem Modell das strategische Verhalten von Unternehmen in Abhängigkeit von Veränderungen in deren Unternehmensumwelt.266 Auf Basis von 31 Attributen, die Situation und Dynamik in der Unternehmensumwelt sowie die Organisationsstruktur des Unternehmens, die Art der Strategiebildung und die Grundorientierung der entwickelten Strategie charakterisieren, werden im Rahmen einer branchenübergreifenden empirischen Untersuchung267 zehn verschiedene Strategietypen (Archetypes) identifiziert. 265

266

267

Die hier nachfolgend im Text vorgenommenen Ausführungen sind nur das Ergebnis einer ausführlichen Analyse der zugrundeliegenden Literatur, auf deren detaillierte Wiedergabe hier aus Gründen der Übersichtlichkeit und Stringenz verzichtet wird, vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 28ff. Die zugrundeliegende ausführliche Synopse der zentralen Ansätze der Strategietypologien kann am Lehrstuhl für Marketing der TU Chemnitz angefordert werden. Vgl. zum Folgenden Miller, D.; Friesen, P. H.; (1977, 1978); sowie Miller, D.; Friesen, P. H.; Mintzberg, H.; (1984), S. 87-126. Als Datenbasis wurden 81 Fallstudien herangezogen. Zu den diesem Verfahren inhärenten methodischen Problemen und der daraus resultierenden Ungenauigkeit, vgl. Miller, D.; Friesen, P. H.; (1978), S. 923.

Strategie, strategisches Management und Strategietypologien

83

Von den 31 beschreiben elf Attribute Arten der strategischen Entscheidungsfindung und strategische Entscheidungsdimensionen. Die von Miles/Snow (1978) entwickelte Typologie stellt den bekanntesten und empirisch am besten untersuchten Ansatz der Strategietypologien dar.268 Auch hier geht es um die Problematik der Abstimmung der Strategie und Organisationsstruktur eines Unternehmens mit seiner Umwelt. Dem Modell von Miles/Snow liegt der Gedanke zugrunde, daß das Unternehmen kontinuierlich Anpassungszyklen durchläuft, um sich auf eine sich verändernde Umwelt einzustellen. Die im Rahmen dieses kontinuierlichen, die Organisation als Ganzes fordernden Anpassungsprozesses zu bewältigenden Probleme sind komplexer Natur und werden meist in kleinen Schritten angegangen und gelöst. Trotz dieser Beschaffenheit lassen sich die Aufgaben des Anpassungsprozesses in drei miteinander konstant eng verflochtene Teilprobleme strukturieren: –

Einen unternehmerischen Aufgabenkomplex, der um die Auswahl des Produkt-Markt-Bereiches zentriert ist.



Einen technischen Aufgabenkomplex, der die technologierelevanten Entscheidungen zum Gegenstand hat.



Einen administrativen Aufgabenkomplex, der zum einen einen Entwicklungsaspekt (Leading Aspect), die Selektion zukünftiger Innovationsfelder (Schnittstelle zum unternehmerischen Aufgabenkomplex) und zum anderen einen effizienzorientierten Aspekt (Lagging Aspect), die Rationalisierung von Strukturen und Prozessen (Schnittstelle zum technischen Aufgabenkomplex), besitzt.

Anhand der spezifischen Bewältigungsmuster dieser drei Problemfelder identifizieren Miles/Snow vier strategische Grundhaltungen: 269 –

Verteidiger (Defender)



Vorausdenker (Prospector)



Analysierer (Analyzer)



Reagierer (Reactors)

268

269

Nach einer Zählung von Guthrie et al. aus dem Jahre 1989 fand die Miles/Snow Typologie bis zum damaligen Zeitpunkt mehr als 200mal Verwendung in Publikationen. Vgl. Smith, K. G.; Guthrie, J. P.; Chen, M.-J.; (1989), S. 63. Miles, R. E.; Snow, C. C.; (1978), S. 31-93.

84

Konzeptionelle Grundlagen:

Im Gegensatz zu den drei erstgenannten Strategietypen, die bei konsistenter Implementierung der Strategie alle erfolgreich sein können, bleibt die Gruppe der Reaktoren erfolglos.270 Die von Miles/Snow entwickelte Typologie bildet das theoretische Fundament zahlreicher empirischer Studien, deren Resultate allerdings nicht frei von Widersprüchen sind.271 Berücksichtigt man aber die den jeweiligen Ansätzen zugrundeliegenden sehr unterschiedlichen Zielsetzungen und die Verschiedenheit in der angewandten methodischen Vorgehensweise,272 kann dies nicht verwundern. Übereinstimmend wird allerdings die Existenz der vier Strategietypen bestätigt gefunden, und der Strategietyp „Reaktor“ als wenig effizient eingestuft.273 Die Effizienz der übrigen drei Strategietypen wird kontrovers eingeschätzt,274 was zusätzlich zu den oben genannten Unterschieden auch auf situative Faktoren zurückzuführen sein dürfte. Die Bedeutung des Faktors Technologie für den Erfolg der einzelnen Strategietypen ist dabei überraschenderweise kurz- und langfristig für den Typus des Verteidigers am größten.275 270 271

272

273

274

275

Ebenda, S. 93. Ein Überblick und eine kritische Gegenüberstellung der Ergebnisse über die bisherigen empirischen Studien zur Miles/Snow-Typologie findet sich bei Zahra/Pearce, vgl. Zahra, S. A.; Pearce, J. A. II; (1990). Bezüglich einer Erweiterung der Übersicht von S. 755, vgl. Huldén, E.; (1991), S. 11. Zusätzlich zu den dort aufgeführten Studien, vgl. Ryberg, R. J.; (1982); McKee, D. O.; Varadarajan, P. R.; Pride, W. M.; (1989); Shortell, S. M.; Zajac, E. J.; (1990); Huldén, E.; (1993); Waldersee, R.; Sheather, S.; (1993); James, W. L.; Hatten, K. J.; (1994); James, W. L.; Hatten, K. J.; (1995). Hinsichtlich einer Diskussion der Reliabilität und Validität der unterschiedlichen Analysemethoden und Befragungstechniken sei auf Snow, C. C.; Hambrick, D. C.; (1980); Shortell, S. M.; Zajac, E. J.; (1990); sowie James, W. L.; Hatten, K. J.; (1995) verwiesen. Eine Ausnahme für die Unterlegenheit des Reagierer-Typs bilden hochregulierte Branchen, vgl. Snow, C. C.; Hrebiniak, L. G.; (1980). Vgl. hierzu beispielsweise die Unterschiede hinsichtlich der Erfolgswirksamkeit der einzelnen Strategietypen in einzelnen Arbeiten: Während Snow, C. C.; Hrebiniak, L. G.; (1980) und Smith, K.; Guthrie, J. P.; Chen, M.-J.; (1989) und Conant, J. S.; Mokwa, M. P.; Varadarajan, P. R.; (1990) den drei übrigen Strategietypen eine gleichmäßig überlegene Erfolgswirksamkeit bescheinigen, gelangen Hambrick, D. C.; (1983); sowie Zajac, E. J.; Shortell, S. M.; (1989); zu widersprüchlichen Ergebnissen. Vgl. Dvir, D.; Segev, E.; Shenhar, A.; (1993). Bezüglich der Implikationen der Miles/ Snow-Typologie für die Marketingstrategie vgl. beispielsweise McDaniel, S. W.; Kolari, J. W.; (1987). Die Anwendbarkeit der Miles/Snow-Typologie zur Differenzierung unterschiedlicher Strategietypen ist aber nicht auf Einzelunternehmen beschränkt, sondern läßt sich

Strategie, strategisches Management und Strategietypologien

85

Die Strategietypologie von Kirsch/Trux (1981) stellt eine konzeptionelle Erweiterung des Ansatzes von Miles/Snow dar. 276 Ähnlich wie die zuvor diskutierten Strategietypologien bezieht sich auch der Ansatz von Twiss/Goodridge (1989) auf die strategische Anpassung von Unternehmen auf Veränderungen in der Unternehmensumwelt.277 Im Gegensatz zu den vorangehend diskutierten Ansätzen konzentriert sich dieser Ansatz jedoch ausschließlich auf Reaktionsstrategien, die die Anpassung des Unternehmens an durch technologischen Wandel hervorgerufene Umweltveränderungen beschreiben. Auf Basis der Ansätze von Miles/Snow und Twiss/Goodridge entwickelt Butler (1991) eine Typologie von Unternehmensstrategien, die Technologie, Strategie und Struktur miteinander vernetzt und den Schwerpunkt auf technologiestrategische Aspekte setzt. Im Rahmen dieses Ansatzes werden vier Strategietypen unterschieden: Der Verteidiger, der Innovator (Prospektor), der Kooperator und der Diversifizierer, wobei sich letzterer wiederum aus dem Akquirierer und dem Entwickler zusammensetzt.278

276

277 278

konzeptionell für die Interpretation von Strategietypen in Unternehmensnetzwerken erweitern. Vgl. diesbezüglich Miles, R. E.; Snow, C. C.; (1984, 1986, 1992) sowie Fischer, M.; (1995), S. 110-113. Bezüglich einer konzeptionellen Erweiterung der Miles/Snow-Typologie aus der Perspektive, Strategie als Muster der Ressourcenallokation zu betrachten, vgl. Gibbons, P. T.; Prescott, J. E.; (1993). Vgl. Kirsch, W.; Trux, W.; (1981), insbes. S. 299-307. Neben dem Typus des Reagierers, der nicht über eine konsistente Strategie verfügt, werden hinsichtlich der Haltung des Unternehmens gegenüber Veränderungen und bezüglich seiner Spezialisierungsneigungen fünf strategische Grundhaltungsmuster von Unternehmen unterschieden. Insgesamt ergeben sich hieraus die folgenden sechs Strategietypen: Reagierer, Verteidiger, Architekt, Risiko-Streuer, Innovator und Prospektor. Ein weiterer Ansatz, der die strategische Anpassung auf Veränderungen in der Unternehmensumwelt zum Gegenstand hat und sich auf eine Gegenüberstellung japanischer und US-amerikanischer Unternehmen stützt, stammt von Kagono et al.. Im Rahmen dieses Ansatzes können vier strategische Grundtypen der Umweltanpassung identifiziert werden. Vgl. Kagono, T.; Nonaka, I.; Sakakibara, K.; Okumura, A.; (1985), S. 229-245. Vgl. Twiss, B.; Goodridge, M.; (1989), S. 57-59. Vgl. Butler, R. J.; (1991); Butler, R. J.; et al.; (1993) und Butler, R. J.; et al.; (1996).

86

Konzeptionelle Grundlagen:

Raffée/Effenberger/Fritz (1992) ermitteln im Rahmen einer empirischen Studie clusteranalytisch drei charakteristische Strategieprofile.279 Hinsichtlich der Ausprägung von 28 strategischen Entscheidungsdimensionen lassen sich drei strategische Grundverhaltensmuster identifizieren: –

Der Strategie-Ignorant



Der Strategie-Spezialist



Der Strategie-Generalist

Die vielseitige strategische Ausrichtung des Strategie-Generalisten ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für einen signifikant höheren Unternehmenserfolg gegenüber den beiden übrigen Clustern. Der Strategie-Ignorant zeichnet sich durch den geringsten Unternehmenserfolg aus.280 An dieser Stelle erfolgt nur eine zusammenfassende Bewertung der vorstehend charakterisierten Ansätze mit Blick auf die hier im Fokus befindliche Fragestellung.281 Dabei ist zunächst anzumerken, daß diese zweite Kategorie erheblich heterogener zusammengesetzt ist als die zuvor diskutierten generischen Wettbewerbsstrategien und Normstrategien: Die genannten Ansätze zu Strategietypologien sind nicht unmittelbar miteinander vergleichbar, da sie auf unterschiedlichen theoretischen Grundvorstellungen und unterschiedlicher empirischer Vorgehensweise basieren. Während Miller/Friesen, Miles/Snow und Kirsch/Trux als Vertreter der strategic-choice-school die strategische Grundausrichtung im Fokus ihrer Betrachtung haben, steht bei Twiss/Goodridge die Abstimmung mit technologischen Veränderungen im Mittelpunkt. Die jüngeren Arbeiten von Raffée/Effenberger/Fritz sind hingegen von der Empirie geleitet. Dabei zeichnet sich der Ansatz von Raffée/Effenberger/Fritz durch die Vielzahl der berücksichtigten Strategieelemente aus. Insgesamt sind allen Strategietypologieansätzen aber die globalere Betrachtungsperspektive und ein deutlich geringe279

280 281

Vgl. Raffée, H.; Effenberger, J.; Fritz, W.; (1992), insbes. S. 15-31; Raffée, H.; Effenberger, J.; Fritz, W.; (1994), insbes. S. 386-394. Vgl. ebenda. Die hier nachfolgend im Text vorgenommenen Ausführungen sind nur das Ergebnis einer ausführlichen Analyse der zugrundeliegenden Literatur, auf deren detaillierte Wiedergabe hier aus Gründen der Übersichtlichkeit und Stringenz verzichtet wird, vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 28ff. Die zugrundeliegende ausführliche Synopse der zentralen Ansätze der Strategietypologien kann am Lehrstuhl für Marketing der TU Chemnitz angefordert werden.

Strategie, strategisches Management und Strategietypologien

87

rer Abstraktionsgrad im Vergleich zu den generischen Wettbewerbsstrategien gemeinsam. Allerdings stellen die Ansätze zu den generischen Wettbewerbsstrategien und die der Strategietypologien trotz dieser konzeptionellen Unterschiede keinesfalls unvereinbare Gegensätze dar. So läßt sich Porters Konzept der generischen Wettbewerbsstrategien durchaus mit dem Ansatz von Miles/Snow zu einer „hybriden Typologie“ verbinden.282 Die globalere Betrachtungsperspektive der Strategietypologien geht einher mit dem mehr oder weniger stark ausgeprägten Einbezug der die Strategiebildung determinierenden Faktoren in den Modellansatz. Dieser Aspekt ist sowohl für das Verständnis des strategischen Entscheidungsprozesses als auch für das Verständnis der komplexen Verflechtung von strategischer Ausrichtung, innerer Struktur und internen Potentialen eines Unternehmens mit der Unternehmensumwelt von großer Bedeutung. Die vorliegende Arbeit wird sich allerdings ausschließlich auf die strategische Ausrichtung konzentrieren. Auf Aspekte der Unternehmensumwelt wird lediglich punktuell im Rahmen der Betrachtung des technologiestrategischen Umfeldes eingegangen.283 Daher wenden sich die nachfolgenden Unterkapitel 2.3284 und 2.4285 ausschließlich den (technologie-) strategischen Entscheidungsdimensionen zu. Zusammenfassend ist festzustellen: Die Ansätze beider zuvor diskutierten Kategorien bilden zwar ein wichtiges konzeptionelles Fundament für die in dieser Arbeit verfolgte konkrete Fragestellung der Ableitung eines umfassenden Modells des strategischen Technologiemanagements und beinhalten zum Teil auch bereits wertvolle technologiestrategische Einzelelemente, keiner der Ansätze eignet sich aber für das hier verfolgte Untersuchungsziel.

282

283 284 285

Vgl. Walker, O. C.. Jr.; Ruekert, R. W.; (1987); Segev, E.; (1989); Rajala, A.; (1994), S. 12-16. Vgl. hierzu Kap. 6.4, S. 559ff. Vgl. S. 88ff. Vgl. S. 105ff.

88

Konzeptionelle Grundlagen:

2.3 Strategisches Technologiemanagement und technologieorientierte Strategietypologien Das nachfolgende Unterkapitel 2.3 nimmt zunächst eine Einordung des strategischen Technologiemanagements im Wechselspiel mit den anderen Funktionsbereichsstrategien im Kontext der Gesamtunternehmensstrategie vor (Kap. 2.3.1). Hauptaufgabe des vorliegenden Kapitels wird aber, aufbauend auf den Ergebnissen des vorangegangenen Kap. 2.2,286 eine Analyse und Systematisierung der wichtigsten bisher behandelten technologieorientierten Strategietypologien im Unterkapitel 2.3.2 sein mit dem Ziel, die im jeweiligen Ansatz enthaltenen Strategieelemente zu extrahieren.287 2.3.1

Strategisches Technologiemanagement in Abstimmung mit anderen Funktionsbereichsstrategien im Rahmen der Unternehmensstrategie

Der Faktor Technologie besitzt eine starke und in Zukunft weiterhin stark zunehmende Bedeutung für die strategische Planung und Unternehmensführung, da die Dynamik technologischer Veränderungen in zunehmendem Ausmaß die strategische Entscheidungssituation von Unternehmen bestimmt.288 Hierbei sollte allerdings nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daß es sich hier keinesfalls um einen exogenen, nicht durch das Unternehmen zu beeinflussenden Effekt handelt. Vielmehr steht den Unternehmen in Form ihrer eigenen Innovationsund Technologiepolitik ein starker Hebel zur Verfügung, die wachsende Bedeu-

286 287 288

Insbesondere Kap. 2.2.2, S. 75ff. Vgl. S. 94ff. Nach Auffassung zahlreicher Autoren wird Technologie und Technologiemanagement sogar der zentrale Faktor der strategischen Unternehmensführung sein, der maßgebend für das Erzielen und den Erhalt von Wettbewerbsvorteilen, insbesondere auch im globalen Wettbewerb, ist. Vgl. Frohman, A. L.; (1985), S. 48-49; Burgelman, R. A.; Rosenbloom, R. S.; (1989), S. 1-3; Clark, K. B.; (1989), S. 94-96; McGee, J.; Thomas, H.; (1989), S. 205; Clarke, K.; Thomas, H.; (1990), S. 273; Harris, R. G.; Mowery, D. C.; (1990), S. 7-8; Pavitt, K.; (1990), S. 17; Wolfrum, B.; (1992), S. 2325; Wolfrum, B.; (1994), S. 52-76; Zahra, S. A.; Ali, A. J.; (1994), S. 199-203; Wolfrum, B.; (1995), S. 244; Wörndl-Aichriedler, J.; (1995), S. 45-51; Feucht, H.; (1996), S. 28-30; Bea, F. X.; Feucht, H.; (1997), S. 1-2; Chiaromonte, F.; (1997), S. 461; Perlitz, M.; (1997 b), S. 5; Hamilton, W. F.; (1997), S. 163-164. Auch in der vorliegenden Arbeit wird diese Sichtweise geteilt. Darauf wurde bereits im vorherigen Kapitel in Zusammenhang mit der Diskussion der unterschiedlichen Dimensionen des Strategiebegriffs kurz eingegangen, vgl. Kap. 2.2.1.3, S. 69ff.

Strategisches Technologiemanagement und technologieorientierte Strategietypologien 89

tung von Technologien proaktiv zu nutzen und das Unternehmensumfeld, insbesondere das Wettbewerbsgefüge, entscheidend (mit-) zu prägen. Das strategische Technologiemanagement muß daher elementarer Bestandteil der strategischen Unternehmensführung, die Technologiestrategie wesentliche Komponente der unternehmerischen Wettbewerbsstrategie sein.289 Da die Wechselwirkung zwischen Strategie und Technologie dynamischer Natur ist und sowohl die zukünftige Strategie durch gegenwärtige technologiestrategische Entscheidungen als auch die zukünftig verfügbaren Technologien durch gegenwärtige strategische Entscheidungen determiniert werden, darf der strategische Abstimmungsprozeß nicht statisch auf die aktuelle Ausgangssituation beschränkt bleiben.290 Trotz dieser hohen strategischen Bedeutung wird der Faktor Technologie in der unternehmerischen Praxis nur in erstaunlich geringem Maße im Rahmen der strategischen Unternehmensführung berücksichtigt. Zumindest legt eine empirische Befragung der 500 größten westdeutschen Industrieunternehmen aus dem Jahre 1994 diesen Schluß nahe: Der Faktor Technologie wird danach derzeit nur von weniger als der Hälfte der befragten Unternehmen regelmäßig in strategische Analysen einbezogen, und weniger als ein Drittel der befragten Unternehmen konzipieren eigenständige Technologie- oder F&E-Strategien.291

289

290 291

Vgl. Zörgiebel, W. W.; (1983), S. 252-253; Porter, M. E.; (1986 a), S. 234; Wilson, I.; (1986), S. 21-22; Betz, F.; (1987), S. 132-143; Ford, D.; (1988), S. 85-88; Pappas, C.; (1988), S. 229-230; Cooper, A. C.; (1989), S. 115-125; Clarke, K.; Thomas, H.; (1990), S. 279-282; Erickson, T. J..; Magee, J. F.; Roussel, P. A.; Saad, K. N.; (1990), S. 74-75; Pavitt, K.; (1990), S. 17-18; Saren, M.; (1990), S. 207-209; Klimstra, P. D.; Raphael, A. T.; (1992), S. 22-24; Wolfrum, B.; (1992), S. 25-26; Wolfrum, B.; (1994), S. 77-80; Zahra, S. A.; Ali, A. J.; (1994), S. 206-207; Wolfrum, B.; (1995), S. 244-246 und S. 390-396; Wörndl-Aichriedler, J.; (1995), S. 51-54; Burgelman, R. A.; Maidique, M. A.; Wheelwright, S. C.; (1996), S. 3-7; Hamilton, W. F.; (1997), S. 164-165; Husain, Z.; Sushil; (1997), S. 543-544; Buckley, J. V.; (1998), S. 34-41; Klein, M.; (1998), S. 44-53; bezüglich der Besonderheiten und Schwierigkeiten bei der Integration von Technologie- und Unternehmensstrategie bei kleinen High-Tech-Unternehmen, vgl. Berry, M. M. J.; Taggart, J. H.; (1998), S. 883-895. Vgl. Itami, H.; Numagami, T.; (1992), S. 119-135. Vgl. Welge, M. K.; Al-Laham, A.; (1997), S. 790-806, insbes. S. 795-797 (Berücksichtigung des Faktors Technologie in der strategischen Analyse) und S. 800 (eigenständige Technologie- bzw. F&E-Strategie). Allerdings lag die Rücklaufquote bei nur 13 % oder 65 Unternehmen.

90

Konzeptionelle Grundlagen:

Bereits im vorangegangenen Kapitel wurde darauf hingewiesen, daß die einzelnen Teile der Gesamtunternehmensstrategie292, die Funktionsbereichsstrategien, aufeinander abgestimmt sein müssen, um eine konsistente Gesamtstrategie zu ergeben, die die Grundvoraussetzung für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg darstellt. Erfolgreiches strategisches Technologiemanagement setzt dementsprechend eine enge Verzahnung mit den übrigen Funktionsbereichsstrategien, insbesondere der Marketing-,293 Produktions-294 und Beschaffungsstrategie295 voraus.296

292

293

294

295

296

Unter der hier ja bei diversifizierten Unternehmen, bei denen die Pharmasparte nur ein Geschäftsbereich unter mehreren ist, die Geschäftsbereichsstrategie verstanden wird, vgl. hierzu die präziseren Ausführungen in Kap. 2.2.1.3, S. 71ff. Vgl. Brockhoff, K.; (1985 a), S. 623-632; Specht, G.; (1986), S. 609-613; Betz, F.; (1987), S. 113-121; Capon, N.; Glazer, R.; (1987), S. 1-14; Brockhoff, K.; (1989), S. 9-30; Traynor, K.; Traynor, S. C.; (1989), S. 281; Brockhoff, K.; (1994), S. 22; Wolfrum, B.; (1994), S. 400-427; Weisenfeld-Schenk, U.; (1995 a), S. 96-98; Brockhoff, K.; (1995 b), S. 443-451; Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 101. Bezüglich der Möglichkeit, mit Hilfe kombinierter Markt-Technologie-Portfolio-Ansätze eine Integration von Marketing- und Technologiestrategie zu gewährleisten, vgl. exemplarisch Capon, N.; Glazer, R.; (1987), S. 1-14 und Specht, G.; Michel, K.; (1988), S. 502-520. Vgl. Wheelwright, S. C.; Hayes, R. H.; (1985), S. 103; Wildemann, H.; (1987a), S. 1110, insbes. S. 4 und 35; Wildemann, H.; (1987b), S. 1-2; Hayes, R. H.; Wheelwright, S. C.; Clark, K. B.; (1988), S. 273 und 280; Clark, K. B.; (1989), S. 97; Höft, U.; (1992), S. 13; Miller, J. G.; Roth, A. V.; (1994), S. 301; Wolfrum, B.; (1994), S. 435437; Bessant, J.; (1997), S. 177-195. Vgl. Stuart, F. I.; (1991), S. 29-34; Boutellier, R.; Locker, A.; (1996), S. 254-263; Wildemann, H.; (1996 a), S. 144-147; Locker, A. M.; (1997), insbes. S. 104-121; Bidault, F.; Despres, C.; Butler, C.; (1998 a), S. 49-69 und Bidault, F.; Despres, C.; Butler, C.; (1998b), S. 719-732. Krubasik weist in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit einer verbesserten „internen (und externen) Kopplung“ zur Entwicklung „überlegener Innovationsstrategien“ im Rahmen des Technologiemanagements hin, vgl. Krubasik, E.; (1988), S. 457. Ähnlich Pavitt, K.; (1990), S. 18; Roussel, P. A.; Saad, K. N.; Erickson, T. J.; (1991), S. 3-4; Saad, K.N.; Roussel, P. A.; Tiby, C.; (1991), S. 15; Höft, U.; (1992), S. 13; und Wolfrum, B.; (1994), S. 399. Wheelwright/Clark entwerfen ein alle Funktionsbereichsstrategien integrierendes Konzept der Entwicklungsstrategie, vgl. Clark, K. B.; Wheelwright, S. C.; (1993), S. 83-154, insbes. S. 85 und 88-96; Wheelwright, S. C.; Clark, K. B.; (1994), S. 4987, insbes. S. 51-52 und S. 56-66. Giget liefert mit seiner „Triangel für technologische Innovationen“ eine weitere derartige Integrationskonzeption, die Technologie-, Marketing- und Fertigungsstrategie umfaßt, vgl. Giget, M.; (1997), S. 625-627.

Strategisches Technologiemanagement und technologieorientierte Strategietypologien 91

Hinsichtlich der Abstimmung und Integration von Funktionsbereichsstrategien untereinander und mit der Gesamtunternehmensstrategie ist zwischen Abstimmungsqualität (der Qualität der Lösung der Schnittstellenproblematik) einerseits und der Abstimmung der inhaltlichen Ausgestaltung bzw. Zielrichtung der Funktionsbereichsstrategien andererseits zu unterscheiden. Empirische Untersuchungen zur Abstimmungsqualität an der Schnittstelle Marketing/Technologiemanagement (bzw. F&E) und Produktion/Technologiemanagement (bzw. F&E) führen zu dem Ergebnis einer ungenügenden Lösung der Schnittstellenproblematik in der unternehmerischen Praxis.297 Bezüglich der inhaltlichen Abstimmung der Funktionsbereichsstrategien wurde in der Literatur eine Harmoniehypothese aufgestellt, wonach die Funktionsbereichsstrategien bei gelungener Abstimmung eine gleichgerichtete inhaltliche Ausrichtung aufweisen. Harmonierende Funktionsbereichsstrategien zeigen demnach ein gleiches Maß an Offensivität in der inhaltlichen Grundausrichtung. So harmoniert beispielsweise eine offensive Technologiestrategie mit einer offensiven Marketingstrategie und eine defensive Technologiestrategie mit einer defensiven Marketingstrategie.298 Empirische Untersuchungen gelangen zu widersprüchlichen Befunden, inwieweit in der unternehmerischen Praxis eine Harmonisierung der Funktionsbereichsstrategien erfolgt: Während beispielsweise die meisten empirischen Befunde zur Integration von Technologie- und Marketingstrategie nur bei weniger als der Hälfte der untersuchten Unternehmen eine Harmonisierung beider Funktionsbereichsstrategien feststellen,299 gelangen jüngere Studien zum gegenteili-

297

298 299

Bezüglich der Notwendigkeit und Ausgestaltung eines funktionsübergreifenden Informationssystems als Voraussetzung für eine erfolgreiche Funktionsbereichsstrategieabstimmung, vgl. Möhrle, M. G.; (1991), S. 98-107. Vgl. Souder, W. E.; Chakrabarti, A. K.; (1980), S. 135-143; Souder, W. E.; (1981), S. 67-71; Souder, W. E.; (1987), S. 161-178, insbes. S. 162-169; Brockhoff, K.; (1989), S. 28-30; und Domsch, M.; Gerpott, T. J.; Gerpott, H.; (1991), S. 1056-1061; Benkenstein, M.; (1995), Sp. 667-677 (Schnittstelle Marketing-Technologiemanagement), Gerpott, H.; (1991), S. 129-139 (Schnittstelle Produktion-Technologiemanagement), sowie Eversheim, W.; Bochtler, W.; Laufenberg, L.; (1995), S. 6-8; und Boutellier, R.; Locker, A.; (1996), S. 264; (Schnittstelle Beschaffung-Technologiemanagement). Zur generellen Problematik von Schnittstellen und ihrem Management, vgl. Brockhoff, K.; Hauschildt, J.; (1993), S. 396-403. Vgl. Brockhoff, K.; (1989), S. 19. Vgl. Brockhoff, K.; Chakrabarti, A. K.; (1988), S. 172; Brockhoff, K.; (1989), S. 2426; und Brockhoff, K.; (1990 a), S. 459-461; sowie die darauf aufbauenden Untersu-

92

Konzeptionelle Grundlagen: 300

gen Resultat. Das Vorliegen einer Harmoniestörung kann zwar mit einer ungenügenden Gestaltung der Schnittstellen erklärt werden,301 dennoch bleibt fraglich, ob eine hohe Abstimmungsqualität durch ein erfolgreiches Schnittstellenmanagement in allen Fällen zwingend einen hohen Harmonisierungsgrad zwischen den Funktionsbereichsstrategien nach sich ziehen sollte, um einen höheren Unternehmenserfolg zu gewährleisten. Bisherige empirische Arbeiten zu dieser Problematik ergeben ein uneinheitliches Bild,302 doch scheint eine differenziertere Betrachtung angebracht,303 die die Harmoniehypothese, zumindest in ihrer reinen Form, ablöst.304 Auf diese Problematik wird in Zusammenhang mit der nachfolgenden Diskussion der korrespondierenden Strategietypologien in Kapitel 2.3.2 noch näher eingegangen werden. Die späteren eigenen empirischen Befunde zur Frage einer gleichartigen Ausrichtung der unterschiedlichen spiegelbildlichen technologiestrategischen Dimensionen für die beiden Bereiche Technologiebeschaffung und -verwertung305 werden ebenfalls ein erheblich differenzierteres Bild erkennen lassen.

chungen von Weisenfeld, U.; Chakrabarti, A. K.; (1990), S. 754-757 und Ng, S. C. S.; Pearson, A. W.; Ball, D. F.; (1992), S. 359-361. 300 Vgl. Weisenfeld-Schenk, U.; (1995 a), S. 261-265 und Traynor, K.; Traynor, S.; (1997), S. 243-248. 301 Vgl. Brockhoff, K.; (1989), S. 28-30. 302 Vgl. die Diskussion bei Brockhoff, K.; (1989), S. 26-30, sowie die empirischen Befunde und Ausführungen von Brockhoff, K., Pearson, A.; (1992), S. 319-323; Nyström, H.; Liljedahl, S.; (1995), S. 150-155; Weisenfeld-Schenk, U.; (1995 a), S. 281286 und Traynor, K.; Traynor, S.; (1997), S. 238-248. Stichprobenzusammensetzung sowie Kriterien und Methodik der Erfolgsmessung der vorstehend genannten Studien weisen große Unterschiede auf, so daß eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse nur sehr bedingt gegeben ist. Zusätzlich sei auf die bereits von den Autoren vorgenommenen Einschränkungen hinsichtlich der Aussagekraft der ermittelten Ergebnisse hingewiesen, vgl. ebenda. 303 Vgl. Brockhoff, K., Pearson, A.; (1992), S. 320-323. 304 Vgl. hierzu die prinzipiellen Einwände gegenüber der Harmoniehypothese von Wolfrum und Weidler, Wolfrum, B.; (1994), S. 405; Weidler, A.; (1997), S. 111. 305 Der technologiestrategische Entscheidungsbereich der Technologieverwertung überschneidet sich dabei teilweise mit den Entscheidungsfeldern der Marketingstrategie. Insofern können die beim direkten Vergleich der einzelnen technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen für die beiden Bereiche Technologiebeschaffung und -verwertung gewonnenen Erkenntnisse auch einen erheblichen Erklärungsbeitrag für die Evaluation der Harmoniehypothese liefern. Vgl. hierzu die Beschreibung der empirischen Befunde für die Technologiebeschaffung (Kap. 6.2, S. 436ff) und Techno-

Strategisches Technologiemanagement und technologieorientierte Strategietypologien 93

Unabhängig vom Ausmaß der Harmonisierung der Funktionsbereichsstrategien ist die Konsequenz der intensiven Vernetzung der einzelnen Funktionsbereichsstrategien, daß Technologiestrategien immer auch Komponenten enthalten, die zugleich Bestandteile anderer Funktionsbereichsstrategien sind. Ob es sich beispielsweise bei einem einzelnen Strategieelement primär um einen Aspekt der Technologiestrategie oder um einen der Marketingstrategie handelt, hängt im wesentlichen von der Betrachtungsperspektive ab, wie zahlreiche der später diskutierten Technologiestrategien und Technologiestrategietypologien deutlich machen werden. Die nachfolgend betrachteten Ansätze sind daher am treffendsten als technologieorientierte Strategietypologien zu bezeichnen. Wie der Terminus Technologiestrategie zu definieren ist, aus welchen Einzelelementen eine Technologiestrategie aufgebaut ist bzw. welche technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen ihr zugrundeliegen und welche Aufgaben daraus für das strategische Technologiemanagement resultieren, wird in der wissenschaftlichen Literatur recht unterschiedlich beurteilt, wie die nachfolgenden Betrachtungen belegen werden. Im Folgenden soll daher eine Analyse ausgewählter technologieorientierter Strategietypologien vorgenommen werden, um die zur Typologisierung verwendeten Technologiestrategieelemente herauszuarbeiten. Diese Analyse wird durch eine differenzierte Betrachtung der wichtigsten Ansätze zu Modellen des strategischen Technologiemanagements vervollständigt werden. Auf Basis dieser Synopse der diesbezüglichen wissenschaftlichen Literatur soll dann in Kapitel 3 der Begriff der Technologiestrategie definiert, eine Aufgabenbeschreibung des strategischen Technologiemanagements vorgenommen und ein umfassendes und konsistentes Modell des technologiestrategischen Entscheidungsraums abgeleitet werden.306 Hierauf aufbauend soll dann die Antwort auf die Frage stehen, ob ein all diese technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen und Entscheidungsbereiche berücksichtigender und für den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit geeigneter Typologisierungsansatz existiert bzw. abgeleitet werden kann.

306

logieverwertung (Kap. 6.3, S. 491ff) und die Modellkritik in Kap. 8 (S. 655ff), wo dieser Punkt in Kap. 8.2 (S. 660ff) noch einmal explizit aufgegriffen wird. Vgl. S. 113ff.

94

Konzeptionelle Grundlagen:

2.3.2

Ansätze von Strategietypologien im Rahmen des strategischen Technologiemanagements

Aufgabe dieses Unterkapitels ist es, eine sorgfältige Untersuchung ausgewählter technologieorientierter Strategietypologien mit dem Ziel der Identifikation der berücksichtigten bzw. zur Typologisierung verwendeten Technologiestrategieelemente vorzunehmen. Um eine umfassende und möglichst vollständige Extraktion der technologiestrategischen Einzelkomponenten zu gewährleisten, erfolgte die Aufarbeitung der Typologisierungsansätze bewußt auf breiter Basis und auch unter Einbezug explizit nur technologiestrategische Teilaspekte enthaltender Ansätze.307 Im Rahmen des hierzu erforderlichen Analyseprozesses wurden alle nachfolgend genannten Ansätze ausführlich untersucht und differenziert diskutiert. Um den mit der Thematik des strategischen Technologiemanagements vertrauten Leser zügig zum Ergebnis zu führen, konzentrieren sich die Ausführungen hier im Text auf eine Übersicht und zusammenfassende Bewertung.308 Um bei der großen Zahl der betrachteten Ansätze eine klare Übersichtlichkeit und ein prägnantes Hervortreten struktureller Unterschiede zu gewährleisten, wurden die einzelnen Ansätze zu Ansatzkategorien zusammengefaßt. Die dabei vorgenommene Systematik erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit noch stellt sie die einzige denkbare Kategorisierungsmöglichkeit dar. Auch war aufgrund des sehr unterschiedlichen theoretischen und empirischen Hintergrundes der Ansätze eine überschneidungsfreie Zuordnung nicht in allen Fällen gegeben. Dennoch erscheint es vertretbar, zugunsten der Systematik die strenge Chronologie zu durchbrechen, um den roten Faden im Laufe der Diskussion nicht aus den Augen zu verlieren. 307

308

Es wurden auch Arbeiten ausgewählt, deren Autoren einen vollständigen Einbezug aller technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen explizit nicht beabsichtigten, – dies trifft für wenige der jüngeren Typologisierungen (kooperative Ansätze) zu, – da in diesen gerade die technologiestrategischen Elemente im Mittelpunkt standen, die in den früheren Arbeiten nicht oder nur unzureichend berücksichtigt wurden. Hierauf wird aber im Einzelfall konkret einzugehen sein. Die hier im Text vorgenommenen Ausführungen sind nur das Ergebnis einer ausführlichen Analyse der zugrundeliegenden Literatur, auf deren Wiedergabe hier aus Gründen der Übersichtlichkeit und Stringenz verzichtet wird. Die zugrundeliegende ausführliche Synopse der zentralen Ansätze der technologieorientierten Strategietypologien kann am Lehrstuhl für Marketing der TU Chemnitz angefordert werden, vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 43ff.

Strategisches Technologiemanagement und technologieorientierte Strategietypologien 95 Technologieorientierte Strategietypologien Idealtypologien

Realtypologien InnovationsStruktur-orientierte Ansätze

"Frühe" Idealtypologien

Generische Ansätze

Ansoff/Stewart (1967)

Porter (1983)

Abernathy/Clar k (1985)

Cooper (1984/85)

Brockhoff/Cha k-rabarti (1988)

Rotering (1990)

Ansoff/Brande n-burg (1967)

Zörgiebel/Spec ht (1983)

Henderson/Clar k (1990)

Manu (1992)

Brockhoff/ Pearson (1992)

Teichert (1994)

Freeman (1974)

Zahn (1986)

Afuah/Bahram (1995)

Weisenfeld et al. (1989 ff.)

Herden (1992)

Bipolare Ansätze

McGowan (1990)

Weisenfeld (1995)

Heydebreck (1996)

Twiss (1974)

Snow/Ottensmeyer (1990)

Thom (1976)

Schröder (1997)

"Frühe" Realtypologien

Integrative Ansätze

Kooperative Ansätze

Urban/Hause r (1980) Maidique/Patch (1982) Johne (1983)

Abb. 2-5:

Übersicht und Kategorisierung zentraler technologieorientierter Strategietypologien. Quelle: Eigene Darstellung.

Die technologieorientierten Strategietypologien lassen sich hinsichtlich der methodischen Vorgehensweise, die ihrer Ableitung zugrunde liegt, in unterschiedliche Gruppen von Ansätzen unterteilen. Eine erste zentrale Differenzierung unterscheidet die diskutierten Ansätze dabei zunächst in Ideal- und Realtypologien. Während die Idealtypologien ausschließlich auf Basis theoretischer Überlegungen postuliert werden, basieren die Realtypologien auf empirischen Befunden, die mit Hilfe multivariater Analysetechniken, insbesondere der Clusteranalyse, zur Identifikation von unterschiedlichen Realtypen technologieorientierter Strategien genutzt werden. Beide Gruppen lassen sich dann noch differenzierter hinsichtlich ihrer Grundkonzeption kategorisieren, vgl. Abb. 2-5.309 Die wohl heterogenste Kategorie von technologieorientierten Strategietypologien stellen die „frühen Idealtypologien“ dar. Sie weisen die größten Schwan-

309

Die Unterscheidung in die verschiedenen Kategorien von Ansätzen wurde auch als Struktur für deren Analyse genutzt. Eine genauere Beschreibung und Charakterisierung der einzelnen Kategorien von Ansätzen ist in der bereits erwähnten Synopse, die am Lehrstuhl für Marketing der TU Chemnitz angefordert werden kann, wiedergegeben, vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 43ff.

96

Konzeptionelle Grundlagen:

kungsbreiten hinsichtlich ihres theoretischen Hintergrundes und des Ausmaßes an empirischer Fundierung durch Fallstudien auf (falls diese Fundierung überhaupt gegeben ist). Allen gemeinsam ist, daß es sich um Idealtypologien handelt. Als die wichtigsten Ansätze dieses Typs sind die Arbeiten von Ansoff/Stewart (1967),310 Ansoff/Brandenburg (1967),311 Freeman (1974),312 Maidique/Patch (1982)313 und Johne (1983)314 zu nennen. Einen Sonderfall der frühen Idealtypologien stellen eine ganze Reihe von Ansätzen dar, die technologiestrategische Verhaltensmuster auf zwei gegensätzliche Grunddimensionen zuspitzen.315 Wir wollen im Folgenden von „bipolaren Ansätzen“ sprechen, wenn der entsprechende Ansatz von seiner Hauptausrichtung durch den Dualismus zweier gegensätzlicher Pole gekennzeicht ist. In der Literatur existiert eine Vielzahl derartiger Ansätze, wovon nur einige ausgewählte (Twiss (1974)316, Thom (1976)317 und Urban/Hauser (1980)318) in Abbildung 2-5 wiedergegeben sind.319 310

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Vgl. Ansoff, H.I.; Stewart, J.M.; (1967), S. 72-83. Bzgl. Kritik am Ansatz von Ansoff/ Stewart vgl. Zörgiebel, W. W.; (1983), S. 105; Perillieux, R.; (1987), S. 143; Schewe, G.; (1992), S. 42-43; Wolfrum, B.; (1994), S. 256; und Buchholz, W.; (1996), S. 165166 sowie die eigene detaillierte Analyse: Feldmann, C.; (2005 a), S. 45ff. Vgl. Ansoff, H. I.; Brandenburg, R. G.; (1970), S. 5-27 – 5-35. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Ansoff/Brandenburg vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 50ff. Vgl. Freeman, C.; (1982), S. 169-183. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Freeman vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 54ff. Vgl. Maidique, M. A.; Patch, P.; (1982), S. 273-285. Bezüglich einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Maidique vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 68ff. Bezüglich weiterer Kritik zum Ansatz von Maidique/Patch vgl. Brockhoff, K.; (1989); S. 11; Schewe, G.; (1992), S. 46; Wolfrum, B.; (1994), S. 257-259. Vgl. Johne, F. A.; (1983), S. 1-8; Johne, F. A.; (1985), S. 8-10; Johne, F. A.; (1986), S. 144-151; und Johne, F. A.; Snelson, P. A.; (1988), S. 121-122 sowie die VorläuferArbeiten von Nyström, vgl. Nyström, H.; (1979), S. 10-15; und Nyström, H.; (1990), S. 16-18. Bezüglich einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Johne vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 71ff. Bezüglich einer Übersicht und Kategorisierung der frühen bipolaren Ansätze vgl. Kern, W.; Schröder, H.-H.; (1977), S. 82-87. Vgl. Twiss, B. C.; (1974), S. 56-59; Twiss, B. C.; (1977), S. 188-189 und Twiss, B. C.; (1986), S. 55-57. Sowie für frühere ähnliche Überlegungen vgl. Pavitt, K.; (1969), S. 12-13; Dathe, H. M.; (1971), S. 20. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Twiss vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 61ff. Vgl. Thom, N.; (1976), 189-201; und Thom, N.; (1980), S. 174-186. Da sich die Arbeit Thoms mit dem Innovationsmanagement beschäftigt, wird ein Zusammenhang

Strategisches Technologiemanagement und technologieorientierte Strategietypologien 97

Eine Reihe von idealtypologischen Ansätzen nehmen auf das theoretische Fundament der Industrieökonomie und die wettbewerbsstrategischen Konzeptionen Porters Bezug.320 Sie sollen daher hier in einer eigenen Kategorie unter dem Begriff „generische Idealtypologien“ zusammengefaßt werden.321 Die wichtigsten Ansätze dieser Gruppe stammen von Porter selbst, Porter (1983),322 sowie von Zörgiebel/Specht (1983),323 Zahn (1986),324 McGowan (1990),325 Snow/Ottensmeyer (1990)326 und Schröder (1997).327

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der abgeleiteten strategischen Grundorientierung mit konkreten technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen nicht aufgezeigt. Vgl. Urban, G. L.; Hauser, J. R.; (1980), S. 19-29 und S. 572-574. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Urban/Hauser vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 65ff und Foxall, G. R.; (1984), S. 60-66. Für eine detaillierte Analyse der bipolaren Ansätze vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 60ff. Vgl. Kap. 2.2.2.1 (S. 76ff), sowie ausführlicher Feldmann, C.; (2005 a), S. 11ff. Vgl. für eine detailliertere Betrachtung der generischen Idealtypologien Feldmann, C.; (2005 a), S. 73ff. Vgl. Porter, M. E.; (1983), S. 9-30; und Porter, M. E.; (1986 a), S. 234-263. Für empirische Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen generischer Wettbewerbsstrategie und Technologiestrategie vgl. Liao, Z.; Greenfield, P. F.; (1997), S. 542-553; Albach, H.; Audretsch, D. B.; Fleischer, M.; Greb, R.; Höfs, E.; Röller, L.-H.; Schulz, I.; (1996a), S. 39-48; sowie Calori, R.; (1990), S. 24-29; und Calori, R.; (1985), S. 59; sowie bezüglich weiterer auf Fallstudienbasis durchgeführter technologiestrategischer Vertiefungen dieser Studien auch Calori, R.; Noel, R.; (1986), S. 54-65, insbes. S. 5962. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Porter vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 73ff sowie die dort genannte Literatur. Vgl. Zörgiebel, W. W.; (1983), S. 109-121 und Specht, G.; Zörgiebel, W. W.; (1985), S. 161-172. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Zörgiebel/Specht vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 83ff sowie die dort genannte Literatur. Vgl. Zahn, E.; (1986), S. 34-44, sowie die früheren Ausführungen von Drucker, P. F.; (1985a), S. 310-340 sowie Drucker, P. F.; (1985b), S. 15-24. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Zahn vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 87ff sowie die dort genannte Literatur. Vgl. McGowan, R. P.; (1990), S. 213-225, insbes. S. 215-221. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von McGowan vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 92ff. Vgl. Snow, C. C.; Ottensmeyer, E. J.; (1990), S. 181-193. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Snow/Ottensmeyer vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 95f. Vgl. Schröder, H.-H.; (1997), S, 107-152, insbes. S. 134-140. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Schröder vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 96ff.

98

Konzeptionelle Grundlagen:

Ähnlich wie die generischen wenden sich auch die „innovations-strukturorientierten Ansätze“ der Wettbewerbswirkung von Innovationen und den von ihnen verursachten strukturellen Änderungen zu.328 Im Gegensatz zu ersteren ist allerdings die Ableitung von Normstrategien nicht prioritäres Ziel, vielmehr geht es darum, die Gestaltungskraft von Innovationen näher zu beleuchten mit Blick auf das Wettbewerbsgefüge, im Sinne des klassischen Schumpeterschen Ansatzes der kreativen Zerstörung, ohne daß auf diesen allerdings Bezug genommen wird. Der technologiestrategische Erkenntnisgewinn ist eher implizites Nebenprodukt, nichtsdestotrotz sind diese Ansätze von hoher Relevanz für das strategische Technologiemanagement. Die wichtigsten Ansätze dieser Kategorie von Idealtypologien sind von Abernathy/Clark (1985),329 Henderson/Clark (1990)330 und Afuah/Bahram (1995).331 Bei allen bislang diskutierten Ansätzen hat es sich um Idealtypologien gehandelt. Im Gegensatz zu dem vorstehenden alleinigen theoretischen Fundament, das nur bruchstückhaft mit Fallstudien untermauert wurde, werden die nachfolgenden Ansätze alle auf empirischer Basis, zumeist unter Zuhilfenahme multivariater Analysemethoden, abgeleitet. Genau wie die nachfolgend zuerst genannte Gruppe der „frühen oder allgemeinen Realtypologien“332 handelt es sich auch bei den danach folgenden integrativen und kooperativen Ansätzen um

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Vgl. für eine detailliertere Betrachtung der innovations-struktur-orientierten Idealtypologien Feldmann, C.; (2005 a), S. 100ff. Vgl. Abernathy, W. J.; Clark, K. B.; (1985), S. 3-22; Clark, K.; (1987), S. 59-81; Abernathy, W. J.; Clark, K. B.; (1988), S. 55-78. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Abernathy/Clark vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 100ff sowie die dort genannte Literatur. Vgl. Henderson, R. M.; (1988), S. 27-257 und Henderson, R. M.; Clark, K. B.; (1990), S. 9-30. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Henderson/Clark vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 103ff. Vgl. Afuah, A. N.; Bahram, N.; (1995), S. 51-76. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Afuah/Bahram vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 105ff. Vgl. für eine detailliertere Betrachtung der frühen oder allgemeinen Realtypologien Feldmann, C.; (2005 a), S. 107ff.

Strategisches Technologiemanagement und technologieorientierte Strategietypologien 99

Realtypologien. Die wichtigsten Ansätze dieser ersten Kategorie von Realtypologien stammen von Cooper (1984/85)333 und Manu (1992).334 Bei den Ansätzen, die hier als integrative Ansätze bezeichnet werden sollen, handelt es sich um auf Basis empirischer Studien mit Hilfe von Multivariatenanalysetechniken abgeleitete Realtypologien, die als besonderes Charakteristikum gleichzeitig zur Ableitung einer Technologie- und Marketingstrategietypologie führen und sich der Wechselwirkung zwischen beiden zuwenden.335 In diesem Zusammenhang wird dann auch auf die zu Beginn des Kapitels 2.3.1 diskutierte Harmoniehypothese zurückzukommen sein.336 Alle hier genannten Ansätze dieser Kategorie bilden eine Sequenz, d. h. sie bauen aufeinander auf. Ihr Fundament ist der Ansatz von Brockhoff/Chakrabarti (1988),337 auf dessen Datenmaterial auch die Arbeit von Brockhoff/Pearson (1992)338 basiert, die also eine rein konzeptionelle Erweiterung darstellt. Ebenfalls auf dem Ansatz von Brockhoff/Chakrabarti (1988) bauen die parallel in Deutschland, Großbritannien und den USA mit dem gleichen Forschungsdesign in der Biotechnologiebranche durchgeführten empirischen Studien von Brockhoff (1990) (Deutschland), Ng/Pearson/Ball (1992) (Großbritannien), Weisenfeld/Chakrabarti (1989/90/91) (USA) auf, die aufgrund des identischen For-

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Vgl. Cooper, R. G.; (1984b), S. 17-25; und Cooper, R. G.; (1985), S. 180-184. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Cooper vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 107ff sowie die dort genannte Literatur. Vgl. Manu, F. A.; (1992), S. 342-356. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Manu vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 110ff sowie die dort genannte Literatur. Vgl. für eine detailliertere Betrachtung der integrativen Realtypologien Feldmann, C.; (2005 a), S. 113ff. Vgl. S. 88ff. Vgl. Brockhoff, K.; Chakrabarti, A. K.; (1988), S. 167-174. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Brockhoff/Chakrabarti vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 114ff. Vgl. Brockhoff, K.; Pearson, A.; (1992), S. 318-324. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Brockhoff/Pearson vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 118ff.

100

Konzeptionelle Grundlagen:

schungsdesigns auch gemeinsam besprochen werden sollen.339 Sie dienen wiederum (gemeinsam) als Pilotstudie für den Ansatz von Weisenfeld (1995),340 der den Abschluß in der Reihe der hier genannten integrativen Ansätze bildet. Die nächste Gruppe von „kooperativen Ansätzen“ stellt keine eigentliche technologieorientierte Strategietypologie im bisherigen Sinne dar.341 Keiner der nachfolgend betrachteten Ansätze verfolgte das Ziel, umfassende Technologiestrategietypen unter Einbezug aller relevanten Technologiestrategieelemente zu identifizieren. Vielmehr konzentrieren sich alle genannten Ansätze auf unterschiedliche Typen von F&E- und Technologiekooperationsstrategien. Der Grund, sie trotzdem an dieser Stelle zu betrachten, ist, daß in allen bislang betrachteten Ansätzen kooperative Strategieelemente nur rudimentär vorkamen. In den wenigen Ansätzen, in denen dies bislang überhaupt der Fall war, geschah dies in der Regel nur stark verengt auf den Gesichtspunkt der Eigenerzeugung (durch unternehmensinterne F&E) versus Fremdbeschaffung neuen technologischen Wissens (aus Quellen außerhalb des Unternehmens).342 Am Ende der vorgenommenen genaueren Betrachtung einiger zentraler Ansätze zu F&E- und Technologiekooperationstypologien wird festzustellen sein, daß dies nicht die einzige technologiestrategische Dimension ist, die hinsichtlich von Technologiekooperationen im Rahmen der technologiestrategischen Entscheidungsfindung zu betrachten ist. Für alle denkbaren relativen Bedeutungskonstellationen von interner zu externer Wissensbeschaffung und -verwertung ist nämlich zusätzlich noch die Frage zu beantworten, wie wichtig kooperative Elemente dabei insge-

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Vgl. Brockhoff, K.; (1990 a), S. 451-472; Chakrabarti, A. K.; Weisenfeld, U.; (1989), S. 357-366; Weisenfeld, U.; Chakrabarti, A. K.; (1990), S. 747-758; Chakrabarti, A. K.; Weisenfeld, U.; (1991), S. 243-260; Ng, S. C. S.; Pearson, A. W.; Ball, D. F.; (1992), S. 351-361; und Weisenfeld-Schenk, U.; (1994 b), S. 57-64. Bzgl. einer kritischen Diskussion der Ansätze von Brockhoff, Ng/Pearson/Ball und Weisenfeld/ Chakrabarti vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 121ff sowie die dort genannte Literatur. Vgl. Weisenfeld-Schenk, U.; (1994 a), S. 369-380; Weisenfeld-Schenk, U.; (1995 a), S. 233-317; und Weisenfeld-Schenk, U.; (1995 b), S. 974-983. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Weisenfeld vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 126ff. Vgl. für eine detailliertere Betrachtung der kooperativen Ansätze der Realtypologien Feldmann, C.; (2005 a), S. 135ff. Diese Grundsatzentscheidung über die relative Gewichtung von interner und externer Technologiebeschaffung bzw. –verwertung wird in der vorliegenden Arbeit als „Intensität der Außenorientierung“ bezeichnet. Vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 3.3.2.3, S. 180ff.

Strategisches Technologiemanagement und technologieorientierte Strategietypologien 101

samt sind und welche strategische Bedeutung dabei technologischen Netzwerken unter Einbezug unterschiedlicher Kooperationspartnertypen und Kooperationsformen beigemessen wird. Diese technologiestrategische Dimension soll als technologischer Verflechtungsgrad bezeichnet werden. Unter dem Begriff technologischer Verflechtungsgrad werden dabei die technologiestrategische Bedeutung von Technologiekooperationen und der Umfang der dazu etablierten Technologienetzwerke verstanden.343 Da diese Dimension von existentieller Bedeutung für eine umfassende Technologiestrategie ist, wurden daher einige zentrale Ansätze – Rotering (1990),344 Teichert (1994),345 Herden (1992)346 und Heydebreck (1996)347 – , die diese Dimension erstmals differenziert und präzise analysieren, in die Analyse aufgenommen. 2.3.2.1

Zusammenfassende Würdigung der technologieorientierten Strategietypologisierungsansätze

Als abschließende Bilanz der sorgfältigen Analyse aller genannten Ansätze348 zu technologieorientierten Strategietypologien können wir festhalten, daß vier technologiestrategische Entscheidungsbereiche mit jeweils sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen aus der Gesamtheit aller Ansätze extrahiert werden konnten.

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Vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 3.3.2.4, S. 190ff. Vgl. Rotering, C.; (1990), S. 169-186. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Rotering vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 136ff sowie die dort genannte Literatur. Vgl. Teichert, T. A.; (1993), S. 526-531; Teichert, T. A.; (1994), S. 214-228; und Teichert, T.A.; (1997), S. 812-819. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Teichert vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 139ff. Vgl. Herden, R.; (1992), S. 89-107. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Herden vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 141ff sowie die dort genannte Literatur. Vgl. Gemünden, H. G.; (1995), S. 294-298; Gemünden, H. G.; Heydebreck, P.; (1995), S. 833-847; Heydebreck, P.; (1996), S. 119-120, S. 162-173 und S. 199-208. Bzgl. einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Heydebreck vgl. Feldmann, C.; (2005 a), S. 143ff sowie die dort genannte Literatur. Bzgl. der empirischen Vorgehensweise vgl. auch die späteren Ausführungen in Kap. 4.4.2, S. 386ff. Die hier im Text vorgenommenen Ausführungen stellen nur das Ergebnis einer ausführlichen Analyse der zugrundeliegenden Literatur dar, auf deren detaillierte Wiedergabe hier aus Gründen der Übersichtlichkeit und Stringenz verzichtet wird. Die zugrundeliegende ausführliche Synopse aller genannten Ansätze der technologieorientierten Strategietypologien kann am Lehrstuhl für Marketing der TU Chemnitz angefordert werden, vgl. Feldmann, C.; (2005 a).

102

Konzeptionelle Grundlagen:

Die vier technologiestrategischen Entscheidungsbereiche sind dabei: –

Technologiebeobachtung



Technologiebeschaffung



Technologiesicherung



Technologieverwertung.

Technologiebeschaffung und -verwertung sind dabei von zentraler Bedeutung. Für jeden dieser zwei (streng genommen vier) Bereiche konnten jeweils sechs technologiestrategische Dimensionen identifiziert werden: –

Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus



Timing



Intensität der Außenorientierung (Make-or-Buy-Relation)



Technologischer Verflechtungsgrad



Breite der technologischen Ausrichtung (Spezialisierungsgrad)



Geographischer Aktivitätsradius

Wie die Übersicht aller diskutierten Ansätze in Tabelle 2-2 und Tabelle 2-3 belegt, deckt allerdings keiner der bisherigen ideal- oder realtypologischen Ansätze alle beide (vier) technologiestrategischen Entscheidungsbereiche mit ihren jeweils sechs Entscheidungsdimensionen vollständig ab und nutzt diese zur konsistenten Ableitung von Technologiestrategietypen.

Strategisches Technologiemanagement und technologieorientierte Strategietypologien 103 Tabelle 2-2: Übersicht verschiedener Technologiestrategietypologien und der in ihnen enthaltenen Technologiestrategieelemente (Teil 1). Quelle: Eig. Darstellung

Ansoff/ Stewart (1967) Ansoff/Brandenburg (1967) Freeman (1974) Twiss (1974) Thom (1976) Urban/ Hauser (1980) Maidique/ Patch (1982) Johne (1983) Porter (1983) Zörgiebel/ Specht (1983) Zahn (1986) McGowan (1990) Snow/Ottensmeyer (1990) Schröder (1997) Abernathy/ Clark (1985) Henderson/ Clark (1990)

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Realtypologie

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Geographische Ausdehnung und Marktwahl

Breite der technologischen Ausrichtung

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Technologischer Verflechtungsgrad

Intensität der Außenorientierung

Timing

Höhe des technologischen Leistungsniveaus

Technologiesicherung

Geographische Ausdehnung und Standortwahl

Breite der technologischen Ausrichtung

Technologischer Verflechtungsgrad

Intensität der Außenorientierung

Timing

Höhe des technologischen Leistungsniveaus

Ansatz (Jahr)

Technologieverwertung

Technologiebeschaffung

Technologiebeobachtung

Teil 1

104

Konzeptionelle Grundlagen:

Tabelle 2-3: Übersicht verschiedener Technologiestrategietypologien und der in ihnen enthaltenen Technologiestrategieelemente (Teil 2). Quelle: Eig. Darstellung

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Realtypologie

Idealtypologie

Geographische Ausdehnung und Marktwahl

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Breite der technologischen Ausrichtung

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Intensität der Außenorientierung

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Timing

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Höhe des technologischen Leistungsniveaus

(X)

Technologieverwertung Typ

Technologiesicherung

Geographische Ausdehnung und Standortwahl

Technologischer Verflechtungsgrad

Intensität der Außenorientierung

Timing

X

Breite der technologischen Ausrichtung

Afuah/Bahram (1995) Cooper (1984/85) Manu (1992) Brockhoff/ Chakrabarti (1988) Brockhoff/ Pearson (1992) Brockhoff (1990), Wiesenfeld/ Chrabarti (1989-1991), Ng et al. (1992) Weisenfeld (1995) Rotering (1990) Teichert (1994) Herden (1992) Heydebreck (1996)

Höhe des technologischen Leistungsniveaus

Ansatz (Jahr)

Technologiebeschaffung

Technologiebeobachtung

Teil 2

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Bisherige Ansätze zu Entscheidungsmodellen

105

2.4 Bisherige Ansätze zu Entscheidungsmodellen des strategischen Technologiemanagements Das vorliegende Kapitel wird eine kritische Gegenüberstellung der wichtigsten bisherigen Ansätze zu theoretischen Entscheidungsmodellen des strategischen Technologiemanagements vornehmen. Die im Rahmen dieser Synopse angestellten Überlegungen werden sich ausschließlich auf die inhaltliche Dimension von technologiestrategischen Planungsaspekten konzentrieren.349 Unberücksichtigt bleiben dabei also alle Fragestellungen, die den Prozeß dieser technologiestrategischen Planung, ihre Organisation, Implementierung oder die spätere Kontrolle zum Gegenstand haben. Das Hauptaugenmerk wird vielmehr darauf liegen, die in den einzelnen Modellen berücksichtigten technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen sowie deren relative Bedeutung und Position im jeweiligen Gesamtmodell herauszuarbeiten, genau wie dies bereits zuvor in Kap. 2.3 für die Technologiestrategietypologien erfolgt ist. Dies dient dem Zweck, aufbauend auf den so gewonnenen Erkenntnissen, in Kap. 3, ein eigenes Entscheidungsmodell des strategischen Technologiemanagements abzuleiten, das den mehrdimensionalen Entscheidungsraum des strategischen Technologiemanagements vollständig und konsistent abbildet.350 Anders ausgedrückt, soll nach den Phasen der Analyse und Extraktion der relevanten Ingredientien in Kap. 2.3 und 2.4 deren Synthese in Kap. 3 erfolgen. Die Analyse wird sich dabei auf die drei wichtigsten Modellansätze des strategischen Technologiemanagements konzentrieren. Das Modell Specht/Zörgiebels hatten wir bereits früher im Rahmen der Betrachtung der generischen Ansätze im vorstehenden Kap. 2.3.2 (S. 94ff) genannt.351 Nachfolgend sollen zwei weitere zentrale Ansätze zu Modellen des strategischen Technologiemanagements, die Ansätze von Ford et al. und von Wolfrum, einer eingehenderen Analyse unterzogen werden.

349

350 351

Vgl. hierzu die grundsätzlichen Eingrenzungen des Untersuchungsgegenstandes für die vorliegende Arbeit in Kap. 2.2.1.2 (S. 65ff) und Kap. 2.2.1.3 (S. 69ff). Vgl. S. 113ff. Vgl. hierzu Zörgiebel, W. W.; (1983), S. 109-121 und Specht, G.; Zörgiebel, W. W.; (1985), S. 161-172 und die Ausführungen in Feldmann, C.; (2005 a), S. 83ff zur detaillierten Charakterisierung und kritischen Einordnung dieses Modells, insbes. auch Abbildung 3-7, S. 86.

106

Konzeptionelle Grundlagen:

2.4.1

Der Modell-Ansatz von Ford (1985)

Einer der Pionieransätze zu Modellen des strategischen Technologiemanagements stammt von Ford. Ford et al. weisen in ihren Modellen erstmals darauf hin, daß drei technologiestrategische Bereiche zu unterscheiden sind:352 –

Technologiebeschaffung



Technologiemanagement



Technologieverwertung

Für die Bereiche Technologiebeschaffung und -verwertung ist dabei jeweils die Dimension der beabsichtigten Außenorientierung, sprich, die relative Gewichtung von interner zu externer Technologiebeschaffung bzw. -verwertung als jeweils getrennte Dimension zu berücksichtigen. Aufgabe des Technologiemanagements ist es unter anderem, die F&E-Budgetierung und die F&E-Standortwahl und -koordination vorzunehmen. Die Modellableitung Ford et al. basiert dabei sowohl auf theoretischen Überlegungen, als auch auf einer Reihe von qualitativen und quantitativen empirischen Befunden zu technologiestrategischen Planungsprozessen in der industriellen Praxis.353 Hierbei zeigt sich in der Tat die Plausibilitität des vorgeschlagenen Modells, insbesondere der Unterteilung in Bereiche mit jeweils eigenen Dimensionen: Sowohl für den Bereich der Technologiebeschaffung als auch -bewertung ergeben die empirischen Befunde nämlich unterschiedliche Ausmaße der Außenorientierung. Auch hinsichtlich der verschiedenen Technologiebeschaffungs- und -verwertungsformen können Unterschiede festgestellt werden. Der enorme Wert der Überlegungen Fords liegt vor allem darin, daß erstmals der Gedanke mehrerer eigenständiger (aber keinesfalls wechselwirkungsfreier) technologiestrategischer Bereiche (Technologiebeschaffung, -management, und -verwertung) mit jeweils eigenständigen technologiestrategischen Dimensionen (hier der der Außenorientierung – Make-or-Buy-Relation) entwickelt und empirisch untermauert wird. Die empirischen Befunde belegen, daß die Intensität der Außenorientierung nicht für alle technologiestrategischen Bereiche identisch, ja 352

353

Vgl. hierzu und zum Folgenden Ford, D.; (1985), S. 103-134; Ford, D.; (1988), S. 8595; Clarke, K.; Ford, D.; Saren, M.; (1989), S. 215-229; Clarke, K.; Ford, D.; Saren, M.; Thomas, R.; (1995), S. 169-190; Ford, D.; Thomas, R.; (1997), S. 596-612. Vgl. hierzu Ford, D.; (1985), S. 112-133; Clarke, K.; Ford, D.; Saren, M.; (1989), S. 221-228; Clarke, K.; Ford, D.; Saren, M.; Thomas, R.; (1995), S. 175-188.

Bisherige Ansätze zu Entscheidungsmodellen

107

noch nicht einmal gleichgerichtet ist. Nachteil dieser herausragenden Pionierarbeit ist es aber, daß nur zwei bzw. drei technologiestrategische Entscheidungsbereiche mit nur je einer Entscheidungsdimension identifiziert wurden. Dadurch bleiben insbesondere eine Reihe von Entscheidungsdimensionen unberücksichtigt: Das Modell ist damit zwar richtungweisend, bleibt aber unvollständig. 2.4.2

Der Modell-Ansatz von Wolfrum (1992)

Der Ansatz von Wolfrum ist ausschließlich theoriegeleitet. Auf Basis einer Analyse der wissenschaftlichen Literatur schlägt Wolfrum vier bzw. fünf für die technologiestrategische Entscheidungsfindung zu berücksichtigende Dimensionen („Problembereiche“) vor:354 –

Technologiestrategische Leistungsfähigkeit Als grundsätzliche Alternativen werden für diese Dimension die auf ein „Hochleistungsniveau“ abzielende „technologische Führerschaft“ und die auf eine „Normalleistung“ zugeschnittene „technologische Präsenz“ unterschieden.



Timing Hierbei wird zunächst eine Unterteilung in zwei Subdimensionen vorgenommen: ƒ Innovationstiming Das Innovationstiming hat die Entscheidung über den geeigneten Zeitpunkt des Markteintritts mit einem neuen Produkt (Brancheninsider) oder in eine neue Branche (Branchenoutsider“) zum Gegenstand. Wolfrum differenziert bezüglich dieser Dimension in die drei Ausprägungen Pionier, frühen Folger und späten Folger. ƒ Inventionstiming Das Inventionstiming richtet sich auf die Wahl des adäquaten Zeitpunktes, bei dem mit der Generierung des für die spätere Innovation notwendigen technologischen Wissens begonnen wird. Für diese Dimension unterscheidet Wolfrum nur zwischen zwei grundsätzlichen Alternativen: Dem Inventionsführer (Ersterfinder) und dem Inventionsfolger.

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Vgl. hierzu und zum Folgenden Wolfrum, B.; (1992), S. 25-34; Wolfrum, B.; (1994), S. 271-389; und Wolfrum, B.; (1995), S. 246-264.

108

Konzeptionelle Grundlagen:



Technologiequelle Bei dieser Dimension geht es um die Frage, ob eine Eigenerzeugung neuer Technologien durch unternehmensinterne F&E oder ein Technologieerwerb aus Quellen außerhalb des Unternehmens vorgenommen wird. Insgesamt werden für die Technologiebeschaffung die folgenden Optionen unterschieden: ƒ Eigene F&E ƒ Auftragsforschung ƒ F&E-Kooperation ƒ Technologiekauf ƒ Lizenznahme ƒ Akquisition von Unternehmen.



Technologieverwertung Auch für die Technologieverwertung arbeitet Wolfrum die verschiedenen Optionen interner und externer Technologieverwertung heraus: ƒ Eigennutzung ƒ Gemeinschaftliche Nutzung ƒ Lizenzvergabe ƒ Technologieverkauf

Als Entscheidungshilfe diskutiert Wolfrum zehn zweidimensionale „Entscheidungsmatrizen“, bei denen jede der fünf (zählt man Innovations- und Inventionstiming als getrennte Dimensionen) Dimensionen immer paarweise kombiniert werden. Jede Dimension wird dabei hinsichtlich jeder der von Wolfrum vorgeschlagenen Ausprägungen differenziert mit denen der anderen kombiniert, wobei jede Kombination zweier Ausprägungen einem eigenen Feld in einer der zweidimensionalen Matrizen entspricht. Die zentrale Leistung des Ansatzes von Wolfrum ist vor allem auf zwei Ebenen zu sehen: 1) stellt der Wolfrumsche Ansatz eine erhebliche Weiterentwicklung gegenüber dem Ansatz von Ford dar, in dem zusätzlich noch die Dimensionen Timing (getrennt in das Timing der Technologiebeschaffung und der -verwertung) und die Dimension der angestrebten technologischen Leistungsfähigkeit (nicht weiter differenziert für beide Bereiche) aufgenommen werden.

Bisherige Ansätze zu Entscheidungsmodellen

109

2) werden die vielschichtigen Wechselwirkungen und die komplexen Verflechtungen technologiestrategischer Entscheidungsprozesse nicht zuletzt durch die Darstellung in Matrizenform explizit und nachvollziehbar hervorgehoben. Die herausragende Bedeutung der Konzeption Wolfrums wird auch daraus ersichtlich, daß sie als Ausgangsbasis für die Überlegungen einer Reihe aktueller Arbeiten genutzt wird.355 Allerdings ist bislang noch kein Versuch unternommen worden, dieses Modell einem empirischen Praxistest zu unterziehen. Trotz des zweifelsfrei enormen Erkenntnisfortschritts kann auch der Ansatz von Wolfrum noch nicht als vollkommen ausgereift angesehen werden. Zentrale Ursache hierfür ist, daß die einzelnen Technologiestrategieelemente nicht nach einem einheitlichen und in sich schlüssigen Prinzip miteinander verknüpft werden und die von Ford eingeführte Differenzierung in Technologiestrategiebereiche mit jeweils eigenständigen Technologiestrategiedimensionen nur teilweise und vermutlich unbewußt umgesetzt wird: So wird zwar für die Dimension des Timings in zwei eigenständige Subdimensionen für die Bereiche Technologiebeschaffung und -verwertung unterschieden und auch für die Dimension der Intensität der Außenorientierung (Gewichtung von interner zu externer Technologiebeschaffung und -verwertung) erfolgt die Betrachtung letztlich getrennt, nicht jedoch für die Dimension der „Technologischen Leistungsfähigkeit“. Bereits bei der Dimension der Intensität der Außenorientierung legt die Benennung dieser Dimension für die beiden Bereiche mit „Technologiequelle“ (Technologiebeschaffung) und „Technologieverwertung“ (Technologieverwertung) den Verdacht nahe, daß hier eher eine zufällige Unterscheidung vorliegt. Bestärkt wird diese Vermutung auch dadurch, daß für die „Technologiequelle“ sechs verschiedene Ausprägungen und für die „Technologieverwertung“ nur vier Ausprägungen postuliert werden. Gleiches gilt auch für die Dimension des Timings, wo für den Bereich der Technologiebeschaffung („Inventionstiming“) in zwei Ausprägungen unterschieden wird, während für die Technologieverwertung („Innovationstiming“) drei angeführt werden.356

355

356

Vgl. hierzu z.B. Becker, T.; (1993), S. 93-101; Hopfenbeck, W.; (1996), S. 536-550, insbes. S. 537-538 und S. 547; sowie Weidler, A.; (1997), S. 113-125. Auch die Begriffe Inventions- und Innovationstiming sind für das strategische Technologiemanagement als nicht wirklich optimal für die Timingdimension anzusehen, schließlich umfaßt die Bandbreite technologiestrategischer Handlungsoptionen auch beispielsweise die Imitation. Treffender wäre also, vom relativen (zum Wettbewerb)

110

Konzeptionelle Grundlagen:

Auch deckt der Ansatz von Wolfrum zwar erheblich mehr technologiestrategische Dimensionen ab als vorangehende Modelle, umfassend ist er aber noch nicht: So fehlt die Dimension des geplanten technologischen Umfanges (Spezialisierungsgrad), des geographischen Aktionsradius und des beabsichtigten technologischen Verflechtungsgrades. Ein weiterer Nachteil liegt im hohen Abstraktionsgrad des Ansatzes von Wolfrum. Hieran ändern auch die von ihm für jede Dimension angeführten Ausprägungen/Optionen nichts Entscheidendes.357 Trotz dieser immer noch vorhandenen Nachteile stellen die Arbeiten von Wolfrum zweifelsfrei einen Meilenstein in der Konzeption technologiestrategischer Entscheidungsmodelle dar. 2.4.3

Zusammenfassende Würdigung der Ansätze zu Modellen des strategischen Technologiemanagements

Es existieren noch eine große Zahl weiterer Ansätze zu Modellen des strategischen Technologiemanagements, auf die an dieser Stelle aber nicht mehr detailliert eingegangen werden soll, da sie keine grundsätzlich neuen Technologiestrategieelemente und auch keine neuen oder überlegenen konzeptionellen Aspekte enthalten.358 Der Ansatz von Wolfrum kann aus den oben angeführten Gründen als der z. Zt. am weitesten fortgeschrittene betrachtet werden. Auch er scheint aber in konzeptioneller Hinsicht noch verbesserungsfähig zu sein. Eine zusätzliche Herausforderung liegt in einer geeigneten Operationalisierung.

357

358

Zeitpunkt des Einstiegs in eine (für das jeweilige Unternehmen) neue Technologie und dem der Verwertung dieser Technologie zu sprechen. Diese Problematik ist Wolfrum auch durchaus bewußt, führt er doch z.B. bezüglich der Dimension der technologischen Leistungsfähigkeit an, daß deren „Operationalisierung Schwierigkeiten bereitet“, vgl. Wolfrum, B.; (1994), S. 281. Vgl. hierzu z.B. die Ansätze und Modelle von Kern, W.; Schröder, H.-H.; (1977), S. 51-101; Ramanujam, V.; Mensch, G. O.; (1985), S. 214-215; Servatius, H.-G.; (1985), insbes. S. 266-283; Capon, N.; Glazer, R.; (1987), S. 1-14, insbes. S. 4-12; Burgelman, R. A.; Rosenbloom, R. S.; (1989), S. 1-23, insbes. S. 12-19; Saad, G.; Ozatalay, S.; (1990), S. 1187-1196; Stock, U.; (1990), S. 143-153; Contractor, F. J.; Narayanan, V. K.; (1992), S. 163-184; Chiesa, V.; Barbeschi, M.; (1994), S. 293-314; Kneerich, O.; (1995), S. 88-102; Burgelman, R. A.; Maidique, M. A.; Wheelwright, S. C.; (1996), S. 33-45; Feucht, H.; (1996), S. 30-34; Bea, F. X.; Feucht, H.; (1997), S. 5-6; Klein, M.; (1998), insbes. S. 53-88. Keiner dieser Ansätze unternimmt den Versuch einer Operationalisierung oder Anwendung in der unternehmerischen Praxis (etwa in Form einer empirischen Studie).

Bisherige Ansätze zu Entscheidungsmodellen

111

Zusammenfassend kann für die beiden zuvor ausführlich analysierten Gruppen von Ansätzen, die technologieorientierten Strategietypologien (Kap. 2.3.2)359 und die Modelle des strategischen Technologiemanagements (Kap. 2.4)360, festgestellt werden, daß diese einen enormen Erkenntnisfortschritt hinsichtlich der Vielzahl unterschiedlicher zur Ableitung von Typologien oder Modellen herangezogenen Elemente von Technologiestrategien bedeuten. Keiner dieser Ansätze verknüpft jedoch diese Einzelelemente in systematischer Weise zu einem konsistenten Gesamtmodell, das: –

alle Technologiestrategieelemente vollständig beinhaltet,



diese nach einem einheitlichen Schema zu einem konsistenten Gesamtmodell verknüpft,



allen Elementen gleichermaßen differenziert gerecht wird und



nicht nur einseitig auf Einzelelemente fokussiert ist und die übrigen technologiestrategischen Komponenten ganz oder teilweise unberücksichtigt läßt.

Gleichzeitig stellen die genannten unterschiedlichen Ansätze in ihrer Summe aber einen reichhaltigen Pool dieser einzelnen Technologiestrategieelemente dar, so daß die Synopse dieser Arbeiten für die Extraktion dieser Elemente eine hervorragende Ausgangsbasis bildet. Um hieraus nun ein umfassendes, differenziertes und konsistentes Modell des strategischen Technologiemanagements „synthetisieren“ zu können, müssen diese Elemente systematisiert und anschließend zu einem Gesamtmodell verknüpft werden. Dies wird die Aufgabe des nachfolgenden Kapitels 3 sein. Einen Überblick über diese Gesamtvorgehensweise gibt Abb. 2-6.

359 360

Vgl. S. 94ff. Vgl. S. 105ff.

112

Konzeptionelle Grundlagen:

Analyse State of the Art: Bisherige Ansätze Grundlegende Strategietypologien

Technologieorientierte Strategietypologien

Technologiestrategische Entscheidungsmodelle

Ergebnis/Kritikpunkte: • Unvollständig • Zu einseitig (auf einzelne Strategieelemente fokussiert)

• Zu unsystematisch • Zu undifferenziert Extraktion

Technologiestrategieelemente

Entscheidungsdimensionen

Entscheidungsbereiche

Abb. 2-6:

Systematisierung

Synthese

Modell

Überblick: Analytische Vorgehensweise von der Analyse bisheriger Ansätze bis zur Entwicklung eines eigenen Modells. Quelle: Eigene Darstellung

3

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells des strategischen Technologiemanagements 1. Einleitung

Prolog

2. Konzeptionelle Grundlagen: Technologiemanagement im Rahmen der Unternehmensstrategie

Analyse & Extraktion

3. Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells des strategischen Technologiemanagements

Synthese

4. Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Konkretisierung

5. Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik Fazit 6. Die technologiestrategische Positionierung im deutschen Pharma-Markt im zeitlichen Verlauf 1990 Ÿ 2000 Ÿ 2010 7.1. BiotechnologieUnternehmen

7.2. Große internat. Forscher

7.3. Mittelgroße internat. Forscher

7.4. Innovat. Mittelstand

7.5. OTC/ Trad. Mittelstand

7.6. OTCTöchter von MNEs

7. Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen im deutschen Pharma-Markt

Abb. 3-1:

7.7. GenerikaHersteller

8. Modellkritik und -erweiterung im Spiegel der empirisch gewonnenen Erkenntnisse 9. Zusammenfassung und Ausblick

Übersicht: Einordnung von Kapitel 3 in den Gesamtkontext der Arbeit. Quelle: Eigene Darstellung

Kapitel 3.1 verfolgt zunächst nur das Ziel, die Summe der technologiestrategischen Einzelbausteine, die in den vorangehenden Kapiteln 2.3.2 und 2.4 sukzessive abgeleitet wurden, zusammenfassend darzustellen und diese in zwei Grundtypen von Technologieelementen zu differenzieren. Dabei geht es zunächst nur um die Existenz und grundsätzliche Bedeutung jedes Einzelbausteins im Rahmen dieser Systematik und darum, der Frage nach seiner Eigenständigkeit auf den Grund zu gehen. Hierdurch wird das Fundament für die anschließende Modellsynthese in Kap. 3.2 gelegt, ohne dabei bereits detailliert auf die einzelnen Elemente einzugehen.

114

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

Die konkrete inhaltliche Beschreibung, die auch eine Synopse ausgewählter Studien enthalten wird,1 erfolgt nach der Modellsynthese (Kap. 3.2)2 in Kap. 3.3.3 Diese Vorgehensweise erscheint zweckmäßig, da auf diese Weise ohne weitere Verzögerungen das Gesamtmodell abgeleitet werden kann und die zentralen Aspekte jedes Einzelelements trotzdem nicht verlorengehen, sondern dann sogar zielgerichteter vor dem Hintergrund des bereits abgeleiteten Gesamtmodells näher beleuchtet und konkretisiert werden können. Diese stringente zweiphasige Vorgehensweise soll helfen, den „roten Faden“ stets vor Augen zu haben, ohne Redundanzen entstehen zu lassen.

3.1 Die einzelnen Modellbausteine: Entscheidungsbereiche und Entscheidungsdimensionen Für die Entwicklung eines konsistenten Modells des strategischen Technologiemanagements ist es zweckmäßig (und notwendig), die einzelnen Technologiestrategieelemente in zwei Grundtypen zu unterscheiden, die gemeinsam eine Matrix aufspannen (Abb. 2-6)4 und deren Kombinationen (innerhalb dieser Matrix) die einzelnen Entscheidungsfelder definieren. Wir wollen nachfolgend beide Grundtypen kurz charakterisieren: – Technologiestrategische Entscheidungsbereiche – Technologiestrategische Entscheidungsdimensionen

3.1.1

Technologiestrategische Entscheidungsbereiche

Die technologiestrategischen Entscheidungsbereiche stellen dabei die „funktionalen“ Einzelbereiche innerhalb des strategischen Technologiemanagements dar. Jeder dieser Entscheidungsbereiche beinhaltet aus technologiestrategischer Perspektive einen zentralen Aufgabenkomplex entlang der Wertschöpfungskette. Beginnend mit der Technologiebeobachtung oder Frühaufklärung folgen Tech-

1

2 3 4

Auch im Rahmen dieser inhaltlichen Konkretisierung wird es nicht möglich – und in diesem Kontext auch nicht sinnvoll – sein, die jeweilige Literatur erschöpfend aufzuarbeiten. Die Ausführungen werden sich daher auf die wichtigsten Arbeiten und Studien beschränken. Vgl. S. 118ff. Vgl. S. 120ff. Vgl. S. 112.

Die einzelnen Modellbausteine: Entscheidungsbereiche

115

nologiebeschaffung, Technologiesicherung und Technologieverwertung5 (Abb. 3-2).6 Jeder dieser Bereiche bildet damit auch die primäre Schnittstelle zu einer anderen Funktionsbereichsstrategie außerhalb des Technologiemanagements, beispielsweise bildet die Technologiebeschaffung die Schnittstelle zu Einkauf/Beschaffung und die Technologieverwertung die primäre Schnittstelle zu Marketing/Vertrieb und zu Produktion/Verfahrenstechnik. Innerhalb der vier Bereiche sind insbesondere Technologiebeschaffung und Technologieverwertung von zentraler Bedeutung. Die nachfolgenden Ausführungen und auch der empirische Teil werden sich auf diese beiden Bereiche konzentrieren.7 Das strategische Technologiemanagement läßt sich in vier Entscheidungsbereiche untergliedern:

Technologie- Technologie- Technologie- Technologiebeobachtung beschaffung sicherung verwertung

Von ihnen sind insbesondere zwei von zentraler Bedeutung: Die Technologiebeschaffung und -verwertung Abb. 3-2:

5

6 7

Entscheidungsbereiche des strategischen Technologiemanagements. Quelle: Eigene Darstellung

Vgl. hierzu die vorstehend detailliert analysierten Ansätze, insbes. z.B. den Ansatz von Ford (1985) (Kap. 2.4.1, S. 106ff), sowie z.B. auch Brockhoff, K.; (1999); S. 153156. Vgl. S. 115. Zwar sind auch die beiden übrigen technologiestrategischen Entscheidungsbereiche von nicht zu vernachlässigender Bedeutung für das strategische Technologiemanagement, insgesamt ist aber ihr Stellenwert und vor allem auch die Komplexität der Entscheidungsfindung erheblich geringer als bei der Technologiebeschaffung und -verwertung. Aus diesem Grunde ist die Berücksichtigung der nachfolgend beschriebenen jeweils sechs Entscheidungsdimensionen für die Technologiebeobachtung und -sicherung zwar ebenfalls möglich und in vielen Fällen auch sinnvoll, aber nicht existentiell wie für die Bereiche Technologiebeschaffung und -verwertung. Daher soll schon an dieser Stelle daraufhingewiesen werden, daß im Rahmen der Operationalisierung und empirischen Studie eine Fokussierung auf die Bereiche der Technologiebeschaffung und -verwertung erfolgt. Diese Eingrenzung ist auf Grund der ohnehin schon außerordentlich hohen Komplexität unvermeidlich.

116

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

3.1.2

Technologiestrategische Entscheidungsdimensionen

Neben den vorstehend aufgezeigten vier Entscheidungsbereichen konnten im Rahmen der Analyse bisheriger strategischer und technologiestrategischer Ansätze und Modelle eine Reihe von Entscheidungsdimensionen identifiziert werden. Am häufigsten wurden die Dimensionen „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ und „Timing“ in den in Kap. 2.38 und Kap. 2.49 analysierten Strategietypologien und Entscheidungsmodellansätzen als Kriterien zur technologiestrategischen Differenzierung im Wettbewerb angeführt. Später ist die Frage, ob die Technologieaufklärung, -beschaffung, -speicherung und -sicherung, sowie die anschließende -verwertung im eigenen Unternehmen oder außerhalb über Kooperationspartner erfolgen soll, als weiteres wichtiges Kriterium (Intensität der Außenorientierung) hinzugetreten. In jüngerer Zeit rückte dann auch noch der technologiestrategische Verflechtungsgrad, also die technologiestrategische Bedeutung verschiedener Formen von technologieorientierten Kooperationen und Netzwerken, immer mehr in den Mittelpunkt technologiestrategischer Überlegungen. Von Anfang an spielte aber auch die Entscheidung über den Umfang (Scope) der Unternehmenstätigkeit eine wichtige Rolle in strategischen Planungsprozessen. In dieser Hinsicht werden drei strategische Entscheidungsebenen unterschieden:10 – der vertikale Umfang der Unternehmenstätigkeit, welche Aktivitäten im

eigenen Unternehmen und welche außerhalb – in vor- oder nachgelagerten Stufen oder gemeinsam mit Wettbewerbern – erbracht werden sollen,

8 9 10

Vgl. S. 88ff, insbes. Kap. 2.3.2.1, S. 101ff. Vgl. S. 105ff. Vgl. für eine Zusammenfassung für das strategische Management z.B. Porter, der allerdings vier Basisdimensionen des „Wettbewerbsfeldes“ – eigentlich müßte es in der deutschen Übersetzung jeweils „Breite bzw. Weite des“ heißen (Anm. d. Verf.) – (im engl. Original „Competitive Scope“) unterscheidet: „Segmentfeld“ („Segment scope“), “Branchenfeld” (“Industry Scope“), “Integrationsfeld” („Vertical Scope“) und „Geographisches Feld“ („Geographic Scope“), vgl. Porter, M. E.; (1986 a), S. 8289; Porter, M. E.; (1986 b), S. 22; und Porter, M. E.; (1986 c), S. 15. Dabei stellen aber letztlich Segment- und Branchenfeld nur zwei unterschiedliche Größenordnungen derselben Dimension dar, so daß in der vorliegenden Arbeit auf eine Aufspaltung der hier als „Horizontaler Umfang der Geschäftstätigkeit“ bezeichneten Dimension verzichtet werden kann.

Die einzelnen Modellbausteine: Entscheidungsbereiche

117

– der horizontale Umfang entscheidet über die Breite des Leistungsspektrums

auf Produkt- und Kundenebene, also welche Segmente mit welcher Portfoliobreite bearbeitet werden sollen und eventuell auch, ob das Unternehmen in mehr als einer Industrie präsent sein möchte, – der geographische Umfang.

Die Entscheidung über den „vertikalen Umfang der Unternehmenstätigkeit“ geht dabei in den Entscheidungsdimensionen der „Intensität der technologiestrategischen Außenorientierung“ und des „Technologischen Verflechtungsgrades“ auf.11 Die Entscheidung über den „horizontalen Umfang“ (Porter) soll – sofern auf technologische Sachverhalte ausgerichtet – nachfolgend als „Breite der technologischen Ausrichtung“ bezeichnet werden. Der „geographische Umfang“ soll im Folgenden unter der Bezeichnung „Geographische Ausdehnung und Standortwahl“ (Technologiebeschaffung) sowie „Geographische Ausdehnung und Marktwahl“ (Technologieverwertung) näher betrachtet werden. Insgesamt müssen daher also aus technologiestrategischer Perspektive im Rahmen eines ganzheitlichen Technologiemanagements die folgenden sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen Berücksichtigung finden: – Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus – Timing – Intensität der Außenorientierung – Technologischer Verflechtungsgrad – Breite der technologischen Ausrichtung – Geographische Ausdehnung

Jede dieser sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen definiert für jeden der vier (die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die zwei wichtigsten, die Technologiebeschaffung und -verwertung) Entscheidungsbereiche ein eigenständiges technologiestrategisches Entscheidungsfeld: eine Zelle in der von Entscheidungsdimensionen und Entscheidungsbereichen aufge-

11

Zumindest, wenn es sich um technologierelevante Aktivitäten handelt. Ist dies nicht der Fall, so ist die betreffende Unternehmensaktivität auch nicht Betrachtungsgegenstand der vorliegenden Arbeit.

118

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

spannten Matrix. Für die beiden Bereiche Technologiebeschaffung und -verwertung ist dies in Abb. 3-3 dargestellt. Ein vollständig umfassendes Gesamtmodell müßte zusätzlich noch die beiden Bereiche Technologiebeobachtung und Technologiesicherung einschließen. Eine differenzierte Betrachtung auf Ebene der sechs Entscheidungsdimensionen ergibt sich für diese beiden Bereiche jedoch nicht mit der gleichen zwingenden Notwendigkeit wie bei Technologiebeschaffung und -verwertung. Zwar sind diese durchaus als bedeutend für das strategische Technologiemanagement anzusehen, bleiben aber hinter der zentralen Bedeutung von Technologiebeschaffung und -verwertung insgesamt zurück. Um eine praktische Durchführbarkeit der empirischen Studie, deren Umfang ohnehin schon außerordentlich groß ist, zu ermöglichen, werden Technologiebeobachtung und -sicherung im Rahmen der empirischen Studie und der dieser vorangehenden Operationalisierung der Modellvariablen nicht weiter berücksichtigt.

3.2 Das Gesamtmodell des strategischen Technologiemanagements Die nachfolgende Modellableitung geht dabei von den folgenden vier Grundannahmen aus: 1) Diese sechs Entscheidungsdimensionen müssen für jeden der vier Entscheidungsbereiche in enger Verzahnung miteinander zu einer ganzheitlichen Technologiestrategie vernetzt werden. 2) Dabei sind alle sechs Entscheidungsdimensionen zunächst unabhängig voneinander, d.h. die Entscheidung einer Dimension determiniert nicht automatisch die einer anderen. 3) Auch die Entscheidung über dieselbe Entscheidungsdimension für einen Bereich determiniert nicht die eines anderen Bereiches. 4) Welcher Entscheidungsdimension und welchem Entscheidungsbereich die höchste Entscheidungspriorität zukommt, wird von der spezifischen Unternehmenssituation und den spezifischen Unternehmenszielen bestimmt. Eine natürlich vorgegebene Bedeutungsrangfolge existiert nicht.

Das Gesamtmodell des strategischen Technologiemanagements

119

Sechs technologiestrategische Entscheidungsdimensionen charakterisieren für jeden Entscheidungsbereich die Technologiestrategie: Globale Technologiestrategie

Technologiebeschaffungsstrategie

Technologieverwertungsstrategie

• Angestrebtes technologisches Leistungsniveau, Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette und technologiestrategische Risikobereitschaft

• Angestrebtes technologisches Leistungsniveau, Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette und technologiestrategische Risikobereitschaft

(Technologieposition relativ zum Wettbewerb bei der Technologiebeschaffung)

• Timing (Zeitpunkt des Einstiegs in einen Technologiebereich relativ zum Wettbewerb)

• Intensität der Außenorientierung (Make-or-Buy-Relation bei der Technologiebeschaffung)

• Technologischer Verflechtungsgrad (F&E-Kooperationsbereitschaft und strategische Bedeutung von Netzwerken zur Technologiebeschaffung)

• Breite der technologischen Ausrichtung (Starke Spezialisierung versus große Bandbreite der Know-howBeschaffungsaktivitäten)

• Geographische Ausdehnung und Standortwahl (Lokale versus globale Abdeckung der Know-how-Beschaffung)

Abb. 3-3:

(Technologieposition relativ zum Wettbewerb bei der Technologieverwertung)

• Timing (Zeitpunkt des Beginns der Technologieverwertung relativ zum Wettbewerb)

• Intensität der Außenorientierung (Eigen- oder Fremdvermarktungsrelation)

• Technologischer Verflechtungsgrad (Vertriebs-Kooperationsbereitschaft und strategische Bedeutung von Vermarktungs-Netzwerken zur Technologieverwertung)

• Breite der technologischen Ausrichtung (Starke Spezialisierung versus große Bandbreite der Know-howVerwertungsaktivitäten)

• Geographische Ausdehnung und Marktwahl (Lokale versus globale Abdeckung der Vermarktungsaktivitäten)

Modell des strategischen Technologiemanagements. Quelle: Eigene Darstellung

Die sich aus Annahme 1 ergebende Notwendigkeit zur Abstimmung aller Einzelentscheidungen stellt keinen Widerspruch zu den Modellannahmen 2, 3 und 4 dar, da diese keinesfalls vorhandene Wechselwirkungen bestreiten, sondern lediglich einen automatischen Determinismus negieren. Einen Überblick über den komplexen vieldimensionalen Entscheidungsraum des strategischen Technologiemanagements gibt Abb. 3-3, wobei jedoch nur die beiden zentralen Entscheidungsbereiche Technologiebeschaffung und Technologieverwertung berücksichtigt wurden.12 Eine exakte graphische Abbildung

12

Das vollständige Gesamtmodell umfaßt zusätzlich noch die beiden Bereiche Technologiebeobachtung und Technologiesicherung. Eine differenzierte Betrachtung auf Ebene der sechs Entscheidungsdimensionen ergibt sich für diese beiden Bereiche jedoch nicht mit der gleichen zwingenden Notwendigkeit wie bei Technologiebeschaffung und -verwertung. Zwar sind diese durchaus als bedeutend für das strategische Technologiemanagement anzusehen, bleiben aber hinter der zentralen Bedeutung von Technologiebeschaffung und -verwertung insgesamt zurück. Um eine praktische Durchführbarkeit der empirischen Studie, deren Umfang ohnehin schon außerordentlich groß ist, zu ermöglichen, werden Technologiebeobachtung und

120

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

der Mehrdimensionalität war dabei allerdings nicht möglich: Für jeden der beiden Entscheidungsbereiche ergibt sich ein sechsdimensionaler Entscheidungsraum. Zusätzlich müssen die beiden Entscheidungsbereiche noch miteinander vernetzt werden. Die der Modellableitung und den hierfür getroffenen vier Grundannahmen zugrundeliegenden Mosaiksteine wurden sukzessive in den Kap. 2.3.213 und 2.414 entwickelt. Die grundsätzliche Existenz der Einzelbausteine bedarf daher keiner erneuten ausführlichen Erörterung, hingegen sehr wohl ihre inhaltliche Präzisierung, da die einzelnen Dimensionen in den zuvor diskutierten Ansätzen zum Teil recht unterschiedlich interpretiert und nur in wenigen Fällen genau präzisiert wurden. Die Überprüfung der Zulässigkeit der der Modellableitung zugrundeliegenden Grundannahmen wird, darauf aufbauend, im Rahmen einer empirischen Studie am Objekt der auf dem deutschen Markt für therapeutische Humanarzneimittel operierenden Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen erfolgen.

3.3 Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente 3.3.1 3.3.1.1

Technologiestrategische Entscheidungsbereiche Technologiebeobachtung

Eine zentrale Voraussetzung für ein erfolgreiches Technologiemanagement, und damit auch für den Erfolg des Unternehmens im Wettbewerb insgesamt, ist ein professionelles Management des Bereiches der Technologiebeobachtung.15 Dieser umfaßt insbesondere die folgenden Aufgaben:

13 14 15

-sicherung im Rahmen der empirischen Studie und der dieser vorangehenden Operationalisierung der Modellvariablen nicht weiter berücksichtigt. Vgl. S. 94ff. Vgl. S. 105ff. Vgl. hierzu z.B. auch Brockhoff, K.; (1984), S. 619-635; Wolfrum, B.; (1994), S. 134249; Bellon, B.; Whittington, G.; (1996), S. 255-267; Gerybadze, A.; (1996), Sp. 2027-2040, insbes. Sp. 2027-2028; Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 76-101; Grupp, H.; (1997), S. 335-343; Brockhoff, K.; (1999), S. 154-157.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

121



Technologische Frühaufklärung Zentrales Ziel technologischer Frühaufklärung ist es, technologischen Fortschritt in den relevanten Technologiebereichen frühzeitig zu erkennen.16 Besonderes Augenmerk muß dabei auf sich abzeichnende technologische Umbrüche (technologische Diskontinuitäten) gelegt werden.17 Dies impliziert auch die intensive Beobachtung aller Technologiefelder, die zwar gegenwärtig keinen Einfluß auf die technologiestrategische Wettbewerbssituation des eigenen Unternehmens haben, die aber das Potential in sich tragen, dieses eventuell in Zukunft zu tun. Auch Forschungsstandorte und Märkte, in denen das eigene Unternehmen (noch) nicht aktiv ist, sind hierbei zu berücksichtigen.



Technologische Wettbewerbsanalyse Aufgabe der technologischen Wettbewerbsanalyse ist es, die technologiestrategische Ausrichtung und eventuelle Repositionierung aller relevanten Wettbewerber intensiv zu analysieren. So können erste Indikatoren von Gefahrenpotentialen für die eigene Wettbewerbsposition frühzeitig erkannt und Schwächen der Wettbewerber für eigene Vorstöße gezielt genutzt werden.18 Sorgfältig muß hierbei darauf geachtet werden, sich nicht nur auf die ange-

16

Vgl. z.B. Cleemann, L.; (1995), S. 1023-1025. Einen guten Überblick über die zur Technologiefrühaufklärung zur Verfügung stehenden Methoden gibt Geschka (vgl. Geschka, H.; (1995), S. 623-644), der allerdings auch implizit die hier als eigenständigen Punkt betrachtete technologische Wettbewerbsanalyse mit einschließt. Als Analyse- und Prognoseinstrument für die Behandlung von Technologielebenszyklen und Identifikation technologischer Diskontinuitäten wurde in Wissenschaft und Beratungspraxis insbesondere die S-Kurven-Konzeption vorgeschlagen. Hiernach weist die technologische Leistungsfähigkeit einer Technologie im zeitlichen Verlauf idealtypisch einen S-förmigen Verlauf auf. Vgl. hierzu Foster, R. N.; (1982), S. 22-27; Krubasik, E. G.; (1982), S. 28-33; Foster, R. N.; (1986 a), S. 17-20; Foster, R. N.; (1986 b); Foster, R. N.; (1988), S. 215-228; Lee, T. H.; Nakicenovic, N.; (1988), S. 411-426; Weiss, E.; (1989), insbes. S. 52-63; Merino, D. N.; (1990), S. 275-291; Moenaert, R.; et al.; (1990), S. 39-61; Harting, D.; (1992), S. 99-101 (mathematische Formel); Brockhoff, K.; (1993 b), S. 327-353; Lehmann, A.; (1994); Wenzel, G.; Baier, M.; (1995), S. 785-802, insbes. S. 789-795; Henderson, R.; (1997), S. 147-166; Keys, L. K.; (1997), S. 265-276; Rosenbloom, R. S.; Christensen, C. M.; (1998), S. 215-245. Für eine kritische Bewertung der S-Kurven-Konzeption sei insbesondere auf die ausführliche Analyse Brockhoffs, Brockhoff, K.; (1999), S. 185-196 und S. 211-212, verwiesen. Für die Entwicklung eines integrativen strategischen Früherkennungssystems vgl. Haag, T.; (1993), S. 261-274; und Brixle, M.; Haag, T.; (1993), S. 26-30.

17

18

122

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

stammten Wettbewerber zu konzentrieren, sondern auch potentiell neue Wettbewerber aus verwandten Branchen oder neu entstehenden Branchen so früh wie möglich mit einzubeziehen. Aus Sicht der Pharmazeutischen Industrie könnten verwandte Branchen z.B. die Medizintechnik- und neu entstehende Branchen wie die Bio- und Gentechnik-Industrie sein. Geeignete Methoden zur technologischen Wettbewerbsanalyse können z.B. die Patent- oder Publikationsanalyse sein.19 Im Bereich der Pharmazeutischen Industrie kommen zulassungsrelevante Vorgänge, z.B. klinische Studien und die diesen vorangehenden Analyseschritte, hinzu. Auch Forschungsstandorte und Märkte, in denen das eigene Unternehmen (noch) nicht aktiv ist, sind hierbei zu berücksichtigen. –

Technologische Marktforschung Zu den Aufgaben der Technologiebeobachtung zählt zweifelsfrei nicht nur die sorgfältige Beobachtung aller sich aus technologischen Veränderungen ergebenden Chancen und Risiken, sondern auch das möglichst frühzeitige Wahrnehmen neuer oder veränderter Kundenbedürfnisse, um, wenn noch keine (befriedigende) technische Lösung zu deren Erfüllung vorliegt, selbst die eigenen technologiestrategischen Anstrengungen in diese neue Richtung zu lenken – möglichst bevor der Wettbewerb diese neue Chance wahrnimmt.20 In diesen Aufgabenbereich fällt allerdings auch, die nötigen Orientierungsinformationen zu beschaffen, um wirkliche Chancen von vermeintlichen zu unterscheiden, um kostspielige „Irrwege“ möglichst frühzeitig zu vermeiden.21 Auch Forschungsstandorte und Märkte, in denen das eigene Unternehmen (noch) nicht aktiv ist, sind hierbei zu berücksichtigen.

19

Für eine Übersicht über Instrumente zur Patentdatenanalyse, vgl. z.B. Brockhoff, K.; (1992), S. 41-58. Zur Schwierigkeit, die zukünftige Nachfrage für neue technische Produkte zu prognostizieren, und welche Faktoren und Akteure dabei zu berücksichtigen sind, vgl. Brockhoff, K.; Rao, V. R.; (1991); Brockhoff, K.; Rao, V. R.; (1993), S. 211-228. Auch technisch erfolgreiche Projekte können sich am Markt als Flop erweisen. Hinzu kommt, daß einmal begonnene Forschungs- und Entwicklungsprojekte häufig nicht hinreichend im Projektverlauf auf ihre (technologische und marktseitige) Erfolgsträchtigkeit hin kontinuierlich reevaluiert werden. Untersuchungen belegen, daß erfolglose Projekte in der Regel viel zu spät abgebrochen werden, vgl. hierzu Brockhoff, K.; (1993 d), S. 1-4. Insbesondere Veränderungen in den wirtschaftlichen Erfolgsaussichten eines F&E-Projektes erlauben aber einen Aufschluß über den späteren Projekterfolg, vgl. hierzu Brockhoff, K.; (1993 c), S. 643-662.

20

21

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

123



Soziale und regulatorische Frühaufklärung Neben den Kunden müssen auch alle übrigen Trends im Unternehmensumfeld sorgfältig beobachtet und auf ihre Wirkung hinsichtlich der technologiestrategischen Wettbewerbsposition des eigenen Unternehmens analysiert werden. Dabei sind alle relevanten Stakeholder einzubeziehen. Von besonderer Bedeutung sind dabei gesamtgesellschaftliche Trends. Diese zu erkennen, noch bevor sie sich in gesetzlichen und regulatorischen Veränderungen manifestiert haben, muß das Ziel sein.22 Aber auch scheinbar geringe Veränderungen im regulatorischen Umfeld können große Effekte auf die eigene technologiestrategische Wettbewerbsfähigkeit haben. Diese können ihre Wirkung dabei evtl. auch indirekt über Zulieferer, Kooperationspartner und Kunden entfalten, so daß die Technologiebeobachtung auch diese Aspekte berücksichtigen muß.



Technikfolgenforschung Neben den Chancen neuer Technologien müssen auch die ihnen inhärenten Risikopotentiale möglichst frühzeitig zuverlässig abgeschätzt und in die technologiestrategischen Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden.23 Dies

22

Die Technikakzeptanz durch die Gesellschaft und die Sozialverträglichkeit einer Technologie/Technik können maßgeblich für deren Diffusion(-sgeschwindigkeit) sein, vgl. hierzu Endruweit, G.; (1995), S. 1053-1069, insbes. S. 1061-1064. Während auf wirtschaftspolitischer Betrachtungsebene die Fragestellung nach der gesellschaftlichen Akzeptanz des technischen Fortschritts im Spannungsfeld von Markt- und Politikversagen diskutiert wird (vgl. hierzu z.B. Blum, R.; (1986), S. 283-296), wird auf betriebswirtschaftlicher Ebene der einzelne Unternehmer abwägen müssen, ob er die eventuell nötige Überzeugungsarbeit für eine neue Technologie/Technik leisten kann und möchte: Im Kern geht es dabei neben der Frage, ob eine neue Technologie „objektiv“ (sofern dies a priori überhaupt universell eindeutig bestimmbar ist) sozialverträglich ist, vor allem um die Frage, ob die zur „Überzeugungsarbeit“ aufzubringenden Kosten durch spätere Erträge gedeckt werden. Eine gewisse Skepsis oder Technikfeindlichkeit einzelner Bevölkerungsgruppen muß dabei allerdings nicht zwingend ein Hinderungsgrund für unternehmerisches Innovationsstreben sein, wie die anekdotenreichen Überlegungen von Ott belegen, der darauf hinweist, daß das Phänomen der Technikfeindlichkeit bereits seit der Antike bekannt ist, ohne den technischen Fortschritt allerdings wesentlich aufhalten zu können, vgl. hierzu Ott, A. E.; (1986), S. 297-305. Mit Technikfolgenforschung ist an dieser Stelle eine (betriebswirtschaftliche) Technikfolgenabschätzung durch das betreffende Unternehmen, das eine Technologie anwendet bzw. deren Anwendung in Erwägung zieht gemeint, vgl. hierzu z.B. Henriksen, die auch einen guten Überblick über die hierzu zur Verfügung stehenden Methoden gibt, vgl. Henriksen, A. D.; (1997), S. 615-638.

23

124

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

trifft auch auf etablierte Technologien zu, die (als Techniken) in Produkten oder Verfahren inkorporiert sind. Hier bewahrt eine regelmäßige proaktive Reevaluation vor kostenintensiven und imageschädigenden „Überraschungen“. Ein Beispiel im Bereich der Pharmazeutischen Industrie wäre z.B. die sorgfältige Beobachtung der Nebenwirkungen bei bereits auf dem Markt eingeführten Arzneimitteln. Eine professionelle Technikfolgenabschätzung ermöglicht den Rückzug oder die Modifikation eines Präparates, bevor Zulassungsbehörden zu entsprechenden Maßnahmen drängen oder zwingen. Auf diese Weise kann der mittelfristige Schaden für das Unternehmen deutlich reduziert und eventuell ein später „verlorenes“ Präparat sogar noch „gerettet“ werden. In jedem Fall wird aber ein sonst eintretender immenser Imageschaden vermieden und resultierende Haftungsrisiken minimiert. Die erfolgreiche Technologiebeobachtung setzt einen umfassenden Zugang zu allen relevanten Informationsquellen voraus.24 Ohne eine effiziente Strukturierung und Aufbereitung dieser Informationen bleiben sie aber aufgrund ihrer schieren Fülle als Ausgangsbasis für technologiestrategische Entscheidungen weitestgehend nutzlos. Ein effizientes Technologie-Informationssystem ist des-

24

In der wissenschaftlichen Literatur wird der Begriff hiervon abweichend zumeist im Sinne einer (volks- bzw. weltwirtschaftlichen) Technikfolgenbewertung durch staatliche Stellen oder öffentliche Institutionen verwendet, vgl. hierzu Krupp, H.; Bugl, J.; (1986); Kayser, P.; (Hrsg.); (1987), S. 106-165; Dierkes, M.; Fietkau, H.-J.; (1988), S. 153-160; Von Westphalen, R.; (Hrsg.); (1988); Dierkes, M.; (1989); Wicher, H.; (1989), S. 42-47; Grupp, H.; (1990), S. 198-199; Jochem, E.; (1990), S. 233-243; Albach, H.; (1991 d), S. 107-117; Albach, H.; et al; (1991); Timmis, K. N.; (1991), S. 141-161; Winnacker, E.-L.; (1991), S. 121-139; Dierkes, M.; Mützel, S.; (1995), S. 645-662; Von Schell, T.; Mohr, H.; (1995), S. 49-57; Renn, O.; (1996), S. 23-51; Dierkes, M.; Canzler, W.; (1998), S. 63-84. Diese („volkswirtschaftliche“) Art der Technikfolgenabschätzung ist nicht frei von Effekten auf betriebswirtschaftliche Innovationsprozesse, vgl. hierzu zusätzlich zu einigen der vorstehend genannten Autoren auch Staudt, der zutreffend auf die negativen betriebswirtschaftlichen Folgen einer risikoaversen und restriktiven Technikfolgenabschätzung, insbesondere durch staatliche Institutionen und Forschungseinrichtungen (und der daraus resultierenden Generation einer hohen Anzahl von Normen und Regulierungen), hinweist. Vgl. hierzu Staudt, E.; (1991 a), S. 389-408; und Staudt, E.; (1991 b), S. 883-894, sowie ähnlich kritisch auch Löser, R.; (1995), S. 1079-1081. Eine zentrale Voraussetzung für den Zugang zu diesen Informationsquellen kann eine unternehmensinterne F&E-Funktion sein, zu deren Kernpotentialen neben dem Transfer- und dem Innovationspotential auch das Aufklärungspotential zählt, vgl. Brockhoff, K.; (1997 c), S. 453-469.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

125

halb elementare Voraussetzung für eine erfolgreiche Technologiebeobachtung.25 Auf die einzelnen für eine effiziente Technologiebeobachtung zur Verfügung stehenden Analyseinstrumente soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.26 3.3.1.2

Technologiebeschaffung

Die Technologiebeschaffung ist für die optimale Beschaffung aller Technologien verantwortlich, die vom betreffenden Unternehmen benötigt werden, aber bislang in diesem noch nicht vorhanden sind. Im Gegensatz zur Innovationsbeschaffung müssen die zu beschaffenden Technologien dabei nicht zwingenderweise generell neu27 sein: Auch die für gezielte Imitation erforderlichen Technologiebeschaffungsaktivitäten sind also explizit Bestandteil der Technologiebeschaffung. Letztlich ergibt sich aus der Entscheidung über die Höhe des im Rahmen der Technologiebeschaffung angestrebten technologischen Leistungsniveaus28 und des Timings der Technologiebeschaffung,29 ob vermehrt Innovationen oder Imitationen beschafft bzw. erzeugt werden. Der Technologiebeschaffung stehen grundsätzlich zwei Alternativen zur Zielerreichung zur Verfügung: Die Erzeugung durch unternehmenseigene F&E oder der Erwerb von technologischem Wissen aus Quellen außerhalb des eigenen Unternehmens.30 Hierbei ist auch zu definieren, welcher technologische Verflechtungsgrad mit anderen Unternehmen

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Ein derartiges integriertes Technologie-Informationssystem wurde z.B. von Becker konzipiert, vgl. hierzu Becker, T.; (1993). Eine umfassende Übersicht und sehr gute Charakterisierung der unterschiedlichen Analysetypen und bibliometrischen Anwendungen hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten und Leistungsfähigkeit findet sich z.B. bei Ehrat, M.; (1997), insbes. S. 181273. Vgl. hierzu auch Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 76-101. Als Referenzsystem für die generelle Beurteilung der Neuartigkeit einer Technologie war zuvor der relevante Markt festgelegt worden. Vgl. hierzu die analogen Überlegungen zur subjektiven Dimension des Innovationsbegriffes in Kap. 2.1.2.3, S. 35ff. Vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 3.3.2.1 (S. 137ff), deren Konkretisierung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.1.1 (S. 334ff) und die darauf aufbauenden empirischen Befunde in Kap. 6.2.1 (S. 436ff). Vgl. hierzu die nachstehenden Ausführungen in Kap. 3.3.2.2 (S. 172ff), deren Konkretisierung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.1.2 (S. 343ff) und die darauf aufbauenden empirischen Befunde in Kap. 6.2.2 (S. 459ff). Vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 3.3.2.3 (S. 180ff), deren Konkretisierung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.1.3 (S. 346ff) und die darauf aufbauenden empirischen Befunde in Kap. 6.2.3 (S. 465ff).

126

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

und Institutionen angestrebt wird, und, welche Technologiebeschaffungskooperationsformen dabei priorisiert werden.31 Ebenfalls muß der Umfang der Technologiebeschaffungsaktivitäten in technologischer Hinsicht festgelegt werden.32 Schließlich muß auch die Entscheidung über den hierzu verfolgten geographischen Aktionsradius, einschließlich der Wahl des/der richtigen Standorte, für Technologiebeschaffungsaktivitäten (z.B. F&E-Standorte) getroffen werden.33 Insgesamt sind also unter der Technologiebeschaffung alle Aktivitäten der Beschaffung, für das Unternehmen neuer (d.h. noch nicht vorhandener) Technologien zu verstehen, unabhängig davon, welche spätere Nutzung dieses technologischen Wissens (im Rahmen der Technologieverwertung)34 angestrebt wird, und, auf welche Art und Weise eine Sicherung und Speicherung dieser Technologien vorgenommen wird und werden kann (Technologiesicherung).35 Die Technologiebeschaffung ist also gleicherweise für die Beschaffung von Produkt- und Prozeßtechnologien verantwortlich. 3.3.1.3

Technologiesicherung/-speicherung

Im Mittelpunkt des Aufgabenspektrums des technologiestrategischen Entscheidungsbereiches der Technologiesicherung/-speicherung steht: –

Sicherstellung eines möglichst optimalen Schutzes aller Technologien vor ungewolltem Zugriff Dritter36 und der Verhinderung eines unkontrollierten Abflusses von Technologien, insbesondere an Wettbewerber

31

Vgl. hierzu die nachstehenden Ausführungen in Kap. 3.3.2.4 (S. 190ff), deren Konkretisierung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.1.4 (S. 351ff) und die hierauf aufbauenden späteren empirischen Befunde in Kap. 6.2.4 (S. 468ff). Vgl. hierzu die nachstehenden Ausführungen in Kap. 3.3.2.5 (S. 197ff), deren Konkretisierung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.1.5 (S. 354ff) und die hierauf aufbauenden späteren empirischen Befunde in Kap. 6.2.5 (S. 473ff). Vgl. hierzu die nachstehenden Ausführungen in Kap. 3.3.2.6 (S. 198ff), deren Konkretisierung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.1.6 (S. 355ff) und die hierauf aufbauenden späteren empirischen Befunde in Kap. 6.2.6 (S. 478ff). Vgl. hierzu die nachstehenden Ausführungen in Kap. 3.3.1.4 (S. 134ff), deren Konkretisierung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.2 (S. 357ff) und die hierauf aufbauenden späteren empirischen Befunde in Kap. 6.3 (S. 491ff). Vgl. hierzu die nachstehenden Ausführungen in Kap. 3.3.1.3, S. 126ff. Nicht jeder unautorisierte Zugriff Dritter auf unternehmenseigene Technologien muß ungewollt sein. In bestimmten Fällen kann dies zur Durchsetzung eines industrieweiten Standards oder zur möglichst raschen Verbreitung einer Technologie sinnvoll sein und den Gesamtertrag des Unternehmens steigern. Vgl. hierzu z.B. die Ausfüh-

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Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

127



Vermeidung von Veralterung bzw. Aufrechterhaltung der Nutzbarkeit des gesamten Technologiefundus des jeweiligen Unternehmens



Herstellung einer möglichst hohen Transparenz über das im Unternehmen vorhandene technologische Wissen innerhalb aller relevanten Abteilungen, die eine möglichst optimale Vernetzung des Technologiepools und eine möglichst gute Verfügbarkeit und einen möglichst effizienten Zugriff aller Berechtigten im Unternehmen sicherstellt.

Für die Verhinderung eines unkontrollierten Abflusses technologischen Wissens muß eine Auswahl der Instrumente vorgenommen werden, die eine Technologiesicherung am effektivsten und am effizientesten sicherstellen, d.h. die Erträge bzw. vermiedenen Verluste eines möglichst wirkungsvollen Schutzes müssen in einem positiven Verhältnis zu dem dabei auftretenden Aufwand stehen. Als mögliche Technologiesicherungsinstrumente stehen dabei zur Verfügung:37 –

Rechtlicher Schutz der Erfindung durch Patente, Gebrauchs- oder Geschmacksmusterschutz, Sortenschutz, Topographien oder Urheberrechtsschutz38



Schutz des Markennamens



Geheimhaltung



Langfristige Bindung von Mitarbeitern („Know-how-Trägern“)



Komplexität der Produkt- oder Prozeßgestaltung



Zeitlicher Vorsprung in der Vermarktung (Aufbau einer starken Produktmarke oder Unternehmensreputation, sowie Durchsetzung eines industrieweiten Standards (dominanten Designs))

37

38

rungen von Conner/Rumelt, die zeigen, daß aufgrund von Netzwerkexternitäten selbst erhebliche Softwarepiraterie den Unternehmensgewinn des Originators steigern können, vgl. Conner, K. R.; Rumelt, R. P.; (1991), S. 125-139. Vgl. hierzu z.B. Kern, W.; Schröder, H.-H.; (1977), S. 63-76; Franke, J. F.; (1993), S. 307-326, insbes. S. 309-319 (und die dort zitierte Literatur); Bellon, B.; Whittington, G.; (1996), S. 281-294, insbes. S. 292-294; Schrader, S.; (1996), Sp. 749-750; Harhoff, D.; (1997), S. 347-349. Für eine differenzierte Beschreibung und einen guten Überblick über die einzelnen rechtlichen Schutzinstrumente sowie die Patentanmeldung und das Patentrecht vgl. Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 445-455.

128

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells



Zeitlicher Vorsprung in Form überlegener Kostenbasis. Die überlegene Kostenbasis kann dabei einerseits auf einem Vorsprung auf der Erfahrungskurve (effektivere Produktion) oder aber auch auf Größenvorteilen in Form von Skaleneffekten (effizientere Produktion) aufgrund größerer Volumina oder von Verbundeffekten basieren.



Kontrolle über komplementäre Ressourcen, die zur Technologieverwertung erforderlich sind, insbesondere: ƒ Zugang zu Distributionskanälen ƒ Spezielle Produktionskapazitäten ƒ Erforderliche staatliche Zulassungen, Genehmigungen oder Lizenzen

Patente werden dabei nicht nur als Schutzinstrument gegen Nachahmung eingesetzt, sondern auch als strategisches Instrument und als Verkaufsargument im Rahmen des Marketing. Ein strategisches Instrument stellen Patente insofern dar, als sie z.B. Voraussetzung für Lizenzvergaben sind. Sie können aber auch als taktisches Mittel eingesetzt werden, um z.B. mit Hilfe eines Patentflutens (Patent flooding) um die Kerntechnologie eines Wettbewerbers herum, diesen zur Vergabe von Lizenzen im Rahmen eines Cross-Licensing zu zwingen. Der taktische Wert dieser „Flut von Patenten“ liegt darin, daß sie den Wettbewerber entweder in der Nutzung seiner Kerntechnologie einschränken oder er zur Vermeidung langwieriger und kostenintensiver Patentverletzungsklagen zur Lizenzkooperation gezwungen wird.39 Eine hohe Anzahl von Patenten kann aber auch tatsächlich eine anschreckende Wirkung haben: Junge Biotechnologie-Unternehmen in den USA mit relativ hohen Kosten im Falle von Patentverletzungsklagen meiden Patentsubklassen mit hoher Patentdichte.40 Eine weitere taktische Variante der Patentpolitik kann in der Anmeldung von „Scheinpatenten“ liegen, denen gar keine Innovation zugrunde liegt und deren einziges Ziel in der Irritation von Wettbewerbern besteht: Diese werden einerseits von den wirklich bedeutsamen Patenten abgelenkt und andererseits werden F&E-Ressourcen von ihnen gebunden, bis sie die Nutzlosigkeit des Patentes bzw. der Patentgruppe festgestellt

39

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Vgl. hierzu z.B. Spero, D. M.; (1990), S. 58-67, insbes. S. 60-62, der dies eindrucksvoll anhand der Patentpolitik von Mitsubishi Electric gegenüber seinem eigenen Unternehmen Fusion im Markt der Spezialglühlampen schildert. Vgl. Lerner, J.; (1995), S. 463-495.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

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haben. Allerdings besitzen Patente nicht nur positive Wirkungen für den Anmelder: Ein entscheidender Nachteil kann darin bestehen, daß durch die patentrechtlich vorgeschriebene Offenlegung des Patentes, Wettbewerber erst auf das betreffende technologische Feld, seinen marktlichen Wert und den konkreten Lösungsansatz des Anmelders aufmerksam werden.42 Das Ausmaß der Schützbarkeit einer Technologie im Rahmen der Technologiesicherung hängt dabei generell nicht nur von der Effektivität der rechtlichen Schutzmechanismen, sondern auch von der Natur der Technologie selbst ab:43 So ist explizites technologisches Wissen leichter transferierbar und damit (wenn nicht rechtliche Schutzmechanismen zur Verfügung stehen) schwerer schützbar als implizites (tacit) technologisches Wissen.44 Gleiches gilt in der Regel für Produkttechnologien, die ohne rechtliche Schutzinstrumente schwerer schützbar sind als Prozeßtechnologien, da die Produkte dem Käufer direkt übergeben werden, während die zugrundeliegende Prozeßtechnologie (wenn überhaupt) nur indirekt aus dem Verkaufsprodukt zu erkennen ist. Obwohl Patente hinsichtlich ihrer Bedeutung zur Technologiesicherung nach der übereinstimmenden Erkenntnis zahlreicher empirischer Untersuchungen insgesamt auch bei Produktinnovationen nicht an erster Stelle stehen, besitzt, selbst bei mittelständischen Unternehmen, jedes zweite eigene Patente und nutzt diese in ihrer überwältigenden Mehrheit auch aktiv.45 Insgesamt rangieren Patente aber in ihrer Bedeutung für Produktinnovationen branchenübergreifend zumeist deutlich hinter der der langfristigen Bindung von Mitarbeitern, zeitlichen Vorsprün41

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Für eine Diskussion der unterschiedlichen Varianten von Patentstrategien vgl. z.B. Bellon, B.; Whittington, G.; (1996), S. 289-291. Auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive haben Patente sowohl Vor- als auch Nachteile. Zu den Pro und Contra des Patentschutzes vgl. Kaufer, E.; (1989), S. 4155. Vgl. zur Wirkung des Patentsystems als Informationssystem Foray, D.; (1995), S. 109-133, insbes. S. 118. Vgl. Teece, D.J.; (1986), S. 285-305, insbes. S. 287-290; Teece, D. J.; (1987), S. 185219, insbes. S. 188-193. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen zur Bedeutung der unterschiedlichen Natur des Wissens für das Wissensmanagement in Kap. 2.1.4.4, S. 52ff. Dies ergab eine empirische Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft, in der 1871 mittelständische Unternehmen in Deutschland untersucht wurden, vgl. Förderer, K. et al.; (1998), S. 22-23. Danach besitzen 53 % der befragten Unternehmen eigene Patente. Zwei Drittel dieser Patent besitzenden Unternehmen nutzen mehr als die Hälfte ihrer Patente, 41 % sogar alle ihrer Patente.

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Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

gen bei der Vermarktung, Komplexität der Produktgestaltung und Geheimhaltung.46 Für Verfahren und Prozesse ist dieser Befund sogar noch ausgeprägter. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Bedeutung von Patenten branchenübergreifend sowohl in den USA, als auch in Japan und Europa47 in den letzten Jahren im zeitlichen Verlauf zugenommen hat und ein hochsignifikant positiver Zusammenhang zwischen der Anzahl der Patente und dem Unternehmenswachstum festgestellt werden konnte.48 Hinzu kommt, daß erhebliche Bedeutungsunterschiede zwischen einzelnen Branchen auftreten. So ist für die im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehende Pharmazeutische Industrie die Produktpatentierung das mit Abstand wichtigste Instrument der Technologiesicherung.49 79,2 % aller Produktinnovationen in der Pharmazeutischen Industrie werden auch patentiert.50 Auch ist die Pharmazeutische Industrie mit 65 % die Branche mit der höchsten Quote an Innovationen, die unterblieben wären, wenn eine Patentierung nicht möglich gewesen wäre.51 Generell ist darauf hinzuweisen, daß die einzelnen Technologiesicherungsinstrumente nicht als Alternativen zu betrachten sind, vielmehr lassen sie sich höchst erfolgreich kombinieren. So hat sich die Kombination einer selektiven Patentierung einzelner Zwischenstufen und -prozesse und die Geheimhaltung ande-

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Vgl. Mansfield, E.; (1986), S. 173-181; Levin, R. C.; et al.; (1987), S. 783-820, insbes. S. 793-795; Harabi, N.; (1991 b), S. 8-9 und Tabelle 3; Franke, J. F.; (1993), S. 307-326, insbes. S. 309-312; Harhoff, D.; (1997), S. 333-364, insbes. S. 347-349. Auch in regionaler Hinsicht bestehen Bedeutungsunterschiede hinsichtlich der Bedeutung von Patenten als Technologiesicherungsinstrument. Umgekehrt hängt auch die Stärke des rechtlichen Patentschutzes im betreffenden Land direkt mit der durchschnittlichen F&E-Intensität dieses Landes (oberhalb einer kritischen Schwelle) zusammen: Je höher die F&E-Aktivitäten, desto ausgeprägter begünstigen die rechtlichen Rahmenbedingungen eine Patentierung und Durchsetzung von Patenten, vgl. Ginarte, J. C.; Park, W. G.; (1997), S. 283-301. Vgl. Franke, J. F.; (1993), S. 312. Vgl. Levin, R. C.; et al.; (1987), S. 783-820, insbes. S. 795-798. Neben der Pharmazeutischen Industrie besitzen auch für die Pflanzenschutzmittel- und die organische Industriechemikalienindustrie Patente eine überragende Bedeutung zur Technologiesicherung, vgl. ebenda, S. 795-797. Vgl. Arundel, A.; Kabla, I.; (1998), S.. 127-141. Bei den Prozeßinnovationen werden immerhin noch 45,6 % patentiert, so daß insgesamt umsatzgewichtet 74,0 % aller Innovationen der Pharmazeutischen Industrie patentiert werden, vgl. ebenda, S. 132134. Vgl. Mansfield, E.; (1986), S. 173-181.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

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rer Herstellungsdetails in den Anfängen der Farbstoffindustrie als außerordentlich erfolgreich erwiesen.52 Allerdings ist hervorzuheben, daß die Technologiesicherungsmaßnahmen keinesfalls generell unüberwindliche Hürden für Nachahmer darstellen. So verhindern Patente eine Imitation keinesfalls: Nach Beobachtungen Mansfield et al.’s werden innerhalb von vier Jahren nach der Markteinführung 60 % der erfolgreich patentierten Innovationen nachgeahmt.53 Obwohl Patente also eine Imitation nicht verhindern können, so erhöhen sie doch in der Regel die Imitationskosten54 und sie verlängern die Periode der Marktexklusivität des Orginators beträchtlich, indem sie die durchschnittliche Dauer, die der Nachahmer benötigt, um seine Imitation zu entwickeln, strecken.55 Die Untersuchungen Schewes kommen allerdings sogar zu dem Schluß, daß bezüglich einer Imitationsentscheidung lediglich drei (von diesen drei sogar nur eine erheblich) der sieben von ihm untersuchten Markteintrittsbarrieren (als solche sollen ja die Technologiesicherungsmaßnahmen des Originators idealtypischerweise fungieren) auch wirklich Markteintrittsbarrieren mit Abwehrcharakter darstellen.56 Die übrigen vier stellen sogar Markteintrittsbarrieren mit Signalcharakter dar, d.h. sie haben nicht nur keinen hemmenden Einfluß auf die Imitationsneigung von Wettbewerbern, sondern fördern diese, indem sie dem potentiellen Imitator indirekt mitteilen, welche Markteintrittsstrategie für ihn am erfolgversprechendsten ist. Einen derartigen positiven (Anreiz-) Effekt auf die Markteintrittsentscheidung potentieller Imitatoren haben nach seinen Erkenntnissen die „Economies-of52 53 54

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Vgl. Arora, A.; (1997), S. 391-403, insbes. S. 392-394. Vgl. Mansfield, E.; et al.; (1981), S. 907-918, insbes. S. 913. Nach den Erkenntnissen Mansfield et al.’s beträgt diese Steigerung der Imitationskosten im Mittel 11 % (vgl. Mansfield, E.; et al.; (1981), S. 907-918, insbes. S. 913914; sowie Mansfield, E.; et al.; (1982), S. 132-153). Sowohl Levin et al. als auch Harabi gelangen zu erheblich höheren Steigerungen der Imitationskosten durch Patentierung einer Innovation relativ zur Nichtpatentierung, vgl. Levin, R. C.; et al.; (1987), S. 783-820, insbes. S. 807-812; sowie Harabi, N.; (1991 a), S. 11 und S. 26, Tabelle 12. So ermittelt Harabi Steigerungsraten von 25 % für Prozeßinnovationen und 33 % für Produktinnovationen. Vgl. Harabi, N.; (1991 a), S. 11 und S. 25, Tabelle 11, der eine Verlängerung der durchschnittlichen Imitationsdauer um 20 % bei patentierten Innovationen im Vergleich zu nicht-patentierten Innovationen feststellt. Zu ähnlichen Befunden gelangen auch Levin et al., vgl. Levin, R. C.; et al.; (1987), S. 783-820, insbes. S. 807-812 und Tabelle 9, S. 810. Vgl. Schewe, G.; (1992), S. 182-223.

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Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

Scale-Barriere“, die „Kompatibilitätsbarriere“, die „Rechtlich-politische Barriere“ und die „Referenzbarriere“.57 Inwieweit die Erkenntnisse Schewes bezüglich der Wirkung konkreter Markteintrittsbarrieren allgemeingültig sind, bleibt jedoch fraglich, berücksichtigt man die spezifische Zusammensetzung seiner Untersuchungsstichprobe (bei den Innovatoren handelt es sich überwiegend um kleine und mittlere Unternehmen, die an einem staatlichen Förderprogramm teilgenommen hatten) und die auftretenden Widersprüche zu anderen diesbezüglichen empirischen Studien.58 Die grundsätzliche Notwendigkeit für eine Technologiesicherung/-speicherung ergibt sich aus der Tatsache, daß Technologiebeschaffung und -verwertung zeitlich erheblich auseinanderfallen: Zwischen dem Beginn der Technologiebeschaffung und der vollständigen Ausschöpfung des Technologieverwertungspotentials liegen mindestens der gesamte Entwicklungszeitraum und die Dauer des gesamten Marktzyklus. Zu dieser Zeitdifferenz kann noch zusätzlich eine Interimsphase zwischen beiden Zyklen hinzukommen: Diese kann sowohl auf einer freiwilligen Unternehmensentscheidung beruhen (etwa um den Markt auf die Produkteinführung optimal vorzubereiten) oder auch unfreiwillig entstehen. Unfreiwillige Verzögerungen des Beginns des Technologieverwertungszyklus können etwa aufgrund regulativer Eingriffe, z.B. Dauer von Genehmigungs- und Zulassungsverfahren, eintreten oder weil Ressourcenmangel eine sofortige Verwertung verhindert. In der Pharmazeutischen Industrie ist dieses zeitliche Auseinanderfallen von Technologiebeschaffung und -verwertung besonders ausgeprägt. Während der Technologiebeschaffung (Entwicklungsphase), die im Mittel 12,7 Jahre für einen neuen Wirkstoff dauert, und der Zulassungsphase (2,2 Jahre)59 fallen noch keinerlei Technologieverwertungserträge an (Ausnahme Lizenzvergabe). Berücksichtigt man nun noch die relativ hohen Entwicklungskosten von 800 Mio. US-$

57 58

59

Vgl. ebenda, S. 217-222. Auf diese Diskrepanzen gegenüber früheren Studien weist Schewe selbst hin und kann sie zum Teil z.B. mit der spezifischen Zusammensetzung seiner Stichprobe auch erklären (z.B. geringe Unternehmensgröße der Innovatoren als eine Erklärung für die positive (Signal-) Wirkung der „Economies-of-Scale-Barriere“ auf die Imitationsneigung von (größeren) Wettbewerbern). Vgl. für eine Diskussion der Markteintrittsbarrieren im Spiegel früherer empirischer Befunde ebenda, S. 213-223. Vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 4.1.4 (S. 308ff), insbes. Abb. 4-24 (S. 317).

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

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für einen neuen Wirkstoff, so wird deutlich, daß der Technologiesicherung eine existentielle Bedeutung in der Pharmazeutischen Industrie zukommt. Gleichzeitig ist das der Pharmazeutischen Industrie zur Verfügung stehende Technologiesicherungsinstrumentarium stärker eingeschränkt als in anderen Branchen: So muß der Pharmazeutische Unternehmer die genaue Zusammensetzung seines Arzneimittels genauso offenlegen wie die präklinischen und klinischen Befunde über dessen pharmakologische Wirksamkeit und Sicherheit (inkl. aller bekannten Nebenwirkungen). Der Imitator darf auf diese mit den Zulassungsunterlagen eingereichten Informationen des Originators sogar nach Ablauf der (in Deutschland zehnjährigen) Dossierexklusivität Bezug nehmen und spart eigene aufwendige Untersuchungen.61 Eine Geheimhaltung von Produktinnovationen scheitert also von vornherein nicht nur an der leichten Identifizierbarkeit der chemischen Zusammensetzung eines Medikamentes. Dadurch wird auch die zentrale Bedeutung der Patentierung als mit Abstand wichtigstes Instrument zur Technologiesicherung pharmazeutischer Produkte im Vergleich zu anderen Branchen verständlich. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Technologiesicherung/-speicherung also nicht nur juristische oder technische Maßnahmen umfaßt, sondern alle Koordinations- und Organisationsaufgaben initiieren muß, die zum Erhalt und zur Steigerung des Wertes der Summe des im jeweiligen Unternehmen vorhandenen und im Entstehen begriffenen technologischen Wissens erforderlich sind. Damit bildet die Technologiesicherung/-speicherung ein Kernstück der Transformationskapazität, die für eine erfolgreiche Zusammenführung von Technologiebeschaffung und -verwertung erforderlich ist.62 Diese Transformationskapazität

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Vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 4.1.4 (S. 308ff), insbes. Abb. 4-25 (S. 318). Vgl. zu dieser auch als „Zweitanmelderproblematik“ bezeichneten Thematik und zur Frage der Ausgewogenheit der derzeitigen gesetzlichen Regelung hinsichtlich eines Interessensausgleiches zwischen Originator und Nachahmer Gedenk, G.; (1987); Brockhoff, K.; (1995 c), S. 215-230. Vgl. Garud, R.; Nayyar, P. R.; (1994), S. 365-385, insbes. S. 366-370. Garud/Nayyar verstehen dabei unter Transformationskapazität die Fähigkeit, kontinuierlich das Produktportfolio auf Basis der innerhalb (Hervorhebung im Original) des eigenen Unternehmens entstehenden technologischen Möglichkeiten neu zu definieren. Dabei betrachten die beiden Autoren die Transformationskapazität als komplementäres Gegenstück zur Konzeption von Cohen/Levinthal (Vgl. Cohen, W. M.; Levinthal, D. A.; (1990), S. 128-152; sowie Cohen, W. M.; Levinthal, D. A.; (1989), S. 569-596) zur technologischen Absorptionskapazität von Unternehmen, worunter diese die Fähigkeit

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Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

muß dabei der vielschichtigen Struktur technologischen Wissens Rechnung tragen: impliziten und expliziten, einfachen und komplexen, sowie unabhängigen und systemintegrierten Technologien. Zentrale Aufgabe ist dabei sowohl die Pflege, Reaktivierung und systematische Vernetzung des unternehmenseigenen Technologiepools als auch die explizite Berücksichtigung des Technologiepools aller heutigen und potentiellen Partner im Rahmen einer netzwerkübergreifenden Technologiesicherungs- und speicherungsstrategie. 3.3.1.4

Technologieverwertung

Die Technologieverwertung ist für die optimale Nutzung, Verwertung und Vermarktung aller Technologien verantwortlich, die im betreffenden Unternehmen vorhanden sind. Im Gegensatz zur Innovationsverwertung müssen die zu verwertenden Technologien dabei nicht zwingenderweise generell neu63 sein: Auch die Imitationsverwertung ist also explizit Bestandteil der Technologieverwertung. Letztlich ergibt sich, ob vermehrt Innovationen oder Imitationen genutzt, verwertet oder vermarktet werden, aus der Entscheidung über die Höhe des im Rahmen der Technologieverwertung angestrebten technologischen Leistungsniveaus64 und des Timings der Technologieverwertung.65 Der Technologieverwertung stehen grundsätzlich drei Alternativen zur Erreichung eines optimalen Gesamtergebnisses zur Verfügung: die Eigennutzung des technologischen Wissens in

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zur Wahrnehmung, Bewertung und erfolgreichen Verwertung von Technologien aus Quellen außerhalb des eigenen Unternehmens verstehen (Auf diesen Ansatz wird in Zusammenhang mit den Überlegungen zur Außenorientierung in Kap. 3.3.2.3 (S. 180ff) im Rahmen der Technologiebeschaffung später noch zurückzukommen sein). Da die Notwendigkeit, technologisches Wissen „durch die Zeit zu transferieren“ nicht auf Technologien beschränkt bleibt, die ihren Ursprung im eigenen Unternehmen haben, sondern auch auf solche zutrifft, die aus Quellen außerhalb des eigenen Unternehmens stammen, soll im Folgenden diese Transformationskapazität auf die Summe aller im Unternehmen vorhandenen Technologien bezogen sein, unabhängig davon, auf welche Weise sie beschafft wurden. Als Referenzsystem für die generelle Beurteilung der Neuartigkeit einer Technologie war der relevante Markt festgelegt worden. Vgl. hierzu die analogen Überlegungen zur subjektiven Dimension des Innovationsbegriffes in Kap. 2.1.2.3, S. 35ff. Vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 3.3.2.1 (S. 137ff), deren Konkretisierung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.2.1 (S. 357ff) und die darauf aufbauenden empirischen Befunde in Kap. 6.3.1 (S. 491ff). Vgl. hierzu die nachstehenden Ausführungen in Kap. 3.3.2.2 (S. 172ff), deren Konkretisierung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.2.2 (S. 358ff) und die darauf aufbauenden empirischen Befunde in Kap. 6.3.2 (S. 511ff).

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

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Form unternehmensinterner Prozesse oder (Zwischen-)Produkte, die Eigenvermarktung von Produkten unter eigenem Namen oder die Gemeinschafts- und Fremdvermarktung von Prozessen und Produkten über externe Partner.66 Hierbei ist auch zu definieren, welcher technologische Verflechtungsgrad mit anderen Unternehmen und Institutionen angestrebt wird und welche Technologieverwertungskooperationsformen dabei priorisiert werden.67 Ebenfalls muß der Umfang der Technologieverwertungsaktivitäten in technologischer Hinsicht festgelegt werden (Produktportfolio und bearbeitete Marktsegmente).68 Schließlich muß auch die Entscheidung über den hierzu verfolgten geographischen Aktionsradius, einschließlich der Wahl des/der richtigen Märkte, für Technologieverwertungsaktivitäten getroffen werden.69 Insgesamt sind also unter der Technologieverwertung alle Aktivitäten der Verwertung, der im Fundus des betreffenden Unternehmens vorhandenen Technologien zu verstehen, unabhängig davon, auf welche Weise dieses technologische Wissen zuvor beschafft (im Rahmen der Technologiebeschaffung)70 wurde und auf welche Art und Weise eine Sicherung und Speicherung dieser Technologien vorgenommen wurde (Technologiesicherung).71 Die Technologieverwertung ist hierbei gleicherweise für die optimale Verwertung von Produkt- und Prozeßtechnologien verantwortlich.

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Vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 3.3.2.3 (S. 180ff), deren Konkretisierung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.2.3 (S. 364ff) und die darauf aufbauenden empirischen Befunde in Kap. 6.3.3 (S. 518ff). Vgl. hierzu die nachstehenden Ausführungen in Kap. 3.3.2.4 (S. 190ff), deren Konkretisierung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.2.4 (S. 365ff) und die hierauf aufbauenden späteren empirischen Befunde in Kap. 6.3.4 (S. 527ff). Vgl. hierzu die nachstehenden Ausführungen in Kap. 3.3.2.5 (S. 197ff), deren Konkretisierung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.2.5 (S. 368ff) und die hierauf aufbauenden späteren empirischen Befunde in Kap. 6.3.5 (S. 536ff). Vgl. hierzu die nachstehenden Ausführungen in Kap. 3.3.2.6 (S. 198ff), deren Konkretisierung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.2.6 (S. 369ff) und die hierauf aufbauenden späteren empirischen Befunde in Kap. 6.3.6 (S. 542ff). Vgl. hierzu die vorstehenden Ausführungen in Kap. 3.3.1.2 (S. 125ff), deren Konkretisierung am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.1 (S. 334ff) und die hierauf aufbauenden späteren empirischen Befunde in Kap. 6.2 (S. 436ff). Vgl. hierzu die vorstehenden Ausführungen in Kap. 3.3.1.3, S. 126ff.

136

3.3.2

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

Technologiestrategische Entscheidungsdimensionen

Elementare Voraussetzung dafür, daß das zuvor entwickelte Entscheidungsmodell überhaupt einen Wert in theoretischer Hinsicht und für den Einsatz in der Unternehmenspraxis hat, ist, daß jede der sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen präzisiert wird, was vor allem auf die Ableitung von Kriterien abzielt, die eine trennscharfe Differenzierung unterschiedlicher Ausprägungen für jede Dimension ermöglicht. Diese Aufgabenstellung ist mitnichten ein ausschließliches Problem einer späteren Operationalisierung (für eine empirische Überprüfung), denn ohne ihre sorgfältige Beantwortung bleibt die Konzeption auf der Ebene wenig aussagekräftiger abstrakter Begrifflichkeiten stecken. Als systematischer Rahmen für die Ableitung einer konsistenten Technologiestrategie in der unternehmerischen Praxis wäre sie dann gänzlich unbrauchbar. Im Folgenden wird daher für jede der sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen auf Basis einer kritischen Analyse der wichtigsten bisherigen Ansätze eine Konkretisierung vorgenommen. Die dabei abgeleiteten Kriterien für eine Differenzierung in unterschiedliche Ausprägungen werden dann das Fundament der weiteren branchenspezifischen Konkretisierung in Richtung des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes Pharmazeutische Industrie und der darauf aufbauenden späteren Operationalisierung bilden. Diese beiden Folgestufen und insbesondere der auf ihnen fußende Praxistest am Objekt der auf dem deutschen Arzneimittelmarkt operierenden Pharma- und Biotechnologieindustrie wird der Indikator für die Brauchbarkeit des Modells darstellen. In diesem Zusammenhang sei allerdings noch einmal daran erinnert, daß die vorliegende Arbeit auf die Entwicklung eines systematischen Bezugsrahmens zur Ableitung von Technologiestrategien zielt; somit also eine vollständige Abbildung aller notwendigen Entscheidungsfelder- und ebenen (Dimensionen) mit allen dabei jeweils zur Verfügung stehenden Optionen zum Gegenstand hat, nicht aber den strategischen Planungsprozeß selbst. Die für diesen Planungsprozeß zur Verfügung stehenden Planungsmethoden und –instrumente (z.B. Prognoseinstrumente) werden also nur am Rande erwähnt, nicht aber ausführlich diskutiert. Gleiches gilt für die Implementierung und den Umsetzungsstand der eingeschlagenen Technologiestrategien, sowie die für eine Quantifizierung realisierter Technologiestrategien erforderlichen Meßgrößen. Obwohl diese also nur am Rande Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sein werden, setzen aber sowohl ein fundierter Planungsprozeß als auch eine genaue Standortbestim-

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

137

mung hinsichtlich der realisierten Strategie den hier entwickelten und präzise bestimmten systematischen Entscheidungsrahmen (der kalkulierten Technologiestrategie)72 als unabdingbare Grundlage voraus. 3.3.2.1

Höhe des angestrebten technologischen Leistungniveaus

Anders als bei einigen der nachfolgend genauer betrachteten Entscheidungsdimensionen kann die Dimension „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ nicht direkt für die technologiestrategische Planung eingesetzt werden, weil sie zu abstrakt ist, um als Kriterium für die Differenzierung in ein Spektrum konkreter und präzise beschreibbarer Einzelausprägungen zu dienen. Es müssen daher Unterkriterien bzw. Subdimensionen identifiziert werden, die diese Funktion erfüllen. Wir wollen im Folgenden zwei etablierte Konzepte auf ihre diesbezügliche Eignung hin prüfen: Zunächst werden die Ausprägungen, die für eine Differenzierung von Innovationen in Innovationsarten nach dem Kriterium der Höhe des Innovationsgrades Anwendung finden, auf eine Übertragbarkeit auf die vorliegende Aufgabenstellung hin untersucht: So könnte beispielsweise das Anstreben im Durchschnitt hoher Innovationsgrade ein Gradmesser für ein insgesamt hohes angestrebtes technologisches Leistungsniveau sein, während im Durchschnitt geringe (oder gar keine) Innovationsgrade ein insgesamt niedriges Leistungsniveau repräsentieren würden. Nachfolgend werden wir als zweites auf das Kriterium der „Technologie-Führerschaft“ näher eingehen, das in der Literatur zum strategischen Technologiemanagement am häufigsten zur Präzisierung der „angestrebten Höhe des technologischen Leistungsniveaus“ herangezogen wird. Aufbauend auf den bei diesen Erörterungen gewonnenen Erkenntnissen werden wir schließlich zwei eigene Präzisierungsansätze entwickeln.

72

Wie bereits in Kap. 2.2.1.3 (S. 69ff) ausgeführt wurde, stehen die kalkulierten Technologiestrategien im Mittelpunkt der hier angestellten Überlegungen. Unter kalkulierter Technologiestrategie werden dabei die wohlüberlegten und durchdachten Technologiestrategien verstanden, deren Implementierung (in Form realisierter Technologiestrategien) dabei noch nicht notwendigerweise begonnen haben muß. Für die Unterscheidung von beabsichtigter, kalkulierter und realisierter Strategie vgl. Kap. 2.2.1.3 (S. 69ff).

138

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

Höhe des Innovationsgrades In der wissenschaftlichen Literatur finden sich eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze, die Innovationen bezüglich ihres Innovationsgrades zu unterscheiden und typologisieren suchen.73 Eine grundlegende Unterscheidung ist die auf Mensch zurückgehende Differenzierung in Basis- und Verbesserungsinnovationen: Basis-Innovationen sind „revolutionierende, richtungsändernde Neuheiten“,74 die aufgrund ihres fundamentalen Charakters gänzlich neue „Elementarmärkte“75 kreieren.76 Verbesserungsinnovationen treten innerhalb bereits existierender Elementarmärkte auf.77 Der Innovator muß daher über die zugrundeliegende Basistechnologie verfügen und sie „beherrschen“,78 um auf ihrer Basis Verbesserungsinnovationen hervorzubringen. Dabei ist es gleichgültig, ob er selbst der Originator der Basisinnovation war oder sich diese z.B. über (Lizenz-) Erwerb oder Imitation angeeignet hat. Als Beispiele für Basisinnovationen werden die Dampfmaschine, die Eisenbahn, das Flugzeug und die Mikroelektronik genannt.79 Im Kontext der pharmazeutischen Industrie stellen analog also die erstmalige chemische Synthetisierung eines Arzneimittelwirkstoffes und die Erforschung der Gentechnik derartige Basisinnovationen dar. Aufgrund dieser sehr enggefaßten Definition von Basisinnovationen ist es daher auch nicht verwunderlich, daß Mensch davon ausgeht, daß „im allgemeinen Verbesserungsinnovationen das Ziel der in Firmen angesiedelten Forschung und Entwicklung“80 sind. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit würde uns diese Unterscheidung – schließlich stehen ja Technologiestrategien von Unternehmen im Fokus – daher keinen Nutzen für die beabsichtigte Differenzierung unterschiedlicher Höhen des angestrebten technologischen Leistungsniveaus bringen. Aber selbst wenn man nur auf die unterschiedlichen Typologien für Produktinnovationen zurückgreift, tritt zusätzlich zur begrifflichen Vielfalt zum Teil wi73

74 75 76 77 78 79 80

Vgl. für eine Übersicht der dabei verwendeten Begriffspaare z.B. Hauschildt, J.; (1997), S. 12, der auch differenziert auf die Schwächen dieser Ansätze hinsichtlich ihres praktischen Nutzens eingeht, vgl. ebenda, S. 12-17. Vgl. Mensch, G. (1971), S. 297. Vgl. Mensch, G.; (1972), S. 292-293. Ebenda, S. 291. Vgl. Mensch, G.; (1972), S. 292. Vgl. Albach, H.; (1994 a), S. 53. Vgl. ebenda, S. 52. Vgl. Mensch, G.; (1972), S. 293.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

139

dersprüchlicher Klassifikationsansätze von Innovationen nach dem Kriterium der Innovationshöhe bzw. des Innovationsgrades noch ein handfestes Meßproblem auf.81 So führen beispielsweise Cohen/Levin nach sorgfältiger Literaturanalyse aus: „A fundamental problem in the study of innovation and technical change in industry is the absence of satisfactory measures of new knowledge and its contribution to technological progress“.82 Zusätzlich kompliziert wird diese Problematik auch noch dadurch, daß erhebliche Bewertungsunterschiede in der Beurteilung des Innovationsgrades aus betrieblicher Perspektive und Branchenperspektive bestehen, wie die Befunde von Zanger/Brockhoff nachdrücklich belegen.83 Auch die Unterscheidung der in der vorliegenden Arbeit im Mittelpunkt stehenden Technologien/Techniken nach der Höhe ihres Leistungsniveaus bereitet erhebliche Schwierigkeiten.84 So ist zunächst der Bezugsrahmen festzulegen, nämlich, ob die Differenzierung der technologischen Höhe auf Unternehmens-, Produkt-, oder Branchenebene erfolgen soll.85 Die vorliegende Arbeit hat die Technologiestrategie von Unternehmen zum Gegenstand, bzw. bei diversifizierten Unternehmen die von Geschäftsbereichen mit einer homogenen Technologiestrategie. Das Referenzsystem für die Charakterisierung der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus bildet dabei der relevante Markt.86 In der Praxis erfolgt hingegen die Festlegung, was unter Spitzen- oder Hochtechnologie/-technik zu verstehen ist, häufig auf Branchenebene87 oder auf der Ebene von

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Zum Problem der Messung von Neuigkeitsgraden aus betriebswirtschaftlicher Perspektive vgl. die kritische Gegenüberstellung bisheriger Operationalisierungsansätze und ihrer Schwächen bei Brockhoff, K.; Zanger, C.; (1993), S. 837-839. Zum generellen Problem der Meßbarkeit neuen Wissens, Inventionen, innovativen Aktivitäten und technischen Fortschritts, vgl. Kuznets, S.; (1962), S. 24-41; Cohen, W. M.; Levin, R. C.; (1989), S. 1062-1066 und die dort analysierte Literatur sowie Acs, Z. J.; Audretsch, D. B.; (1993), S. 111-118. Vgl. Cohen, W. M.; Levin, R. C.; (1989), S. 1062. Vgl. Brockhoff, K.; Zanger, C.; (1993), S. 841-851, insbes. S. 849. Auf diese subjektive Dimension von Innovationen wurde bereits in Kap. 2.1.2.3 (S. 35f) hingewiesen. Vgl. hierzu die Ausführungen Brockhoffs, der detailliert auf die Schwierigkeiten eingeht, die bei dem Versuch auftreten, den Begriff „Spitzentechnik“ zu definieren und abzugrenzen, vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 28-34. Vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 29. Vgl. hierzu die analogen Überlegungen zur subjektiven Dimension des Innovationsbegriffes in Kap. 2.1.2.3, S. 35ff. Vgl. hierzu die bei Brockhoff genannten Beispiele, Brockhoff, K.; (1999), S. 30-33.

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Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells 88

Produktgruppen. Kritisch anzumerken ist, daß dabei die Abgrenzung zwischen den Bereichen der Spitzentechnik und der höherwertigen Technik zumeist sehr willkürlich erfolgt.89 Hinzu kommt, daß die Tatsache bewußt in Kauf genommen wird, daß in jeder Produktgruppe und Industrie hinsichtlich ihres technologischen Leistungsniveaus zum Teil sehr unterschiedliche Technologien zusammengefaßt werden, z.B. in Ermangelung einer hinreichend tief heruntergebrochenen Datenbasis.90 Die Folge ist, daß einzelne Technologien/Techniken falsch zugeordnet werden, etwa eine relativ selten anzutreffende einzelne Spitzentechnik in einer Produktgruppe/Branche, in der der herkömmliche technische Standard in der Regel dominiert.91 Schließlich bringt für den in der vorliegenden Arbeit verfolgten Zweck die Feststellung, daß die Pharmazeutische Industrie92 bzw. „pharmazeutische Produkte“ der „Spitzentechnik“ und „Medikamente“ der „höherwertigen Technik“ zuzuordnen sind,93 keinerlei Erkenntnisfortschritt für die Differenzierung des angestrebten technologischen Leistungsniveaus im Rahmen der technologiestrategischen Ausrichtung von Unternehmen der Pharmazeutischen Industrie. Ein Ansatz, der die Technikwirkung unter wettbewerbsstrategischen Aspekten klassifiziert, geht auf die Technologielebenszykluskonzeption94 von Arthur D. 88 89

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Vgl. Gehrke, B.; Grupp, H.; (1994), S. 39-45. Etwa wenn die Festlegung Input-bezogen über die F&E-Intensität der Produktgruppe bzw. Industrie durch die willkürliche Festlegung des Schwellenwertes erfolgt, vgl. hierzu ebenda, S. 35-39. Zur generellen Kritik an dieser Vorgehensweise vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 30-33. So wenden beispielsweise Gehrke/Grupp, ein „Kontaminationsprinzip“ an, „das besagt, daß eine (Produkt-) Gruppe, die wesentlich, aber nicht vollständig, F&E-intensive Produktgruppen auf dem nächstniedrigen Aggregationsniveau enthält, zur Gänze herangezogen wird“, vgl. Gehrke, B.; Grupp, H.; (1994), S. 42. Dies trifft beispielsweise zu, wenn spezielle Forschungsschiffe, die eigentlich als Spitzentechnik zu klassifizieren wären, in der Gruppe der Schiffbau-Industrie mit dieser als nicht Spitzentechnik klassifiziert werden, vgl. Brockhoff, K.; (1999), S. 31. Zu den Industriezweigen, die der Spitzentechnik zuzurechnen sind, werden die „Hersteller von pharmazeutischen Erzeugnissen“ gezählt, vgl. Gehrke, B.; Grupp, H.; (1994), S. 46. Vgl. Gehrke, B.; Grupp, H.; (1994), S. 43-44. Die Konzeption des Technologielebenszyklus ist bereits erheblich älter (letztlich gehen die grundsätzlichen Überlegungen hierzu bereits auf Kondratieff und Schumpeter zurück, vgl. Schumpeter, J. A.; (1939)). Auf die Konzeption des Technologielebenszyklus soll an dieser Stelle aber nicht näher eingegangen werden, vielmehr sei hierzu insbesondere auf die folgenden Autoren verwiesen: Ford, D.; Ryan, C.; (1981),

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

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Little zurück. Danach sind Schrittmachertechnologien, Schlüsseltechnologien und Basistechnologien zu unterscheiden: Unter Schrittmachertechnologien werden Technologien mit beträchtlichem Anwendungs- und Marktpotential, die sich aber noch in ihrer Entstehungsphase befinden, verstanden. Schlüsseltechnologien sind solche, die sich bereits in ihrer Wachstumsphase befinden und mit denen beträchtliche Wettbewerbs- und Markterfolge errungen werden können. Basistechnologien schließlich sind Technologien in der Reifephase, die zwar von allen Wettbewerbern einer Branche benötigt werden, mit denen sich aber keine Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern mehr erzielen läßt.95 Letztlich ist aber auch dieser Konzeption entgegenzuhalten, daß dieser Zyklus nicht gesetzmäßig durchlaufen werden muß, die Übergänge zwischen den einzelnen Phasen stark überlappen und in der Praxis zumeist erst nachträglich festgelegt werden kann, welche Phase vorgelegen hat. Demzufolge ist auch eine trennscharfe Unterscheidung zwischen Basis-, Schlüssel- und Schrittmachertechnologien kaum möglich, und damit ist auch dieses Instrument für eine präzise Differenzierung unterschiedlicher, diskreter Intervalle der Höhe des technologischen Leistungsniveaus wenig geeignet. Zusätzlich zu dem vorstehend Gesagten machen es eine Reihe von Faktoren generell schwierig, direkt den angestrebten Innovationsgrad bzw. den primär favorisierten Typus von Technologien (Basis-, Schlüssel- oder Schrittmachertechnologie) als Maßstab für die Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus für die technologiestrategische Planung einzusetzen: Bereitet z.B., wie vorstehend dargelegt, bereits die Ermittlung der Höhe einer Innovation nachträglich Schwierigkeiten, so ist dies ex ante (da es sich hier um kalkulierte Technologiestrategien dreht, wäre dies erforderlich) als äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich anzusehen, wie die beiden folgenden Punkte verdeutlichen:

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S. 117-126; Zörgiebel, W. W.; (1983), S. 31-42; Höft, U.; (1992), insbes. S. 74-88, sowie Abernathy, W. J.; Townsend, P. L.; (1975), S. 379-396, insbes. S. 386-395; Abernathy, W. J.; Utterback, J. M.; (1978), S. 40-47; Abernathy, W. J.; Utterback, J. M.; (1982), S. 97-108; Utterback, J. M.; Kim, L.; (1985), S. 113-151; Utterback, J. M.; Kim, L.; (1989), S. 5-39; Anderson, P.; Tushman, M. L.; (1990), S. 604-633; Utterback, J. M.; Suárez, F. F.; (1993), S. 1-21; Utterback, J. M.; (1994); Pistorius, C. W.; Utterback, J. M.; (1995), S. 133-151; Von Zedtwitz, M.; Kiss, E.; (1996), S. 105116; Afuah, A. N.; Utterback, J. M.; (1997), S. 183-202; Pistorius, C. W.; Utterback, J. M.; (1997), S. 67-84; Utterback, J. M.; Afuah, A. N.; (1998), S. 183-199. Vgl. Saad, K. N.; et al.; (1991), S. 65-70, insbes. S. 69-70 und Arthur D. Little (1994), S. 75-80.

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Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

1) Nimmt nämlich mit höherem Innovationsgrad der Empiriegrad, also die technologische Unsicherheit, beträchtlich zu, dürfte also eine exakte Ergebnisprognose insbesondere für hohe Innovationsgrade extrem schwierig werden. 2) Bei der Festlegung des Referenzsystems für die Beurteilung einer Innovation war zuvor das des relevanten Marktes festgelegt worden.96 Dies hat zur Konsequenz, daß nicht nur die Innovationsleistungen des eigenen Unternehmens Auswirkungen auf den letztlich gegenüber dem im Markt etablierten Stand der Technik bei Markteinführung und –durchsetzung erzielten Neuheitsgrad haben. Die Aktivitäten von anderen Akteuren (insbesondere auch von Wettbewerbern innerhalb dieses relevanten Marktes) sorgen nämlich dafür, daß der Stand der Technik kein statisches, sondern ein sich kontinuierlich veränderndes Konstrukt ist. Zusätzlich zur eigenen Innovationsleistung ist also auch noch die Frage zu berücksichtigen, ob nicht zum Beispiel ein Wettbewerber zwischenzeitlich eine relativ sehr viel höhere Innovationsleistung erbracht hat. Dies würde zu dem (kuriosen) Ergebnis führen, daß die Innovation des eigenen Unternehmens post hoc sogar aus Branchenperspektive eine Imitation darstellt. Auch ist für die Beurteilung des erreichten technologischen (in realisierter Form technischen) Leistungsniveaus nicht das objektive (etwa anhand naturwissenschaftlicher Parameter meßbare), sondern das vom Kaufentscheider97 subjektiv wahrgenommene Niveau ausschlaggebend.98 Eine unterschiedliche Einschätzung des Innovationsgrades durch das innovierende Unternehmen und die letztlich entscheidende Instanz, dem Kunden (genauer dem Kaufentscheider), kann nämlich auftreten, selbst wenn beide die Branche als Referenzsystem verwenden. Diese Subjektivitätsunschärfe wird umso ausgeprägter sein, je größer die begrifflichen Interpretationsspielräume im Verständnis des jeweiligen Akteurs für die Einschätzung des Innovationsgrades sind. Ein Innovator wird dabei häufig dazu

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Vgl. hierzu die analogen Überlegungen zur subjektiven Dimension des Innovationsbegriffes in Kap. 2.1.2.3, S. 35ff. Im vorliegenden Fall der Pharmazeutischen Industrie ist dieser, wie die späteren Ausführungen in Kap. 4.1.3.2 (S. 274ff), insbes. Abb. 4-18 (S. 275), verdeutlichen werden, zumeist nicht mit dem Konsumenten/Patienten identisch. Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur tatsächlichen und wahrgenommenen Technikposition von Brockhoff, K.; (1999), S. 30.

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neigen, die eigene Innovationsleistung zu überschätzen – ist sie wirklich nur marginal, nicht mindestens inkrementell oder sogar fundamental?99 Die bisherigen kritischen Anmerkungen hatten sich zunächst nur auf eine einzelne Innovation bezogen; die herauskristallisierten Schwierigkeiten nehmen beim Übergang auf die Betrachtungsebene des Gesamtunternehmens, bzw. bei diversifizierten Unternehmen der strategischen Geschäftseinheit, nochmals erheblich zu. Technologieführer versus Technologiefolger Die zweite in der Literatur vorherrschende Sichtweise der Entscheidungsdimension „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ stellt auf das Kriterium der technologischen Führung ab.100 Genauer ist das Kriterium eigentlich mit „relativer angestrebter technologiestrategischer Wettbewerbsposition“ zu bezeichnen. „Technologische Führung“ oder „technologische Präsenz“ wären dann zwei Ausprägungen dieser Dimension. Zwar hat dieses Kriterium den expliziten Vorteil gegenüber den zuvor diskutierten Alternativen, daß hierbei das Referenzsystem und dessen Dynamik (zeitliche Veränderbarkeit) klar einbezogen sind. Das Problem einer Subjektivitätsunschärfe wird jedoch nicht völlig gelöst bzw. läßt ein neues entstehen: Hinreichend klar abgrenzbar sind nämlich nur die Extreme.101 Die Frage, ob vom eigenen Unternehmen angestrebt wird, der Technologieführer zu sein, läßt wenig Interpretationsspielraum und führt zu 99

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Zwar kann prinzipiell der explizite Hinweis auf eine zuvor eindeutig festgelegte Definition und Abgrenzung der einzelnen Kriterien, diese Subjektivitätsunschärfe reduzieren helfen, das prinzipielle Problem aber letztlich nicht lösen. Welche praktische Bedeutung eine unterschiedliche Bewertung des Innovationsgrades haben kann, belegt zum Beispiel der Streit um sogenannte „Scheininnovationen“ im Arzneimittelmarkt (vgl. z.B. Schwabe, U.; Paffrath, D.; (Hrsg.); (2002), S. 23-71), der insbesondere für die betroffenen Pharma-Unternehmen essentielle wirtschaftliche Bedeutung haben kann. Vgl. z.B. Wolfrum, B.; (1994), S. 281-282 und Arthur D. Little; (1994), S. 82-83, sowie zahlreiche weitere der in Kap. 2.3.2 (S. 94ff) und Kap. 2.4 (S. 105ff) ausführlich analysierten Ansätze. Vgl. hierzu auch Wolfrum, B.; (1994), S. 281-282, der dieses Problem ebenfalls erkennt und sich in Anlehnung an Michel durch eine weitergefaßte Definition des Begriffs „Technologische Führung“ („geringe Distanz zum Stand der Technik“) zu helfen sucht. Dadurch kann zwar vermieden werden, daß jeweils nur ein Unternehmen Technologieführer sein kann und alle anderen nur technologisch präsent sind, das Problem, daß nur zwei Extreme einigermaßen präzise bestimmt werden können, bleibt aber unverändert erhalten.

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Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

trennscharfen Ausprägungen, aber eben nur zu zweien, nämlich dem Führer und dem Folger als Ausprägungen. Weitere Zwischenausprägungen wie früher, mittlerer oder später Folger erzeugen wieder ein enormes Unschärfepotential.102 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß das Kriterium der „relativen angestrebten technologiestrategischen Wettbewerbsposition“ zwar hilft, eine erste Grobdifferenzierung vorzunehmen, aber aufgrund dieser nur bipolaren Unterscheidung in der Praxis – wo insbesondere die genauere Beurteilung der Zwischentöne von Interesse ist, weil die reinen Extreme nur selten anzutreffen sind, – von äußerst eingeschränktem Wert sein wird. Die technologiestrategische Entscheidungsdimension „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ bedarf also einer erheblich genaueren Präzisierung und Konkretisierung, um überhaupt einen Wert für die technologiestrategische Planung zu besitzen. Hierzu werden im Folgenden nacheinander zwei Unterdimensionen der „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ herausgearbeitet, die diese Dimension entscheidend präzisieren und dazu führen, die bisherige, nur bipolare Differenzierbarkeit zugunsten präzise definierter diskreter Intervalle/Zwischenausprägungen aufzubrechen.

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Zwar könnten ursprünglich vor allem für Prognoseaspekte entwickelte Konzepte, wie z.B. die S-Kurve (vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Fußnote Nr. 17, S. 121), helfen, präziser zu definieren, was unter einem frühen, mittleren oder späten Folger zu verstehen ist, indem etwa der Abstand zum Technologieführer auf der S-Kurve als Maßstab herangezogen wird. Neben den allgemeinen Schwierigkeiten einer praktischen Nutzung der S-Kurven-Konzeption (vgl. hierzu die ausführliche Analyse Brockhoffs, Brockhoff, K.; (1999), S. 185-196 und S. 211-212) (etwa der Wahl der geeigneten Achsendimensionen) liegt auch hierin keine wirkliche Verbesserung, weil die genaue Bestimmung, welcher Abstand zum Technologieführer einem frühen Folger, einem mittleren Folger oder einem späten Folger entspricht, doch in jedem Einzelfall (vermutlich für jede relevante Technologie, in jedem Fall aber für jede Industrie) neu beurteilt werden muß. Hinzu kommt die Vielzahl der zu analysierenden S-Kurven, da selten nur eine Technologie strategische Relevanz besitzt: Mit Sicherheit werden in jeder Industrie eine Vielzahl von Technologien Verwendung finden, vgl. hierzu z.B. Porter, M. E.; (1986 a), S. 221-225. Aber selbst wenn man für die obigen Betrachtungen nur diejenigen heranziehen würde, die nach ebenfalls noch ungeklärten Kriterien als strategisch relevant eingestuft würden (Vgl. hierzu Porter, M. E.; (1986 a), S. 225), würde sich ein gewaltiger Analyseaufwand mit unsicherem Ergebnis ergeben.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

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Hierzu wird zunächst die Konzeption der Technologiewertschöpfungskette entwickelt. Die strategische Schwerpunktsetzung entlang dieser Technologiewertschöpfungskette erweist sich dann nachfolgend als eine der gesuchten Subdimensionen. Als zweite Subdimension wird sich schließlich die technologiestrategische Risikobereitschaft identifizieren lassen. Die Technologiewertschöpfungskette Für die Entwicklung eines Konzeptes für eine Technologiewertschöpfungskette soll zunächst auf die fundamentalen Überlegungen Porters zu seinem Modell der Wertekette zurückgegriffen werden, das, wie sich aber nachfolgend erweisen wird, noch mit weiteren konzeptionellen Ansätzen zu verknüpfen sein ist, bevor es die für die vorliegende Arbeit geeignete Form haben wird. Wie bereits in Zusammenhang mit der Abgrenzung des Aufgabenspektrums des Technologiemanagements in Kap. 2.1.4.5103 ausgeführt wurde, räumt Porter dem Technologiemanagement eine zentrale Bedeutung bei der unternehmerischen Wertschöpfung ein, verbildlicht durch eine Querschnittsfunktion „technology development“ in dem von ihm zur systematischen Untersuchung der Ursachen für Wettbewerbsvorteile entwickelten analytischen Instrument der „Wertekette“.104 Auf Porter selbst geht auch der erste Ansatz für eine auf technologie-

103 104

Vgl. hierzu S. 58ff, insbes. Fußnote 201, S. 60. Vgl. hierzu Porter, M. E.; (1986 a), S. 59-92. Nach Porter besitzt jedes Unternehmen eine eigene Wertekette, die auf die Werteketten von Zulieferern aufbaut und ihrerseits wiederum die Basis nachgelagerter Werteketten bildet. „Die Wertekette zeigt den Gesamtwert und setzt sich aus den Wertaktivitäten und der Gewinnspanne zusammen. Wertaktivitäten sind die physisch und technologisch unterscheidbaren, von einem Unternehmen ausgeführten Aktivitäten. Sie sind die Bausteine, aus denen das Unternehmen ein für seine Abnehmer wertvolles Produkt schafft“, vgl. ebenda, S. 64. Porter unterscheidet dabei zwei Arten von Wertaktivitäten: Zu den „primären Aktivitäten“ zählen „Eingangslogistik“, „Operationen“, „Ausgangslogistik“, „Marketing&Vertrieb“ und „Kundendienst“, während als „unterstützende Aktivitäten“ neben der „Technologieentwicklung“ noch die „Unternehmensinfrastruktur“, die „Personalwirtschaft“ und die „Beschaffung“ genannt werden, vgl. ebenda, S. 65-71. Auf die Adaption dieses Instrumentes auf die spezifischen Gegebenheiten in der Pharmazeutischen Industrie wird in Kap. 4.1.3.1 (S. 268ff) zurückzukommen sein. Für eine genauere Betrachtung des generellen Porterschen Gedankengebäudes, insbesondere der „generischen Wettbewerbsstrategien“ vgl. die Ausführungen in Kap. 2.2.2.1, S. 76ff.

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Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

bezogene Aspekte fokussierte Betrachtung dieses Instrumentes zurück.105 Im Sinne des Grundverständnisses der Aufgaben des Technologiemanagementes hatte sich aber Porters universales Technologieverständnis für die vorliegende Arbeit als unbrauchbar erwiesen.106 Zusätzlich stellt diese technologische Betrachtungsperspektive Porters auch eine zentrale Ursache dafür dar, daß die Wertekette nicht direkt als Instrument für eine fokussierte Analyse der technologiebezogenen Wertschöpfung eingesetzt werden kann. Dies liegt darin begründet, daß der Ansatz die Technologieentwicklung, trotz – vielleicht sogar gerade wegen – des Universalanspruchs an diese, als reine Unterstützungsaktivität betrachtet und so der strategischen Bedeutung, die (einige wenige) Kerntechnologien für die Gesamtwertschöpfung der Unternehmen besitzen, nicht gerecht wird. Nahezu unberücksichtigt bleibt dabei nämlich, daß die Wertschöpfung in vielen Unternehmen, insbesondere in sogenannten Hochtechnologiebranchen, wie der Biotechnologie-, Pharma-, Elektronik- oder Informationsstechnologiebranche, vor allem in dem Erwerb, der Weiterentwicklung und der Verwertung von technologischem Wissen selbst liegt und nicht nur in der unterstützenden Wirkung von Technologien bei der Veredlung von physischen Produkten.107 105

106 107

Vgl. Porter, M. E.; (1986 a), S. 69 und S. 219-263, insbes. S. 219-225. Dabei weist Porter der Technologieentwicklung („technology development“ in der engl. Originalausgabe) einen Aktionsradius zu, der über die „direkt mit dem Endprodukt verbundenen Technologien“ hinausgeht, und auch andere Querschnittsfunktionen und primäre Wertkettenfunktionen hinsichtlich aller benötigten Technologien mitbetreut, vgl. ebenda, S. 69. Dieser Universalanspruch an das Technologiemanagement kommt auch in der dezidierten Auflistung „Typischer Technologien in der Wertekette eines Unternehmens“ in Abb. 5-1 (ebenda, S. 222) zum Ausdruck. Zu den generellen technologiestrategischen Überlegungen Porters, die letztlich alle eng mit dem Konzept der Wertekette verflochten sind, vgl. die früheren Ausführungen in Kap. 2.2.2.1 (S. 76ff.) und Feldmann, C.; (2005 a), S. 11ff. und S. 73ff. Auf diese wird an dieser Stelle nicht erneut zurückgekommen, weil es hier ausschließlich um die Entwicklung einer für die vorliegende Arbeit geeigneten Konzeption einer Technologiewertschöpfungskette geht, für die u.a. auf Porters Werteketten-Ansatz zurückgegriffen werden soll. Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 58ff, insbes. Fußnote 201, S. 60. Beanstandungen am Ansatz von Porter hat auch Mintzberg, dessen Kritik an der unzureichenden Betrachtung vitaler Unternehmensaktivitäten als rein unterstützende Aktivitäten sich nicht nur auf die der Technologieentwicklung beschränkt: „Because he (Porter – Anm. d. Verf.) places his major emphasis on the flow of physical materials (for example, referring to „inbound logistics“ as encompassing „materials handling, warehousing, inventory control, vehicle scheduling, and returns to suppliers“), he shows procurement and human resources management as support activities, whereas by taking more of a general systems theory orientation, we (Mintzberg – Anm. d.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

147

Dennoch stellt der Wertketten-Ansatz Porters zweifelsfrei einen wertvollen Erkenntnisfortschritt dar, indem hierin der Leistungsprozeß in den Mittelpunkt der strategischen Betrachtung gestellt wird und ein analytisches Instrument geschaffen wurde, das hilft, in den Prozessen der Wertekette die entscheidenden Quellen von Wettbewerbsvorteilen in Form von Kosten- oder Differenzierungsvorteilen gegenüber Wettbewerbern zu identifizieren.108 Für die hier anzustellenden Überlegungen muß sich die Betrachtung auf die im Endprodukt enthaltenen, bzw. für dessen Entstehung oder nachfolgende Nutzung maßgeblichen Technologien konzentrieren. Wenn im Folgenden von Technologien die Rede sein wird, bezieht sich dies auf diese, als Kerntechnologien zu bezeichnenden Technologien. Leitgedanke soll dabei sein, das Instrument der Wertekette auf den Prozeß anzuwenden, den die Technologien im Rahmen ihrer Erforschung und Entwicklung bis zu ihrer finalen Realisierung in Form des ausgereiften, mit jedem erdenklichen Zusatznutzen versehenen (End-)Kundenproduktes durchlaufen. Im Fokus der nachfolgenden Überlegungen sollen dabei die Veränderungen in der Natur der Technologien beim Durchlaufen der verschiedenen Stufen dieses Prozesses der Tech-

108

Verf.) show them as inputs, among the sourcing strategies. Likewise, he considers technology development as support whereas we consider it as part of processing. In fact, Porter’s description would relegate research and development and engineering (…) to staff than line activities, a place that would certainly be disputed in a great many manufacturing firms. Vgl. Mintzberg, H.; (1988), S. 12-14. Diese Sichtweise kann aus Perspektive des Technologiemanagements allerdings noch weniger befriedigen, da in ihr die strategische Bedeutung von Kerntechnologien, auf die alle Stufen der Wertschöpfung ausgerichtet sein sollten und die analog zu physischen Gütern die Wertschöpfungskette durchlaufen, noch weniger zum Ausdruck kommt. Das Instrument der Wertschöpfungskette hat sich bereits bei der Analyse sehr unterschiedlicher (nicht technologiebezogener) Fragestellungen in Wissenschaft und Praxis bewährt, vgl. hierzu beispielsweise: Zentes (1995), der für die Ableitung von (europäischen) Internationalisierungsstrategien vier Basisdimensionen auf Grundlage der Wertschöpfungskette identifiziert, vgl. Zentes, J.; (1995), S. 3-30, insbes. S. 14-26. Handlbauer nutzt die Wertschöpfungsanalyse für das Management von Kernkompetenzen, vgl. Handlbauer, G.; (1995), S. 263-283, insbes. S. 274-280. Als analytisches Grundkonzept hat sich die Wertschöpfungskette beispielsweise auch zur strategischen Kostenanalyse bewährt, vgl. hierzu Bea, F. X.; Haas, J.; (1995), S. 303-306. Porter selbst dokumentiert den analytischen Wert der Wertekette für eine Reihe von Anwendungen: Takeuchi, H.; Porter, M. E.; (1986), S. 118ff (Rolle des Marketing im Rahmen einer Internationalisierungsstrategie) sowie Porter, M. E.; (1991), S. 95-117, insbes. S. 101-104 (Wertekette und Wertesystem in einer dynamischen Theorie der Strategie).

148

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

nologiewertschöpfung stehen, unabhängig davon, ob diese Technologien in Produkten/Prozessen inkorporiert sind oder nicht. Eine wirkliche Weiterentwicklung des Instrumentes der Wertekette unter technologischem Betrachtungswinkel, um es so für das strategische Technologiemanagement nutzbar zu machen, ist bis heute nicht erfolgt. Zwar wird die Wertekette, insbesondere in der Beratungspraxis und deren Umfeld, in Verbindung zu F&E, Innovation und Technologie gesetzt, ohne daß dabei jedoch eine tiefergründige Reflexion oder Konzeptentwicklung erfolgt wäre. Gemeinsam ist diesen bisherigen Ansätzen, daß sie entweder die Theorie Porters mit nur geringer Varianz relativ unreflektiert übernehmen (z.B. unter dem Dach „geschäftsbezogener Innovationen“)109 – diese Ansätze sind dann auch nicht technologiebezogen – oder einfach den F&E- oder Innovationsprozeß entsprechend umbenennen.110 Explizit wird der Terminus „technologische Wertschöpfungskette“ selten benutzt: Gerybadze greift auf ihn zur Verdeutlichung der Notwendigkeit einer zielorientierten Vorgehensweise bei der Ausrichtung von F&E („TargetBased R&D“) zurück. Letztlich stellt aber auch die „technologische Wertschöpfungskette“ Gerybadzes im Prinzip nichts anderes als die Wiedergabe der Grobstruktur eines F&E-Prozesses im Spannungsfeld zwischen Markt- und Technologieimpulsen dar.111 Einen größeren Erkenntnisfortschritt beinhaltet – zumindest implizit – das im Rahmen ihrer Analyse der „Dynamik technologischer Innovationsprozesse in der unternehmensübergreifenden Wertekette“ von Backhaus/Voeth entwickelte Grundschema, weil es – wenn auch nur indirekt und fokussiert auf eine Beschreibung der Wechselwirkung von produkt- und prozeßbezogenen Technologien – erstmals den Prozeß der Leistungserstellung in Verbindung mit einer Veränderung der Natur der Technologien setzt: Bezogen auf den jeweiligen Anbieter

109

110

111

Vgl. z.B. Weidler, A.; (1997), S. 187-196, der die Reorganisation von Werteketten bzw. Wertesystemen als Innovationsstrategie betrachtet: „Geschäftsbezogene Innovationsstrategien können sich nun auf die Veränderung von Branchengrenzen und -strukturen und damit auf eine Reorganisation von Wertesystemen richten“, vgl. ebenda, S. 188. Ähnlich zuvor bereits Arthur D. Little (1988), S. 137-149 unter dem Begriff „innovative Wertschöpfungsstrategien“. Diese Vorgehensweise ist dann zumeist branchenspezifisch. Vgl. hierzu, z.B. bezogen auf die Pharmazeutische Industrie Arthur D. Little (1997), S. 85 sowie Dillmann, L.; (1996), S. 5-7. Vgl. Gerybadze, A.; (1992), 402-406.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

149

wird eine Wertschöpfungskette, ausgehend von Basistechnologien über Investitionsgüter und Konsumgüter, zum Endkonsumenten aufgezeigt.112 In der vorliegenden Arbeit sollen die Erkenntnisse, die sich aus einer wissensorientierten Betrachtung des Technologiephänomens/begriffs ergeben, für eine eigene Konzeption der Technologiewertschöpfungskette genutzt werden. Die Technologiewertschöpfungskette soll hierzu einerseits als Technologietransformationsprozeß, bei dem das technologische Wissen seine Konsistenz verändert, und gleichzeitig andererseits (auf Basis von Porters Werteketten-Ansatz) als technologischer Wertschöpfungsprozeß aufgefaßt werden, bei dem die Technologie immer weiter „veredelt“ wird. Im Rahmen dieses Transformationsprozesses (bzw. „Veredlungsprozeß“) steigert sich der dabei entstehende Kundennutzen immer weiter – allerdings, wie aufzuzeigen sein wird, nicht kontinuierlich mit gleicher Steigerungsrate, sondern in der Regel auf den frühen Stufen sprunghaft in großen Intervallen, die auch vergleichsweise selten durchlaufen werden, und auf den späten Stufen mit vergleichsweise geringem Zuwachs an Kundennutzen, die dafür aber relativ häufig durchlaufen werden. Dabei sind die Technologien nicht losgelöst von physischen Produkten oder Prozessen, sondern ihre Natur ändert sich parallel zu der äußeren Erscheinungsform in realisierten (technischen) Produkten und Prozessen und wird maßgeblich bestimmt durch die zu ihrer (der Technologien) Generierung und Evolution führenden Aktivitäten. Dieser Sachverhalt ist in Abb. 3-4 wiedergegeben: Zur Veranschaulichung der Technologiewertschöpfungskette kann auf das biologische Modell der Nahrungskette zurückgegriffen werden, das sich hervorragend als Analogon für die Beschreibung des Vorgangs eignet, der bei der Transformation technologischen Wissens abläuft und den gesamten Umwandlungsprozeß, ausgehend von einer frühen, noch in keiner Weise zielgerichteten Erkenntnis der Grundlagenforschung, bis schließlich hin zum in jeder Hinsicht optimal an alle tatsächlichen und potentiellen Kundenbedürfnisse angepaßten und ausgefeilten Endprodukt umfaßt.113 Die frühe technologische Erkenntnis ent-

112 113

Vgl. Backhaus, K.; Voeth, M.; (1995), S. 396. Vgl. hierzu auch Price, R. M.; (1996), S. 38-56, insbes. S. 49-52, der eine technologische Nahrungskette („Technological Food Chain“) für die Computer- und Informationstechnologieindustrie entwirft und dabei auf die Metapher der Nahrungskette zurückgreift, „to explain the role of value-added know-how (technology) as one moves from basic science, to products, to systems, and finally to services”.

150

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

Die Technologiewertschöpfungskette: Stufen der technologischen Wissensveredlung

Aktivität

Ergebnis

Abb. 3-4:

Zweckfreie Grundlagenforschung

Neues Grundlagenwissen

Angewandte Grundlagenforschung

Neue Technologien und Schlüsselbausteine

Produktorientierte Forschung

Neue Basisprodukte

Optimierungsorientierte Entwicklung

Optimierte Basisprodukte

Expansionsorientierte Entwicklung

Expansion der Anwendungsbasis

Kombinatorische Entwicklung

Neue Kombinationen mit anderen BasisProdukten

Anwendungsentwicklung

Neues Design und Anwendungsoptimierung

ServiceEntwicklung

Neue Services

Die Technologiewertschöpfungskette unter Berücksichtigung des Aktivitäts- und Ergebnisaspektes. Quelle: Eigene Darstellung

spricht quasi der einzelligen Alge, die in der Technologiewertschöpfungskette/ Nahrungskette über die Stufen Garnele, junger Fisch bis zum Raubfisch (z.B. Thunfisch), dem ausgefeilten Fertigprodukt transferiert wird. Faszinierend ist dabei, wie weit die Parallelen zwischen beiden Modellen reichen: Dies wird besonders deutlich, wenn man die Definition der Nahrungskette als Vorlage für die der Technologiewertschöpfungskette verwendet. So ist die Nahrungskette definiert als: „Bezeichnung für eine Gruppe von Organismen, die in ihrer Ernährung voneinander abhängig sind.“114 „Die Konsumenten niederen Grades sind gewöhnlich klein, von hoher Individuenzahl bzw. Fortpflanzungspotenz, während am Ende der Nahrungskette vielfach große Arten mit geringer Populationsdichte stehen, die sich durch hohe Organisation, Leistungsfähigkeit und großen Aktionsradius auszeichnen.“115

114 115

Meyers großes Taschenlexikon; (1992), 4. Aufl., Bd. 15, S. 144. Ebenda, S. 145.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

151

Ersetzen wir in obiger Definition die fettgedruckten Worte durch entsprechende Analoga aus der Begrifflichkeit des Technologiemanagements, fügen die kursiv gedruckten Worte ein, bzw. entfernen sie, so gelangen wir zur folgenden Definition der Technologiewertschöpfungskette: „Bezeichnung für eine Gruppe von Technologien (in realisierter Form Techniken), die in ihrer Evolution voneinander abhängig sind.“ „Die frühen Stufen sind gewöhnlich abstrakt und relativ weniger komplex, von hoher Ausfallrate (aufgrund eines hohen Empiriegrades)116 – bieten aber im Erfolgsfalle die Basis für eine Menge nachgelagerter Stufen – nehmen aber im Rahmen des Erkenntnisfortschrittes anzahlmäßig viel schneller bzw. stärker zu (als nachfolgende Stufen), während am Ende der Technologiewertschöpfungskette vielfach komplexe Technologien mit geringer technologischer Ausfallrate (aufgrund eines niedrigeren Empiriegrades) stehen, die sich durch hohe(n) Organisation(sgrad), Leistungsfähigkeit und großen spezifischen Kundennutzen auszeichnen.“ Diese Definition ist als Basis geeignet, muß aber nachfolgend noch ergänzt werden, um das Modell der Technologiewertschöpfungskette zu vervollständigen: 1) Es ist darauf hinzuweisen, daß die Technologien jeder Stufe der Technologiewertschöpfungskette immer ein korrespondierendes Spiegelbild in Form einer realisierten (oder potentiell realisierbaren) Technik besitzen. Die Wertschöpfung auf jeder Stufe wird dabei umso größer sein, je intensiver Produktund Prozeßtechnologien (-techniken) aufeinander abgestimmt sind. Die Technologiewertschöpfungskette besitzt also eine produkt- und eine prozeßtechnische Ebene, auf der die Wertschöpfung stattfindet (Abb. 3-5).

116

Eigentlich hätte die Formulierung „von hoher Individuenzahl“ direkt für die Definition der Technologiewertschöpfungskette verwendet werden können, allerdings nur im übertragenen Sinne: Eine Vielzahl verschiedener Vorstufen wird in ihrer Summe die nächst höhere hervorbringen (ernähren): einerseits, weil aufgrund des höheren Empiriegrades eine Vielzahl als ungeeignetes Mittel zur Erfüllung des Zwecks der nächsten Stufe verworfen werden muß und andererseits weil eine Reihe vorgelagerter Technologien, verknüpft, die nächste ergeben. Um diesen Sachverhalt nicht nur interpretativ, sondern schon auf den ersten Blick deutlich zu machen, wurde die Formulierung entsprechend angepaßt.

152

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

2) Für die zweite entscheidende Vervollständigung ist eine Rückbesinnung auf das Wertekettenkonzept Porters wichtig, wonach Wettbewerbsvorteile dadurch erzielt werden können, daß die Aktivitäten der Wertekette kostengünstiger oder/und mit dem Ergebnis eines höheren Kundennutzens durchgeführt werden. Die Leistung, sprich das Kosten-Nutzen-Verhältnis, kann also auf zweifache Weise verbessert werden – die Wertschöpfung also auf zwei Ebenen erfolgen: indem Kosten gesenkt oder Nutzen vermehrt wird. Die Technologiewertschöpfungskette besitzt auch hinsichtlich der verfolgten Ziele zwei Ebenen, nämlich die der Effizienzsteigerung (Kosten)117 und die der Effektivitätssteigerung (Mehrung des Kundennutzens). Auch hier wird wieder die höchste Wertschöpfung bei einer optimalen Abstimmung beider Zielebenen erreicht werden. Beide Zielebenen können sich ihrerseits wiederum sowohl auf Technologien, die (primär) in Produkten ihre Realisierung finden, als auch in solchen, die (primär) in Prozessen zur Anwendung kommen, erstrecken. Zwar steht bei Produkten häufig die Effektivitätssteigerung im Vordergrund, kostengünstigere Produkte, die jedoch den gleichen Kundennutzen wie bereits bestehende Produkte erfüllen, wären aber ein Gegenbeispiel. Prozeßentwicklung kann ebenfalls unter beiden Zielaspekten unternommen werden, nämlich um (primär) die Produktkosten zu reduzieren oder um (primär) neue oder bessere Produkte (überhaupt) herstellen zu können.118 Diese beiden zentralen Modellprämissen sind in Abb. 3-5 graphisch dargestellt. Die vorstehenden Ausführungen machen auch deutlich, daß nicht nur Produktund Prozeßebene immer im Zusammenhang betrachtet werden müssen, sondern daß gleiches auch für die ständige Wechselwirkung von Technologien und den mit ihnen korrespondierenden Techniken, sowie den Produkten, in denen diese Technologien inkorporiert sind oder für deren Entstehen sie maßgeblich sind,

117

118

Die Effizienzsteigerung muß sich dabei nicht direkt in geringeren Kosten ausdrücken. Sie kann auch z.B. in zeitlichen Verbesserungen, einer besseren Ressourcenausnutzung oder geringerem Ausschuß bestehen. Diese werden sich letztlich aber auch wiederum in geringeren Kosten niederschlagen. Alle Verbesserungen, die sich hingegen auch in einem höheren Nutzwert für den (End-)Kunden ausdrücken, sind (bezüglich dieses Anteils) der Effektivitätssteigerung zuzurechnen. Die späteren empirischen Befunde unterstützen die hier aufgestellte These nachhaltig, vgl. hierzu 6.2.1.1, S. 436ff.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

Wertschöpfung auf Produkt- und Prozeßtechnischer Ebene

Neues Grundlagenwissen

Abb. 3-5:

Neue Technologien und Schlüsselbausteine

153

Mit dem Ziel der Effizienzund Effektivitätssteigerung

Neue Basisprodukte

Optimierte Basisprodukte

Expansion der Anwendungsbasis

Neue Kombinationen mit anderen BasisProdukten

Neues Design und Anwendungsoptimierung

Neue Services

Die Dimensionen der Technologiewertschöpfungskette. Quelle: Eigene Darstellung

gilt. Eine aus der Beratungspraxis geforderte strikte Trennung von Produkt- und Technologieebene ist daher äußerst fragwürdig und kann eigentlich nur aus einem extrem enggefaßten Technologieverständnis resultieren, wenn nämlich davon ausgegangen wird, daß Technologieentwicklung darauf abzielt, „eine Lösung für eine allgemeine Aufgabenstellung zu finden, wobei der Abstand zwischen der allgemeinen Aufgabenstellung und der Lösung noch sehr groß ist. Auf diese Weise entsteht zwar Wissen, aber es zerfällt zunehmend in disparate und spezialisierte Teilgebiete.“119 Nach diesen Ausführungen kann damit eigentlich nur ein kleiner Teil von Technologien, nämlich technologisches Grundlagenwissen, gemeint sein. Die damit zusammenhängende Aussage, daß eine „Überbetonung von Technologien“ Innovation sogar behindern könne120, kann dann ebenfalls nur damit erklärt werden, daß die Autoren eine ausschließliche Fokussierung auf diesen kleinen Teil der Technologiewertschöpfungskette befürchten, der zu einer Vernachlässigung aller nachfolgenden Stufen führt. Die Veränderung in der Natur der Technologien entlang der Technologiewertschöpfungs-

119 120

Vgl. Arthur D. Little (Hrsg.); (1997), S. 249-250. Ebenda, S. 249.

154

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

kette, die dadurch zum Ausdruck kommt, welche „Aufgabenstellung“ sie löst bzw. lösen kann, bleibt bei dieser Sichtweise gänzlich unberücksichtigt. Wie bereits im Rahmen der Analogiebetrachtung zur Nahrungskette ausgeführt wurde, verändert sich sowohl die Anzahl der Technologien als auch die relative Höhe der Wertschöpfung auf den einzelnen Stufen der Technologiewertschöpfungskette. Auf den vorderen Stufen muß eine relativ große Anzahl potentieller Technologien auf ihre Brauchbarkeit für eine bestimmte Aufgabenstellung hin untersucht (und verworfen) werden, bevor eine geeignete identifiziert werden kann (hoher Empiriegrad). Nachdem eine derartige Basistechnologie aber erst einmal gefunden wurde, bildet sie die (potentielle) Ausgangsbasis für eine Vielzahl unterschiedlicher technologischer Weiterentwicklungen auf den Folgestufen. Die Vielzahl der (potentiellen) „Verästelungen“ nimmt dabei von Stufe zu Stufe zu. Gleichzeitig nimmt der Empiriegrad kontinuierlich ab, das ursprünglich sehr kleine Verhältnis von geeigneten zu ungeeigneten Technologien für eine bestimmte Aufgabenstellung nimmt also immer weiter zu und wird am Ende relativ groß. Gleichzeitig nimmt aber der kumulierte zusätzliche Kundennutzen (der Gesamtnutzen für alle (potentiellen) Nutzer) von Stufe zu Stufe ab.121 Allerdings zeigt sich das tatsächliche Ausmaß der Wertschöpfung erst, wenn die Wertschöpfungskette in Form von Produkten den (End-) Kunden erreicht. Folglich ist die (End-)Kundenwahrnehmung der eigentliche Gradmesser der Wertschöpfung. In Analogie zur Nahrungskette stellt eine neue Technologie und ein neuer Schlüsselbaustein noch genauso wenig einen Wert dar wie das reichhaltige Vorhandensein von Algen und Wasserinsekten für Hecht oder Mensch, solange die entsprechenden Zwischenstufen fehlen bzw. unzureichend sind.122

121

122

Die Plausibilität und Richtigkeit dieser Überlegungen werden bei der späteren Konkretisierung des Modells der Technologiewertschöpfungskette anhand der Pharmazeutischen Industrie noch klarer zutage treten, vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 4.1.5 (S. 326ff). Gleiches gilt auch für die negativen Aspekte (z.B. Technikfolgen – vgl. hierzu auch die früheren Ausführungen zur Technikfolgenforschung in Kap. 3.3.1.1, S. 120ff) einer Technologie. Diese „Nebenwirkungen“ werden häufig auch erst wirksam und richtig evident, wenn das resultierende Produkt den Endkunden erreicht. Auch hierzu läßt sich eine weitere – in ihren Folgen negative – Analogie zur Nahrungskette identifizieren: Die Schadstoffbelastung von Plankton, Garnele und Fisch mag völlig unkritisch sein, kann aber dennoch eine fundamentale Beeinträchtigung der Lebensfunktionen von Robbe und Mensch (z.B. Eskimo) über eine entsprechende Anreicherung der Schadstoffkonzentration über eine kritische Schwelle hinaus in der Nahrungskette

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

155

In Konsequenz aller früheren Überlegungen, insbesondere auch der zum Innovationsprozeß, z.B. der Unterscheidung von Invention und Innovation,123 reicht auch die vollständige Entwicklung einer „ausgereiften“ Technologie und eine entsprechende Realisierung in Form „ausgereifter“ Produkte nicht aus, solange diese den (End-)Kunden nicht erreichen. Aus diesem Grunde dürfen die Überlegungen zur Technologiewertschöpfungsstufe also auch nicht auf der Stufe der Technologiebeschaffung stehenbleiben, sondern müssen Technologiesicherung/ -speicherung und Technologieverwertung einschließen. Die Technologiewertschöpfungskette ist deshalb nicht nur das Fundament des Managements der Technologiebeschaffung sondern auch der Technologiesicherung und -verwertung. Dabei muß die gesamte Technologiewertschöpfungskette nicht von einem einzelnen Unternehmen abgedeckt werden.124 Dies wird sogar, aufgrund der sehr unterschiedlichen Beschaffenheit und Konsistenz des technologischen Wissens auf den verschiedenen Stufen und den daraus resultierenden sehr unterschiedlichen spezifischen Anforderungen an die Rahmenbedingungen (z.B. Unternehmenskultur), nur in sehr wenigen Ausnahmefällen zutreffen. Im Regelfall wird folglich jedes Unternehmen die Schwerpunkte der Unternehmenstätigkeit auf einen Ausschnitt der Technologiewertschöpfungskette, also auf eine oder mehrere Stufen, fokussieren. Dabei ist allerdings anzumerken, daß zu diesen Tätigkeitsschwerpunkten auch Stufen zählen können, deren Bearbeitung außerhalb des eigenen Unternehmens erfolgt. Auf diese Weise kann ein Unternehmen die Technologiewertschöpfungskette ganz oder in weiten Teilen managen und kontrollieren, auch wenn die Wertschöpfung in anderen Unternehmen oder Institutionen (z.B. Universitäten) vorgenommen wird, deren Kompetenzen auf die spe-

123 124

darstellen. Ein Beispiel für einen derartigen Anreicherungsvorgang mit vitalen Folgen für den Endverbraucher Mensch stellt das Pflanzenschutzmittel DDT dar. Vgl. Kap. 2.1.3, S. 37ff. Die Vernetzung der verschiedenen Werteketten zu Wertesystemen war ja auch bereits zentraler Bestandteil der Konzeption Porters, vgl. hierzu z.B. Porter, M. E.; (1991), S. 95-117, insbes. S. 101-104. Mit Blick auf die Verflechtung von Werteketten im F&E- und Innovationsprozeß vgl. z.B. Cummings, T. J.; (1992), S. 211-220, insbes. Abb. 34, S. 213. Die Entwicklung eines interessanten Ansatzes, die Verflechtung von Werteketten in Form von „Wertschöpfungspipelines“ und „Wertschöpfungslandkarten“ zu visualisieren geht auf Schneider, D.; Baur, C.; Hopfmann, L.; (1994), S. 13-19 zurück, vgl. hierzu auch Hopfenbeck, W.; (1996), S. 552-554.

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Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

zifischen Anforderungen des Prozesses der technologischen Leistungserstellung auf der betreffenden Technologiewertschöpfungsstufe besser zugeschnitten sind als die des eigenen Unternehmens. Auf diesen Sachverhalt wird nachfolgend – insbesondere in Kap. 3.3.2.4 (S. 190ff) – noch genauer zurückzukommen sein, wenn es um die konkreten Entscheidungsdimensionen des strategischen Technologiemanagements geht, die maßgeblich auf Basis der Technologiewertschöpfungskette getroffen werden. Technologiemanagement läßt sich somit als Management der Technologiewertschöpfungskette interpretieren. Spannend ist aber noch eine weitere Frage: Als Phasen eines Innovationsprozesses im weiteren Sinne hatten wir auch die Diffusion und die Imitation betrachtet. Inwieweit finden diese in der Technologiewertschöpfungskette Berücksichtigung? Wichtig hierfür ist noch einmal, zwei Sachverhalte explizit festzuhalten: 1) Die Technologiewertschöpfungskette muß nicht bei jedem Wertschöpfungsvorgang vollständig durchlaufen, also alle Stufen abgedeckt werden. Dies wird sogar in letzter Konsequenz nur sehr selten der Fall sein, weil diese Technologiewertschöpfungsprozesse eher relativ selten „völliges technologisches Neuland betreten“. 2) Ein bestimmtes Unternehmen deckt im Regelfall nur einen Teil der Technologiewertschöpfungskette ab. Deckt ein Unternehmen vor allem die späten Stufen der Technologiewertschöpfungskette ab, so muß es an die technologische Wertschöpfung der früheren Stufen anknüpfen. Dies kann prinzipiell auf zwei unterschiedliche Arten erfolgen: Eine Möglichkeit besteht darin – falls dies nicht durch Sicherungsmaßnahmen des Originators der früheren Stufen verhindert oder unattraktiv gemacht wird – diese einfach zu imitieren; die zweite darin, durch eine entsprechende Übereinkunft mit dem Originator – z.B. Lizenzvereinbarung oder Kauf der (Vor-)Produkte, in die die entsprechenden Technologien inkorporiert sind – zum Co-Originator zu werden. Je größer dabei der Imitationsanteil ist, desto niedriger wird die Wertschöpfung auf der Zielebene der Effektivitätssteigerung sein. Aber auch eine reine Imitation (der qualitativen Technologie- bzw. Produktattribute) kann zu erheblicher technologischer Wertschöpfung führen, wenn dabei die Effizienssteigerung entsprechend hoch ist, also die Technologiewertschöpfung in ein Endprodukt mündet, das sich zwar in qualitativer Hinsicht nicht von früheren

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

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Produkten unterscheidet oder mit diesem sogar identisch ist, aber erheblich kostengünstiger erstellt bzw. angeboten werden kann. Die Imitation in „extremster“ Ausprägung, bei der weder die Effektivität noch die Effizienz gesteigert werden, beinhaltet demzufolge keinerlei Wertschöpfung. Daß auch ein solcher Fall für ein Unternehmen am Markt erfolgsträchtig sein kann, hat folgende Ursachen: 1) bestehen Möglichkeiten, durch Differenzierung Wettbewerbsvorteile zu erlangen, nicht nur auf technologischer Ebene. 2) kann auch eine ausschließliche Differenzierung des Imitators über den Preis stattfinden. Dies kann insbesondere auf zwei Effekten beruhen: a. können die Imitationskosten (auch unabhängig von einer Effizienzsteigerung) unter den Innovationskosten liegen.125 Dies ist, wie verschiedene empirische Studien gezeigt haben, sogar die Regel.126 b. Eine Preisdifferenzierung kann aber auch auf simplem Margenverzicht basieren. Da das technologische Risiko des Nachahmers in der Regel erheblich niedriger ist als das des Innovators, kann der Imitator eine niedrigere 125

126

Zwar sind die Innovationskosten in der Regel zum Zeitpunkt der Preisbildung bereits voll angefallen und insofern als „versunkene“ Kosten anzusehen, die für die Preisbildung also streng genommen irrelevant sind, der Innovator wird aber (zumindest im Duchschnitt seiner Innovationsvorhaben) diese Kosten (zuzüglich einer Marge und Risikoprämie) durch Technologieverwertungserträge zu decken suchen. Vgl. hierzu z.B. Levin, R. C.; et al.; (1987), S. 783-820, insbes. S. 807-812. Harabi ermittelt je nach Art der Innovation und der Patentierung durchschnittliche Imitationskosten in Höhe von 36-79 % der Innovationskosten, vgl. Harabi, N.; (1991 a), insbes. Tab. 8, S. 22. Ähnlich zuvor bereits Mansfield et al., die durchschnittliche Imitationskosten in Höhe von 65 % der vorherigen Innovationskosten ermittelten (bei großen Einzelfall- und Branchenbezogenen Schwankungen um diesen Mittelwert), vgl. Mansfield, E.; et al.; (1981), S. 907-918, insbes. S. 907-911. Aufgabe der Technologiesicherung des Innovators ist es, die Kosten einer (potentiellen) Imitation durch entsprechende Sicherungsinstrumente möglichst hoch zu treiben, vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.1.3, S. 126ff. Der Imitator muß hingegen mit Hilfe einer möglichst optimalen Technologiebeobachtung (vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.1.1, S. 120ff) das umgekehrte Ziel zu erreichen suchen, indem er den effektivsten und effizientesten Weg für eine Imitation identifiziert. Auch staatliche regulatorische Eingriffe können das Verhältnis von Imitations- zu Innovationskosten nachhaltig beeinflussen: Eine relative Senkung der Imitationskosten tritt z.B. bei fehlendem oder schwer durchsetzbarem Patentrecht sowie bei staatlich angeordneten Zwangslizenzen ein, während die effektive Patentnutzungsdauer verlängernde Patentzusatzzertifikate oder eine rigide Anwendung und Durchsetzung patentrechtlicher Bestimmungen die Imitationskosten relativ erhöhen.

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Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

Risikoprämie und damit auch eine insgesamt erheblich niedrigere Zielmarge als akzeptabel betrachten.127 Die Grenze zwischen einer wettbewerblichen Differenzierung auf technologischer und nicht-technologischer Ebene ist dabei nicht trennscharf. Einen Grenzfall der technologischen Wertschöpfung bilden z.B. technologische Differenzierungsvorteile, die nur subjektiv vom Kunden wahrgenommen werden, ohne durch einen objektiven Vorteil gedeckt zu sein. Dieses Phänomen trifft z.B. auf Marken zu, weil u.a. durch diese das vom Kunden perzepierte Risiko reduziert werden kann.128 Da diese subjektive Bewertung durch den Kunden sehr wohl auch Einfluß auf die technologische Effektivität hat, ist auch dieser Grenzfall noch der technologischen Wertschöpfung zuzurechnen. Ein derartiger Fall ist z.B. bei Arzneimitteln gegeben, für die eindeutig belegt ist, daß das Patientenvertrauen maßgeblichen Einfluß auf die Wirkung hat.129 Da in der Literatur, wie eingangs ausgeführt, die Begriffe F&E- und Innovationsprozeß sowie F&E-, Innovations- und Technologiewertschöpfungskette, häufig ohne klare Definition und Abgrenzung verwendet werden und wir uns vorstehend für die Konkretisierung der Gedanken zur Technologiewertschöpfungskette auf Erkenntnisse gestützt hatten, die aus der Betrachtung des Innovationsprozesses gewonnen wurden, soll hier in aller Knappheit diese Abgrenzung noch einmal explizit und klar herausgearbeitet werden: Basis für diese Abgrenzung ist die in Kap. 2.1.4.5 (S. 58ff) vorgenommene Abgrenzung des Technologiemanagements von (F&E- und) Innovationsmanagement. Hieraus ergeben sich direkt die ersten fundamentalen Unterschiede zwischen der Technologiewertschöpfungskette und dem Innovationsprozeß. Als wichtigste seien noch einmal genannt: Erstere schließt auch alte (nicht neue) Technologien ein, während der

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In der Tat liegen in der Pharmazeutischen Industrie die durchschnittlichen Umsatzrenditen von Generika-Herstellern (Imitatoren) deutlich unter denen der Originatoren. Zur Problematik von Unsicherheitsdimensionen auf Seiten der Nachfrager beim Einsatz neuer Technologien und zur Möglichkeit, diese Unsicherheit durch Technologiemarketing zu reduzieren, vgl. z.B. Backhaus, K.; Voeth, M.; (1995), S. 395-408. Einen Extremfall in dieser Hinsicht bildet der sogenannte Placeboeffekt: Dabei ist auch bei Patienten, denen ohne deren Kenntnis ein Placebo ohne Wirkstoff verabreicht wurde, eine heilende Wirkung zu beobachten.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

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Innovationsprozeß auch nicht-technische Innovationen umfaßt. Hinzu kommt, daß, wie ausführlich abgeleitet wurde, bei der Technologiewertschöpfungskette eben die Wertschöpfung im Zentrum steht, sie ist nicht nur ein reiner „Technologieprozeß“.130 Die Unterschiede zwischen Wertschöpfungskette, Innovationsprozeß und Technologiewertschöpfungskette werden besonders am Beispiel des Untersuchungsobjektes der vorliegenden Arbeit klar zutage treten, wenn alle drei Instrumente in Kap. 4.1.3.1 (S. 268f), 4.1.4 (S. 308f) und 4.1.5 (S. 326f) in direkter Abfolge konkretisiert für die Pharmazeutische Industrie betrachtet werden. Die bisherigen Ausführungen zur Technologiewertschöpfungskette haben ein generelles Bild gezeichnet. Die Gestalt der Technologiewertschöpfungskette und die konkrete Ausprägung der einzelnen Stufen weist, genauso wie dies schon für Innovationsprozesse aufgezeigt wurde,131 branchenspezifische Charakteristika auf, da die Art der Technologien, die in den einzelnen Branchen im Mittelpunkt strategischer Überlegungen stehen, äußerst unterschiedlich sind, und demzufolge ist dies natürlich auch ihr Evolutionsprozeß. Dies wird im Rahmen der Konkretisierung der Technologiewertschöpfungskette hinsichtlich der besonderen Gegebenheiten in der therapeutischen Arzneimittelindustrie noch genauer auszuführen sein.132 Strategische Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette Aus den vorstehenden detaillierten Überlegungen zur Technologiewertschöpfungskette ist ersichtlich geworden, daß die technologische Wertschöpfung nicht auf allen Stufen die gleiche ist. Vielmehr ist sie auf den vorderen Stufen, die auch relativ zu den nachfolgenden Stufen selten (erfolgreich) durchlaufen werden, relativ am höchsten. Von Stufe zu Stufe nimmt also die Steigerung des Kundennutzens in der Regel systematisch ab. Demzufolge kann die spezifische Schwerpunktsetzung eines Unternehmens entlang der Technologiewertschöpfungskette als Gradmesser für die Höhe dessen technologischen Leistungsniveaus herangezogen werden. Die Technologiewertschöpfungskette oder genauer die unterschiedliche Schwerpunktsetzung, die die einzelnen Unternehmen 130

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Dieser Unterschied besteht, wie vorstehend verdeutlicht wurde, eben in mehr als nur einem neuen Begriff wie er in der Beratungspraxis gern verwendet wird. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 2.1.3 (S. 37ff) sowie die Diskussion der spezifischen Charakteristika von Innovationsprozessen in der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.1.4 (S. 308ff). Vgl. Kap. 4.1.5, S. 326ff.

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Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

jeweils entlang der Technologiewertschöpfungskette vornehmen, stellt also das für eine differenzierte Analyse der Höhe des technologischen Leistungsniveaus gesuchte Spektrum an konkreten und präzise beschreibbaren Einzelausprägungen dar. Technologieführer im jeweiligen relevanten Markt werden also (das bzw.) die Unternehmen sein, die sich am stärksten auf den vorderen Stufen der Technologiewertschöpfungskette engagieren. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die vorderste, auf technologisches Grundlagenwissen ausgerichtete Stufe nur selten zu schützbaren und kommerziell verwertbaren Technologien/Techniken führt und daher in der Regel auch nicht in Unternehmen (sondern in Universitäten und wissenschaftlichen Forschungsinstituten) durchgeführt wird. Je nach den spezifischen Gegebenheiten in der jeweiligen Industrie und den einzelnen relevanten Märkten in dieser Industrie133 wird Technologieführerschaft dann durch eine dominierende Stellung auf den Stufen 2 (neue Technologien/Schlüsselbausteine) und 3 (neue Basisprodukte) zum Ausdruck kommen. Hierauf wird noch genauer bei der Konkretisierung mit Blick auf die Pharmazeutische Industrie in Kap. 4.1.5 (S. 326ff) und 4.2.1.1 (S. 334ff) einzugehen sein. Technologiestrategische Risikobereitschaft Neben der Subdimension Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette existiert aber noch eine zweite Subdimension zur Charakterisierung der Höhe des technologischen Leistungsniveaus: die technologiestrategische Risikobereitschaft. Eine ausreichende grundsätzliche Risikobereitschaft wird insgesamt (neben der Möglichkeit zur zeitweisen exklusiven Nutzung von dabei entstehendem Wissen) als unabdingbare Voraussetzung dafür gesehen, daß überhaupt industrielle Forschung und Entwicklung durchgeführt wird.134 Aufgrund unzureichender Risikobereitschaft (und Anreize diese Risiken einzugehen) werden dabei aus volkswirtschaftlicher Perspektive die industriellen F&E-Anstrengungen stets hinter dem wünschenswerten Ausmaß zurückbleiben.135

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Ein Beispiel für eine Industrie stellt dabei z.B. die Pharmazeutische Industrie dar; die relevanten Märkte wären dann dabei die einzelnen (Haupt-) Indikationsgebiete. Vgl. hierzu z.B. Brockhoff, K.; (1999), S. 107-108. Thom zählt „Unsicherheit/Risiko“ neben „Neuigkeitsgrad“, „Komplexität“ und „Konfliktgehalt“ zu den vier „dominanten Merkmalen von Innovationsaufgaben“, vgl. hierzu Thom, N.; (1980), S. 23-31; sowie Thom, N.; (1992), S. 7. Vgl. hierzu z.B. Arrow, K. J.; (1962), S. 609-626, insbes. S. 619.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

161

Für die Höhe des technologiestrategischen Risikos existieren zwei zentrale Treiber:136 –

die Unsicherheit, die technologiestrategischen Ziele zu erreichen,



das Schadenspotential im ungünstigsten Fall.

Grundsätzlich wird das Eingehen technologiestrategischer Risiken nur dann sinnvoll sein, wenn der Nutzen und die Chancen einer Entscheidung in einem positiven Verhältnis zu den damit verbundenen Risiken stehen.137 Wie hoch sowohl Chancen als auch Risiken einer bestimmten technologiestrategischen Entscheidung sind, hängt von der spezifischen Ausgangssituation des betreffenden Unternehmens ab. Auf die einzelnen Faktoren, die die technologiestrategische Risikobereitschaft beeinflussen, wird am Ende dieses Unterkapitels noch genauer zurückzukommen sein. Zunächst soll aber auf die Zusammensetzung des technologiestrategischen Risikos eingegangen werden. Prinzipiell determinieren insbesondere drei Arten von Risiken das technologiestrategische Gesamtrisiko:138

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Vgl. z.B. Thom, N.; (1980), S. 26-28; sowie auch MacCrimmon, K. R.; Wehrung, D. A.; (1986), S. 34-36, die für ihre Typologisierung in risikoaverse Unternehmen („Risk Averter“) und risikobereite Unternehmen („Risk Taker“) vier Risikokomponenten als differenzierende Faktoren nutzen: – Größenordnung des potentiellen Verlustes – Wahrscheinlichkeit des potentiellen Verlustes – Ausmaß, in dem das Unternehmen diesem potentiellen Verlust ausgesetzt ist – übrige Risikokomponenten.

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Vgl. für eine Systematisierung der Risiko-Nutzen-Beziehung von F&E-Projekten z.B. Saad, K. N.; et al.; (1991), S. 80-81. Zur Behandlung von Risiko und Ungewißheit in der normativen Entscheidungstheorie vgl. z.B. die Übersicht von Müller, W.; (1993), Sp. 3813-3825. Davon abweichend differenzieren Specht/Beckmann in „technisches Risiko“, „Zeitrisiko“, „Kostenrisiko“ und „Verwertungsrisiko“, vgl. Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 26-27 sowie ähnlich zuvor bereits Eckert, D.; (1985), S. 51-55; und Boehme, J.; (1986), S. 67-72. „Sich ändernde rechtliche Bestimmungen oder gesellschaftliche Grundeinstellungen“, die in der vorliegenden Arbeit als zentrale Komponenten des regulatorischen Risikos betrachtet werden, sind bei Specht/Beckmann gemeinsam mit dem Marktrisiko konstituierendes Element des „Verwertungsrisikos“. Die Kombination beider Risiken zu einem Verwertungsrisiko erscheint nicht wirklich überzeugend, beruhen doch einerseits beide Risiken auf vollkommen unterschiedlichen Effekten, nämlich marktwirtschaftlicher Koordination und staatlichem Eingriff in diese Koordinationsmechanismen, und kommen andererseits regulatorische Eingriffe auch

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162

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells



Technologisches Risiko



Marktrisiko



Regulatorisches Risiko

Das technologische Risiko beschreibt die Unsicherheit (in Kombination mit dem jeweiligen Schadenspotential), die in technologischer Hinsicht besteht, den beabsichtigten Projekterfolg im gewünschten Maße, in der geplanten Zeit und mit dem vorgesehenen Ressourceneinsatz zu erreichen. Das technologische Risiko wird dabei vor allem durch den Empiriegrad charakterisiert. Das Marktrisiko beschreibt die Unsicherheit (in Kombination mit dem jeweiligen Schadenspotential), die auf der Marktseite besteht, den beabsichtigten Projekterfolg im gewünschten Maße, in der geplanten Zeit und mit dem vorgesehenen Ressourceneinsatz zu erreichen. Es wird im wesentlichen von den Faktoren bestimmt, die die Länge des Produktlebenszyklus und die Höhe der in seinem Verlauf erzielbaren kumulierten Deckungsbeiträge determinieren.139 Dabei spie-

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auf der Technologiebeschaffungsseite zum Tragen. Auch der Differenzierung in technisches, Zeit-, Kosten und Verwertungsrisiko kann entgegengehalten werden, daß dabei unterschiedliche Differenzierungsebenen vermengt werden, denn letztlich tragen Zeit- und Kostenrisiko gleichermaßen zum technologischen als auch zum Markt- (dort Verwertungs-) risiko und ebenso zum regulatorischen Risiko bei. Vgl. für weitere Risikoklassifikationsansätze z.B.: Freeman, C.; (1974), S. 223; und Freeman, C.; (1982), S. 149; der zwischen „technischer Unsicherheit“, „Marktunsicherheit“ und „genereller Geschäftsunsicherheit“ unterscheidet. Ähnlich darauf aufbauend Lotz, P.; (1990), S. 131-135. Kühner, M.; (1990), S. 20-26, der in ein „marktund umweltbezogenes“ „externes oder Absatzrisiko“ und ein „internes Risiko“, das primär auf ein naturwissenschaftlich-technisches Risiko zurückgeht, differenziert. Kritisch ist zu dieser Klassifikation anzumerken, daß beide, Technologie- als auch Marktrisiko, von unternehmensinternen wie –externen Faktoren determiniert werden. Kubik, C.; (1994), S. 63-72, differenziert in „Technisches Risiko“, „Marktrisiko“ und „Wettbewerbsrisiko“. Wegener, R.; (1994), S. 58-60, unterscheidet zwischen „technischem Risiko“, „Implementierungsrisiko“ und „Erfolgsrisiko“. Die beiden Risikodimensionen Marktrisiko und technologisches Risiko lassen sich für technologiestrategische Analysen zu einer Unsicherheitsmatrix kombinieren, vgl. hierzu Pearson, A. W.; (1990), S. 185-192, insbes. S. 186-188, sowie darauf aufbauend Teichert, T. A.; (1994), S. 36-38. Bei dieser auf die Unsicherheit abgestellten Betrachtung bleibt die Höhe des Schadenspotentials allerdings unberücksichtigt. Für eine weitergefaßte Diskussion möglicher Differenzierungsansätze für Risikoarten vgl. Mugler, J.; (1979), S. 52-65. Hierauf wird am konkreten Beispiel der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.1.1 (S. 335ff) noch genauer zurückzukommen sein.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

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len sowohl die Erträge als auch der zu ihrer Realisierung erforderliche Ressourceneinsatz die entscheidende Rolle.140 Die regulatorischen Risiken bestehen in der Unsicherheit (in Kombination mit dem jeweiligen Schadenspotential), daß sich die rechtlichen Rahmenbedingungen im Unternehmensumfeld oder ihre Umsetzungs-/Anwendungspraxis durch Behörden und Gerichte unvorhergesehen ändern können. Dabei können regulatorische Risiken ihre Wirkung auf unterschiedliche Weise entfalten: Sie können einerseits zu einer Erhöhung der F&E-Kosten (etwa durch erhöhte Zulassungs- oder Genehmigungsvoraussetzungen, z.B. verschärfte Umweltschutzoder Sicherheitsauflagen), der Verschiebung des Markteintrittes (etwa längere Genehmigungs- oder Zulassungsdauer)141 oder marktseitig zu einer Erniedrigung der Erlöse (z.B. infolge staatlicher Eingriffe in die Preisbildung142 oder Beschränkung des Nutzerkreises) oder Verkürzung der Marktexklusivitätsperiode (z.B. patentrechtliche Veränderungen, inkl. Rechtssprechung) führen. Auch regulationsbedingte Veränderungen der relativen Wettbewerbsposition sind hierzu zu zählen, wenn etwa die Produkte von Wettbewerbern weniger stark von diesen Effekten betroffen sind. Natürlich haben Veränderungen im regulatorischen Umfeld auch einen direkten Einfluß auf die Technologie- und Marktrisiken: Beispielhaft seien erhöhte Genehmigungs- oder Zulassungsvoraussetzungen genannt, die das betreffende Unternehmen im Rahmen der Entwicklung oder das zu vermarktende Produkt nicht mehr erfüllen kann, oder Veränderungen hinsichtlich der Aufnahmekriterien in öffentliche Beschaffungskataloge (z.B. im Rüstungssektor) oder den Katalog der erstattungsfähigen Medikamente in staatlichen Gesundheitssystemen (z.B. Positivliste), die den Markteintritt in bedeuten-

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Für eine Auflistung der marktseitigen Einzelrisiken und -schwierigkeiten vgl. z.B. Eliashberg, J.; et al.; (1997), S. 214-230, insbes. S. 215-221. Insgesamt sind „Zeit-Kosten“ in der Forschung und Entwicklung von gleichrangiger Bedeutung wie die direkten (Out-of-Pocket) Kosten. „Zeit-Kosten“ entstehen, da die F&E-Ausgaben in der Regel zeitlich lange vor ersten Umsatzeinnahmen anfallen und somit Kapitalfinanzierungskosten entstehen, vgl. hierzu die späteren Ausführungen zu den regulatorischen Risiken der Arzneimittelentwicklung in Kap. 4.2.1.1 (S. 335ff), wo auf diese Problematik der Kapitalkosten noch ausführlich einzugehen sein wird. Vgl. hierzu z.B. Bhagwat, Y.; Griggs, F. T.; (1995), S. 65-76, die die Volatilität regulatorischer Risiken, die durch Preisregulierungen hervorgerufen werden, in der Pharmazeutischen Industrie untersucht haben und für das Ende ihrer Untersuchungsperiode 1978-1992 eine erhebliche Zunahme der Volatilität der regulatorischen Risiken feststellten.

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Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

de oder sogar existentielle Marktsegmente in Frage stellen. Die regulativen Risiken sind nahezu nicht vom Unternehmen beeinflußbar143 und, insbesondere bei langen Entwicklungs- und Marktzyklen, ebenfalls nur sehr schwer prognostizierbar. Alle drei Risikoarten sind hinsichtlich ihrer technologiestrategischen Bedeutung grundsätzlich ebenbürtig und daher beim Fortschreiten eines Technologieprojektes von Phase zu Phase kontinuierlich auf Veränderungen hinsichtlich ihres Risikopotentials hin zu überprüfen. Das technologiestrategische (Gesamt-) Risiko ist dabei auf den vorderen Stufen der Technologiewertschöpfungskette am größten. Generell ist jede Unternehmenssituation durch eine spezifische Risikokonstellation gekennzeichnet. Dies trifft auch auf die technologiestrategisch relevanten Risiken zu. In technologieintensiven Unternehmen und Industrien wird das technologiestrategische Risiko maßgeblich das Gesamtunternehmensrisiko determinieren. In jedem Fall beeinflußt aber jede technologiestrategische Entscheidung die Ausgangsrisikokonstellation, da jede Entscheidung zusätzliche Risikokomponenten hinzufügt und andere reduziert. Umgekehrt schließt die spezifische Risikobereitschaft jedes einzelnen Unternehmens aber auch bestimmte Handlungsoptionen im technologiestrategischen Entscheidungsportfolio aus, weil diese mit zu hohen Risiken behaftet sind. Dementsprechend muß jedes Unternehmen im Rahmen der technologiestrategischen Entscheidungsprozesse eine Entscheidung über seine individuelle Risikobereitschaft treffen.144 Zumindest in technologieintensiven Unternehmen oder Industrien stellt diese technologiestrategische Risikobereitschaft eine Subdimension der Höhe des technologischen Leistungsniveaus dar, weil, wie zu Eingang dieses Kapitels bereits dargelegt, jede F&E-Aktivität und jeder technologische Wertschöpfungsvorgang Risikobereitschaft voraussetzt. Eine hohe technologiestrategische Risikobereitschaft legt den Schwerpunkt der Technologiestrategie dabei automatisch auf ein hohes angestrebtes technologisches Leistungsniveau, weil nur dadurch die von 143 144

Mit Ausnahme des (geringen) Effektes von Lobbyismus. Die Entscheidung über die technologiestrategische Risikobereitschaft sollte dabei im Rahmen eines strategischen Risikomanagements in Form einer systematischen Risikozielbildung erfolgen und nicht intuitiv, wie es gegenwärtig noch in vielen Unternehmen der Fall ist. Da der technologiestrategische Planungsprozeß und die ihm zugrundeliegende Methodik nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind, soll an dieser Stelle auf diesen Sachverhalt aber nicht genauer eingegangen werden.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

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einer hohen Risikobereitschaft erwarteten hohen Chancen und Risikoprämien zu realisieren sind, während eine niedrige technologiestrategische Risikobereitschaft automatisch auf ein niedriges Leistungsniveau hinausläuft.145 Bei dieser Überlegung wird keinesfalls negiert, daß auch alle übrigen technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen einen Einfluß auf die technologiestrategische Risikokonstellation haben,146 aber ihr Entscheidungsrahmen wird dabei nicht automatisch von der technologiestrategischen Risikobereitschaft determiniert, d.h. es stehen weiterhin alle Handlungsoptionen der jeweiligen Entscheidungsdimension zur Verfügung, was für die Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus nicht der Fall ist, wie die nachfolgende Betrachtung auf Ebene der drei technologiestrategischen Einzelrisiken noch einmal nachdrücklich unterstreichen wird: Je höher das angestrebte technologische Leistungsniveau ist, desto größer ist nämlich auch das technologiestrategische Gesamtrisiko. Dabei ist es unerheblich, 145

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Ähnlich argumentieren beispielsweise Specht/Beckmann, die einen Zusammenhang zwischen technischem Risiko und der Art der verwendeten Technologie (Basis-, Schlüssel- oder Schrittmachertechnologie) feststellen, vgl. Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 28-29. Ähnlich auch Sherman, P. M.; (1982), S. 125; Larue de Tournemine, R.; (1990), S. 395-405; und Bellon, B.; Whittington, G.; (1996), S. 13-14. Auf diesen Zusammenhang war auch bereits früher bei der Diskussion der verschiedenen Typologisierungsansätze für technologieorientierte Strategien eingegangen worden, hierzu sei insbesondere noch einmal an die „Innovations-Struktur-orientierten Ansätze“ (Kap. 2.3.2 (S. 94ff) sowie Feldmann, C.; (2005 a), S. 100ff) erinnert: Jede der vier dort diskutierten Innovationsgrundverhaltensmuster ist durch eine spezifische Risiko/ Unsicherheitskonstellation charakterisiert, vgl. hierzu z.B. noch einmal Clark, K.; (1987), S. 73-81, insbes. Tabelle 3-2, S. 74. So hat beispielsweise der Zeitpunkt des Markteintritts (Timing der Technologieverwertung) einen erheblichen Einfluß auf das technologiestrategische Risiko, vgl. hierzu z.B. Day, G. S.; Freeman, J. S.; (1990), S. 43-65; Lowe, J.; Sim, A. B.; (1990), S. 1113; sowie Perillieux, R.; (1995), S. 273-276. Auch die Entscheidung über den geographischen Aktionsradius und die Standort- und Marktwahl kann erheblichen Einfluß auf das technologiestrategische Risiko haben. Insbesondere Standort- und Marktwahl sind durch eine Reihe spezifischer Einzelrisiken gekennzeichnet, vgl. hierzu z.B. Beckmann, C.; (1997), S. 206-209; sowie Köpplinger, H.; Wolfrum, B.; (1986). Die Internationalisierung der Technologiebeschaffung und -verwertung kann allerdings auch erheblich zur Risikoreduktion beitragen, indem (international unterschiedliche) Kundenbedürfnisse besser und früher erkannt werden (Reduktion von Marktrisiken) oder indem „technologische Horchposten“ zur Technologiefrühaufklärung oder externen Technologiebeschaffung eingesetzt werden (Reduktion technologischer Risiken), vgl. hierzu z.B. Von Boehmer, A.; et al.; (1992), S. 504-505.

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Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

welches der drei Einzelrisiken im konkreten Einzelfall das Gesamtrisiko stärker prägt, denn alle drei nehmen tendenziell mit steigendem angestrebten technologischen Leistungsniveau zu: –

Für das technologische Risiko ist dies evident. Innerhalb eines bestimmten technologischen Feldes, zumeist auch einer Branche, gilt, je höher die beabsichtigte technologische Leistung, desto höher der Empiriegrad (dementsprechend niedriger die technologische Erfolgswahrscheinlichkeit). Dabei ist also innerhalb einer Branche die technologiestrategische Risikobereitschaft eng gekoppelt an die Schwerpunkte, die im Rahmen der jeweiligen unternehmerischen Technologiestrategie entlang der Technologiewertschöpfungskette gesetzt werden. Das technologische Risiko ist auf den vorderen Stufen der Technologiewertschöpfungskette naturgemäß am höchsten, da dort der Empiriegrad am höchsten ist, und bahnbrechende technologische Durchbrüche häufig auf dem Zufallsprinzip (Serendipitätseffekt) beruhen.



Bezüglich des Marktrisikos dürfte dies in der Regel ebenfalls zutreffen: Je größer der Neuigkeitsgrad eines Produktes oder einer Technologie, desto weniger ist der (potentielle) Kunde und die übrigen Stakeholder damit vertraut. Dementsprechend wird analog auch die perzipierte Unsicherheit bei Kunden und Stakeholdern zunehmen und das Ausmaß ihrer Akzeptanz schwerer vorhersehbar sein. Eine Ausnahme dürften unter Umständen lebensrettende Produkte und Technologien sein. Ein an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidender Patient wird beispielsweise in der Regel einem neuen Medikament oder einer neuen Operationstechnik weniger skeptisch gegenüberstehen, als ein durchschnittlicher Konsument einem neuen Konsumgut. Anders schaut es selbst im Fall lebensrettender Technologien bei den (nicht direkt vom Nutzen profitierenden) Stakeholdern aus: So schlug auch der roten Gentechnologie147 anfangs eine erhebliche Skepsis und Ablehnung entgegen. Insgesamt trifft also auch hier zu: Je höher das angestrebte technologische Leistungsniveau, desto größer das Marktrisiko (allerdings auch in der Regel die Marktchancen).



Das regulatorische Risiko nimmt mit steigendem technologischen Leistungsniveau ebenfalls kontinuierlich zu. Je weniger vertraut Gesetzgeber und Regu-

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Die rote Gentechnologie ist auf medizinische Aufgaben ausgerichtet, während die grüne Gentechnologie auf Aspekte des pflanzlichen Bereichs, insbesondere der Ernährung, fokussiert ist.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

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lierungsbehörden mit einer neuen Technologie sind, desto eher sind sie geneigt, diese Technologie regulatorisch möglichst restriktiv zu behandeln. Hier kommt zum Ausdruck, daß staatliche Institutionen und öffentliche Entscheidungsträger in der Regel extrem risikoavers reagieren. Hierbei spielen auch Erfahrungen der Vergangenheit eine entscheidende Rolle: So ist z.B. noch nie eine Behörde ernsthaft in Schwierigkeiten geraten, weil sie eine Technologie ver- oder behindert hat. Für den umgekehrten Fall, daß Entscheidungsträger zurücktreten mußten oder ganze Behörden umstrukturiert wurden, weil sie ihre Kontroll- (sprich Verhinderungs-)funktion nicht „hinreichend“ wahrgenommen hatten, lassen sich hingegen zahlreiche Beispiele finden. Diese Risikoaversion trifft nicht nur auf Gesetzgeber zu, sondern letztlich auch auf den Sachbearbeiter, der mit der Umsetzung betraut ist: Je weniger er (persönlich) mit einer Technologie vertraut ist, desto stärker wird er versuchen, mehr Informationen zu bekommen und die Entscheidung über eine Genehmigung solange hinauszuzögern, bis seine persönliche Unsicherheit (in seiner subjektiven Wahrnehmung) hinreichend reduziert ist. Die andere komplementäre Handlungsweise ist, die Genehmigung mit so vielfältigen und rigiden Auflagen zu versehen, daß der Entscheider persönlich gegen jede (aus seiner Sicht) denkbare Eventualität abgesichert ist. Diese Risikoreduktionsstrategie auf der öffentlichen Seite führt zu einer nachhaltigen Risikoerhöhung auf der unternehmerischen Seite. Je höher dabei der technologische Neuigkeitsgrad für die Regulierungsbehörden ist, desto höher ist die unternehmerische Unsicherheit, die regulatorische Reaktion richtig zu prognostizieren. Hinzu kommt, daß dieser regulatorische Komplex auch noch durch eine Reihe von weiteren Effekten beeinflußt wird, die noch schwerer vorhersehbar sind. Hierzu zählen z.B. regulatorische Probleme (z.B. Umweltskandale oder Konsumentensicherheitsschwierigkeiten) in ganz anderen Industrien und Technologiefeldern, deren Eintreten oder Ausbleiben das gesamte regulatorische Klima nachhaltig beeinflussen kann. Gleiches gilt für (welt-) wirtschaftliche Konjunkturzyklen, die das preisregulatorische Klima nachhaltig prägen können.148

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Diese Aufzählung ließe sich noch beliebig fortsetzen, worauf an dieser Stelle aber verzichtet werden soll, schließlich ging es nur um eine illustrative Erläuterung der vielfältigen Einflußfaktoren auf das regulatorische Klima.

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Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

Die technologiestrategische Risikobereitschaft stellt somit also die zweite Subdimension der Höhe des technologischen Leistungsniveaus neben der Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette dar. Je nach den spezifischen Gegebenheiten in der jeweiligen Industrie (zum Teil sogar in den einzelnen relevanten Märkten innerhalb dieser Industrie) werden die einzelnen Risikosubdimensionen in unterschiedlichem Ausmaß das durchschnittliche technologiestrategische (Gesamt-)Risiko prägen. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß letztlich jede technologiestrategische Einzelentscheidung in jedem Unternehmen durch ein individuelles Risiko und einen spezifischen Risikomix charakterisiert wird. Im Durchschnitt dieser Einzelentscheidungen und Unternehmen wird aber auch die Höhe und der Risikomix industriespezifische Unterschiede aufweisen. So wird das technologiestrategische Risiko in Industrien mit starker, bereits existierender marktlicher Nachfrage, aber noch unterentwickelter technologischer Angebotssituation (dieser niedrige technologische Entwicklungsstand ist in der Regel mit einem entsprechend hohen Empiriegrad bei F&EVorhaben gekoppelt) vor allem auf der technologischen Ebene liegen. Eine Industrie mit einer in technologischer Hinsicht stark und bereits differenziert ausgeprägten Angebotssituation und einer anspruchsvollen Bedürfnisstruktur auf Kundenseite wird hingegen vor allem durch marktliche Risiken charakterisiert sein. Je stärker die von öffentlichen Institutionen (oder Konsumenten und übrigen Stakeholdern) wahrgenommene Notwendigkeit zur staatlichen Kontrolle im jeweiligen relevanten Markt ist, desto stärker wird schließlich der Beitrag regulatorischer Risiken zum technologiestrategischen Gesamtrisiko sein. Je geringer die vorherige Einschätzbarkeit von Höhe und Determinismus für jede der drei technologiestrategischen Risikodimensionen ist und je höher das dazugehörige Schadenspotential für das betreffende Unternehmen ist, desto höher wird ihr jeweiliger Beitrag zum technologiestrategischen Gesamtrisiko und im Ergebnis auch dessen absoluter Höhe sein. Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine Reihe von Faktoren die technologiestrategische Risikobereitschaft beeinflussen, d.h. erhöhen oder erniedrigen können: –

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Unternehmensgröße und Ressourcenausstattung des Unternehmens relativ zu den drohenden Verlusten im ungünstigsten Fall.149 Generell ist RisikobereitVgl. in diesem Zusammenhang auch z.B. die Untersuchungen von Albach, H.; Köster, D.; (1997) zum Risikokapital in Deutschland.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

169

schaft nämlich (wie bereits eingangs erwähnt) immer in Zusammenhang mit der Gewichtigkeit der potentiellen Folgen im Falle des größtmöglichen Fehlschlages (Worst Case Scenario) zu betrachten. –

Risikostreubarkeit: Möglichkeit zur Risiko-Balancierung über ein breites Portfolio unterschiedlicher Projekte, mit in Relation zum Nettoertrag des Unternehmens geringem Einzelumfang150 und mit nach Möglichkeit jeweils unterschiedlichen Arten von Risiken.151



Teilbarkeit des Risikos:152 Möglichkeit und Ausmaß, die Risiken mit Dritten zu teilen (z.B. Technologiekooperationen mit anderen Unternehmen) oder auf die Allgemeinheit abzuwälzen (z.B. über staatliche Forschungsförderung, öffentliche Bürgschaften153 oder langfristige Abnahmegarantien (insbesondere im Rüstungsbereich)).



Unternehmensphilosophie (Unternehmensvision, -strategie und -kultur). Hieraus ergibt sich insbesondere auch die subjektive Risikowahrnehmung und -bewertung.

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Vgl. hierzu z.B. Arrow, K. J.; (1962), S. 616; sowie Twiss, B.; (1986), S. 50. Vgl. Bühner, R.; (1991), S. 1396. Zu den Erfolgsfaktoren einer derartigen Diversifikationsstrategie, vgl. ebenda, S. 1395-1412. Die Möglichkeit zur Diversifikation besteht natürlich nicht nur in technologischer Hinsicht. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß Diversifikation nicht zwingend zur Reduktion des Gesamtrisikos führen muß, sondern auch erhebliche Risiken in sich trägt, vgl. hierzu z.B. Biggadike, R.; (1982), S. 537547. Prinzipiell sind sowieso nur „unsystematische Risiken“ diversifizierbar, während dies bei „unsystematischen“ Risiken nicht möglich ist, vgl. Helfat, C. E.; Teece, D. J.; (1987), S. 47-67, insbes. S. 49-50. Anders als z.B. eine Risikoreduktion gegenüber (den sekundären Effekten von) Währungsschwankungen mit Hilfe derivativer Finanzinstrumente recht gut systematisch möglich ist (vgl. hierzu z.B. Froot, K. A.; et al.; (1994), S. 91-102), gestaltet sich dies bei technologiestrategischen Risiken erheblich schwieriger und ist, wie weiter unten noch ausgeführt wird, zumeist nicht „nebenwirkungsfrei“. Albach sieht inbesondere für kleine und mittlere Unternehmen die angebotsseitige Risikoentlastung als wichtig an, da diesen Unternehmen ein interner Risikoausgleich aufgrund mangelnder Unternehmensgröße im Gegensatz zu Großunternehmen nicht möglich ist, vgl. hierzu Albach, H.; (1996 a), S. 5-22, insbes. S. 14-16, der aber gleichzeitig auch auf die Nebenwirkung staatlicher Fördermaßnahmen (hier Mittelstandspolitik) hinweist, vgl. ebenda, S. 17-20.

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Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells



Entscheidersituation und -struktur. Hierzu zählen: ƒ die Eigentumsstruktur des Unternehmens, insbesondere, ob die Entscheider (z.B. Top-Management) selbst Eigentümer sind ƒ das kulturelle Unternehmensumfeld:154 national und institutionell



Personal und spezifische Fähigkeiten des Unternehmens



Bisherige Erfahrungen von Management und Unternehmung in ähnlichen Risikokonstellationen



Wirtschaftliche Situation des Unternehmens relativ zu den gesteckten Zielen bzw. den Erwartungen der Anteilseigner: Interessanterweise haben eine Reihe von Studien ergeben, daß Unternehmen in relativ zu den Unternehmenszielen schlechten Situationen, eher bereit sind, hohe technologiestrategische Risiken einzugehen, als Unternehmen, die ihre gesteckten Ziele in jedem Fall (auch ohne diese technologiestrategisch risikoreichen Projekte) zu erreichen glauben (Risk-Return-Paradoxon).155 Allerdings existieren auch gegenteilige Befunde.156



Risikoeingrenzbarkeit. Risiken können als die aus fehlenden Informationen resultierende Unsicherheit interpretiert werden. Alle Maßnahmen, die zusätzliche Informationen generieren bzw. beschaffen, tragen dementsprechend zur Risikoreduktion bei. Hier ist insbesondere auf den Bereich der Technologiebeobachtung zu verweisen, dessen zentrale Aufgabe insbesondere die Reduktion technologiestrategischer Risiken durch entsprechende Frühaufklärung ist.157 Da die Zukunft generell aber nicht planbar ist158 und auch der verbunde-

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So wurden z.B. hinsichtlich des technologiestrategischen Risikoverhaltens kleiner Unternehmen erhebliche Unterschiede zwischen britischen, irischen und deutschen Unternehmen festgestellt, vgl. Roper, S.; (1997), S. 523-537. Vgl. hierzu insbesondere Bowman, E. H.; (1980), S. 17-31; Fiegenbaum, A.; Thomas, H.; (1988), S. 85-106; Perlitz, M.; Löbler, H.; (1989), insbes. S. 71-84, die auch einen hervorragenden Überblick über die zugrundeliegende Theorie und die Befunde früherer Studien geben, vgl. ebenda, S. 1-71, insbes. S. 63-71 (für die Befunde früherer Studien). Vgl. hierzu z.B. Perlitz, M.; Löbler, H.; (1985), S. 424-450; sowie Löbler, H.; (1998), S. 153-168, der neben eigenen Befunden zum technologiestrategischen Risikoverhalten in den alten und neuen Bundesländern auch einen guten Literaturüberblick gibt. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.1.1, S. 120ff. Vgl. auch Köhler, R.; Böhler, H.; (1984), S. 93-101, die der strategischen Frühaufklärung (im Rahmen des strategischen Marketings) eine entscheidende Rolle zur Risikovermeidung und auch

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

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ne Aufwand der Technologiebeobachtung limitierend wirkt, ist eine vollkommene Risikoreduktion stets unmöglich. Einige dieser Faktoren zeigen auch bereits die Handlungsoptionen auf, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen, um im Rahmen eines proaktiven Risikomanagements159 bestehende technologiestrategische Risiken zu reduzieren.160 Auf die Risikoreduktion durch Informationsbeschaffung und -auswertung (Technologiebeobachtung) war bereits eingegangen worden. Häufig werden in der Literatur Technologiekooperationen und -allianzen als probates Mittel zur Reduktion technologiestrategischer Risiken empfohlen.161 Doch bergen diese Kooperationen nicht nur eine Reihe neuer Risiken in sich,162 etwa den ungeplanten Technologieabfluß163 oder eine geringere Effizienz (z.B. aufgrund unklarer Zu-

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zur Chancenausnutzung zuweisen. Die Beteiligung von Kunden am Innovationsprozeß und ein aktives Technologiemarketing können auf zweifache Weise zur Reduktion marktseitiger technologiestrategischer Risiken beitragen: – durch gezielte Informationsbeschaffung – durch Reduktion der Unsicherheit beim (potentiellen) Kunden kann der Markt optimal vorbereitet und Marktpotentiale frühzeitig und in vollem Umfang erschlossen werden. Vgl. hierzu z.B. Lotz, P.; (1990), S. 129-139; Hansen, U.; Raabe, T.; (1991), S. 171194; Weiber, R.; Pohl, A.; (1995), S. 409-435; sowie Backhaus, K.; Voeth, M.; (1995), S. 395-408. Vgl. hierzu z.B. Twiss, B.; (1986), S. 51-52; sowie Wegener, R.; (1994), S. 58-60. Strategische Planung kann allerdings, wie zuvor ausgeführt, erheblich zur Risikoreduktion beitragen, vgl. hierzu z.B. Albach, H.; (1978), S. 702-715. Vgl. hierzu z.B. Mugler, J.; (1979); Wenk, E.; (1989), S. 80-91 (aus praktischer Perspektive) Mensch, G.; (1991); Karten, W.; (1993), Sp. 3825-3836; sowie Mugler, J.; (1996), S. 46-49 (für Klein- und Mittelbetriebe). Zur Notwendigkeit eines systematischen Risikomanagements in der Pharmazeutischen Industrie vgl. z.B. Drews, J.; (1994), S. 408-410. Zur systematischen Bewertung von Innovationsprojekten unter Risikoaspekten vgl. Freeman, C.; (1974), S. 222254; und Freeman, C.; (1982), S. 148-168. Vgl. für einen Überblick über die Instrumente zur Senkung des F&E-Risikos z.B. Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 30. Vgl. hierzu z.B. Krischer, G.; (1996), S. 97-109; Tapon, F.; Thong, M.; (1997), S. 17-18. Vgl. z.B. Bosshart, O.; Gassmann, O.; (1996), S. 191-208; Spender, J.-C.; et al.; (1996), S. 55-70; Zanger, C.; (1996), S. 101-102 (für die Technologieverwertung bei Klein- und Mittelunternehmen). Vgl. hierzu z.B. Dutta, S.; Weiss, A. M:, (1997), S. 343-356.

172

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

ständigkeiten oder der Verlagerung bereits existierender, eigentlich projektfremder Kosten in das Kooperationsvorhaben), sondern werden auch mit dem Verzicht auf strategische Chancen und Ertragspotentiale erkauft. Generell ist letztlich keine dieser Risikoreduktionsoptionen vollkommen „nebenwirkungsfrei“. Jede von ihnen ist entweder durch andere neu entstehende Risiken und/oder eine Reduktion der korrespondierenden Chancen und Ertragspotentiale charakterisiert. Das Unternehmen muß also stets abwägen, ob die Risikoreduktion in einem positiven Verhältnis zu diesen „Nebenwirkungen“ steht. 3.3.2.2

Timing

Der Faktor Zeit hat bei der Ausgestaltung von Wettbewerbs- und Technologiestrategien in den letzten Jahren immer größere Bedeutung erlangt. Der Faktor Zeit kommt dabei im Rahmen technologiestrategischer Entscheidungen auf zweifache Weise zum Tragen:164 –

Bei der Wahl des richtigen Zeitpunktes für den Beginn der Technologiebeschaffung (Eintritt in eine neue Technologie bzw. ein neues Forschungsfeld) und -verwertung (Markteintritt).



Bei der Wahl der richtigen Geschwindigkeit für Technologiebeschaffung und -verwertung.

Bei der ersten Komponente geht es um die Wahl des strategisch richtigen Zeitpunktes. Bei der zweiten Komponente um die Geschwindigkeit des dazugehörigen Prozesses. Für die in der vorliegenden Arbeit zu lösende Aufgabenstellung ist die Zeitpunktentscheidung von zentralem Interesse, die im Folgenden als Timingstrategie bezeichnet werden soll. In den in Kap. 2.3.2 genauer analysierten Ansätzen zu technologieorientierten Strategietypologien war die Timingdimension die am häufigsten anzutreffende technologiestrategische Einzeldimension. Zur Typologisierung wurden zumeist die beiden idealtypischen Extreme Pionier versus Folger verwendet.165 Hinsichtlich der Erfolgsträchtigkeit der einzelnen 164

165

Vgl. Simon, H.; (1989), S. 71-72; Reichwald, R.; (1990), S. 9-14; Schmelzer, H. J.; (1990), S. 27-31; Murmann, P.; (1994), S. 6-34; Perillieux, R.; (1995), S. 268-270. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 2.2.2 (S. 75ff) und Kap. 2.3.2 (S. 94ff). Neben diesen beiden Extremen zeigen einige Autoren noch differenziertere Ausprägungen auf: Buchholz differenziert hinsichtlich der Technologieverwertung in „Markteintrittspionier“, „Frühen Folger“ und „Späten Folger“ sowie hinsichtlich der

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

173 166

Timingstrategien wird in der Literatur kein einheitliches Bild gezeichnet. Wie die Beispiele Perillieuxs belegen,167 kann hierbei nicht von einer generellen Vorteilhaftigkeit einer Pionierstrategie ausgegangen werden. Vielmehr besteht ein von der spezifischen Situation des jeweiligen Unternehmens bestimmtes optimales „Zeitfenster“, in dem der Beginn der Technologiebeschaffung und -verwertung am erfolgversprechendsten ist.168 Eine Pionierstrategie zeichnet sich durch die folgenden Vorteile aus:169 –

166

167

168 169

Temporäre technologische Monopolstellung im Markt durch technische Einzigartigkeit (ĺ u.a. preispolitische Spielräume)

Technologiebeschaffung in „Produktentwicklungspionier“, „Modifizierenden Folger“ und „Imitierenden Folger“, vgl. Buchholz, W.; (1996), S. 172-181; Buchholz, W.; (1998), S. 24-38. Kritisch ist hierzu allerdings anzumerken, daß bei der Unterscheidung in „Modifizierende“ und „Imitierende“ Folger die beiden technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen Timing und Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus miteinander vermengt werden. Ähnlich wie Buchholz differenziert auch Remmerbach in drei Varianten hinsichtlich des Timings der Technologieverwertung: „Pionierstrategie“, „Frühe Folgerstrategie“ und „Späte Folgerstrategie“, vgl. Remmerbach, K.-U.; (1988), der auch detailliert auf die Ausgestaltung dieser drei Timingstrategien unter besonderer Berücksichtigung ihrer situativen Bestimmungsfaktoren eingeht. Exemplarisch für die in der Literatur bestehenden Gegensätze seien die beiden folgenden Arbeiten genannt: Während Dowling/McGee (vgl. Dowling, M. J.; McGee, J. E.; (1994), S. 1663-1677, insbes. S. 1672) in ihrer Stichprobe von Telekommunikationsausrüstern keine Pioniervorteile (First-Mover-Advantages) feststellen konnten, identifizierten Urban et al. (vgl. Urban, G. L.; et al.; (1986), S. 645-659, insbes. S. 655-656) in ihrer Stichprobe von Konsumgütermarkenartikeln klare Pioniervorteile: Folger hatten danach signifikante Marktanteilsnachteile zu verzeichnen. Für eine Übersicht über die wichtigsten diesbezüglichen empirischen Studien vgl. Simon, H.; (1989), S. 83-87; Gemünden, H. G.; (1993), S. 86-88; Robinson, W. T.; et al.; (1994), S. 5-21; Perillieux, R.; (1995), S. 271-273; Böttger, M.; (1996), S. 44-51; Lieberman, M. B:, Montgomery, D. B.; (1998), S. 1114-1122. Vgl. Perillieux, R.; (1991), S. 25-31; Perillieux, R.; (1995), S. 270-271, insbes. Abb. 1, S. 271. Ähnlich zuvor auch schon Schnaars, S. P.; (1986), S. 27-36. Vgl. auch die Beispiele von Robinson, W. T.; et al.; (1994), S. 2-5. Vgl. hierzu z.B. Day, G. S.; Freeman, J. S.; (1990), S. 43-44. Vgl. hierzu Schnaars, S. P.; (1986), S. 31-32; Perillieux, R. ; (1987), S. 123-126; Lieberman, M. B:, Montgomery, D. B.; (1988), S. 41-47; Day, G. S.; Freeman, J. S.; (1990), S. 44-48; Lowe, J.; Sim, A. B.; (1990), S. 2-5; Backhaus, K.; (1992), S. 199200; Wolfrum, B.; (1994), S. 305-306; Perillieux, R.; (1995), S. 273-275; Böttger, M.; (1996), S. 31-33; Buchholz, W.; (1996), S. 168; Buchholz, W.; (1998), S. 27-28; Lieberman, M. B:, Montgomery, D. B.; (1998), S. 1112-1114.

174

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells



Möglichkeit zum Etablieren eines Industriestandards (dominantes Design)



Imagevorteile (Chance, daß eigener Prototyp zum Begriff für eine ganze Produktkategorie wird)



Gelegenheit zum Aufbau starker Marken (Etablierung einer ausgeprägten Markenloyalität beim Kunden)



Erfahrungskurvenvorteil (insbes. Kostenvorteile)



Privilegierter Zugang zu Distributionskanälen und exklusive Geschäftsbeziehungen zu Zulieferern und Kunden



Patente und andere Schutzrechte



Möglichkeit zur längsten Verweildauer im Technologiegebiet bzw. Markt

Allerdings sind mit der Pionierstrategie auch spezifische Risiken verbunden:170 –

Nicht ausgereifte Technologie (technische „Kinderkrankheiten“ neuer Produkte): Pioniere laufen Gefahr, im Markt zu versagen und gleichzeitig als wertvolle Lektion für Folger zu dienen.



Hohe Markterschließungshürden: ƒ Überwindung der Unsicherheit bzw. Skepsis von Kunden ƒ Überzeugung von Zulassungs- und Regulierungsbehörden ƒ Etablierung geeigneter Vertriebsstrukturen



Unsicherheit hinsichtlich Marktentwicklung und -potential



Unsicherheit hinsichtlich des technologiestrategischen Verhaltens von Wettbewerbern und deren Erfolg: Das Gros der Pioniervorteile wird in der Regel nur von einem der die Pionierstrategie verfolgenden Unternehmen realisiert werden können (Risiko des Verlierens von „Innovationswettläufen“)



Hohe Produktionskosten (zu Beginn), insbes. aufgrund: ƒ geringer Losgrößen ƒ technischer Instabilität der Produktionsprozesse

170

Schnaars, S. P.; (1986), S. 32; Perillieux, R. ; (1987), S. 123-128, insbes. S. 127-128; Lieberman, M. B:, Montgomery, D. B.; (1988), S. 47-49; Day, G. S.; Freeman, J. S.; (1990), S. 48-51; Backhaus, K.; (1992), S. 199-200; Wolfrum, B.; (1994), S. 306-309; Perillieux, R.; (1995), S. 275-276; Böttger, M.; (1996), S. 33-35; Buchholz, W.; (1996), S. 168; Buchholz, W.; (1998), S. 28.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

175

ƒ geringer Flexiblität, aufgrund frühzeitiger Investitionen in Anlagen in Ungewißheit von Schwierigkeiten und zukünftigen spezifischen Anforderungen (von Kunden und Regulierungsbehörden) –

Hohes Kostenrisiko, insbes. aufgrund: ƒ Hoher F&E-Aufwendungen und Markterschließungskosten (hoher Vorfinanzierungsbedarf) ƒ langer Entwicklungszeiten (langer Vorfinanzierungszeitraum) ƒ hohem Empiriegrad ƒ Gefahr von unvorhergesehenen Technologiesprüngen



Hohe Marktaustrittshürden



„Kannibalisierungseffekte“ bezüglich des eigenen bisherigen Produktportfolios

Eine Folgerstrategie hat demgegenüber die folgenden Vorteile:171 –

Kostenlose172 Teilhabe an den Innovationsanstrengungen des Pioniers



Chance zum erfolgreichen Lernen aus den Fehlern des Pioniers (geringeres Technologie- und Marktrisiko)



Gezieltes Ausnutzen der Schwachstellen des Pioniers mit Blick auf spezifische Kundenbedürfnisse und technologische Unvollkommenheiten



Größere Kosteneffizienz durch Weglassen von Produktattributen oder Qualitätsstandards, die vom Kunden nicht honoriert werden



Größere Marktreife: ƒ bereits erschlossener Markt ƒ klarere Regulierungsanforderungen von Behörden ƒ etablierte Distributionsstrukturen

171

172

Vgl. hierzu Schnaars, S. P.; (1986), S. 32-34; Perillieux, R. ; (1987), S. 123-127, insbes. S. 126-127; Lowe, J.; Sim, A. B.; (1990), S. 5-6; Backhaus, K.; (1992), S. 200-203; Wolfrum, B.; (1994), S. 312-319; Perillieux, R.; (1995), S. 275; Böttger, M.; (1996), S. 35-39; Buchholz, W.; (1996), S. 169-170; Buchholz, W.; (1998), S. 28-29. Kostenlose Teilhabe oder zumindest Teilhabe zu deutlich niedrigeren Kosten als der Pionier zuvor hatte. Vgl. hierzu auch die früheren Ausführungen über die Imitationskosten im Rahmen der Diskussion rechtlicher Schutzinstrumente zur Technologiesicherung in Kap. 3.3.1.3, S. 126ff.

176

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

ƒ geringe Unsicherheit hinsichtlich Marktentwicklung, Kundenanforderungen und Wettbewerbsverhalten –

Größere Flexibilität und geringere Unsicherheit hinsichtlich Investitionen (z.B. in Produktionsanlagen)

Allerdings sind auch mit der Folgerstrategie spezifische Risiken verbunden:173 –

Überwindung der von den Pionieren errichteten Markteintrittsbarrieren



Schwierigkeit, sich in einem gesättigten Markt mit anspruchsvollen Kundenerwartungen hinreichend gegenüber den angestammten Wettbewerbern zu differenzieren: ƒ Risiko eines drastischen Preisverfalls infolge hoher Wettbewerbsintensität ƒ Schwierigkeit zur Entwicklung und Vermittlung überlegener Produktattribute in einem ausdifferenzierten Markt



Imagenachteile



Schwierigkeit in ein Netzwerk etablierter Geschäftsbeziehungen eindringen zu können (gegenüber Kunden, Zulieferern, Kooperationspartnern und Regulierungsbehörden)



Erheblich kürzere verbleibende Marktphase zur Amortisation der Entwicklungskosten

Neben der spezifischen Situation des Einzelunternehmens lassen sich aber auch Branchenunterschiede feststellen: In forschungsintensiven Industrien hat sich die Pionierstrategie als am stärksten erfolgversprechend herausgestellt. Zu diesen forschungsintensiven Branchen wird neben der Elektronik- und der Chemiebranche auch die Pharmazeutische Industrie gezählt. Bei stärker fragmentierten Branchen und ausgeprägt spezialisierten Anwendungen wird die Folgerstrategie als generell erfolgsträchtiger eingestuft.174 Die eigenen empirischen Befunde werden 173

174

Vgl. hierzu z.B. Schnaars, S. P.; (1986), S. 32-34; Perillieux, R. ; (1987), S. 123-129, insbes. S. 128-129; Backhaus, K.; (1992), S. 200-203; Wolfrum, B.; (1994), S. 317319; Perillieux, R.; (1995), S. 275-276; Böttger, M.; (1996), S. 35-39; Buchholz, W.; (1996), S. 169-171; Buchholz, W.; (1998), S. 28-30. Letztlich wirken sich nahezu alleVorteile der Pionierstrategie als Risiken auf die Folgerstrategie aus. Vgl. zu diesen branchenspezifischen Unterschieden in der Erfolgsträchtigkeit von Timingstrategien die Auswertung der Befunde unterschiedlicher empirischer Studien durch Perillieux, R.; (1995), S. 271-273.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

177

später allerdings auch für die Pharmazeutische Industrie ein differenzierteres Bild ergeben: Nicht nur die Pionierunternehmen zeichnen sich durch wirtschaftlichen Erfolg aus.175 Grundsätzlich muß die Timingstrategie der Technologiebeschaffung nicht zwangsläufig synchron zu der der Technologieverwertung sein. Die Untersuchungen Perillieuxs ergaben, daß zwar in der Mehrzahl der Fälle eine Pionierstrategie der Technologiebeschaffung (dort Inventionstiming) mit einer Pionierstrategie der Technologieverwertung (dort Innovationstiming) gekoppelt ist (in 30 % der untersuchten Fälle) und analog auch für Folgerstrategien (in 39 % der untersuchten Fälle), aber sehr wohl auch „asynchrone“ Kombinationen von Pionier-Folger-Strategien existieren (in 31 % der untersuchten Fälle).176 Diese hybriden Führer-Folger-Kombinationen sind dabei nicht prinzipiell weniger erfolgsträchtig: Insgesamt erwiesen sich für alle drei Varianten der Timingstrategie der Technologieverwertung Pionierstrategien in der Technologiebeschaffung als signifikant erfolgswahrscheinlicher.177 Die Timingstrategie und die technologiestrategische Dimension der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus müssen ebenfalls nicht zwingend gleichgerichtet sein.178

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Vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 6.2.2, S. 459ff (Technologiebeschaffung), und Kap. 6.3.2, S. 511ff (Technologieverwertung). Vgl. Perillieux, R. ; (1987), S. 202-204. Insgesamt differenziert Perillieux in insgesamt sechs Timingeinzelstrategieausprägungen, die sich aus der Kombination der Timingstrategie der Technologiebeschaffung (Führer versus Folger) und der Technologieverwertung (Führer versus Früher Folger versus Später Folger) ergeben, vgl. ebenda S. 120-123, 167-276, insbes. S. 168. Eine erweiterte Kombinationsmatrix für Timingstrategien geht auf Buchholz zurück, der insgesamt neun kombinierte Technologiebeschaffungs-Technologieverwertungs-Kombinationen hinsichtlich der Timingstrategie unterscheidet, vgl. Buchholz, W.; (1996), S. 174-181; Buchholz, W.; (1998), S. 31-38. Da Buchholz keine eigene empirische Untersuchung durchführte, liegen keine eigenen Erkenntnisse über die Häufigkeit der Einzelausprägungen in der Praxis vor. Die Pionierstrategie der Technologiebeschaffung war mit 72 % aller Projekte signifikant erfolgreicher als die Folgerstrategie mit nur 59 %, vgl. Perillieux, R. ; (1987), S. 202-204; Specht, G.; Perillieux, R.; (1988), S. 216-217; und Perillieux, R.; (1991), S. 35-38. Vgl. hierzu Michel, K.; (1987), S. 85-95 und S. 234-247; Wolfrum, B.; (1994), S. 274-323, insbes. S. 281; sowie insbesondere auch die empirischen Befunde des Fraunhofer-Instituts, die eindeutig belegen, daß (bei deutlichen Branchenunterschieden) in der Praxis nur in etwa der Hälfte der Fälle für Produkte mit hohem Innova-

178

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

Anders als zuvor für die Timingstrategie ausgeführt, wird für die prozessuale Zeitkomponente der Geschwindigkeit in der Wirtschaftspraxis zumeist generell davon ausgegangen, daß eine hohe Geschwindigkeit vorteilhaft ist, da sie den Umsetzungserfolg für jede Timingstrategie erhöht und eine größere technologiestrategische Flexibilität gewährleistet.179 Die Notwendigkeit, die Geschwindigkeit zu erhöhen, wird dabei vor allem aus der starken Verkürzung der Produktlebenszyklen und der durchschnittlichen Entwicklungszeiten abgeleitet.180 Beide Trends implizieren, daß die Response-Zeiten für das jeweilige Unternehmen immer kürzer werden und so die technologiestrategische Positionierung nicht nur proaktiv vorausschauend erfolgen muß, sondern auch die Implementierung der gewählten Technologiestrategie möglichst zügig erfolgen muß. In der Vergangenheit wurde in diesem Zusammenhang allerdings relativierend darauf hingewiesen, daß die Geschwindigkeit nur eine Komponente im sogenannten „magischen Dreieck“ der konkurrierenden Ziele Geschwindigkeit, Qualität und Kosten ist und somit hinsichtlich aller drei Komponenten ein für die jeweilige Unternehmenssituation optimaler Mix gefunden werden muß. Dabei wurde davon ausgegangen, daß eine maximierte Geschwindigkeit zu Lasten von Qualität und/ oder Kosten geht. Empirische Befunde widersprechen bzw. relativieren diese

179

180

tionsgrad auch eine Marktpionierstrategie angestrebt wird (vgl. Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (1990), S. 52). Interessanterweise erreichen Unternehmen, die keinen oder sogar einen umgekehrten Zusammenhang zwischen der Höhe des Innovationsgrades eines Produktes und der Wichtigkeit einer schnellen Markteinführung sehen, zwar schneller die Gewinnzone (kürzere Amortisationszeit), haben aber durchschnittlich kürzere Produktlebenszyklen und damit kürzere Phasen in der Gewinnzone, vgl. ebenda, S. 74. Der neoklassische Ansatz zur Bestimmung der optimalen Entwicklungsdauer postuliert dabei allerdings nicht automatisch eine möglichst kurze Entwicklungsdauer: Vielmehr läßt sich aus der Gegenwartswertkurve der Bruttogewinne und der Entwicklungsausgabenkurve die optimale Entwicklungsdauer errechnen, vgl. hierzu Brockhoff, K.; Urban, C.; (1988), S. 2-7; Brockhoff, K.; (1991 b), S. 19-32, insbes. S. 2431; Murmann, P.; (1994), S. 29-34; Glück, P.; (1995), S. 19-20. Zur Kritik an diesem Ansatz, vgl. Gemünden, H. G.; (1993), S. 80-85, insbes. S. 8283, der allerdings auch explizit vor dem in der Praxis vorherrschenden Verständnis warnt, daß eine Beschleunigung der Entwicklungsdauer generell in jedem Fall anzustreben sei. Ähnlich auch Studinka, C.; (1998), S. 123-128. Vgl. hierzu z.B. Gemünden, H. G.; (1993), S. 71-80, der vier Triebkräfte des Zeitwettbewerbs anführt: Kürzere Bedarfs- und Technologiezyklen, kürzere Arbeitszeiten und einen aggressiveren Zeitwettbewerb. Ähnlich auch Holt, K.; (1990), S. 408-411; Reichwald, R.; (1990), S. 16-20; Bitzer, M. C.; (1991), S. 34-47; Specht, G.; (1997), S. 402-404; Studinka, C.; (1998), S. 34-48.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

179

181

Hypothese: Danach sind zeitliche Zielverfehlungen häufig mit Kostenüberschreitungen und ungenügender Qualität gekoppelt. Ursache hierfür ist in der Regel eine zu geringe Effizienz der Innovationsprozesse. Das „magische Dreieck“ dürfte nämlich nur dann zum Tragen kommen, wenn die Prozeßeffizienz bereits in vollem Umfang erreicht ist. Für die Gewährleistung der optimalen Prozeßeffizienz bilden strikte Zielvorgaben und deren entschlossene Umsetzung aber eine notwendige Voraussetzung.182 Anstelle von konkurrierenden Zielgrößen könnten Zeit, Kosten und Qualität insoweit auch als komplementäre Zielgrößen betrachtet werden.183 Empirische Studien beobachten in der Tat derartige „economies of speed“, wonach eine Optimierung der Geschwindigkeit mit einer Reduktion der Entwicklungskosten und einer Steigerung der Produktqualität einhergeht184 und so der wirtschaftliche Innovationserfolg nicht nur auf der Kostenseite nachhaltig gesteigert werden kann. Hinzu kommt, daß sich Verzögerungen in der Entwicklungsdauer in vielen Fällen auf das wirtschaftliche Gesamtergebnis sehr viel stärker auswirken als höhere Entwicklungskosten.185 Auf die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Optimierung der Geschwindigkeits-

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Vgl. hierzu Gemünden, H. G.; (1993), S. 102-108 sowie Murmann, P.; (1994), S. 237242. Auch der internationale Vergleich von Unternehmen aus Deutschland und USA mit denen aus Japan fördert zutage, daß japanische Unternehmen nicht nur hinsichtlich der Entwicklungsdauer, sondern auch bezüglich der Entwicklungskosten ihren deutschen (und US-amerikanischen) Wettbewerbern deutlich überlegen sind, vgl. Albach, H.; et al.; (1991), S. 314-316; und Bürgel, H. D.; et al.; (1995), S. 1-26. Als die stärksten Treiber für eine zeitliche Zielerreichung wurde ein funktionsübergreifendes, dediziertes und verantwortliches Projektteam mit einem starken Projektleiter und Topmanagement-Unterstützung identifiziert, gefolgt von einer sorgfältigen Vorentwicklung und einer klaren Markt- und Kundenorientierung, vgl. Cooper, R. G.; Kleinschmidt, E. J.; (1994), S. 381-396. Vgl. hierzu Buchholz, W.; (1996), S. 39-42. Ähnlich auch Specht, der darauf hinweist, daß z.B. die Vorentwicklung zur Optimierung aller drei Zielgrößen einen wesentlichen Beitrag leisten kann, vgl. Specht, G.; (1997), S. 406-408. Vgl. hierzu z.B. die Befunde Kesslers, der feststellte, daß eine größere Entwicklungsgeschwindigkeit positiv mit einer höheren Produktqualität korreliert. Niedrigere Entwicklungskosten resultieren aus dieser höheren Innovationsgeschwindigkeit allerdings nur für inkrementelle Innovationen, vgl. Kessler, E.; (1996), S. 241-243. Vgl. hierzu Arthur D. Little (1988), S. 93-105, insbes. Abb. 3-2, S. 95; Hörschgen, H.; (1995), Sp. 2467-2470. In der unternehmerischen Praxis werden die Kosten zeitlicher Verzögerungen häufig zu niedrig angesetzt, vgl. für die richtige Abschätzung der Größenordnung von Opportunitätskosten von Zeit, z.B. Simon, H.; (1989), S. 78-79.

180

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

komponente, sprich zur Durchlaufzeitverkürzung technologischer Prozesse, soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.186 3.3.2.3

Intensität der Außenorientierung

Eine zentrale Entscheidungsdimension des strategischen Technologiemanagements ist die Entscheidung über den Grad bzw. die Intensität der Außenorientierung. Bezogen auf die Technologiebeschaffung ist hierunter die Wahl zwischen Make-or-Buy, also zwischen interner Technologieerzeugung in Form eigener Forschung und Entwicklung und externer Technologiebeschaffung aus Quellen außerhalb des eigenen Unternehmens, zu verstehen. Externe Technologiebeschaffungsmöglichkeiten stellen dabei insbesondere F&E-Kooperationen187 mit Universitäten/Forschungseinrichtungen, Wettbewerbern, Zulieferern und Kunden sowie Lizenznahme/-erwerb, Dossiererwerb, Vergabe von Forschungs-

186

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Vgl. hierzu insbesondere Braun, H.; Brockhoff, K.; (1988), S. 74-85; Brockhoff, K.; Urban, C.; (1988), S. 1-42; Domsch, M.; Gerpott, T.; (1988), S. 86-111; Picot, A.; et al.; (1988), S. 112-137; Schmelzer, H. J.; Buttermilch, K.-H.; (1988), S. 43-73; Nippa, M.; Reichwald, R.; (1990), S. 65-114; Reichwald, R.; (1990), S. 20-22; Schmelzer, H. J.; (1990), S. 27-63; Bitzer, M. C.; (1991), insbes. S. 216-304; Smith, P. G.; Reinertsen, D. G.; (1992), S. 44-49; Schmelzer, H. J.; (1993), S. 119-135; Kubik, C.; (1994); Murmann, P.; (1994), der neben eigenen empirischen Befunden am Branchenbeispiel des Maschinenbaus – auch einen detaillierten Überblick über frühere empirische Studien – gibt (vgl. hierzu Anhang I, S. 261-269); Bürgel, H. D.; et al.; (1995), S. 1-26; De Pay, D.; (1995), S. 77-102; Glück, P.; (1995), die auch Fallbeispiele aus der pharmazeutischen Diagnostikaindustrie untersucht; Hörschgen, H.; (1995), Sp. 2470-2471; Klenter, G.; (1995); Buchholz, W.; (1996), S. 184-274, insbes. S. 202-274. Zum Teil wird in der Literatur nicht nur in interne und externe, sondern zusätzlich auch noch in kooperative Technologiebeschaffung unterschieden (vgl. hierzu z.B. Schneider, D.; Zieringer, C.; (1991), S. 25-38). Die kooperative Technologiebeschaffung stellt dabei eine Mischform aus interner und externer Technologiebeschaffung dar. Dies bedeutet aber, daß eindeutig auch auf externe Technologiequellen zurückgegriffen wird. Somit stellen auch kooperative Formen letztlich eine Möglichkeit dar, mit der externe Technologiequellen erschlossen werden. Daher soll im Folgenden (in Übereinstimmung mit z.B. Brockhoff, vgl. hierzu Brockhoff, K.; (1999), S. 157-158) die Kooperation als eine Alternative der externen Technologiebeschaffung betrachtet werden. Analoges gilt entsprechend für die Kooperation im Rahmen der Technologieverwertung.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

181

aufträgen, der Erwerb von Unternehmen(-steilen) oder die Bereitstellung von Risikokapital188 dar.189 Für den Bereich der Technologieverwertung ist dann analog die technologiestrategische Bedeutung einer Verwertung des technologischen Wissens durch Eigenvermarktung – in Form von unter eigenem Namen vermarkteten Produkten oder Prozessen – oder die Eigennutzung in Vorprodukten oder Prozessen im eigenen Unternehmen relativ zu der der Verwertung über Partner zu verstehen. Externe Technologieverwertungsoptionen stellen dabei insbesondere Vermarktungskooperationen mit Universitäten/Forschungseinrichtungen, Wettbewerbern, Zulieferern und Kunden sowie Lizenzvergabe/Patentverkauf, Dossierverkauf, Annahme von Forschungsaufträgen, der Verkauf von Unternehmen(-steilen) oder die Annahme von Risikokapital190 dar.191 Dabei geht es zunächst nicht um die konkrete Form des externen technologischen Wissenssourcings (bzw. der externen Verwertung), sondern lediglich um die technologiestrategische Bedeutung dieser externen Technologiebeschaffung 188

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190

191

Die Bereitstellung von Risikokapital stellt dann eine Form der externen Technologiebeschaffung dar, wenn im Gegenzug vom Kapitalnehmer technologisches Know-How übertragen bzw. diese Übertragung in Aussicht gestellt wird – ein gerade zwischen etablierten Großunternehmen (z.B. internationalen Pharma-Unternehmen) und jungen Technologie-Unternehmen (z.B. Biotechnologie-Unternehmen) nicht unübliches Verfahren. Im Gegensatz zu einigen Autoren im wissenschaftlichen Schrifttum (vgl. hierzu z.B. die spätere Diskussion der Studie von Dillmann in Kap. 4.2.2.3, S. 364ff) soll der Begriff „externe Technologiebeschaffung“ umfassend definiert werden, d.h. hierunter soll die Summe des gesamten vom Unternehmen aus Quellen außerhalb des eigenen Unternehmens beschafften technologischen Wissens verstanden werden, unabhängig von der Art (Form) der Beschaffung, der Art der Vergütung und deren buchhalterischer Erfassung. Die Annahme von Risikokapital stellt dann eine Form der externen Technologieverwertung dar, wenn im Gegenzug dem Kapitalgeber technologisches Know-how übertragen wird bzw. diese Übertragung in Aussicht gestellt wird – ein gerade zwischen etablierten Großunternehmen (z.B. internationalen Pharma-Unternehmen) und jungen Technologie-Unternehmen (z.B. Biotechnologie-Unternehmen) nicht unübliches Verfahren. Im Gegensatz zu einigen Autoren im wissenschaftlichen Schrifttum (vgl. hierzu z.B. die spätere Diskussion der Studie von Dillmann in Kap. 4.2.2.3, S. 364ff) soll der Begriff externe Technologiebeschaffung umfassend definiert werden, d.h. hierunter soll die Summe des gesamten vom Unternehmen aus Quellen außerhalb des eigenen Unternehmens beschafften technologischen Wissens verstanden werden, unabhängig von der Art (Form) der Beschaffung, der Art der Vergütung und deren buchhalterischer Erfassung.

182

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

(bzw. -verwertung) insgesamt relativ zur internen Technologieerzeugung (bzw. -verwertung). Auf die technologiestrategische Bedeutung einzelner Technologiebeschaffungs- bzw. Technologieverwertungskooperationsformen und die aus ihrer Summe resultierende Gesamtbedeutung der technologiestrategischen Verflechtung wird in Kap. 3.3.2.4192 genauer zurückzukommen sein. Hinter der expliziten Trennung beider Dimensionen – Ausmaß der Außenorientierung und technologiestrategischer Verflechtungsgrad – steckt die Überzeugung, daß es sich bei beiden in der Tat um eigenständige technologiestrategische Entscheidungsdimensionen handelt. So kann beispielsweise auch für Unternehmen, die ihre Ressourcen überwiegend in unternehmensinterne F&E investieren, die Unterhaltung eines umfangreichen Technologienetzwerkes mit einer Vielzahl von (zum Teil unterschiedlichen) Technologiekooperationen eine zentrale technologiestrategische Bedeutung besitzen. Genauso kann umgekehrt ein Unternehmen, das seine Technologiebeschaffung oder -verwertung ganz oder größtenteils extern vornimmt, dies mit Hilfe nur eines einzigen Partners realisieren: Das Ausmaß der Außenorientierung wäre in diesem letztgenannten Fall also extrem hoch, während der technologische Verflechtungsgrad äußerst gering ist. Später wird sich zeigen, daß die eigenen empirischen Befunde diese These unterstützen.193 In der wissenschaftlichen Literatur werden eine Reihe von Motiven genannt, die eine externe Technologiebeschaffung vorteilhaft gegenüber der internen Eigenerzeugung erscheinen lassen.194 Empirische Überprüfungen bestätigen die Existenz dieser Gründe für eine externe Beschaffung, auch wenn hinsichtlich Signifikanz einzelner Motive und Bedeutungsrangfolge zum Teil Unterschiede

192 193

194

Vgl. S. 190ff. Vgl. hierzu die späteren empirischen Befunde für die Technologiebeschaffung in den Kap. 6.2.3 (S. 465ff) und 6.2.4 (S. 468ff) sowie für die Technologieverwertung in den Kap. 6.3.3 (S. 518ff) und 6.3.4 (S. 527ff). Vgl. hierzu z.B. Teece, D. J.; (1986), S. 285-305; Capon, N.; Glazer, R.; (1987), S. 6; Teece, D. J.; (1987), S. 185-219.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

183

195

bestehen. Nach Untersuchungen von Hermes bei deutschen Großunternehmen findet ein externes technologisches Wissenssourcing insbesondere statt bei:196 –

intern fehlenden F&E-Ressourcen



geringerer technologischer Verwandschaft



besserer Technologieposition externer Quellen



Annäherung an finanzielle Grenzen



geringerem strategischen Stellenwert



leichterer Imitierbarkeit



leichterer Transferierbarkeit



geringeren erreichbaren Wettbewerbsvorteilen



niedrigeren Markteintrittsbarrieren.

Zusätzlich zeigten die Befunde von Hermes, daß die Faktoren „Nicht-KernTechnologien“, „größere Marktentfernung“ und „höherer Zeitdruck“ sich als nicht signifikant erwiesen. Widerlegt wurde in der Studie von Hermes, daß „größeres technologisches Risiko“ und „höhere erforderliche Investitionen“ einen positiven Effekt auf die Buy- relativ zur Make-Entscheidung haben. Die Ergebnisse von Hermes stimmen insgesamt mit den Befunden anderer Studien zu Outsourcingmotiven überein. Überraschend ist allerdings die Tatsache, daß bei Hermes der Faktor „Zeit“ sich als nicht signifikant für eine Outsourcingentscheidung erwies. In der Literatur wird auf den engen Zusammenhang zwischen Timing und Außenorientierung wiederholt hingewiesen,197 und auch empirische Untersuchungen unterstützen diesen Zusammenhang nach195

196

197

Vgl. hierzu die Untersuchungen Dillmanns zu Outsourcingmotiven in der pharmazeutischen Entwicklung und Mordhorsts zu den Motiven einer Lizenznahme in der Pharmazeutischen Industrie, die in Kap. 4.2.1.3 (S. 346ff) näher diskutiert werden, sowie die in Kap. 3.3.2.4 (S. 190ff) genauer erörterten Gründe für das Eingehen von F&EKooperationen. Vgl. hierzu Hermes, M.; (1995), S. 123-129, insbes. Tabelle III, S. 124. Genannt sind nachfolgend nur die von Hermes als signifikant identifizierten Faktoren. Diese Einzelkomponenten ließen sich zu fünf Faktoren verdichten: Wettbewerbsrelevanz der Technologie, relative Technologieposition, Marktvertrautheit, strategische Relevanz und Marktentfernung, vgl. hierzu ebenda, S. 129-135; sowie Hermes, M.; (1992), S. 6-8. Vgl. hierzu z.B. Perillieux, R.; (1987), S. 129-134.

184

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells 198

drücklich. Anzufügen bleibt auch, daß in der Studie Dillmanns zu Outsourcingmotiven in der Pharmazeutischen Industrie das Motiv „Ausgleich von zeitlichen Engpässen in der Entwicklung“ als am zweitwichtigsten für ein Outsourcing identifiziert wurde.199 Insgesamt stehen diese Resultate von Hermes aber auch weitestgehend im Einklang mit Befunden hinsichtlich der Motive für F&E-Kooperationen.200 Diese sollen jedoch separat behandelt werden, da erstens F&E-Kooperationen nur einen Teil (wenn auch einen Großteil) der Optionen für eine externe Technologiebeschaffung abdecken und zusätzlich zu den Motiven der Technologiebeschaffung auch technologische Netzwerkmotive für die Durchführung von F&EKooperationen sprechen. Auf diesen letzten Gesichtspunkt war ja zu Beginn dieses Unterkapitels in der Begründung für eine Differenzierung in zwei eigenständige Entscheidungsdimensionen bereits ausführlich eingegangen worden. Im zeitlichen Verlauf hat sich eine zunehmende Bedeutung der externen Technologiebeschaffung abgezeichnet. Ihr Anteil an den gesamten Technologiebeschaffungsaufwendungen hat dabei tendenziell relativ zur internen Eigenerzeugung zugenommen.201 Allerdings hat die interne Technologieerzeugung durch eigene F&E im Durchschnitt immer noch deutlich den höheren Stellenwert.202 Dabei sind aber hinsichtlich des Make-or-Buy-Ratios beträchtliche Bedeutungsunterschiede zwischen einzelnen Industriezweigen203 und selbst inner-

198

199 200 201

202 203

Vgl. hierzu z.B. Mansfield, E.; (1988), S. 1157-1168, der im Rahmen seiner empirischen Untersuchungen herausfand, daß japanische Unternehmen gegenüber US-amerikanischen hinsichtlich Entwicklungsdauer und -kosten erhebliche Vorteile aufgrund ihres erheblich höheren Anteils an externer Technologiebeschaffung und ihrer Fähigkeit diese schnell und effektiv zu nutzen hatten. Zu ähnlichen Befunden gelangen Albach et al., die im Vergleich deutscher und USamerikanischer Unternehmen mit ihren japanischen Wettbewerbern zu dem Ergebnis gelangen, daß letztere ihre Innovationsvorhaben nicht nur schneller und kostengünstiger vorantreiben, sondern auch erheblich erfolgreicher in der Nutzung externer Technologiequellen sind, vgl. hierzu Albach, H.; et al.; (1991), S. 309-324. Die Studie Dillmanns wird später in Kap. 4.2.1.3 (S. 346ff) diskutiert. Vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen in Kap. 3.3.2.4, S. 190ff. Vgl. z.B. Whittington, R.; (1990), S. 183-203, insbes S. 187-188; Wolff, H.; et al.; (1994), S. 71; Buckley, J. V.; (1998), S. 87-95. Vgl. z.B. Link, A. N.; Tassey, G.; (1987), S. 26. Vgl. Wolff, H.; et al.; (1994), S. 71-84, insbes. Abb. 3.4, S. 73. Danach hatte die Elektrotechnik- und Feinmechanik-Industrie den höchsten Anteil an externen F&E-Aufwendungen an den F&E-Gesamtaufwendungen (7,9 %) gefolgt vom Maschinen- und

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

185

204

halb von Branchen zwischen deren Subbranchen zutage getreten. Auch die Unternehmensgröße hat Einfluß auf die Intensität der Außenorientierung:205 –

Mit zunehmender Unternehmensgröße sinkt der Anteil der Unternehmen, die ausschließlich auf interne Technologieerzeugung setzen.



Mit zunehmender Unternehmensgröße sinkt gleichzeitig aber auch der Anteil der Unternehmen, die ausschließlich externe Technologiebeschaffungsquellen nutzen.



Mit zunehmender Unternehmensgröße wächst tendenziell insgesamt der Anteil an Unternehmen, die sowohl auf interne als auch auf externe Technologiebeschaffungsquellen zurückgreifen.

Interessant ist dabei, daß interne und externe Technologiebeschaffung nicht als sich prinzipiell gegenseitig ausschließende Alternativen zu betrachten sind, sondern auch ausgeprägte komplementäre Züge besitzen.206 So wird als Voraussetzung für die erfolgreiche Aufnahme externen technologischen Wissens in das eigene Unternehmen und deren erfolgreiche Nutzung und Umsetzung in Produkte und Prozesse eine Absoptionskapazität gesehen.207 Das Vorhandensein und der Umfang dieser Absorptionskapazität wird dabei wiederum durch das Ausmaß eigener unternehmensinterner F&E determiniert wie empirische Studien belegen:208 Nur Unternehmen, die eine hinreichende Absorptionskapazität in Form

204

205 206 207

208

Fahrzeugbau (6,1 %) und der Chemischen Industrie (6,0 %). Ähnlich auch Schneider, D.; Zieringer, C.; (1991), S. 27. Der Anteil der ausgelagerten Entwicklungsarbeit variierte danach in den verschiedenen Industrien des deutschen Maschinenbaus zwischen 7,5 % (KFZ-Zulieferer) und 18,8 % (Fahrzeugbau), vgl. hierzu Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (1990), S. 43. Vgl. hierzu Wolff, H.; et al.; (1994), S. 71-84, insbes. Abb. 3.5 und 3.6, S. 75. Vgl. Cassiman, B.; Veugelers, R.; (1998). Vgl. hierzu Cohen, W. M.; Levinthal, D. A.; (1989), S. 569-596; Twiss, B.; Goodridge, M.; (1989), S. 121-126; Cohen, W. M.; Levinthal, D. A.; (1990), S. 128-152; Werther, W. B., Jr.; et al.; (1994), S. 25-27; Russ, M.; Camp, S. M.; (1997), S. 513527, insbes. S. 517-518; Ingham, M.; Mothe, C.; (1998), S. 70-78. Generell ist allerdings unabhängig von der Technologiequelle (intern oder extern) die erfolgreiche Internalisierung neuer Technologien an bestimmte (nicht nur organisatorische) Voraussetzungen geknüpft, vgl. hierzu Moenaert, R.; et al.; (1990), S. 50-58. Vgl. hierzu Veugelers, R.; (1997), S. 303-315, die die beidseitige Wechselwirkung zwischen interner F&E und externer Technologiebeschaffung in einer branchenübergreifenden Studie bei flämischen forschungsaktiven Unternehmen bestätigt fand.

186

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

einer eigenen Vollzeit-F&E-Abteilung besitzen, sind in der Lage, die kompletten Vorteile von F&E-Kooperationen und von extern vergebenen Forschungsaufträgen vollständig zu erschließen. Unterstützt wird diese Sichtweise durch die Beobachtung, daß Unternehmen generell interne F&E als eine zentrale Voraussetzung für den Innovationserfolg sehen.209 Interne F&E kann also maßgeblich dazu beitragen, den Wert externen Knowhows frühzeitig zutreffend zu erkennen sowie dieses gegebenenfalls erfolgreich ins eigene Unternehmen zu transferieren und dort nutzbar zu machen. Insgesamt geht die Bedeutung interner F&E daher weit über die reine Eigenerzeugung neuen technologischen Wissens hinaus. Nach Brockhoff lassen sich die mit Hilfe interner F&E im Unternehmen aufbaubaren Potentiale zu drei Kernpotentialen verdichten, die dieses Bedeutungsspektrum charakterisieren:210 –

Aufklärungspotential Das Aufklärungspotential zielt insbesondere auf die Identifizierung und Bewertung unternehmensexterner potentiell wettbewerbsrelevanter technologischer Aktivitäten und Veränderungstrends211



Transferpotential Das Transferpotential läßt sich seinerseits wiederum in zwei Subpotentiale untergliedern:212 ƒ Absorptionspotential Hierunter ist die bereits oben ausführlich diskutierte Fähigkeit zur effektiven und effizienten Aufnahme und Nutzbarmachung von technologischem Wissen aus Quellen außerhalb des eigenen Unternehmens zu verstehen.

209

210 211

212

Vgl. hierzu z.B. Koschatzky, K.; (1997), S. 18-20. In einer Untersuchung des Innovationsverhaltens von 482 badischen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes nannten 87 % eigene F&E als wichtige Voraussetzungen für Produktinnovationen. Vgl. hierzu und zum Folgenden Brockhoff, K.; (1997 c), S. 453-469. Wir waren auf dieses Potential bereits früher im Rahmen der Diskussion des technologiestrategischen Entscheidungsbereichs der Technologiebeobachtung zu sprechen gekommen, vgl. hierzu Kap. 3.3.1.1, S. 120ff. In eine ähnliche Richtung gehen auch die bereits im Rahmen der Technologiesicherung (vgl. hierzu Kap. 3.3.1.3, S. 126ff) diskutierten Überlegungen Garuds und Nayyars bezüglich der Transformationskapazität von Unternehmen. Unter Transformationskapazität war dabei die Fähigkeit zur Auswahl geeigneter Technologien, zu ihrem Erhalt und ihrer Weiterentwicklung sowie schließlich ihrer Reaktivierung und Synthese zum Zeitpunkt ihrer späteren Nutzung verstanden worden, vgl. hierzu Garud, R.; Nayyar, P. R.; (1994), S. 365-385.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

187

ƒ Wissensweitergabepotential Unter Wissensweitergabepotential ist die Fähigkeit zu verstehen, technologisches Wissen so aufzubereiten und zu transferieren, daß es von (potentiellen) Nutzern innerhalb des eigenen Unternehmens wahrgenommen und verwendet werden kann. –

Innovationspotential Das Innovationspotential setzt sich ebenfalls aus zwei Subpotentialen zusammen: ƒ Kreativitätspotential Das Kreativitätspotential ist darauf ausgerichtet, neues technologisches Wissen zur Entwicklung neuer Geschäftsideen zu nutzen. ƒ Interpretationspotential Das Interpretationspotential ist hingegen darauf ausgerichtet, bereits in der Nutzung befindliche Techniken zu evaluieren und die Effektivität und Effizienz ihrer Anwendung zu optimieren.

Brockhoff betrachtet dabei die Kernpotentiale als „kompensatorisch bzw. substitutiv“, d.h. jedes Kernpotential setzt für seine Funktionstüchtigkeit nicht das Vorhandensein eines anderen Kernpotentials voraus. Zur Verfolgung seiner technologiestrategischen Zielsetzung sollte jedes Unternehmen vielmehr einen spezifisch abgestimmten Potentialaufbau vornehmen. Aufgrund dieser vielfältigen Funktion interner F&E bleibt es also sehr fraglich, ob die Intensität der Außenorientierung zweckmäßig 100 % erreichen sollte (also ganz auf der Seite externen Wissenssourcings liegen sollte). Aufgrund der komplementären Natur von interner und externer Technologiebeschaffung dürfte vielmehr ein auf die entsprechende spezifische Unternehmenssituation und technologiestrategische Zielsetzung zugeschnittener Mix von Make-and-Buy am vorteilhaftesten sein. Als ein zentrales Hemmnis der externen Technologiebeschaffung wird das „Not-Invented-Here (NIH)-Syndrom“ angeführt. Hierunter wird die Resistenz innerhalb des eigenen Unternehmens gegenüber externem, „nicht-hier-entwickeltem“ technologischen Wissen verstanden. In der Praxis äußert sich das NIHSyndrom in einer zögerlichen, unvollständigen oder kostenintensiven Aufnahme dieses externen Wissens und kann sogar in einer „Totalblockade“, also dem völ-

188

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

ligen Scheitern der Technologieaufnahme enden.213 Letztlich stellt aber das NIHSyndrom nur eine Facette einer unterentwickelten oder fehlkonzipierten Absorptionskapazität des eigenen Unternehmens gegenüber diesem externen technologischen Wissen dar. Genauso wie für den Bereich der Technologiebeschaffung existieren auch hinsichtlich der Technologieverwertung eine Reihe von Gründen, diese außerhalb des eigenen Unternehmens über Vermarktungspartner oder durch Verkauf der Technologie durchzuführen:214 –

Technologie paßt nicht zu den angestrebten Unternehmenszielen: Etwa ist sie nur in einem „falschen“ Marktsegment einsetzbar oder gefährdet die Unternehmensreputation.



Kapitalengpässe: Das Unternehmen verfügt nicht über hinreichende finanzielle Ressourcen, um die Technologie unter eigenem Namen zu vermarkten, oder das laufende Technologiebeschaffungsprogramm erfordert sofortigen Zufluß neuer Finanzmittel.



Einmalige „kurzfristige“ Marktgelegenheit: Das Unternehmen verfügt nicht über eigene Ressourcen für eine hinreichend schnelle Vermarktung unter eigenem Namen, um ein nur vorübergehend bestehendes Marktpotential voll zu erschließen.



Ungeeignete Größe des Geschäftsvolumens oder Unprofitabilität: Technologie ist unter eigenem Namen mit eigenen Ressourcen nicht wirtschaftlich zu vermarkten.



Technologie ist veraltet oder paßt nicht zum Produktportfolio. Das Unternehmen verfügt bereits über eine neue überlegene Technologie, oder es sind starke Kannibalisierungseffekte oder Imagebeeinträchtigungen mit profitableren Teilen des Produktportfolios zu befürchten.



Rechtliche und regulatorische Vorgaben: Das Unternehmen ist z.B. kartellrechtlich zur Abgabe der Technologie verpflichtet (etwa nach Unternehmensfusionen).

213

214

Vgl. Brockhoff, K.; (1995 d), S. 37-40; Ingham, M.; Mothe, C.; (1998), S. 71; Brockhoff, K.; (1999), S. 163. Vgl. hierzu z.B. auch Capon, N.; Glazer, R.; (1987), S. 6-9.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

189



Patentrechtliche Unsicherheit: Zur Vermeidung langfristiger und risikoreicher patentrechtlicher Auseinandersetzungen erscheint der Technologieverkauf vorteilhafter.



Strategische Vorteilhaftigkeit: Übergeordnete strategische Ziele erzwingen einen Technologieverkauf (z.B. Zugang zu anderen Technologien des Partners im Gegenzug).

Neben einer vollständigen externen Technologieverwertung besteht aber auch die Möglichkeit einer Kombination von interner und externer Technologieverwertung. Dies ist dann attraktiv bei: –

Spezifischen Marktsegmentunterschieden: Die Technologie ist in unterschiedlichen Marktsegmenten einsetzbar, die jeweils eine spezifische Marktbearbeitung erforderlich machen, von denen aber das eigene Unternehmen nur mit einem dieser Segmente vertraut ist.



Kurzfristigen Marktgelegenheiten: Das lediglich vorübergehende Marktpotential ist nur gemeinsam mit Partnern in vollem Umfang erschließbar.



Synergien bei der Markterschließung: Hohe Markterschließungskosten erzwingen die Beteiligung von Partnern zur Verteilung der Kosten auf eine breitere Basis, oder Synergien mit dem Partner senken die Markterschließungskosten insgesamt.



Reduktion von Wettbewerbsinnovationen: An der Vermarktung beteiligte Wettbewerber können eventuell von der Imitation oder Parallelentwicklung abgehalten werden.



Setzen eines Industriestandards: Die schnelle Verbreitung der Technologie kann zur Standardisierung innerhalb des Marktes führen (Beispiel VHS vs. Video 2000)



Rechtlichen oder regulatorischen Notwendigkeiten: Rechtliche Vorschriften erzwingen die Technologieweitergabe an Wettbewerber (z.B. Zwangslizenzen für Arzneimittel in einigen Ländern).



Technologieaustausch: Gemeinsame Nutzung der eigenen Technologie ist Voraussetzung, um Zugang zu Technologien des Partners zu erhalten.



Patentrechtlichen Notwendigkeiten: Zur Vermeidung von langfristigen und risikoreichen Patentstreitigkeiten wird eine gemeinsame Nutzung der Technolo-

190

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

gie vereinbart (z.B. im Rahmen eines Crosslicensing von überlappenden Patenten). –

Reduktion von Marktrisiken: Gemeinsame Vermarktung mit lokal erfahrenen Partnern kann die Markterschließungskosten in Auslandsmärkten (oder unbekannten Marktsegmenten bekannter Märkte) senken und die verbundenen Marktrisiken reduzieren.



Zugang zu kontrollierten Märkten: Staatliche Vorgaben können die gemeinsame Vermarktung mit nationalstaatlich anerkannten Partnern als Voraussetzung für einen Marktzugang erzwingen.

3.3.2.4

Technologischer Verflechtungsgrad

Unabhängig davon, ob ein Unternehmen sich überwiegend für die Eigenerzeugung neuen technologischen Wissens durch unternehmensinterne F&E oder für die externe Technologiebeschaffung (aus den unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Technologiequellen) entscheidet bzw. die Technologieverwertung überwiegend selbst vornimmt oder diese verstärkt über externe Partner realisiert, ist jedes Unternehmen auf vielfältige Weise mit seiner Umwelt und den darin operierenden Akteuren verbunden. Kein Unternehmen lebt vollständig autark, und die Umwelt eines Unternehmens ist nicht anonym. Jedes Unternehmen unterhält eine Vielzahl von Geschäftsbeziehungen mit unterschiedlichsten Akteuren in dieser Umwelt. Eine Reihe von diesen Geschäftsbeziehungen werden mehr oder weniger bewußt und geplant eingegangen, andere werden dem Unternehmen von Sachzwängen oder z.B. rechtlichen Rahmenbedingungen diktiert. Diese Tatsache gilt für den Technologiebereich genauso wie für alle übrigen Unternehmensbereiche. Nur sind im Technologiebereich die Verflechtungskonsequenzen im voraus häufig weniger absehbar als in anderen Bereichen und gleichzeitig aber von umso größerem strategischem Gewicht. Aus diesem Grunde ist jedes Unternehmen, um im Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können, gezwungen, sich über die technologiestrategische Ausrichtung dieser Außenbeziehungen proaktiv Gedanken zu machen und die beabsichtigten (oder unvermeidbaren) technologischen Verflechtungen professionell zu managen. Dies setzt umfangreiche Netzwerkkompetenzen im Unternehmen voraus, um hierbei erfolg-

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

191

215

reich zu sein. Noch vor der erfolgreichen Gestaltung dieser Geschäftsbeziehungen muß aber eine strategische Festlegung erfolgen, mit wem, in welchem Umfang und mit welcher Intensität eine Verflechtung eingegangen werden soll (oder muß). Im Rahmen technologiestrategischer Entscheidungen bedeutet dies, für jeden Bereich (Technologiebeschaffung und -verwertung) getrennt, festzulegen, welche technologiestrategische Bedeutung der Verflechtung mit den einzelnen Gruppen von Akteuren beigemessen wird und wie umfangreich und bedeutend das aus der Summe dieser Einzelverflechtungen resultierende Technologienetzwerk des betreffenden Unternehmens schließlich sein soll. Dies impliziert die Grundsatzentscheidung darüber, wie wichtig Technologiekooperationen insgesamt für die Technologiestrategie des Unternehmens sind. Diese Tatsache trifft in gleicher Weise für ein Unternehmen zu, das primär auf interne Erzeugung bzw. eigenständige Verwertung von Technologien setzt, wie für eines, das überwiegend auf externe Partner ausgerichtet ist. Wie bereits in Kap. 2.3.2216 und 3.3.2.3217 ausführlich dargelegt wurde, stellte der technologische Verflechtungsgrad also eine eigenständige technologiestrategische Dimension dar. Für die spätere Identifikation von Technologiestrategietypen wäre es nun hinreichend, zu ermitteln, welche technologiestrategische Bedeutung der Unterhalt möglichst umfangreicher technologischer Netzwerke mit einer Vielzahl von Kooperationspartnern für den technologischen Know-how-Erwerb bzw. die Know-how-Verwertung besitzt, da so die unterschiedlichen Ausprägungen der Dimension des technologischen Verflechtungsgrades hinreichend präzise bestimmt wären. Die Befunde der früheren Studien zu Technologiekooperationen und zur technologischen Verflechtung (insbesondere die Studien von Rotering, Teichert, Herden und Heydebreck) haben aber verdeutlicht,218 daß es für ein genaueres Verständnis der konkreten Ausprägung des technologischen Verflechtungsgrades äußerst lohnenswert ist, auch die nächst tiefere Detailebene ebenfalls mit in Betracht zu ziehen, nämlich die Frage nach der relativen technologiestrategischen Bedeutung 215

216 217 218

Vgl. hierzu z.B. Gemünden, H.-G.; Ritter, T.; (1996), S. 23-33; Gemünden, H.-G.; Ritter, T.; (1998), S. 95-130; und Ritter, T.; (1998). Besonders zum Tragen kommt diese Netzwerkkompetenz in Zeiten großer Diskontinuitäten in der Unternehmensumwelt. Vgl. S. 94ff sowie Feldmann, C.; (2005 a), S. 135ff. Vgl. S. 180ff. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 2.3.2, S. 94ff sowie Feldmann, C.; (2005 a), S. 135ff.

192

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

der einzelnen technologieorientierten Kooperationsformen mit den verschiedenen Typen von Akteuren der Unternehmensumwelt.219 Der besseren Übersichtlichkeit halber soll dies später getrennt für den Bereich der Technologiebeschaffung in Kap. 4.2.1.4220 und -verwertung in Kap. 4.2.2.4221 erfolgen. Abschließend soll noch kurz auf die Vor- und Nachteile technologischer Verflechtung anhand von F&E-Kooperationen (also den einzelnen Mosaiksteinen, aus denen dann die Gesamtverflechtung aufgebaut ist) eingegangen werden. In der wissenschaftlichen Literatur werden eine Reihe von Gründen für das Eingehen von Technologiekooperationen genannt, die sich zum Teil hinsichtlich der

219

220 221

Es würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen, auf jede der aufgelisteten Technologiekooperationsformen im Detail einzugehen. Da dies auch für die vorliegende Aufgabenstellung einer möglichst differenzierten und präzisen Bestimmung der konkreten Ausprägung der Dimension des technologischen Verflechtungsgrades für das jeweilige Unternehmen nicht erforderlich ist, soll an dieser Stelle darauf verzichtet werden. Für eine genauere Betrachtung sei auf die im Folgenden genannten Literaturstellen verwiesen, auf die der Autor u.a. auch für die Ableitung der nachfolgend aufgelisteten Verflechtungsformen zurückgegriffen hat, und wo sich gleichzeitig auch weitergehende Informationen zu Erfolgsfaktoren, Chancen und Risiken, Implementierungshinweisen etc. finden: Greipl, E.; Täger, U.; (1982); Greipl, E.; Täger, U.; (1984), S. 15-20; Ford, D.; et al.; (1986), S. 26-41; Servatius, H. G.; (1987), S. 217243; Olleros, F.-J.; Macdonald, R. J.; (1988), S. 155-176; Täger, U.; (1988); Link, A. N.; Bauer, L. L.; (1989); Pohle, K.; (1990), S. 67-76 (Pharma); Rotering, C.; (1990); S. 11-47; Brockhoff, K.; Gupta, A. K.; Rotering, C.; (1991), S. 220-224; Pisano, G. P.; (1991), S. 237-249 (Pharma/Biotech); Rothwell, R.; (1991), S. 93-112, insbes. S. 103-110; Herden, R.; (1992); Gemünden, H. G.; Heydebreck, P.; (1994 b), S. 251283, insbes. S. 266-282; Teichert, T. A.; (1994); Doz, Y.; Hamel, G.; (1995); Hop, L.; Post, G.; (1995), S. 9-22; Krebs, R.; (1995), S. 899-920 (Pharma); Meyer-Krahmer, F.; Reger, G.; (1995), S. 924-928; Heydebreck, P.; (1996); Fichtel, R.; (1997), S. 115388; Köhler, R.; (1997), S. 181-204; Radel, T.; (1997), S. 105-126; Bleeke, J.; Ernst, D.; (1998); S. 217-231; Dankbaar, B.; (1998), S. 70-81, insbes. S. 73-75; Hafsi, T.; (1998), S. 31-62; Kanter, M. R.; (1998), S. 197-216; McCutchen, W. W.; Swamidass, P. M.; (1998), S. 490-506 (Pharma); Staropoli, C.; (1998), S. 13-23 (Pharma); Teece, D. J.; (1998), S. 134-165. Zu einzelnen Technologiekooperationsformen vgl. insbesondere: Keussen, M.; (1994) (Technologiekooperationen zwischen Industrieunternehmen und Ingenieurfirmen); Kirchmann, E. M. W.; (1994) (Technologiekooperationen zwischen Herstellern und Anwendern); Mordhorst, C. F.; (1994) (Lizenzierung); Haag, T. A.; (1995) (Akquisition und Beteiligungen zur Technologiebeschaffung); Schwartze, G.; (1995) (Gemeinschaftsforschung); Kirchmann, E. M. W.; (1996), S. 442-465 (Technologiekooperationen zwischen Herstellern und Anwendern). Vgl. S. 351ff. Vgl. S. 365ff.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

193 222

Gewichtung dieser Motive erheblich unterscheiden. Die nachfolgend skizzierten Befunde, die die Prognos AG und das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) hinsichtlich der F&E-Kooperationsmotive von kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland gemacht haben, stehen dabei weitestgehend in Einklang mit den bereits früher diskutierten Gründen für eine externe Technologiebeschaffung (bei deutschen Großunternehmen).223 Danach sind die wichtigsten Motive für F&E-Kooperationen in absteigender Reihenfolge (Nennungen in % aller F&E-kooperierenden Unternehmen):224 –

Einstieg in ein für das Unternehmen völlig neues technologisches Gebiet (36,0 %)



Erwartung, daß der angestrebte F&E-Erfolg schneller und billiger erreicht werden kann (33,1 %)



Nicht-Vorhandensein entsprechender Geräte/Apparate (31,4 %)



Nicht lösbare technische Probleme, die im Unternehmen nur gelegentlich auftreten (30,2 %)



Hinreichend qualifiziertes Personal stand auf dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung (21,5 %)

222

223

224

Eine umfassende Synopse des Standes der wissenschaftlichen Forschung bezüglich der Motive für das Eingehen von (strategischen) Technologiekooperationen auf zwischenbetrieblicher Ebene findet sich z.B. bei Hagedoorn, J.; Schakenraad, J.; (1990), S. 11-14. Vgl. hierzu die im vorstehenden Kap. 3.3.2.3 diskutierten Befunde von Hermes zu den Motiven eines externen Technologieerwerbs. F&E-Kooperationen stellen dabei nur einen Teilbereich der Optionen für externe Technologiebeschaffung dar. Da sie aber den Großteil dieser Optionen abdecken (nur Akquisitionen von Unternehmen(-steilen) oder Einstellung von Know-how-Trägern sind nicht berücksichtigt), können die für die F&E-Kooperationen genannten Motive durchaus auch als aussagekräftig für das gesamte Feld der externen Technologiebeschaffung angesehen werden. Ein Vergleich mit diesen im vorhergehenden Kapitel genannten Motiven eines externen Wissenssourcings kann daher durchaus als sinnvoll angesehen werden. Vgl. Wolff, H.; et al.; (1994), S. 143-153, insbes. Tab. 4.4.1, S. 144. Als nicht signifikant erwies sich das Motiv „Zugang zu Markterkenntnissen in einem für das Unternehmen neuen Markt“, wurde aber von 20,3 % der befragten Unternehmen angeführt.

194

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

Insgesamt kann aus den ca. 70 % Mehrfachnennungen geschlossen werden, daß die technologische Verflechtung „multifunktional“ eingesetzt werden, d.h. gleichzeitig der Erreichung mehrer Ziele dienen soll. Hinsichtlich der Bedeutung einzelner F&E-Kooperationsmotive haben sich Unterschiede zwischen kleinen und großen Unternehmen gezeigt.225 Wie aber insbesondere die Studien Teicherts für internationale F&E-Kooperationen und die faktoranalytische Verdichtung der Einzelmotive unterstreichen, sind diese Motive weiter gefächert als die früher diskutierten Motive des externen Wissenssourcings. Dies wird insbesondere anhand des „Netzwerk-Motivs“ deutlich. Insgesamt hat sich folgende (absteigende) Bedeutungsrangfolge hinsichtlich der Einzelmotive ermitteln lassen (die Motivfaktoren, zu denen das jeweilige Einzelmotiv gehört sind in Klammern angegeben):226 1) Kostenreduktion (Effizienz-Motiv) 2) Komplementaritäten, d.h. Möglichkeit zum Erzielen von technologischen Synergien (Spezialisierungs-Motiv) 3) Vertrauensaufbau (Netzwerk-Motiv) 4) Know-how-Transfer, Zugang zu Know-how und Technologien des Partners (Netzwerk-Motiv) 5) Unsicherheitsreduktion (Effizienz-Motiv) 6) Produktentwicklung, d.h. verbesserter Marktzugang durch neue Produkte und Erweiterung des Produktportfolios (Strategie-Motiv) 7) Zeitersparnis (Effizienz-Motiv) 8) Lernen zu kooperieren (Netzwerk-Motiv) 9) Informations-Netzwerk (Netzwerk-Motiv) 10)Technologiebeobachtung (Spezialisierungs-Motiv) 11)Konzentration der internen Technologieerzeugung auf Kerntechnologien (Spezialisierungs-Motiv)

225 226

Vgl. Dobberstein, N.; (1992), S. 128-130 und Abb. A3, S. 200. Vgl. Teichert, T. A.; (1994), S. 111-121. Die Befunde Teicherts stehen dabei insgesamt in Übereinstimmung mit den früheren Befunden Roterings, vgl. hierzu Rotering, C.; (1990), S. 79-84; sowie Brockhoff, K.; et al.; (1991), S. 224-225.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

195

12)Internationalisierung, d.h. Erleichterung des Eintritts in Auslandsmärkte (Strategie-Motiv) 13)Lernen von Prozeduren, d.h. Erlernen der F&E-Prozesse von Partnern (Netzwerk-Motiv) In einer großzahligen Langzeitstudie227 zu strategischen Technologieallianzen auf zwischenbetrieblicher Ebene ermitteln Hagedoorn und Schakenraad nicht nur eine beträchtliche Zunahme in deren Anzahl, sondern auch eine beträchtliche Bedeutungszunahme einzelner Kooperationsmotive.228 Dabei spielen nur drei Motive insgesamt eine wirklich entscheidende Rolle (nachfolgend fett hervorgehoben), wobei allerdings nicht übersehen werden darf, daß bei der Berechnung der Gesamtmittelwerte beträchtliche branchenspezifische Unterschiede aufgetreten sind.229 Die Verschiebung in der Gewichtung zwischen den drei Untersuchungszeiträumen 1970-1979, 1980-1984 und 1985-1989 sind in Klammern wiedergegeben: –

Marktzugang und Einfluß auf die Marktstrukturen (33 % ĺ 34 % ĺ 31 %)



Technologische Komplementarität

(14 % ĺ 27 % ĺ 34 %)



Reduktion der Entwicklungsdauer

(14 % ĺ 21 % ĺ 31 %)



Technologie- und Markteintrittsbeobachtung

(11 % ĺ 12 % ĺ 11 %)



Hohe Kosten/Risiken

(7 % ĺ 6 % ĺ 7 %)



Grundlagenforschung

(2 % ĺ 4 % ĺ 5 %)



Unzureichende Finanzmittel

(2 % ĺ 4 % ĺ 4 %)

F&E-Kooperationen weisen aber nicht nur Vorteile auf, wie eventuell aus der großen Bandbreite von Gründen für deren Eingehen fälschlicherweise geschlossen werden könnte, sondern sind auch durch eine Reihe von Nachteilen gekenn-

227

228

229

Insgesamt wurden im Zeitraum 1970 bis 1989 4182 Technologiekooperationen untersucht. Vgl. hierzu und zum Folgenden Hagedoorn, J.; Schakenraad, J.; (1990), insbesondere S. 14-22. Vgl. ebenda, S. 15-22, insbes. Tabelle 4, S. 18.

196

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

zeichnet, wie die nachfolgend in absteigender Bedeutungsrangfolge aufgelisteten Befunde Roterings belegen (Häufigkeit der Nennung in %):230 –

Entstehen von Abhängigkeiten zu anderen Kooperationspartnern (54 %)



Hohe Verhandlungs- und Transaktionskosten (44 %)



Schwierigkeiten bei der Auf- und Zuteilung von Beiträgen und Ergebnissen (26 %)



Geheimhaltungsprobleme (22 %)



Probleme der Technologieadaption (20 %)



Verlust des eigenen Wissensvorsprungs (11 %)



Hemmung der Eigenentwicklung (11 %)

Interessant sind schließlich noch die Befunde Kleinknechts und Reijnens, die in einer großzahligen empirischen Studie, die nach Überzeugung der Autoren repräsentativ für alle Produktions- und Dienstleistungsbranchen einer ganzen Volkswirtschaft (den Niederlanden) sind, untersucht haben, welche Faktoren einen Einfluß auf die F&E-Kooperationswahrscheinlichkeit von Unternehmen haben.231 Bemerkenswerterweise232 hat nach diesen Befunden, abgesehen von Kooperationen mit ausländischen Forschungseinrichtungen, die F&E-Intensität eines Unternehmens oder seiner Branche keinen Einfluß auf seine F&E-Kooperationswahrscheinlichkeit. Auch die Hypothese, daß ein hoher Anteil produktbezogener F&E sich förderlich auf F&E-Kooperationen auswirkt, konnte danach nicht bestätigt werden. Auch konnten nur schwache Anzeichen dafür festgestellt werden, daß hohe Entwicklungskosten und damit verbundene Risiken neuer Technologien einen Anreiz für das Eingehen von F&E-Kooperationen darstellen. Während der Konzentrationsgrad in der jeweiligen Industrie keinerlei Einfluß auf die F&E-Kooperationsbereitschaft hat, wirkt sich die Unternehmensgröße nur hinsichtlich der Kooperationsneigung gegenüber Forschungseinrichtungen

230 231

232

Vgl. Rotering, C.; (1990), S. 85-88; sowie Brockhoff, K.; et al.; (1991), S. 225-226. Vgl. hierzu und zum Folgenden Kleinknecht, A.; Reijnen, J. O. N.; (1992), S. 347360. Die Befunde stehen zum Teil im Widerspruch zu früheren Befunden und Erkenntnissen der wissenschaftlichen Literatur, was die Autoren auf die Unterschiede in der Stichprobenzusammensetzung zurückführen, vgl. ebenda, S. 356.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

197

aus, nicht hingegen hinsichtlich der von F&E-Kooperationen zwischen Unternehmen. Die Befunde Kleinknechts und Reijnens, insbesondere auch hinsichtlich des zuletzt genannten, den Einfluß der Unternehmensgröße betreffenden Punktes, stehen in explizitem Widerspruch zu den meisten übrigen Studien.233 Eine weitergehende Klärung der Bedeutung der einzelnen Determinanten der Außenorientierung oder des Verflechtungsgrades ist nicht Aufgabe der vorliegenden Arbeit und soll daher auch an dieser Stelle nicht erfolgen. Bei der Diskussion der eigenen empirischen Befunde werden jedoch die im qualitativen Teil der durchgeführten Experteninterviews gewonnenen Erkenntnisse bezüglich Motivation und Zielsetzung einer Außenorientierung und technologischen Verflechtung für die Ergebnisinterpretation explizit Berücksichtigung finden.234 Der Erfolg von Technologiekooperationen wird von einer Reihe von Faktoren und der Netzwerkstruktur determiniert, die dabei branchenspezifische Charakteristika aufweisen.235 3.3.2.5

Breite der technologischen Ausrichtung

In Abhängigkeit von den Unternehmenszielen und der Ressourcenausstattung muß jedes Unternehmen eine Entscheidung über die angestrebte technologische Breite seiner technologiestrategischen Ausrichtung treffen. Bezogen auf die Technologiebeschaffung stellt sich die Frage, wie umfangreich der Fundus der vom Unternehmen zu beschaffenden oder zu erzeugenden Technologien, bzw. wie groß das Spektrum der zu bearbeitenden Forschungsfelder sein soll. Bezogen auf die Technologieverwertung bedeutet dies, wie groß das Spektrum der zu nutzenden Technologien, bzw. wie groß die Breite des Produktportfolios und der bearbeiteten Kundensegmente sein soll. Die Bandbreite reicht dabei vom reinen Nischenanbieter, der nur eine Technologie zu beherrschen sucht, hin bis zum umfassenden Allroundanbieter („One-Stop-Shop-Solution“), der über eine breite 233

234

235

Vgl. hierzu insbesondere die Ausführungen und diskutierten empirischen Studien in den Kap. 3.3.2.3 (S. 180ff), 3.3.2.4 (S. 190ff) und 4.2.1.3 (S. 346ff). Vgl. hierzu die späteren Ausführungen in den Kap. 6.2.3 (S. 465ff) und 6.2.4 (S. 468ff) zur Technologiebeschaffungsstrategie sowie in den Kap. 6.3.3 (S. 518ff) und 6.3.4 (S. 527ff) zur Technologieverwertungsstrategie. Auf diese Erfolgsfaktoren von Technologiekooperationen soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Exemplarisch sei hierzu auf die umfassenden Untersuchungen Hagedoorns und Schakenraads verwiesen, vgl. hierzu Hagedoorn, J.; Schakenraad, J.; (1991), insbesondere S. 31-71.

198

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

Vielfalt unterschiedlicher Technologien verfügt und kontinuierlich diesen Technologiefundus auf der vollen Breite an Forschungsfeldern zu erweitern sucht. In Kap. 4.2.1.5236 und Kap. 4.2.2.5237 wird anhand des Beispiels der Pharmazeutischen Industrie näher präzisiert werden, was dies konkret für die Technologiebeschaffung und -verwertung einer Branche bedeutet. 3.3.2.6

Geographische Ausdehnung und Standortbzw. Marktwahl/präferenzen

Die zunehmende Globalisierung veranlaßt immer mehr Unternehmen, ihren geographischen Aktionsradius sowohl bei der Technologiebeschaffung als auch bei der Technologieverwertung zu erweitern. Für viele Hochtechnologieprodukte existiert nur noch der globale Markt als relevanter Markt.238 Die Ursache hierfür liegt darin, daß sie aufgrund ihrer zunehmenden Miniaturisierung praktisch keine Transportkosten mehr hervorrufen und so Skaleneffekte in der Produktion an jedem beliebigen Ort der Welt nahezu uneingeschränkt genutzt werden können, indem an nur einem Standort für den globalen Markt produziert wird, ohne daß dieser Effekt durch steigende Transportkosten entscheidend geschmälert würde. Auch bilden sich für Hochtechnologieprodukte zunehmend globale Standards heraus, was auch hinsichtlich deren Reputation einen globalen Ansatz erforderlich macht. Interessanterweise wird dennoch nach Erkenntnissen von Patel und Pavitt von den größten weltweit operierenden Unternehmen der überwältigende Teil ihrer technologiebezogenen Aktivitäten im Heimatland durchgeführt.239 Im Durchschnitt aller untersuchten 587 Unternehmen führten diese zwischen 1985 und 1990 nur 11 % ihrer Technologiebeschaffungsaktivitäten im Ausland durch, 89 % hingegen in ihrem jeweiligen Heimatland.240 Am geringsten war der Aus236 237 238

239

240

Vgl. S. 354ff. Vgl. S. 368ff. Vgl. hierzu und zum Folgenden Albach, H.; (1996 b), S. 203-211. Albach spricht dabei von „Scienceware Products“ anstelle von „High-Tech-Products“. Diese sind gekennzeichnet durch einen hohen Wissensanteil, durch starke Miniaturisierung, durch hohe Netzwerkabhängigkeit und durch ein hohes Maß an „Good Will“, insbesondere Verbrauchervertrauen. Vgl. Patel, P.; Pavitt, K.; (1992), S. 53-74 und Patel, P.; Pavitt, K.; (1995), S. 147181. Vgl. hierzu und zum Folgenden Patel, P.; Pavitt, K.; (1995), S. 147-181. Die Ergebnisse basieren auf Auswertung von US-Patentstatistiken.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

199

landsanteil bei japanischen (1,1 %) und US-amerikanischen Unternehmen (7,8 %). Bei den europäischen Unternehmen lag der Anteil höher. Deutsche Unternehmen führten 84,7 % im Inland durch. Die 15,3 % Auslandsaktivitäten deutscher Unternehmen verteilten sich zu 10,3 % auf die USA, zu 3,8 % auf Europa, zu 0,4 % auf Japan und zu 0,7 % auf übrige Länder. Diese Befunde stehen in guter Übereinstimmung mit Ergebnissen, die Brockhoff in einer direkten Befragung von 780 deutschen Großunternehmen für die Jahre 1982-1987 gewonnen hatte:241 Danach wurden 83,3 % der F&E-Budgets deutscher Unternehmen in Deutschland und 16,7 % im Ausland eingesetzt.242 Aufgeteilt nach Regionen wurden hiervon 7,9 % in Westeuropa, 6,9 % in den USA, 1,3 % in Japan und 0,6 % in sonstigen Ländern aufgewendet. Bezogen auf das F&E-Personal ist der Auslandsanteil mit 11 % noch geringer. Dabei beschäftigen allerdings nur 16 % aller befragten Unternehmen überhaupt eigenes F&EPersonal im Ausland; bei diesen auch personalmäßig im Ansland aktiven Unternehmen ist der Auslandsanteil am Personal mit 31,7 % entsprechend hoch. 1995 gaben deutsche Unternehmen 5 Mrd. € oder 17 % ihrer Gesamt-F&E-Budgets im Ausland aus. Fast die gleiche Summe 4,5 Mrd € investierten ausländische Unternehmen in Deutschland.243 Beträchtliche Unterschiede bestehen hinsichtlich des Auslandsanteils auch zwischen den verschiedenen Branchen: Die Pharmazeutische Industrie weist dabei mit 16,7 % einen überdurchschnittlich hohen Anteil auf.244 Hierauf wird in Kap. 4.2.1.6 noch genauer zu sprechen zu kommen sein.245 In welchem Ausmaß die Technologiebeschaffungsaktivitäten ins Ausland verlagert werden, wird in der Literatur anschaulich mit der Wechselwirkung zentri-

241 242

243 244 245

Vgl. Brockhoff, K.; (1990 b), S. 91-95. Eine frühere Studie ermittelte bei der Befragung von 19 deutschen und deutsch-niederländischen Großunternehmen für das Jahr 1979 einen F&E-Aufwandsauslandsanteil von 11 % und einen Umsatzauslandsanteil von 49 %, vgl. Pausenberger, E.; (1982), S. 1027-1031. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Mansfield et al. (vgl. Mansfield, E.; et al.; (1979), S. 187-196, insbes. S. 187; und Mansfield, E.; et al.; (1982), S. 96-98) für die USA und De Meyer/Mizushima (vgl. De Meyer, A.; Mizushima, A.; (1989), S. 135-146, insbes. S. 136) für Schweden. Vgl. Brockhoff, K.; (1998 b), S. 4. Vgl. Patel, P.; Pavitt, K.; (1995), Tabelle 7.9, S. 166. Vgl. S. 355ff.

200

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

fugaler und zentripetaler Kräfte erklärt.246 Unter zentrifugalen Kräften werden dabei jene Faktoren subsumiert, die eine Verlagerung ins Ausland begünstigen, während die zentripetalen Kräfte diejenigen sind, die eine internationale Dislocierung der Technologiebeschaffungsaktivitäten verringern. Die bisherigen Ausführungen waren primär auf die Technologiebeschaffungsstrategie ausgerichtet. Die Entscheidung über den geographischen Aktionsradius muß gleicherweise auch für die Technologieverwertungsstrategie getroffen werden. Determiniert wird die Entscheidung über den geographischen Umfang der Technologieverwertungsaktivitäten und die Auswahl der einzelnen Märkte durch die Marktattraktivität und die Marktbarrieren des jeweiligen Marktes.247 Auf Basis jeder Technologie bzw. jedes Produktes muß vor diesem Hintergrund dessen globales Marktpotential unter expliziter Berücksichtigung der damit verbundenen Technologieverwertungskosten und -risiken getroffen und zu einer homogenen geographischen Dimension der Technologieverwertungsstrategie zusammengeführt werden. Ähnlich wie zuvor für die Technologiebeschaffung angedeutet existieren auch für die Internationalisierung der Technologieverwertung bestimmte Strategiemuster. Hierbei kann in Anlehnung an Backhaus und Meffert prinzipiell unterschieden werden in eine:248 –

International ausgerichtete Technologieverwertung mit einer ethnozentrischen Orientierung: Die Technologieverwertung wird von einem dominanten Heimatmarkt und aus dessen Perspektive gesteuert.



Multinational ausgerichtete Technologieverwertung mit einer polyzentrischen Orientierung: Die Technologieverwertung wird von mehreren regional oder national selbständigen Zentren aus gesteuert.



Global ausgerichtete Technologieverwertung mit einer geozentrischen Orientierung: Die Technologieverwertung wird ganzheitlich global, d.h. länderunabhängig gesteuert.

Eine zentrale Möglichkeit, den geographischen Scope zu erweitern und die Internationalisierung der Technologiebeschaffung (und -verwertung) voranzutreiben, 246

247 248

Vgl. hierzu und zum Folgenden z.B. Beckmann, C.; (1997), S. 46-61 und die dort zitierte Literatur, sowie Granstrand, O.; et al.; (1993), S. 414-417. Vgl. hierzu z.B. Backhaus, K.; (1992), S. 210-229. Vgl. hierzu Backhaus, K.; (1992), S. 210-211 und die dort zitierte Literatur.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

201

ohne dazu zwangsläufig in einer Vielzahl von Ländern und Regionen mit eigenen F&E-Standorten bzw. Vermarktungsorganisationen präsent zu sein, stellt der Aufbau internationaler Technologienetzwerke dar.249 Die Anzahl und technologiestrategische Bedeutung dieser Technologienetzwerke hat sich in den letzten drei Jahrzehnten drastisch erhöht.250 Diese Art der Expansion des geographischen Aktionsradius mit Hilfe von Technologienetzwerken besitzt insbesondere in Hochtechnologiebranchen, wie Informations- und Biotechnologie, oder Branchen, die sich auf die Entwicklung neuer Materialien fokussiert haben, einen zentralen Stellenwert. Besonders stark war die Zunahme dieser Form strategischer Technologiepartnerschaften in den 1980er und zu Beginn der 1990er Jahre.251 Dabei wurde die einstmals populärste Technologiekooperationsform des Joint Ventures von einer großen Vielzahl einzelvertraglicher Vereinbarungen abgelöst.252 Obwohl die Anzahl internationaler Technologieallianzen sich im zeitlichen Verlauf beträchtlich gesteigert hat, darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Zunahme von Technologiekooperationen zwischen Unternehmen desselben Landes oder zumindest derselben Region (USA, Europa, Japan) in noch erheblich stärkerem Maße zugenommen hat.253 Dies trifft sowohl auf Technologiebeschaffungs- als auch auf Technologieverwertungskooperationen zu.254 Im Zentrum derartiger Technologienetzwerke stehen große, diversifizierte und multinationale Unternehmen, die für Aufbau und Funktionstüchtigkeit dieser Netzwerke von entscheidender Bedeutung sind.255 Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß Unternehmen mindestens zwei prinzipielle Optionen für einen globalen Aktionsradius ihrer Technologiestrategie zur Verfügung stehen. Ob insbesondere Großunternehmen im Rahmen ihrer Technologiebeschaffungsstrategie dabei stärker auf die räumliche Konzentration ihrer internen Technologieerzeugungsanstrengungen an einem 249

250 251 252 253 254 255

Vgl. hierzu insbesondere für die Technologiebeschaffung Freeman, C.; Hagedoorn, J.; (1994), S. 771-780; Hagedoorn, J.; (1995), S. 207-231; Duysters, G.; Hagedoorn, J.; (1996), S. 1-12; Hagedoorn, J.; (1996), S. 173-198. Mit Blick auf die Technologieverwertung vgl. z.B. Backhaus, K.; (1992), S. 222-229. Vgl. Hagedoorn, J.; (1995), S. 208-210; Duysters, G.; Hagedoorn, J.; (1996), S. 4-11. Vgl. Duysters, G.; Hagedoorn, J.; (1996), S. 4-11; Hagedoorn, J.; (1996), S. 178-180. Vgl. Hagedoorn, J.; (1996), S. 180-186. Vgl. Hagedoorn, J.; (1996), S. 186-193. Vgl. Duysters, G.; Hagedoorn, J.; (1996), S. 4-11, insbes. Tabelle 3, S. 9. Vgl. Freeman, C.; Hagedoorn, J.; (1995), S. 34-57, insbes. S. 41.

202

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

Standort verbunden mit einem Ausbau ihres externen Technologienetzwerkes setzen, wird durch die folgenden Faktoren begünstigt:256 –

Hohe Skalen- und Verbundeffekte in der Technologieerzeugung (economies of scale and scope)



Je stärker der Technologietransfer aufgrund der unstrukturierten und nicht faßbaren (intangiblen) Natur der technologischen Informationen auf persönlichen Beziehungen beruht.



Je stärker die Notwendigkeit besteht, die Produktentwicklung vom Wettbewerb abzuschirmen.



Je ausgeprägter die Möglichkeit ist, Synergien aus dem bereits im Unternehmen akkumulierten Wissen zu ziehen, und Technologienetzwerke mit Hauptzulieferern (am selben Standort) aufzubauen.



Je ausgeprägter die Notwendigkeit zu einer strategischen Kontrolle über die technologische Entwicklung ist.

Eine geographisch breiter angelegte interne F&E-Netzwerkstruktur wird hingegen von den folgenden Faktoren gefördert:257 –

Je größer die Notwendigkeit eines Know-how-Transfers in unterschiedliche Produktionsstandorte ist.



Je größer die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit mit hochqualitativen Zulieferern (an unterschiedlichen Standorten weltweit) in innovativen Bereichen ist.



Je ausgeprägter die Notwendigkeit zur Maßschneiderung und Anpassung an lokale Marktbedürfnisse ist, sowie eine Ansprechbarkeit vor Ort.



Je stärker der Druck oder Anreize von lokalen Regierungen zur Durchführung von F&E vor Ort oder zum Betrieb existierender F&E-Standorte ist (LocalContent-Regulierungen).

256

257

Vgl. hierzu und zum Folgenden Freeman, C.; Hagedoorn, J.; (1995), S. 34-57, insbes. S. 53. Vgl. hierzu und zum Folgenden Freeman, C.; Hagedoorn, J.; (1995), S. 34-57, insbes. S. 53.

Konkretisierung der einzelnen Modellbausteine/elemente

203



Je geringer die Minimalgröße für den wirtschaftlich sinnvollen Betrieb eines F&E-Standortes ist und je eher eine Arbeitsteilung im F&E-Prozeß sinnvoll erscheint.



Je ausgeprägter die Notwendigkeit (oder die Möglichkeit) zur Nutzung regional konzentrierter technologischer Kompetenzzentren ist (z.B. Spillover-Effekte öffentlichen Wissens).

Da es in der vorliegenden Arbeit darum geht, den geographischen Aktionsradius, den das jeweilige Unternehmen im Rahmen seiner Technologiebeschaffung bzw. -verwertung anstrebt, zu ermitteln, spielt es zunächst keine Rolle, auf welche Weise dies erfolgt: d.h., es ist hierfür unbedeutend, ob dies bei der Technologiebeschaffung in Form eigener F&E-Standorte oder über F&E-Kooperationen und Technologieallianzen, bzw. bei der Technologieverwertung über eigene Ländergesellschaften unter eigenem Namen oder über Vermarktungspartner erfolgt.258 Die Betrachtung in der vorliegenden Arbeit wird sich dabei auf die übergeordnete Entscheidungsebene, also den geographischen Aktionsradius insgesamt beschränken. Dieser wird lediglich in einer Dimension vertieft: nämlich hinsichtlich der technologiestrategischen Bedeutung, die die einzelnen Länder und Regionen als Standorte für eigene F&E oder Technologie-Kooperationen (Technologiebeschaffung), bzw. für die eigene Technologieverwertung oder die über Partner haben. Die Frage nach den Motiven für Standort oder Marktwahl steht nicht im Fokus der vorliegenden Arbeit. Gleiches gilt auch für die Folgeentscheidungen der Standort- bzw. Marktwahl, wie insbesondere die Festlegung der kon-

258

259

Im Gegensatz dazu beschränken zahlreiche Studien zur Internationalisierung von F&E und zu globalen F&E-Netzwerken ihre Untersuchungen explizit nur auf ausschließlich intern durchgeführte F&E, vgl. z.B. Von Boehmer, A.; (1992), S. 495-497; Beckmann grenzt noch stärker ein und untersucht nur F&E-Standorte, die „mehr als Anpassungsentwicklung für einen Teilmarkt durchführen“, vgl. Beckmann, C.; (1997), S. 184. Dies ist im Rahmen der vorliegenden Aufgabenstellung nicht sinnvoll, da es um die Ermittlung des geographischen Aktionsradius der Technologiebeschaffung (bzw. Technologieverwertung) insgesamt geht. Die Differenzierung zwischen interner und externer Technologiebeschaffung erfolgt in einer eigenständigen Entscheidungsdimension der „Intensität der Außenorientierung“. Vgl. hierzu für die Technologiebeschaffung z.B. Granstrand, O.; (1978), S. 1-7; Mansfield, E.; et al.; (1979), S. 187-196, Behrman, J. N.; Fischer, W. A.; (1980), S. 55-60; Pausenberger, E.; (1982), S. 1025-1054; Malecki, E. J.; (1987), S. 205-222;

204

Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells

kreten Aufgabenstellungen für die einzelnen Auslandsdependancen, die Struktur des globalen Netzwerkes und deren globaler Koordination.259

259

Vgl. hierzu für die Technologiebeschaffung z.B. Granstrand, O.; (1978), S. 1-7; Mansfield, E.; et al.; (1979), S. 187-196, Behrman, J. N.; Fischer, W. A.; (1980), S. 55-60; Pausenberger, E.; (1982), S. 1025-1054; Malecki, E. J.; (1987), S. 205-222; De Meyer, A.; Mizushima, A.; (1989), S. 135-146; Perrino, A. C.; Tipping, J. W.; (1989), S. 12-19; Casson, M.; et al.; (1991), S. 213-249; Pearce, R. D.; Singh, S.; (1991), S. 183-212; Casson, M.; et al.; (1992), S. 117-135; De Meyer, A.; (1992), S. 163-179; Dunning, J. H.; (1992), S. 19-51; Granstrand, O.; et al.; (1992), S. 1-18; Granstrand, O.; Sjölander, S.; (1992), S. 181-207; Håkanson, L.; (1992), S. 98-115; Mowery, D. C.; (1992), S. 209-232; Patel, P.; Pavitt, K.; (1992), S. 53-74; Pearce, R. D.; Singh, S.; (1992), S. 137-162; Von Boehmer, A.; et al.; (1992), S. 495-509; Brockhoff, K.; Von Boehmer, A.; (1993), S. 399-406; De Meyer, A.; (1993 a), S. 109120; De Meyer, A.; (1993 b), S. 42-49; Granstrand, O.; et al.; (1993), S. 413-430; Håkanson, L.; Nobel, R.; (1993 a), S. 373-396; Håkanson, L.; Nobel, R.; (1993 b), S. 397-411; Pearson, A.; et al.; (1993), S. 249-262; Buckley, P. J.; (1994), S. 95-104; Gupta, A. K.; Govindarajan, V.; (1994), S. 442-456; Von Boehmer, A.; (1995), dort findet sich auch ein excellenter Literaturüberblick über zurückliegende Studien; Beise, M.; Belitz, H.; (1996), S. 215-229; Boutellier, R.; Gassmann, O.; (1996), S. 281301; Gassmann, O.; Von Zedtwitz, M.; (1996), S. 3-15; Marquardt, G.; et al.; (1996), S. 175-185; Pearce, R.; (1996), S. 581-607; Pearce, R.; Papanastassiou, M.; (1996 a); Pearce, R.; Papanastassiou, M.; (1996 b); 611-637; Surlemont, B.; (1996), S. 745-765; Taggart, J. H.; (1996), S. 793-813; Taggart, J. H.; Taggart, J.; (1996), S. 815-840; Weitzel, G. U.; (1996), insbes. S. 27-56; Beckmann, C.; (1997); Papanastassiou, M.; Pearce, R.; (1997), S. 5-25; Gerybadze, A.; (1998 a), S. 239-269; Porter, M. E.; Sölvell, Ö.; (1998), S. 440-457.

4

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

1. Einleitung

Prolog

Analyse & Extraktion

2. Konzeptionelle Grundlagen: Technologiemanagement im Rahmen der Unternehmensstrategie

3. Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells des strategischen Technologiemanagements

Synthese

4. Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Konkretisierung

5. Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik Fazit 6. Die technologiestrategische Positionierung im deutschen Pharma-Markt im zeitlichen Verlauf 1990 Ÿ 2000 Ÿ 2010 7.1. BiotechnologieUnternehmen

7.2. Große internat. Forscher

7.3. Mittelgroße internat. Forscher

7.4. Innovat. Mittelstand

7.5. OTC/ Trad. Mittelstand

7.6. OTCTöchter von MNEs

7. Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen im deutschen Pharma-Markt

Abb. 4-1:

7.7. GenerikaHersteller

8. Modellkritik und -erweiterung im Spiegel der empirisch gewonnenen Erkenntnisse 9. Zusammenfassung und Ausblick

Übersicht: Einordnung von Kapitel 4 in den Gesamtkontext der Arbeit. Quelle: Eigene Darstellung

Das Objekt, an dem alle bisherigen Überlegungen und die entwickelte Modellkonzeption einer empirischen Überprüfung unterzogen werden sollen, ist in der vorliegenden Arbeit die auf dem deutschen Arzneimittelmarkt aktive Biotechnologie- und Pharma-Industrie (vgl. Abb. 4-1). Bevor die bisherigen Überlegungen auf die spezifischen Gegebenheiten der Untersuchungsbranche zu konkretisieren sind (Kap. 4.2),1 werden nachfolgend in Kap. 4.1 die wichtigsten Charakteristika der Arzneimittelbranche herausgearbeitet. Diese sind nicht nur für das Verständnis aller nachfolgenden Überlegungen und Ausführungen essentiell, sondern bilden auch das Fundament, auf dem die anschließende Konkretisierung des 1

Vgl. S. 333ff.

206

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Modells fußt. Während die nachfolgenden Ausführungen des Kap. 4.1 daher bewußt ausführlich vorgenommen wurden und dabei nach sorgfältiger Recherche auf die jeweils aktuellsten Daten zurückgegriffen wurde, kann die anschließende eigentliche Konkretisierung nach dieser sorgfältigen Vorarbeit relativ knapp und kompakt ausfallen. Diese Vorgehensweise ist sinnvoll, da so der Gesamtzusammenhang dargestellt werden kann, ohne Redundanzen einbauen zu müssen.

4.1 Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt Kap. 4.1 nimmt dabei zuerst eine Definition des Arzneimittelbegriffes und der unterschiedlichen Arten von Arzneimitteln vor (Kap. 4.1.1).2 Anschließend werden die wichtigsten Charakteristika des Arzneimittelmarktes (Kap. 4.1.2),3 der Pharmazeutischen Industrie (Kap. 4.1.3),4 pharmazeutischer Innovationsprozesse (Kap. 4.1.4)5 und der Technologiewertschöpfungskette der Pharmazeutischen Industrie (Kap. 4.1.5)6 vorgenommen. Im Rahmen der Diskussion des Arzneimittelmarktes in Kap. 4.1.27 wird auf dessen regionale Segmentierung (Kap. 4.1.2.1), Preisniveau, Kostenstruktur und nationale Preisunterschiede (Kap. 4.1.2.2), die patentrechtliche Marktsegmentierung (Kap. 4.1.2.3), strukturelle Veränderungstendenzen im Arzneimittelmarkt (Kap. 4.1.2.4) und auf den Fragmentierungsgrad im Pharmamarkt (Kap. 4.1.2.5) näher eingegangen. In Zusammenhang mit der Betrachtung der Pharmazeutischen Industrie (Kap. 4.1.3)8 werden deren Wertschöpfungskette (Kap. 4.1.3.1), der gesamtwirtschaftliche pharmazeutische Wertschöpfungsprozeß (Kap. 4.1.3.2) und die pharmazeutische Distributionskette (Kap. 4.1.3.3) einer differenzierten Analyse unterzogen. Einer Beschreibung der wichtigsten Charakteristika der Pharmazeutischen Industrie ist zweckmäßig eine definitorische Abgrenzung der Produkte voranzustellen, auf die sich alle Aktivitäten dieser Branche richten: der Arzneimittel. Der

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Vgl. S. 208ff. Vgl. S. 220ff. Vgl. S. 268ff. Vgl. S. 308ff. Vgl. S. 326ff. Vgl. S. 220ff. Vgl. S. 268ff.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

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Gestaltungsrahmen für alle mit Arzneimitteln in Zusammenhang stehenden wirtschaftlichen Aktivitäten wird in Deutschland durch das Arzneimittelgesetz (AMG)9 vorgegeben, hier wird auch eine exakte Definition und Abgrenzung des Arzneimittelbegriffes vorgenommen (§ 2 AMG): „Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper 1) Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen, 2) die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen, 3) vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen, 4) Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen oder 5) die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.“10 Nicht zu den Arzneimitteln zählen hingegen Lebensmittel (z.B. Nahrungsergänzungsmittel), Tabakerzeugnisse, Kosmetika, Medizinprodukte und deren Zubehör (z.B. Protesen oder Herzschrittmacher) sowie Transplantate (z.B. menschliche Organe oder Augenhornhäute).11 Dabei kann die Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein, weil die Grenzen zunehmend zerfließen und erhebliche nationale

9

10 11

Die ausführliche Bezeichnung lautet „Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz). Im Folgenden werden wir, wie allgemein üblich, die Kurzbezeichnung „Arzneimittelgesetz (AMG)“ verwenden und uns auf die derzeit geltende Fassung beziehen: Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3586) geändert durch das: Neunte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 26. Juli 1999 (BGBl. I S. 1666), Zehnte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 04. Juli 2000 (BGBl. I S. 1002). Zusätzlich zum AMG wird der Rechtsrahmen für den Umgang mit Arzneimitteln durch das Gesetz über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens – kurz Heilmittelwerbegesetz (HWG) – und die Betriebsverordnung für pharmazeutische Unternehmer (PharmBetrV) ergänzt. Vgl. AMG, § 2, Abs. 1. Vgl. AMG, § 2, Abs. 3.

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Unterschiede hinsichtlich der Abgrenzungskriterien bestehen.12 Die vorliegende Arbeit wird sich nur mit Arzneimitteln beschäftigen. Die Arzneimittel-Definition des AMG beinhaltet auch bereits eine Reihe von Differenzierungskriterien für Arzneimittel, auf die im folgenden Abschnitt genauer eingegangen werden soll. Neben einer Charakterisierung der unterschiedlichen Arten von Arzneimitteln zielt der nachfolgende Abschnitt auch auf eine für den vorliegenden Untersuchungszweck geeignete Eingrenzung des Arzneimittelbegriffes. Diese Eingrenzung wird als erstes vorgenommen werden, die Charakterisierung des (eingegrenzten) Arzneimittelbegriffes danach. 4.1.1

Die verschiedenen Arten von Arzneimitteln: Definition und unterschiedliche Systematisierungskriterien

Nach oben wiedergegebener Definition des Arzneimittelbegriffs im AMG werden zunächst zwei Differenzierungskriterien genannt: 1) Zielgruppe: Humanarzneimittel versus Veterinärarzneimittel13 2) Einsatzzweck: Therapeutika versus Diagnostika.14 Die vorliegende Arbeit wird sich nur mit therapeutischen Humanarzneimitteln beschäftigen. Diese lassen sich nach den folgenden Kriterien in die jeweils nachfolgend genannten Ausprägungen weiter differenzieren: –

Rohstoffbasis: chemisch-synthetische – pflanzliche – bio- oder gentechnisch erzeugte Arzneimittel



Therapiekonzeption/Forschungsrichtung/Weltanschauung: Moderne Arzneimitteltherapie (Schulmedizin) – Homöopathie – Anthroposophie



Gefahrenpotential: verschreibungspflichtige – nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel



Vorgeschriebener Vertriebsweg: apothekenpflichtige – freiverkäufliche Arzneimittel

12

Vgl. zur Abgrenzungsproblematik von Arzneimitteln und Kosmetika und zur Sonderrolle von „Cosmeceuticals“: Kopka, U.; (1996), S. 58-65; sowie zur Abgrenzungsproblematik von Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln: BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (2001 a), S. 49. Vgl. AMG, § 2, Abs. 1, Satz 1. Vgl. AMG, § 2, Abs. 1, 1.: „Krankheiten ... zu heilen, zu lindern, zu verhüten (Therapeutika) oder zu erkennen (Diagnostika).

13 14

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

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Tatsächliche Kostenträgerschaft: Erstattung durch Krankenkassen (GKV oder PKV) – Selbstmedikation



Erstattungsfähigkeit (GKV): erstattungsfähige – nicht erstattungsfähige Arzneimittel



Geistige Urheberschaft: Original – Generikum

Ein wichtiges Differenzierungskriterium für Arzneimittel ist die Unterscheidung hinsichtlich der Rohstoffbasis:15 Chemisch-synthetische Arzneimittel bestehen aus einem (oder der gezielten Kombination mehrerer) chemisch definierter Einzelwirkstoffe, die auf chemisch-synthetische Weise hergestellt werden.16 Pflanzliche Arzneimittel oder Phytopharmaka bestehen aus „Pflanzen, Pflanzenteilen und Pflanzenbestandteilen in bearbeitetem und unbearbeitetem Zustand“.17 Phytopharmaka sind immer Stoffgemische, die aus einer Vielzahl von (chemisch definierten) Einzelstoffen bestehen und sich in Wirk- und Begleitstoffe unterteilen lassen. Aus Pflanzen isolierte Einzelsubstanzen, z.B. Morphium, werden hingegen nicht mehr den Phytopharmaka zugerechnet. Phytopharmaka enthalten also die in der/den Ausgangspflanze(n) enthaltenen Stoffgemische, deren Zusammensetzung, Konzentration und Mengenverhältnisse aber durch unterschiedliche Verfahren der fraktionierten Extraktion18 erheblich von der in dem Ausgangsmaterial abweichen kann. Die gezielte Anreicherung bestimmter Wirkstoff(fraktionen) kann die Wirksamkeit beträchtlich steigern, erhöht in der Regel aber auch das Risiko des Auftretens von Nebenwirkungen (analog zu chemisch-synthetischen Wirkstoffen). Pflanzliche Arzneimittel machten in Deutschland im Jahre 2000 mit einem Umsatz von 2,04 Mrd. € (zu Endverbraucherpreisen) ein knappes Drittel (30 %) des Umsatzes mit rezeptfreien Arzneimitteln aus. Von ihnen wurden 44 % verordnet und 56 % in Selbstmedikation durch den Patienten ge-

15 16 17

18

Vgl. hierzu § 3 (Stoffbegriff) AMG. Vgl. AMG, § 3, 1.. Vgl. AMG, § 3, 2., sowie BAH – Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller; (1999 a), S. 4ff und AESGP – Association Européenne des Spécialités Pharmaceutiques Grand Public; (2000), S. 7-9. Häufig handelt es sich um wäßrige oder alkoholische (insbes. Ethanol) Auszüge. In modernen Verfahren finden aber auch andere Extraktionsmittel, wie z.B. die Extraktion mit überkritischem Kohlendioxid, Anwendung.

210

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie 19

tragen. Bei den rezeptpflichtigen Arzneimitteln liegt der relative Anteil der Phytopharmaka erheblich niedriger. Schließlich können die Wirkstoffe von Arzneimitteln aber auch biotechnisch (z.B. Antibiotika, Rinderinsulin) oder gentechnisch (z.B. Humaninsulin, Zytokine oder monoklonale Antikörper) gewonnen werden. In diesen Fällen besteht die Rohstoffbasis in bearbeiteten tierischen Körperteilen oder Stoffwechselprodukten sowie denen von Mikroorganismen.20 Die gentechnische Produktion kann dabei auf Basis gentechnisch modifizierter Mikroorganismen (z.B. Bakterien, Pilzen), tierischer Zellkulturen (zumeist Säugetierzellkulturen) oder transgener Pflanzen oder Tiere erfolgen. Während die beiden ersten Plattformtechniken bereits zur Produktion einer Reihe auf dem Markt höchst erfolgreich eingeführter Produkte eingesetzt wurden, befinden sich transgene Tiere und Pflanzen noch im Entwicklungsstadium. Beispiele für erfolgreiche kommerzielle Arzneimittel, die von gentechnisch modifizierten Mikroorganismen hergestellt wurden, sind z.B. Humaninsuline (z.B. mit Bacteria E. coli produziert) sowie Zytokine, zu letzteren gehören die Interferone, Interleukine oder koloniestimulierenden Faktoren (wie z.B. „Neupogen“). Diese Produktionstechnik, die zu den ersten auf gentechnischer Basis hergestellten Wirkstoffen geführt hat, zeichnet sich durch ihre vergleichsweise leichte Handhabbarkeit und ihre hohen Ausbeuten aus. Allerdings lassen sich komplexere Proteine mit diesem Verfahren nicht gewinnen. Für diese muß auf gentechnisch veränderte Säugetierzellkulturen zurückgegriffen werden, die allerdings hohe Ansprüche an ihre Rahmenbedingungen stellen und nur relativ geringe Ausbeuten erzielen lassen. Beispiele für mit diesem Verfahren gewonnene Wirkstoffe sind u.a. die bereits auf dem Markt befindlichen Produkte Erythropoetin, Faktor VIII oder tPA, sowie die zahlreichen in der letzten Entwicklungsphase befindlichen monoklonalen Antikörper, an die insbesondere für die Krebstherapie große Hoffnungen geknüpft werden. Da diese Wirkstoffproteine dem

19 20

Vgl. BAH – Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller; (2001), S. 10. Vgl. ausführlicher AMG, § 3, 3. und 4.. Auf die wissenschaftlichen Grundlagen von Bio- und Gentechnologie und die therapeutischen und wirtschaftlichen Chancen und Herausforderungen soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, vgl. hierzu z.B. Gassen, H. G.; Kemme, M.; (1996); Drews, J.; (1998); S. 85-142; VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2000 c); VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2000 f); VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 c); sowie aus industriepolitischer Perspektive European Commission; (2001).

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

211

Patienten in relativ hohen Mengen verabreicht werden müssen, gleichzeitig die Ausbeuten relativ gering sind, könnten nach erfolgreicher Markteinführung Versorgungsengpässe auftreten. Eine – allerdings noch in der etwas ferneren Zukunft liegende – Produktionsverfahrensalternative könnten transgene Pflanzen und Tiere darstellen, die aber noch nicht für die Herstellung auf dem Markt befindlicher Wirkstoffe eingesetzt worden sind. Allerdings wird diesen Verfahren, die sich noch in frühen Entwicklungsstadien befinden, eine große Bedeutung eingeräumt, da sich mit ihnen große Mengen komplexer Proteine herstellen lassen. Die Pflanzen oder Tiere werden dabei gentechnisch so modifiziert, daß sie das entsprechende Wirkstoffprotein in relativ hoher Konzentration z.B. in ihrer Milch (transgene Ziegen und Schafe) oder in ihren Eiern (transgene Hühner) produzieren, aus denen es dann extrahiert werden kann.21 Seit 1986, als das erste gentechnisch hergestellte Arzneimittel auf dem deutschen Markt zugelassen war, hat sich die Anzahl gentechnisch hergestellter Arzneimittel kontinuierlich jedes Jahr erhöht: Im Januar 2002 waren auf dem deutschen Markt 85 Arzneimittel mit 64 verschiedenen gentechnisch hergestellten Wirkstoffen zugelassen.22 Weitere 369 gentechnisch hergestellte Arzneimittel zur Therapie von mehr als 200 zumeist lebensbedrohenden und zur Zeit nicht oder nur sehr begrenzt therapierbaren Krankheiten befanden sich 2000 in der klinischen Erprobung.23 Die Humangenomforschung wird in den kommenden Jahren dazu führen, das Wissen über eine Vielzahl heute unbekannter pathophysiologischer Regelkreise zu entschlüsseln, und so eine Vielzahl neuer Ansatzpunkte im menschlichen Organismus entdecken, die Ziele (Targets) für neue therapeutische Ansätze darstellen. Diese Ziele stellen, vereinfacht ausgedrückt, „Schlösser“ dar, in denen die Wirkstoffe als „Schlüssel“ fungieren, wobei in ein Schloß mehrere Wirkstoffe „passen“ können. Alle heute zur Verfügung stehenden Wirkstoffe 21

22

23

Vgl. hierzu z.B. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (1996 b); VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2000 c), S. 11-19; und Drews, J.; (1998), S. 113-142. Vgl. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2002 a), S. 24; und VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 f), S. 9. Vgl. PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2002), S. 68-70. Im Zentrum der in der klinischen Forschung befindlichen gentechnisch hergestellten Medikamente steht die Behandlung von Krebs- und Immunerkrankungen (insbesondere AIDS). Eine detaillierte Übersicht der Indikationsgebiete findet sich bei VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2002 a), S. 23; und VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 f), S. 4.

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

beeinflussen nur 483 derartige biochemische Ziele („Schlösser“). Eine auf der Genomforschung basierende Zunahme dieser potentiellen pharmakologischen Angriffspunkte um mehr als eine Zehnerpotenz wird von Experten für wahrscheinlich gehalten.24 Allerdings muß nicht notwendigerweise zu jedem dieser Angriffspunkte auch ein neuer Wirkstoff „gehören“, denkbar ist auch, daß bekannte Wirkstoffe den „passenden Schlüssel“ darstellen. Neue und bekannte Wirkstoffe müssen dabei nicht zwangsläufig gentechnisch-hergestellte sein, auch wenn dies in überwiegendem Maße der Fall sein dürfte. Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß die Anzahl gentechnisch hergestellter Wirkstoffe und ihr Marktanteil in Zukunft kontinuierlich stark zunehmen wird. Arzneimittel lassen sich zusätzlich nach der ihrer Erforschung, Entwicklung und Herstellung zugrundeliegenden Therapiekonzeption unterscheiden: Die allermeisten auf dem deutschen Arzneimittelmarkt vertriebenen Arzneimittel basieren auf dem „schulmedizinischen“ Ansatz einer modernen, rationalen Arzneimitteltherapie. Dieser Ansatz setzt Arzneimittel zur gezielten Behandlung einzelner Symptome oder/und deren spezifischer Ursachen ein. Homöopathischen Arzneimitteln liegt ein ganzheitliches Therapieverständnis zugrunde. Diese sollen nicht ein einzelnes Symptom bekämpfen – Symptome werden nicht als direkte Folge der Krankheit, sondern nur als äußeres Zeichen der Abwehrreaktion des Körpers aufgefaßt –, sondern den menschlichen Organismus zur Selbstheilung anregen. Zu diesem Ziel werden dem Körper die Stoffe in großer Verdünnung verabreicht, die in hoher Konzentration (bei einem Gesunden) eine toxische Wirkung zeigen würden, die sich in den gleichen Symptomen äußern würde wie die bei krankheitsbedingten Abwehrreaktionen.25 Die (in großer Verdünnung) eingesetzten Stoffe können sowohl chemisch-synthetischen als auch pflanzlichen oder mineralischen Ursprungs sein, dennoch überwiegen natürliche (vor allem pflanzliche) Quellen.26 Gleiches gilt für anthroposophische Arzneimittel, die auf der Überzeugung basieren, daß eine „geisteswissenschaftlich erkennbare Wesensverwandschaft zwischen den verschiedenen Bereichen der Natur und dem Menschen“27 vorliegt. In vielen Fällen ist eine besondere Zuberei-

24 25

26 27

Vgl. Drews, J.; (1998), S. 128. „Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt“, vgl. Cosmochema (1999), S. 8 sowie BAH – Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller; (1999 a), S. 4-5. Vgl. Cosmochema (1999), S. 8. Vgl. BAH – Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller; (1999 a), S. 5.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

213

tungsprozedur (Wärmebehandlung oder/und Schüttelvorgang) von zentraler Bedeutung für die Herstellung anthroposophischer Arzneimittel. Die beiden nächsten Differenzierungskriterien basieren auf gesetzlichen Bestimmungen. Hinsichtlich des im Mißbrauchsfall einem Arzneimittel inhärenten Gefahrenpotentials wird in verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel unterschieden. Verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen nur gegen Vorlage eines ärztlichen Rezeptes an den Patienten ausgehändigt werden,28 sie werden auch als RX-Präparate (RX für engl. „Perscription“) bezeichnet. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel können hingegen ohne Rezept direkt an den Patienten abgegeben werden, sie werden daher als OTC-Präparate bezeichnet. OTC steht dabei für die angelsächsische Bezeichnung „Over-the-counter“. Im Jahre 2000 wurden auf dem deutschen Apothekenmarkt 20,9 Mrd. € (686 Mio. Packungseinheiten) an verschreibungspflichtigen und 6,75 Mrd. € (859 Mio. Packungseinheiten) an verschreibungsfreien Arzneimitteln abgesetzt.29 Bei neuen Wirkstoffen besteht prinzipiell zunächst immer Verschreibungspflicht. Frühestens bei der ersten Verlängerung der Zulassung (fünf Jahre nach der Erstzulassung und Markteinführung) kann unter bestimmten Voraussetzungen der Wirkstoff ganz oder teilweise (z.B. nur bestimmte Dosierungsstärken oder Darreichungsformen) aus der Verschreibungspflicht entlassen werden. Ein derartiger Vorgang ist dann ein sogenannter „Rx-OTCSwitch“. Ein derartiger Switch kann nicht nur für den Hersteller durch die Verbreiterung seiner Umsatzbasis erhebliche Vorteile haben,30 Untersuchungen aus Großbritannien ermitteln erhebliche Einsparpotentiale für die öffentlichen Gesundheitssysteme, da dem Patienten verstärkt Möglichkeiten zur Selbstmedikation ermöglicht werden.31 In Deutschland wurden bis Anfang 1996 67 Wirkstoffe aus der Verschreibungspflicht entlassen, damit nahm Deutschland im internationalen Vergleich die Spitzenposition ein.32 28 29

30

31 32

Vgl. AMG, § 48 und 49. Vgl. BAH – Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller; (2001), S. 4-5. Umrechnung in Euro durch den Autor. Allerdings ist ein Rx-OTC-Switch keineswegs eine Garantie für ein Umsatzwachstum, wie eine Studie aus Schweden aufzeigt, vgl. Höög, S.; (1992), S. 61-74, insbes. S. 68-72. Vgl. Ryan, M.; Yule, B. ; (1992), S. 43-58. Vgl. Küpper, J.; (1998), S. 35-36. Dort findet sich auch eine Auflistung der wichtigsten Rx-OTC-Switches seit 1989. Für eine analoge Auflistung von 1983-1995 (für

214

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Die zweite gesetzliche Differenzierung hinsichtlich eines Gefährdungspotentials im Falle mißbräuchlicher Nutzung führt zur teilweisen Festlegung des Vertriebsweges:33 Hierbei wird in apothekenpflichtige Arzneimittel, die nur in Apotheken abgegeben werden dürfen, und sogenannte freiverkäufliche Arzneimittel unterschieden, die auch über andere Vertriebskanäle, z.B. Drogeriemärkte, Reformhäuser oder Supermärkte, angeboten werden dürfen.34 Alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel sind automatisch apothekenpflichtig. Apothekenpflichtige Arzneimittel dürfen, mit nur wenigen Ausnahmen, in Deutschland nicht in Selbstbedienung abgegeben werden.35 Das Freiwahlsortiment in Apotheken, das dem Apothekenkunden direkt einsehbar und zugänglich ist, umfaßt nur wenig mehr als das Sortiment der freiverkäuflichen Arzneimittel.36 Die gesetzlichen Regelungen, welche Wirkstoffe und Darreichungsformen/ Dosierungsstärken als verschreibungspflichtig, apothekenpflichtig und freiverkäuflich eingestuft werden, weisen eine erhebliche Varianz in verschiedenen Ländern – auch innerhalb der EU – auf. Ein direkter Zusammenhang dieser Regelungen zur Rohstoffbasis besteht nicht. Betrachtet man den deutschen Arzneimittelmarkt (ohne Krankenhausmarkt), so betrug im Jahr 2000 der Absatzanteil von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln 74 % (20,9 Mrd. €), der verschreibungsfreier, aber apothekenpflichtiger Arzneimittel 23 % (6,4 Mrd. €) und der freiverkäuflicher Arzneimittel 3 % (0,9 Mrd. €).37 Die Volumenströme zeigen allerdings ein nahezu umgekehrtes Bild: Von den insgesamt 1,651 Mrd. Packungseinheiten (ohne Reformhäuser und Krankenhausmarkt) wurden 686 Mio. Packungseinheiten (42 %) an verschreibungspflichtigen Präparaten, 859 Mio. Packungseinheiten (52 %) an rezeptfreien

33 34

35 36

37

Großbritannien), vgl. Maynard, A.; Richardson, G.; (1996), S. 19, ähnlich Fedele, M.; (1996 a), S. 15. Vgl. AMG, § 43-47. Voraussetzung ist, daß eine „sachkundige“ Person zur Beratung des Kunden zur Verfügung steht, vgl. AMG, § 50. Vgl. AMG, § 52. Anders als z.B. in Schweden, Finnland oder Großbritannien, wo das Freiwahlsortiment alle rezeptfreien Arzneimittel umfaßt. Eigene Berechnungen nach den Angaben des BAH – Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller; (2001), S. 4 (ohne Reformhäuser) und S. 8 (mit Reformhäusern). Die oben genannten Werte schließen die Reformhausabsätze (nicht aber den Krankenhausmarkt) ein. 40 % der freiverkäuflichen Arzneimittel (347 Mio €) werden in Apotheken abgesetzt, vgl. ebenda, S. 8.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

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(inkl. der freiverkäuflichen) Arzneimitteln über die Apotheke und 106 Mio. Packungseinheiten (6 %) an freiverkäuflichen Arzneimitteln über Drogerie- und Verbrauchermärkte abgesetzt.38 Mit 58 % zu 42 % haben also, volumenmäßig betrachtet, die rezeptfreien Medikamente das klar größere Gewicht gegenüber den rezeptpflichtigen, während es ja beim Umsatz mit 26 % zu 74 % genau umgekehrt war. Die beiden nächsten Differenzierungskriterien basieren auf dem Gesichtspunkt, ob die Kosten des jeweiligen Arzneimittels vom Patienten selbst oder von einem anderen Kostenträger, z.B. der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), getragen werden oder getragen werden dürfen: Hinsichtlich der tatsächlichen Kostenträgerschaft ist in Kostenerstattung durch gesetzliche oder private Krankenkassen oder Selbstzahlung zu unterscheiden. Trägt der Patient die Kosten des Arzneimittels selbst, wird von Selbstmedikation gesprochen. Das zweite Differenzierungskriterium stützt sich auf die Erstattungsfähigkeit, unabhängig davon, wer letztlich faktisch der Kostenträger ist. In dieser Hinsicht wird in erstattungsfähige und nicht erstattungsfähige Arzneimittel unterschieden. Letztere sind in jedem Fall vom Patienten selbst zu finanzieren. Umgekehrt bedeutet die Tatsache, daß ein Arzneimittel erstattungsfähig ist, nicht automatisch, daß es auch tatsächlich von einer Krankenkasse erstattet wird. Die faktische Erstattung hängt in diesem Fall davon ab, ob es ärztlich verordnet wird. Dabei kann ein Arzt nicht nur verschreibungspflichtige Arzneimittel verordnen, sondern auch solche, die der Patient auch ohne Rezept in der Apotheke selbst erwerben könnte. Derartige erstattungsfähige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel werden als OTX-Präparate bezeichnet – OTX setzt sich dabei aus den beiden angelsächsischen Abkürzungen OTC (Over-the-counter) für „nicht verschreibungspflichtig“ und RX (perscription) für „verordnet“ zusammen.39 Der Arzt kann aber nicht alle verschreibungsfreien Präparate verordnen, sondern nur solche, die erstattungsfähig sind. Die Anzahl der potentiellen OTX-Kandidaten

38 39

Vgl. ebenda, S. 5. In der Praxis wird die Bezeichnung OTX dabei allerdings nicht vollständig einheitlich im oben definierten Sinne verwendet. Teilweise werden unter OTX-Präparaten auch verschreibungspflichtige aber vom Patienten selbst zu tragende (nicht erstattete) Arzneimittel verstanden. Beispiele hierfür stellen u.a. Präparate zur Fertilitätskontrolle („Anti-Baby-Pille“) oder zur Therapie von Erektionsstörungen dar.

216

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

unter den Arzneimitteln ist dabei in den letzten Jahren aufgrund zunehmender Kostendämpfungsbemühungen kleiner geworden und dürfte zukünftig weiter schrumpfen. Wichtig ist, daß aber auch umgekehrt nicht alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel automatisch erstattungsfähig sind. Bereits heute besteht eine Reihe von Ausnahmen (z.B. orale Kontrazeptiva („Anti-Baby-Pille“) oder Präparate gegen Erektionsstörungen). Allerdings ist dieser Fall heute noch vergleichsweise selten, die überwiegende Masse verschreibungspflichtiger Präparate wird anschließend auch erstattet. Auch hier ist in Zukunft aber mit einem beträchtlichen Anstieg verschreibungspflichtiger, aber nicht erstattungsfähiger Arzneimittel zu rechnen.40 Der Anteil der verschreibungspflichtigen Präparate41 hat 2000 gegenüber 1996 um 34,4 %, der der Selbstmedikation um 15,6 % zugenommen, während der Anteil der verordneten rezeptfreien Arzneimittel im gleichen Zeitraum um 22,9 % zurückgegangen ist, vgl. die indexierte Darstellung in Abb. 4-2. Dieser Trend dürfte sich in Zukunft weiter fortsetzen, mit sehr unterschiedlichen Auswirkungen auf die unterschiedlichen Typen von Pharma-Unternehmen, wie die späteren Befunde zeigen werden.42 Bleibt schließlich noch als letztes, aber bei weitem nicht unwichtigstes Unterscheidungskriterium das der geistigen Urheberschaft: In dieser Hinsicht ist in Arzneimittel, die vom eigenen Unternehmen erforscht und entwickelt wurden, und solche, bei denen das eigene Unternehmen Nachahmer war, zu differenzieren. Im ersten Fall ist das eigene Unternehmen der Originator, mit Blick auf die

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42

Was an sich paradox ist, da die Eingruppierung eines Arzneimittels in die Kategorie „Verschreibungspflichtig“ auf der arzneimittelrechtlichen Bewertung basiert, daß es sich um ein hochwirksames Präparat mit einem Gefahrenpotential im Mißbrauchsfall handelt. – Wenn nicht gleichzeitig ein hoher therapeutischer Nutzen vorliegen würde, wäre ein risikoreiches Präparat nämlich gar nicht zugelassen worden. Gleichzeitig wird aber aus Kostenträgersicht der therapeutische Wert unterhalb der Erstattungsschwelle eingruppiert. Für das betroffene Unternehmen hat ein derartiges Szenario weitreichende negative wirtschaftliche Folgen, es sei denn, eine ganze Indikation (wie bei oralen Kontrazeptiva oder Präparaten gegen Erektionsstörungen) ist davon betroffen. Im Sinne der obigen Kategorisierung hätten hier die verschreibungspflichtigen Präparate in erstattete und nicht-erstattete differenziert werden müssen, genauso wie die Selbstmedikation in verschreibungsfrei und verschreibungspflichtig hätte differenziert werden müssen, diese Angaben waren aber der vorliegenden Statistik nicht zu entnehmen. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 6 (S. 431ff) und Kap. 7 (S. 593ff).

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140

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Rezeptpflichtige Arzneimittel Selbstmedikation Verordnete rezeptfreie Arzneimittel

Index

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80

70

1996

1997

1998

1999

2000

Jahr

Abb. 4-2:

Analyse der Entwicklung der Marktsegmente nach dem Kriterium der Kostenträgerschaft im deutschen Arzneimittelmarkt im zeitlichen Verlauf 1996-2000, Indexiert: 1996 = 100. Quelle: Eigene Darstellung nach VFA (2001)43

Zulassung, der „Erstanmelder“; im zweiten Fall der Imitator bzw. Nachahmer bzw. aus Zulassungsperspektive ein „Zweitanmelder“, der auf die Zulassungsunterlagen (nach Ablauf der Dossierexklusivität) des Erstanmelders Bezug nehmen kann. Die Arzneimittel werden dann als Originale (oder Originatorsubstanzen) respektive als Generika bezeichnet. In vielen Fällen spiegelt sich diese Differenzierung auf der patentrechtlichen Ebene wider: Der Originator ist häufig Patentinhaber eines patentgeschützten Arzneimittels, der Imitator bringt nach Patentablauf des Originals ein Generikum auf den Markt. Allerdings ist die patentrechtliche Ebene relativ kompliziert, weil nicht nur der Wirkstoff(e) (Wirkstoff- oder Substanzpatent), der im Arzneimittel enthalten ist, sondern auch das zu seiner Herstellung verwendete Herstellungsverfahren (Verfahrenspatent) sowie unter bestimmten Voraussetzungen die Darreichungsform und die

43

Vgl. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 52. Ähnlich bereits zuvor im zeitlichen Verlauf seit 1987, BAH – Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller; (2001), S. 8.

218

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Indikation (Anwendungspatent) prinzipiell patentrechtlich schützbar ist.44 Hinsichtlich der faktischen Stärke geht von Wirkstoff- oder Substanzpatenten in der Regel die stärkste Schutzwirkung aus, gefolgt von Verfahrenspatenten, während Anwendungspatente (insbesondere mit Blick auf Indikationen) nur eine relativ schwache Schutzwirkung entfalten. Wie die Formulierung „prinzipiell“ bereits zum Ausdruck bringt, ist eine patentrechtliche Schützbarkeit nicht bei jedem neuen Arzneimittel in gleicher Weise gegeben. In dieser Hinsicht befinden sich Phytopharmaka (aus Originatorenperspektive) eindeutig im Nachteil gegenüber chemisch-synthetischen Wirkstoffen. Letztere können über die hinsichtlich ihrer faktischen Schutzwirkung stärkste Patentform der Substanzpatente geschützt werden. Dies ist bei Phytopharmaka in den meisten Fällen ausgeschlossen, da die Heilpflanze in fast allen Fällen bereits Bestandteil traditioneller Heilkunde war. Auch wenn ein Unternehmen es auf sich nimmt, erstmals ein auf einer „neuen“45 Heilpflanze basierendes Arzneimittel zuzulassen, ist selbst bei völliger Neuartigkeit des Extraktionsschnittes dieses nicht durch ein Substanzpatent schützbar, sondern nur indirekt über ein Verfahrenspatent des dazu verwendeten Extraktionsprozesses. Die patentrechtlichen Rahmenbedingungen weisen im internationalen Vergleich starke Unterschiede auf. Tendenziell herrschen in den meisten Industrieländern relativ strenge und verbindliche patentrechtliche Rahmenbedingungen, während Entwicklungs- und Schwellenländer z.B. Wirkstoff- oder Substanzpatente für Arzneimittel nur sehr zögerlich einführen.46 Entscheidend für die Differenzierung in Originator und Imitator ist, wer „Erstanmelder“ und wer „Zweitanmelder“ für den Wirkstoff (bei Phytopharmaka für die neue Heilpflanze) ist, d.h. wer die erste Zulassung für das erste Arzneimittel, das einen neuen Wirkstoff enthält, erhält. In der Regel wird dies der Inhaber (bzw. Lizenznehmer) des Wirkstoff- oder Substanzpatentes sein. Dies muß aber nicht zwingend der Fall sein, wie z.B. die vorstehenden Ausführungen zu Phytopharmaka verdeutlicht haben. Wie wir später in Zusammenhang mit der Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette noch differenziert er44

45

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Zur Unterscheidung von Patenten in Patentkategorien vgl. auch VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2000 d), S. 12-15. Neu in dem Sinne, daß bislang noch kein Arzneimittel, das auf Rohstoffbasis dieser Pflanze entwickelt und hergestellt wurde, als Arzneimittel zugelassen wurde. Vgl. hierzu z.B. auch VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2000 d), S. 16-19.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

219

47

örtern werden, kann ein Imitator auch gleichzeitig Innovator sein: Dies liegt immer dann vor, wenn die eigene Innovationstätigkeit auf einer Imitation von Innovationen dritter aufbaut. Ein solcher Fall liegt z.B. sowohl bei sogenannten „Me too“-Präparaten (Imitationen im weiteren Sinne) als auch bei Wirkstoffimitationen (Imitationen im engeren Sinne) vor, bei denen eine neue Darreichungsform entwickelt wird. Im Folgenden sollen alle Imitationen im engeren Sinne, also die Wirkstoffimitationen, als Generika (Zweitanmelderprodukte) bezeichnet werden.48 Der Anteil an Generika am deutschen GKV-Markt war mit 31,8 % (6,0 Mrd. €) am Umsatz und 46,4 % aller Verordnungen49 so hoch wie in keinem anderen Land der Welt.50 Am generikafähigen Marktsegment (Teilsegment der patentfreien Wirkstoffe) betrug der Anteil 1999 sogar 64,3 % des Umsatzes und 70,4 % der Verordnungen.51 Diese Abgrenzung und Differenzierung des Arzneimittelbegriffs wurde bewußt sehr sorgfältig vorgenommen, weil ihre unpräzise Anwendung häufig die Quelle von Mißverständnissen ist und ihr Verständnis sowie eine begriffliche Klarheit für die nachfolgenden Ausführungen essentiell sind.

47 48

49

50 51

Vgl. Kap. 4.2.1.1, S. 334ff. Schwabe/Paffrath definieren Generika als “Arzneimittel mit patentfreien Wirkstoffen, die in der klassischen Form mit dem internationalen Freinamen (generic name) auf den Markt gebracht werden. Ihnen gleichzusetzen sind die sogenannten Markengenerika (branded generics), die patentfreie Wirkstoffe unter einem neuen Handelsnamen anbieten.“, vgl. Schwabe, U.; (2001), S. 688. Auf die Unterscheidung von „branded“ und „unbranded generics“ wird später im Rahmen der Ergebnisdiskussion noch einmal genauer zurückzukommen sein, vgl. hierzu Kap. 6.4.1 (S. 559ff), insbes. Abb. 6-78, S. 575. Vgl. Schwabe, U.; (2001), S. 688; und Schwabe, U.; Paffrath, D.; (Hrsg.); (2001); S. 831. Vgl. NERA – National Economic Research Associates; (1999), S. 21-22. Vgl. Schwabe, U.; (2001), S. 689. Über diesen Punkt wird im Rahmen der Diskussion der patentrechtlichen Marktsegmentierung noch genauer zu sprechen sein, vgl. Kap. 4.1.2.3, S. 244ff.

220

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

4.1.2 4.1.2.1

Der Arzneimittelmarkt Weltpharmamarkt und regionale Segmentierung

Der Weltpharmamarkt erreichte in Herstellerabgabepreisen im Jahr 2000 ein Volumen von fast 400 Mrd. € (392,6 Mrd €).52 Dabei zeigte der Arzneimittelmarkt ein von konjunkturellen Schwankungen nahezu unabhängiges konstantes Wachstum von durchschnittlich deutlich mehr als 5 % p.a. seit 1985: Im Jahr 1985 hatte der Pharmamarkt ein globales Volumen von 79,1 Mrd. US-$, 1990 bereits eines von 165,8 Mrd. US-$, um 1995 auf 280,3 Mrd. US-$ und 1999 auf 337,2 Mrd. US-$ zu steigen.53 Generell wurde dieses deutliche Wachstum weltweit von einer Reihe von Faktoren getrieben: –

Einführung neuer Arzneimitteltherapieansätze



Einem höheren Erstattungsanteil durch öffentliche und private Kostenträger



Einer Substitution von älteren, preisgünstigeren Präparaten durch modernere, höherpreisige Präparate



Einer deutlichen Zunahme der durchschnittlichen Lebenserwartung in allen Industrieländern.54 Ein Anstieg des durschnittlichen Lebensalters zieht einen erhöhten Arzneimittelverbrauch nach sich, wie der in Abb. 4-3 wiedergegebene exponentielle Anstieg der Höhe des Arzneimittelverbrauchs in Abhängigkeit vom zunehmenden Lebensalter der Versicherten55 für den deutschen GKV-Markt belegt:

52

Vgl. EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations; (2001 a), S. 6. Vgl. Gambardella, A.; et al.; (2000), S. 11. Für den Zusammenhang zwischen durchschnittlichem Lebensalter und den Gesundheitsausgaben insgesamt (als Anteil am Bruttoinlandsprodukt) im internationalen Vergleich, vgl. o.V.; (2002 k), S. 14. Dies hängt auch damit zusammen, daß aufgrund des zunehmenden Lebensalters verstärkt sogenannte „Alterskrankheiten“ wie z.B. die Alzheimer Krankheit, die Parkinson-Krankheit, Osteoporose oder Arthritis auftreten. Entsprechend dem erhöhten therapeutischen Bedarf konzentrieren sich auch die Forschungsanstrengungen der Pharma-Industrie verstärkt auf diese Indikationen, vgl. hierzu VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 e), so daß in Zukunft aufgrund zusätzlicher neuer Therapien der Verbrauch in dieser Altersgruppe weiter stark anwachsen dürfte, vgl. hierzu auch die Prognose des Arzneimittelverbrauchs (in DDDs) nach Altersgruppen für den deutschen GKV-Markt bis 2040 von Schwabe/Paffrath (1998), hier zitiert nach Wähling, S.; Graf von der Schulenburg, M.; (1999), S. 29.

53 54

55

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

221

1400 1200 1000 800 600 400 200 0

5

0

-< 5 -< 10 10 -< 15 15 -< 20 20 -< 25 25 -< 30 30 -< 35 35 -< 40 40 -< 45 45 -< 50 50 -< 55 55 -< 60 60 -< 65 65 -< 70 70 -< 75 75 -< 80 80 -< 85 85 -< 90 >9 0

Definierte Tagesdosen (DDD) je Versicherter

Durchschnittlicher Arzneimittelverbrauch je Versicherter im deutschen GKV-Markt 1999

Altersgruppe (in Lebensjahren)

Abb. 4-3:

Arzneimittelverbrauch in Abhängigkeit vom Lebensalter im deutschen GKV-Markt 1999. Quelle: Eigene Darstellung nach Schröder/Selke (2001)56

Sowohl hinsichtlich der absoluten Größe als auch hinsichtlich ihres Wachstums wiesen dabei die einzelnen Regionalmärkte beträchtliche Unterschiede auf. Nordamerika (USA und Kanada) war bereits 1985 der wichtigste Regionalmarkt für Arzneimittel mit einem Weltmarktanteil von 28,1 % und konnte diese führende Position bis 2000 auf 43,0 % steigern. Diese enorme Bedeutungszunahme (53 % Marktanteilszunahme in 15 Jahren) ging einher mit einem seit 1989 konstanten Rückgang des Regionalmarktes Europa: Von 31,0 % in 1989 auf 24,1 % in 2000 (Marktanteilsrückgang von 29 % in 11 Jahren).57 Westeuropa repräsentierte 2000 mit 22,3 % etwas weniger als ein Viertel des globalen Arzneimittelmarktes, vgl. Abb. 4-4. Innerhalb Westeuropas war der deutsche Markt 1999 mit einem Volumen von 17,380 Mrd. € in Herstellerabgabepreisen (ex-factory-prices) der größte mit

56 57

Vgl. Schröder, H.; Selke, G. W.; (2001), S. 772-776. Eigene Berechnung auf Basis der Daten von IMS International und EFPIA, vgl. EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations; (2001a), S. 6 und Gambardella, A.; et al.; (2000), S. 11.

222

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie Gesamtwert: 392,6 Mrd. Euro (in ex-factory-prices) Nordamerika (USA, Kanada) 43,0%

Lateinamerika 6,5%

Westeuropa 22,3%

Zentral- und Osteuropa 1,8%

Abb. 4-4:

Afrika, Asien & Australien (ohne Japan) 10,5% Japan 15,9%

Weltpharmamarkt nach Regionen 2000 in %. Quelle: Eigene Darstellung nach EFPIA (2001a)58

21 % Marktanteil, dicht gefolgt von Frankreich mit 15,915 Mrd. € (19 %).59 Auf Rang drei folgte Großbritannien mit 11,850 Mrd. € (14 %), auf Platz 4 Italien mit 10,529 Mrd. € (13 %) und Spanien als No. 5 mit 6,610 Mrd. € (8 %). Damit entsprachen die fünf größten Einzelmärkte 75 % des gesamten Marktvolumens Westeuropas, vgl. Abb. 4-5. Auf globaler Ebene ist Deutschland der drittgrößte Einzelmarkt, allerdings mit beträchtlichem Abstand hinter den USA und Japan. Dieser Größenordnungsunterschied wird deutlich, wenn man die auf den Plätzen 4-7 folgenden westeuropäischen Einzelmärkte zum Marktvolumen Deutschlands von 14,424 Mrd. US-$ (2000) addiert: Die daraus resultierende kumulierte Marktgröße von 50,920 Mrd. US-$ ist immer noch kleiner als das Marktvolumen Japans (51,434 Mrd. US-$) und hat lediglich etwa die Hälfte des Marktumfangs der USA mit 97,385 Mrd. US-$, vgl. Abb. 4-6.

58

59

Vgl. EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations; (2001 a), S. 6. Vgl. ebenda, S. 7.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

223

p 18 16 14 12 10 8 6 4 2

Sp

Ita

lie n an i en Be lgi Nie en de rla nd e Tü rke Sc i hw ed en Po rtu ga l Sc hw ei z Ös te r rei Gr ch i ec he nla nd Fi n nl a nd No rw eg en Dä ne ma rk

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0

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Arzneimittelmarktgröße in Mrd. Euro

Gesamtarzneimittelumsatz aller Distributionskanäle in Mrd. Euro (zu ex-factory Preisen)

Marktgröße der westeuropäischen Arzneimittelmärkte 1999. Quelle: Eigene Darstellung nach EFPIA (2001 a)60

Abb. 4-5:

Apothekenumsatz in Mrd. US-$ (zu ex-factory Preisen)

Apothekenumsatz in Mrd. $

100 Umsatz 1999 Umsatz 2000

80

60

40

20

0 n A an land eich lie US Jap h Ita kr c n s a ut Fr De

Abb. 4-6:

60 61

UK

a Sp

o a n n n ee ad exik tinie ilie nie us e an as n M r N K B ge al./ Ar str Au

Marktentwicklung der zwölf weltweit größten nationalen Arzneimittelmärkte 1999-2000 (nur Apothekenumsätze). Quelle: Eigene Darstellung nach IMS Health/VFA (2001 a)61

Ebenda, S. 7. Vgl. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 56.

224

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

4.1.2.2

Preisniveau, Kostenstruktur von Arzneimitteln und nationale Preisunterschiede im Pharma-Markt

Das Preisniveau für Arzneimittel weist von Land zu Land im internationalen Vergleich beträchtliche Unterschiede auf.62 Auch innerhalb der EU kann bezogen auf Arzneimittel nicht von einem harmonisierten Binnenmarkt gesprochen werden.63 Anders als die meisten Konsumgüter dürfen Fertigarzneimittel dabei weltweit allerdings auch nicht ohne weiteres von einem Land in ein anderes exportiert werden, da sie in jedem Land nach z.T. sehr unterschiedlichen Anforderungen separate Zulassungsverfahren durchlaufen müssen. Zwischen „isolierten“ Märkten wären identische Preise aber ziemlich überraschend.64 Aber selbst innerhalb der EU, wo seit der Etablierung des zentralen und dezentralen europäischen 62

63

64

Vgl. Schut, F. T.; Van Bergeijk, P. A. G.; (1986), 1142-1144; MacIntyre, A.; (1990), S. 142-201, insbes. S. 149; Johnston, M. A.; (1990), S. 2-6; U. S. Government Printing Office (Hrsg.); (1990), S. 125-130, 243-246; Johnston, M.; Zeckhauser, R., (1991), S. 1-3; Mittal, D. K.; (1991), S. 363; Mittal, D. K.; (1993), S. 97; Harris, A.; (1994), S. 2-5; Akaho, E.; et al.; (1995), S. 29-55; U.S. Government Printing Office (Hrsg.); (1995), insbes. S. 64, 68-69; Danzon, P. M.; (1997 a), S. 30-39; Schweitzer, S. O.; (1997), S. 12, 137-151. Diese Preisunterschiede weisen selbst innerhalb eines Hauptindikationsbereiches für die verschiedenen Subindikationsgebiete beträchtliche Unterschiede auf, wie Akaho et al. für Arzneimittel des Zentralen Nervensystems (ZNS) in Japan, den USA und Kanada belegen, vgl. Akaho, E.; et al.; (1995), S. 2955. Vgl. Barnikel, H.-H.; (1980), S. 26-29; Stumpf, U.; (1986), S. 141; Von Grebmer, K.; (1987), S. 241-242; Burstall, M. L.; Reuben, B. G.; Economists Advisory Group Ltd.; (1988), S. 2, 9, 22; De Wolf, P.; (1988), S. 225-226; Von Grebmer, K.; Sproll, T.; (1989), S. 81-82; Hancher, L.; (1990), S. 56-58; Hart, D.; Reich, N.; (1990), S. 263264; James, B.; (1990), S. 20-21; U.S. Government Printing Office (Hrsg.); (1990), S. 127; Oettl, M.; et al.; (1991 a), S. 167-256; Chaudhry, P. E.; (1992), S. 8-9, 48-55; Erbsland, M.; Mehnert, A.; (1992), S. 19-20; Huttin, C.; (1992 a), S. 57; Jönsson, B.; (1992), S. 160; Klepper, G.; (1992 a), S. 152; Klepper, G.; (1992 b), S. 3-5; REMIT; (1992), S. 15-16; De Wolf, P.; (1993), S. 261-262; Bohle, F.-J.; Rosar, A.; (1993), S. 437-438; Boroch, W.; Cassel, D.; (1993), S. 367-368; Earl-Slater, A.; (1993), S. 86-89; Guerrier, S.; Rousselot, J.; (1993), S. 8; Baumheier, U.; (1994), S. 132-136; Boroch, W.; (1994), S. 171-176; De Wolf, P.; (1994), S. 281-282; Kommission der Europäischen Gemeinschaften; (1994), S. 30; Kucher, E.; (1994), S. 116-118; Mayes, D.; et al.; (1994), S. 138; Clement, W.; et al.; (1995), S. 48-108; Klepper, G.; (1995), S. 353-355; Kucher, E.; (1995), S. 313-317; Jacobzone, S.; (1996), S. 176-178; Nord, D.; (1996), S. 106, 119; Tarabusi, C. C.; Vickery, G.; (1996), S. 84-85; De Wolf, P.; (1997), S. 11-13; Mossialos, E.; Abel-Smith, B.; (1997), S. 380-381; REMIT; (1997), S. 71-72; Juès, J.-P.; (1998), S. 94-96; Lanjouw, J. O.; (1998), S. 8-13; Rovira, J.; (1998), S. 132-134; Schneider, M.; et al.; (1999), S. 9. Vgl. Kaufer, E.; (1976), S. 199.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

225

Zulassungssystems am 01.01.1995 aus zulassungsrechtlicher Perspektive (zumindest für neue, innovative Arzneimittel) nicht mehr von isolierten Märkten gesprochen werden kann,65 besteht ein entscheidender Unterschied zu den meisten anderen Konsumgütern: Die Preisbildung liegt nämlich nicht allein in der Entscheidungsfreiheit des Herstellers.66 Am treffendsten können daher die einzelstaatlichen Arzneimittelmärkte innerhalb der EU als stark segmentiert bezeichnet werden.67 Die innerhalb der EU höchst unterschiedlichen regulatorischen Rahmenbedingungen mit Einfluß auf die Arzneimittelpreisbildung unterscheiden sich grundsätzlich nach Art (Systematik) und Intensität des staatlichen Eingriffs.68 Aber nicht nur direkte staatliche Eingriffe haben Einfluß auf die Preisbildung in den einzelnen Ländern. Von besonderer Bedeutung ist auch die patentrechtliche Situation des betreffenden Wirkstoffs im jeweiligen Land: Das Auslaufen (Zeitpunkt) und die Breite des Patentschutzes69 (und der Dossierexklusivität) weisen z.T. erhebliche nationale Unterschiede auf. Hinzu kommen 65 66

67

68

69

Vgl. Büscher, R.; (1995), S. 935-944. Häufig werden in der politischen Diskussion die nationalen Preisdifferenzen innerhalb der EU bei PKWs in einem Atemzug mit denen von Arzneimitteln genannt. Während die Preise von PKWs (mit Ausnahme unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze, die beim Export in ein anderes EU-Land aber ausgeglichen werden) aber in der Gestaltungsfreiheit des Herstellers liegen, ist dies bei Arzneimitteln gänzlich anders. Vgl. hierzu Boroch/Cassel, die auf die hochgradige Heterogenität des EG-Binnenmarktes für Arzneimittel hinweisen und die einzelstaatlichen Märkte als „voneinander stark segmentiert“ charakterisieren, vgl. Boroch, W.; Cassel, D.; (1993), S. 368. Vgl. Von Grebmer, K.; (1987), S. 242-248; Burstall, M. L.; Reuben, B. G.; Economists Advisory Group Ltd.; (1988), S. 9-13, 68-72; Deppe, H.-U.; Lenhardt, U.; (1990), S. 11-28; Hancher, L.; (1990), S. 67-105, 191-262 (am Beispiel Großbritanniens und Frankreich); Hart, D.; Reich, N.; (1990), S. 268-328; Hancher, L.; (1991), S. 845-852; United States International Trade Commission; (1991), S. 41-44; Dickson, M.; Poullier, J.-P.; (1992), S. 109-137; Erbsland, M.; Mehnert, A.; (1992), S. 825; Huttin, C.; (1992 a), S. 55-72; Oberender, P.; (1992), S. 120-129; Bohle, F.-J.; Rosar, A.; (1993), S. 437-440; Boroch, W.; Cassel, D.; (1993), S. 359-378; Wenzel, J.; (1993), S. VI/120-VI/122; Boroch, W.; (1994), S. 165-172; Dickson, M.; (1994), S. 83-109; Hutton, J.; et al.; (1994), S. 98-111; Bundesstelle für Außenhandelsinformation (1996), insbes. S. 21-22 sowie die einzelnen Länderprofile, S. 30-159; Fedele, M.; (1996 b), S. 20-24; Martin, E.; (1996), S. 57-60, 81-83; De Wolf, P.; (1997), S. 13-14, 18-20; REMIT; (1997), S. 67-70; Bloom, N.; Van Reenen, J.; (1998), S. 324; Burstall, M. L.; (1998), S. VIII; Eschenbach, D.; et al.; (1998); Puig Junoy, J.; (1998), S. 96-112. Vgl. auch Danzon, P. M.; (1997 a), S. 16-29, die einen globalen Überblick gibt, der die wichtigsten EU-Märkte in eine differenzierte Systematik einschließt. Vgl. hierzu Van Dijk, T.; Van Cayseele, P.; (1995), S. 134-146.

226

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

bezüglich der Endverbraucherpreise die unterschiedlich staatlich festgelegten Apotheken- und Großhandelsspannen, Mehrwertsteuersätze und Zwangsrabatte zugunsten der öffentlichen Gesundheitssysteme. Über diesen Sachverhalt wird in Kap. 4.1.3.370 noch genauer zu sprechen sein. Neben den unterschiedlichen regulatorischen Rahmenbedingungen haben vor allem Wechselkursschwankungen (vor Einführung fester Wechselkurse auch im Euroraum)71 zum Auftreten dieser nationalen Preisunterschiede beigetragen. Zusätzlich wird die Preispolitik der Hersteller insbesondere durch die folgenden Faktoren determiniert:72 –

Unterschiedliche Lebensstandards und Einkommensverhältnisse



Verbrauchsgewohnheiten Die Verbrauchsgewohnheiten weisen innerhalb der EU in zweifacher Hinsicht beträchtliche Unterschiede auf: 1) Der Umfang des Arzneimittelverbrauchs, hier indexiert wiedergegeben (Index), unterscheidet sich in extremer Weise zwischen den einzelnen Ländern: So verbrauchen Franzosen (216) und Italiener (221) pro Kopf bezogen auf das Volumen, etwa doppelt so viele Arzneimittel wie Briten (100) oder Deutsche (122).73 Noch deutlicher treten diese Unterschiede im globa-

70

Vgl. S. 289ff, insbesondere Abb. 4-22, S. 307. Allein im Zeitraum 1989-1993 betrug die Aufwertung der D-Mark (und des österreichischen Schillings) im Vergleich zu anderen europäischen Währungen bis zu 37 % (Griechenland), vgl. Clement, W.; et al.; (1995), S. 52. In den siebziger und achtziger Jahren waren die Wechselkurseffekte noch erheblich ausgeprägter, wie die Beispiele Adumbran-Tabletten (Effekte von Wechselkursveränderungen auf die unterschiedliche Preisentwicklung in Deutschland und Italien im Zeitraum von 1967-1983), vgl. May, O.; (1984), S. 44-49, insbes. S. 47, und des Kontrazeptivums Anovlar (Einfluß von Wechselkurseffekten auf die Preisentwicklung in Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien 1970-1983), vgl. Hannse, H.; (1984), S. 34-35, anschaulich verdeutlichen; sowie zur generellen Bedeutung von Wechselkursschwankungen als Ursache für internationale Preisunterschiede vgl. U.S. Government Printing Office (Hrsg.); (1990), S. 126. Vgl. hierzu auch Hudson, J.; (1992), S. 103-112; Spilker, B.; (1994), S. 698-701, 706; PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2001 a), S. 87. Eine noch ausführlichere Auflistung von Einflußfaktoren auf den Arzneimittelpreis liefert Weston, der die insgesamt 51 Faktoren in drei Gruppen kategorisiert: Nachfragefaktoren (15), Angebotsfaktoren (18) und Umweltfaktoren (18), vgl. Weston, J. F.; (1979), S.74-77. Eine differenzierte Betrachtung unterschiedlichster Ansätze zur Erklärung der Preisbildung bei Arzneimitteln und die Ableitung eines eigenen Erklärungsmodells findet sich bei Hass, S. L.; (1990). Vgl. Burstall, M. L.; Reuben, B. G.; Economists Advisory Group Ltd.; (1988), S. 22.

71

72

73

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

227

len Vergleich in Erscheinung. Im zeitlichen Verlauf von 1981 (Wert in Klammern) bis 1990 hat sich die Schere des unterschiedlichen Pro-KopfVolumen-Verbrauches sogar noch drastisch geöffnet (indexierte Darstellung, USA=100): Während in Deutschland mit 277,4 (152,2) und Italien mit 286,3 (124,0) fast dreimal so viele Arzneimittel konsumiert werden wie in den USA, lag der Pro-Kopf-Verbrauch in Frankreich mit 396,7 (222,2) sogar viermal so hoch wie in den USA; in Großbritannien hingegen lag der Arzneimittelkonsum mit 74,9 für 1989 (61,0) um mehr als 25 % unter dem der USA.74 2) Die Verbrauchsgewohnheiten weisen auch hinsichtlich der relativen Bedeutung der einzelnen Indikationsgebiete fundamentale Unterschiede auf.75 Der Vergleich der einzelnen EU-Märkte mit den USA bestätigt dieses Resultat; Gleiches gilt für die Anzahl an Wirkstoffen, die auf den jeweiligen Märkten für die einzelnen Therapiegebiete angeboten werden: Im Bereich der Herz-Kreislauf-Therapeutika ist Deutschland mit 198 unterschiedlichen Wirkstoffen weltweit führend vor Japan (158), Italien (154), Frankreich (150) und den USA mit 105;76 d.h. daß eine große Zahl (im Vergleich zu Deutschland mindestens die Hälfte) von Wirkstoffen für dieses Indikationsgebiet in den USA überhaupt nicht angeboten wird. Dies ist ein genauso bemerkenswertes Resultat wie die Beobachtung, daß pro Wirkstoff nirgendwo so viele unterschiedliche Präparate angeboten werden wie in den USA (6,76); in Europa ist Deutschland mit 3,13 mit großem Abstand führend, während Frankreich trotz beträchtlicher Co-Marketing-Aktivitäten mit 1,75 vor der Schweiz mit 1,65 auf dem vorletzten Platz liegt.77 Dies kann als deutlicher Indikator für die gravierenden Unterschiede im generischen Wettbewerb gesehen werden.78

74 75

76 77 78

Vgl. Danzon, P. M.; (1997 a), S. 39-41. Vgl. Tiefenbacher, M. P.; (1980), S. 129-130; Burstall, M. L.; Reuben, B. G.; Economists Advisory Group Ltd.; (1988), S. 25-26; Brus, H.; (1994), S. 111-119. Vgl. Danzon, P. M.; (1997 a), S. 41-45. Vgl. Danzon, P. M.; (1997 a), S. 41-45. Vgl. hierzu auch die späteren Ausführungen in Kap. 4.1.2.3, S. 244ff (Bedeutung von Generika in den nationalen Pharmamärkten) und Kap. 4.2.3.1, S. 370ff (Einfluß auf die Intensität des Preiswettbewerbs).

228

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie



die Größe des nationalen Arzneimittelmarktes In der Praxis läßt sich beobachten, daß kleine Länder häufig niedrigere Preise als große Märkte haben. Johnston erklärt dieses Phänomen auf spieltheoretischer Basis mit der „Free Riding“-Möglichkeit kleiner Länder (am Beispiel Australiens), die also quasi „kostenlos“ an den F&E-Investitionen der „großen Märkte“ partizipieren, ohne auf die innovativen Produkte verzichten zu müssen.79 So betrugen die durchschnittlichen Arzneimittelpreise in Australien nur 45 % des Preisniveaus der USA und weniger als 50 % des Preisniveaus Deutschlands,80 sowie nur etwa 50-60 % des weltweiten Durchschnittspreises, womit die Arzneimittelpreise für die 20 wichtigsten Wirkstoffe zu den niedrigsten aller entwickelten Länder gehören.81 Natürlich ist es nicht die Marktgröße per se, die in kleineren Märkten ein geringeres Preisniveau bewirkt. In der Vergangenheit wurden jedoch in kleineren Märkten von den Herstellern niedrigere staatlich festgelegte Preise akzeptiert, insbesondere wenn diese Märkte als relativ „isoliert“ galten und demzufolge ein „Export“ des Preisniveaus über Prallelhandel in andere Märkte nicht zu befürchten war. Der rapide Anstieg des Parallelhandels innerhalb von Europa und aus Kanada in die USA in den letzten Jahren hat allerdings bei den Arzneimittelherstellern verstärkt dazu geführt, über einen generellen Verzicht einer Markteinführung in Niedrigpreismärkten bei Unterschreitung einer bestimmten Preisschwelle nachzudenken.



das Absatzvolumen des jeweiligen Präparates Bei einer Untersuchung dieses Zusammenhangs am Beispiel von Impfstoffen gegen Kinderkrankheiten war in den USA ein positiver Zusammenhang zwischen Abnahmemenge und Preis festgestellt worden.82 Inwieweit dieses Beispiel allerdings repräsentativ für alle Medikamente ist, muß bezweifelt werden, da die Kapazitäten zur Impfstoffproduktion (anders als bei den meisten chemisch synthetisierten Wirkstoffen) nicht kurzfristig und nur mit hohen Ko-

79

Vgl. Johnston, M. A.; (1990). Vgl. Johnston, M.; Zeckhauser, R., (1991), S. 1-3. Vgl. Harris, A.; (1994), S. 3. Ähnlich Schulstad, P.; (1994), S. 967-981, der dieses „Free-Rider“-Problem mittels eines ökonometrischen Modells am Beispiel Kanadas erläutert. Vgl. Salkever, D. S.; Frank, R. G.; (1995); sowie Salkever, D.; Frank, R.; (1996), S. 133-151.

80 81

82

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

229

sten erweitert werden können und die Form der öffentlichen Beschaffungspolitik durch die amerikanischen Behörden Anteil an der Preisbildung hat.83 –

das Alter der angebotenen Präparate In einer Studie auf dem US-amerikanischen Pharmamarkt ließ sich ein Zusammenhang zwischen dem jährlichen Preisanstieg und dem Alter der Präparate identifizieren.84 Auch auf dem deutschen Arzneimittelmarkt konnte Albach einen derartigen Zusammenhang beobachten: Der Deckungsbeitrag jüngerer Präparate ist signifikant höher als der älterer Präparate. Die Größe des Marktanteils von Hersteller oder Präparat steht hingegen in keinem signifikanten Verhältnis zum Deckungsbeitrag.85



die Intensität des Wettbewerbs Die Wettbewerbsintensität kann dabei innerhalb eines Landes für verschiedene Darreichungsformen erhebliche Unterschiede aufweisen. Als Gründe hierfür können wiederum alle genannten Faktoren auftreten. Ein wichtiger kann sein, daß unterschiedliche Marktsegmente mit grundsätzlich verschiedenen Wettbewerbssituationen bedient werden, wie z.B. eine Fallstudie zu Genticin in Großbritannien belegt.86



die Markenstärke des Präparates87

83 84 85 86

87

Vgl. zum letzten Punkt wiederum die Befunde von Salkever/Frank. Vgl. Berndt, E. R.; Griliches, Z.; Rosett, J. G.; (1993): S. 257-261. Vgl. Albach, H.; (1987), S. 820-824; Albach, H.; (1991 c), S. 261-267. Vgl. hierzu die Fallstudie zu Genticin in Großbritannien von Kipling, S. W.; Jones, R. H.; (1969), S. 51-70. Auf die verschiedenen Faktoren der Wettbewerbsintensität (mit Fokus auf den deutschen Arzneimittelmarkt) wird im Rahmen der Diskussion des technologiestrategischen Umfeldes in Kap. 4.2.3.1 (S. 370ff) noch genauer zurückzukommen sein. Auf die Effekte des Patentablaufs auf die Wettbewerbssituation und die daraus resultierenden Marktsegmentierungen wird nachfolgend in Kap. 4.1.2.3 (S. 244ff) noch genauer eingegangen werden. Die Markenstärke und Markentreue des Patienten spielt insbesondere im Selbstmedikationsegment eine entscheidende Rolle, vgl. zur Markenstärke und -treue von Schmerz- sowie Stärkungsmitteln im deutschen Arzneimittelmarkt, o.V.; (1993), S. 46-47, die Markentreue lag bei allen Präparaten über 50 %, bei den allermeisten sogar zwischen 70 und 100 %. In zunehmendem Maße hat aber die Markenstärke auch bei chronischen Erkrankungen eine Schlüsselrolle erlangt, was u.a. patientenseitig am zunehmenden Einfluß von Patientenorganisationen (der Patient erlangt einen größeren Einfluß auf die Entscheidung) und anbieterseitig an den immens gestiegenen Aufwendungen des „Direct-to-Customer“-Marketings deutlich wird. Der Gesichtspunkt,

230

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie



der Zulassungsstatus (verschreibungspflichtig, apothekenpflichtig)88



der Erstattungsstatus (verordnungsfähig sowie insbesondere die Selbstmedikations-/Erstattungsrelation)

Von zentraler Bedeutung wird auch die vom jeweiligen Unternehmen im jeweilen Land mit dem Produkt verfolgte Marketingstrategie, insbesondere Preisstrategie, sein.89 Diese vorstehend genannten Faktoren determinieren letztlich, wel-

88

89

wer über die Produktwahl entscheidet, wird noch ausführlich in Kap. 4.1.3.1 (S. 268ff) behandelt werden. Für Fallbeispiele und bezüglich der Harmonisierung der unterschiedlichen Regelungen des Zulassungsstatus in der EU und der Abgrenzung des Arzneimittelbegriffs, vgl. z.B. Hancher, L.; (1991), S. 835-845; Deletraz-Delporte, M.; (1992), S. 13-40. Beispiele für derartige unterschiedliche Preisstrategien stellen idealtypisch die Abschöpfungsstrategie („Skimming-Pricing“) und die Marktdurchdringungsstrategie („Penetration-Pricing“) dar; während beim ersten Typus die Preisbildung möglichst hoch erfolgt, um möglichst rasch Gewinne abzuschöpfen, erfolgt die Preisgestaltung beim zweiten Typus sehr moderat, um den eigenen Marktanteil möglichst schnell möglichst stark zu vergrößern. Eine interessante Erläuterung beider Preisstrategien findet sich am Beispiel des US-amerikanischen Marktes für das Antbiotikum Tetracyclin bei Kaufer, vgl. Kaufer, E.; (1976), S. 140- 142; Rahner, E.; (1981), S. 13. Vgl. hierzu auch die Preisanalyse des deutschen Antibiotika-Marktes durch Ronning, G.; (1986), S. 271-286. Zu den Charakteristika beider Preisstrategietypen vgl. auch Von Grebmer, K.; (1987), S. 234-236; Von Grebmer, K.; Sproll, T.; (1989), S. 76-78. Spilker unterscheidet fünf Typen von Preisstrategien bzw. Preisbildungsphilosophien bei Pharma-Unternehmen: – Das „Cost-Plus Pricing“ orientiert sich an den Gesamtkosten, zu denen die angestrebte Gewinnmarge addiert wird. Diese Philosophie wird (nach seiner Beobachtung) vor allem von Generika-Herstellern angewendet. – Das „Competition-Based Pricing“ richtet die eigene Preispolitik an der der direkten Wettbewerber im jeweiligen Markt aus. Diese Strategie erleichtert die Vorhersehbarkeit von Wettbewerbsreaktionen auf die eigene Preisstrategie. – Das „Market Penetration Pricing“ und – Das „Skimming Pricing“ sind bereits vorstehend beschrieben. – Das „Value-Based Pricing“ orientiert sich am therapeutischen Wert des Arzneimittels und basiert auf gesundheitsökonomischen Überlegungen (den eingesparten gesellschaftlichen Kosten im Vergleich zu bisherigen Therapien, inkl. der damit verbundenen Kosten durch Invalidität und Mortalität), vgl. Spilker, B.; (1994), S. 701-702. Ein (frühes, aber sehr anschauliches) Beispiel für die Berechnung des Saldos derartiger sozioökonomischer Kosten und Nutzen beim Einsatz eines neuen Arzneimittels (am Beispiel Cimetidine) liefern Geweke/Weisbrod: Obwohl die Kosten des Arzneimitteleinsatzes pro Patient um 16 US-$ (+40 %) steigen, können durch geringere Krankenhaus-/Pflegeheimaufenthalte, reduzierte Arztkosten sowie geringere Mortalität und Morbidität insgesamt gesellschaftliche Kosten in Höhe von 307 US-$ (–29 %) pro Patient gegenüber der bisherigen Standardthera-

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

231

cher Preis im jeweiligen Land am Markt bzw. bei der jeweiligen Regulierungsbehörde durchsetzbar ist. In freien, nicht preisregulierten Märkten wird als Basis für die generelle unternehmerische Preispolitik die eigene Kostenstruktur nur eine relativ geringe Rolle spielen.90 Dies ist anders als in preisregulierten Märkten, insbesondere wenn „Cost-plus“-Betrachtungen91 eine Rolle spielen. Sieht man von diesen preisregulatorischen Effekten ab, so weist diese Kostenstruktur zwar naturgemäß starke wirkstoffspezifische Unterschiede auf, als Ursache für nationale Preisunterschiede dürfte sie nur eine untergeordnete Rolle spielen.

90

91

pie eingespart werden, vgl. Geweke, J. F.; Weisbrod, B. A.; (1981), S. 235-271, insbes. S. 240-241. Pharmazeutische Preisstrategien lassen sich dabei spieltheoretisch erklären, vgl. Mullins, C. D.; (1995), S. 1-14. Die Preisfindung und optimale Marketingstrategie für neue Medikamente lassen sich in Abhängigkeit vom angestrebten Absatzpotential mit Hilfe Discrete Choice- und zensierter Regressionsmodelle abschätzen, vgl. Hujer, R.; et al.; (1996), S. 219-232. Zur Methodik des Value-Based-Pricing auf Basis pharmakoökonomischer Studien und Conjoint-Measurements vgl. Dinkel, R.; Schwicker, D.; (1995), S. 293-310. Einen Überblick über die verschiedenen Ansätze/Systeme zur Preisbestimmung gibt Hilleke, K.; (1995), S. 649-666. Zur Preisbestimmung mit Hilfe von Herstellkosten-basierten Verfahren wie ROI-Betrachtungen oder Iso-Deckungsbeitragskurven vgl. Keller, C.; (1995), S. 220-236. Zur Übersicht verschiedener Methoden der Preisfindung und eines für alle Länder verbindlichen Preisrahmens vgl. Kucher, E.; (1989), S. 110-123. Vgl. aus volkswirtschaftlicher Perspektive Kaufer, E.; (1976), S. 115, sowie aus betriebswirtschaftlicher Perspektive Jackson, J. D.; (1992), S. 74-76: Jackson weist auf einen fundamentalen Wandel bei den entscheidenden Kriterien für die Preisbildung im zeitlichen Verlauf hin: Während in der Phase 1960-1980 die Kostenstruktur in Form von Return on Investment (ROI)-Überlegungen schon von entscheidender Bedeutung für die Preispolitik der Hersteller war, standen in den 80er Jahren Wettbewerbs- und Kostendämpfungseinflüsse im Mittelpunkt der Entscheidung, während in den 90er Jahren (in den USA) Managed Care Gesichtspunkte und der therapeutische Wert im Vergleich zu anderen Therapieoptionen („Value-based pricing“) zentrale Determinante der unternehmerischen Preisentscheidung wurden. Insgesamt ist somit die Kostenorientierung durch eine Wertorientierung abgelöst worden. Ähnlich James, B. G.; (1992), S. 101-102. Hierunter werden Preisregulierungen verstanden, bei denen die Regulierungsbehörde, wie etwa in Großbritannien, die Herstellkosten als Bezugsbasis für die Erstattungspreisbildung nimmt. Dort darf der Gewinn eine bestimmte Marge nicht überschreiten, und auch für Werbe- und Informationsaufwand wird nur eine bestimmte Größenordnung von den Regulierungsbehörden anerkannt, vgl. Smith, L. J.; (1991), S. 61-94; Rapp, R. T.; Lloyd, A.; (1994), S. 72-82. Ein interessanter Überblick über die Entwicklung dieser Art von Preisregulierungen in Großbritannien (im direkten Vergleich mit der japanischen Regulierungspraxis) findet sich bei Howells, J.; Neary, I.; (1995), S. 105-139.

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Diese ist nämlich weitestgehend unabhängig vom geographischen Markt, schließlich werden Wirkstoffe in der Regel weltweit nur an einem Standort gefertigt, auch die galenische Produktion findet nur an einem Standort pro Region statt und die Transportkosten für Arzneimittel sind von extrem geringer Relevanz. Gravierende Verzerrungen dieser global einheitlichen Kostenstruktur treten allerdings durch zusätzliche F&E-Kosten ein, die durch die bereits eingangs angesprochenen eventuellen länderspezifischen Zulassungsanforderungen und -gebühren (insbes. zusätzliche klinische Studien) hervorgerufen werden können. Hinzu können durch „Local Content“-Anforderungen erzwungene zusätzliche Produktionskosten kommen92 sowie evtl. möglicherweise divergierende Werbe-, Informations- und Marketingaufwendungen. Einen Überblick über die den Herstellerabgabepreisen zugrundeliegende durchschnittliche Kostenstruktur von Arzneimittel-Herstellern gibt Abb. 4-7. Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß die Herstellerabgabepreise nur etwas mehr als die Hälfte des Apothekenverkaufspreises ausmachen.93 92

93

Derartige “Local Content”-Anforderungen sind staatliche Auflagen, die Forschung, Entwicklung und/oder Produktion im jeweiligen Land als Voraussetzung für eine Marktzulassung bzw. für einen vorteilhaften Erstattungspreis im nationalen Gesundheitssystem machen. Ein Beispiel hierfür bildet innerhalb der EU Frankreich: Über viele Jahre hinweg waren die in Frankreich aufgewendeten F&E-Kosten offiziell ein entscheidendes Kriterium für den späteren Erstattungspreis. Auch wenn diese Regel nicht mehr gesetzlich verankert ist, spielt sie inoffiziell immer noch eine Rolle, vgl. hierzu z.B. Heiduk, G.; Emmerich, V.; (1985), S. 149-150; United States International Trade Commission; (1991), S. 44; Baumheier, U.; (1994), S. 177; Klepper, G.; (1995), S. 346; Tapon, F.; Cadsby, C. B.; (1996), S. 397; Danzon, P. M.; (1997 a), S. 15. Dies war ein entscheidendes Kriterium für viele US-amerikanische Pharma-Unternehmen, ihre europäischen F&E- und Produktionsstätten in Frankreich anzusiedeln, vgl. die quantitativen Interviews der vorliegenden Arbeit. Führen derartige „Local Content“-Anforderungen zur Errichtung zusätzlicher Produktionsstätten, wird dies die Gesamtproduktionskosten erheblich erhöhen, da Transportkosten zu vernachlässigen sind, Mengendegressionseffekte (economies of scale and scope) in der Arzneimittelproduktion hingegen von entscheidender Bedeutung sind. Zu weiteren Ausprägungen von Local Content Regulierungen, vgl. Boroch, W.; (1994), S. 180. Dieser Aspekt wird im Rahmen der Diskussion der Distributionskette von Arzneimitteln in Kap. 4.1.3.3, S. 289ff, später noch genauer behandelt werden, vgl. hierzu insbes. Abb. 4-22, S. 307. Die Modellrechnung für ein Arzneimittel mit einem Apothekenabgabepreis von 10,- DM ergab für 1994 das folgende Bild: Herstellungskosten 1,94 DM, Allgemeine Vertriebskosten 1,06 DM, Werbung 0,18 DM, Wissenschaftliche Information 0,59 DM, F&E-Kosten 0,90 DM, Ertragssteuer 0,12 DM, Nettogewinn des Herstellers

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

233

Letztverfügbare Daten für den deutschen Branchendurchschnitt (BPI-Mitgliedsfirmen) Einzelkosten in % der Gesamtkosten

Herstellung 41,8%

F&E 16,3%

Sonstige Kosten 2,4% Kostensteuern 2,0% Kalkulatorische Zinsen 1,5%

Lizenzgebühren 1,9% Wissenschaftliche Information 12,9%

Abb. 4-7:

94

Verwaltung 8,0%

Werbung 4,3%

Vertrieb 8,9%

Kostenstruktur der deutschen Pharmazeutischen Industrie 1990 in %. Quelle: Eigene Darstellung nach BPI94

0,08 DM; Großhandelskosten 0,49 DM, Ertragssteuer 0,22 DM, Nettogewinn des Großhandels 0,15 DM; Apothekenkosten 2,07 DM, Einkommenssteuer 0,39 DM, Nettogewinn der Apotheke 0,58 DM; Mehrwertsteuer 1,23 DM; vgl. Bayer AG; (1994), S. 22. Vgl. BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (1990), zitiert nach Daumann, F.; Oberender, P.; (1997), S. 278 sowie Rassat, J. P.; (1995), S. 368. Die in Abb. 4-7 wiedergegebenen Daten sind (nach der besten Erkenntnis des Autors) die letztverfügbaren Daten, die sich auf eine Erhebung der Gesamtbranche stützen und die Gesamtkosten funktional herunterbrechen. Eine sehr ähnliche Preisstruktur wurde auch von der Schweizer PharmaInformation ermittelt, vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften; (1994), S. 32. Aktuellere Analysen für die deutsche Pharma-Industrie sind nach Kostenarten gegliedert, was für den vorliegenden Zusammenhang wenig aussagekräftig ist. Vgl. hierzu z.B. die Aufsplittung der Kostenstruktur in der deutschen Pharmazeutischen Industrie in 1998, die folgendes Bild ergibt: Materialverbrauch (28 %); Einsatz Handelsware (12 %); Kosten für Lohnarbeiten, sonstige Dienstleistungen, Mieten und Pachten (3 %); Löhne und Gehälter (21 %); Sozialkosten (6 %); Kostensteuern, Fremdkapitalzinsen (2 %); Sonstige Kosten (24 %); und Abschreibungen (4 %), vgl. Statistisches Bundesamt, zitiert nach VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 9. Eine ähnliche Struktur des Kostensplits findet sich auch bei BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (1995), S. 6-7. Für die Herstellerabgabepreis-Kostenstruktur einzelner Wirkstoffe vgl. z.B. Slatter, S. St. P.; (1977), S. 22.

234

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Bemerkenswert an den in Abb. 4-7 wiedergegebenen Daten ist, daß die Herstellungskosten nur etwas mehr als 40 % der Gesamtkosten ausmachen und der im Vergleich zu anderen Branchen ungewöhnlich hohe Anteil an F&E- sowie Werbe- und Informationskosten. Neuere Studien, die sich auf die Kostenstruktur forschungsbasierter internationaler Pharma-Unternehmen konzentrieren, führen für diese sogar einen noch erheblich niedrigeren Anteil an Produktionskosten (< 30 %) und erheblich höhere relative Werte für F&E- (zum Teil > 30 %) und Werbekosten (bis zu 30 %) an.95 Betrachtet man die Höhe der F&E- und WerbeAusgaben im zeitlichen Verlauf, so läßt sich in Absolutwerten eine starke kontinuierliche Zunahme beobachten.96 Bei den F&E-Ausgaben trifft dies auch relativ zu: Die F&E-Intensitäten haben seit den fünfziger und sechziger Jahren, für die auf internationaler Ebene Werte unter 10 % angegeben werden,97 in Deutschland für die Branche als Ganzes im zeitlichen Verlauf von 1976 bis 1990 von 11,1 % auf 16,3 % zugenommen.98 Bei den Werbeausgaben ist, relativ betrachtet, im gleichen Zeitraum für die deutsche Pharma-Branche als Ganzes keine eindeutige 95

96

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98

Danzon berechnet für 1993 Werte von 31,1 % für die gesamten F&E-Kosten, 28,2 % für die Herstellungskosten und 23,4 % für die Marketing-Kosten, vgl. Danzon, P. M.; (1997 a), S. 5-8; und Danzon, P. M.; (1997 b), S. 304-306. James ermittelt für 1991 als Durchschnitt von acht internationalen Pharma-Unternehmen im Auftrag der EU folgende Werte: Herstellungskosten 15,7 %, F&E 11,9 %, Marketing 30,0 %, vgl. James, B. G.; (1992), S. 50. Roberts schätzt als typische Kostenstruktur für forschungsbasierte Pharma-Unternehmen folgende Werte ab: Produktion 30 %, F&E 15 % und Werbung 5 %, vgl. Roberts, J.; (1996), S. 21. Läßt man die letzte (Roberts) Abschätzung unberücksichtigt, so können sich Unterschiede durch verschiedene Kostenabgrenzungen ergeben, etwa der Zuordnung der Kosten für wissenschaftliche Information. Insgesamt wurde für die vorliegende Arbeit (vgl. Abb. 4-7) den – zwar älteren – BPI-Daten der Vorrang gegeben, weil sie auf der breitesten Datenbasis (den meisten Unternehmen und Vertretern aller Größenklassen) beruhten und über einen langen Zeitraum auf konstanter Abgrenzungsbasis erhoben wurden. Vgl. für die Pharma-Industrie in Deutschland hierzu z.B. die BPI-Werte von 19741990, zitiert nach Daumann, F.; Oberender, P.; (1997), S. 278. Vgl. hierzu die Aufstellungen von Kaufer (1976), der für die US-amerikanischen Pharma-Unternehmen F&E-Intensitäten von 6,3 % (1958) bzw. von 3,6 % – 9,6 % (1965), für britische Pharma-Unternehmen von 9,7 % (1965) und für die italienische Pharma-Branche je nach Unternehmensgrößenklasse, von 2-10 % (1969) anführt. Gegenüber der F&E-Intensität der 1930er Jahre, als die Pharma-Industrie „kaum forschte“, stellt dies eine beträchtliche Zunahme dar, vgl. hierzu Kaufer, E.; (1976), S. 38-42 und die dort zitierte Literatur. Vgl. hierzu die BPI-Werte von 1974-1990, zitiert nach Daumann, F.; Oberender, P.; (1997), S. 254 und 278. Der hohe Wert für 1974 blieb hier unberücksichtigt, weil er die Lizenzaufwendungen einschloß.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

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99

Steigerungstendenz festzustellen. Nach Einschätzung der OECD haben sich bei forschungsbasierten Pharma-Unternehmen die Marketingausgaben aber auch relativ erhöht: von 17 % (1973) auf 24 % (1989).100 Auch hinsichtlich der Unternehmensgröße lassen sich bei der F&E-Intensität Unterschiede erkennen: Kleinere Unternehmen wenden tendenziell einen niedrigeren Prozentsatz für F&E und einen höheren für Werbung auf.101 Auf Basis der eigenen empirischen Ergebnisse bezüglich der F&E-Intensitäten wird später noch ein differenzierteres Bild gezeichnet werden.102 Entscheidend für das Verständnis der Branche als Ganzes ist dabei aber in jedem Fall, daß der weit überwiegende Anteil der Gesamtkosten als Fixkosten zu betrachten sind: Bevor ein Arzneimittel auf dem Markt die ersten Deckungsbeiträge erzielt, sind sowohl die F&E-Kosten investiert, als auch die Kosten für wissenschaftliche Information und Marketing prädeterminiert, hinzu kommen der nicht variable Anteil der Herstellungskosten und die Verwaltungskosten.103 Dies 99 100

101

102 103

Vgl. ebenda, S. 278. Vgl. Tarabusi, C. C.; Vickery, G.; (1996), S. 74. Ähnlich auch James, B.; (1990), S. 48. An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, daß die einzelnen Prozentangaben der verschiedenen Quellen aufgrund möglicher unterschiedlicher Abgrenzungen der Kostenkategorien und Datenbasen nur begrenzt vergleichbar sind. Eine aktuelle Gegenüberstellung von F&E- und Werbekosten für forschungsbasierte Pharma-Unternehmen auf dem US-amerikanischen Markt ist in Abb. 6-79, S. 577 wiedergegeben. Vgl. hierzu für die deutsche Pharma-Industrie z.B. Hannse, H.; (1984), S. 31 und für die italienische Pharma-Industrie Kaufer, E.; (1976), S. 40. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 6.2.1.1, S. 436ff. Vgl. hierzu Roos, B.; (1990), S. 31-35, die den überwiegenden Teil der Herstellungskosten, die F&E-Kosten, die Lizenzabgaben, die Werbung und die Verwaltungskosten als Fixkosten betrachtet. Schweitzer hält deshalb die Pharmazeutische Industrie auch für weniger mit anderen produzierenden Industrien vergleichbar, sondern sieht starke Analogien zur Computer Software- oder Filmbranche und entdeckt sogar hinsichtlich der hohen Fix- und geringen marginalen Kosten eine Ähnlichkeit zu Infrastrukturinvestitionen wie Straßen oder Brücken, vgl. Schweitzer, S. O.; (1997), S. 101. Die Analogie zur Computer-Software-Branche wird in zahlreichen Veröffentlichungen aufgegriffen: Das Arzneimittel wird dabei als „Hardware“, die wissenschaftliche Information als „Software“ betrachtet, vgl. Albach, H.; et al.; (1976), S. 66; sowie exemplarisch für viele frühere Veröffentlichungen Küpper, J.; (1998); S. 30. Beide sind dabei als Einheit zu betrachten: Demzufolge umfassen die Innovationskosten nicht nur die reinen F&E-Kosten, sondern auch die Kosten der wissenschaftlichen Information und Beratung von Ärzten, die sich aus der besonderen Eigenschaft von Arzneimitteln, nämlich: Folgeaufwendungen zum „Schutz des Patienten“ und solchen für die

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

bedeutet mit Blick auf die Preisgestaltung, daß zu diesem Zeitpunkt ein Großteil der Kosten als versunkene Kosten (sunk costs) anzusehen sind, d.h. sie sind vom Unternehmen zu tragen, auch wenn keine einzige Arzneimittelpackung verkauft wird – gleichzeitig entstehen durch die Produktion und den Absatz einer zusätzlichen Packungseinheit nur sehr geringe marginale Kosten. Das Umsatzpotential eines Arzneimittels möglichst weitgehend zu erschließen wird damit zum entscheidenden Kriterium für seinen wirtschaftlichen Erfolg. Dies ist ein entscheidender Grund, warum die Hersteller zum Teil bereit sind, Märkte mit extrem niedrigen Preisniveaus104 zu beliefern: Denn selbst auf diese Weise können noch zusätzliche Deckungsbeiträge eingefahren werden, die das (globale) Gesamtergebnis des betreffenden Präparates verbessern. Diese generell gültige Aussage muß in der Realität allerdings noch mit einer entscheidenden Einschränkung versehen werden: Durch sogenannte Parallelimporte105 nutzen Händler (sogenannte Parallelimporteure) die unterschiedlichen nationalen Preisniveaus zum Erzielen von Arbitrage-Gewinnen, d.h. sie kaufen ein Arzneimittel in einem „Niedrigpreisland“ ein, verbringen es in ein „Hochpreisland“106 und veräußern es dort mit Gewinn. Da der Angebotspreis für das Parallelimport-Arzneimittel im Hochpreisland in der Regel etwa 10 % unter dem des Originators liegt,107 und für Transport, Umetikettierung108 und Zulassung im Importland109 weitere Kosten

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„Verbreitung neuer Pharmakotherapien“, ergeben, vgl. Brockhoff, K.; (1987), Riebel, P.; (1971) und Vogelbruch, B.; (1992), hier zitiert nach Vogelbruch, B.; (1992), S. 90 und Boroch, W.; (1994), S. 54-61. Auch die Gründe, die sich gänzlich dem Einfluß des Arzneimittel-Herstellers entziehen, wurden vorstehend ausführlich genannt. Zur genauen und detaillierten Definition und Abgrenzung des Begriffs „Parallelimport“ vgl. May, O.; (1984), S. 43-44. „Niedrigpreisland“ und „Hochpreisland“ sind dabei keine feststehenden Begriffe. Je nach Präparat (auch für unterschiedliche Darreichungsformen desselben Wirkstoffs) können unterschiedliche Länder das Land mit dem jeweils niedrigsten Preis innerhalb der EU sein. Auch im zeitlichen Verlauf unterliegen Preisdifferenz und Rangfolge der Länder im Preisgefüge starken Schwankungen. Diese Preisdifferenzierung von Parallelimport und Original ist auf dem deutschen Apothekenmarkt in vielen Fällen zu beobachten, inwieweit sie auch auf andere EULänder zutrifft, war für die vorliegende Arbeit nicht von Bedeutung. Das Arzneimittelrecht schreibt vor, daß Beschriftung und Beipackzettel (zumindest u.a.) in der Landessprache (in Deutschland Deutsch) abgefaßt sein müssen. Dies ist ja auch zwingend erforderlich, da die Patientenhinweise eines z.B. aus Griechenland parallelimportierten Arzneimittels ansonsten für einen Patienten in Deutschland unverständlich blieben. Die Parallelimporteure kommen dieser rechtlichen Vorgabe da-

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anfallen, muß die Preisdifferenz zwischen Export- und Importland mindestens 25 % betragen. In der Vergangenheit waren die nationalen Preisdifferenzen bei zahlreichen Arzneimitteln oft ein Vielfaches dieser Spanne, so daß der Parallelimporthandel einen starken Aufwärtstrend erfahren hat,110 der in den letzten Jahren nochmals deutlich an Umfang gewonnen hat: Im Zeitraum von 1998 bis 2001 hat eine Verdreifachung der Parallel- und Reimporte auf dem deutschen Markt stattgefunden.111 Nach dem Schiedsspruch im Streit zwischen Krankenkassen und Apothekern muß jede Apotheke ab April 2002 eine Importquote (Anteil der Parallelimporte am Fertigarzneimittelumsatz) von 5,5 %, ab Januar 2003 von 7 % erreichen.112 Im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung könnte es nochmals einen enormen Zuwachs beim Parallelhandel geben, auch wenn nach der derzeitig geplanten Regelung Parallelimporte aus den Beitrittsländern in der Übergangsphase der Angleichung der patentrechtlichen Rahmenbedingungen nicht gegen den Willen des Originators gestattet sind.113 Neben der Preisdifferenz sind aber auch die Verfügbarkeit in hinreichender Menge114 und identischer Beschaffenheit115 im Exportland und die Absetzbarkeit im Importland116 eine weite-

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durch nach, daß sie ein zusätzliches Klebeetikett auf der ausländischen Beschriftung anbringen und den ausländischen Beipackzettel gegen einen, der (u.a. auch) deutschsprachig ist, austauschen. Arzneimittelrechtlich wird der Parallelimporteur dem Pharmazeutischen Unternehmer und damit einem Hersteller gleichgestellt, der für das Import-Arzneimittel eine eigene Zulassung beantragen muß, sich dabei aber auf die Zulassungsunterlagen des Originators beziehen kann, also keine eigenen klinischen Studien (auch keine BioäquivalenzStudien wie Generika-Hersteller) durchführen muß. Eine Abschätzung des Ausmaßes des Parallelhandels in den einzelnen Ländern der EU für 1990 findet sich bei Klepper, G.; (1995), S. 334-336. Vgl. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2002 a), S. 38; sowie VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2000 g), S. 3-5. Vgl. ebenda, S. 38. Vgl. ebenda, S. 35. Durch Steuerung der Mengenströme besteht für den Originator die (wettbewerbsrechtlich aber nicht unproblematische) Möglichkeit, die unerwünschten Parallelimporte zu begrenzen, indem z.B. Großhändler (im „Niedrigpreisland“), die mit Parallelimporteuren kooperieren, nur mit bestimmten Kontingenten beliefert werden. Damit ein Arzneimittel als „Parallelimport“ auf den deutschen Markt gebracht werden darf, muß es identisch mit dem in Deutschland bereits im Verkehr befindlichen Original-Produkt sein, vgl. z.B. May, O.; (1984), S. 44. In der Vergangenheit unterschieden sich die wirkstoffgleichen Präparate des Originators von Land zu Land, z.B. in der Farbe, der galenischen oder therapeutischen Zusatzstoffe, der Stärke, Ausprägung der

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

re notwendige Voraussetzung für den Parallelhandel. Für den Hersteller bedeutet dies, daß ein möglichst optimales Gesamtergebnis für ein Arzneimittel nur durch eine globale Preisstrategie zu erzielen ist. Zum Erhalt eines länder- oder regionenspezifischen Marketing-Handlungsspielraums erfolgt dies zweckmäßig durch Vorgabe eines Preiskorridors, dessen Breite innerhalb einer Region (z.B. der EU) einen bestimmten Wert nicht überschreiten darf.117 Dies kann dann beinhalten, daß einzelne Länder nicht mehr beliefert werden (bzw. ein neues Arzneimittel in dem betreffenden Land erst gar nicht oder nur mit sehr großer Verzögerung eingeführt wird) oder (falls dies die Rechtslage im betreffenden Land zuläßt) zwei

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Darreichungsform, Packungsgröße und Verpackung. Dies diente einerseits dazu, nationalspezifischen Unterschieden in den Verbrauchsgewohnheiten von Ärzten und Patienten Rechnung zu tragen, wurde vielfach aber auch zur gezielten Unterbindung von Parallelhandel eingesetzt. Durch das neue europäische Zulassungssystem ist diese Möglichkeit für neue Arzneimittel, die im Rahmen des zentralen und dezentralen Zulassungssystems zugelassen werden, entfallen: Diese müssen in allen Ländern (für die die Zulassung gilt) identisch sein. Allerdings stellen z.B. unterschiedliche Packungsgrößen für Parallelimporteure ohnehin keine hinreichende Hürde dar: Durch Zerschneiden der Blisterstreifen und Bündelung mittels Gummiband werden diese z.B. der im Importland entsprechenden Packungsgröße angepaßt. Auch Unterschiede in den Hilfsstoffen stellen (nach Auffassung des EuGH) kein Hindernis dar, wenn diese Unterschiede therapeutisch nicht relevant sind. Genauso sind auch Farb- und Geruchsunterschiede des Arzneimittels sowie eine unterschiedliche Aufmachung der Verpackung kein Hindernis, vgl. hierzu auch May, O.; (1984), S. 43-44. Die Absetzbarkeit im Importland wird vor allem durch die regulatorischen Rahmenbedingungen (z.B. Parallelimportförderklauseln in den öffentlichen Gesundheitssystemen) und das Ausmaß, in dem ein faktischer Zugang zu den Distributionskanälen besteht, determiniert. In Deutschland waren Großhandel und Apotheken gegenüber Parallelimporten eher zurückhaltend. Gründe hierfür waren aber nicht nur die Loyalität gegenüber ihren Zulieferern (nicht nur die direkt betroffenen Originatoren, auch die Generika-Hersteller sind auf Grund von negativen Wettbewerbseffekten gegen Parallelimporte): Bei transport- oder lagerungsbedingten, qualitativen Mängeln (mögliche Beeinträchtigung der Wirksankeit z.B. durch unzureichende Kühlung, zerbrochene Ampullen, verbogene Kanülen etc.) oder Irritationen bei den Patienten (z.B. durch ungewohnte oder den Kundennutzen bzw. die Anwendungsfreundlichkeit einschränkende Veränderungen in Aufmachung, Verpackung und Beschriftung) sind Großhandel und Apotheken die ersten, die noch vor den Originatoren (Reklamationen und Kundenbeschwerden gehen üblicherweise nicht an den Parallelimporteur, sondern an den Originator) mit Patientenbeschwerden konfrontiert werden. Im zeitlichen Verlauf muß die Breite von Vorgabe und tatsächlicher Beschaffenheit dieses Preiskorridors kontinuierlich immer wieder überprüft werden.

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Preise eingeführt werden, von denen der niedrigere nur für die kontrollierte Abgabe im nationalen Gesundheitssystem zugestanden wird.118 Nachdem auf die Ursachen und Konsequenzen von unterschiedlichen nationalen Preisniveaus eingegangen wurde, stellt sich nun die Frage nach dem tatsächlichen Ausmaß von Preisdifferenzen und von Veränderungstrends in ihrer Höhe. Da die nationalen Preisunterschiede stark von Präparat zu Präparat und von Wirkstoff zu Wirkstoff variieren,119 gleichzeitig die Erstellung eines Preisindexes, der alle Präparate mit ihrem individuellen Preis und Umsatzanteil pro Land einbezieht, aus Komplexitätsgründen unmöglich ist, sind die Kriterien, nach denen ein derartiger Preisindex zweckmäßig zu erstellen ist, immer wieder Gegenstand der Diskussion gewesen.120 Dies gilt umso mehr, als die Therapiege118

119

120

Letztere Zwei-Preis-Strategie wird von einigen Arzneimittel-Herstellern z.Z. auf dem spanischen Markt erprobt. Vgl. z.B. Slatter, S. St. P.; (1977), S. 125; U.S. Government Printing Office (Hrsg.); (1995), S. 64 (Tab. 1), 91-92 und 120-125. Vgl. hierzu z.B. Klepper, G., (1992 b), S. 3-5; Klepper, G.; (1995), S. 353-355; und die dort zitierte Literatur (Fußnote Nr. 18) sowie U.S. Government Printing Office (Hrsg.); (1995), S. 102-106, 126-135; Danzon, P. M.; (1997 a), S. 30-39; und Schweitzer, S. O.; (1997), S. 97-100, 137-147. Verschiedene Autoren halten Einzelpreisvergleiche – auf diesen beruhen ja Preisvergleiche mit verschiedenen Wirkstoffkörben – methodisch im Vergleich zu Durchschnittspreisvergleichen für suboptimal, vgl. hierzu Oettl, M.; et al.; (1991 a), S. 167-183; Oettl, M.; et al.; (1991 b), S. 54-57 sowie Clement et al., die auf gleicher Datenbasis Durchschnittspreisvergleiche und Einzelpreisvergleiche (mit Warenkörben unterschiedlicher Größe) in der direkten Gegenüberstellung durchführen und zu dem Ergebnis kommen, daß Einzelpreisvergleiche methodisch Durchschnittspreisvergleichen unterlegen sind, auch wenn sich mit zunehmendem Umfang der Wirkstoffkörbe die Ergebnisse annähern, vgl. Clement, W.; et al.; (1995), S. 48-108. Zur methodischen Kritik am GAO-Report zu Preisunterschieden zwischen den USA und Kanada, vgl. Rozek, R. P.; (1995), S. 77-91; und Andersson, F.; (1995), S. 3-20. Zur methodischen Kritik an der Berechnung des Herstellerabgabepreisindexes (Producer Price Index PPI) für Arzneimittel in den USA vgl. Berndt, E. R.; et al.; (1990); Scherer, F. M.; (1993), S. 102-103; Griliches, Z.; Cockburn, I.; (1994), S. 1213-1232. Als primärer Grund für eine zu hohe Preissteigerungsrate im PPI wird allerdings auch die Stichprobenzusammensetzung genannt, vgl. Fisher Ellison, S.; (1998), S. 22-24, Figure 8. Einige Autoren stellen den Nutzen von internationalen Preisvergleichen aufgrund dieser methodischen Probleme sogar gänzlich in Frage, vgl. z.B. Kaufer, E.; (1976), S. 199. Besondere Schwierigkeiten werden bei Preisvergleichen mit Ländern, deren Währungen nicht frei konvertierbar sind, gesehen. In diesen Fällen sind die Endverbraucherpreise als Vergleichsmaßstab ungeeignet, stattdessen sind als „methodisch einwand-

240

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

wohnheiten, d.h. die Anwendungsbreite und -häufigkeit eines Wirkstoffes, und (bei nicht zentral oder dezentral europaweit zugelassenen Präparaten) bei ein und demselben Wirkstoff die Darreichungsform und -stärke,121 die Packungsgröße und die Zusammensetzung eventueller Kombinationspräparate starke nationale Unterschiede aufweisen.122 Dementsprechend gibt es eine Reihe von Preisindizes, die sich in methodischer Hinsicht, dem Entstehungsjahr und vor allem der Zusammensetzung des zugrundeliegenden „Warenkorbes“ z.T. stark unterscheiden.123 Der aktuellste Preisindex, der BASYS-Preisindex, basiert auf insgesamt 47 Wirkstoffen, die 29,2 % des Umsatzes und 30,2 % der Verordnungen im deutschen, von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstatteten Arzneimittelmarkt abdeckten.124 Kritisch anzumerken bleibt, daß der Anteil von patentfrei-

121

122 123

124

freier Bewertungsmaßstab“ Verbrauchergeldparitäten vorzuziehen; hierunter ist die Relation zwischen Preis und verfügbarem durchschnittlichen Einkommen im jeweiligen Land zu verstehen, vgl. Nord, D.; (1979), S. 20, der dies am Beispiel von DDR und Bundesrepublik Deutschland darlegt. Andere Autoren halten zur Ermittlung des Preisniveaus eine Gegenüberstellung der Relation aus Pro-Kopf-Arzneimittelausgaben mit dem Bruttosozialprodukt des jeweiligen Landes für besonders aussagekräftig, vgl. z.B. Teeling Smith, G.; (1983), S. 17. Wie stark die Vielfalt unterschiedlicher Darreichungsformen zwischen den einzelnen Ländern der EU variiert, zeigen eindrucksvoll Clement et al.: Bei den 500 umsatzstärksten Medikamenten hatte Deutschland (Deutschland-West mit 3680 und Deutschland-Ost mit 3145) eine absolute Spitzenposition inne, während die Länder Großbritannien, Dänemark, Schweden, Schweiz, Finnland, Niederlande und Österreich nur etwa 2300-3000 unterschiedliche Darreichungsformen für die führenden 500 Medikamente aufwiesen, und der Vergleichswert für Irland, Spanien, Portugal, Belgien, Italien, Frankreich und Griechenland sogar nur zwischen 1100 und 1900 lag, vgl. Clement, W.; et al.; (1995), S. 58. Vgl. hierzu auch Mossialos, E.; Abel-Smith, B.; (1997), S. 380. Vgl. hierzu die Übersicht und ausführliche Diskussion unterschiedlicher früherer Studien bei Schneider, M., et al.; (1999), S. 9-23. Diese 47 Wirkstoffe wurden in einem mehrstufigen Verfahren nach folgenden Kriterien anhand des deutschen GKV-Marktes 1996 ausgewählt: – Die jeweils 25 umsatzstärksten und jeweils 25 verordnungshäufigsten Wirkstoffe aus den Zweitanmeldermärkten (Wirkstoffe, bei denen der Patentschutz abgelaufen war und generischer Wettbewerb vorlag). Aufgrund von Überschneidungen wurden auf diesem Weg 35 Wirkstoffe ausgewählt. – Die acht umsatzstärksten Wirkstoffe von Erstanmeldermärkten (Wirkstoffe mit noch bestehendem Patentschutz). – Zusätzlich weitere vier Wirkstoffe aus noch nicht berücksichtigten Indikationsgruppen.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

241

en Wirkstoffen, relativ zu ihrer Umsatzbedeutung, im deutschen Arzneimittelmarkt in der BASYS-Stichprobe überrepräsentiert ist.125 Kritik gegenüber der Zusammensetzung des „Wirkstoffkorbes“ läßt sich, wie aber bereits erwähnt, gegenüber jeder Studie anbringen. Auch wenn die quantitativen Aussagen, sprich die absoluten Zahlenwerte, nicht überinterpretiert werden dürfen, läßt sich doch qualitativ das in Abb. 4-8 (Herstellerabgabepreise) und Abb. 4-9 (Apothekenverkaufspreise)126 wiedergegebene Gesamtbild bezüglich der unterschiedlichen Preisniveaus in Europa zeichnen. Obwohl die BASYS-Studie aufgrund unterschiedlicher Methodik und Wirkstoffkorbzusammensetzung nicht direkt mit früheren Studien vergleichbar ist und auch diese untereinander aus gleichem Grund nicht kompatibel sind, läßt sich qualitativ der folgende Trend feststellen: Während in den 90er Jahren das Preisniveau in Deutschland sowohl im internationalen als auch im europäischen Vergleich weit über dem Mittelwert im absoluten Spitzenbereich lag, ist das relative Preisniveau immer weiter zurückgegangen, und Deutschland zählt heute im europäischen Vergleich insgesamt eher zu den „Niedrigpreisländern“. Eine zentrale

125

126

Grundlage für die anschließende Untersuchung bildeten die IMS-Apothekenmarktdaten des 2. und 3. Quartals 1998, vgl. Schneider, M.; et al.; (1999), S. 2-4 und 23-31. Aufgrund der auf den deutschen GKV-Markt zugeschnittenen Auswahlkriterien wird eine Vergleichbarkeit der einzelnen Länder untereinander von den Autoren als nicht sinnvoll ausgeschlossen, vgl. ebenda, S. 31. Das generikafähige Segment des deutschen GKV-Marktes hatte 1999 einen Wert von 9,31 Mrd. €, was einem Anteil von 49,4 % am gesamten GKV-Markt entsprach, vgl. Schwabe, U.; (2001), S. 690; (die 1996er Werte waren dem Autor nicht bekannt, dürften aber hinsichtlich des relativen (prozentualen) Anteils ähnlich gewesen sein). Von den im BASYS-Wirkstoffkorb enthaltenen Wirkstoffen sind 35 Wirkstoffe diesem Teilsegment entnommen, und auch für die vier (zur Vervollständigung des Indikationsspektrums) zusätzlich aufgenommenen Präparate herrschte (zumindest 1999) generischer Wettbewerb, d.h. 39 Wirkstoffen des generikafähigen Segmentes standen nur 8 des patentgeschützten Segmentes gegenüber, obwohl beide bezüglich des GKVUmsatzvolumens gleich groß sind. Die Herstellerabgabepreise machen, wie bereits erwähnt, nur etwas mehr als die Hälfte der späteren Apothekenverkaufspreise aus. Die Differenz zwischen beiden Preisen entspricht den Handelsspannen für Großhandel und Apotheken sowie eventuell Mehrwertsteuer und Regelrabatten zugunsten nationaler Gesundheitssysteme. Diese Spannen und Steuersätze sind in allen Ländern der EU staatlich festgelegt und weisen, genau wie die Herstellerabgabepreise, starke nationale Unterschiede auf. Auf diese distributionsbedingten nationalen Unterschiede wird später in Kap. 4.1.3.3 (S. 289ff) ausführlich zurückzukommen sein, vgl. hierzu insbesondere Abb. 4-22, S. 307.

242

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie 200

177

180 160

135

140

134

133

128

124 123

122

Index

120

117

109 109

108

100

100 88

85

80 60 40 20

G

ro ß

Sc hw

ei br z ita nn ie n Fi nn la nd Irl an d Be lg N i en ie de rla n Lu de xe m bu rg D än em ar k Ita lie Fr n an kr ei c Po h rtu ga Ö l st er r e D ic eu h ts ch la nd Sp an G rie ie n ch en la nd

0

Abb. 4-8:

Arzneimittelpreise im europäischen Vergleich: Laspeyres-Preisindex der Herstellerabgabepreise 1998. Quelle: Eigene Darstellung nach Schneider, M.; et al.; (1999)127

160 160 140 120

126

122

122

115

112

110

Index

100

107

106

104

100

98 85

80

77

69

60 40

Sc hw ei z Irl an d Ö st er re ic h Be lg ie Lu n xe m bu rg Fi nn G l an ro ßb d rit an ni en D än em ar N k ie de rla nd e Ita lie D n eu ts ch la nd Fr an kr ei ch Po rtu ga l Sp an G ie rie n ch en la nd

20

Abb. 4-9:

127 128

Arzneimittelpreise im europäischen Vergleich: Laspeyres-Preisindex der Apothekenverkaufspreise 1998. Quelle: Eigene Darstellung nach Schneider, M.; et al.; (1999)128

Vgl. Schneider, M.; et al.; (1999), S. 8. Vgl. Schneider, M.; et al.; (1999), S. 6.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

243

Ursache hierfür dürfte (neben staatlichen Kostendämpfungsmaßnahmen) der im internationalen Vergleich mit großem Abstand höchste Anteil an Generika am Gesamtmarkt sein. Bevor auf diesen Sachverhalt nachfolgend näher eingegangen wird, soll zunächst noch auf einen weiteren Aspekt unterschiedlicher europäischer Preisniveaus hingewiesen werden. Denn während der Vormarsch von Generika im deutschen Markt zu einem deutlichen Absinken des Preisniveaus im generikafähigen Teil (dem patentfreier Wirkstoffe) geführt hat,129 lag der Markteinführungspreis neuer hochinnovativer Präparate weiterhin deutlich über dem in anderen europäischen Ländern.130 Hinzu kommt, daß anders als in fast allen übrigen europäischen Ländern, der Markteinführungszeitpunkt nicht durch eine vierte regulatorische Hürde der Preisverhandlungen mit staatlichen Stellen verzögert wurde. Diese relativ gesehen um mehr als zwölf Monate frühere Markteinführung131 war dabei nicht nur zum Vorteil des Patienten, der früher in den Genuß des innovativen Präparates kam, sondern sie hat auch immense betriebswirtschaftliche Effekte auf den über den gesamten Produktlebenszyklus erzielbaren kumulierten Deckungsbeitrag des jeweiligen Wirkstoffes.132 129

130

131

132

Generischer Wettbewerb und staatlich regulative Eingriffe hatten auch in den siebziger und achtziger Jahren einen Einfluß auf das Preisniveau im deutschen Arzneimittelmarkt, vgl. hierzu beispielsweise Bagus, J.; (1989), S. 158-167. Die Intensität beider Faktoren hat sich aber im zeitlichen Verlauf drastisch gesteigert, genau wie ihre Wirkung auf das Preisniveau. Vgl. REMIT; (1997), S. 72. Allerdings ist auch hier ein eindeutiger Trend zu deutlich niedrigeren Launch-Preisdifferenzen zu beobachten, d.h. die Unternehmen versuchen in der Tat (vgl. hierzu die vorstehenden Ausführungen), den europäischen Preiskorridor möglichst schmal zu halten, vgl. hierzu z.B. Kucher, E.; (1995), S. 315-317. Diese zeitliche Verzögerung der Markteinführung lag 1997 einer PhRMA-Studie zufolge zwischen einem halben Monat (Großbritannien) und mehr als 12 Monaten (Belgien und Griechenland). In folgenden Ländern traten diese regulatorisch bedingten Phänomene auf (Verzögerung in Monaten): (Deutschland (0)), Großbritannien (0,5), Norwegen (2,5), Finnland (2,75), Dänemark (3,0), Spanien (4,75), Österreich (6,75), Italien (8,25), Portugal (9,25), Niederlande (9,5), Schweiz (9,75), Frankreich (9,75), Belgien (> 12) und Griechenland (> 12), vgl. PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2001 a), S. 86. Diese staatlichen Preiseingriffe können sogar zur Folge haben, daß bestimmte Präparate gar nicht in dem betreffenden Land eingeführt werden, vgl. PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2002), S. 46-50. Auf diesen Sachverhalt wird im Rahmen der Diskussion der strategischen Entscheidungsdimension des Timings in Kap. 4.2.2.2 (S. 358ff, vgl. hierzu insbes. auch Abb. 4-30, S. 359) und bei der Ergebnisdiskussion in Kap. 6.2.2, S.459ff, noch ausführlich einzugehen sein.

244

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

4.1.2.3

Patentrechtliche Marktsegmentierung: Patentablauf als technologiestrategischer Scheidepunkt

Wie erwähnt, dürfte ein (wenn nicht der entscheidende) Treiber für das Absinken des deutschen Preisniveaus im europäischen Vergleich die Tatsache sein, daß Deutschland den höchsten Generikaanteil aller Länder aufweist, wie Abb. 4-10 anschaulich belegt. Der Generikaanteil am deutschen GKV-Markt ist dabei kontinuierlich im zeitlichen Verlauf gestiegen (vgl. Abb. 4-11): Im knapp zwanzigjährigen Zeitraum von 1981 bis 1999 hat sich der Umsatzanteil der Generika von 12,9 % auf 31,8 % fast verzweieinhalbfacht. Der Verordnungsanteil ist sogar im gleichen Zeitraum von 12,0 % auf das fast Vierfache (46,4 %) gestiegen. Noch deutlicher wird diese revolutionäre Marktveränderung, wenn man nur das generikafähige Teilsegment des GKV-Marktes, das der patentfreien Wirkstoffe, betrachtet (vgl. Abb. 4-12).

39

38 34

32

22

13 13 13

11 11

9

8

6

5

4

3

3

3

2

0

D eu ts c D hla än nd em ar Is k la n G Fin d ro n ßb lan rit d an n K ie G an n rie a c h da en la n I rl d an N ie d de rla n M de ex ik o U SA Ö st er re ic h Ja pa n Be A u lgie st n ra Sc lien hw ed Ita en li Po en rtu g Sc al h Fr we an iz kr ei Sp c h an ie n

15

Abb. 4-10:

133

Generikaanteil am Gesamtverschreibungsmarkt für Arzneimittel in ausgewählten OECD-Ländern nach Wert 1996/1997 in Prozent. Quelle: Eigene Darstellung nach NERA (1999)133

Vgl. NERA – National Economic Research Associates; (1999), S. 21-22.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

245

Anteil (%) 50 42.0 41.4 42.5 43.2

40

37.5

22.6

20

14.3 12.9

10

29.5

27.1

30

13.8

15.8

17.7

15.6 16.2

17.9

19.9 21.5

Umsatz 29.7 29.9

22.7

46.4

Verordnungen

38.7

31.2

25.0

20.0

44.7 44.5

33.0 33.0 33.7

33.3 33.4

31.8 31.8

24.3 25.1

12.0

0 81

82

Abb. 4-11:

83

84

85

86

87

88

89

90

91

92

93

94

95

96

97

98

99

Generikaanteil am deutschen Arzneimittelmarkt im zeitlichen Verlauf 1981-1999 nach Umsatz und Verordnungshäufigkeit (ab 1991 schließen die Angaben die neuen Bundesländer ein). Quelle: Eigene Darstellung nach Schwabe/Paffrath (2001)134

Anteil (%) Verordnungen

80 70

62.7

60 50

44.3

40 30.1

32.6 34.6

30 20

25.6 27.2

36.8

47.2

49.4

52.4

64.3

47.8 47.5 36.9 39.2 33.8 35.6

65.4 63.2 64.4

54.4

40.3

28.1 28.5 30.7

64.5 61.9

70.4 67.4 68.0

54.4 51.5 51.9

56.1

59.5 60.8

Umsatz

41.2

10 0 81

82

Abb. 4-12:

134 135

83

84

85

86

87

88

89

90

91

92

93

94

95

96

97

98

99

Generikaanteil am generikafähigen Teilmarkt des deutschen Arzneimittelmarktes im zeitlichen Verlauf 1981-1999 nach Umsatz und Verordnungshäufigkeit (ab 1991 schließen die Angaben die neuen Bundesländer ein). Quelle: Eigene Darstellung nach Schwabe/Paffrath (2001)135

Vgl. Schwabe, U.; Paffrath, D.; (Hrsg.); (2001), S. 688. Vgl. Schwabe, U.; Paffrath, D.; (Hrsg.); (2001), S. 689.

246

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Erstmals erreichte der Verordnungsanteil von Generika im Segment der patentfreien Wirkstoffe 1999 mehr als 70 %. Dies entspricht im Vergleich zu 1981 mehr als einer Verdopplung. Gleiches gilt auch für den Umsatzanteil der Generika, der im gleichen Zeitraum von 25,6 % auf 64,3 % zugenommen hat. Das generikafähige Teilsegment der patentfreien Wirkstoffe entsprach 1999 dabei umsatzmäßig mit 9,31 Mrd. € der knappen Hälfte (49,4 %) des gesamten GKVMarktes.136 Bezüglich der Verordnungen ist das generikafähige Teilsegment mit einem Anteil von fast zwei Dritteln (65,8 %) sogar noch bedeutender: Von den insgesamt 782,6 Mio. Verordnungen zu Lasten der GKV entfallen 515,2 Mio. Verordnungen auf patentfreie (generikafähige) Wirkstoffe.137 Dabei sind vor allem umsatzstarke Präparate interessant für Generika-Hersteller. Der Generikaanteil der 20 wichtigsten patentfreien Wirkstoffe lag 1999, sowohl was den Umsatz als auch was die Verordnungshäufigkeit betraf, deutlich über dem Gesamtdurchschnitt im generikafähigen Teilsegment, vgl. Abb. 4-13. Das durchschnittliche Preisniveau einer Generikaverordnung lag 1999 insgesamt mit 16,47 € um fast 25 % unter dem einer Originalverordnung (21,74 €) im patentfreien GKV-Marktsegment. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, daß das Preisniveau der Originalpräparate nach Patentablauf und Beginn des generischen Wettbewerbs sowie aufgrund der Festbetragsregelung in Deutschland eine abrupte Errosion aufweist. So war beispielsweise der durchschnittliche Preisunterschied zwischen Original und den Generika beim außerordentlich umsatzstarken Blockbuster Ranitidin 1995 (dem Jahr nach dem Patentablauf) in Deutschland 68 %.138 Dabei lassen sich nach Beobachtungen von Praktikern im deutschen Arzneimittelmarkt Anzeichen für einen direkten Zusammenhang zwischen Preispolitik und Marktanteilsverlust des Originalpräparates erkennen:139 Eine frühzeitige

136 137 138 139

Vgl. ebenda, S. 690 und 831. Umrechnung in Euro durch den Autor. Vgl. ebenda, S. 831. Vgl. Litsch, M.; (1996), S. 444. Diese, hier zunächst auf Basis von Expertenerkenntnissen im Rahmen des qualitativen Teils der Experteninterviews, die für die empirische Studie der vorliegenden Arbeit durchgeführt wurden, gewonnene, für den deutschen Markt getätigte Aussage, steht in Einklang mit empirischen Ergebnissen für den US-amerikanischen Markt. Inwieweit die dem Autor von seinen Gesprächspartnern genannten, nachfolgend zusammengefaßten Beobachtungen repräsentativ sind, kann derzeit allerdings nicht gesichert beantwortet werden.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

247

a) Verordnungsanteil

b) Umsatzanteil 61.8%

Diclofenac Paracetamol

81.2%

Acetylcystein

100.0% 82.6%

Xylometazolin Acetylsalicylsäure Levothyroxin Ambroxol

90.3% 74.4% 99.9% 88.6%

Metoclopramid Metoprolol Insulin

100.0%

Verapamil Theophyllin Ranitidin

Abb. 4-13:

82.0% 74.0% 51.6% 99.9%

Ibuprofen Captopril

73.8%

Metoprolol Insulin

72.1% 30.4% 100.0% 83.1%

Nifedipin Phenoxymethylpenicillin

84.5% 83.2%

Furosemid Metamizol Glibenclamid

100.0% 83.2%

Xylometazolin Acetylsalicylsäure

Metoclopramid

72.7% 46.1%

Nifedipin Phenoxymethylpenicillin

76.2%

Acetylcystein

Levothyroxin Ambroxol

54.1%

Ibuprofen Captopril

59.8%

Diclofenac Paracetamol

82.9% 77.7%

Furosemid

81.7%

Metamizol Glibenclamid

72.7% 70.7% 67.6% 99.9% 93.6%

Verapamil Theophyllin Ranitidin

70.2% 62.7% 63.1% 99.9% 83.0%

Generikaanteil an den 20 wichtigsten patentfreien Wirkstoffen im deutschen GKV-Arzneimittelmarkt nach Umsatz und Verordnungshäufigkeit 1999 (von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattete Arzneimittel). Quelle: Eigene Darstellung nach Schwabe/Paffrath (2001)140

Preissenkung des Originators hat in Einzelfällen zu einer Stabilisierung des eigenen (volumenmäßigen) Absatzes geführt. Der Generikaanteil beschränkte sich dann weitestgehend auf die infolge der allgemeinen Preisniveausenkung mit Beginn des generischen Wettbewerbs für den betreffenden Wirkstoff stattfindende sprunghafte Absatzvolumenvermehrung. Zumindest in einigen Fällen kann auf dem deutschen Arzneimittelmarkt bei Patentablauf infolge des niedrigeren Preisniveaus nämlich eine drastische Steigerung der Verordnungshäufigkeit im GKV-Segment beobachtet werden. Diese kann bei einzelnen Wirkstoffen ein Vielfaches (2- bis 6faches) des Absatzvolumens des Wirkstoffes zum Patentablauf ausmachen.141 Zwar erlitten Originatoren, die dieser Generika-Verteidigungsstrategie folgten, aufgrund der frühzeitigen Preissenkungen Umsatzverluste, konnten aber auf diese Weise zumindest einen gewissen stabilen Markt-

140 141

Vgl. Schwabe, U.; Paffrath, D.; (Hrsg.); (2001), S. 690. Diese Expertenbeobachtung wird auch von publizierten Daten gestützt, vgl. hierzu die nachfolgend skizzierten Fallbeispiele Captopril, Ranitidin und Tramadol.

248

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

anteil und zum Teil sogar die Marktführerschaft (umsatz- und verordnungsstärkstes Präparat) erhalten.142 Der Zeitpunkt des Ablaufs des Wirkstoffpatentes ist von enormer technologiestrategischer Bedeutung, da er sowohl für den Innovator als auch für die Imitatoren einen technologiestrategischen Wendepunkt darstellt: Der Innovator sieht sich mit der Gefahr des jähen Endes seines Produktlebenszyklus und des rapiden Verlustes immer größerer Marktanteile konfrontiert. Die Imitatoren stellen zu diesem Zeitpunkt durch ihre Positionierung im Nachahmermarkt die entscheidenden Weichenstellungen für den Erfolg ihres Markteintritts. Für sie beginnt ein neuer Produktlebenszyklus mit ungewissem Erfolg. Zu diesem Zeitpunkt ändert sich zusätzlich abrupt das Grundmuster der Markt- und Wettbewerbssituation: Der Innovator, der zuvor auf Marktexpansion gesetzt hat, und dessen Hauptherausforderung im Innovationswettbewerb durch therapeutisch überlegene Produkte und dessen Hauptaufgabe in der Kommunikation der (evtl. nur scheinbar) „überlegenen“ Produktattribute an die Produktwahlentscheider143 bestand (Image- und Marketingwettbewerb), muß sich nun von heute auf morgen dem zur (nahezu alleinigen) dominierenden Wettbewerbskraft gewordenen Preiswettbewerb stellen. Dieser an diesem Punkt beginnende und von da an an Intensität kontinuierlich zunehmende Preiswettbewerb stellt für die Imitatoren einerseits die Chance für Marktanteilsgewinne gegenüber dem Originator, gleichzeitig aber auch eine enorme Herausforderung im innergenerischen Wettbewerb dar. Aus diesem Grund soll nachfolgend noch etwas genauer auf das Markt- und Wettbewerbsgeschehen an diesem entscheidenden technologiestrategischen Punkt eingegangen werden: Nach Ablauf des Wirkstoffpatentes des Erstanmelders treten in rascher Folge generische Wettbewerber in den Markt ein. Ihr Hauptdifferenzierungskriterium

142

143

Ein Beispiel dafür, daß sich auch das Original im intensiven generischen Wettbewerb die Marktführerschaft erhalten kann, ist das Schmerzmittel Tramal (Wirkstoff Tramadol). Hierauf wird nachfolgend in Form eines kurzen Fallbeispiels noch einmal zurückzukommen sein. Auf die Frage, wer die Entscheidung über die Produktwahl trifft und welche Besonderheiten dabei im Falle der Pharmazeutischen Industrie im Vergleich zu anderen Branchen zu beobachten sind, wird später in Zusammenhang mit der Diskussion des gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungsprozesses in Kap. 4.1.3.1, S. 268ff noch ausführlich eingegangen werden.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

249

144

ist der Preis. Die Preisentwicklung im Generikasegment ist daher im zeitlichen Verlauf stark fallend.145 Mit zunehmender Anzahl der generischen Markteintritte und mit wachsendem kumulierten Marktanteil von Generika insgesamt nimmt die Preiswettbewerbsintensität zu, der Preisverfall beschleunigt sich.146 Dieser auch für den gesamten Markt des betreffenden Wirkstoffs zu beobachtende Trend durchschnittlich stark sinkender Preise wurde nach Beobachtung US-amerikanischer Studien jedoch nicht von den Originatoren gestützt. Während die generischen Anbieter ihre Preise immer stärker senkten und auf diese Weise Marktanteile gewinnen konnten, war dies überraschenderweise bei den Originatoren nicht der Fall: Im Gegenteil war für die Originalpräparate auch nach Patentablauf ein weiterer deutlicher Preisanstieg im zeitlichen Verlauf zu beobachten, der sich (wenn überhaupt) nur unwesentlich von dem Preisanstieg vor Patentablauf unter144

145

146

Auf dem US-amerikanischen Markt ist der Preis des ersten in den Markt eintretenden Generika-Anbieters etwa 60 % unter dem des Originators, vgl. Caves, R. E.; et al.; (1991), S. 34-35. Ähnlich Grabowski/Vernon, die während des ersten Monats des generischen Wettbewerbs ein durchschnittliches Preisniveau der Generika von 61 % des Originatorpreises, nach einem Jahr eines von 46 % und nach zwei Jahren eines von 37 % ermittelten, vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 a), S. 335-337. In Zusammenhang mit der Diskussion der eigenen empirischen Befunde wird eine noch etwas differenziertere erweiterte Betrachtung der Wettbewerbsparameter im Nachahmermarkt anzustellen sein mit dem Ergebnis, daß neben dem Preiswettbewerb auch Image- und Marketingwettbewerb sowie Innovationswettbewerb das technologiestrategische Entscheidungsumfeld von Generika-Herstellern determinieren, allerdings mit geringerem Einfluß, vgl. hierzu Kap. 6.4.1, S. 559ff. Der Preisindex der Generika ging jährlich um ca. 20 % zurück, vgl. Suh, D.-C.; et al.; (1998), S. 17-32. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem Grabowski/Vernons, die während des ersten Jahres nach Beginn des generischen Wettbewerbes einen Rückgang der Generikapreise auf 78 % und nach Ende des zweiten Jahres auf 65 % ihres Ausgangswertes ermittelten, vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 a), S. 335337. Vgl. Rahner, E.; (1981), S. 14-16. Bei Eintritt eines generischen Wettbewerbers liegt das Generika-Preisniveau bei 58,8 % des Originatorpreises, bei drei Generikaanbietern bei 49,6 %, bei zehn Anbietern fällt es auf 29,4 % und bei zwanzig sogar auf 17,1 %, wie die Berechnungen von Caves et al.; für den US-amerikanischen Markt ergaben, vgl. Caves, R. E.; et al.; (1991), S. 35-36. Der Durchschnittspreis sinkt dabei mit der Anzahl der Generika-Anbieter unabhängig vom betrachteten Indikationsgebiet, vgl. Jambulingam, T.; Kreling, D. H.; (1995), S. 39-60. Jede Steigerung des generischen Marktanteils um 10 % ist durchschnittlich mit einem Absinken des Preisniveaus um 6,1 % gekoppelt, vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 a), S. 337. Mit jedem neuen Markteintritt eines Generikaanbieters sinkt das generische Preisniveau um 5,6 bis 7,2 % ab, vgl. Frank, R. G.; Salkever, D. S.; (1997), S. 88.

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie 147

schied. Grabowski/Vernon bezeichnen diese Marktstrategie der Originatoren als „Harvesting Strategy“,148 wonach zwar eine fortschreitende Erosion der Marktanteile von den Originatoren in Kauf genommen, gleichzeitig aber aus den noch bestehenden Marktanteilen ein unverändert hoher Deckungsbeitrag erlöst wird. Möglich (und überhaupt erfolgversprechend) wird diese Strategie dadurch, daß eine Marktsegmentierung vorliegt, bei der die einzelnen Segmente unterschiedlich preissensibel reagieren: Während das eine Segment – hierzu zählen der Krankenhausmarkt, aber auch Health Maintenance Organizations (HMOs) und die staatlichen Gesundheitsprogramme (Medicaid, Medicare) – sehr preissensibel reagiert und sich überwiegend den preisgünstigeren Generikaanbietern zuwendet – zeigt das andere Marktsegment eine ausgeprägte Markentreue für das Originalpräparat – hierbei handelt es sich überwiegend um Verordnungen von 147

148

Vgl. Caves, R. E.; et al.; (1991), S. 29-30, der diese Beobachtung für die Periode zwischen Patentablauf und Beginn des generischen Markteintritts macht, danach (im Zeitraum der Markteintrittskaskade von generischen Wettbewerbern) allerdings, im Gegensatz zu den nachfolgend zitierten Quellen, auch beim Originator leicht fallende Preise beobachtet. Diese Preiserosion fällt dabei aber erheblich geringer aus als bei bereits im Markt befindlichen Generika-Herstellern, vgl. ebenda, S. 35-36. Grabowski/Vernon fanden hingegen keine signifikante Veränderung in der Preissteigerungsrate der Originatoren nach Beginn des generischen Wettbewerbs, vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 a), S. 337-339. In Übereinstimmung damit ermittelten Frank/Salkever, daß der Preis des Originals fünf Jahre nach Beginn des generischen Wettbewerbs um durchschnittlich 50 % gestiegen ist, vgl. Frank, R. G.; Salkever, D. S.; (1997), S. 82-90. Nach Beobachtung von Suh et al. betrug der jährliche Preisanstieg vor Patentablauf 9,1 %, danach 6,0 %. Die Unterschiede in den jährlichen Preissteigerungen vor und nach Patentablauf erwiesen sich dabei als nicht signifikant, vgl. Suh, D.-C.; et al.; (1998), S. 17-32. Diese Preisschere zwischen Original und Generika wurde durch die Einführung einer neuen Rabattregelung für die Erstattung im staatlichen Gesundheitsprogramm Medicaid (13 % Marktanteil), der „Most-Favored-Customer-Clause“ im Rahmen des „Omnibus Budget Reconciliation Act (OBRA 90)“ von 1990 weiter vergrößert. Im Apothekenmarkt war als Reaktion auf diese Regelung ein zusätzlicher Preisanstieg bei Originalpräparaten von durchschnittlich 4 % zu beobachten, vgl. Scott Morton, F. M., (1997 a), S. 269-290; und Scott Morton, F. M., (1997 b), S. 151-174. Der Deckungsbeitragsverlust durch den höheren Zwangsrabatt an das öffentliche Medicaid-Programm wurde offenbar durch zusätzliche Deckungsbeiträge im Gesamtmarkt kompensiert. Auch diese Beobachtung spricht für die nachfolgend geschilderte Marktsegmentierung, ansonsten wäre ein derartiger Preisanstieg am Markt nicht durchsetzbar gewesen, ohne spürbare Marktanteilsverluste in Kauf zu nehmen. Zu deutsch bedeutet „harvesting“ strategy etwa soviel wie „Aberntungs- oder Ernteeinbringungsstrategie“, vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 a), S. 347.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

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niedergelassenen Ärzten, die von ambulanten Patienten direkt eingelöst werden.149 Da gleichzeitig die Marketingaufwendungen der Originatoren bereits etwa zwei Jahre vor Patentablauf drastisch zurückgefahren werden150 (Caves et al. führen dies auf ein sinkendes Interesse an einer weiteren Marktausweitung – der Hauptfunktion der informierenden ethischen Pharma-Werbung – zurück, da diese Zuwächse mit den generischen Wettbewerbern geteilt werden müßten),151 ergaben Berechnungen aus den USA, daß diese Strategie insgesamt profitabler als eine vollständige Anpassung an das Preisniveau der Generikaanbieter wäre.152 Auf dem deutschen Markt ist sowohl eine „aktive Preispolitik“ der Originatoren als Reaktion auf den einsetzenden generischen Wettbewerb zu beobachten als auch eine „passive Preispolitik“. Während die „aktive Preispolitik“ durch Preissenkungen die Attraktivität des Marktes für Generikaanbieter herabzusetzen und Marktanteile zu sichern sucht, entspricht die „passive Strategie“ der zuvor für den US-amerikanischen Markt beschriebenen „Harvesting-Strategie“. Welche Strategie von den Originatoren bevorzugt wird, hängt von der Größe der Dynamik im Marktsegment, der Bedeutung des therapeutischen Prinzips bei Patentablauf, dem Grad der Produktdifferenzierung (Bedeutung von Kombinationspräparaten) und der Markentreue des Arztes gegenüber dem Originalpräparat ab.153 Die Markteintrittsentscheidung von Generika-Unternehmen in den Imitationswettbewerb um einen bestimmten Wirkstoff wird dabei von der Größe des wahrscheinlichen Profits determiniert. Dieser hängt einerseits von der Marktgröße (Umsatz) des betreffenden Wirkstoffs und andererseits von der Differenz zwi149

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Vgl. Frank, R. G.; Salkever, D. S.; (1992), S. 166-170 und 175. Ebenso Caves, R. E.; et al.; (1991), S. 30-34, die erhebliche Unterschiede zwischen Apotheken- und Krankenhausteilmarkt ausmachen. Diese Unterschiede in der Preiselastizität in beiden Marktsegmenten des US-amerikanischen Pharma-Marktes hatte auch Statman bereits in seiner Studie zu Ende der 1970er Jahre festgestellt, als die generische Wettbewerbsintensität sich insgesamt noch auf einem erheblich niedrigeren Niveau bewegte, vgl. Statman, M.; (1981), S. 150. Die Werbeintensität des Originators reduziert sich schrittweise: um etwa 10 % bereits zwei Jahre vor Patentablauf, weitere ca. 25 % pro Jahr im Zeitraum zwischen Patentablauf und Beginn des generischen Wettbewerbs. Bei Eintritt des ersten generischen Wettbewerbers wird diese um weitere 20 % reduziert, bei fünf Generika-Anbietern um weitere 40 % und, wenn diese eine Anzahl von 10 erreichen, um noch mal 20 %, vgl. Caves, R. E.; et al.; (1991), S. 39-40. Vgl. Caves, R. E.; et al.; (1991), S. 40. Vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 a), S. 340. Vgl. Rahner, E.; (1981), S. 14-16.

252

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

schen dem derzeitigen Angebotspreis des Originators und den eigenen marginalen Kosten des jeweiligen Imitators (Marge) ab.154 Demzufolge sind umsatzstarke Wirkstoffe tendenziell einem stärkeren Nachahmerwettbewerb bei Patentablauf ausgesetzt als umsatzschwache. In der gleichen Richtung wirkt sich auch das relative Preisniveau aus. Der Marktanteilsverlust des Originators hängt dabei ebenfalls direkt von der Höhe der Preisdifferenz zwischen Originator und dem Durchschnitt der Generikaanbieter ab.155 Die marginalen Kosten des jeweiligen Generikaanbieters werden von einer Reihe von Faktoren bestimmt: Hierzu zählen auch der Umfang der Erfahrungen hinsichtlich Zulassung, Produktion und Vertrieb ähnlicher Arzneimittel. Je größer (und ähnlicher) dieses bisherige Erfahrungs-Know-how des jeweiligen Generika-Unternehmens ist, desto wahrscheinlicher entscheidet es sich für einen imitativen Markteintritt im jeweiligen Wirkstoffmarkt.156 Letztlich stellten aber weder die Zulassungskosten noch andere Faktoren insgesamt eine signifikante Markteintrittsbarriere für den Nachahmerwettbewerb dar.157 Neben dem Umsatz- und Profitpotential spielen aber auch sortimentspolitische Überlegungen und die Unternehmensphilosophie eine signifikante Rolle bei der Imitationsentscheidung. Die Unternehmensgröße hatte kaum einen Einfluß, und auch die Anzahl tatsächlicher oder potentieller Konkurrenten erwies sich nicht als ein Kriterium von Bedeutung.158 Der Markterfolg der einzelnen Generika-Unternehmen wird ebenso durch eine Reihe von Faktoren bestimmt. Den entscheidendsten Einfluß auf den Marktanteil des jeweiligen Generikaanbieters im (vor allem im innergenerischen) Wett-

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Die Anzahl der generischen Markteintritte hängt dabei direkt von der erwarteten Profitabilität auf Seiten der Generika-Hersteller ab, vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 a), S. 341-345. Vgl. Aronsson, T.; et al. ; (1998), S. 8; nach deren Berechnungen auf Basis eines ökonometrischen Modells für den schwedischen Arzneimittelmarkt beträgt der Marktanteilsverlust des Originals bei Preisgleichheit 0,30 % pro Quartal, wenn der Preis des Originals doppelt so hoch wie der des Generikums ist, hingegen 2,20 % pro Quartal. Neben der relativen Preisdifferenz determiniert auch die Anzahl der generischen Wettbewerber das Ausmaß der Marktanteilsverluste des Originators, vgl. Caves, R. E.; et al.; (1991), S. 37-38. Vgl. Scott Morton, F. M., (1997 d), S. 19-28. Vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 a), S. 344-345. Vgl. hierzu und für eine noch differenziertere Betrachtung der Einflußfaktoren auf die Imitationsentscheidung Gedenk, G.; (1987), S. 63-216.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

253 159

bewerb hatte in den amerikanischen Studien der relative Preis. Von entscheidender Bedeutung ist aber auch der Zeitpunkt (insbesondere auch die Reihenfolge) des Markteintritts, Qualitätsvorsprünge (höhere relative Bioverfügbarkeit) sowie Image- und Markenvorteile.160 Auf dem deutschen Markt hat sich der Markteintrittszeitpunkt als entscheidendes Kriterium erwiesen.161 Je früher der Markteintritt erfolgt, desto billiger (in Bezug auf die erforderlichen Werbeaufwendungen) können Marktanteile gewonnen werden und desto eher kann (innerhalb des generischen Segments) eine „Hochpreisstrategie“ verfolgt werden. Unternehmen, die den frühzeitigen Markteintritt verpassen, gelingt es teilweise nicht einmal, ihre Werbeausgaben über den Umsatz zu decken. Besondere Vorteile erwachsen dabei Generika-Herstellern, die sich über eine Einigung mit dem Originator einen Pioniervorteil bereits vor Patentablauf sichern können.162 Im Wettbewerb mit dem Originator determinieren, gemäß Untersuchungen einer Studie über die im Zeitraum 1979–1984 entstandenen deutschen Nachahmermärkte die folgenden Faktoren den Erfolg der Nachahmer:163 Einen entscheidenden Einfluß auf den Nachahmererfolg haben Substanzcharakteristika des jeweiligen Wirkstoffs. Das Ausmaß, in dem der Wirkstoff zur Dauertherapie eingesetzt wird, und seine Therapieerfolgswahrscheinlichkeit üben einen negativen Effekt auf den Nachahmererfolg aus. Positiv wirkt sich hingegen für die Nachahmer aus, wenn der Beginn des generischen Wettbewerbs in einer frühen Phase (Expansionsphase) des Produktlebenszyklus stattfindet und die Gesamtabsatzmenge im zeitlichen Verlauf noch deutlich zunimmt. Auch mit zunehmendem relativen Anteil der Nachahmer an den Gesamtwerbeaufwendungen im betreffenden Wirkstoffmarkt steigen deren Erfolgsaussichten. Schließlich, in völliger Übereinstimmung mit allen übrigen Studien, wirkt sich eine zunehmende

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Vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 a), S. 345-346. Vgl. ebenda, ebendort. Vgl. Roth, E. B.; (1995), S. 387-395. Pionier zu sein ist der “wichtigste Schlüsselfaktor”. Nach Roth „war niemals der „Billigste“ auch der Stärkste mit der höchsten Absatzmenge“, vgl. ebenda, S. 390. Aber auch Grabowski/Vernon weisen mit Blick auf den US-amerikanischen Markt darauf hin, daß für nahezu alle (untersuchten) Generika, „the market leader is an early entrant“, vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 a), S. 346. Vgl. Hilleke-Daniel, K.; (1989 a), S. 230-238; Hilleke-Daniel, K.; (1989 b), S. 21-24. Vgl. Huber, W.; (1988), S. 206-219.

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

relative Preisdifferenz zwischen Original und Generika positiv auf den kumulierten Marktanteil der Imitatoren aus. Während in den USA aufgrund der „Harvesting-Strategie“ der Preis der Originalpräparate nach Patentablauf ansteigt, ist dies in Deutschland und Frankreich nicht der Fall. Generell nimmt mit zunehmender Anzahl an Marktneueintritten das Preisniveau der angestammten Präparate hier ab.164 Im generischen Wettbewerb zeigen schwedische Untersuchungen, daß Referenzpreissysteme ein zusätzliches Sinken der Originatorenpreise bewirken.165 Aufgrund seiner besonderen Konstruktion dürfte dies in noch viel stärkerem Maße für die deutsche Festbetragsregelung gelten. Als letztes entscheidendes Detail bleibt nachzutragen, daß in den USA keine Volumenausweitung infolge des Markteintritts preisgünstigerer generischer Präparate beobachtet wurde.166 Auf dem deutschen Arzneimittelmarkt gibt es zumindest eine Reihe bedeutender Ausnahmen in dieser Hinsicht. Alle drei nachfolgend kurz als Fallbeispiele (auch für unterschiedliches Originatorenverhalten) skizzierten, umsatzstarken und therapeutisch wichtigen Wirkstoffe aus den drei ganz unterschiedlichen Indikationsgebieten Magen-Darm (Ulkus-Therapeutika), Herz-Kreislauf (ACE-Hemmer) und Schmerzmittel (Analgetika) gehören zu diesen Ausnahmen, die auf dem deutschen Markt auch die Regel darstellen könnten.167 Den Anspruch auf Repräsentativität können die nachfolgenden Fallbeispiele freilich nicht erheben:

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Vgl. Hudson, J.; (1992), S. 109. Vgl. Aronsson, T.; et al. ; (1998), S. 9-12. Durch die Einführung des Referenzpreissystems wurde die relative Preisdifferenz zwischen Original und dem Durchschnitt der Generika verringert. Bei acht von zwölf untersuchten Wirkstoffen war bei Einführung des Referenzpreissystems ein signifikanter Preisabschlag bei den Originalpräparaten zu beobachten. Vgl. Frank, R. G.; Salkever, D. S.; (1997), S. 89, die auch für die von ihnen untersuchten Wirkstoffe, die im Zeitraum von 1984-87 erstmals generischem Wettbewerb ausgesetzt waren, keine starken Volumenzuwächse für die meisten Wirkstoffe beobachteten. Caves et al. führen dies auf zwei sich gegenseitig kompensierende Effekte zurück: Einerseits steigt das Absatzvolumen aus Preiselastizitätsgründen infolge der niedrigeren Angebotspreise der Generika-Anbieter, andererseits bewirkt die deutlich eingeschränkte Werbeintensität des Originators einen merklichen Nachfragerückgang, vgl. Caves, R. E.; et al.; (1991), S. 43. Dies zu klären ist nicht Aufgabe der vorliegenden Arbeit, es erfolgt daher die Beschränkung auf die Illustration durch die nachfolgenden Fallbeispiele. Nicht nur aus technologiestrategischer Perspektive wäre dies aber ein wichtiger Forschungsgegen-

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

255



Beim ACE-Hemmer Captopril steigerte sich der Absatz von ca. 190 Mio. DDD (Definierten Tagesdosen) (nur Originale) 1993 – dem Jahr des Patentablaufs – auf einen kumulierten Absatz (Originale und Generika) von 407,8 Mio DDD in 1999, wovon die Originale Lopirin und Tensobon mit zusammen 39,2 Mio. DDD nur noch einen (absatzbezogenen) Marktanteil von 9,6 % hatten. Auch auf Umsatzbasis ergibt sich kein wesentlich höherer Marktanteil: Er lag 1999 bei 26,2 % der gesamten GKV-Umsätze mit diesem Wirkstoff in Höhe von 143,6 Mio. €. Der Preis der Originale war von 1,32 € je DDD (1995) um 27 % auf 0,96 € je DDD (1999) zurückgegangen, lag damit aber immer noch um 185 % über dem Durchschnittspreis von 0,34 € je DDD für diesen Wirkstoff. 168 Das Gesamtabsatzvolumen (Originale und Generika) des Wirkstoffs hatte sich also mehr als verdoppelt (2,15-facht). Das Verhalten der Originatoren ist der „Harvesting-Strategie“ zuzurechnen.



Beim H2-Antagonisten Ranitidin vermehrte sich der Absatz von ca. 68 Mio. DDD (nur Originale) 1994 – dem Jahr des Patentablaufs – um etwa 170 % auf 181,6 Mio. DDD 1999 (Generika und Originale kumuliert), was etwa dem 2,7-fachen Absatzvolumen entspricht. Der (absatzmäßige) Marktanteil der beiden Originale Zantic und Sostril betrug zusammen mit 12,9 Mio. DDD nur noch 7,1 %. Auch der Marktanteil an den deutschen GKV-Umsätzen lag mit 17 % von 119,3 Mio. € in 1999 relativ niedrig. Der Preis der Originale war von 2,64 € je DDD (1995) um 40 % auf 1,58 € je DDD (1999) gefallen, lag aber immer noch um 155 % über dem Durchschnittspreis von 0,62 € je DDD (1999).169 Auch hier ist also eine deutliche Vermehrung des Absatzvolumens nach Patentablauf festzustellen. Die Originatoren reagierten auf den generischen

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169

stand, der insbesondere auch für die gesundheitspolitische Diskussion von entscheidender Bedeutung wäre, schließlich würde ein drastischer Abbsatzanstieg nach Patentablauf bedeuten, daß zumindest Patienten der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland aus Kostengründen vor diesem Zeitpunkt nicht das therapeutisch beste Arzneimittel erhielten. Die Ausführungen beruhen auf eigenen Berechnungen auf Basis der Angaben von Litsch, M.; (1996), S. 444, Abb. 5 sowie Schwabe, U.; Paffrath, D.; (Hrsg.); (2001), S. 55 und 823. Die Ausführungen beruhen auf eigenen Berechnungen auf Basis der Angaben von Litsch, M.; (1996), S. 444, Abb. 5 sowie Schwabe, U.; Paffrath, D.; (Hrsg.); (2001), S. 463 und 829.

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Wettbewerb ebenfalls mit einer „passiven“ Preisstrategie („Harvesting Strategie“). –

Das Schmerzmittel Tramadol, das mit großem Abstand meist verordnete Opioid auf dem deutschen GKV-Markt, ist hingegen ein Beispiel, wo es dem Originator gelang, nicht nur (absatz- und umsatzbezogener) Marktführer zu bleiben, sondern auch vier Jahre nach dem Patentablauf 1994 noch die Absatzmenge jedes Jahr zu steigern: 1999 war das erste Jahr, in dem der Originator einen leichten Rückgang in der Verordnungshäufigkeit um 5,5 % hinnehmen mußte. Aber auch 1999 lag sein Absatzvolumenanteil mit 20,9 Mio. DDD noch bei 35,4 % der insgesamt 59,1 Mio. DDD.170 Der Umsatzanteil der insgesamt 14 Generika-Anbieter lag sogar nur bei etwas mehr als der Hälfte (60,0 %), der des Originators bei 40,0 %, obwohl Tramadol mit einem GKVUmsatz von 110 Mio. €171 nicht zu den umsatzschwachen Präparaten des deutschen GKV-Marktes gehört.172 Eine zentrale Ursache für die außerordentlich robuste Marktposition des Originals dürfte die aktive Preispolitik des Originators darstellen: Der Preis des Originals lag 1999 mit 2,11 € je DDD nur um 13 % über dem Durchschnittspreis (Generika und Original) von 1,83 € je DDD.173

Zusammenfassend kann aus dem vorstehend Gesagten der Intensität des generischen Wettbewerbs aber in jedem Fall eine entscheidende Bedeutung für die Entwicklung des Preisniveaus zugesprochen werden. Alle Studien kamen unabhängig vom untersuchten Markt zu dem einheitlichen Ergebnis, daß das Preisniveau des jeweiligen Wirkstoffs insgesamt infolge des generischen Wettbewerbs erheblich gesunken ist.174 Die Intensität des generischen Wettbewerbs hat dabei starke Auswirkungen auf die Originatoren: Die Innovationsrate und andere Erfolgsfaktoren von Inno-

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Vgl. Schwabe, U.; Paffrath, D.; (Hrsg.); (2001), S. 69-70. Vgl. ebenda, S. 830. Umrechnung in Euro durch den Autor. Da die Markteintrittswahrscheinlichkeit von Nachahmern, wie weiter oben ausführlich dargelegt, mit zunehmendem Umsatzvolumen des jeweiligen Wirkstoffes ansteigt, ist bei umsatzschwachen Präparaten mit einer verminderten generischen Wettbewerbsintensität und einem höheren verbleibenden Marktanteil des Originalpräparates zu rechnen. Vgl. ebenda, S. 70. Umrechnung in Euro und Prozentberechnung durch den Autor. Vgl. hierzu die vorstehend zitierten Literaturquellen.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

257

vatoren erwiesen sich im ökonometrischen Modell von Grabowski/Vernon als hochsensibel gegenüber einer Zunahme der generischen Wettbewerbsintensität.175 Aus Sicht des Innovators haben sowohl die Intensitätszunahme des generischen Wettbewerbs als auch die Verkürzung der effektiven Patentnutzungsdauer faktisch die gleiche Wirkung: Sie führen zu einer Reduktion der Länge des Produktlebenszyklus. Damit schrumpft die Zeitdauer, in der die F&E-Investitionen refinanziert werden können, was eine Zunahme des unternehmerischen Risikos für Innovatoren zur Folge hat.176 Der US-amerikanische „Drug Price Competition and Patent Term Restoration Act“ (Waxman-Hatch-Act) aus dem Jahre 1984 enthält zwei hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Produktlebenszyklus von Originalpräparaten gegensätzliche Elemente: Einerseits wird die Länge der effektiven Patentnutzungsdauer um zusätzliche fünf Jahre verlängert, andererseits wird der Markteintritt von Generika-Herstellern nach Patentablauf erleichtert177 175

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Vgl. Grabowski, H.G.; Vernon, J. M.; (1987), S. 491-525, insbesondere S. 507-510; sowie Grabowski, H.; (1994), S. 26-30. Vgl. hierzu auch die späteren Ausführungen zur technologiestrategischen Risikobereitschaft in der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.1.1, S. 335ff. Generika-Hersteller dürfen danach direkt auf die Zulassungsdossiers des Erstanmelders Bezug nehmen und müssen im Rahmen eines stark vereinfachten (gegenüber dem für Erstanmelder vorgeschriebenen) Zulassungsverfahrens, welches nur die Einreichung einer „Abbreviated New Drug Application (ANDA)“ erfordert, nur noch die pharmakologische Gleichheit mit dem Original (in sogenannten Bioäquivalenz-Studien) belegen. Dieses entspricht auch der aktuellen in Deutschland geltenden regulatorischen Praxis. Für eine differenzierte Erörterung des hier zugrundeliegenden Problems der Nachanmelderproblematik, vgl. Gedenk, G.; (1987), S. 217-269, sowie die dort zitierte Literatur, die auf Basis eines multinationalen Rechtsvergleichs für verschiedene Branchen unterschiedliche Lösungsmodelle (u.a. von Albach und Brockhoff (vgl. ebenda, S. 245-255)) diskutiert und ihre praktische Akzeptanz bei Imitatoren und Innovatoren empirisch untersucht. Vor Inkrafttreten des Waxman-Hatch-Act waren die Zulassungsdossiers (sofern sie nicht in der wissenschaftlichen Fachliteratur (vom Originator oder mit dessen Einverständnis) publiziert wurden) ein Unternehmensgeheimnis des Originators. GenerikaHersteller mußten die klinischen Studien für die Beantragung einer Zulassung daher in weiten Teilen wiederholen, was aufgrund der erheblichen damit verbundenen Kosten eine entscheidende Markteintrittsbarriere darstellte und generische Imitation nur bei außerordentlich umsatzstarken Arzneimitteln überhaupt interessant machte. Zur praktischen Umsetzung dieser vereinfachten Zulassung durch die US-amerikanische FDA vgl. Scott Morton, F. M.; (1997 c), die eine kritische Analyse aus Perspektive der betroffenenen Generika-Hersteller (Zulassungsdauern, Gleichbehandlung der generischen Wettbewerber) und eine kritische Reflexion aus wohlfahrtsökonomischer Perspektive (Verbraucherschutz versus sozialen Wohlfahrtsgewinn) vornimmt.

258

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie 178

und gefördert – mit dem erklärten Ziel, den generischen Wettbewerb nach Patentablauf zu beschleunigen179 und über den erhofften Preisverfall Kostenentlastungseffekte im Gesundheitswesen zu erzielen. Dabei soll insgesamt sowohl der Innovations- als auch der Preiswettbewerb gefördert werden. Ob dadurch allerdings insgesamt ein positiver Anreiz für eine verstärkte Innovationstätigkeit der Originatoren gesetzt wird, bleibt offen.180 178

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Durch das Roche-Bolar-Amendment (zum Waxman-Hatch-Act) wurde ein zusätzlicher Anreiz bzw. eine zusätzliche Erleichterung des Marktzutritts für GenerikaHersteller gegeben. Danach ist es Generika-Herstellern erlaubt, alle Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten bereits während des bestehenden Patentschutzes für den Originator durchzuführen, vgl. hierzu und zu den wahrscheinlichen Auswirkungen einer Einführung einer analogen Regelung in der EU z.B. NERA – National Economic Research Associates; (1999), S. 87-90. Dieses „Working the patent“ erlaubt nicht nur, die zur Beantragung der Zulassung erforderlichen Studien durchzuführen sowie die entsprechende Zulassung zu erlangen, sondern gestattet auch die Entwicklung von Verbesserungsinnovationen, ohne sich dabei einer Patentverletzung schuldig zu machen. Insbesondere die Entwicklung neuer galenischer Systeme ist in der Praxis für Generikahersteller interessant. Als ein zusätzlicher Anreiz wird dem ersten Zweitanmelder unter bestimmten Voraussetzungen eine Periode der Marktexklusivität (gemeinsam mit dem Originator) von 180 Tagen eingeräumt, bevor die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA einem weiteren generischen Wettbewerber den Markteintritt gestatten darf, vgl. hierzu ebenda, S. 170-175. Die Beschleunigung des generischen Wettbewerbs hat auch tatsächlich stattgefunden, wie der direkte Vergleich zweier Studien für den US-amerikanischen Markt vor und nach der Einführung des Waxman-Hatch-Act 1984 belegt: Während Statman in seiner Studie feststellte, daß 1978 keines der untersuchten Originalpräparate im Apothekenmarkt einen Marktanteil von weniger als 92,4 % und im Krankenhausmarkt von weniger als 81,8 % hatte, kamen Grabowski/Vernon zu der Beobachtung, daß im Zeitraum 1984-88 die Originale bereits einen Monat nach Beginn des generischen Wettbewerbs 9 %, nach einem Jahr 35 % und nach zwei Jahren sogar 49 % ihres Marktanteils an Generika verloren hatten, vgl. Statman, M.; (1981), S. 140-170, insbes. S. 145-151; sowie Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 a), S. 335-337. Auch Frank/Salkever kommen bei ihren Studien zu dem Ergebnis, daß der Markteintrittsprozeß (für Nachahmer) in Übereinstimmung mit den Zielen des Waxman-Hatch-Act im zeitlichen Verlauf ihrer Untersuchungsperiode (1984-87) substantiell einfacher geworden ist, vgl. Frank, R. G.; Salkever, D. S.; (1997), S. 86. Eine Gegenüberstellung der Nettoeffekte aus diesen beiden gegensätzlichen Regulierungswirkungen aus Originatorenperspektive auf Basis eines ökonometrischen Modells haben Grabowski/Vernon vorgenommen und kommen zu dem Ergebnis, daß insgesamt beide Effekte etwa gleich groß sind, so daß sich positive und negative Effekte im Durchschnitt die Waage halten. In Einzelfällen können aber sowohl erhebliche positive Effekte (für Firmen, die z.Z. auf die Neuentwicklung von umsatzstarken „Blockbustern“ setzen) als auch erhebliche negative Effekte (insbesondere bei Fir-

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

4.1.2.4

259

Veränderungstendenzen in der Struktur des deutschen GKV-Marktes

Aufschlußreiche Erkenntnisse über die Marktentwicklungen aus technologiestrategischer Perspektive kann aber auch die Analyse der Preisentwicklung von Arzneimitteln im jeweiligen Land bringen. Betrachtet man die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)181, so können Veränderungen in der Höhe der Arzneimittelausgaben prinzipiell auf drei verschiedenen Faktoren beruhen: –

Einer Veränderung der Absatzmenge (Mengenkomponente). Diese kann wiederum auf drei unterschiedliche Veränderungseffekte zurückgeführt werden: ƒ Veränderungen in der Mitgliederanzahl und -struktur der GKV, ƒ Veränderung in der Anzahl der Behandlungsfälle und schließlich ƒ der Verschreibungshäufigkeit.



einer Veränderung der Preise für die einzelnen Arzneimittel (Preiskomponente) und



einer Veränderung in der Zusammensetzung des „Arzneimittelkorbes“ (Strukturkomponente). Veränderungen in der Arzneimittelstruktur können auf zwei Effekten beruhen: ƒ Der Einführung gänzlich neuer Medikamente und der Substitution von zumeist älteren Präparaten durch andere (neue) (Intermedikamenteneffekte),

181

men, die ihre F&E-Programme mit Umsätzen von Präparaten, die kurz vor Patentablauf stehen, finanzieren müssen) auftreten. Je nach dem Diversifikationsgrad des bestehenden Arzneimittelportfolios, insbesondere auch der Patentablaufdaten der einzelnen Präparate, und der Zusammensetzung der Entwicklungspipeline, dürften die Effekte des Waxman-Hatch-Act eine große Schwankungsbreite zwischen einzelnen Innovatoren aufweisen, vgl. Grabowski, H.; Vernon, J.; (1986), S. 195-198. Hinsichtlich der negativen Effekte aus Innovatorenperspektive ließ sich in der Tat auch empirisch eine starke Verkürzung des Produktlebenszyklus nach Patentablauf infolge einer extremen Zunahme der generischen Wettbewerbsintensität beobachten: Durchschnittlich verlor das Originatorprodukt innerhalb von zwei Jahren nach Markteintritt des ersten Nachahmerpräparates etwa die Hälfte seines Marktanteils, vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 a), S. 347. Andere Studien berichten von einem Marktanteilsverlust der Originatoren von 40-50 %, vgl. Frank, R. G.; Salkever, D. S.; (1997), S. 89. bzw. die der öffentlichen Gesundheitssysteme in anderen Ländern.

260

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie Indexiert: 1993 = 100 170 160 150

Umsatz-Gesamtsteigerung Strukturkomponente Mengenkomponente Preiskomponente

Index

140 130 120 110 100 90 80 1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

Jahr

Abb. 4-14:

Entwicklung der Arzneimittelausgaben der deutschen Gesetzlichen Krankenversicherung im zeitlichen Verlauf 1993-2000. Quelle: Eigene Darstellung nach VFA (2001 a)182

ƒ sowie der Veränderung von Darreichungsformen- oder Stärken und der Packungsgröße bei ein und demselben Wirkstoff (Intramedikamenteneffekt).183 Die Veränderungen der einzelnen Komponenten im deutschen GKV-Markt im zeitlichen Verlauf von 1993 bis 2000 gibt Abb. 4-14 wieder. Interessant ist eine Gegenüberstellung mit der Entwicklung in früheren Jahren. Während im Zeitraum 1993-2000 die Strukturkomponente der alleinige Treiber des Umsatzanstieges (von durchschnittlich ca. 6 % p.a.) ist, und die Mengenkomponente bei nahezu unveränderter Preiskomponente (berücksichtigt man die generelle jährliche Inflationsrate, ist auch die Preiskomponente rückläufig) sogar leicht rückläufig ist, war dies in der Periode 1965-1974 gänzlich

182 183

Vgl. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 58. Vgl. hierzu z.B. Nord, D.; (1976), S. 10-29; Nord, D.; (1984), S. 57-74; VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 57-58.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

261

anders: Die durchschnittliche Steigerungsrate des Umsatzes betrug 16,4 %, wovon 6,7 % auf Mengeneffekte, 6 % auf Preiseffekte und nur 4 % auf Struktureffekte zurückging.184 Konkret bedeutet dies, daß heute (und in Zukunft) bei rückläufiger Absatzmenge (im GKV-Markt) und stagnierenden Preisen, zusätzliche Umsätze vor allem mit neuen, innovativen Medikamenten zu erreichen sind, während dies in den sechziger und siebziger Jahren in sehr viel geringerem Ausmaß der Fall war. 4.1.2.5

Der Fragmentierungsgrad im Arzneimittelmarkt

Der Arzneimittelmarkt ist im Vergleich zu anderen Branchen stark fragmentiert, d.h. eine relativ hohe Zahl unterschiedlicher Anbieter bestimmt das Marktgeschehen,185 vgl. Abb. 4-15. Beispielsweise betrug der kumulierte Marktanteil der führenden zehn Anbieter im deutschen Apothekenmarkt nur etwa ein Drittel (33,8 % im Apothekenmarkt West, 33,3 % im Apothekenmarkt Ost). Die führenden zwanzig Anbieter beherrschten etwas mehr als die Hälfte (50,1 % West, 51,8 % Ost), und die führenden 50 Anbieter nur etwas mehr als zwei Drittel (70,7 % in beiden Teilmärkten) des deutschen Apothekenmarktes.186 Betrachtet man den Gesamtmarkt, also Apotheken- und Krankenhausmarkt,187 so ist der Konzentrationsgrad188 etwas höher: So betrug 1999 der kumulierte

184 185

186

187

188

Vgl. Nord, D.; (1976), S. 10. Vgl. z.B. Grabowski, H.; Vernon, J.; (1994 b), S. 435-449. Dieser Sachverhalt bedingt u.a. die besonders gute Eignung der Pharmazeutischen Industrie für die in der vorliegenden Arbeit angestellten Betrachtungen, da eine relativ große Anzahl unabhängiger Unternehmen (und damit potentiell unterschiedlicher Technologiestrategien) mit hoher Marktrelevanz zur Analyse zur Verfügung stehen, worauf bereits in der Einleitung (Kap. 1.1, S. 1ff) hingewiesen wurde. Vgl. IMS Health, zitiert nach BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (2001 e), S. 13. Auf die Marktsegmentierung nach Absatzkanälen wird in Kap. 4.1.3.3 (S. 289ff) später näher eingegangen werden. Zur Voraborientierung mag der Hinweis genügen, daß der Apothekenmarkt 85 % und der Krankenhausmarkt 14 % des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes (in Herstellerabgabepreisen) entspricht. Unter Konzentrationsgrad wird hier der Anteil der N führenden Unternehmen (N = 10, 25 usw.) (in %) am Gesamtumsatz im entsprechenden Markt verstanden. Zur Diskussion der Maßstäbe zur Messung und der Definition des Konzentrationsgrades vgl. auch May, M.; (1972), S. 71-77; und Kaufer, E.; (1976), S. 25-26; Earl-Slater, A.; (1993), S. 84-86.

262

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Kumulierter Marktanteil der Hersteller am Gesamtmarkt in %

Konzentrationsgrad der Anbieter im deutschen Apothekenmarkt 2000 Kumulierter Marktanteil der führenden Hersteller in % 100

80

60

40

20

Apothekenmarkt West Apothekenmarkt Ost

0

Abb. 4-15:

0

20

40

60

80

100

Anzahl führender Hersteller

Anbieterkonzentration im deutschen Apothekenmarkt 2000. Quelle: Eigene Darstellung nach IMS Health/BPI (2001 e)189

Marktanteil der führenden zehn Anbieter im deutschen Arzneimittelmarkt 38,35 %, der der führenden 25 Anbieter 64,9 %.190 Insgesamt weist der Krankenhausmarkt also eine etwas höhere Anbieterkonzentration auf. Im internationalen Vergleich gehörte der deutsche Arzneimittelmarkt 1999 gemeinsam mit dem japanischen (37,25 % kumulierter Marktanteil der Top 10 Anbieter bzw. 63,65 % der Top 25 Anbieter) zu den am stärksten fragmentierten Pharma-Märkten. Aber selbst der regionale Markt mit der höchsten relativen Anbieterkonzentration unter den weltweit größten Pharma-Märkten, die USA, weisen im Vergleich zu anderen Branchen eine relativ große Fragmentierung auf: Die Top 10 Anbieter verfügten über einen kumulierten Marktanteil von 47,87 %, die Top 25 Anbieter über einen von 84,51 %. Die neben Deutschland führenden europäischen Märkte (Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien) weisen für die führenden zehn Anbieter einen kumulierten Marktanteil von 40-50 % auf, für die führenden 25 von etwa 75 % auf. 189 190

Vgl. ebenda, S. 13. Vgl. Gambardella, A.; et al.; (2000), S. 25.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

263

Im deutschen Arzneimittelmarkt haben im zeitlichen Vergleich zwischen 1994 und 1999 die führenden Anbieter (ähnlich wie in den meisten westeuropäischen Märkten) ihre kumulierten Marktanteile steigern können: die Top 10 von 34,97 % auf 38,35 % und die Top 25 von 61,79 % auf 64,9 %.191 Der Konzentrationsgrad hat sich aber trotz der Welle von Fusionen und Akquisitionen, die die weltweite Pharma-Industrie in den letzten Jahren erlebt hat, bei weitem nicht in allen nationalen Märkten erhöht, wichtige Ausnahmen bilden z.B. Japan (Top 10 und Top 25) und die USA (Top 10).192 Eine Ursache für den im internationalen Vergleich relativ höheren Fragmentierungsgrad (also niedrigeren Konzentrationsgrad) im deutschen Markt dürfte in der Existenz einer, im Vergleich zu anderen Ländern, großen Anzahl mittelständischer Unternehmen liegen, deren Aktionsradius seinen eindeutigen Schwerpunkt in Deutschland hat und die zum Teil die im deutschen Markt (ausgeprägter als in anderen Märkten) vorhandenen Nischen nutzen:193 Hierzu zählen Phytopharmaka, homöopathische und anthroposophische Arzneimittel, aber auch eine Vielzahl chemisch definierter Markenpräparate, die sich auf dem Markt, insbesondere auch im OTC-Segment, etabliert haben. Auch der im Vergleich zu anderen Ländern hohe Marktanteil von OTC-Präparaten und Generika dürfte sich zu Gunsten eines geringeren Konzentrationsgrades ausgewirkt haben. Auch im deutschen Arzneimittelmarkt ist, wenn man die Analyse des Konzentrationsgrades auf einen längeren Zeitraum ausdehnt, allerdings keine kontinuierliche Zunahme des Konzentrationsgrades zu beobachten: Abb. 4-16 gibt die Entwicklung des Konzentrationsgrades im westdeutschen Apothekenmarkt194

191

192 193

194

Diese Tendenz hat sich auch im zeitlichen Verlauf von 1999 bis 2000 weiter fortgesetzt, vgl. hierzu Vgl. ebenda, S. 13. Eine präzisere Beschreibung der Unternehmenslandschaft (auch der mittelständischen Unternehmen) im deutschen Pharma-Markt wird im Rahmen der Ergebnisinterpretation anhand der später identifizierten sieben Technologiestrategietypen erfolgen, vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 6 (S. 431ff) und 7 (S. 593ff). Die Angaben beziehen sich bis 1990 auf die Bundesrepublik Deutschland, danach nur auf die alten Bundesländer. Da in der DDR bis 1990 ein gänzlich anderes Wirtschaftssystem bestand, würde die Wiedergabe gesamtdeutscher Daten zu einem irreführenden Eindruck führen. Nach der Wiedervereinigung sind die Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland eher gering, vgl. hierzu Abb. 4-15 (S. 262) sowie die in Fußnote Nr. 195 zitierte Literatur.

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Kumulierter Marktanteil der Hersteller am Gesamtmarkt in %

264

Konzentrationsgrad der Anbieter im westdeutschen Apothekenmarkt im zeitlichen Verlauf 1970 - 2000 100

Kumulierter Marktanteil der führenden Hersteller in % Bundesrepublik Deutschland (ab 1990 nur alte Bundesländer)

90 80 70 60 50 40 30 Top 5 Top 10 Top 20 Top 50 Top 100

20 10 0 1970

Abb. 4-16:

1975

1980

1985

1990

1995

2000

Jahr

Entwicklung des Konzentrationsgrades im westdeutschen Apothekenmarkt im zeitlichen Verlauf 1970-2000 (Kumulierter Marktanteil der führenden Hersteller in %). Quelle: Eigene Darstellung nach BPI195

im Zeitraum von 1970 bis 2000 wieder. Deutlich ist zu erkennen, daß der Konzentrationsgrad zwischen 1970 und 1985 deutlich abnahm, dann aber in den 1990er Jahren mit steigender Tendenz wieder das Ausgangsniveau von 1970 erreichte. Für diese interessante Entwicklung dürften mehrere sich überlagernde Trends verantwortlich sein: 1) Der verstärkte Markteintritt ausländischer, insbesondere US-amerikanischer und später auch japanischer Anbieter in den deutschen Markt führte zunächst zu einem Rückgang des Konzentrationsgrades, später mit wachsendem Marktgewicht dieser Anbietergruppe wieder zu einer leichten Zunahme.

195

Eigene Zusammenstellung auf Basis der Angaben von: BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (1995), S. 13-15; BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (1997 a), S. 14-16; BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (1999 a), S. 14-16; BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (2000 a), S. 14-16; BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (2000 b), S. 3; sowie BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (2001 e), S. 13-14.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

265

2) Den entscheidendsten Einfluß auf die beobachtete Abnahme des Konzentrationsgrades dürfte aber das Entstehen einer „modernen Generikaindustrie“ in Deutschland seit Mitte der 1970er Jahre (beginnend) gehabt haben. Seit diesem Zeitpunkt kam es zu einer Reihe von Firmenneugründungen von Unternehmen, die sich auf die Entwicklung und Vermarktung von Generika spezialisiert hatten und inzwischen, wie ratiopharm und Hexal, sogar zu den zehn größten Anbietern auf dem deutschen Pharma-Markt gehören. Aber auch eine Reihe mittelgroßer Generika-Anbieter reduzierten die Marktanteile großer Originatoren mit der Folge eines sinkenden Konzentrationsgrades. Konsolidierungstendenzen in diesem Segment dürften aber in Zukunft trotz vermutlich weiterhin steigenden Generikaanteils dazu führen, daß eher ein Konzentrationsimpuls von diesem Segment ausgeht. 3) Eine große Anzahl von Fusionen und Akquisitionen im Segment der internationalen Originatoren und der Erwerb kleinerer Unternehmen durch diese hat mit steigender Tendenz zu einer Zunahme des Konzentrationsgrades in den 1980er und 1990er Jahren geführt. Diese Entwicklung dürfte sich fortsetzen und gemeinsam mit dem Marktausscheiden kleinerer etablierter Unternehmen eher zu einer weiteren Konzentration führen. Letzterer Effekt dürfte aber zum Teil durch die (langsam) wachsende Bedeutung des OTC-Segmentes und dabei entstehender Nischen abgeschwächt werden. 4) Der letzte hier zu diskutierende Trend hat zur Zeit noch keinen großen Effekt auf den Konzentrationsgrad im Arzneimittelmarkt gehabt, dürfte es zukünftig aber in hohem Maße haben: Durch die wachsende Bedeutung gentechnischer Arzneimittel werden immer mehr neugegründete Biotechnologie-Unternehmen auch direkt mit eigenen Präparaten196 neu in den Markt eintreten und damit den Konzentrationsgrad zunächst merklich reduzieren. Erste Beispiele hierfür sind u.a. Amgen, Genentech und Biogen. Weitere werden in der nächsten Dekade folgen.

196

Die Lizenzvergabe an bereits im Markt befindliche Unternehmen, die zunächst überwiegt, würde, im Sinne des hier definierten Konzentrationsgrades eine Zunahme bewirken. Es wird also nicht nur vom Erfolg der Biotechnologie-Unternehmen, sondern auch von der präferierten Technologieverwertungsstrategie (Eigenvermarktung oder Lizenzvergabe) abhängen, wie sich der Konzentrationsgrad entwickelt. Der hier vertretenen Aussage liegt die Annahme zugrunde, daß die Eigenvermarktung mittelfristig an Gewicht gewinnt.

266

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Insgesamt ist schwierig vorherzusagen, welcher der geschilderten Trends den stärksten Einfluß auf den Konzentrationsgrad haben, und in welche Richtung sich damit der Konzentrationsgrad letztlich entwickeln wird.197 Auch eine tiefergehende Analyse des Konzentrationsgrades, die sich auf die Anbieterkonzentration bei innovativen Arzneimitteln konzentrierte, hat keinen eindeutigen Trend ergeben: Grabowski/Vernon untersuchten in mehreren Studien die Anbieterkonzentration hinsichtlich des, wie sie es nannten, „Innovativen Output“ im zeitlichen Verlauf von 1957 bis 1989.198 Der Innovative Output war dabei definiert als die Summe aller Umsätze, die innerhalb von drei Jahren nach der Markteinführung mit einem neuen Wirkstoff (NME) auf dem US-amerikanischen Markt erzielt wurden. Der Anteil des kumulierten innovativen Outputs der führenden N Anbieter am gesamten innovativen Output einer Betrachtungsperiode wurde dabei als eine Art „innovativer“ Konzentrationsgrad gemessen. Während sich in den drei ersten Untersuchungsperioden von 1957 bis 1971 zunächst ein eindeutiger Trend zu einer höheren Anbieterkonzentration im Seg-

197

198

Vgl. für eine vertiefende Diskussion der Problematik der Anbieterkonzentration im Pharmamarkt (auch im internationalen Vergleich) die folgenden Autoren: May, M.; (1972) (Deutschland); Kaufer, E.; (1976), S. 25-38 (Deutschland, USA, internationaler Vergleich); Slatter, S. St. P.; (1977), S. 58-60 (Global: Konzentrationsgrad von Marken); Barnikel, H.-H.; (1980), S. 19-23 (Deutschland); Reekie, W. D.; (1981), S. 123-139 (USA und Niederlande); De Wolf, P.; (1988), S. 214-216 (EU-Vergleich und ausgewählte Indikationsgebiete); James, B.; (1990), S. 52-59 (Wettbewerbseffekte); Roos, B.; (1990), S. 40-48 (Deutschland); Jönsson, B.; (1992), S. 146-153 (Schweden); Berndt, E. R.; et al.; (1993), S. 255-256 (USA nach Indikationsgebieten); De Wolf, P.; (1993), S. 241-245 (EU-Vergleich und ausgewählte Indikationsgebiete); Earl-Slater, A.; (1993), S. 84-86 (Internationaler Vergleich); Tarabusi, C. C.; (1993), S. 139-145 (internationaler Vergleich und Wettbewerbseffekte); De Wolf, P.; (1994), S. 288-291 (EU-Vergleich und ausgewählte Indikationsgebiete); Howells, J.; Neary, I.; (1995), S. 63-66 (UK und Japan); Matraves, C.; (1996), S. 179-218; Roberts, J.; (1996), S. 21-23 (Global); Tarabusi, C. C.; et al.; (1996), S. 82-84 (Global und Wettbewerbseffekte); REMIT; (1997), S. 54-58 (EU-Vergleich und Wettbewerbseffekte); Juès, J.-P.; (1998), S. 9-16 (Frankreich und internationaler Vergleich); Juès, J.-P.; (1998), S. 9-16 (Frankreich und internationaler Vergleich); Gambardella, A.; et al.; (2000), S. 25-35 (Internationaler Vergleich). Vgl. Grabowski, H. G.; (1976 a), S. 55-63; Grabowski, H. G.; (1976 b), S. 55-62; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1976), S. 181-205; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1977), S. 359-364; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1979 b), S. 29-52; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1982), S. 290-296; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1994 b), S. 435-449.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

267

199

ment innovativer Wirkstoffe ergab – was auf die erhöhten Markteintrittsbarrieren infolge der durch die nach dem Thalidomid-Skandal (Contergan-Affäre) drastisch verschärften Zulassungsanforderungen und dem daraus resultierenden immensen Anstieg der Entwicklungskosten zurückgeführt wurde200 –, ging der Konzentrationsgrad (bei ausgeprägter Volatilität in der Zwischenzeit) bis 1989 wieder etwa auf das Niveau von 1957 zurück. Eine zentrale Ursache für diesen Rückgang des „innovativen Konzentrationsgrades“ war der erstmalige Eintritt zweier Biotechnologie-Unternehmen (unter den Top 8)201 in der Periode 198589; eine weitere war der Markteintritt europäischer Pharma-Unternehmen in den US-amerikanischen Markt.202 Diese zweite Ursache macht deutlich, daß alle Überlegungen zum Konzentrationsgrad in der Pharmazeutischen Industrie, insbesondere die hinsichtlich des innovativen Outputs, bereits heute und in noch stärkerem Maße in Zukunft auf globaler Ebene ansetzen müssen, um zu wirklich aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen.203 Die Entwicklung neuer Wirkstoffe findet (schon allein aufgrund der hohen Entwicklungskosten) für den Weltmarkt statt, so daß auch die Konzentrationsmessung hierauf abstellen müßte. Auf globaler Ebene hätten Grabowski/Vernon sehr wahrscheinlich schon heute für den innovativen Output (zumindest bis zum Beginn des Biotechnologiebooms) einen klaren Trend zu größeren Konzentrationsgraden ermitteln können.204

199

200

201 202

203 204

Vgl. Grabowski, H. G.; (1976 a), S. 55-63; Grabowski, H. G.; (1976 b), S. 55-62; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1976), S. 181-205; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1977), S. 359-364; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1979 b), S. 29-52. Vgl. hierzu auch Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1979 c), S. 12-19; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1982), S. 314-326; und Wiggins, S. N.; (1983), S. 115-128. Amgen und Genentech. Vier der Top 8 in der Periode von 1980-84 waren europäische Marktneueintritte. Hier ist mit Markteintritt die erstmalige Einführung neuer Wirkstoffe auf dem US-amerikanischen Markt gemeint, der eigentliche Markteintritt im herkömmlichen Sinne war zum Teil bereits erheblich früher erfolgt, hatte aber auch noch nicht zu hohen Marktanteilen (bis 1980) geführt, vgl. Grabowski, H.; Vernon, J.; (1994 b), S. 444-448. Vgl. hierzu auch Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1994 b), S. 448; Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, daß in Ländern mit strengeren Sicherheits- und Wirksamkeitsanforderungen im Zulassungssystem die Rate neuer Wirkstoffe (NCEs) höher ist als in Ländern mit niedrigeren Anforderungen, was von den Autoren der Studie damit erklärt wird, daß diese höheren Markteintrittsbarrieren von etablierten Unternehmen als Wettbewerbsvorteil und Anreiz zur Innovation aufgefaßt werden, vgl. Wu, W. K.; et al.; (1993), S. 1-18; und Wu, W. K.; et al.; (1995), S. 57-79, insbes. S. 74. Dieses Ergebnis steht zwar im Widerspruch zu den

268

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Die vorstehende Aussage (Plädoyer für eine globale Betrachtungsweise) ist insgesamt sicher auch für den „nicht hochinnovativen“ Teil des Arzneimittelmarktes richtig, auch wenn aufgrund nationaler Besonderheiten in der Arzneimitteltherapie hinsichtlich des Auftretens unterschiedlich beschaffener Nischen kleinere Segmente des jeweiligen Pharma-Marktes „national“ bleiben werden. Dies wird jedoch definitiv nicht auf das auch weltweit immer wichtiger werdende Segment der Generika und, nur sehr stark eingeschränkt, für große Teile des OTC-Marken-Marktes zutreffen. Gerade mit Blick auf den hier im Mittelpunkt stehenden Untersuchungsgegenstand ist zusammenfassend darauf hinzuweisen, daß alle den Konzentrationsgrad beeinflussenden, vorstehend erörterten Trends ihre Ursache in der technologiestrategischen (Re-)Positionierung der einzelnen Unternehmen haben. Technologiestrategische Effekte sind also der maßgebliche Treiber des Konzentrationsgrades, der umgekehrt auch wiederum erheblichen Einfluß auf die technologiestrategische(n) Positionierung(-smöglichkeiten) der einzelnen Unternehmen hat. 4.1.3

Die Pharmazeutische Industrie

Die vorstehenden Ausführungen zielten auf die Beschreibung des marktlichen Umfeldes, in dem unternehmerische Entscheidungen über die technologiestrategische Positionierung getroffen werden müssen. In diesem Abschnitt sollen, darauf aufbauend, die wichtigsten Charakteristika, die das Wettbewerbsgeschehen und Innovationsverhalten in der Pharmazeutischen Industrie bestimmen, näher betrachtet werden. Dies ermöglicht auch, die generelle Wertschöpfungskette, den gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungsprozeß, die Distributionskette, den Innovationsprozeß und die Technologiewertschöpfungskette in direkter Abfolge zu analysieren, um so die früheren allgemeinen Überlegungen in Kap. 3.3.2.1, insbes. S. 145ff deutlich konkreter und plastischer werden zu lassen. 4.1.3.1

Die Wertschöpfungskette der Pharmazeutischen Industrie

Der Wertschöpfungsvorgang bei Arzneimitteln läßt sich unter zwei Gesichtspunkten analysieren: Die erste Betrachtung konzentriert sich auf die Wertschöpfungskette der Pharmazeutischen Industrie selbst (Abb. 4-17).

zuvor zitierten Studien, die Erklärung würde aber ebenfalls zur Annahme zunehmender Konzentrationsgrade im NCE-Segment passen.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

Forschung

Abb. 4-17:

Entwicklung

Zulassung

WirkstoffProduktion (API)

269

Galenische Produktion & Verpackung

Marketing

Vertrieb & Distribution

Die Wertschöpfungskette der Pharmazeutischen Industrie. Quelle: Eigene Darstellung

Auf dieser Betrachtungsebene steht die funktionale Gliederung des Wertschöpfungsprozesses aus der Innenperspektive des jeweiligen Pharma-Unternehmens im Mittelpunkt: In dieser Hinsicht lassen sich, ausgehend von der Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln, die Wertschöpfungsstufen Zulassung, Produktion, Vermarktung und Distribution identifizieren. Die Wertschöpfungskette weist hierbei eine Reihe von Besonderheiten gegenüber anderen Branchen auf: Dies beginnt mit der Zulassung – auf die spezifischen Charakteristika pharmazeutischer F&E ist im Rahmen der Diskussion von Innovationsprozeß und Technologiewertschöpfungskette noch genauer zurückzukommen.205 Im Gegensatz zu den meisten anderen Branchen dürfen die Produkte der Pharmazeutischen Industrie, die Arzneimittel, erst in Verkehr gebracht werden, wenn eine sorgfältige und zeitintensive staatliche Prüfung von sicherheitsmäßiger Unbedenklichkeit und Wirksamkeit jedes einzelnen Präparates stattgefunden hat, die hohe Anforderungen an den vorherigen Entwicklungsprozeß hinsichtlich des großen Umfanges der dabei durchzuführenden klinischen Studien und deren Dokumentation stellt. Ein kontinuierlich gestiegenes Anforderungsprofil, was die Bandbreite der einzelnen Untersuchungspunkte selbst, vor allem aber die Zahl der einzubeziehenden Probanden und die zeitliche Dauer dieser Studien anbetrifft, hat dazu geführt, daß die klinischen Studien immer zeit- und kostenintensiver geworden sind. Dies ist nicht ohne Folgen für die Entwicklungskosten geblieben, die – allerdings nicht nur aufgrund aufwendigerer klinischer Studien –

205

Vgl. Kap. 4.1.4, S. 308ff und Kap. 4.1.5, S. 326ff.

270

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

kontinuierlich gestiegen sind. Auf diese Problematik wird später genauer zurückzukommen sein.206 Neben dieser regulatorischen Besonderheit hat aber auch die Struktur der Arzneimittelproduktion207 ihre spezifischen Charakteristika: Diese läßt sich nämlich relativ trennscharf in zwei, bezüglich ihres Aufgabenspektrums sehr verschiedene Bereiche unterteilen: Die Herstellung des eigentlichen Wirkstoffs (Active Pharmaceutical Ingredient) auch API-Produktion oder primäre Produktion genannt, und die Herstellung des Fertigarzneimittels in der sekundären Produktion.208 Hier wird der Wirkstoff mit einem galenischen System kombiniert, das die Freisetzung des Wirkstoffs an der beabsichtigten Stelle im menschlichen Organismus im vorgesehenen Zeitintervall gewährleistet.209 Hinsichtlich der Art des galenischen Systems wird vor allem in feste Darreichungsformen (z.B. Tabletten, Hart- und Weichkapseln, Zäpfchen), Salben, Cremes und Flüssigkeiten unterschieden. In bestimmten Fällen können diese Darreichungssysteme technisch sehr komplex werden, z.B. Apparaturen zur Behandlung von Diabetespatienten mit Insulin (Injektionen) und Aerosolspender für Asthmatiker (Inhaliervorrichtungen). An die Sekundärproduktion schließt sich in vielen Fällen unmittelbar die Verpackung an. Die Primärproduktion stellt hohe Anforderungen an die eingesetzte Prozeßtechnik, da die Wirkstoffe (APIs) zwar häufig nur in kleinen Mengen hergestellt werden, die Anforderungen an die Produktspezifikationen aber außerordentlich hoch sind. Insbesondere bei bio- und gentechnisch produzierten Wirkstoffen erlangen Prozeßtechnologien eine strategische Schlüsselbedeutung.210 In der Regel findet die Wirkstoffproduktion innerhalb eines internationalen Unternehmens nur an einem (oder zumindest sehr 206 207

208

209

210

Vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 4.1.4, S. 308ff. Die Produktion beinhaltet zusätzlich noch Beschaffung und Eingangslogistik; während diese auch als eigenständige Wertschöpfungsstufen aufgefaßt werden können, wurden sie hier unter Produktion subsumiert. Aufgrund der spezifischen Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit soll auf beide hier aber nicht näher eingegangen werden. Vgl. hierzu z.B. Taggart, J.; (1993), S. 7-9; Howells, J.; Neary, I.; (1995), S. 82-88; EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations; (2001 b), S. 5-14. Zur Definition von Galenik und für eine differenzierte Beschreibung der Wirkweise verschiedener galenischer Systeme, vgl. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (1996 c), S. 10-27. Vgl hierzu z.B. Spilker, B.; (1994), S. 264-266; Manth, S.; (1995), S. 814.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

271

wenigen) Standorten statt. Dies ist sinnvoll, da die Produktion der einzelnen Wirkstoffe, wie erwähnt, zum Teil erhebliches spezifisches Know-how, das Vorhandensein und die technische Kompetenz zur Handhabung umfangreicher technischer Anlagen erfordert und gleichzeitig nur extrem geringe Mengen hergestellt werden müssen.211 Die galenische Produktion und Verpackung ist über alle Produktgrenzen hinweg im Regelfall deutlich besser standardisierbar. Die spezifischen Anforderungen an die Sekundärproduktion hängen in den meisten Fällen weniger vom spezifischen Wirkstoff, sondern nur von der Art der Darreichungsform ab. Nationale Besonderheiten bei Dosierungsstärke, Darreichungsform und Packungsgröße, die auf spezifischen Kundenbedürfnissen, aber auch auf unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen beruhen, hatten in der Vergangenheit dazu geführt, daß, insbesondere bei weltweit operierenden Unternehmen galenische Produktion und Verpackung in vielen Fällen gemeinsam an einer Vielzahl von Einzelstandorten durchgeführt wurden. In den letzten Jahren sind die meisten Unternehmen dazu übergegangen, die Anzahl dieser Standorte deutlich zu reduzieren und für einzelne Darreichungsformen sogenannte „centers of excellence“ zu etablieren, in denen dann verwandte Darreichungsformen für eine ganze Region (oder sogar für den globalen Markt) hergestellt werden. Insgesamt unterscheiden sich die insbesondere regulatorischen212 Anforderungen an die pharmazeutische Produktion (vor allem die Primärproduktion) wesentlich von z.B. denen der Lebensmittelindustrie.213 Natürlich kann die Produktion auch außerhalb des Unternehmens stattfinden. Insbesondere kleinere Unternehmen, aber auch eine Reihe von Generika-Herstellern, haben die API-Produktion und z.T. auch die sekundäre Produktion ausgelagert. Speziell bei den Wirkstoffen

211

212

213

Die gesamte jährliche Absatzmenge pharmazeutischer Wirkstoffe liegt selbst bei Blockbustern nur im Kilogramm-Bereich. Im Gegensatz zu den Transportkosten wären, insbesondere bei komplizierteren (gentechnisch-hergestellten) Wirkstoffen, die Kosten, die mit der Errichtung teurer Anlagen und der Beschäftigung hochqualifizierter Spezialisten an weiteren Standorten verbunden sind, immens. Hinzukommt, daß jeder Standort einzeln durch die staatlichen Überwachungsstellen zertifiziert werden müßte. Hierzu sei auf die vielfältigen regulatorischen Anforderungen an die pharmazeutische Produktion verwiesen, wie sie z.B. in der Betriebsverordnung für pharmazeutische Unternehmer (PharmBetrV) zum Ausdruck kommen. Vgl. hierzu z.B. Spilker, B.; (1994), S. 597, der auf die antiseptische Natur von Arzneimitteln hinweist und die daraus resultierende Anforderung an eine sterile Produktion.

272

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

kann aber eine Abhängigkeit vom Zulieferer eintreten, die das eigene Unternehmen verwundbar macht, da die Kontrolle über die Wertschöpfungskette teilweise außerhalb des Unternehmens liegt. Dieser Gesichtspunkt wird bei der Ergebnisdiskussion der empirischen Studie noch einmal Berücksichtigung finden.214 Auch beim Marketing zeigen sich fundamentale Unterschiede zu anderen Industrien. Staatliche regulatorische Markteingriffe schränken die Gestaltungsspielräume des Pharma-Marketings gegenüber anderen Branchen merklich ein. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist die Pharma-Kommunikation: In den meisten Fällen ist es dem Marketing nämlich untersagt, ihre Werbe- und Informationsaktivitäten direkt auf den Endverbraucher, sprich Patienten, zu richten. EU-weit ist für verschreibungspflichtige Arzneimittel jede Publikumswerbung und -information untersagt,215 für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel an enge Grenzen gebunden.216 Hinzu kommt, daß in den seltensten Fällen, nämlich nur bei der Selbstmedikation, der Patient derjenige ist, der die Kaufentscheidung fällt und die Produktwahl vornimmt. Auch die Preisgestaltung ist in fast allen Ländern nicht der freien Entscheidung des pharmazeutischen Unternehmers überlassen.217 Dieser Sachverhalt soll gleich noch genauer behandelt werden, wenn die übrigen Akteure der Arzneimittelversorgung, also der gesamtwirtschaftliche pharmazeutische Wertschöpfungsprozeß, genauer analysiert wird. Aufgrund der äußerst unterschiedlichen gesetzlichen marktlichen Rahmenbedingungen und der zum Teil großen Vielfalt von Produktvarianten für ein und denselben Wirkstoff wird das Marketing von allen Unternehmen länderspezifisch in jedem Land durchgeführt. Während die Vielfalt unterschiedlicher wirkstoffgleicher Arzneimittel in der EU in den letzten Jahren durch die beiden europäischen Zulassungssysteme bei neuen Arzneimitteln stark abgenommen hat und in Zukunft noch weiter abnehmen wird, ist mit einer Harmonisierung oder gar Vereinheitlichung des marktlichen Rechtsrahmens zwischen den Mitgliedsstaaten der EU auf Grund der völlig unterschiedlichen Sozial- und Gesundheitsversorgungssysteme und Regulierungsphilosophien nicht in nennenswertem Umfang zu rechnen. Die Marketingfunktion wird daher auch in Zukunft einen starken länderspezifischen

214 215 216 217

Vgl. Kap. 6.2.3, S. 465ff. Für Deutschland vgl. hierzu § 10 HWG. Für Deutschland vgl. hierzu § 11 HWG. Auf diesen Gesichtspunkt wurde bereits im Rahmen der Diskussion nationaler Preisunterschiede innerhalb der EU eingegangen, vgl. hierzu Kap. 4.1.2.2, S. 224ff.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

273

Zuschnitt haben. Allerdings werden, insbesondere zur Eingrenzung der Parallelimportproblematik, die unternehmensweiten Vorgaben an die einzelnen Länderorganisationen immer restriktiver werden. Dies wird übrigens nicht nur innerhalb der EU, sondern immer stärker auch weltweit gelten, wenn aufgrund harmonisierter Zulassungsprozeduren und vereinheitlichter Produkte auch weiter entfernte Regionen als Quelle für Parallel- und Reimporte in Frage kommen.218 Maßgeblicher Treiber wird dabei sein, in welchem Umfang Parallelimporte im weltgrößten und lukrativsten Pharma-Markt, den USA, weiter an Bedeutung gewinnen.219 Die pharmazeutische Distributionsfunktion läßt sich in zwei Teilbereiche untergliedern: einen unternehmensinternen und einen unternehmensexternen Komplex, der in die Zuständigkeit des pharmazeutischen Großhandels bzw. der Endverbraucherabsatzstätten (insbesondere Apotheken) übergeht.220 Die interne Distribution umfaßt in jedem Fall den Transport der Wirkstoffe (APIs) zur galenischen Produktion und den der Fertigarzneimittel bis zur Verpackung.221 Hier beginnt die Schnittstelle zur externen Distribution. Im Regelfall übernimmt der Hersteller die Verpackung und die Fertigwarenlagerung selbst.222 Hinsichtlich der Logistik zum Großhandel oder direkt zu den Endverbraucherabsatzstätten gibt es starke unternehmensspezifische Unterschiede das Ausmaß betreffend, in dem diese vom Hersteller selbst vorgenommenen oder an Großhändler (oder Logistikdienstleister) delegiert wird. Je nach Art, Menge und Wert des Arzneimittels, seinen spezifischen Anforderungen an den Distributionsprozeß sowie die Beschaffenheit der Endverbraucherstruktur und Lieferhäufigkeit können sowohl Kostengesichtspunkte als auch strategische Aspekte unterschiedliche Modelle

218 219

220

221

222

Vgl. hierzu auch die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.2, S. 224ff. Vgl. hierzu PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2002), S. 37-39. Auf die unternehmensexterne Distributionsfunktion wird später bei der Diskussion der Distributionskette ausführlich zurückzukommen sein, vgl. Kap. 4.1.3.3, S. 289ff. Einen Spezialfall bildet die Lohnproduktion und-verpackung durch andere PharmaUnternehmen. Hier bleibt aber die Zuständigkeit für die Distribution auf der Herstellerebene. Eine Ausnahme hiervon stellt das Servicemodell des skandinavischen Großhändlers Tamro (inzwischen von Phoenix akquiriert) dar, der beide Funktionen den Herstellern als Dienstleistung offeriert.

274

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

mit sehr unterschiedlichen Graden der Auslagerung als optimal erscheinen lassen. Tendenziell prädestinieren hochpreisige Präparate gegen chronische Krankheiten, die hohe Ansprüche an den Distributionsprozeß stellen (z.B. geschlossene Kühlkette), sowohl aus Kosten- als auch aus strategischen Gründen aus Herstellerperspektive ein hohes Maß an Direktdistribution durch den Hersteller. Gleiches gilt für hochvolumige Absatzmengen, die an Endverbraucherabsatzstätten mit einem effizienten eigenen internen Distributionsnetz ausgestattet sind (z.B. Drogerieketten). Dabei gilt auch für die Distributionsfunktion, daß aufgrund staatlicher Regulierung im Unterschied zu fast allen Branchen (zumindest in Deutschland) die Wahl des Vertriebsweges und die Gestaltung der Distributionskanäle dabei nicht dem pharmazeutischen Unternehmer überlassen bleibt. Auf diese Problematik wurde bereits bei der Differenzierung von Arzneimitteln eingegangen, sie soll im Rahmen der Analyse der Distributionskette weiter vertieft werden.223 4.1.3.2

Der gesamtwirtschaftliche pharmazeutische Wertschöpfungsprozeß

Vorstehend war bereits auf die besondere Bedeutung anderer Akteure für die strategischen Gestaltungsspielräume entlang der verschiedenen Wertschöpfungsfunktionen der Pharmazeutischen Industrie hingewiesen worden; es ist daher zweckmäßig, die Analyse auf den gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungsprozeß bis zum Endverbraucher auszudehnen. Einen entsprechenden Überblick über die einzelnen Akteure und deren strategische Funktion entlang des gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungsprozesses gibt Abb. 4-18. Die pharmazeutische Wertschöpfungskette zeigt sich dabei als komplexes Geflecht unterschiedlicher Akteure mit unterschiedlichen Aufgaben und äußerst unterschiedlichen Eigeninteressen. Eine effektive Wertschöpfungsanalyse darf dabei nicht bei einer ausschließlichen Betrachtung der Wertschöpfungsstufen innerhalb der Produzenten stehenbleiben, sondern muß die komplexe Gemengelage der anderen Akteure in den Mittelpunkt der strategischen Analyse stellen. An dieser Stelle kann nur eine grobe Skizzierung dieses komplexen Netzwerkes stattfinden, eine differenzierte Analyse würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Im Folgenden soll die Rolle der einzelnen Akteure, beschränkt auf

223

Vgl. hierzu Kap. 4.1.3.3, S. 289ff.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

275

Akteure

ArzneimittelHersteller

Staat

Versorgung

Regulierung

Krankenkassen (GKV, PKV) Patient

Arzt Apotheker Patient

Finanzierung

Großhandel Apotheken Krankenhäuser Drogeriemärkte

Entscheidung

Distribution

Patient

Nutzung

Aktivität

Abb. 4-18:

Der gesamtwirtschaftliche pharmazeutische Wertschöpfungsprozeß. Quelle: Eigene Darstellung

die wichtigsten marktlichen Gesichtspunkte, in diesem Wertschöpfungsprozeß kurz beschrieben werden:224 –

Den Arzneimittel-Herstellern obliegt die Bereitstellung zugelassener Fertigarzneimittel von bestmöglicher Qualität. Neben der Bereitstellung der physischen Güter fällt ihnen auch die Verantwortung für eine umfassende Information aller übrigen Akteure zu, um einen bestmöglichen Therapieerfolg sicherzustellen und gleichzeitig die Anwendungsrisiken (z.B. durch Fehlanwendung oder Mißbrauch) zu minimieren. Bei der Befriedigung dieses Informationsbedürfnisses der übrigen Akteure wird jeder Hersteller im Rahmen des ethisch Vertretbaren gleichzeitig versuchen, Bekanntheitsgrad und Markterfolg seiner Produkte zu optimieren.



Dem Staat fällt die Aufgabe zu, die Gestaltungsspielregeln für die einzelnen Akteure festzulegen. Insbesondere vor Markteinführung trägt er die Verantwortung dafür, nur in ihrer Anwendung sicheren und wirksamen Arzneimitteln überhaupt einen Markteintritt zu ermöglichen. Danach ist er in einem

224

Der gesamtwirtschaftliche Wertschöpfungsprozeß kann nationale Besonderheiten aufweisen. Für die USA sind für die Pharmazeutische Industrie neben Arzt, Apotheker, Konsument/Patient und Politiker (in der vorliegenden Arbeit umfassender „Staat“) „Health Care Benefits Manager“ die entscheidenden Stakeholder, vgl. Kucukarslan, S.; (1996), S. 78-82. Auf den Managed Care- Gesichtspunkt wird später noch zurückzukommen sein, für eine detailliertere Diskussion vgl. Fußnote Nr. 237, S. 278.

276

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Interessenskonflikt: Einerseits besteht seine Aufgabe als Anwalt der Verbraucherinteressen darin, die Spielregeln so zu gestalten, daß jeder Patient hinsichtlich des Risiko-Nutzen-Verhältnisses die optimale Arzneimittelversorgung erhält, andererseits muß er direkt (z.B. in UK) oder indirekt (z.B. Deutschland) für die dabei entstehenden Kosten aufkommen.225 In diesem Spannungsfeld haben enger werdende Verteilungsspielräume in fast allen Ländern dazu geführt, daß Kostendämpfungsgesichtspunkte eine immer größere Bedeutung erlangt haben und zum Teil gegenüber dem Ziel einer optimalen Versorgung dominieren. Diese Entwicklung wird durch dramatische Verschiebungen in der Alterspyramide226 und einen rasanten therapeutischen Fortschritt, der zu immer besseren, aber gleichzeitig auch immer teureren Arzneimitteln führt, enorm an Brisanz gewinnen. Die Art und Intensität der von staatlicher Seite zum Ziel einer Kostendämpfung eingesetzten Regulierungsinstrumente weisen weltweit fundamentale Unterschiede auf, dies trifft in besonderer Weise auch auf die Staaten der EU zu.227 –

225 226

227

228

229

230

In Deutschland kommt der Staat nicht direkt aus dem Steueraufkommen für ein staatliches Gesundheitswesen auf, sondern im Rahmen des Sozialversicherungssystems treten in der Regel Gesetzliche Krankenkassen (GKV)228, ergänzt durch Selbstmedikation durch den Patienten und Private (Zusatz-) Versicherungen (PKV) sowie Zuzahlung229 durch den Patienten selbst als Kostenträger auf.230 2000 wurden 78 % (inkl. 7 % Patientenselbstbeteiligung) Vgl. hierzu die detaillierteren Ausführungen in Fußnote No. 230, S. 276. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.1, S. 220ff, insbes. Abb. 4-3, S. 221; sowie Wähling, S.; Graf von der Schulenburg, J. M.; (1999), S. 28-30, insbesondere die dort nach Schwabe/Paffrath (1998) zitierte Entwicklung der Tagesverbrauchsdosen im zeitlichen Verlauf von 1997 bis 2040. Für eine Übersicht über die aktuelle Zusammensetzung (1999) der Bevölkerungspyramide im GKV-Markt vgl. Schröder, H.; Selke, G. W.; (2001), S. 772. Auf diesen Gesichtspunkt war bereits im Rahmen der Diskussion nationaler Preisunterschiede innerhalb der EU eingegangen worden, vgl. hierzu Kap. 4.1.2.2, S. 224ff. Zur Rolle der Krankenkassen im gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungsprozeß vgl. z.B. Buchholz, E. E.; (1981), S. 105-116; Arnold, M.; (1995), S. 29-59; Kaesbach, W.; Schönbach, K.-H.; (1995), S. 61-80. Für einen historischen Überblick über die Selbstbeteiligung der Patienten an den Arzneimittelaufwendungen im deutschen System der gesetzlichen Krankenversicherung, vgl. Chou, L.-F.; (1993), S. 65-73. Prinzipiell ist in Europa zwischen steuerfinanzierten Gesundheitssystemen („Versorgungsstaatsprinzip“) und versicherungsbasierten Gesundheitssystemen („Versiche-

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

277

der Ausgaben der über Apotheken abgegebenen Arzneimittel von der GKV,231 14 % durch Selbstmedikation vom Patienten und 8 % von der PKV und Selbstzahlern getragen.232 Für den mit Abstand wichtigsten Kostenträger GKV wird die Breite des (erstattungsfähigen) Leistungsspektrums weitestgehend durch den Staat vorgegeben.233 Der Wettbewerb zwischen den einzelnen Krankenkassen innerhalb der GKV findet daher – wenn überhaupt234 – nur

231

232 233

234

rungsprinzip“) zu unterscheiden. Während in Deutschland genau wie in Frankreich oder den Niederlanden ein versicherungsbasiertes Gesundheitssystem anzutreffen ist, praktizieren Großbritannien, Italien und Spanien das steuerfinanzierte Modell, vgl. hierzu Baumheier, U.; (1994), S. 129-132; Gambardella, A.; et al.; (2000), S. 57-58, sowie bereits die Fallbeispiele in Wardell, W. M.; Hrsg.); (1978). Sehr ähnlich ist die Unterscheidung in „soziale Krankenversicherungen“ und „nationale Gesundheitssysteme“. Soziale Krankenversicherungen bleiben idealtypisch vom Staat unabhängige Institutionen, auch wenn sie von diesem stark reguliert werden. In sozialen Krankenversicherungssystemen bleiben die Leistungsanbieter idealtypisch, ausschließlich durch Verträge gebunden, unabhängig von der Krankenversicherung, während in nationalen Gesundheitssystemen die nationalen Gesundheitsdienste nicht nur die Finanzierung übernehmen, sondern direkt die Leistungserstellung selbst zu kontrollieren suchen, indem Krankenhäuser und Ambulanzen mit angestellten Ärzten betrieben werden. In der Realität sind die Übergänge zwischen beiden Systemen fließend. Während Länder wie Belgien, Frankreich, die Niederlande, Luxemburg, Deutschland und Österreich soziale Krankenversicherungssysteme installiert haben, betreiben Schweden, Großbritannien, Irland, Dänemark, Italien, Portugal und Spanien nationale Gesundheitssysteme, vgl. Boom, A.; (1993), S. 41-56. Nationale (steuerfinanzierte) Gesundheitssysteme sind auch in den skandinavischen Ländern Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden, vgl. Jönsson, B.; (1987), S. 42-44, und in Neuseeland anzutreffen, vgl. Cooper, M.; (1987), S. 71-84. Die obigen Klassifikationsansätze finden sich durch aktuelle Detailbeschreibungen der Gesundheitssysteme aller wichtigen europäischen Länder in Form von Steckbriefen bestätigt, vgl. Eschenbach, D.; et al.; (1998); sowie Burstall, M. L.; (1998). Von diesen 78 % (21,5 Mrd. €) mußten allerdings nur 18,6 Mrd. € von der GKV im Endeffekt bezahlt werden. Der Nettoanteil betrug also nur 67 % (des gesamten Apothekenumsatzes mit Arzneimitteln). Die Differenz geht auf den obligatorisch von den Apotheken an die Krankenkassen abzuführenden Apothekenrabatt von 5 % auf den Apothekenabgabepreis und den Eigenanteil von Patienten zurück: Bezogen auf die Ausgangsbasis betrugen diese 4 % (1,0 Mrd €) an Apothekenrabatt und 7 % (1,9 Mrd. €) an Zuzahlung. Vgl. hierzu VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 50-51, Umrechnung in Euro und Prozentberechnung durch den Autor. Vgl. hierzu VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 50-51. Vgl. hierzu z.B. Oldiges, F. J.; (1981), S. 117-131, der als Vertreter der Krankenkassen einen der ersten derartigen staatlichen Kostendämpfungseingriffe begrüßt. Der Gesetzgeber hat den ursprünglich beabsichtigten Wettbewerb zwischen den verschiedenen Krankenkassen der GKV durch eine Reihe von Maßnahmen gebremst, auf

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

über die Höhe der Beiträge statt.235 In anderen Ländern ist die Aufgabenteilung hinsichtlich der Aktivitäten Regulierung und Finanzierung vollständig in der Hand des Staates, oder mit wechselnder Einflußgewichtung treten andere Akteure an die Stelle der deutschen Krankenkassen. Das Extrem mit der geringsten marktlichen Regulierungsintensität bilden die USA.236 An Stelle dirigistischer Eingriffe haben im Wettbewerbsprozeß im Rahmen von Managed Care237 sogenannte Pharmaceutical Benefit Management Companies (PBMs)

235

236

237

die an dieser Stelle aber nicht näher eingegangen werden kann. Vgl. hierzu exemplarisch die Kritik namhafter Gesundheitsökonomen an der 3. Stufe der Gesundheitsreform (unter Minister Seehofer), vgl. Cassel, D.; et al.; (1997), S. 29-36, insbes. S. 34. Die dort kritisierten Beschränkungen der Wettbewerbselemente haben zwischenzeitlich noch weiter stark zugenommen. Zu den Voraussetzungen und derzeitigen Problemen des Wettbewerbs im deutschen Krankenversicherungssystem vgl. Van der Beek, K.; Cassel, D.; (1997), S. 285-320. Welche Bedeutung unterschiedliche Beitragssätze für die Entscheidung über die Kassenwahl der deutschen GKV-Versicherten haben, ist (allerdings stammt die Untersuchung aus der Zeit vor der „Öffnung des Wettbewerbs“ unter den Krankenkassen) nicht unumstritten. Deutliche Hinweise existieren, daß zumindest in der Vergangenheit die „stillschweigende“ Erweiterung des Leistungsspektrums bzw. das „stillschweigende“ Gewähren umstrittener Leistungen ein wichtiges Wettbewerbsinstrument waren, vgl. hierzu Bagus, J.; (1989), S. 215-241, insbes. S. 237-241. Vgl. hierzu z.B. detailliert Huttin, C.; (1992 b), S. 77-105, die nicht nur auf den nachfolgend hervorgehobenen Gesichtspunkt von Managed Care abhebt. Die komplexe Thematik von Managed Care kann an dieser Stelle nur angedeutet werden. Für eine detailliertere Diskussion vgl. Enthoven, A.; (1987), S. 57-70 (Entstehung von Managed Care in den USA); Wilensky, G.; (1987), S. 135-136 (Managed Care im Rahmen der Gesundheitsökonomie); Curtiss, F. R.; (1989), S. 3-42 (Auswirkungen auf Apotheken); Ito, S. M.; (1992), S. 79-101 (Einfluß auf das Verschreibungsverhalten); Hansen, M.; et al.; (1994), S. 202-210 (Herausforderungen für die Pharmazeutische Industrie am Beispiel USA); Luft, H. S.; (1994), S. 45-61 (Anwendbarkeit außerhalb der USA); Baumberger, J.; (1995), S. 153-182 (Perspektive für Europa und Status Quo); Steiner, M.; et al.; (1995), S. 133-151 (Perspektive für Deutschland); Bertram, N.; (1996), S. 171-188, insbes. 178-179 (Managed Care-Modelle in Deutschland); Bobula, J. D.; (1996), S. 89-99 (Effekt auf die Intensität des Preiswettbewerbs in den USA); Edgren, B.; (1996), S. 117-127 (Instrumente zur Förderung des Wettbewerbs unter Managed Care-Bedingungen); Rich, S. J.; (1996), S. 101-108 (Auswahlkriterien für die Aufnahme von Arzneimitteln in das Erstattungsprogramm); Scherer, F. M.; (1997 a), S. 239-256, Scherer, F. M.; (1997 b), S. 143163, Weinstein, R.; Culbertson, J.; (1997), S. 257-264, Harrison, J. L.; (1997), S. 265269, Zaretsky, H. W.; (1997), S. 271-275, Zweifel, P.; (1997), S. 277-278, Elzinga, K. G.; Mills, D. E.; (1997), S. 287-299, Danzon, P. M.; (1997 b), S. 301-321 (Wettbewerbsrechtliche Probleme für Arzneimittel-Hersteller durch besondere Rabatte an HMOs); Schweitzer, S. O.; (1997), S. 230-232 (Restriktiver Arzneimittelzugang für

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

279 238

die Aufgabe übernommen, ein Kostenmanagement zu gewährleisten. Die USA gaben dabei mit 10,8 % der Gesamtgesundheitsausgaben 1998 einen deutlich geringeren Prozentsatz für Arzneimittel aus als stärker dirigistisch geprägte Länder wie Frankreich (21,5 %), Spanien (20,7 %), Japan (20,0 %), Italien (17,5 %) oder Großbritannien (16,3 %) – Deutschland nimmt sowohl hinsichtlich der Regulierungsintensität als auch des Anteils mit 12,2 % eine Position im unteren Mittelfeld ein.239 Europäische Länder, die ebenfalls mit der Einführung von Managed Care-Elementen in ihre Gesundheitssysteme begonnen haben, weisen gemeinsam mit den USA in dieser Hinsicht Spitzenwerte (d.h. sehr niedrige Prozentsätze) auf: Schweiz (7,6 %) und Niederlande (10,8 %). Auf diese komplexe Regulierungsthematik kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Sie hat aber, wie die spätere Interpretation der im Rahmen der empirischen Untersuchung erzielten Resultate zeigt, erheblichen Einfluß auf die technologiestrategische Positionierung.240 –

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Die Rolle des „Entscheiders“ über den Einsatz eines Arzneimittels liegt, anders als in den meisten anderen Branchen, nicht (allein) beim Nutzer, d.h. für Konsumgüter: beim Konsumenten. Im Zentrum der Entscheidung, welches Arzneimittel erworben wird, steht der Arzt:241 2000 wurden (bezogen auf den Patienten von Managed Care-Organisationen durch Errichtung einer weiteren Marktzugangshürde in Form von Erstattungslisten); Wähling, S.; Graf von der Schulenburg, J.-M.; (1999), S. 32-38 (Perspektive im deutschen Gesundheitssystem). Durch PBMs könnte auch die Effizienz des deutschen Gesundheitssystems nachhaltig gesteigert werden, während Budgetierung, Preismoratorien oder prozentuale Selbstbeteiligung der Patienten (selbst ohne Moral Hazard) eine hohe Frequenz an staatlichen Eingriffen erfordern und dennoch den Kostenanstieg im Gesundheitswesen nur verlangsamen können, wie Wähling/Graf von der Schulenburg in einem Simulationsmodell zeigen, vgl. Wähling, S.; Graf von der Schulenburg, J.-M.; (1996), S. 449-482, insbes. S. 477; sowie ausführlicher Wähling, S.; (1996), S. 187-224. Vgl. hierzu OECD Health Data, zitiert nach VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 44. Deutschland war das einzige Land, in dem dieser Anteil zwischen 1988 und 1998 signifikant rückläufig war (-2 %). Vgl. hierzu die späteren Ausführungen im Rahmen der Interpretation der empirischen Befunde zur technologiestrategischen Positionierung in Kap. 6, S. 431ff und Kap. 7, S. 593ff. Die ausführliche Analyse der komplexen Regulierungsproblematik wird im Rahmen einer späteren Veröffentlichung an anderer Stelle erfolgen. Vgl. zur rechtlichen Situation der Schlüsselrolle des Arztes als Verbrauchsdisponent in den einzelnen EU-Ländern Hart, D.; Reich, N.; (1990), S. 329-356. Zur Rolle des Arztes als Entscheider und den seine Entscheidung determinierenden Faktoren, vgl. Boom, A.; (1993), S. 17-41.

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Apothekenmarkt zu Endverbraucherpreisen) 86 % der Arzneimittel verordnet. Nur 14 % „verordnete“ sich der Patient im Rahmen der Selbstmedikation selbst.242 Obwohl eine Vielzahl pharmazeutischer Präparate zur Verfügung steht, umfaßt das Verschreibungsportfolio der meisten Ärzte nur etwa 200 unterschiedliche Produkte: 80 % der Ärzte verordnen im Zeitraum eines Jahres weniger als 300 verschiedene Präparate,243 50 % der Ärzte wählen sogar nur unter weniger als 200 unterschiedlichen Präparaten aus.244 Im Verordnungskanon möglichst vieler Ärzte mit den eigenen Produkten enthalten zu sein, wird dadurch für die Hersteller zur existentiellen Frage. Für die gezielte Ansprache stehen eine Reihe unterschiedlicher Kommunikationsinstrumente zur Verfügung:245 ƒ Ansprache durch Pharma-Referenten ƒ Fortbildungsveranstaltungen und Symposien ƒ Anzeigen in Fachzeitschriften für Ärzte ƒ Direct-Mailings ƒ Messen und Ausstellungen ƒ Video-Einsatz ƒ Telefon-Marketing ƒ e-mail-, Internet- und Fax-Informationen ƒ sonstige Instrumente (z.B. Feldstudien, Werbehilfen und Präsente, MusterAussendungen, Hauszeitschriften).

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Vgl. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 51. Wie unterschiedlich die Charakteristika der (drei) Teilsysteme (Selbstmedikation, PKV und GKV) und die Interessenlagen der jeweiligen Entscheider sind, skizziert treffend bereits Herder-Dorneich, vgl. Herder-Dorneich, P.; (1976 a); Herder-Dorneich, P.; (1976 b); Herder-Dorneich, P.; (1977 a); Herder-Dorneich, P.; (1977 b), S. 8-13. Unterschiedliche Darreichungsstärken und Verpackungsgrößen desselben Herstellers wurden in der Studie als ein Präparat gezählt, vgl. Temin, P.; (1981), S. 174. Vgl. ebenda, S. 173-182, insbes. S. 174-175. Obwohl die Daten zeitlich schon etwas zurückliegen, hat sich an der prinzipiellen Beobachtung, daß jeder Arzt nur aus einem begrenzten Kanon von unterschiedlichen Präparaten wählt, nichts geändert. Interessant ist auch die zweite Beobachtung Temins, daß dieses begrenzte Portfolio dafür aber breit eingesetzt wird, d.h. die Verordnungen des Arztes konzentrieren sich durchschnittlich nicht nur auf einige wenige Präparate des jeweiligen Portfolios, vgl. ebenda, S. 173-182. Im Rahmen dieser Arbeit kann auf diese komplexe Thematik nicht näher eingegangen werden. Exemplarisch sei hierfür auf Becker, H. E.; (1992), S. 16-37, sowie die dort zitierte Literatur, verwiesen.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

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Dieses vielfältige Kommunikationsinstrumentarium sollte für eine optimale Marktbearbeitung, sprich hier: Arztansprache, je nach Arzttyp selektiv eingesetzt werden.246 Eine wichtige Rolle als Entscheider über den Einsatz eines Arzneimittels spielt aber auch der Apotheker:247 1. berät er den Patienten bei Selbstmedikationsentscheidungen, da die Produkte für ihn gar nicht direkt einsehbar oder zugänglich sind (Selbstbedienung ist mit wenigen Ausnahmen verboten – die Ausnahmen beschränken sich im wesentlichen auf die freiverkäuflichen Arzneimittel, die 2000 nur 1,5 % des Apothekenumsatzes ausmachen).248 Damit ist dem Patienten auch ein Preisoder Qualitätsvergleich direkt gar nicht möglich. Der Einfluß des Apothekers auf die Kaufentscheidung ist im Selbstmedikationssegment daher als wesentlich anzusehen. Der Apotheker ist nach dem Arzt einer der wichtigsten Multiplikatoren für Informationen über Gesundheitsprodukte (gleichrangig mit der Fernsehwerbung und deutlich vor der Werbung in Zeitschriften).249 2. hat der Apotheker bei verordneten Arzneimitteln die Möglichkeit zur Substitution, d.h. er kann das verordnete Präparat gegen ein wirkstoffgleiches eines anderen Herstellers austauschen. Diese theoretische Möglichkeit besteht nur für Arzneimittel, für deren Wirkstoff der Patentschutz bereits abgelaufen

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Becker hat auf Basis einer empirischen Studie clusteranalytisch vier Arzttypen identifizieren können, die „typologieorientiert“ angesprochen werden sollten: „die angepaßten Ärzte“, „die vertrauensvollen Ärzte“, „die nach sozialer Anerkennung strebenden Ärzte“ und „die sicherheitsbewußten Ärzte“, vgl. Becker, H. E.; (1992), S. 148-187. Zur Frage, ob dem Apotheker auch ganz offiziell die Rolle des Entscheiders (Verschreibers) zugewiesen werden sollte, vgl. für die USA: Grauer, D. W.; (1996), S. 147-157. Vgl. ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände; (2001), S. 32. Eine aktuelle Studie (Erhebung 1997) hat ergeben, daß sich bei Apothekenkunden und der Durchschnittsbevölkerung zwar Unterschiede hinsichtlich der Bedeutung verschiedener Kommunikationswege, auf dem sie auf Gesundheitsprodukte aufmerksam werden, feststellen lassen, die grundsätzliche Bedeutungsrangfolge einzelner Multiplikatoren jedoch weitestgehend identisch ist, vgl. Kaapke, A.; Heemann, L.; (1998), S. 73-75. Bei der Apothekenbefragung (Passantenbefragung) ergab sich folgendes Bild für die wichtigsten Kommunikationswege: Arzt 27,8 % (25,8 %), Apotheker 22,0 % (15,0 %), Freunde und Bekannte 16,8 % (15,3 %), andere Personen 3,6 % (5,7 %), Fernsehen 6,7 % (15,6 %), Zeitungen/Zeitschriften 6,4 % (10,0 %), Schaufenster 4,7 % (3,2 %), Werbung am POS 3,0 % (3,8 %), Artikel in Zeitschriften 8,4 % (5,7 %) und Sonstiges 0,7 % (0,0 %).

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

ist, da andernfalls nur das Präparat des Originators250 auf dem Markt ist. Der Anteil nicht patentgeschützter Arzneimittel am deutschen GKV-Markt betrug 1999 dem Wert in Endverbraucherpreisen nach 49,4 %; der Verordnungsanteil lag bei 65,8 %.251 Gesetzlich zulässig war die Substitution durch den Apotheker in Deutschland bislang252 aber nur dann, wenn der Arzt dies ausdrücklich auf der Verordnung vermerkt hat. In der Praxis war aber auch der Fall der illegalen Substitution nicht selten. Der Anreiz hierfür bestand für den Apotheker einerseits in wirtschaftlichen Anreizen durch nicht unerhebliche Rabatte von Herstellern und andererseits in einer praktischen Notlage: Für einzelne Wirkstoffe existieren mehr als 20 austauschbare Produkte unterschiedlicher Hersteller – beim Wirkstoff Ranitidin sind beispielsweise außer den beiden (patentfreien) Originalen253 26 Generika mit identischer Dosierung

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Bzw. der Originatoren. Es können mehrere (zumeist nur noch ein weiteres) zusätzliche Präparate auf dem Markt sein, wenn der Originator im Zuge von Co-MarketingVereinbarungen eine Lizenz an (ein) andere(s) Unternehmen vergeben hat. In diesem Fall ist eine legale Substitution durch den Apotheker jedoch ausgeschlossen und dürfte in der Praxis auch eher unüblich sein. Vgl. Schwabe, U.; Paffrath, D.; (Hrsg.); (2001), S. 689-690 und 831. Die Angaben Schwabe/Paffraths beziehen sich auf Präparate mit patentfreien Wirkstoffen, bei denen generischer Wettbewerb herrscht. Dieses generikafähige Marktsegment ist das für den Gesichtspunkt der Substitution durch den Apotheker einzig relevante Marktsegment. Möglicherweise erklärt die Frage, ob für das betreffende Präparat (eines patentfreien Wirkstoffs) auch Nachahmerpräparate existieren, den Unterschied zu den VFAAngaben zum Marktanteil patentgeschützter Arzneimittel. Der VFA beziffert nämlich den Anteil patentgeschützter Wirkstoffe am deutschen Apothekenmarkt in 2000 nur auf 21 % (5,8 Mrd. €), vgl. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 51. Hiernach dürfte auch der Anteil patentgeschützter Präparate am GKV-Markt maximal bei 24 % liegen (Auch dieser Wert wird nur erreicht, wenn alle Umsätze mit patentgeschützten Wirkstoffen ausschließlich im Verordnungssegment stattfinden und ihr Anteil sich gleichmäßig auf GKV- und PKV-Verordnungen verteilt – was nicht der Fall ist, denn im PKV-Segment werden mehr patentgeschützte Arzneimittel verordnet). Demnach wäre der Anteil patentfreier Arzneimittel auf Basis der VFA-Angaben sogar mit mehr als 75 % des Umsatzes erheblich größer. Hier geht es nur um die generische Substitution durch den Apotheker. Für die grundsätzliche Marktbedeutung von Generika und die Charakteristika des generischen Wettbewerbs vgl. die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.3, S. 244ff. Bis zur Einführung der „Aut-Idem-Regelung“ Ende Februar 2002, vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen. Der Fall, daß mehr als ein Original existiert, beruht darauf, daß der Originator Glaxo (heute GlaxoSmithKline) sich für eine strategische Vermarktungskooperation in Form

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und Darreichungsform auf dem Markt – , die der Apotheker aus Kostenund Kapazitätsgründen nicht alle vorrätig haben kann. Im Regelfall werden neben dem Original nicht mehr als zwei Generika ständig auf Lager sein. Alle übrigen könnte der Apotheker zwar innerhalb weniger Stunden über den Großhandel beschaffen, in vielen Fällen wird der Patient aber lieber den Austausch gegen das identische Produkt eines anderen Herstellers akzeptieren als die Wartezeit und den eventuellen erneuten Besuch in der Apotheke. Diese Problematik bietet zugleich auch die Argumentationsbasis für die gezielte (bis dato) illegale Substitution. Nach der Beobachtung vieler Hersteller war die illegale Substitution keinesfalls eine unbedeutende Ausnahme.255 Durch die neue „Aut-idem-Regelung“, die mit dem Ziel, die Arzneimittelausgaben der GKV zu begrenzen, als Teil des neuen „Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes“ am 23.02.2002 in Deutschland eingeführt wurde, ist die Rolle des Apothekers nochmals neu durch den Gesetzgeber definiert worden:256 Der Apotheker ist seitdem zur (inner)-generischen Substitution verpflichtet, wenn der Arzt dies nicht ausdrücklich auf dem Rezept ausschließt. Unter der Voraussetzung, daß Wirkstoffstärke und Packungsgröße übereinstimmen, soll der Apotheker das vom Arzt verordnete Arzneimittel durch ein wirkstoffgleiches Präparat des unteren Preisdrittels ersetzen, sofern die ärztliche Verordnung nicht bereits ein Präparat dieses Segments vorsieht. Die „Aut-Idem-Regelung“ hat nicht nur in erheblichem Maße die Rolle des Entscheiders vom Arzt auf den Apotheker verlagert,257 sondern beinhaltet auch eine erhebliche Verschiebung im Arzneimittelwettbewerb: Substitutionsgesetze können quasi als Erhöhung der Markteintrittsbarrieren im Distributionssystem für den Originator nach Patentablauf oder gleichbedeutend als Erschwerung bzw. teilweisen Ausschluß von Originalpräparaten vom Zugang zu den Distributionskanälen

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des Co-Marketings entschied, vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 6.3.4 (S. 527ff), insbes. Fußnote 82, S. 531. Für die 150 mg Filmtablette, vgl. hierzu MediMedia (2000), S. 177 oder Rote Liste Service GmbH (1999), S. 122-123. Diese Feststellung basiert auf den Ergebnissen des qualitativen Teils der im Rahmen der vorliegenden Studie durchgeführten Experteninterviews. Vgl. o.V.; (2002 e); o.V.; (2002 f); o.V.; (2002 g); o.V.; (2002 i). Demzufolge ist die organisierte Ärzteschaft diesem Eingriff in die Therapiefreiheit gegenüber auch entsprechend kritisch eingestellt, vgl. o.V.; (2002 h); o.V.; (2002 j); sowie Nützel, N.; (2002).

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

aufgefaßt werden.258 Genau umgekehrt verhält es sich insgesamt für Nachahmerprodukte, allerdings wird auch hier der innergenerische Preiswettbewerb erheblich intensiviert.259 Auf das Innovationsverhalten der Pharmazeutischen Industrie sind erhebliche negative Effekte zu befürchten, wie eine frühere Untersuchung zur Wirkung analoger Substitutionsgesetze in den USA belegt: Danach führen Substitutionsgesetzte zu einer deutlichen Verkürzung des Produktlebenszyklus von Originalpräparaten, was einer Reduktion der Länge der effektiven Patentnutzungsdauer hinsichtlich der faktischen Wirkung gleichkommt.260 Aber auch auf die Ausrichtung des strategischen Marketing in der Pharmazeutischen Industrie haben Veränderungen in den Substitutionsregulierungen entscheidenden Einfluß: Untersuchungen aus den USA (wo die generische Substitution zwischen 1969 und 1981 schrittweise gestattet wurde) belegen,261 daß der veränderten strategischen Bedeutung des Apothekers durch verstärkte Ausrichtung der Werbe- und Marketingaktivitäten auf diese Zielgruppe Rechnung getragen wird.262 Bei imitativ technologiestrategisch ausgerichteten Firmen ist diese strategische Bedeutungszunahme besonders ausgeprägt, so daß ihr Anteil an den gesamten, auf Apotheker ausgerichteten Werbeaktivitäten sich infolge der veränderten Gesetzgebung nahezu verdoppelt hatte.263 258

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Daher ist es auch nicht verwunderlich, daß diese versuchen, die Wirkungen des Gesetztes durch eine Reihe von „Tricks“ zu begrenzen: So wird durch die gezielte Neueinführung von Präparaten (zum Teil auch in Absprache mit anderen Unternehmen) versucht, das untere Preisdrittel „anzuheben“ oder durch ein Abweichen von den üblichen Standardgrößen beim eigenen Produkt die Vergleichbarkeit einzuschränken, vgl. hierzu z.B. Tjong, S.; (2002). Dementsprechend stößt die Aut-Idem-Regelung auch bei den organisierten GenerikaHerstellern auf Kritik, die u.a. ihre Verfassungskonformität anzweifeln, vgl. Nützel, N.; (2002). Vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1979 a), S. 43-66. In den USA erfolgte die Änderung der Substitutionsgesetze auf Ebene der Bundesstaaten: Während 1969 die generische Substitution in allen Bundesstaaten verboten war, war sie 1974 in drei Bundesstaaten und bis 1981 in fast allen Bundesstaaten erlaubt. Vgl. hierzu und zum Folgenden Statman, M.; Tyebjee, T. T.; (1984), S. 99-112. Der Anstieg der auf Apotheker ausgerichteten Werbeaktivitäten war dabei überproportional: Der Anteil der Werbung in Apotheker-Zeitschriften an dem der Werbung in Fachzeitschriften insgesamt erhöhte sich von 1,8 % in 1969 auf 5,2 % 1981, vgl. ebenda, S. 102. Während die imitativ ausgerichteten Unternehmen 1969 einen Anteil von 18,6 % an den Werbeanzeigen in Apothekerfachzeitschriften hatten, stieg dieser Anteil bis 1981

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

285

Zusammenfassend ist festzustellen, daß der Einfluß des Arztes als der zentrale Entscheider der Produktwahl (bei der Wirkstoffauswahl in geringerem Maße) also in den nächsten Jahren weiterhin stark rückläufig sein dürfte: In zunehmendem Maße werden Apotheker, Patienten und Krankenkassen (bzw. staatliche Regulierungsbehörden oder Managed Care-Organisationen) eine immer wichtigere Rolle bei der Produktentscheidung einnehmen.264 –

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Die Abgabe von Arzneimitteln erfolgt in Deutschland außer durch Apotheken vor allem durch Krankenhäuser.265 Krankenhausapotheken dürfen diese Arzneimittel nur an Patienten abgeben, die auch dort behandelt werden. Auch wenn der Anteil der Arzneimittel, die durch Krankenhausapotheken distribuiert werden (gemessen am Wert in Herstellerabgabepreisen 2000), mit 14 % relativ gering ist, so ist seine absatzstrategische Bedeutung für die Arzneimittel-Hersteller beträchtlich. Die Krankenhäuser haben nämlich einen wesentlichen Einfluß auf das Verordnungsverhalten niedergelassener Ärzte: Patienten, die an lebensbedrohlichen (häufig chronischen) Krankenheiten leiden, werden zumeist nach Auftreten der Erkankung zunächst im Krankenhaus behandelt und dort auf ein bestimmtes Arzneimittel eingestellt. Der niedergelassene Arzt, der die Behandlung fortsetzt, ändert in vielen Fällen – wenn nicht Beschwerden des Patienten oder andere Komplikationen auftreten – diese Voreinstellung nicht. Aus diesem Grunde ist für Hersteller (rezeptpflichtiger Arzneimittel) eine starke Präsenz in Krankenhäusern von vitaler Bedeutung. Diese starke strategische Position nutzen die Krankenhäuser für intensive Preisverhandlungen mit den Herstellern mit der Folge, daß Krankenhäuser auf 32,3 %. Unter Imitatoren wurden dabei von den Autoren all jene Unternehmen subsumiert, die im 5-Jahres-Zeitraum von 1972-1976 nicht mindestens einen neuen Wirkstoff (NCE) auf dem Markt eingeführt hatten: Von 826 Unternehmen wurden daher nur 45 der Gruppe der Innovatoren zugeordnet, vgl. ebenda, S. 105-107. Eine Studie aus den USA ermittelt für 1985 (für 2000 prognostizierte Werte in Klammern), daß zu 95 % (80 %) der Arzt der maßgebliche Entscheider war, während Apotheker zu 2 % (6 %), Versicherungen etc. zu 1 % (9 %) und Patienten zu 2 % (5 %) diese Rolle innehatten, vgl. Davis, P. W.; (1989), S. 264. Diese Angaben erscheinen allerdings unrealistisch, wird doch im gleichen Artikel der OTC-Anteil mit 29 % angegeben (vgl. ebenda, S. 258), so daß die Rolle des Arztes (auf Basis dieser Daten) etwas überbewertet scheint. An dieser Stelle soll nur kurz die Abgabe von Arzneimitteln im Rahmen des gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungsprozesses skizziert werden. Die ausführliche Betrachtung findet nachfolgend bei der Analyse der Distributionskette in Kap. 4.1.3.3, S. 289ff statt.

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

ihre Arzneimittel zu äußerst günstigen Preisen, die zum Teil sogar unter den Herstellungskosten liegen können, erhalten. Die Deckungsbeiträge müssen anschließend im Apothekenmarkt generiert werden. Diese Problematik prägt allerdings mehr den Wettbewerb zwischen Originatoren mit unterschiedlichen Wirkstoffen für die gleiche Indikation. Generika spielen im Krankenhausmarkt eine geringe Rolle. Während der Krankenhausmarkt überwiegend direkt von den Herstellern versorgt wird, erfolgt die Distribution im Apothekenmarkt über den pharmazeutischen Großhandel. Der pharmazeutische Großhandel fungiert dabei als logistischer Dienstleister, der eine flächendeckende Arzneimittelversorgung mit allen Arzneimitteln sicherstellt. Obwohl die Wahrnehmung dieser distributorischen Dienstleistung durch den pharmazeutischen Großhandel aus Sicht der Hersteller als effizient, verläßlich und wettbewerbsneutral bewertet wird, sorgt die (staatlich vorgegebene) Struktur der Großhandelsmargen für eine gewisse Wettbewerbsverzerrung, indem teure umsatzstarke Produkte, sogenannte „Schnelldreher“, die umsatzschwachen „Langsamdreher“ und preisgünstigen Produkte quersubventionieren. Auf diese Weise könnte die Distribution von Präparaten unterhalb eines bestimmten Preises erst ermöglicht werden, obwohl die diesem Preis entsprechende Großhandels- und Apothekenmarge die tatsächlichen Distributionskosten nicht mehr deckt. Im Lager der Originatoren wird die Auffassung vertreten, daß dies in der Tat auf einige Generika zutrifft, die, müßten sie ihre tatsächlichen Distributionskosten tragen, niemals kostendeckend zu diesem Preis angeboten werden könnten. –

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Am Ende der pharmazeutischen Wertschöpfungskette steht der Patient.266 In Deutschland wurden 2000 1,651 Mrd. Packungen267 mit einem Gesamtwert von 30,7 Mrd € (in Endverbraucherpreisen) an Patienten abgegeben.268 Lange Zeit hatte der Patient eine nahezu ausschließlich passive Rolle inne: Er nahm das ein, was ihm die Entscheider verordneten oder “empfahlen“ bzw. die Kostenträger bereit waren zu bezahlen. Insbesondere in den USA, aber mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auch in Europa, hat eine immer stärkere

Vgl. Zur rechtlichen Stellung des Patienten in den unterschiedlichen Gesundheitssystemen der einzelnen EU-Länder Hart, D.; Reich, N.; (1990), S. 357-376. Ohne Krankenhausmarkt und Reformhäuser. Vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen in Kap. 4.1.3.3, S. 289ff und die Übersicht in Abb. 4-19, S. 294, sowie die dort zitierte Literatur.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

287

Emanzipierung der Patienten stattgefunden, die in den nächsten Jahren weiter stark zunehmen wird. Der deutlich gestiegene Einfluß von Patientenorganisationen, insbesondere bei Patienten mit chronischen Krankheiten, ist schon heute ein Beleg hierfür. Der „mündige“ Patient verlangt zunehmend, in den Entscheidungsprozeß einbezogen zu werden und hinterfragt zunehmend kritischer die Therapieentscheidung und Produktwahl.269 Aus diesem Grund hat auch das direkt auf den Patienten270 fokussierte Marketing, das Direct-to-Customer-Marketing (DTC-Marketing),271 eine enorme strategische Bedeutung erlangt. Auch hinsichtlich des DTC-Marketing sind die USA erneut Vorreiter,272 aber im Rahmen der regulatorischen Möglichkeiten gewinnt es auch in Europa immens an Bedeutung. Eine mögliche Liberalisierung der Werbe- und Informationsregulierungen auf EU-Ebene könnte diesem Trend zusätzlichen Anschub geben. Wie effektiv das DTC-Marketing aus Sicht des Arzneimittelanbieters allerdings im Vergleich zu den „klassischen“ (auf den Arzt gerichteten) Marketing-Alternativen – Besprechung von Präparaten durch PharmaReferenten (detailing) oder Werbung in Fachzeitschriften – wirklich ist, ist noch offen.273 269

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Eine aktuelle Studie ergab, daß 82,8 % von 274 befragten Patienten sich zumindest zeitweilig aktiv an den Entscheidungen beteiligen möchten. Zwar beeinflussen individuelle Eigenschaften die Produktwahl stärker als die Behandlungsentscheidungen, dennoch sind beide mit einem hohen Involvement verbunden, vgl. Hohensohn, H.; (1998), S. 78-126. Dabei stellt die Bezeichnung „der Patient“ eine grobe Vereinfachung dar. In der Realität lassen sich Patienten nach unterschiedlichen Kriterien typologisieren, vgl. hierzu z.B. die Übersicht von Hohensohn, H.; (1998), S. 220-242. Hinsichtlich ihrer Kommunikationsansprüche lassen sich z.B. clusteranalytisch vier Gruppen von Patienten identifizieren, vgl. ebenda, S. 208-213. An dieser Stelle geht es allerdings ausschließlich darum, die prinzipielle Rollenverteilung im gesamtwirtschaftlichen pharmazeutischen Wertschöpfungsprozeß darzustellen, auf eine weitere Differenzierung kann daher verzichtet werden. Vgl. zum DTC-Marketing z.B. Roth, M. S.; (1994), S. 115-132; Lonsert, M.; (1995), S. 337-359; Roth, M. S.; (1996), S. 63-75; Schweitzer, S. O.; (1997), S. 57-58. Vgl. hierzu auch Abb. 6-79 (S. 577), die den enormen Anstieg der DTC-Ausgaben in der US-amerikanischen Pharma-Industrie in den letzten Jahren wiedergibt. Vgl. Berndt, E. R.; et al.; (1994), S. 38; Berndt, E. R.; et al.; (1997), S. 313. Erste Untersuchungen bei H2-Rezeptorantagonisten (Ulkus-Therapeutika) in den USA kommen zu dem ernüchternden Ergebnis, daß der positive Effekt auf die Umsatzelastizität beim DTC-Marketing wesentlich geringer ist als von Detailing oder Werbung in Fachzeitschriften, vgl. Berndt, E. R.; et al.; (1995), S. 104. Ob diese Beobachtung auch auf andere Indikationsgebiete, insbesondere chronische Erkrankungen, übertrag-

288

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Insgesamt steht bei allen vorstehend diskutierten Punkten immer stärker die Frage nach der Lebensqualität der gelebten Jahre im Mittelpunkt und nicht mehr, wie früher, allein das Maximieren der Lebenszeit (unabhängig von der dabei „in Kauf zu nehmenden“ Lebensqualität).274 Letzterem Umstand hat auch die OECD Rechnung getragen, die die gesundheitliche Wohlstandsentwicklung ihrer Mitgliedsländer, anstelle der früher üblichen Mortalität, anhand des Kriteriums der „beschwerdefreien Lebensjahre“ ermittelt.275 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß zwei Besonderheiten den pharmazeutischen Wertschöpfungsprozeß von dem in anderen Branchen signifikant unterscheiden: –

Die Gestaltungsspielräume werden für alle Akteure, insbesondere aber auch für die Unternehmen der Pharmazeutischen Industrie, durch eine hohe Intensität staatlicher regulatorischer Eingriffe auf komplexe Art und Weise nachhaltig eingeschränkt.



Im pharmazeutischen Wertschöpfungsprozeß fallen die Rollen „Kostenträger“, „Entscheider“ und „Nutzer“ unterschiedlichen Akteuren zu,276 während

274 275

276

bar ist, bleibt abzuwarten und ist eher zu bezweifeln. Relativierend sollte auch berücksichtigt werden, daß das DTC-Marketing im Untersuchungszeitraum auch in den USA noch in den „Kinderschuhen“ steckte und in den ersten DTC-Werbekampagnen die Produktnamen in Übereinstimmung mit FDA-Regulierungen überhaupt nicht erwähnt wurden. Demzufolge konnte der Einfluß der untersuchten DTC-Maßnahmen (anders als beim Detailing oder Fachzeitschriftsinseraten) also im wesentlichen nur auf die industrieweite Nachfrage nach H2-Antagonisten im allgemeinen, nicht aber auf den Marktanteil bzw. Umsatz des spezifischen Produktes des DTC-werbetreibenden Unternehmens gerichtet sein. Der große Beitrag, den DTC für den Erfolg von „LifeStyle-Drugs“ leistet, steht ebenfalls im Widerspruch zu den Ergebnissen von Berndt: Beispielhaft sei auf die enorme Bekanntheit des Unternehmens Pfizer auf Grund dessen indirekter DTC-Werbung für Viagra verwiesen (Kampagne „für den gesunden Mann“). Vgl. hierzu z.B. Williams, A.; (1987), S. 200-210, insbes. S. 202. Vgl. Versteegen, U.; Brennecke, B.; (1995), S. 13-17. Als zentrales Kriterium zur Bewertung einer Arzneimitteltherapie werden daher die „quality-adjusted life years (QUALY)“ herangezogen, worunter die Anzahl an infolge einer Arzneimitteltherapie gewonnenen Lebensjahre, abzüglich bzw. addiert um den mit diesen zusätzlichen Lebensjahren verbundenen Gewinn bzw. Einbuße an Lebensqualität, verstanden werden vgl. Teeling Smith, G.; (1987), S. 7-8; Freeman, R. A.; (1996), S. 33-34. Zur praktischen Bedeutung dieser Meßgröße in der Gesundheitsökonomie, vgl. Maynard, A.; (1987), S. 117-133. Vgl. zu dieser Problematik auch die Ausführungen von Kaufer, E.; (1981), S. 84.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

289

diese Aktivitäten in den meisten anderen (Konsumgüter-)Industrien in der Person des „Konsumenten“ vereinigt sind. 4.1.3.3

Die Distributionskette der Pharmazeutischen Industrie

Auch der physische Distributionsprozeß von Arzneimitteln weist eine Reihe von Besonderheiten auf, die ihn von dem anderer Branchen signifikant unterscheiden: So sind u.a. der Distributionsweg (Abgabe nur durch Apotheken, kein Versandhandel), die Besitzverhältnisse der Apotheken und auch die Handelsspannen von Großhandel und Apotheken staatlich vorgegeben.277 Bevor auf diese Besonderheiten näher eingegangen werden soll, wird zunächst ein Überblick über die unterschiedlichen Distributionskanäle und ihre jeweilige Bedeutung für den Absatz von Arzneimitteln auf dem deutschen Markt gegeben. Im internationalen Vergleich bestehen, vor allem aufgrund unterschiedlicher regulatorischer Rahmenbedingungen, erhebliche nationale Unterschiede hinsichtlich der verschiedenen Distributionskanäle und ihrer jeweiligen Bedeutung.278 Dies trifft auch auf 277

278

Auf diese im Vergleich zu anderen Branchen (vgl. für die generellen, branchenübergreifenden rechtlichen Rahmenbedingungen von Marketing und Distribution, z.B. Ahlert, D.; Schröder, H.; (1996);) besonderen regulatorischen Rahmenbedingungen wird in den nachfolgenden Ausführungen nur insoweit eingegangen werden, wie dies zum Verständnis des technologiestrategischen Umfeldes der im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stehenden Pharma-Unternehmen notwendig ist. Für eine tiefergehende Betrachtung aus Perspektive der Apotheke sei auf die interessanten Ausführungen von Schöffski verwiesen, der nicht nur die Entstehungsgeschichte dieser regulatorischen Rahmenbedingungen und ihre ökonomische, rechtliche und politische Rechtfertigung differenziert erörtert, sondern auch Ansätze für eine mögliche Deregulierung entwickelt, vgl. hierzu Schöffski, O.; (1995) sowie Schöffski, O.; (1996), S. 216-248. Vgl. hierzu die Ausführungen der nachfolgenden Autoren zu den nationalen Besonderheiten der Distributionssysteme in den jeweiligen Ländern, die sich zum Teil elementar vom deutschen Distributionsystem unterscheiden: Tiefenbacher im Rahmen der Diskussion zu Alberti, G.; (1981) in Röper, B.; (1981), S. 69-74 (Direkter Vergleich von Deutschland, Schweiz, Kanada und Mexiko); Park, N.-K.; (1991), S. 7 (Korea); Smith, L. J.; (1991), S. 83-94 (Großbritannien); Teevakul, M.; (1991), S. 33 (Thailand); Jönsson, B.; (1992), S. 153-156 (Schweden); o.V.; (1992), S. 2-5 (Japan); Thiede, U.; (1993 b), S. 137-138 und Thiede, U.; (1993 d), S. 362 (Japan); Sangalli, F.; Garattini, L.; (1994), S. 523-529 (Italien); Howells, J.; Neary, I.; (1995), S. 30-37 (Direkte Gegenüberstellung Großbritannien und Japan); Steiner, M.; Zumbroich, T.; (1995), S. 183-214 (Osteuropa: Tschechien, Slowakien, Ungarn, Polen); Reekie, W. D.; (1997), S. 279 (Südafrika); Schneider, M.; (1997) (Japan); Tewes, S.; (1997), S. 90-91 (Japan); Fisher Ellison, S.; (1998), S. 15-19 (USA); Nonell, R.; Borrell, J.R.; (1998), S. 130-131 (Spanien); Pauriche, P.; Rupprecht, F.; (1998), S. 10-11

290

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

die einzelnen pharmazeutischen Distributionssysteme innerhalb der EU zu.279 Die nachfolgenden Ausführungen werden sich ausschließlich auf den deutschen Arzneimittelmarkt konzentrieren. Hinsichtlich der Endverbraucherabsatzstätten lassen sich im deutschen Arzneimittelmarkt drei Marktsegmente unterscheiden (vgl. hierzu Abb. 4-19):280 –

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Der Krankenhausmarkt hatte bezogen auf die Herstellerabgabepreise281 2000 ein Volumen von 2,56 Mrd. €, was einem relativen Anteil von ca. 14 % entspricht. Damit ist der relative Marktanteil des Krankenhausmarktes in den letzten Jahren zugunsten des Apothekenmarktes kontinuierlich zurückgegangen, während er in Absolutwerten stagnierte.282 Obwohl das allgemeine Preisniveau des Krankenhausmarktes weit unter dem des Apothekenmarktes liegt, besitzt der Krankenhausmarkt für die Arzneimittel-Hersteller, insbesondere für die Hersteller hochpreisiger, innovativer Originalpräparate, wie bereits kurz angesprochen, eine enorme strategische Bedeutung: Bei chronischen, lebensbedrohenden Erkrankungen erfolgt die Ersttherapie in der Regel im Krankenhaus. Hier erfolgt dann auch die Einstellung auf das Medikament, das beim Patienten den gewünschten Behandlungserfolg bei guter Verträglichkeit zeigt. Der anschließend die Behandlung fortsetzende niedergelassene Arzt wird, sofern keine Patientenbeschwerden oder Komplikationen auftreten, nur (Frankreich); PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2001 a), S. 49-53 (USA). Vgl. hierzu z.B. die Ausführungen von Platford, R.; (1995), S. 81-102; und den Überblick in Form der einzelnen Länderprofile bei Eschenbach, D.; et al.; (1998). Vgl. bezüglich früherer Berechnungen der Mengen und Umsatzströme im deutschen Distributionssystem für Arzneimittel die Ausführungen von Oberender, P.; (1984), S. 268-271; und Daumann, F.; Oberender, P.; (1997), S. 242-244. Diese enthalten zum Teil zusätzliche Details, die dem Autor in Form aktueller Daten bei der Berechnung des in Abb. 4-19 wiedergegebenen Distributionssystems nicht zur Verfügung standen. Ähnlich auch Horn, R.; (1995), S. 131. Da nach derzeitiger Rechtslage die Krankenhausapotheken nur die Versorgung der stationär aufgenommenen Patienten übernehmen und nicht an der ambulanten Versorgung beteiligt sind, liegen Endverbraucherpreise im eigentlichen Sinne nicht vor. Zur Ermittlung der relativen Bedeutung wurden daher näherungsweise in Abb. 4-19 die Herstellerabgabepreise auch auf der Endverbraucherebene herangezogen. Im zeitlichen Verlauf von 1994 bis 2000 ging der relative Marktanteil (nur Apotheken- und Krankenhausmarkt) von 16,6 % auf 14,1 % zurück, während er mit 2,56 Mrd. € (2000) bei leichter jährlicher Volatilität in den Zwischenjahren gegenüber 2,25 Mrd. € (1994) nahezu unverändert blieb, vgl. BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (2001 e), S. 7. Prozentberechnung durch den Autor.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

291

in Ausnahmefällen den Patienten auf ein anderes Präparat umstellen. Für den Arzneimittel-Hersteller ist es daher entscheidend, in den Krankenhäusern eine möglichst starke Präsenz und einen möglichst hohen Marktanteil zu haben, selbst wenn dabei nur relativ geringe Deckungsbeiträge erzielt werden oder im Extremfall sogar Verluste in Kauf genommen werden müssen, da diese anschließend im Apothekenmarkt wieder (über-)kompensiert werden können. Diese strategische Bedeutung ist umso größer, je höher im jeweiligen Indikationsgebiet der Wettbewerb mit, bezüglich ihres therapeutischen Wertes, vergleichbaren Originalpräparaten anderer Anbieter ist. Auch für hochinnovative, hochpreisige Präparate mit neuem Wirkprinzip, die in therapeutischer Hinsicht den etablierten Wettbewerbsprodukten (tatsächlich oder vermeintlich) signifikant überlegen sind, besitzt der Krankenhausmarkt eine strategische Schlüsselbedeutung, schließlich findet hier nicht nur die Ersteinstellung der Patienten, sondern auch die Aus- und Fortbildung der (niedergelassenen) Mediziner statt. Da nach der derzeitigen Rechtslage in Deutschland (noch) eine eindeutige Segmentierung von Krankenhaus- und Apothekenmarkt sichergestellt ist – den Krankenhausapotheken ist die Abgabe von Arzneimitteln an ambulante Patienten gesetzlich nicht gestattet – bleibt die Differenzierung beider Marktsegmente mit zwei stark unterschiedlichen Preisniveaus für die Arzneimittel-Hersteller kalkulierbar. –

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Der Apothekenmarkt283 stellt mit einem Umsatz von 15,59 Mrd. € in 2000 auf der Herstellerabgabepreisebene mit 84,5 % das mit Abstand wichtigste Marktsegment dar. In Endverbraucherpreisen war dies ein Umsatz von 27,66 Mrd. € und ein Absatz von 1,545 Mrd. Packungseinheiten. Diese gewaltige Dominanz gegenüber allen anderen Vertriebskanälen ist regulatorisch bedingt. Wie bereits vorstehend bei der Differenzierung von Arzneimitteln ausgeführt wurde,284 dürfen in Deutschland Arzneimittel mit Ausnahme der freiverkäuflichen Präparate (die aber in Endverbraucherpreisen mit 1,684 Mrd. € nur einen Marktanteil von 5,5 % besitzen) nur in Apotheken (öffentlichen und Krankenhausapotheken) abgegeben werden. Anders als in anderen Ländern Auf die Rolle des Apothekers im pharmazeutischen Distributionssystem kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, vgl. hierzu z.B. Hengstenberg, H.; (1989), S. 288-300; Stoll, C.; (1992), S. 80-88 sowie die Ausführungen der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände; (2001), S. 14-22; sowie zur Erwartungshaltung von Patienten an die Apotheken Kaapke, A.; Heemann, L.; (1998), S. 69-82. Vgl. Kap. 4.1.1, S. 208ff.

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

besitzen niedergelassene Ärzte kein Dispensierrecht,285 und auch der Versandhandel mit Arzneimitteln (auch der Vertrieb im Internet)286 ist gesetzlich nicht zulässig. –

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Nur weniger als 2 % des Arzneimittelumsatzes, 514 Mio. € zu Endverbraucherpreisen (ca. 0,3 Mrd. € zu Herstellerabgabepreisen)287, wurden 2000 in

Der Arzneimittelvertrieb durch niedergelassene Ärzte ist besonders für den japanischen Markt charakteristisch (mit allerdings fatalen gesundheitspolitischen Folgen). In Europa ist er nur in Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und Großbritannien von Bedeutung, während er in Deutschland sowie den meisten romanischen (Italien, Spanien und Portugal) und skandinavischen Ländern (Dänemark, Schweden, Finnland) gesetzlich verboten ist. Der Versandhandel mit Arzneimitteln hat vor allem in den USA eine große (und weiterhin zunehmende) Bedeutung erlangt. In Europa sind die Niederlande und die Schweiz Vorreiter für den Versandhandel. Auf europäischer Ebene ist die Rechtslage unklar: Ein Verbot ergibt sich indirekt (insbesondere aus der EU-Richtlinie 92/28) über das Verbot, Publikumswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu betreiben, für diese gleichzeitig für den Versandhandel interessanteste Arzneimittelgruppe, vgl. Lutz, F.; (1998). Dies war bis vor kurzem auch in Deutschland die Rechtsgrundlage (indirekt über das Werbeverbot). Mit der 8. AMG-Novelle wurde das Versandhandelsverbot jedoch 1998 auch explizit in Form des § 43 Abs. 1 in das deutsche Arzneimittelgesetz aufgenommen. Auf dieser Basis wurde beispielsweise auch der niederländischen Internet-Apotheke 0800DocMorris N.V. in zwei Instanzen (Kammergericht Berlin und Oberlandesgericht Frankfurt) der internet-gestützte Versandhandel mit Arzneimitteln an Kunden in Deutschland untersagt. Inwieweit diese Urteile (und damit das Versandhandelsverbot des AMG insgesamt) mit europäischem Wettbewerbsrecht (freier Warenverkehr innerhalb der EU) vereinbar sind, ist umstritten, vgl. hierzu ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände; (2001), S. 7-8 sowie für die gegenteilige Rechtsauffassung von König, vgl. hierzu Stüwe, H.; (2001), S. 20. Eine diesbezügliche Klärung wird wohl erst durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in etwa einem Jahr entschieden werden. Inzwischen ist aber auch auf deutscher politischer Ebene ein Umschwenken der Versandhandelsgegner aus Kostendämpfungsgründen nicht auszuschließen, so sind bei Bundesgesundheitsministerin Schmidt Zeichen des Umdenkens nicht zu übersehen, vgl. o.V.; (2002 a), S. 16. Für die USA existieren widersprüchliche Erkenntnisse, inwieweit die Dienstleistungen und Beratungsangebote von öffentlichen (Präsenz-)Apotheken und Versandhandelsapotheken den Bedürfnissen ihrer Kunden entsprechen, vgl. hierzu die zusammenfassende Kommentierung von zehn Studien aus den USA bei Kirking, D. M.; Ascione, F. J.; (1990), S. 15-39. Die Abschätzung des Wertes der Herstellerabgabepreise auf Basis der Annahme durchschnittlich gleicher Handelsspannen wie im Apothekenmarkt erfolgte durch den Autor, da Herstellerabgabepreiswerte für dieses Marktsegment nicht vorlagen. Auf die relative Bedeutung dieses Marktsegmentes haben auch relativ große Abweichungen von der Richtigkeit dieser Annahme einen nur sehr geringen Einfluß.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

293

den übrigen Vertriebskanälen wie Reformhäusern (117 Mio. €), Drogeriemärkten (276 Mio. €) und Verbrauchermärkten (121 Mio. €), getätigt. Diese realisieren damit allerdings 60 % der Umsätze in dem ihnen einzig regulatorisch zugänglichen Marktsegment der freiverkäuflichen Arzneimittel. Das durchschnittliche Preisniveau ist in diesem auf die Prävention und Therapie leichter Beschwerden ausgerichteten Marktsegment erheblich niedriger als in den übrigen Marktsegmenten der apotheken- und rezeptpflichtigen Arzneimittel, demzufolge ist der relative Absatzanteil auch höher: Allein Drogerie- und Verbrauchermärkte setzten 2000 106 Mio. Packungseinheiten ab. Dies entspricht etwa 7 % der Menge aller Arzneimittel, die in Apotheken verkauft wurden, während der korrespondierende Umsatzprozentsatz nur 1,4 % betrug. Wie in Abb. 4-19 wiedergegeben, ist das pharmazeutische Distributionssystem zweistufig angelegt. Zwischen Hersteller und Endverbraucherabsatzstätten ist als Zwischenstufe in der Mehrzahl der Fälle die logistische Leistung des pharmazeutischen Großhandels geschaltet. Insgesamt werden mehr als 80 % aller abgegebenen Arzneimittel (bezogen auf den Wert in Herstellerabgabepreisen) über den pharmazeutischen Großhandel distribuiert. Allerdings schwankt die relative Bedeutung des Großhandels je nach Distributionskanal. Während mehr als 95 % (bezogen auf den Wert) der Warenströme des (ja mit Abstand wichtigsten) Distributionskanals der öffentlichen Apotheken über den Großhandel abgewickelt werden,288 sind die Relationen im Krankenhausmarkt und bei den übrigen Absatzstätten nahezu umgekehrt, d.h. hier dominiert eindeutig die Direktbelieferung durch die Arzneimittel-Hersteller. Die logistische Leistung des Großhandels besteht vor allem darin, daß er eine störungsfreie Versorgung der Apotheken sicherstellt, wobei er für diese die Lagerhaltung und die Kapitalbindung übernimmt. Konkret bedeutet dies, daß in den einzelnen Apotheken nur geringe Lagerbestände der gängigsten Präparate (ca. 2.000)289 bevorratet werden. Um dennoch dem öffentlichen Versorgungsauftrag, der eine jederzeitige, flächendeckende Versorgung mit jedem apothekenpflichtigen Arzneimittel verlangt, nachkommen zu können, sind die Apotheken auf die Lagerkapazitäten und

288 289

Vgl. PHAGRO – Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels; (2001/2002). Vgl. Dohet-Gremminger, A.; (1997), S. 179. Andere Quellen nennen ca. 3.000 bis 8.000 Präparate, vgl. Engelhardt, W. H.; Gersch, M.; (1995), S. 201-203.

294

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie Gesamtmarkt 2000 in Herstellerabgabepreisen: 18,45 Mrd Euro in Packungseinheiten: 1,651 Mrd.

Arzneimittel-Hersteller Ca. 0,3 Mrd. Euro (1,6%)

15,59 Mrd. Euro (84,5%)

2,56 Mrd. Euro (13,9%)

Großhandel 5% 95%

Reformhäuser 0,12 Mrd. Euro (0,4%)

Drogeriemärkte

Verbrauchermärkte

0,28 Mrd. Euro (0,9%)

0,12 Mrd. Euro (0,4%)

Öffentliche Apotheken 27,66 Mrd. Euro (90,0%)

Krankenhausapotheken 2,56 Mrd. Euro (8,3%)

Umsatz pro Distributionskanal (in Endverbraucherpreisen) 2000: Gesamtmarkt 30,74 Mrd. Euro N.A.

106

1545

N.A.

Absatz pro Distributionskanal in Mio. Packungseinheiten 2000: Gesamtvolumen 1.651 (ohne Krankenhaus und Reformhäuser)

Abb. 4-19:

Die pharmazeutische Distributionskette in Deutschland 2000 (Vertriebsstruktur für Arzneimittel nach Distributionskanälen). Quelle: Eigene Darstellung auf Basis eigener Berechnungen nach BAH (2001) / BPI (2001) / VFA (2001) / PHAGRO (2001/2002)290

den schnellen und zuverlässigen Lieferservice des Großhandels angewiesen (in den Apotheken sind bis zu 250.000 unterschiedliche Produkte erhältlich). Die 16 Großhandelsunternehmen auf dem deutschen Markt unterhalten 102 Niederlassungen, in denen jeweils (je nach regionaler Bedeutung) 60.000 bis 100.000 unterschiedliche Präparate bevorratet werden. Mit einer täglichen Belieferungsfrequenz von zwei bis fünfmal pro Apotheke wird garantiert, daß jedes Arzneimittel (das nicht in der Apotheke vorrätig ist) innerhalb weniger Stunden dem Patienten ausgehändigt werden kann. Dabei weist die Umschlagshäufigkeit je nach Präparat extreme Unterschiede auf: Mit 9 % aller Präparate, den sogenannten „Schnelldrehern“, werden 77 % der Umsätze des Pharma-Großhandels gemacht, die übrigen 93 % „Langsamdreher“ machen nur 23 % des Umsatzes

290

Vgl. BAH – Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller; (2001), S. 4-8; BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (2001 e), S. 6-9; VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 50-51; PHAGRO – Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels; (2001/2002).

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

295

291

aus. Für die Arzneimittel-Hersteller heißt dies, daß die Markteintrittsbarrieren zu den Distributionskanälen (zumindest de jure) relativ niedrig sind, dies bedeutet, daß auch kleinere Hersteller mit niedrigen Umsätzen und Anbieter mit niedrigpreisigen Präparaten, die die eigenen Distributionskosten (im Direktvertrieb) ohne die Mischkalkulation des Großhandels (und der Apotheken) niemals tragen könnten, eine Möglichkeit der flächendeckenden Distribution erhalten.292 Bemerkenswert ist, daß die Geschäftsabwicklung über den pharmazeutischen Großhandel weitestgehend automatisiert durchgeführt wird: Im Jahr 2000 waren 93,1 % der Bestellübertragungen zwischen den Apotheken und dem Großhandel und 70,0 % der Bestellübertragungen zwischen Großhandel und Arzneimittel-Herstellern elektronisch.293 Damit dürfte der pharmazeutische Großhandel zu den absoluten Vorreitern in Sachen e-commerce (im b2b-Bereich)294 gehören.295 In Kap. 4.1.2.5 (S. 261ff) wurde der Fragmentierungsgrad der Pharmazeutischen Industrie bereits genauer analysiert. Es bietet sich daher für das Verständ-

291

292

293 294

295

Vgl. Benatzky, D.; (1995), S. 106-114; Engelhardt, W. H.; Gersch, M.; (1995), S. 201-203; und PHAGRO – Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels; (2001/2002). Eine ausführliche Analyse der Marktstrategien des Pharma-Großhandels und der wichtigsten Erfolgsfaktoren findet sich bei Dohet-Gremminger, A.; (1997), S. 179-232. Eine detailierte Situationsbeschreibung der Stellung des Pharma-Großhandels im deutschen Distributionssystem für Arzneimittel ist in einer Studie des Instituts für Gesundheits-System-Forschung (1980) enthalten. Zu den Aufgaben und Pflichten des Pharma-Großhandels unter besonderer Berücksichtigung der regulatorischen Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene, vgl. Meyer, H. J.; (1992), S. 4049. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die Richtlinie 92/25/ EWG über den Großhandelsvertrieb von Humanarzneimitteln, vgl. hierzu Europäische Kommission (1998), S. 97-102. Im Rahmen der für die vorliegende Arbeit durchgeführten Experteninterviews klagten aber eine Reihe kleiner Unternehmen darüber, daß dieser „Idealzustand“ in der Praxis nicht erfüllt sei: Obwohl Ärzte ihre Medikamente verordneten, wurden diese durch Apotheken und Großhandel nicht distribuiert. Als Grund wurden dem Patienten häufig eine angeblich „fehlende Lieferbarkeit“ genannt. Vgl. ebenda. Der Pharmazeutische Großhandel beschränkt sich mit seinen e-commerce-Aktivitäten nach eigenem erklärten Ziel ausdrücklich auf das Business-to-Business-Segment (b2b), Endverbraucher (dies ginge dann in Richtung Versandhandel) sollen nicht angesprochen werden, vgl. PHAGRO – Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels; (2001/2002). Zur grundsätzlichen Bedeutung des Electronic Data Interchange (EDI) als Instrument zum Aufbau vernetzter Geschäftsbeziehungen im Arzneimittelhandel, vgl. Engelhardt, W. H.; Gersch, M.; (1995), S. 201-222; Gersch, M.; (1998).

296

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

nis des strategischen Wettbewerbsumfeldes der Pharmazeutischen Industrie an, auch kurz auf die wettbewerblichen Kräfteverhältnisse der übrigen Akteure in der pharmazeutischen Distributionskette einzugehen. In diesem Zusammenhang sind drei Gesichtspunkte von besonderer Relevanz: –

Der Konzentrationsgrad auf den einzelnen Handelsstufen.



Das Ausmaß der Rückwärtsintegration (von Großhändlern und Apothekern).

Das Ausmaß der Vorwärtsintegration (von Großhändlern und Pharma-Unternehmen). Der Konzentrationsgrad auf den einzelnen Handelsstufen weist im deutschen Arzneimittelmarkt grundsätzliche Unterschiede auf. Während der Konzentrationsgrad beim pharmazeutischen Großhandel außerordentlich hoch ist, könnte der Fragmentierungsgrad auf der nachgelagerten Stufe der Endverbraucherabsatzstätten kaum größer sein: –



296

297 298

Wie Abb. 4-20 verdeutlicht, weist der Pharmazeutische Großhandel einen außerordentlich hohen Konzentrationsgrad auf.296 Dies tritt umso klarer zutage, wenn man die angestrebte Fusion der drei genossenschaftlich organisierten Großhandelsorganisationen Anzag, Sanacorp und Noweda berücksichtigt,297 wodurch diese gemeinsam der größte Großhändler auf dem deutschen Arzneimittelmarkt sein würden. Gemeinsam mit den Wettbewerbern Gehe und Phoenix würden dann die drei führenden Großhändler mehr als 83 % des Großhandelsmarktes in Deutschland kontrollieren (vgl. Abb. 4-20). Ähnliche Konzentrationsgrade der drei führenden pharmazeutischen Großhändler sind auch in den meisten europäischen Nachbarländern anzutreffen. Hinzu kommt, daß sich in den letzten Jahren durch Akquisitionen, Fusionen und strategische Allianzen auch ein transeuropäischer Konzentrationsprozeß hin zu einigen wenigen transeuropäischen Großhändlern vollzogen hat.298 Dabei haben sich insbesondere die beiden deutschen Unternehmen Gehe und Phoenix zu führenden europäischen Großhändlern entwickelt: Gehe verfügt seit der Akqui-

Zur Analyse des evolutionären Prozesses, der über Marktaustritte und Konsolidierungen zum heutigen hohen Konzentrationsgrad im Pharma-Großhandel geführt hat, vgl. die Untersuchungen von Fein, A. J.; (1998), S. 231-270. Vgl. hierzu o.V.; (2001 a), S. 22. Vgl. hierzu z.B. James, B.; (1990), S. 12-14.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

297

Marktanteile (Umsatz) in % - Gesamtmarkt: 16,5 Mrd. Euro

Anzag 16,0% Gehe (Celesio) 19,5%

Sanacorp 13,0%

Noweda 7,0% Sonstige 16,5%

Phoenix 28,0%

Abb. 4-20:

Pharmazeutischer Großhandel in Deutschland 1999. Quelle: Eigene Darstellung nach Anzag/Phagro (2001)299

sition von OCP und AAH sowie der Apothekenkette Lloyds (Selbstdistributeur) über eine führende Marktposition in Frankreich (MAT 42 %) und Großbritannien (MAT >30 %).300 Phoenix’ Position ist seit der Übernahme von Tamro (MAT in Schweden und Finnland > 60 %) der dominierende Großhändler in Nord- und Nordosteuropa und verfügt seit der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Adivar über einen starken Kristallisationskern im stark fragmentierten italienischen Großhandelsmarkt.301 Auch die genossen-

299

300

301

Vgl. Anzag/Phagro (2001), zitiert nach o.V.; (2001 a), S. 22. Umrechnung des Gesamtmarktwertes in Euro durch den Autor. Weitere Akqisitionen von Gehe waren Gärner (mit Aktivitäten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden) und Brown and C&H Distributors (USA). Eigene Neugründungen haben eine Expansion nach Polen, Tschechien und Rußland ermöglicht. Die Akquisition der OCP-Gruppe beinhaltete auch einen Ausbau der Marktposition in Belgien, Italien, Luxemburg, Polen, Portugal und Spanien, vgl. REMIT; (1997), S. 110-114. Allein im Zeitraum seit 2000 hat Phoenix durch die Übernahme von Tamro (Nordeuropa incl. Nordosteuropa) und Amedis und Uhlmann-Eyraud (Schweiz) sowie der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit Adivar in Italien seine Europäisierung konsequent vorangetrieben, vgl. o.V.; (2001 b). Vorangegangen waren schon

298

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

schaftlichen Großhändler Anzag und Sanacorp verfügen seit der Gründung des europäischen Joint Ventures IPSO (International Pharmaceutical Service Organisation) mit Partnern aus fünf weiteren europäischen Ländern (Frankreich, Italien, Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz) Ende 1994 über eine europaweite Vernetzung. –

302

Auf der nachgelagerten Handelsstufe der Endverbraucherabsatzstätten ist hingegen in Deutschland ein äußerst niedriger Konzentrationsgrad anzutreffen. Grund hierfür sind die regulatorischen Rahmenbedingungen, wobei zwei Aspekte zum Tragen kommen: Auf dem Apothekenmarkt wird jede Konzentration durch das Fremd- und Mehrbesitzverbot von Apotheken verhindert, das besagt, daß jeder Apotheker nur eine Apotheke besitzen darf und diese auch selbst führen muß. Der Zusammenschluß zu Apothekenketten oder der Besitz von Apotheken durch ein Unternehmen (seien es Großhändler, Drogerie- oder Verbrauchermarktketten oder Pharma-Unternehmen) ist damit de jure verboten. Der Konzentrationsgrad bei den übrigen Endverbraucherabsatzstätten (Reformhäuser, Drogerie- und Verbrauchermärkte) ist hingegen zum Teil durchaus beachtlich, schließlich dominieren (mit Ausnahme der Reformhäuser) dort die großen Ketten das Marktgeschehen. Mit Blick auf die hier zur Diskussion stehenden Arzneimittel ist dies jedoch derzeit ohne Relevanz, weil nur der kleine Teil der freiverkäuflichen Arzneimittel (Marktanteil zu Endverbraucherpreisen 5,5 %) überhaupt durch diese Distributionskanäle fließen dürfte, da die regulatorischen Rahmenbedingungen den Vertriebsweg für alle übrigen Arzneimittel, wie bereits erwähnt, auf die Apotheke festlegen. In Deutschland existierten im Jahre 2000 21.592 öffentliche Apotheken (vgl. Tabelle 4-1), die (zumindest de jure) jeweils einem anderen Eigentümer gehörten.302 So kann in dem den Arzneimittelabsatz dominierenden Apothekeneine ganze Reihe von Akquisitionen und Beteiligungen in Frankreich (Chafer Toulon, GRP Ivry und Repha Vendée), Italien (CIM, SAM, Feletti Spadazzi, Comifar), den Niederlanden (ACF/Brocacef) und Österreich (Hestag). Auf logistische Aspekte bei der Etablierung eines europäischen Distributionssystems soll hier nicht näher eingegangen werden, vgl. hierzu z.B. Bretzke, W.-R.; (1998), S. 341-363. Es wurden auch in Deutschland Versuche unternommen, über Strohmänner mehrere Apotheken zu besitzen und so de facto Apothekenketten zu gründen; falls dies jedoch nachweisbar wird (worüber die Standesorganisation der Apotheker mit Argusaugen wacht), erfolgt auch auf gerichtlichem Wege eine Durchsetzung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes für Apotheken, wie der Fall eines Mindener Apothekers belegt,

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

299

Tabelle 4-1: Absatzstätten für Arzneimittel in Deutschland 2000. Quelle: Eigene Darstellung nach ABDA/BAH (2001)303 Absatzstätten für Arzneimittel in Deutschland 2000 Art der Absatzstätte

Anzahl

Öffentliche Apotheken

21.592

Krankenhausapotheken

563

Drogerien Drogeriemärkte Verbrauchermärkte Reformhäuser Gesamt

6.300 11.640 7.505 2.360 49.960

markt von einem außerordentlich hohen Fragmentierungsgrad gesprochen werden. Zwar dürfte die Anzahl der Apotheken in den nächsten Jahren leicht zurückgehen,304 dies wird aber ohne Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit der Bevölkerung oder die Wettbewerbsverhältnisse im Arzneimittelmarkt bleiben.305

303

304

305

vgl. das Urteil des Landgerichts Bielefeld (Urteil vom 23.10.2000 – 1 KLs ST 1/97 I – nicht rechtskräftig), zitiert nach ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände; (2001); S. 12. In welchem Umfang allerdings unentdeckte Apothekenketten existieren, ist genauso schwer abzuschätzen wie der Grad, in dem Apotheken aufgrund ihrer hohen Verschuldung, bereits heute de facto durch den Pharmazeutischen Großhandel kontrolliert werden. Bei der Anzahl der öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken wurde der von der ABDA für den Stichtag 31. Dezember 2000 angegebene Wert verwendet, vgl. ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände; (2001), S. 28-29. Die übrigen Angaben wurden der Auflistung des BAH entnommen, vgl. BAH – Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller; (2001), S. 10. Während in früheren Jahren die Anzahl der Apothekenneugründungen deutlich über der Zahl der Apothekenschließungen lag, ist die Schere in den letzten Jahren immer kleiner geworden und hat im Jahre 2000 erstmals ein Gleichgewicht erreicht, wobei die Apothekenanzahl in den alten Bundesländern bereits heute leicht rückläufig ist, vgl. hierzu ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände; (2001); S. 28-31. Zum prognostizierten Rückgang der Apothekenanzahl dürfte die immer schwieriger werdende wirtschaftliche Situation in vielen Apotheken nachhaltig beitragen, vgl. hierzu ebenda, S. 31-39. Wie sich abzeichnet, sind vor allem kleinere Apotheken von der Schließung bedroht, da das betriebswirtschaftliche Betriebsergebnis tendenziell mit zunehmender Umsatzgröße zunimmt; dies zeigt auch eine Untersuchung des Instituts für Handelsforschung der Universität Köln, vgl. Erdmann, B.; (1996), S. 54-57.

300

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Eine ähnliche Wettbewerbssituation auf der Endverbraucherabsatzstättenebene ist auch in den meisten europäischen Nachbarländern anzutreffen: Auch in Frankreich, Italien und Spanien existiert (wie überhaupt in den meisten europäischen Ländern) ein Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheken. Allerdings gibt es auch europäische Beispiele dafür, wie stark eine regulatorische Veränderung (Wegfall des Fremd- und Mehrbesitzverbotes) das Wettbewerbsgefüge nachhaltig umstrukturiert: Ähnlich wie in den USA haben Großbritannien, Irland, die Niederlande, Belgien, Norwegen und die Schweiz das Fremd- und Mehrbesitzverbot abgeschafft. Am weitesten fortgeschritten sind die Veränderungen des Distributionssystems im größten europäischen Markt dieser Länderriege, in Großbritannien: Hier kontrollieren Apothekenketten inzwischen mehr als die Hälfte des britischen Arzneimittelmarktes. Auch in den übrigen genannten Ländern haben sich Apothekenketten etabliert, allerdings hat ihr Marktanteil (außer in Norwegen) noch nicht britische Dimensionen erreicht. Ein weiteres Element des regulatorischen Umfeldes, das nachhaltigen Einfluß auf den Konzentrationsgrad im Apothekenmarkt hat, ist das Versandhandelsverbot für Arzneimittel in Deutschland. Hierzu ist zu erwähnen, daß die Rentabilität der öffentlichen Apotheken (wie die des Großhandels) auf einer Mischkalkulation beruht: Hochpreisige Arzneimittel gegen chronische Erkrankungen (regelmäßiger Absatz ohne hohen Beratungsaufwand) tragen mit ihren relativ hohen Deckungsbeiträgen zur Kompensation der unterdurchschnittlichen Deckungsbeiträge bei niedrigpreisigen Präparaten mit relativ hohem Beratungsaufwand bei. Der Versandhandel wäre aber für die Kostenträger (relativ hoher Kostensenkungseffekt) und den Versandhändler (relativ hohe Marge in Relation zu den Versandkosten) vor allem bei diesen hochpreisigen und wenig beratungsintensiven Präparaten gegen chronische Erkrankungen besonders interessant. Dadurch würde aber die bisherige Mischkalkulation der Apotheken zu Fall gebracht. Berücksichtigt man zusätzEine Unterversorgung der Bevölkerung, die dann gleichbedeutend mit einer ernsthaften Störung eines flächendeckenden Distributionsnetzes aus Sicht der Hersteller wäre, dürfte indes nicht zu befürchten sein. Vielmehr steht zu erwarten, daß insbesondere in Städten, in denen sich häufig in enger räumlicher Nähe mehrere Apotheken im unmittelbaren Wettbewerb befinden, die schwächeren Apotheken werden aufgeben müssen. Bei ihnen ist die niedrige Umsatzgröße gepaart mit hohen Betriebskosten wie Mieten und Löhnen, während in der ländlichen Fläche diese Kosten relativ niedriger sind und auch der Wettbewerbsdruck in der Regel geringer ausfallen dürfte. Durch die Apothekenpreisbindung können (anders als z.B. im Lebensmitteleinzelhandel) trotzdem die gleichen Preise verlangt werden wie in den „Hochpreisregionen“ großer Städte.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

301

lich noch, daß die betriebswirtschaftliche Situation vieler Apotheken bereits heute defizitär ist und viele Apotheken ihr wirtschaftliches Überleben vor allem dem Verzicht des Apothekers auf einen Teil seines kalkulatorischen Lohnes verdanken, so ist eine Konkurswelle bei Apotheken sehr wahrscheinlich. In Kombination mit dem Wegfall des Fremd- und Mehrbesitzverbotes scheint ein intensiver Konzentrationsprozeß extrem wahrscheinlich. Wie stark Veränderungen im regulatorischen Umfeld, insbesondere der Wegfall des Fremd- und Mehrbesitzverbotes, die Wettbewerbsverhältnisse im pharmazeutischen Distributionsystem verändern können, zeigt ein Blick auf das US-amerikanische Distributionsystem.306 Abb. 4-21 gibt die relative Bedeutung der einzelnen Distributionskanäle im US-amerikanischen Markt für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Marktanteile auf Basis des Umsatzes zu Endverbraucherpreisen) im Jahre 2000 wieder. Wie deutlich zu erkennen ist, beträgt der Marktanteil der unabhängigen Apotheken nur noch 17,3 %, während er in Deutschland 2000 bei über 90 % gelegen hat (vgl. Abb. 4-19). Den unabhängigen Apotheken in den USA sind in Form von Apothekenketten 30,6 %), Versandhandel (12,1 %) und Verbrauchermärkten (9,0 %) mächtige Wettbewerber herangewachsen. Veränderungen im regulatorischen Umfeld in Deutschland könnten also auch auf der Ebene der Endverbraucherabsatzstätten zu einer merklichen Zunahme des Konzentrationsgrades führen, während dieser auf der Großhandelsstufe bereits heute sehr hoch ist. Bleibt nun die Frage des Verflechtungsgrades zwischen den Handelsstufen (sprich der Vorwärts- und Rückwärtsintegration der einzelnen Akteure) zu betrachten.

306

Dabei muß der Aufbau von Apothekenketten keinesfalls notwendigerweise im Aufkauf bisheriger inhabergeführter Apotheken bestehen. Vielmehr steht zu erwarten, daß die großen Drogerieketten und Einzelhandelsorganisationen (nach US-amerikanischem Vorbild) ihre zahlreichen Absatzstätten (vgl. Tabelle 4-1, S. 299) einfach um eine „Apothekenecke“ erweitern, in der dann ein angestellter Apotheker die kontrollierte Abgabe an die Endverbraucher vornimmt. Es darf wohl davon ausgegangen werden, daß alle diese Einzelhandelsorganisationen entsprechende Konzepte „in der Schublade“ haben, die eine sofortige Realisierung bei einem Wechsel des regulatorischen Umfeldes erlauben würden.

302

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie Apothekenketten 30,6% Unabhängige Apotheken 17,3%

Andere 0,4% Betriebliche HMOs 1,0% Häusliche Pflege 1,1% Langzeit-Pflege 3,1%

Verbrauchermärkte 9,0%

Massengeschäft 6,9% Versandhandel 12,1%

Abb. 4-21:

Kliniken 7,0% Krankenhäuser 11,5%

Überblick über das US-amerikanische Distributionssystem: Relative Bedeutung der einzelnen Distributionskanäle im Markt für verschreibungspflichtige Arzneimittel 2000 (Umsatzanteil zu Endverbraucherpreisen). Quelle: Eigene Darstellung nach IMS/PhRMA (2001)307

Beim pharmazeutischen Großhandel308 ist der zunehmende Konzentrationsund Verflechtungsprozeß nicht allein auf die horizontale Ebene beschränkt. Allerdings wurden die Anfang der neunziger Jahre vollzogenen Rückwärtsintegrationen vieler Großhändler durch Erwerb von Arzneimittel-Herstellern (insbesondere Generika-Herstellern) inzwischen weitestgehend (nicht nur in Deutschland) wieder rückgängig gemacht: So hat z.B. Gehe die Generika-Hersteller Azupharma (an Novartis) und Aliud-Pharma (an Stada) sowie die Jenapharm (an Schering) wieder veräußert und die Unternehmerfamilie Merckle führt die ihnen gehörenden Unternehmen Phoenix (Großhandel) einerseits sowie ratiopharm (Deutschlands größter Generika-Hersteller) und ct-Arzneimittel als getrennte Finanzbeteiligungen. Die Rückwärtsintegration der Apotheken in Form von Be307

308

Vgl. IMS Health (2001), zitiert nach PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2001 a), S. 49-53. Die vorstehenden und nachfolgenden Erörterungen betrachten die Problematik unter dem Gesichtspunkt, welche Auswirkungen diese Entwicklungen auf die ArzneimittelHersteller haben können. Für eine Diskussion aus Perspektive des Großhandels vgl. Wolf, F. H.; (1989), S. 281-287; sowie Benatzky, D.; (1995), S. 103-118.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

303

sitzanteilen an Arzneimittel-Herstellern (z.B. STADA) und Großhändlern (den genossenschaftlich organisierten Großhändlern) dürfte z.Z. keinen nennenswerten Einfluß auf das Wettbewerbsgeschehen haben. Weiterhin im Fortschreiten begriffen ist hingegen (in den Ländern, in denen die regulatorischen Rahmenbedingungen entsprechende Möglichkeiten eröffnen) die Vorwärtsintegration des pharmazeutischen Großhandels in die Endverbraucherabsatzstättenebene, sprich der Erwerb von Apothekenketten. Hieraus könnte sich, sobald die regulatorischen Rahmenbedingungen dies auch in den übrigen europäischen Märkten zulassen (Wegfall des Fremd- und Mehrbesitzverbotes von Apotheken, eventuell in Kombination mit einem Wegfall des Versandhandelsverbotes), eine nachhaltige Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Distributionssystem ergeben. In Analogie zum Lebensmitteleinzelhandel309 könnte ein Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt, mit Blick auf die Kräfteverhältnisse im Wettbewerb vom Anbieter- zum händlerdominierten Markt, stattfinden.310 Dies würde nicht ohne Wirkung für die Arzneimittel-Hersteller bleiben, insbesondere kleinere, ausschließlich national operierende Anbieter müßten fürchten, gar nicht mehr gelistet zu werden, größeren, internationalen Anbietern drohte ein harter Rabattkampf mit Wettbewerbern von Analogpräparaten und GenerikaHerstellern.311 Inwieweit dieses Szenario Realität werden könnte, wird aber

309

310

311

Bereits Ende der achtziger Jahre war der Konzentrationsgrad im Lebensmitteleinzelhandel außerordentlich hoch, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Machtverhältnisse im Wettbewerb. In Deutschland hatten die fünf führenden Lebensmitteleinzelhandelsketten bereits 1988 einen kumulierten Marktanteil von über 70 %. Ähnliche Konzentrationsgrade waren auch in den wichtigsten europäischen Nachbarmärkten anzutreffen, vgl. hierzu A. C. Nielsen; (1990); S. 7. Die europaweite horizontale Vernetzung dieser Handelsketten hat ihre Marktmacht weiter gesteigert, Azimont/Seidel sprechen in diesem Zusammenhang vom „Elefantenrennen“ in Europa, vgl. Azimont, F.; Seidel, F.; (1998), S. 216-222. Vgl. hierzu z.B. Platford, R.; (1995), der ausgehend von der Entwicklung des britischen Obst- und Gemüsehandels verschiedene Analogieszenarien für den Arzneimittelsektor mit Blick auf die Machtverteilung der einzelnen Akteure im Wettbewerb erörtert. Vgl. hierzu z.B. Waterman, der, im Rahmen eines ökonometrischen Modells die Auswirkungen der Entwicklung vom Verkäufer- zum Käufermarkt auf die Kräfteverhältnisse im Wettbewerb berechnet, vgl. Waterman, D.; (1996), S. 337-355. Dabei besteht die Gefahr, daß durch eine übergewichtige Marktmacht der Einkäufer die Einkaufspreise unter die Durchschnittskosten der Hersteller gedrückt werden können. Die besondere Situation des hohen Anteils versunkener Kosten an den Durchschnittskosten für Arzneimittel (auf diesen Gesichtspunkt wurde in den vorstehenden Ausführungen

304

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

erneut von den regulatorischen Rahmenbedingungen bestimmt werden, insbesondere die Erlaubnis (oder Anweisung) zur generischen oder sogar generellen therapeutischen Substitution312 würde die Wettbewerbslage für die ArzneimittelHersteller signifikant verschlechtern und die Machtverhältnisse zugunsten des Handels verschieben. Allerdings ist eine derartige denkbare Entwicklung auch für den Pharma-Großhandel nicht ohne Risiken,313 und den Arzneimittel-Herstellern bleibt ebenfalls die Möglichkeit einer Vorwärtsintegration. Auch hierfür finden sich bereits heute einige Beispiele: So haben in Deutschland sechs Arzneimittel-Hersteller in Kooperation das gemeinsame Distributionssystem PharmLog gegründet, das z.Z. überwiegend die Direktlieferungen an Krankenhäuser und in sehr geringem Maße auch an Apotheken sowie die Belieferung des Großhandels durchführt. Es könnte im Falle einer nachhaltigen Machtverschiebung im Vertriebsumfeld aber durchaus ein alternatives Distributionssystem darstellen, falls es einen Zugang zur Endverbraucherabsatzstättenebene finden würde (etwa den

312

313

bereits differenziert eingegangen, vgl. Kap. 4.1.2.2, S. 224ff) prädestiniert auch den Arzneimittelsektor für eine sogenannte „free riding“-Vorteilsnahme durch den Pharma-Großhandel. Die Modellberechnungen Watermans ergeben, daß diese langfristig zu einem Verlust an Produktvielfalt und Produktinnovation führen, was (nicht nur zum Nachteil der Arzneimittelindustrie ist, sondern) langfristige Patientennachteile und Wohlfahrtsverluste nach sich zieht, vgl. ebenda, S. 352-353. In der Tat scheinen erste Gerichtsverfahren in den USA, die Wettbewerbsverstöße zu Lasten kleiner, unabhängiger Apotheken durch unverhältnismäßig hohe Rabatte gegenüber HMOs, Apothekenketten und Versandhandelsapotheken beklagen, diese Befürchtungen zu bestätigen, vgl. z.B. Greco, A. J.; (1996), S. 186-192; und Scherer, F. M.; (1997 a), S. 239-256. Während die generische Substitution, die in Deutschland durch die Aut-idem-Regelung, wie vorstehend bereits ausgeführt (vgl. Kap. 4.1.3.2; S. 274ff), bereits Realität ist, nur die Substitution wirkstoffgleicher Präparate gestattet bzw. hier sogar vorschreibt, geht die therapeutische Substitution noch einen Schritt weiter: Bei ihr würden die Substitutionsmöglichkeiten auch alle übrigen für eine bestimmte Indikation zugelassenen Präparate einschließen. Dies würde eine komplette Verschiebung der Rolle des „Entscheiders“ von Arzt (und Patient) zum Apotheker (bzw. dessen Arbeitgeber) beinhalten, gleichbedeutend mit dem endgültigen Ende der therapeutischen Wahlfreiheit des Arztes. Die Übernahme eigener Apothekenketten birgt das Risiko des Akzeptanzverlustes bei den übrigen Apotheken in sich, vgl. Benatzky, D.; (1995), S. 116. Außerdem waren im Obst- und Gemüsehandel die Großhändler noch größere Verlierer als die Produzenten, ein extremer Schrumpfungs- und Konzentrationsprozeß war die Folge des Wegbrechens der Hauptkundschaft der unabhängigen Obst- und Gemüsehändler, allerdings waren die Umwälzungen im Lebensmitteleinzelhandel einzelhandelsinitiiert gewesen, vgl. Platford, R.; (1995), S. 85.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

305

verbliebenen unabhängigen Apotheken oder Apothekenketten ohne Großhandelsanbindung), oder die Vorwärtsintegration auf diese Stufe ausdehnen würde, was aber auf Akzeptanzschwierigkeiten bei den Wettbewerbern auf der Herstellerebene führen könnte. Ein zweites Beispiel aus Großbritannien, das bereits heute alle drei Handelsstufen umfaßt, ist die Firma Boots: Ihr vollintegriertes Vertriebssystem umfaßt sowohl die Herstellung (Fokussierung auf OTC-Arzneimittel), die Großhandelsfunktion und den Betrieb einer Apothekenkette mit mehr als 1000 Filialen. In den USA haben eine Reihe von Pharma-Unternehmen, insbesondere in der Zeit von 1993-95, Firmen übernommen, die auf den Vertrieb von Arzneimitteln und Managed Care spezialisiert waren oder sind strategische Allianzen mit ihnen eingegangen. Durch diese Art der vertikalen Diversifikation314 bekommen die akquirierenden Pharma-Hersteller nicht nur einen erheblich direkteren Kontakt zu ihren Kunden und schnelleren Zugriff auf Verkaufsdaten (mit erheblichem strategischen Nutzen für die Marketingaktivitäten), sondern erlangen gleichzeitig die strategische Kontrolle über ihre Distributionskette. Für diesen Typ einer vertikalen Diversifikationsstrategie haben sich z.B. der USamerikanische Pharmakonzern Merck & Co315 durch die spektakuläre Akquisition des (seinerzeit) größten US-amerikanischen Pharma-Versandhandelsund Pharmaceutical-Benefit-Management- (PBM) Unternehmens Medco sowie Eli Lilly und die britische SmithKline Beecham316 durch die Übernahme der PBMs PCS Health Systems bzw. DPS (Diversified Pharmaceutical Service) entschieden.317 Aus den vorstehenden Ausführungen kann also zusammenfassend festgestellt werden, daß sich das pharmazeutische Distributrionssystem maßgeblich von dem anderer Branchen unterscheidet. Wie bereits mehrfach erwähnt, wird dies entscheidend durch das regulatorische Umfeld getrieben. So wurden bereits als Besonderheiten ausgeführt, daß für 95 % aller Arzneimittel der Distributionsweg (Apothekenpflicht) vorgeschrieben ist und daß auch die Besitzverhältnisse dieses Distributionskanals gesetzlich klar vorgegeben sind. Gleiches gilt zusätzlich auch für die Handelsspannen von Großhandel und Apotheken für alle apotheken-

314

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Zu Definition und begrifflicher Abgrenzung von vertikaler Diversifikation, vgl. Zanger, C.; (1995), S. 517-518. In Deutschland unter dem Namen MSD aktiv. Inzwischen in 2001 mit GlaxoWellcome zu Glaxo-SmithKline fusioniert. Vgl. Fehr, B.; (1993); o.V.; (1994); Drews, J.; (1995 a); Fehr, B.; (1995).

306

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

pflichtigen Arzneimittel.318 Diese Handelsspannen sind degressiv angelegt, d.h. für hochpreisigere Präparate wird ein prozentual geringerer Großhandels- und Apothekenzuschlag vorgeschrieben als für niedrigerpreisige Arzneimittel. Die Arzneimittel-Preis-Verordnung (AM-PreisV) legt für den Großhandel je nach Wert eine Spanne von 8,9 bis 7,2 % fest, für die Apotheken eine Spanne von 34,9 bis 20,0 %.319 Hinzu kommen Rabatte durch die Arzneimittel-Hersteller. Der Großhandel gibt einen Teil dieser Rabatte und seiner Großhandelsspanne wiederum in Form von Rabatten an die Apotheker weiter. Die Apotheker ihrerseits sind verpflichtet, einen Zwangsrabatt (auch auf den Patientenzuzahlungsanteil) von 5 % an die Gesetzliche Krankenversicherung zu gewähren.320 Innerhalb der EU gehört Deutschland zu den wenigen Ländern, die auf Arzneimittel Mehrwertsteuer erheben und noch dazu den vollen Satz von derzeit 16 %. In Summe ergibt sich daraus das in Abb. 4-22 wiedergegebene Gesamtbild über die Struktur der durchschnittlichen Arzneimittelpreise für ausgewählte Länder der EU. In Deutschland ist insbesondere aufgrund des hohen Mehrwertsteueranteils der Herstelleranteil besonders niedrig: Von einem € Apothekenverkaufspreis landet durchschnittlich nur etwas mehr als die Hälfte (weniger als 55 Cent) beim Hersteller. In der politischen Diskussion der letzten Jahre wurde vermehrt der hohe Vertriebskostenanteil bei Arzneimitteln als Kostenreduzierungspotential (für die Ge-

318

319 320

Auf die Gründe, die zur Rechtfertigung der Preisbindung von Arzneimitteln angeführt werden, soll hier nicht näher eingegangen werden, vgl. hierzu z.B. die Diskussion bei Offermanns, M.; (1992), S. 33-42, insbes. S. 34-35. Vgl. Eschenbach, D.; et al.; (1998), S. 25. Zur Entstehungsgeschichte dieses Zwangsrabattes und seiner ökonomischen Problematik, vgl. Bauer, K.; (1980), S. 95. Im Jahre 2000 (alle Angaben inkl. MwSt.) mußten die Apotheken den Gesetzlichen Krankenkassen einen Zwangsrabatt von 1,11 Mrd. € gewähren, dieser setzt sich aus einem 5 %igen Rabatt auf den GKV-Umsatz von (nach Abzug) 19,30 Mrd. € und einem 5 %igen Abführungsanteil auf die Selbstbeteiligung der GKV-Versicherten in Höhe von 1,94 Mrd. € zusammen, vgl. ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände; (2001), S. 32-35. Die Umsatzzahlen der ABDA sind dabei, weil sie auf einer anderen Datenbasis beruhen als die den meisten in der vorliegenden Arbeit früher zitierten Quellen zugrundeliegenden IMS-Daten, und mit diesen nicht vollständig identisch sind.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

Anteil am Apothekenverkaufspreis in %

100

5,7%

20,0%

2,0%

9,1%

307 3,9%

5,7%

26,8%

21,0%

5,9%

13,8% 24,8% 32,2%

80

24,3%

29,2%

27,3% 60

26,1%

18,6%

8,5%

4,1% 56,6%

4,3% 57,1%

8,3% 57,5%

6,1% 60,6%

6,6% 62,7%

10,0% 63,3%

9,4% 3,8% 64,2%

65,8%

54,8% 40

Hersteller Großhandel Apotheke Steuer

20

0

chl uts De

Abb. 4-22:

and

en ark weiz talien anien lande reich nnien lgi I nem Sch Be Sp ieder rank brita ä D F N oß Gr

Struktur der Arzneimittelpreise (Apothekenverkaufspreise) in Europa 1999. Quelle: Eigene Darstellung nach EFPIA/BPI (2001)321

setzliche Krankenversicherung) deklariert.322 Dies scheint auf den ersten Blick auch zwingend, schließlich haben die nachgelagerten Vertriebskosten fast die gleiche Höhe wie die Herstellerabgabepreise. Ein Vergleich mit anderen Branchen relativiert diesen Eindruck jedoch etwas: Dieser direkte Vergleich mit den Einzelhandelsspannen anderer (nicht preisspannenregulierter) Branchen fördert nämlich zutage, daß die Apothekenspanne deutlich unter dem Mittelwert der Betriebshandelsspannen anderer Fachhandelsbranchen liegt: Während die Apo321

322

Vgl. EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries’ Associations, zitiert nach BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (2001 e), S. 28. Die Angaben für Italien und die Niederlande beziehen sich auf verordnete Arzneimittel, die für Frankreich auf erstattete Arzneimittel. Hier sind die effektiven Handelsspannen wiedergegeben. Ähnliche Angaben einer EU-weiten Gegenüberstellung der effektiven Handelsspannen für 1997 finden sich bei Schneider, M.; et al.; (1999), S. 37-49. Für die nominalen Handelsspannen aller EU-Länder vgl. die Länderprofile bei Burstall, M. L.; (1998); und Eschenbach, D.; et al.; (1998). Vgl. z.B. Wilhelm, S.; (2001), S. 42; o.V.; (2002 a), S. 16; und o.V.; (2002 b), S. 12. Insbesondere durch die Einführung des Versandhandels per Internet und die Deregulierung der Apothekenpflicht erhoffen sich viele Gesundheitspolitiker Einsparungen im Vertrieb von Arzneimitteln. Daneben wird auch die Aufhebung der Arzneimittelpreis-Verordnung diskutiert, vgl. hierzu auch Wagner, T. A.; (1996), S. 164-166.

308

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

thekenspanne in den alten Bundesländern 1994 bei 28,1 % lag, betrug die durchschnittliche Betriebshandelsspanne aller Branchen 29,7 %, die ohne Berücksichtigung des Lebensmitteleinzelhandels sogar 35,6 %. Bemerkenswert ist auch, daß, während die durchschnittliche Betriebshandelsspanne des Facheinzelhandels (ohne Lebensmitteleinzelhandel) im 10-Jahreszeitraum von 1984-1994 kontinuierlich von 33,6 % auf 35,6 % gestiegen ist, die Apothekenspanne im gleichen Zeitraum kontinuierlich von 30,5 % auf 28,1 % zurückgegangen ist.323 Gleiches gilt (in Folge der degressiv aufgebauten Preisspannen) auch für den pharmazeutischen Großhandel, dessen durchschnittliche Spanne kontinuierlich von 15,64 % (1976) auf 12,82 % (2001) zurückgegangen ist.324 Nichtsdestoweniger können Deregulierungen im deutschen Distributionssystem den Wettbewerb nachhaltig steigern.325 Ob dies dann zum Vorteil aller Arzneimittel-Hersteller wäre, bleibt allerdings aus den vorstehend genannten Gründen äußerst fraglich. 4.1.4

Innovationsprozesse in der Pharmazeutischen Industrie

Wie bereits eingangs erwähnt326 weist die Pharmazeutische Industrie mit 12,5 % (Deutschland, 1997)327 bzw. 12,8 % (USA, 2000)328 nicht nur die im Vergleich

323 324

325

326 327

328

Vgl. hierzu Erdmann, B.; (1996), S. 49-59, insbes. S. 52-54. Vgl. PHAGRO – Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (2002). Anzumerken ist, daß dies die durchschnittlich fakturierte Spanne bezogen auf den taxpflichtigen Umsatz ist. Erhaltene Rabatte von Herstellern und gewährte Rabatte an Apotheker sind darin nicht berücksichtigt. Auf diesen Aspekt, der vor allem für die gesundheitspolitische Diskussion hohe Relevanz besitzt, soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, vgl. hierzu z.B. Oberender, P.; (1989), S. 63-72. Vgl. hierzu Kap. 1.1, S. 1ff. Vgl. Stifterverband der Deutschen Wissenschaft, zitiert nach VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 25. Bei den forschungsorientierten internationalen, im VFA-organisierten Unternehmen lag die F&E-Intensität 2000 sogar bei 16,5 %, vgl. ebenda, S. 24. Vgl. hierzu auch die späteren Ausführungen zu den eigenen diesbezüglichen empirischen Befunden in Kap. 6.2.1.1, insbesondere Abb. 6-6, S. 442. Vgl. PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2001 a), S. 14; PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2001 b), S. 18. Bei den forschungsorientierten internationalen im PhRMA-organisierten Unternehmen lag die F&E-Intensität 2000 sogar bei 17,9 %, vgl. PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2002), S. 13.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

309 329

zu anderen Branchen höchsten F&E-Ausgaben in % vom Umsatz auf, sondern auch der Anteil der staatlichen Fremdfinanzierung war 1995 mit 27 Mio DM oder 0,8 % der eingesetzten Mittel der niedrigste aller forschungsintensiven Branchen.330 Innovationsprozesse besitzen dementsprechend eine herausragende Bedeutung in der Pharmazeutischen Industrie und sollen daher im Folgenden einer näheren Betrachtung unterzogen werden: Wenn von Innovationsprozessen in der Pharmazeutischen Industrie die Re331 de ist, so haben alle Ansätze zwei Dinge gemeinsam: Erstens sind sie auf die Erforschung und Entwicklung gänzlich neuer Wirkstoffe ausgerichtet und zweitens beschreiben sie – wie für Innovationsprozesse üblich332 – einen in eine zeitliche Abfolge von unterschiedlichen Phasen untergliederten Prozeß, der mit der Zulassung bzw. Markteinführung (ergänzt durch Phase IV der klinischen Studien) endet,333 also einen Innovationsprozeß im engeren Sinne334 beschreibt. Die etwa 800 Einzelaktivitäten,335 die im Rahmen des Innovationsprozesses anfallen, lassen sich unterschiedlich zu Phasen zusammenfassen. Die Anzahl und Benennung der Phasen unterscheiden sich im wesentlichen nur durch den Detailgrad. Zweckmäßig und (in ähnlicher Form) am häufigsten in Literatur und Praxis anzutreffen ist die in Abb. 4-23 wiedergegebene Unterteilung in acht Phasen.336 329

330

331 332 333

334

335

336

Vgl. EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations; (2000), S. 11. Vgl. Stifterverband der Deutschen Wissenschaft (1997) zitiert nach VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (1998 b), S. 40-41 und Boston Consulting Group (1998), S. 117-118. In der publizierten Literatur. Vgl. hierzu Kap. 2.1.3, S. 37ff. Vgl. hierzu z.B. Teeling Smith, G.; (1983), S. 14-16; Gambardella, A.; (1991), S. 4957; Leuenberger, A. F.; (1991), S. 81; Albach, H.; (1994 a), S. 83-86; Spilker, B.; (1994), S. 340; Boston Consulting Group (1995), S. 82-85; Engel, J.; Perrissoud, D.; Günther, E.; (1995), S. 780-782; Dalle Carbonare, B.; Völker, R.; (1996), S. 63-65; Boston Consulting Group (1998), S. 13-15; Drews, J.; (1998), S. 183-191; EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations; (2001 a), S. 12-15; EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations; (2001 b), S. 15; VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 f), S. 15-24. Zur generellen Unterscheidung von Innovationsprozessen im engeren und weiteren Sinne vgl. die diesbezüglichen Ausführungen in Kap. 2.1.3, S. 37ff. Vgl. Thesing, J.; (1977), S. 13; ähnlich („viele hundert Einzelschritte“) VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 f), S. 15. Für eine detailliertere Gliederung vgl. z.B. Albach, H.; (1994 a), S. 84-86.

310

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie Patentanmeldung

Synthese & Screening

5000

50

0

Abb. 4-23:

Markteinführung

Pretest & Optimierung

Präklinik

Klinische Phase I

Klinische Phase II

Klinische Phase III

Zulassungsprüfung

Markteinführung & Klinische Phase IV

12

4,8

3,4

1,8

1,1

1

Anzahl untersuchter Substanzen

100

180

200

250

470

510

Kumulierte Kosten in Mio DM (1995)

2

4,5

5,5

7,5

10

11

Entwicklungsdauer in Jahren (Mittelwerte)

Der Pharmazeutische Innovationsprozeß. Quelle: Eigene Darstellung auf Basis verschiedener Datenquellen337

Nachfolgend werden kurz die wichtigsten Charakteristika und Aktivitäten der acht Phasen des pharmazeutischen Innovationsprozesses beschrieben,338 die ge337

338

Bzgl. der Anzahl der untersuchten Substanzen (pro Phase) vgl. Boston Consulting Group (1998), S. 13 und VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001f), S. 24. Ähnlich VCI (1999), Folie 12. Bzgl. der kumulierten Entwicklungskosten (pro Phase) vgl. Boston Consulting Group (1995), S. 83. Die angegebenen Entwicklungsdauern wurden durch Vergleich unterschiedlicher Quellen (vgl. Boston Consulting Group (1995), S. 83; Engel, J.; Perrissoud, D.; Günther, E.; (1995), S. 781; VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (1995 a), S. 36; Dalle Carbonare, B.; Völker, R.; (1996), S. 63-65; VCI (1999), Folie 12) unter Einschluß der Ergebnisse der für die vorliegende Arbeit durchgeführten Experteninterviews ermittelt, können aber nur einen groben Anhaltspunkt für die durchschnittliche Phasenlänge geben, da die Schwankungsbreite um den angegebenen Mittelwert für die einzelnen Phasen zum Teil sehr hoch ist. Die Zulassungsdauer von ca. einem Jahr wird in der Regel nur im zentralen europäischen Zulassungssystem (Prüfung durch die europäische Zulassungsbehörde EMEA) einzuhalten sein, nationale Verfahren dauern zum Teil erheblich länger. Allerdings werden alle bio- und gentechnisch hergestellten Wirkstoffe obligatorisch und auch die meisten chemisch-synthetisierten innovativen Wirkstoffe auf freiwilliger Basis im zentralen europäischen Zulassungssystems zugelassen. Vgl. hierzu Albach, H.; (1994 a), S. 83-86; Boston Consulting Group (1995), S. 8285; Engel, J.; Perrissoud, D.; Günther, E.; (1995), S. 780-782; VFA – Verband For-

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

311

nerelle Konzeption des Modells Innovationsprozeß wird dabei nicht erneut diskutiert werden:339 Auf Basis der Erkenntnisse der Grundlagenforschung und Erfahrungen bisheriger Innovationstätigkeit werden in Phase 1, die hier als „Synthese & Screening“ bezeichnet werden soll, eine Vielzahl einzelner Stoffe synthetisiert bzw. isoliert, deren Struktur eine bestimmte Wirkung erwarten läßt. Die Erkenntnisse gentechnologischer Forschung und Computersimulationen haben diesen Prozeß in den letzten Jahren entscheidend beschleunigt und seine Zielgenauigkeit verbessert;340 dennoch erweist sich im anschließenden Screening nur jede 100. Substanz als überhaupt geeignet, um sie einer genaueren Prüfung und eventuellen Optimierung zu unterziehen. Auch der Vorgang des Screenings konnte durch den Einsatz von Robotern mit einem Durchsatz von mehreren zehntausend Substanzen pro Jahr entscheidend beschleunigt werden. An dieser frühen Stelle im Innovationsprozeß erfolgt die Patentanmeldung, da andernfalls die später gewonnenen Erkenntnisse nicht zu schützen wären bzw., wenn ein Wettbewerber die entsprechende Substanz zwischenzeitlich patentiert, die nachfolgenden enormen Investitionen ohne jeden Nutzen wären. Im „Pretest & Optimierung“ werden die im Screening identifizierten potentiellen Wirkstoffkandidaten weiteren aufwendigen experimentellen Tests, z.B. an Zellkulturen oder isolierten tierischen Organen, unterzogen. Im Vordergrund der Untersuchungen dieser Phase steht die Frage, wie ein Stoff wirkt. Hierzu sind auch erste Tierexperimente erforderlich. Die gewonnenen Erkenntnisse werden im Erfolgsfalle für eine eventuelle weitere Optimierung des Wirkstoffs genutzt, der dann erneut getestet wird. Nur etwa jeder 5. Wirkstoffkandidat „überlebt“ diese Phase, die zwischen zwei und zehn Jahren dauern kann. Die Grenze zwischen Forschungsvorhaben und Entwicklungsprojekt kann sinnvoll so erfolgen, daß alle Vorhaben vor der ersten regulatorisch verwertbaren und GLP-konformen toxikologischen Studie als Forschungsvorhaben, alle Projekte danach hingegen als Entwicklungsprojekte bezeichnet werden, und dürfte damit am Ende dieser Phase bzw. am Anfang der nächsten Phase liegen. Auf diese Definition soll

339 340

schender Arzneimittelhersteller; (1996 a), S. 2-11; VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (1996 d), S. 7-28; VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (1999 c), S. 15-24. Vgl. hierzu Kap. 2.1.3, S. 37ff. Vgl. z.B. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (1996 c), S. 7-9; VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2000 e), S. 5-20.

312

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

zur Unterscheidung von Forschungsvorhaben und Entwicklungsprojekten für die vorliegende Arbeit zurückgegriffen werden. Die verbliebenen Substanzen werden in der „präklinischen Phase“ intensiver untersucht. Im Vordergrund stehen neben detaillierteren pharmakologischen Studien (an welcher Stelle entfaltet der Wirkstoff im Organismus seine Wirkung) Studien der Pharmakokinetik, bei denen Freisetzung, Aufnahme, Verteilung, Metabolismus und Ausscheiden des Wirkstoffs im Körper untersucht werden, und vor allem toxikologische Studien. Diese zielen vor allem darauf ab, ob und ab welcher Dosierung der Wirkstoff giftig ist. Hierzu werden die akute, subakute und chronische Toxizität sowie eine eventuelle erbgutverändernde (Mutagenizität) oder nachkommenschädigende (Teragenizität) Wirkung genau untersucht. Diese Experimente werden zu großen Teilen im Tierexperiment durchgeführt.341 Nur etwa jede dritte Substanz erfüllt die strengen Voraussetzungen und kann anschließend auch am Menschen weiter untersucht werden. Die in allen vorhergehenden Phasen gewonnenen Resultate müssen sorgfältig dokumentiert werden, bevor eine unabhängige Ethikkommission (hinzu kommen bei Multicenterstudien noch die Voten einer Vielzahl zusätzlicher standesrechtlicher Ethikkommissionen an der jeweiligen Klinik) prüft, ob die klinische Studie aus ethischer, medizinischer und rechtlicher Sicht vertretbar ist. Liegt ein positives Votum vor, werden an 60-80 gesunden Probanden in der Phase I der klinischen Studien die Verträglichkeit, das Abbauverhalten und die Ermittlung einer geeigneten Dosierungsstärke für den menschlichen Organismus untersucht. Erste Erkenntnisse über die Wirksamkeit geben Auskunft, ob eine Fortsetzung der klinischen Studien erfolgversprechend ist. Bei ca. 30 % aller Wirkstoffe werden die klinischen Studien nach Phase I nicht fortgesetzt. In Phase II der klinischen Studien erfolgt die erste Untersuchung an freiwillig sich zur Verfügung stellenden Patienten. An 100 bis 500 Patienten wird die Wirksamkeit überprüft, ermittelt, ob und welche Nebenwirkungen auftreten und welche Dosierungsstärke am besten für die jeweilige Therapie geeignet ist.

341

Die Anzahl der in der Arzneimittelforschung eingesetzten Versuchstiere ist dabei (nicht nur) in Deutschland kontinuierlich zurückgegangen, weil eine große Zahl von Tierversuchen durch moderne Ersatztechniken wie Gewebekulturen, niedere Organismen (Bakterien etc.), immunologische Techniken sowie Computer und Roboter ersetzt wurden: Von ca. 4,2 Mio. 1977 auf 1,4 Mio. 1989 und 740.000 im Jahre 1996, was einem Rückgang von 82 % entspricht, vgl. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (1997), insbes. S. 19-21.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

313

Zur Objektivierung der Untersuchung erfolgt diese in sogenannten „randomisierten, plazebokontrollierten, doppelblind“ Studien. Hierunter ist zu verstehen, daß das Untersuchungskollektiv nach dem Zufallsprinzip in zwei gleich große Teilgruppen zerlegt wird, von denen die eine den Wirkstoff (Verumgruppe), die andere hingegen ein Scheinmedikament ohne Wirkstoff (Plazebogruppe) erhält. Zur Vermeidung von unterbewußten Verzerrungen wissen weder Patienten noch behandelnde Ärzte, welcher Gruppe der jeweilige Patient angehört (doppelblind). Bei lebensbedrohlichen Krankheiten wäre die Verabreichung eines Placebos ethisch nicht zu verantworten. Hierbei erfolgt die Studie unter fortgesetzter Weiterbehandlung beider Versuchsgruppen mit einem etablierten Präparat. Auch in dieser Phase scheiden noch fast 50 % aller Wirkstoffe aus. In Phase III der klinischen Studien wird zum Beweis der Wirksamkeit und zur Ermittlung ihres therapeutischen Wertes im Vergleich zu etablierten Medikamenten, wobei kurz- und langfristige Risiko-/Nutzenbewertungen342 im Vordergrund stehen, die Breite und Repräsentativität des Patientenkollektives erheblich gesteigert. Hinsichtlich Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit sowie Eßund Lebensgewohnheiten sollte die Versuchsgruppe möglichst repräsentativ sein.343 In der Regel nehmen ein- bis fünftausend Patienten an dieser Phase teil. Erneut wird auch in Phase III eine randomisierte, plazebokontrollierte und doppelblinde Vorgehensweise bevorzugt. Befinden sich bereits einige Präparate der gleichen therapeutischen Klasse von Wirkstoffen auf dem Markt, wäre eine derartige Vorgehensweise unethisch. In diesem Fall kann die Prüfung nur im Ver342

343

Kein Arzneimittel besitzt nur Vorteile. Jede Anwendung eines Arzneimittels ist mit Risiken verbunden, so daß für jedes Arzneimittel generell und später individuell für jeden Patienten geprüft werden muß, ob der Nutzen diese Risiken überwiegt. Ein Arzneimittel mit einem vergleichsweise hohen Risikopotential wird dabei nur bei hohem therapeutischen Nutzen, z.B. der Behandlung einer lebensbedrohlichen und bislang unheilbaren Krankheit, überhaupt in Frage kommen. Zur Abwägung dieser NutzenRisiko-Relation bei Arzneimitteln vgl. Lindner, R.; (2001), S. 28 sowie VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 d). Eine Modellrechnung für die Gegenüberstellung der erhöhten Lebenserwartung durch die Arzneimitteltherapie und der damit verbundenen Risiken hat ergeben, daß ohne jegliche Arzneimittel und Impfstoffe die durchschnittliche Lebenserwartung jedes Menschen wegen fehlender Nebenwirkungen um 37 Minuten steigen würde, gleichzeitig aber wegen des zunehmenden Krankheitsrisikos um 15 Jahre sinken würde, vgl. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (1996 d), insbes. S. 27. Die Repräsentativität sollte dabei eigentlich weniger der Gesamtbevölkerung als mehr der therapeutischen Zielgruppe entsprechen. Inwieweit dies in der Praxis immer gegeben ist, ist umstritten.

314

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

gleich zu den etablierten Präparaten oder bezogen auf einen Surrogatparameter erfolgen. Erstere Vorgehensweise führt zu erheblich höheren Kosten als plazebokontrollierte Studien. Die zweitgenannte Vorgehensweise kann eventuell nicht ganz so zuverlässige Ergebnisse bringen.344 Die Zulassungsprüfung baut auf den Resultaten der vorherigen Stufen auf und determiniert deren Ausgestaltung nach Art und Umfang sowie den mit der Dokumention verbundenen Aufwand in hohem Maße. Die Zulassungsprüfung umfaßt insbesondere eine sorgfältige Evaluierung der eingereichten Unterlagen (Zulassungsdossiers) zur Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels. Die Zulassungsprüfung für Arzneimittel kann auf nationaler Ebene in Deutschland durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Bonn bzw. für Impfstoffe/Seren/Blutprodukte durch das Paul-EhrlichInstitut (PEI), Langen, oder EU-weit im Rahmen des zentralen und dezentralen europäischen Zulassungssystems345 erfolgen. Das zentrale europäische Verfahren bei der European Agency for the Evaluation of Medical Products (EMEA), London, ist obligatorisch vorgeschrieben für Arzneimittel, die bio- und gentechnisch erzeugte Wirkstoffe enthalten (Liste A) und steht unter bestimmten Bedingungen fakultativ auch anderen hochinnovativen Wirkstoffen offen.346 Im dezentralen europäischen Zulassungssystem erfolgt die Erstprüfung durch die nationale Behörde eines Mitgliedsstaates, dem sogenannten Referenzland, dessen Zulassungsvotum dann im Rahmen des gegenseitigen Anerkennungsverfahrens ohne erneute Prüfung auf die übrigen EU-Staaten ausgeweitet wird.347 Auch in der Zulassung scheitern noch ca. 10 % aller erprobten Wirkstoffe bzw. es wird nach Abschluß der klinischen Phase III auf eine Antragstellung verzichtet.

344

345 346 347

Vgl. hierzu die Kritik von Wenzlaff/Schmidt an der Verwendung des Surrogatparameters Cholesterin und der anschließenden Postulierung eines Klasseneffektes bei der klinischen Erprobung einzelner Wirkstoffe der Substanzklasse der Statine; zu ihnen gehörte auch das, nach dem Auftreten bislang unterschätzter Nebenwirkungen, freiwillig vom Markt genommene Cerivastatin („Lipobay/Baycol“), vgl. Wenzlaff, H.; Schmidt, H.; (2001), S. N2. Ähnlich auch die Kritik von Schwabe, vgl. hierzu Bartholomäus, U.; Albers, R.; (2001), S. 158-159. Vgl. European Commission (2000), S. 7-14. Ebenda, S. 9-12. Vgl. ebenda, S. 13-14. In der Praxis läuft diese gegenseitige Anerkennung nicht so unbürokratisch und zügig wie ursprünglich von der EU-Kommission angedacht, vgl. hierzu z.B. CMS/Cameron McKenna; Andersen Consulting; (2000); sowie die an anderer Stelle veröffentlichten weiteren Ergebnisse der vorliegenden Studie.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

315

Nach Erteilung der Zulassung, die alle fünf Jahre verlängert werden muß, erfolgt die Markteinführung. Parallel zu den ersten Monaten bzw. Jahren der Vermarktung kann als Auflage der Zulassungsbehörde zur Beantwortung noch ungeklärter Fragen oder auf Initiative des Herstellers eine Phase IV der klinischen Prüfung erfolgen. Unabhängig von der Durchführung einer Phase-IV-Studie hat die Anwendungsbeobachtung zu erfolgen, bei der es insbesondere um die Identifizierung seltener Nebenwirkung (auch Unverträglichkeiten als Wechselwirkung mit anderen auf dem Markt befindlichen Wirkstoffen) geht, die aus statistischen Gründen – wegen ihres seltenen Auftretens – in den ersten drei Phasen der klinischen Untersuchung nicht festzustellen waren. Dies kann zu einer Einschränkung des Anwendungsspektrums des betreffenden Wirkstoffes oder sogar zu seinem freiwilligen oder behördlich angeordneten vollständigen Rückzug vom Markt führen.348 Die aufwendigeren klinischen Studien und die strengeren Zulassungsvoraussetzungen haben allerdings dafür gesorgt, daß der Anteil der vom Markt zurückgezogenen Arzneimittel in den letzten Jahren kontinuierlich stark zurückgegangen ist.349 Die Ergebnisse der Anwendungsbeobachtung können aber auch umgekehrt Indizien dafür liefern, daß das entsprechende Arzneimittel auch in anderen Indikationsgebieten therapeutisch sinnvoll einzusetzen wäre. Das Bedürfnis nach größtmöglicher Arzneimittelsicherheit hat sich in immer strengeren Zulassungsvoraussetzungen niedergeschlagen: Mit dem Ziel, auch möglichst selten vorkommende Nebenwirkungen bereits vor der Markteinführung zu identifizieren, ist der Umfang der einzureichenden Zulassungsunterlagen350 und der klinischen Studien, auf denen diese Unterlagen vor allem basieren, kontinuierlich stark angestiegen. Insbesondere diese starke Ausweitung der Anzahl und des Umfanges klinischer Studien351 haben einen drastischen Anstieg der Dauer und der Kosten der klinischen Studien bei der Entwicklung neuer Wirk-

348

349 350

351

Ein Beispiel für einen freiwilligen Marktrückzug bildet das bereits erwähnte Cerivastatin („Lipobay/Baycol“), vgl. Fußnote Nr. 344, S. 314. Für weitere Beispiele und länderspezifische Unterschiede vgl. Steward, F.; Wibberley, G.; (1992), S. 183-202, insbes. S. 195-201. Vgl. ebenda, S. 188. Vgl. hierzu z.B. Schütz, S.; Eichin, K.-H.; (1989), S. 212, die den exponentiellen Anstieg im Umfang der Zulassungsunterlagen in der Anzahl der einzureichenden Seiten wiedergeben. Vgl. hierzu z.B. Steward, F.; Wibberley, G.; (1992), S. 189.

316

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

stoffe bewirkt. Sie waren damit nicht nur ursächlich für einen starken Anstieg der Entwicklungsdauern neuer Wirkstoffe verantwortlich,352 sondern waren damit auch der zentrale Treiber für den rasanten Anstieg der Entwicklungskosten eines neuen Arzneimittelwirkstoffs von der Synthese bis zur Marktzulassung insgesamt. Neben diesen umfangreicheren Entwicklungsanforderungen spielt aber auch die zunehmende Komplexität der zu therapierenden Krankheiten, eine höhere Abbruchrate (geringere Erfolgswahrscheinlichkeit der einzelnen F&E-Projekte) und ein infolge der Globalisierung zugenommener Untersuchungsumfang353 eine entscheidende Rolle bei der Explosion der Entwicklungskosten.354 Der Zusammenhang zwischen der zunehmenden Länge der Dauer der klinischen Phasen und der deutlichen Zunahme der Entwicklungsdauern insgesamt ist aus der in Abb. 4-24 wiedergegebenen Veränderung der Länge der einzelnen Entwicklungsphasen bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe (NMEs) im zeitlichen Verlauf seit den 1960er bis zu den 1990er Jahren klar erkennbar. Parallel dazu ist, wie oben angesprochen, auch die Höhe der Kosten der Wirkstoffentwicklung drastisch angestiegen, wie Abb. 4-25 wiedergibt. Die Angaben über die Höhe der Entwicklungskosten pro neuem Wirkstoff (NME) weist je nach Berechnungsmethode, insbesondere dem Ausmaß der vollständigen Zuordnung aller Kosten (Kosten für fehlgeschlagene Entwicklungsprojekte, Ka-

352

353

354

Den zentralen Einschnitt stellte die drastische Verschärfung der zulassungsregulatorischen Rahmenbedingungen nach der Thalidomid- (Contergan-) Affäre dar. Seit diesem Zeitpunkt (1962) sind die Entwicklungsdauern drastisch angestiegen. Für die Entwicklung direkt nach diesem regulatorischen Wendepunkt vgl. z.B. Peltzman, S.; (1974), S. 17-18 (USA); und Nord, D.; et al.; (1984), S. 43 (Bundesrepublik Deutschland). Der davorliegende zulassungsregulatorische Einschnitt lag in den USA im Jahre 1938 und sah erstmalig eine Arzneimittelzulassungsprüfung als Voraussetzung für den Markteintritt vor. Auch diese Gesetzesnovelle war ebenfalls die Reaktion auf einen Arzneimittelskandal (Sulfanilamid-Katastrophe), der zwischen 70 und 105 Menschenleben forderte, vgl. Kaufer, E.; (1976), S. 43, hatte aber auf die Länge der Entwicklungsdauern keinen so großen Effekt, wie später die 1962er Reformen. Unterschiedliche ethnische Gruppen sprechen unterschiedlich auf denselben Wirkstoff an. Insbesondere die Wirkstoffstärken müssen dementsprechend angepaßt werden, so liegen die Stärken z.B. bei Herzkreislaufpräparaten bei Asiaten deutlich unter denen für Mitteleuropäer. Entsprechend sind auch zusätzliche Studien erforderlich, wenn der geographische Radius weiter gezogen wird. Vgl. hierzu eine von der PhRMA in Auftrag gegebene Studie vom Juni 2001, vgl. PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2002), S. 22.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

Entwicklungsdauer in Jahren

16 14

14,9

Präklinische Phase Klinische Phase Zulassungsphase

14,2 2,2

11,6

12

317

2,8

2,1

10

6,7

8,1 8

5,5 4,4

2,4 6 4

2,5 6,0

5,9

5,1 2

3,2

0

1960s

Abb. 4-24:

1970s

1980s

1990s

Veränderungen der Entwicklungsdauern der einzelnen Phasen bei der Entwicklung neuer pharmazeutischer Wirkstoffe (NMEs) im zeitlichen Verlauf (von der Synthese bis zur Zulassung). Quelle: Eigene Darstellung nach DiMasi (2001)355

pitalfinanzierungskosten (bei Eigenkapital die entsprechenden Opportunitätskosten) und dem Bezugszeitpunkt (auf den alle Kosten ab- bzw. aufgezinst werden) eine gewisse Schwankungsbreite auf.356 Hinsichtlich des qualitativen Trends

355

356

Vgl. DiMasi, J. A.; (2001): New Drug Development in U.S. 1963-1999, in: Clinical Pharmacology & Therapeutics, May, 69, hier zitiert nach PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2002), S. 19; und EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations; (2000), S. 13. Für frühere nach unterschiedlichen Methoden für unterschiedliche Zeitpunkte ermittelten Entwicklungskosten für neue Wirkstoffe (NMEs) vgl. z.B. Clymer, H. A.; (1970), S. 109-124; Mansfield, E. H.; (1970), S. 149-154; Mund, V. A.; (1970), S. 128-133; Schwartzman, D.; (1975 a), S. 25-29; Schwartzman, D.; (1975 b), S. 6467; Schnee, J.; Caglarcan, E.; (1976), S. 33-35; Schnee, J. E.; (1978), S. 116-118.; Wardell, W. M.; (1979 a), S. 10-11; Clarkson, K. W.; MacLeod, W. C.; (1981), S. 84113; Virts, J. R.; Weston, J. F.; (1981), S. 25-30; Wiggins, S. N.; (1981), S. 58-62; Burger, E. J.; (1985), S. 152-158; Oberender, P.; (1986), S. 360; Coppinger, P. L.; (1989), S. 66; James, B., (1990), S. 37-38; U.S. Government Printing Office (Hrsg.); (1990), S. 28-29; Leuenberger, A. F.; (1991), S. 80-82; Mossinghoff, G. J.; (1991), S. 15-17; Vagelos, P. R.; (1991), S. 1081; Merz, F.; (1992), S. 50; De Wolf, P.; (1993), S. 247-250; Scherer, F. M.; (1993), S. 99; Dranove, D.; Olsen, C.; (1994),

318

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie g Durchschnittliche Kosten für die Entwicklung eines neuen pharmazeutischen Wirkstoffs (NME) von der Synthese bis zur Markteinführung (inkl. Kosten für fehlgeschlagene Projekte) Entwicklungskosten (in Mio. US-$ je NME)

1000

802 800

635 600

431 400

312 231

200

136 54

0

1976

Abb. 4-25:

357

1979

1987

1991

1993

1998

2000

Kosten für die Entwicklung neuer pharmazeutischer Wirkstoffe (NMEs) im zeitlichen Verlauf 1976-2000. Quelle: Eigene Darstellung auf Basis verschiedener Quellen357

S. 337-343; Rapp, R. T.; Lloyd, A.; (1994), S. 79; Seifert, K.-G.; (1994), S. 938; Dalle Carbonare, B.; Völker, R.; (1996), S. 63; Danzon, P. M.; (1997 a), S. 5; Reiß, T.; et al.; (1997), S. 19-20 (und die dort zitierte Literatur); Tewes, S.; (1997), S. 91-94; Afting, E.-G.; (1998), S. 13; Pauriche, P.; Rupprecht, F.; (1998), S. 12-13; EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations; (2001 a), S. 12; EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations; (2001 b), S. 15. Die in Abb. 4-25 fettgedruckten Werte beziehen sich auf Entwicklungskosten, die sowohl die Kosten für fehlgeschlagene Projekte als auch die Kapitalfinanzierungskosten (vgl. hierzu die späteren detaillierten Ausführungen in Kap. 4.2.1.1, S. 335ff) enthalten: Der Wert für 1976 basiert auf Berechnungen von Hansen, vgl. Hansen, R. W.; (1979), S. 151-187; sowie Hansen, R.; (1987), S. 261; und ist in 1976er US-$ angegeben. Der Wert für 1987 ist Berechnungen von DiMasi et al., vgl. DiMasi, J. A.; et al.; (1991), S. 107-142; entnommen und ist in 1987er US-$ angegeben. Die Angabe für 2000 basiert ebenfalls auf Berechnungen von DiMasi, vgl. DiMasi, J. A.; (2001): „Tufts Center for the Study of Drug Development Pegs Cost of a New Prescription Medicine at $ 802 Million, in: Pressemitteilung, Tufts University, 30. November 2001, hier zitiert nach PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2002), S. 21 und 27. Die übrigen (nicht fettgedruckten) Angaben entstammen verschiedenen Quellen, hier zitiert nach BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (2001 e), S. 47. Ähnliche Angaben finden sich auch bei Mossinghoff, G. J.; (1991), S. 15-17; und Drews, J.; (1998), S. 229-234, der zum Teil auf die gleichen Quellen zurückgreift.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

319

einer drastischen Zunahme und der Größenordnung der Wirkstoffentwicklungskosten zum jeweiligen Zeitpunkt besteht aber Übereinstimmung. Dabei ist bemerkenswert, daß hinsichtlich der Erfolgsquote von Entwicklungsprojekten in den einzelnen Phasen, deren zeitlicher Dauer und den daraus resultierenden Gesamtentwicklungskosten erhebliche Differenzen bei Unternehmen unterschiedlicher Größe auftreten – gleiches gilt auch für die Höhe der durchschnittlichen späteren Vermarktungserlöse:358 Die Gesamtentwicklungskosten je Wirkstoff (NME) nehmen dabei mit zunehmender Unternehmensgröße ab, während gleichzeitig die durchschnittlichen späteren Verkaufserlöse deutlich zunehmen. Auch erreicht die Bandbreite dieser Produktlebenszykluserträge bei größeren Unternehmen erheblich höhere Werte in der Spitze, als dies bei kleineren Unternehmen der Fall ist. Die Gesamtentwicklungskosten (kapitalisiert) waren dabei in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße (durchschnittliche Umsatzkategorie für 1970-74 in 1993er US-$ [durchschnittlicher Umsatz je Gruppe für 1970-74 in 1993er US-$]): bei „kleinen Unternehmen“ (Umsatz < 500 Mio. US-$ [261 Mio. US-$]) 418 Mio. US-$ je NME, bei „Mittelgroßen Unternehmen“ (Umsatz 500–600 Mio. US-$ [560 Mio. US-$]) 333 Mio. US-$ und bei „Großen Unternehmen“ (Umsatz > 600 Mio. US-$ [894 Mio. US-$]). Die Erfolgsrate betrug in derselben Reihenfolge von 23,8 %, 17,4 % und 27,9 %. Neben der Umsatzgrößenproportionalität wurde auch ein direkter Zusammenhang mit der Anzahl der auf dem Markt eingeführten NMEs festgestellt: Mit zunehmender Anzahl an Wirkstoffen nimmt die klinische Erfolgsrate zu und die durchschnittlichen Entwicklungskosten nehmen ab. Allerdings ist abschließend darauf hinzuweisen, daß alle drei Umsatzgrößenkategorien der untersuchten

358

Für ähnliche, davon abweichende Angaben zu Zeitreihen, vgl. z.B. die Angaben von Datamonitor, die von 1979 bis 1997 einen jährlichen Anstieg der Entwicklungskosten von 7,5 % (realer Anstieg, bereinigt um 3 % Inflationsrate) ermittelten. Die Entwicklungskosten stiegen demnach von 46 Mio. € 1979 über 79 Mio. € (1983) und 128 Mio. € (1987) auf 261 Mio. € in 1997, vgl. Datamonitor (1997) hier zitiert nach VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (1998 b), S. 7 und VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2000 e), S. 20. Umrechnung in Euro durch den Autor. Diese Werte liegen deutlich unter den vorstehend zitierten Werten. Eine mögliche Ursache für diese Abweichungen kann die eventuelle Nichtberücksichtigung von Kapitalfinanzierungskosten (und den Kosten fehlgeschlagener F&E-Projekte) sein. Im Gegensatz zu den vorstehend zitierten Quellen (Hansen, DiMasi et al. (1991) – bei den BPI-Daten ist dies nicht bekannt) werden aber Veränderungen im Geldwert berücksichtigt. Vgl. DiMasi, J. A.; et al.; (1995), S. 201-219.

320

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Unternehmen nach den Definitionskriterien der vorliegenden Arbeit359 als Großunternehmen zu betrachten sind, also wirklich kleine oder mittelständische Unternehmen gar nicht in den Untersuchungsumfang einbezogen wurden. Außerdem hat die überwiegende Mehrzahl der „kleinen Unternehmen“ der zitierten Studie mittlerweile durch Fusionen und Akquisitionen ihre Unabhängigkeit eingebüßt, was die Autoren als Indiz für den Versuch, die erforderliche „kritische Masse“ für die Wirkstoffentwicklung zu generieren, werten. Im zeitlichen Verlauf hat sich industrieweit der Schwerpunkt der Entwicklungskosten immer mehr von der Forschung weg hin zur Entwicklung verlagert.360 Diese Entwicklungslastigkeit wird auch in Abb. 4-26 deutlich: Die Forschung (bis zur ersten regulatorisch verwertbaren und GLP-konformen toxikologischen Studie) machte 1996 deutlich weniger als ein Drittel der Gesamtkosten der Entwicklung eines neuen Wirkstoffes aus. Der starke Anstieg der Kosten, insbesondere für klinische Studien, hängt dabei auch stark mit der Schwierigkeit zusammen, teilnahmewillige Patienten zu finden, während gleichzeitig die regulatorisch vorgeschriebenen Patientengruppen immer größer werden.361 Insbesondere kleinere Unternehmen weichen dieser Kostenlawine dadurch aus, daß sie die klinischen Studien nicht mehr in den westlichen Industrienationen, sondern in Osteuropa oder den Schwellenländern Asiens ausführen. Dabei hat in jüngerer Zeit die Volksrepublik China eine be-

359

360

361

In der vorliegenden Arbeit wurden acht Umsatzkategorien gebildet, vgl. hierzu Frage 0.1.2. (S. 700ff) des im Anhang wiedergegebenen Interviewleitfadens: Die beiden obersten Kategorien waren dabei 301-6000 Mio. DM (mittelgroße) und > 6 Mrd. DM (sehr große). Für eine Vergleichbarkeit müssen die Inflationsrate (1993-2000), der damalige Wechselkurs (DM bzw. € zu US-$) und vor allem die industrieweite Umsatzentwicklung seit 1974 berücksichtigt werden. Eine genaue Berechnung wurde hier zwar nicht vorgenommen, eine größenordnungsmäßige Abschätzung bestätigt aber die Richtigkeit der im Haupttext vorgetragenen Aussage. Vgl. hierzu die nachfolgenden Quellen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Kostenverteilung der Gesamtentwicklungskosten, heruntergebrochen nach Aktivitäten, ermittelt hatten: Thesing, J.; (1977), S. 13-16; Thesing, J.; (1983), S. 29 hier zitiert nach Hilleke-Daniel, K.; (1989 a), S. 135; Fink-Anthe, C.; et al.; (1993); S. 730731 (hier findet sich auch ein Vergleich von Kostenstrukturen aus Großbritannien, der Schweiz und den USA); Kapp, W.; (1995), S. 87. Vgl. z.B. PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2002), S. 22.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

321

5,3% Klinische Prüfung: Phase IV

9,7% Verfahrensentwicklung für die Produktion, Qualitätskontrolle

27,9% Klinische Prüfung: Phase I, II und III

3,5% Zulassungsdokumentation

6,6% Andere

3,0% 12,1%

Bioverfüg -barkeit

Synthese, Reinigung und Charakterisierung des Wirkstoffs

8,6% Galenischpharmazeutische Formulierung, Dosierung 5,9% und Stabilität Toxikologie und Sicherheitsprüfung

Abb. 4-26:

17,4% Biologisches Screening und pharmakologische Prüfung

Kostenstruktur der Arzneimittelentwicklung nach Einzelaktivitäten 1996. Quelle: Eigene Darstellung in enger Anlehnung an Drews/Morgan Stanley Research362

sondere Attraktivität erlangt:363 Ursachen hierfür sind neben den erheblich geringeren Kosten – eine Studie, die in den USA etwa 4 Mio. US-$ kosten würde, läßt sich in der VR China für ca. 20.000 US-$ durchführen – zusätzlich auch niedrigere regulatorische Barrieren. Auch das Auffinden einer hinreichenden Zahl von teilnahmewilligen Patienten bereitet hier keinerlei Schwierigkeiten. In Deutschland ist der Anteil an den in den Industrienationen durchgeführten klinischen Studien pro Kopf der Bevölkerung einer aktuellen Umfrage zufolge besonders gering. Neben organisatorischen und z.T. regulatorisch bedingten Pro362 363

Vgl. Morgan Stanley Research, hier zitiert nach Drews, J.; (1998), S. 187. Vgl. o.V.; (2002 c), S. 23. Auf diesen Gesichtspunkt wird auch später im Rahmen der Diskussion der eigenen empirischen Befunde zur relativen Bedeutung der unterschiedlichen Länder und Regionen als F&E-Standort noch ausführlich zurückzukommen sein, vgl. Kap. 6.2.6, S. 478ff.

322

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

blemen kommt hier besonders die Schwierigkeit, Patienten gewinnen zu können, zum Tragen.364 Eine weitere Folge der stark gestiegenen Entwicklungskosten insgesamt und der für klinische Studien im besonderen ist, daß klinische Studien praktisch nur noch für Krankheiten mit besonders großen betroffenen Patientenklientelen durchgeführt wurden. Für Krankheiten, von denen nur eine relativ kleine Anzahl von Patienten betroffen ist und für die spezielle Patientengruppe der Kinder365 wurden praktisch keine klinischen Studien mehr durchgeführt und somit auch keine neuen Arzneimittel auf den Markt gebracht, weil die möglichen Erträge die immensen Kosten (insbesondere der klinischen Erprobung) in keinem Fall mehr decken konnten. Um auch für diese seltenen „verwaisten“ Krankheiten die Entwicklung von Medikamenten wieder wirtschaftlich rentabel zu machen, hatten zunächst die USA (1983) und Japan (1993) und schließlich auch die EU (2000) eine Verordnung zur Förderung der Entwicklung sogenannter „Orphan Drugs“ („Waisen-Medikamente“) eingeführt. Danach erhält ein Unternehmen, das sich um die Entwicklung eines Medikamentes zur Therapie einer Krankheit, die innerhalb der EU bei weniger als fünf von 10.000 Personen auftritt, bemüht, u.a. öffentliche Förderung und Unterstützung durch die EMEA bei der Entwicklung, den Erlaß der Zulassungsgebühren und als wichtigstes Element eine bis zu zehnjährige Marktexklusivität garantiert.366 Um auch für die Entwicklung von Medikamenten für Kinder, für die ebenfalls separate klinische Studien vorgeschrieben sind und die in den letzten Jahren ähnlich „verwaist“ waren wie die „seltenen“ Krankheiten, einen der „Orphan Drug“-Förderung entsprechenden Impuls zu ge364

365

366

Vgl. hierzu VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (1996 a), S. 12-27; VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2002 a), S. 7-9. Hiermit sind nicht primär „Kinderkrankheiten“ im eigentlichen Sinne gemeint. Vielmehr muß ein Unternehmen, dessen Arzneimittel zur Therapie einer Krankheit bei Erwachsenen bereits zugelassen ist, um die Zulassung auch für Kinder und Jugendliche zu erhalten, zusätzliche separate klinische Studien durchführen, um die spezifischen Risiken bei dieser Patientengruppe genau zu erfassen (und die entsprechend reduzierte Wirkstoffstärke festzulegen). Die immer höheren Kosten für klinische Studien übersteigen dabei in fast allen Fällen die potentiellen Verkaufserlöse (in dieser Patientengruppe), so daß Arzneimittel, die speziell für Kinder und Jugendliche zugelassen sind, sehr selten geworden sind. Vgl. hierzu z.B. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (1998 a); PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2001 a), S. 3436; VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 f), S.23; und VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2002 a), S. 36.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

323

ben, haben die USA zu Beginn des Jahres 2002 auch für derartige Entwicklungsaktivitäten besondere Anreize gesetzt: Der zentrale Bestandteil dabei ist, daß das Unternehmen, das für seinen (für Erwachsene) zugelassenen Wirkstoff zusätzlich noch die klinische Erprobung zur Behandlung von Kindern durchführt, eine zusätzliche Phase der Marktexklusivität von sechs Monaten erhält.367 Dadurch werden die möglichen (und wahrscheinlichen) Verluste aus der erweiterten Zulassung für Kinder durch die Verlängerung der Marktexklusivität zum „Blütezeitpunkt“ des Produktlebenszyklus (hier erreicht im Idealfall368 die Cash-FlowKurve ihr Maximum) mehr als überkompensiert. Nach dieser für das Verständnis pharmazeutischer (Wirkstoff-) Innovationen essentiellen inhaltlichen Analyse soll nun der Faden aus Kap. 3.3.2.1369 wieder aufgegriffen und über die konzeptionell-methodischen Aspekte pharmazeutischer Innovationsprozesse gesprochen werden: Während die vorstehend beschriebene Innovationsprozeßkonzeption und die damit verbundene Gliederung nach Phasen nämlich für ein tiefergehendes Verständnis pharmazeutischer Innovationsvorgänge durchaus wertvoll ist, sind hinsichtlich ihres praktischen Nutzens für die Analyse von Technologiestrategien enge Grenzen gesetzt. Dies wird nachfolgend aus praktischer und methodischer Perspektive verdeutlicht werden: Die Komplikationen eines Versuches, die Innovationsprozeßkonzeption zur Messung der technologiestrategischen Entscheidungsdimension der „Höhe des angestrebten technologiestrategischen Leistungsniveaus“ zu nutzen, beginnen bereits mit der Schwierigkeit, überhaupt verläßliche Daten für die einzelnen Phasen des Innovationsprozesses auf Unternehmensebene zu erhalten. Die Erfassung der F&E-Investitionen erfolgt entweder auf Ebene der einzelnen funktionalen Abteilungen, die aber nicht nur eine Phase des Innovationsprozesses mit ihren Aktivitäten begleiten, oder auf Ebene einzelner Innovationsprojekte. Da aber kein kontinuierlicher Strom von Innovationsprojekten gleichmäßig durch alle Phasen erfolgt, kommt es zu diskontinuierlichen Investitionsschwerpunkten entlang des Innovationsprozesses. Von daher würde sich bei einer punktuellen 367

368

369

Vgl. hierzu z.B. PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2001 a), S. 34. Falls nicht infolge von Innovationswettbewerb die Periode der Marktexklusivität schon vor Patentende (bzw. in diesem Fall zulassungsrechtlich-garantiertem Nachahmerschutz) durch den Markteintritt eines therapeutisch gleichwertigen oder überlegenen innovativen Arzneimittels bereits beendet wird. Vgl. S. 137ff.

324

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Betrachtung ein völlig verzerrtes Bild ergeben, und valide Erkenntnisse über die „Höhe des angestrebten technologiestrategischen Leistungsniveaus“ könnten so nicht gewonnen werden. Hinzu kommt, daß diese Daten, die einen genauen Einblick über die phasenbezogene Bestückung der Forschungspipeline des jeweiligen Unternehmens geben würden, zu den bestgehüteten Unternehmensgeheimnissen gehören und einer empirischen Untersuchung, wie in der vorliegenden Arbeit beabsichtigt, keinesfalls zugänglich sind.370 Zusätzlich ist, nicht nur mit Blick auf diese praktischen Implikationen für die vorliegende Arbeit, kritisch anzumerken, daß, wenn von Innovationsprozessen in der Pharmazeutischen Industrie die Rede ist, fast immer von der Erforschung und Entwicklung eines gänzlich neuen (nach einem völlig neuen Wirkprinzip arbeitenden) Wirkstoffs, einer New Molecular Entity (NME)371 ausgegangen wird. Insgesamt machen diese aber – genau wie in anderen Industrien372 – nur einen kleinen Teil aller neu auf dem Markt eingeführten Arzneimittel aus: Von den 1999 für den deutschen Markt zugelassenen 1905 Humanarzneimitteln enthielten 453 (24 %) „neue, bisher wissenschaftlich nicht allgemein bekannte Arzneistoffe“373 – 1998 waren es von 2153 neu zugelassenen Arzneimitteln sogar nur 389 (18 %).374 In den Zahlen für 1999 sind 111 Fertigarzneimittel mit insgesamt 17 neuen Wirkstoffen enthalten, die im Rahmen des zentralen europäischen Zulassungssystems EU-weit – also auch für Deutschland – zugelassen wurden.375 Von den vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 370

371

372

373 374 375

Dieses Ergebnis erbrachte auch der Pretest der vorliegenden empirischen Untersuchung, da als Kontroll-Variablen für die kritische Betrachtung der Antworten zur „Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette“ ursprünglich die Erhebung des relativen Anteils von Grundlagenforschung, präklinischer Forschung und klinischer Entwicklung an den Gesamt-F&E-Investitionen geplant war, sich aus obigen Gründen aber nicht als durchführbar erwies. Je nach Rohstoffbasis wird dabei bei „klassischen“, d.h. chemisch synthetisierten Wirkstoffen von New Chemical Entities (NCEs) und bei bio- oder gentechnisch erzeugten Wirkstoffen von New Biological Entities (NBEs) gesprochen. Beide werden unter dem Oberbegriff New Molecular Entity (NME) zusammengefaßt. Vgl. hierzu beispielsweise die Studie von Booz.Allen & Hamilton (1982), S. 8-10: Von allen Produktneueinführungen machen gänzlich neue Produkte nur 10 % aus. Die branchenspezifischen Unterschiede sind dabei nur sehr gering, wobei die PharmaBranche nicht explizit untersucht wurde. Vgl. Fricke, U.; Schwabe, U.; (2001), S. 19. Ebenda, S. 19. Ebenda, S. 20.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

325

1999 in Deutschland erteilten 1.792 Zulassungen waren nur 342 (19 %) für Arzneimittel mit neuen Stoffen, hingegen 1.450 (81 %) für solche mit bekannten Stoffen.376 Die Zahl der für den deutschen Markt zugelassenen neuen Arzneimittel mit neuen Stoffen darf aber keinesfalls mit der Anzahl der eingeführten gänzlich neuen Wirkstoffe gleichgesetzt werden. Die Zahl der 1999 auf dem deutschen Markt eingeführten neuen Wirkstoffe war mit 31 nämlich noch deutlich kleiner.377 Die Ursache für Unterschiede in der Zahl der neuen Wirkstoffe und der Zahl an neu zugelassenen Arzneimitteln mit neuen Stoffen liegt darin, daß jeder neue Wirkstoff in der Regel in unterschiedlichen Dosierungsstärken und jede von diesen zumeist in mehreren verschiedenen Darreichungsformen angeboten (und zugelassen) werden.378 Aber selbst die gänzliche Neuartigkeit dieser 31 bzw. 29 Wirkstoffe379 wird teilweise in Frage gestellt: Nach Untersuchungen von Fricke/Schwabe sind von diesen 29 Wirkstoffen nur 11 als „wirklich innovative Substanz bzw. als neuartige Wirkprinzipien mit therapeutischer Relevanz“ – 3 davon nur mit Einschränkungen – zu bezeichnen, fünf (davon einer nur eingeschränkt) werden als Wirkstoffverbesserungen, bei denen „die pharmakodynamischen oder pharmakokinetischen Eigenschaften bereits bekannter Wirkstoffe verbessert worden sind“, der Rest (13) als „Analogpräparate“ eingestuft, „die zu bereits eingeführten Präparaten keine oder nur marginale Unterschiede aufweisen“.380

376

377 378

379

380

Vgl. hierzu BfArM (2000), zitiert nach BAH – Bundesfachverband der ArzneimittelHersteller (2000 c), No. 25. Vgl. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2000 a), S. 31. Zusätzlich werden von der EMEA (im zentralen Zulassungssystem) auch unterschiedliche Packungsgrößen als separates Fertigarzneimittel gezählt. Der Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) spricht von 31 neuen Wirkstoffen, vgl. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2000 a), S. 31. Fricke/Schwabe weisen die geringfügig abweichende Zahl von 29 aus, vgl. Fricke, U.; Schwabe, U.; (2001), S. 19. Die Differenz ist möglicherweise darauf zurückzuführen, daß einerseits das Zulassungsdatum (VFA) und andererseits das Markteinführungsdatum (Fricke/Schwabe) als Abgrenzungskriterium für die jahresbezogene Zuordnung genommen wurden. Vgl. Fricke, U.; Schwabe, U.; (2001), S. 19-20. Eine Untersuchung der FDA stufte von 348 im Zeitraum von 1981-88 in den USA zugelassenen neuen Wirkstoffen hinsichtlich ihrer therapeutischen Überlegenheit gegenüber bestehenden Arzneimitteln nur 12 (3 %) als „therapeutisch wichtig („important“)“, 44 (13 %) als „moderate Verbesserung („modest“)“ und die übrigen 292 (84 %) als „keine oder unbedeutende („in-

326

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Selbst, wenn diese letzte Bewertung als umstritten anzusehen ist, bleibt eindeutig festzuhalten, daß die Erforschung und Entwicklung eines gänzlich neuen Wirkstoffes eher die zahlenmäßige Ausnahme als die Regel bei pharmazeutischen Innovationen bleibt. Die vorstehend genannten Zahlen belegen daher auch, wie sinnvoll und notwendig es ist, die Konzeption des Innovationsprozesses durch die der Technologiewertschöpfungskette zu ergänzen, denn das Auftreten ganz unterschiedlicher Aktivitätsschwerpunkte entlang der Technologiewertschöpfungskette wird durch die Zulassungsdaten eindeutig belegt. 4.1.5

Die Technologiewertschöpfungskette der Pharmazeutischen Industrie

In Kap. 3.3.2.1381 war eine sorgfältige allgemeine Ableitung der Konzeption der Technologiewertschöpfungskette vorgenommen worden. Dabei war darauf hingewiesen worden, daß die im Mittelpunkt des technologischen Wertschöpfungsund Evolutionsprozesses stehenden Kerntechnologien von Branche zu Branche unterschiedliche sind. Demzufolge weisen auch die einzelnen Stufen der Technologiewertschöpfungskette industriespezifische Besonderheiten auf. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Technologiewertschöpfungskette hinsichtlich dieser spezifischen Charakteristika zu konkretisieren, was nachfolgend am Beispiel der Pharmazeutischen Industrie erfolgen soll. Abb. 4-27 gibt einen Überblick, was dies auf den einzelnen Stufen der pharmazeutischen Technologiewertschöpfungskette genau bedeutet. Die einzelnen Stufen der pharmazeutischen Technologiewertschöpfungskette haben dabei die folgenden Aktivitäten zum Gegenstand: 1. Stufe: „Generierung neuen medizischen oder molekularbiologischen Grundlagenwissens“ Die erste Stufe der Technologiewertschöpfungskette hat die Erforschung neuen medizinischen oder molekularbiologischen Grundlagenwissens zum Inhalt. Diese Stufe wird in der Regel von öffentlichen Großforschungseinrichtungen oder Universitäten wahrgenommen. Auch in Industrieunternehmen erfolgen Forschungsaktivitäten dieser Stufe. In der Regel allerdings nur, wenn erste Erkenntnisse (aus der öffentlichen Forschung) ein bestimmtes

381

significant/none“)“ therapeutische Verbesserung ein, vgl. U.S. Government Printing Office (Hrsg.); (1990), S. 341. Vgl. S. 145ff.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

Generell

Neues Grundlagenwissen

Neue Technologien und Schlüsselbausteine

Neue Basisprodukte

Optimierte Basisprodukte

327

Expansion der Anwendungsbasis

Neue Kombinationen mit anderen BasisProdukten

Neues Design und Anwendungsoptimierung

Neue Services

Neue Kombinationspräparate

Neue Galenik und Darreichungsform (inkl. Verpackung)

Neue Services

Konkretisierung

PharmaIndustrie

Abb. 4-27:

Neue Neues Technomedizilogien nisches und oder Schlüsselmolekularbausteine biologisches z.B. Grundgentechlagennologische wissen Targets

Gänzlich neue Wirkstoffe (NMEs)

Optimierte Wirkstoffe z.B. Molekülvariation oder Racemattrennung

Expansion des Indikationsspektrums

Die Technologiewertschöpfungskette der Pharmazeutischen Industrie. Quelle: Eigene Darstellung

Forschungsgebiet als besonders vielversprechend erscheinen lassen, oder wenn nachgelagerte Stufen der Technologiewertschöpfungskette auch Aktivitäten auf dieser vordersten Stufe als notwendig oder zumindest interessant erkennen ließen. Zweckfreie Grundlagenforschung wird also in der industriellen Forschung die absolute Ausnahme sein. 2. Stufe: „Erforschung neuer Technologien und Schlüsselbausteine“ Aufbauend auf den Erkenntnissen der ersten Stufe werden diese hier zu neuen immer konkreteren Technologien fortentwickelt. Diese neuen Technologien können ihrerseits dann zur Erforschung und Entwicklung neuer Schlüsselbausteine für Wirkstoffe oder zur Identifikation sogenannter Targets (Zielmoleküle) genutzt werden. Diese Targets sind Substanzen, über die in einen pathophysiologischen Regelkreis, der mit einem bestimmten Krankheitsbild in Zusammenhang steht, Einfluß genommen werden kann. Sie sind damit quasi das „Schloß“, in den der Wirkstoff (als „Schlüssel“) „passen“ muß, um eine bestimmte therapeutische Wirkung hervorrufen zu können.382 Das Auf382

Vgl. hierzu z.B. Drews, J.; (1998), S. 126-130; und VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2000 e), S. 5-7.

328

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

finden dieser Zielmoleküle und ihre möglichst genaue Charakterisierung erleichtern das Auffinden neuer Wirkstoffe enorm, da diese quasi die unterschiedlichen Eigenschaften, die der Wirkstoff in sich vereinen muß, relativ präzise erkennen lassen. Diese zweite Stufe der Technologiewertschöpfungskette bildet auch das Bindeglied zwischen universitärer und industrieller Forschung. Wie später zu sehen sein wird, haben sich Biotechnologie-Unternehmen darauf spezialisiert, diese Technologietransfer- und „Technologieveredlungs“-Funktion wahrzunehmen. 3. Stufe: „Erforschung gänzlich neuer Wirkstoffe (NMEs)“ In der dritten Phase werden diese neuen Technologien, Schlüsselbausteine und Targets für die Erforschung und Entwicklung gänzlich neuer, nach einem völlig neuartigen therapeutischen Wirkprinzip arbeitenden Wirkstoffe genutzt. Eine neue Wirksubstanz wird dabei als „New Molecular Entity (NME)“ bezeichnet. Unter dieser Bezeichnung werden sowohl „klassische“ chemisch-synthetisierte Wirkstoffe, die sogenannten „New Chemical Entities (NCEs)“ als auch bio- und gentechnisch hergestellte „New Biological Entities (NBEs)“ subsumiert. Für die Anwendung dieser Begriffe auf das Konzept der Technologiewertschöpfungskette ist jedoch mit Blick auf die nächste (4.) zu diskutierende Stufe Vorsicht geboten, da auch Wirkstoffverbesserungen und „Me too“-Wirkstoffe, sobald es sich um ein neues Wirkstoffmolekül handelt, als NME bezeichnet werden. Aufgrund des sehr unterschiedlichen Innovationsgrades soll aber für die vorliegende Arbeit explizit zwischen beiden Stufen differenziert werden. 4. Stufe: „Entwicklung optimierter Wirkstoffe“ Mehrere Motive bzw. Ausgangssituationen können ein Unternehmen bewegen, seine technologiestrategischen Aktivitäten auf dieser Stufe der Technologiewertschöpfungskette zu entfalten: a. Die Wirkstoffverbesserung kann Teil des ursprünglichen (ersten mit dieser Art von Wirkstoffen befaßten) Innovationsprozesses des Originators sein, der (in Stufe 3) einen Wirkstoff mit völlig neuem Therapieansatz erforscht hat und diesen vor Beginn der klinischen Studien zu optimieren sucht. b. Es kann aber auch eine Imitation im weiteren Sinne vorliegen, d.h. ein Unternehmen sucht, aufbauend auf einer Imitation des Therapieprinzips, eine Folgeinnovation in Form eines eigenen Wirkstoffs zu realisieren.

Pharmazeutische Industrie und Arzneimittelmarkt

329

Dieser Fall kann freiwillig, also gezielt in Form einer „Me too“-Innovation, z.B. durch gezielte Molekülvariation, herbeigeführt werden oder aber auch unfreiwillig und ungeplant eintreten, wenn nämlich der Innovationswettlauf mit dem Technologieführer verloren wurde. Letzterer Fall tritt z.B. ein, wenn die technologischen Grundlagen eines neuen Therapieansatzes mehreren Unternehmen (nahezu) zeitgleich vorliegen, z.B. aufgrund von Forschungserkenntnissen aus öffentlichen Forschungseinrichtungen, die nicht exklusiv verwertet (werden können), sondern publiziert werden. c. Eine dritte Situation, in der Molekülverbesserungsmöglichkeiten erforscht werden, entsteht bei sich abzeichnendem Ablaufen des Patentschutzes für den Technologieführer selbst. Als eine Option einer Generikaabwehrstrategie kann der Originator eine Wirkstoffverbesserung entwickeln: Rechtzeitig vor Ablaufen des Patentes für den Ursprungswirkstoff erfolgt dabei die Markteinführung des aus der Molekülverbesserung resultierenden Nachfolgepräparates, und der Versuch, möglichst viele Kunden vor Patentablauf auf dieses umzustellen. Statt bei Beginn des generischen Wettbewerbs mit (nahezu) austauschbaren Produkten konfrontiert zu sein und entweder eine Erosion der Margen (Preissenkung) oder der Marktanteile passiv zu erleiden, kann so der auslaufende Produktlebenszyklus nahtlos in einen neuen überführt werden. Der Originator verfügt wieder über ein Arzneimittel, das sich hinsichtlich seiner (wahrgenommenen) therapeutischen Eigenschaften klar von den Nachahmerprodukten differenziert. Diese Methodik ist eine Form des sogenannten Lifecycle-Managements, bei dem die Höhe der Erträge zum jeweiligen Zeitpunkt und die Länge des bzw. der ineinander übergehenden Produktlebenszyklen so lange maximiert werden, bis dem eigenen Unternehmen in der gleichen Indikation wieder ein therapeutischer Durchbruch in Form eines gänzlich neuen Wirkstoffs gelungen sein sollte (3. Stufe). Molekülverbesserungen müssen dabei nicht notwendigerweise in einer chemischen Modifikation (z.B. Austausch von Substituenten)383 des Wirkstoffhauptmoleküls liegen, sondern können auch in einer Racemattrennung (Verwendung nur des einen

383

Diese können allerdings leicht zu einer Substanz mit ganz anderer pharmakologischer Wirkung und Toxizität führen.

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Spiegelbildisomers (Enantiomers) als Wirkstoff) oder in der Identifikation eines neuen Gegenions (bei salzartigen Wirkstoffen) bestehen. 5. Stufe: „Expansion des Indikationsspektrums“ Der Innovator versucht bei Innovationsaktivitäten dieser Stufe, das Indikationsspektrum für einen (dabei unverändert belassenen) Wirkstoff zu erweitern. In der Regel konzentrieren sich nämlich die Indikationen der Erstzulassung auf eine oder wenige besonders aussichtsreiche Anwendungsgebiete, um möglichst früh in den Markt eintreten zu können. Weitere Einsatzmöglichkeiten in anderen (häufig verwandten) Therapiegebieten ergeben sich in vielen Fällen aus Erfahrungen in der praktischen Anwendung (z.B. dem sogenannten „Off-Label-Use“, also des therapeutischen Einsatzes eines Arzneimittels auch für Indikationen, für die (noch) keine Zulassung besteht) oder auch im Rahmen von klinischen Studien der Phase IV. Diese initiieren dann ausgedehntere klinische Studien durch den Originator und eine (im Erfolgsfall) darauf aufbauende Beantragung der Erweiterung der (bestehenden) Zulassung auf das neue Indikationsgebiet. Die Erweiterung des Indikationsspektrums war in der Vergangenheit ebenfalls auch ein Bestandteil des Lifecycle-Managements der Originatoren, da sie der Produktdifferenzierung nach Patentablauf diente, indem nur das Original für weitere Indikationen zugelassen war, während die Nachahmerpräparate aufgrund fortbestehender Dossierexklusivität für die Zulassungsunterlagen der Indikationserweiterungen nur die Zulassung für die Indikationen der Erstzulassung besaßen. Ausgeweiteter Off-Label-Use der Generika (infolge intensiverer Kostendämpfungsregelungen) und das „Essentially Similar“-Urteil des Europäischen Gerichtshofes haben allerdings den technologiestrategischen Wert von Indikationserweiterungen für Originatoren stark eingeschränkt. Für Imitatoren hat die Indikationsforschung schon immer nur eine relativ geringe Bedeutung gehabt.384 6. Stufe: „Entwicklung neuer Kombinationspräparate“ Auf dieser Stufe zielt das Unternehmen auf die Kombination mehrerer bekannter (evtl. auch z.T. gerade erst neu entwickelter) Wirkstoffe385 in einem 384

385

Vgl. hierzu die ausführliche Diskussion auf Basis der eigenen empirischen Befunde in Kap. 6.2.1.1 (S. 436ff) und Kap. 6.3.1.1 (S. 492ff). Diese Formulierung soll die auf den vorderen Stufen entwickelten neuen innovativen Wirkstoffe explizit einschließen. Mit „bekannt“ wird dabei ausgedrückt, daß auf dieser Stufe keinerlei Veränderungen am Wirkstoff selbst vorgenommen werden.

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Arzneimittel, dessen (wahrgenommene) therapeutische Wirkung der eines einzelnen Wirkstoffs überlegen ist. Auch hier existieren prinzipiell zwei Arten von Kombinationsentwicklung: a. Die erste, vor allem in der Vergangenheit häufig praktizierte Form der Kombinationsentwicklung ist auf die Kombination zweier oder mehrerer Wirkstoffe in einer Darreichungsform (z.B. Tablette) ausgerichtet. Zahlreiche bekannte Beispiele hierfür existieren z.B. für die Therapie von Erkältungskrankheiten (Kombination von Vitaminen, Schmerzmitteln, Antibiotika etc.). Innerhalb der späteren empirischen Studie wird dieser Typus im Mittelpunkt der Diskussion der Entwicklung neuer Kombinationspräparate stehen. b. Eine zweite Form der Wirkstoffkombination liegt in der therapeutischen Kombination zweier oder mehrerer Wirkstoffe in jeweils eigener Darreichungsform, die aber dem Patienten in kombinierter und abgestimmter Form zur Erzielung des gewünschten Therapieerfolges gemeinsam verabreicht werden. Es gibt eine Reihe von Beispielen für diese Variante, die Voraussetzung für die Therapie oder zumindest Linderung der Symptome schwerer oder lebensbedrohender Krankheiten sind: Als prominente Beispiele sind hier die Behandlung von Zwölffingerdarmgeschwüren386 oder die Aids-Therapie zu nennen. Häufig wird diese Art der therapeutischen Arzneimittelkombination von der medizinischen Forschung initiiert. In den meisten Fällen stammen die therapeutisch kombinierten Präparate dabei von unterschiedlichen Herstellern. Aber selbst in diesem Fall kann es für die einzelnen Originatoren äußerst sinnvoll sein, eine derartige Kombinationsentwicklung/forschung zu initiieren oder zumindest zu unterstützen, wird doch damit das volle Ertragspotential des jeweiligen Wirkstoffs erst richtig erschlossen. 7. Stufe: „Entwicklung neuer galenischer Systeme und Darreichungsformen“ Auf dieser Stufe werden neue galenische Systeme und Darreichungsformen für bekannte (evtl. auch gerade erst neu entwickelte) Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen entwickelt. Galenische Systeme sorgen dafür, daß der

386

Bei Nachweis des Bakteriums Helicobacter Pylori erfolgt die Therapie von Magenoder Zwölffingerdarmgeschwüren heute in der Regel durch die gemeinsame Verabreichung eines Protonenpumpenhemmers und zweier antimikrobiell wirksamer Substanzen, vgl. hierzu z.B. Holtermüller, K. H.; (2001), S. 494-519.

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Wirkstoff an den beabsichtigten Ort des menschlichen Organismus (zum beabsichtigten Zeitpunkt bzw. Zeitintervall) gelangt, wo er seine therapeutische Wirkung entfalten soll.387 Wie bereits kurz angesprochen, wird dabei in unterschiedliche Darreichungsformen, z.B. Tabletten, Hart- und Weichkapseln, Zäpfchen, Salben, Cremes und Flüssigkeiten unterschieden. Die Entwicklung eines galenischen Systems stellt dabei keinesfalls nur eine Art von trivialem „Verpackungsdesign“ dar. Vielmehr soll der Wirkstoff erst dort freigesetzt werden, wo er seine therapeutische Wirkung entfalten soll. Dies bedarf zum Teil erheblicher spezifischer galenischer Technologien, um insbesondere Barrieren des menschlichen Organismus zu überwinden. Auch können Zusatzstoffe (z.B. in der Tablette) die Verträglichkeit steigern. In bestimmten Fällen können diese Darreichungssysteme technisch sogar recht komplex werden, wie z.B. Apparaturen zur Behandlung von Diabetespatienten oder Aerosolspender für Asthmatiker.388 Wirkstoffgleiche Präparate müssen daher nicht zwangsläufig auch wirklich „therapeutisch identisch“ sein. In der modernen Arzneimittelentwicklung ist die Entwicklung eines ersten geeigneten galenischen Systems heute u.a. eine quasi „automatische“ Folgestufe nach der Wirkstoffentwicklung. Die erste galenische Entwicklung (für einen neuen Wirkstoff) nimmt also der Originator selbst vor. Früher389 war dies keineswegs der Fall, vielmehr lag eine klare Aufgabenteilung vor zwischen den „chemischen“ Produzenten, die Wirkstoffe entwickelten und als Bulkware produzierten, und den Fertigarzneimittelherstellern, die entsprechende galenische Systeme entwickelten und die eigentlichen Fertigarzneimittel in unterschiedlichen Darreichungsformen produzierten. Die Zusammenfassung beider Stufen der Technologiewertschöpfungskette in einem Unternehmen erfolgte historisch erst später durch Vorwärts- bzw. Rückwärtsintegration von Wirkstoff- bzw. galenischen Entwicklern (und Produzenten)

387

388

389

Auf diesen Aspekt war bereits kurz zuvor bei der Beschreibung der sekundären Produktion in Zusammenhang mit der Diskussion der pharmazeutischen Wertschöpfungskette eingegangen worden, vgl. Kap. 4.1.3.1, S. 268ff. Vgl. hierzu z.B. Nord, D.; et al.; (1984), S. 33-34 ; und VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller ; (1996 c), S. 10-23. Die heutige Struktur – daß Wirkstofforiginatoren sich auch selbst mit galenischer Entwicklung befassen – kristallisierte sich erst mit Ende des 2. Weltkrieges heraus, vgl. hierzu Kaufer, E.; (1976), S. 44-45.

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in die jeweils andere Stufe. Während es heute praktisch keine Wirkstoffentwicklung ohne spätere galenische Entwicklung im eigenen Haus mehr gibt, ist der umgekehrte Fall auch heute noch weit verbreitet, also die Spezialisierung von Unternehmen auf diese Technologiewertschöpfungsstufe, wie die späteren empirischen Befunde bestätigen werden.391 8. Stufe: „Entwicklung neuer und verbesserter Services“ Auf dieser letzten Stufe beschränkt sich das betreffende Pharma-Unternehmen nicht nur auf die Versorgung mit (eigenen) Arzneimitteln, sondern offeriert den Patienten auch zusätzliche Serviceangebote. Dieser zusätzliche Kundennutzen kann z.B. in einer umfassenden Betreuung der betroffenen Patienten liegen, die in engerer Kooperation mit Partnern wie Krankenhäusern, Ärzten (oder Ärztenetzwerken), Krankenkassen oder öffentlichen Gesundheitsbehörden durchgeführt werden können. Besonders bei chronischen Krankheiten, aber auch bei Vorsorgeprogrammen, liegen große technologiestrategische Möglichkeiten für Pharma-Unternehmen in dieser Technologiewertschöpfungsstufe. Dies kann insbesondere auch im Rahmen von Managed-Care-Programmen geschehen. Wie bereits in Kap. 3.3.2.1 ausführlich erläutert, kann die technologische Wertschöpfung dabei gleichermaßen auf Produkt- und Prozeßebene stattfinden und dem Ziel einer Effektivitäts- oder Effizienzsteigerung dienen.392

4.2 Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie: Modelladaption Das vorliegende Kapitel soll das in Kap. 3 auf theoretischer Basis abgeleitete Entscheidungsmodell des strategischen Technologiemanagements an die spezifischen Gegebenheiten in der Pharma- und Biotechnologiebranche adaptieren. Bei der Modellentwicklung war im Rahmen der vertiefenden Einzeldiskussion der technologiestrategischen Entscheidungsbereiche und -dimensionen (Kap. 3.3.1 390

391

392

So waren beispielsweise Pfizer und Merck (USA) ursprünglich Bulkware-Hersteller, die sich erst durch Akquisition von J.B. Roerig bzw. Sharp & Dohme auf die galenische Stufe vorwärtsintegrierten, vgl. ebenda, S. 44-45. Vgl. hierzu die ausführliche Diskussion auf Basis der eigenen empirischen Befunde in Kap. 6.2.1.1 (S. 436ff) und Kap. 6.3.1.1 (S. 492ff). Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.1, S. 145ff.

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

(S. 120ff) und 3.3.2 (S. 136ff)) bereits eine Auswahl der wichtigsten, den jeweiligen Einzelgesichtspunkt berührenden Studien und wissenschaftlichen Arbeiten zusammengefaßt worden. Dies wird nun analog auch im vorliegenden Kapitel, bezogen auf spezifische Erkenntnisse für die Pharma- und Biotechnologie-Industrie, geschehen. Nacheinander wird jede der sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen jeweils für den Bereich der Technologiebeschaffung und -verwertung in dieser Weise konkretisiert werden, wobei bereits präzise Ansätze für eine nachfolgende Operationalisierung entwickelt werden. Das Ergebnis der abschließenden Synthese der so gewonnenen Operationalisierungsansätze zu einem Gesamtfragebogen bzw. genauen Interviewleitfaden in Form konkreter Einzelfragestellungen findet sich dann im Anhang.393 4.2.1 4.2.1.1

Technologiebeschaffung Angestrebtes technologisches Leistungsniveau

Die Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus der Technologiebeschaffung läßt sich neben der globalen Beantwortung der Frage, in welchem Ausmaß ein Unternehmen die Technologieführerschaft anstrebt, viel präziser über die Bestimmung der technologiestrategischen Bedeutung, die die einzelnen Stufen der Technologiewertschöpfungskette im Rahmen der Technologiebeschaffungsstrategie einnehmen, und über das Ausmaß seiner technologiestrategischen Risikobereitschaft bestimmen.394 Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette Im vorstehenden Kapitel 4.1.5 war bereits ausführlich die Technologiewertschöpfungskette der Pharmazeutischen Industrie präzisiert und erörtert sowie begründet worden, warum die Schwerpunkte, die die einzelnen Unternehmen entlang dieser Technologiewertschöpfungskette setzen, ein geeigneter Gradmesser für die Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus in der Technologiebeschaffung sind. Es bedarf daher an dieser Stelle keiner erneuten Erläuterung. Im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit wird demzufolge die technologiestrategische Bedeutung der zentralen Technologiewertschöpfungsstufen für 393

394

Vgl. S. 691ff. Die dort wiedergegebene Version des Interviewleitfadens ist bereits die endgültige Fassung, die im Rahmen der Haupterhebung eingesetzt wurde und die zuvor in der Pretestphase validiert und an wenigen Stellen optimiert wurde, vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 5, S. 397ff. Vgl. hierzu die detaillierten früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.1, S. 137ff.

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das jeweilige Unternehmen erfaßt. Parallel wird zusätzlich die technologiestrategische Bedeutung der Verfahrens- und Prozeßentwicklung, sowie die mit dieser primär verfolgte Zielsetzung, nämlich Produktkostenreduktion versus neue oder bessere Produkte/Wirkstoffe herstellen zu können, ermittelt.395 Technologiestrategische Risikobereitschaft Im Vergleich zu anderen Branchen, in denen der technische Fortschritt einen geringeren Einfluß auf die Wettbewerbssituation hat, ist die Pharmazeutische Industrie – auch hinsichtlich der relativen Bedeutung der einzelnen Risikoarten – stark technologiegeprägt. Aufgrund des hohen Empiriegrades pharmazeutischer Grundlagen- und Wirkstofforschung ist die Pharmazeutische Industrie im Vergleich zu anderen Branchen erhöhten technologischen Risiken ausgesetzt.396 Dies gilt umso mehr, als sie diese Risiken am geringsten von allen forschungsintensiven Branchen auf öffentliche Träger abwälzen kann, da die F&E-Anstrengungen der Pharmazeutischen Industrie fast ausschließlich eigenfinanziert sind.397 Innerhalb der Branche ist die technologiestrategische Risikobereitschaft in der Pharmazeutischen Industrie eng gekoppelt an die Schwerpunkte, die im Rahmen der jeweiligen unternehmerischen Technologiestrategie entlang der Technologiewertschöpfungskette gesetzt werden. Das technologische Risiko ist auf den vorderen Stufen der Technologiewertschöpfungskette naturgemäß am höchsten, da dort der Empiriegrad am höchsten ist, und bahnbrechende technologische Durchbrüche häufig auf dem Zufallsprinzip (Serendipitätseffekt) beruhen.

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396

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Für die diesbezüglichen empirischen Befunde vgl. die späteren Ausführungen in Kap. 6.2.1.1, S. 436ff. Vgl. hierzu z.B. Specht, G.; Beckmann, C.; (1996), S. 26. Brockhoff weist daraufhin, daß hinsichtlich der technischen Erfolgswahrscheinlichkeit die Pharmazeutische Industrie den „Extrempunkt“ mit dem höchsten Empiriegrad im Spektrum unterschiedlicher Branchen darstellt, während die elektrotechnische Forschung aufgrund des niedrigen Empiriegrades das Gegenextrem darstellt, vgl. hierzu Brockhoff, K.; (1999), S. 56. Jüngere Studien von Schwartzman/Cognato unterstreichen, daß sich an der hohen technologischen Unsicherheit und dem hohen Empiriegrad in der Pharmazeutischen Industrie entgegen anderslautenden Argumentationen/Hypothesen nichts geändert hat, vgl. hierzu Schwartzman, D.; Cognato, A.; (1996), S. 841-851. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 1.1, S. 1ff, insbesondere Fußnote Nr. 7 und Nr. 8, S. 4; sowie die detaillierteren Ausführungen und eigenen Befunde in Kap. 6.2.1.1, S. 436ff (insbesondere Abb. 6-6, S. 442).

336

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Das Marktrisiko wird im wesentlichen von den Faktoren bestimmt, die die Länge des Produktlebenszyklus und die Höhe der in seinem Verlauf erzielbaren kumulierten Deckungsbeiträge determinieren: 1) Da ist zum einen der vom Entscheider398 wahrgenommene relative Innovationsfortschritt des Arzneimittels (insbesondere des neuen Wirkstoffs (NMEs)), der die Höhe des Umsatzpotentials und damit die Höhe der realisierbaren Deckungsbeiträge bei Markteintritt bestimmt. Der relative Innovationsfortschritt bezieht sich dabei auf die therapeutische Leistungsfähigkeit im Vergleich zu bereits auf dem Markt befindlichen direkten Wettbewerbspräparaten399 zum Markteintrittszeitpunkt. Dabei spielt nicht die faktische (sofern diese objektiv überhaupt eindeutig bestimmbar ist), sondern die vom Entscheider perzipierte relative therapeutische Leistungsfähigkeit die entscheidende Rolle. 2) Zum anderen ist dies die Zeitdauer, bis danach ein überlegenes oder gleichwertiges Konkurrenzpräparat auf den Markt gebracht wird, oder der Patentschutz ausläuft und generischer Wettbewerb den Produktlebenszyklus beendet, also die Länge der Alleinstellungsperiode im Markt bzw. die des Produktlebenszyklus insgesamt.400 An beiden Stellschrauben können zusätzlich noch regulatorische Risiken ein verändertes Marktrisiko bewirken. Auch ist darauf hinzuweisen, daß beide genannten Punkte von einer Vielzahl externer Faktoren (insbesondere dem Verhalten der Wettbewerber) abhängen, die vom Unternehmen nahezu nicht beeinflußbar und zum Teil auch nur schwer prognostizierbar (z.B. der Innovations- oder Imitationserfolg von Wettbewerbern) sind. Die Regulationsrisiken ergeben sich aus all denjenigen regulatorischen Maßnahmen, die zu einer Erhöhung der F&E-Kosten (etwa erhöhte Zulassungsvor-

398

399

400

Je nach Art des Präparates kann dies der Arzt, der Apotheker oder der Patient sein, vgl. hierzu die vorstehenden Ausführungen zum gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungsprozeß, Kap. 4.1.3.1, S. 268ff. Unter einem direkten Wettbewerbspräparat soll ein Arzneimittel verstanden werden, das hinsichtlich seines therapeutischen Einsatzspektrums eine große (oder vollständige) Überlappung mit dem eigenen Präparat aufweist. Vgl. hierzu die Ausführungen zur technologiestrategischen Situation bei Patentablauf in Kap. 4.1.2.1, S. 244ff.

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337

401

aussetzungen), der Verschiebung des Markteintrittes (etwa längere Zulassungsdauer)402 oder marktseitig zu einer Erniedrigung der Erlöse (z.B. infolge von Kostendämpfungsmaßnahmen in öffentlichen Gesundheitssystemen)403 oder Verkürzung der Marktexklusivitätsperiode (z.B. patentrechtliche Veränderungen, inkl. Rechtssprechung) führen. Auch regulationsbedingte Veränderungen der relativen Wettbewerbsposition sind hierzu zu zählen, wenn etwa die Produkte von Wettbewerbern weniger stark von diesen Effekten betroffen sind. Natürlich haben Veränderungen im regulatorischen Umfeld auch einen direkten Einfluß auf die Technologie- und Marktrisiken: Beispielhaft seien erhöhte Zulassungsvoraussetzungen genannt, die das betreffende Arzneimittel nicht mehr erfüllen kann, oder Veränderungen hinsichtlich der Aufnahmekriterien in den Katalog der erstattungsfähigen Medikamente in staatlichen Gesundheitssystemen (z.B. Positivliste), die den Markteintritt in dieses (in allen Ländern dominierende) Marktsegment in Frage stellen. Auch die regulativen Risiken sind nahezu nicht vom Unternehmen beeinflußbar404 und ebenfalls nur sehr schwer prognostizierbar. Wie stark sich regulatorische Risiken auswirken, hängt u.a. aber auch vom Verhalten der Wettbewerber ab. Dies trifft z.B. in hohem Maße auf patentrechtliche Risiken zu: Langwierige und kostenintensive Patentverletzungsklagen können nicht nur die Nutzung einer Technologie verhindern, sondern auch die Existenz ressourcenschwacher Unternehmen gefährden. Die Wahrnehmung dieses Risikos spiegelt sich auch explizit im Patentierungsverhalten junger Biotechno-

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402

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404

Vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1976), S. 181-205; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1977), S. 359-364; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; Thomas, L. G.; (1978), S. 133-163; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1979 b), S. 29-52; und der Kommentar von Comanor, W. S.; (1979), S. 63-68; sowie Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1982), S. 283-360, insbes. S. 292-296. Insgesamt sind „Zeit-Kosten“ in der Erforschung und Entwicklung neuer pharmazeutischer Wirkstoffe von gleichrangiger Bedeutung wie die direkten (Out-of-Pocket) Kosten. „Zeit-Kosten“ entstehen, da die F&E-Ausgaben zeitlich lange vor ersten Umsatzeinnahmen anfallen und somit Kapitalfinanzierungskosten entstehen, vgl. hierzu Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1990), S. 350-351, insbes. auch Abb. 1. Diese Problematik der Kapitalkosten wird nachfolgend noch ausführlich zu besprechen sein. Vgl. hierzu z.B. Bhagwat, Y.; Griggs, F. T.; (1995), S. 65-76, die die Volatilität regulatorischer Risiken, die durch Preisregulierungen hervorgerufen werden, in der Pharmazeutischen Industrie untersucht haben und für das Ende ihrer Untersuchungsperiode 1978-1992 eine erhebliche Zunahme der Volatilität der regulatorischen Risiken feststellten. Mit Ausnahme des (geringen) Effektes von Lobbyismus.

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logie-Unternehmen wider: Einer Untersuchung der Havard-Universität zufolge meiden junge Biotechnologie-Unternehmen in den USA, mit relativ hohen Kosten im Falle von Patentverletzungsklagen, Patentsubklassen mit relativ hoher Patentdichte, insbesondere wenn Wettbewerber unter den Patentinhabern mit relativ niedrigen Patentverletzungsprozeßkosten sind.405 Alle drei Risikoarten sind hinsichtlich ihrer technologiestrategischen Bedeutung grundsätzlich ebenbürtig und daher beim Fortschreiten eines Innovationsprojektes von Phase zu Phase kontinuierlich auf Veränderungen hinsichtlich ihres Risikopotentials hin zu überprüfen. Das technologiestrategische (Gesamt-) Risiko sollte dabei auf den vorderen Stufen der Technologiewertschöpfungskette am größten sein. Während auf den beiden vorderen Stufen die technologische Unsicherheit am größten ist, nimmt diese zwar bei Fortschreiten des Innovationsprozesses bei der dritten Stufe („der Entwicklung gänzlich neuer Wirkstoffe (NMEs)“) tendenziell ab, gleichzeitig wächst aber die Höhe der zu tätigenden Investitionen exponentiell. Dies bedeutet, daß zwar die (technologische) Fehlschlagswahrscheinlichkeit in den klinischen Phasen sukzessive abnimmt, gleichzeitig aber die potentiellen Fehlschlagsfolgen (in Form verlorener Investitionen) drastisch ansteigen, wie bereits im Rahmen der Diskussion pharmazeutischer Innovationsprozesse detailliert ausgeführt wurde.406 Bei der Erforschung und Entwicklung gänzlich neuer Wirkstoffe sind nicht nur die Entwicklungskosten ungewöhnlich hoch, sondern zwischen der Investition und den ersten Erträgen liegt ein extrem langer Zeitraum von acht bis zwölf Jahren. Entscheidendes Kriterium für die technologiestrategische Bereitschaft, die mit der Entwicklung neuer Wirkstoffe, „New Molecular Entities (NMEs)“,407 verbundenen erheblichen Risiken einzugehen, dürfte die Aussicht sein, im Erfolgsfall eine entsprechend hohe Rendite zu erzielen.408 Dieser Frage sind Grabowski/Vernon in einer Studie 405 406 407

408

Vgl. hierzu Lerner, J.; (1995), S. 463-495. Vgl. Kap. 4.1.4, S. 308ff. Als New Moleculas Entities (NMEs) werden alle neuen Wirkstoffe bezeichnet. Dies schließt nicht nur gänzlich neue Wirkstoffe mit neuem therapeutischen Wirkprinzip, sondern auch auf Molekülvariationen beruhende, sogenannte „Me too“-Präparate ein, vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.5, S. 326ff. In der Tat zeigt sich, daß die Höhe der realisierten Erlöse aus früheren F&E-Investitionen einen signifikanten Einfluß auf die Höhe der aktuellen F&E-Intensität haben. Zurückgehende Erträge führen mit einer relativ langen zeitlichen Verzögerung auch zu einem Rückgang der F&E-Intensitäten, vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1981), S. 3-20.

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nachgegangen, die die Rentabilität von insgesamt 67 in den USA im Zeitraum von 1980-84 auf dem Markt eingeführten NMEs untersucht.409 Das Ergebnis dieser Analyse ist ernüchternd: Der zunächst beachtlich erscheinenden Durchschnittsrendite von 11,1 % stehen reale Kapitalfinanzierungskosten von 10,5 % gegenüber. Betrachtet man den durchschnittlichen abgezinsten Gegenwartswert je NCE, den sogenannten Net Present Value (NPV), so beträgt dieser 22 Mio. US-$ (in 1990-Dollars), was in Relation zu den damaligen, der Studie zugrundeliegenden durchschnittlichen Entwicklungskosten von 280,5 Mio. US-$ (vor Steuern) doch verblüffend wenig ist. Das Grundprinzip der Analyse ist dabei das folgende: Vereinfacht gesagt, werden zur NPV-Berechnung sämtliche auf einen einheitlichen Bezugszeitpunkt (hier 1990-Dollars) aufgezinsten Geldab- und -zuflüsse, Cash Flows, (F&E-Abflüsse und Verkaufserlöszuflüsse) aufsaldiert. Diese Berechnung liefert das über den gesamten Produktlebenszyklus erbrachte, um die Kapitalfinanzierungskosten bereinigte Gesamtergebnis einer Investition. Damit wird dem Tatbestand Rechnung getragen, daß, da die F&E-Ausgaben zeitlich erheblich früher getätigt werden als erste Erlöse anfallen, Kapitalkosten für die „Zwischenfinanzierung“ aufgebracht werden müssen. Bemerkenswert ist, daß sowohl die oben zitierte Studie von Grabowski/Vernon als auch die nahezu zeitgleich mit einem etwas geringeren Datensatz an NCEs von der Office of Technology Assessment (OTA) parallel durchgeführte Studie zu dem qualitativ gleichen Ergebnis kommen, daß bereits um 1 % höhere Kapitalkosten zu einem negativen NPV, also zu einem Nettoverlust aus der F&E-Investition je NCE führen würden.410 Dies verdeutlicht auch die ungeheure Regulierungsanfälligkeit pharmazeutischer F&E-Tätigkeit: Eine Verzögerung des Markteintritts, eine Erhöhung der F&E-Kosten oder eine kostendämpfungsbedingte Reduktion der Erträge haben schnell eine negative Rendite der F&E-Investition zur Folge. Ohnehin bezogen sich alle bisherigen Überlegungen auf Durchschnittswerte, dabei blieb zunächst unerwähnt, daß eine starke Streuung um den Mittelwert vorliegt: Nur drei von zehn auf dem Markt eingeführte NCEs können ihre eigenen F&EAufwendungen (Fehlschläge mitgerechnet) refinanzieren, wie Abb. 28 anschaulich belegt. Nur bei drei der Dezile in der Häufigkeitsverteilung übertrifft der durchschnittliche Gegenwartswert der über den Produktlebenszyklus je NCE erzielten 409 410

Vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1994 a), S. 383-406. Vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1994 a), S. 400-404.

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Erlöse den Gegenwartswert ihrer durchschnittlichen Entwicklungskosten in Höhe von 202 Mio. US-$ (nach Steuern in 1990-US-$). Noch bemerkenswerter ist der Effekt, den eine einzige der 67 NCEs, der Blockbuster Zantac, auf die wiedergegebenen Durchschnittswerte hatte. Läßt man dieses extrem umsatzstarke Medikament nämlich unberücksichtigt, so ergibt sich für die übrigen 66 NCEs ein negativer NPV von –10,7 Mio. US-$. Dies bedeutet, daß alle übrigen 66 NCEs durchschnittlich nicht in der Lage waren, ihre Entwicklungskosten zu refinanzieren, der durchschnittliche Break-Even-Punkt (in diesem hypothetischen Fall) industrieweit somit verpaßt wurde.411 Auch von den zehn von Bauer/Fischer analysierten zwischen 1987-1997 weltweit gelaunchten ACE-Inhibitoren (HerzKreislauf-Therapeutika)412 wiesen nur drei (30 %) einen positiven Gegenwartswert (NPV) auf.413 Außerordentlich interessant ist auch eine Betrachtung der zeitlichen Entwicklung der Höhen von F&E- und Kapitalfinanzierungskosten und Durchschnittsrenditen: Während einerseits nämlich die F&E-Investitionen zur Markteinführung eines neuen Wirkstoffs (NME) seit den 1970er Jahren kontinuierlich stark gestiegen sind,414 und die realen Kapitalkosten (der „Zwischenfinanzierung“) ebenfalls stark zugenommen haben, sind andererseits auch die Durchschnittsrenditen parallel dazu deutlich gewachsen.415 Allerdings wiesen auch für in der Zeit von 1970 bis 1979 auf dem Markt eingeführte Wirkstoffe die Nach-SteuerGegenwartswerte der einzelnen Wirkstoffe eine extreme Schwankungsbreite auf. Die Analog-Darstellung zu Abb. 4-28 von Grabowski/Vernon für die 100 dort

411

412

413 414

415

Vgl. ebenda, S. 399. Zur Relativierung dieser Aussage vgl. die späteren Ausführungen in Fußnote Nr. 416, S. 341. ACE-Hemmer werden zur Behandlung von Hypertonie, zum Teil (nicht alle Wirkstoffe sind für diese zusätzliche Indikation zugelassen) zusätzlich auch noch zur Therapie von Herzinsuffizienz eingesetzt. Der ACE-Hemmer Captopril wird außerdem auch noch für die Behandlung der diabetischen Nephropathie eingesetzt. Vgl. hierzu Anlauf, M.; (2001), S. 72-88, imsbes. S. 73. Vgl. hierzu Bauer, H. H.; Fischer, M.; (1998), S. 28-30. Vgl. hierzu die Ausführungen in Zusammenhang mit der Diskussion des pharmazeutischen Innovationsprozesses in Kap. 4.1.4, S. 308ff. Vgl. hierzu und zum Folgenden Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1990), S. 804-821; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 b), S. 347-358; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1994 a), S. 383-406; Grabowski, H.; (1994 c), S. 11-30; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1996), S. 194-207.

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Nach-Steuer-Gegenwartswert (in Mio. 1990-US-$)

Häufigkeitsverteilung der Gesamtvermaktungserlös-Gegenwartswerte von neuen Wirkstoffen (NCEs), die zwischen 1980 und 1984 auf dem Markt eingeführt wurden Durchschnittliche Nach-Steuer-Gegenwartswerte je Dezil in Mio. 1990-US-Dollar 1200

1000

800

600

400

Gegenwartswert der durchschnittlichen F&E-Kosten 200

0

Abb. 4-28:

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1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Dezile

Gegenüberstellung der Häufigkeitsverteilung der Gegenwartswerte von Vermarktungserlösen neuer pharmazeutischer Wirkstoffe (NCEs) zu dem Gegenwartswert ihrer durchschnittlichen Entwicklungskosten. Quelle: Eigene Darstellung nach Grabowski/Vernon416

Vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1994 a), S. 398-400. Bei dieser Analyse von Grabowski/Vernon bleibt allerdings (wie die Autoren auch ausdrücklich einräumen, vgl. ebenda, S. 398, Fußnote Nr. 23) unberücksichtigt, da auch für die Entwicklungskosten je NCE ein Durchschnittswert zugrundegelegt wurde, daß auch diese eine breite Streuung aufweisen können. Dies ist sogar als sehr wahrscheinlich anzusehen, da eine Molekülvariation tendenziell geringere Entwicklungskosten verursachen sollte als die Entwicklung eines gänzlich neuen Wirkstoffs mit völlig neuem therapeutischen Wirkprinzip. In diesem Fall könnten die höheren Entwicklungskosten bei hochinnovativen Wirkstoffen mit völlig neuem Wirkprinzip mit den anschließend ebenfalls höheren Erträgen korrelieren. Allerdings ist auch bei dieser Annahme einschränkend darauf hinzuweisen, daß auch im Falle von „Nachahmerinnovationen“ (insbesondere Molekülvariationen) die als Hauptkostentreiber fungierenden aufwendigen klinischen Studien anfallen und in vielen Fällen das andere Enantiomer oder ein Molekülvariat eine gänzlich andere Wirkung auf den menschlichen Organismus aufweisen kann, ja sogar in hohem Maße toxisch sein kann.

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

untersuchten NMEs der 1970er Jahre ähnelt weitestgehend der in Abb. 4-28 wiedergegebenen:417 Auch bei den Wirkstoffeinführungen der 70er Jahre konnten nur die ersten drei Dezile an Wirkstoffen ihre gesamten Entwicklungskosten refinanzieren. Allerdings lagen sowohl der durchschnittliche Nach-Steuer-Gegenwartswert mit 83,5 Mio. US-$ (1986er-$) als auch der durchschnittliche Gegenwartswert der F&E-Kosten mit 81 Mio. US-$ (1986er-$) für die 100 Wirkstoffe, die in den 70er Jahren eingeführt wurden, deutlich unter den Werten der vorstehend beschriebenen Wirkstoffeinführungen der 1980er Jahre: So hatte beispielsweise das beste Dezil in den 70er Jahren einen durchschnittlichen Gegenwartswert von 457 Mio. US-$ (1986er-$), das der in den 80er Jahren eingeführten Wirkstoffe einen von 1 Mrd. US-$ (1990er-$). An der grundsätzlichen Problematik, daß nur drei von zehn auf dem Markt eingeführten Wirkstoffen höhere Erträge als ihre Gesamtkosten erbringen, hat sich also auch in der Längsschnittanalyse nichts geändert. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, daß neben dem therapeutischen Wert, den die übrigen Wirkstoffe in der Behandlung der Patienten hatten, auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive die meisten von ihnen einen positiven Deckungsbeitrag abgeliefert hatten. Der positive Deckungsbeitrag dieser übrigen Wirkstoffe ist dabei in dem Sinne zu interpretieren, daß ihre inkrementellen Cash-flows ihre inkrementellen F&E- und Kapitalfinanzierungskosten übertreffen, allerdings nicht mehr einen hinreichend hohen zusätzlichen Deckungsbeitrag generieren, der zur Finanzierung der gesamten (durch Fehlschläge und auch inkrementell unrentable Wirkstoffe hervorgerufenen) F&E- und Kapitalfinanzierungskosten ausreichen würde.418 Eine ähnliche Darstellung der US-amerikanischen PhRMA, die aufzeigt, daß sogar nur die Erlöse von zwei von zehn NCEs ihre Entwicklungskosten überkompensieren,419 weist hingegen methodische Fehler auf. In dieser Darstellung wurden einfach die Berechnungen von Grabowski/Vernon mit den für 1990 von der Boston Consulting Group separat ermittelten Entwicklungskosten von 500 Mio. US-$ kombiniert. Dabei wird außer acht gelassen, daß die Studie von 417

418

419

Vgl. hierzu Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1990), S. 815-817, insbes. Abb. 5, S. 816; und Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 b), S. 355-356, insbes. Abb. 3, S. 356. Vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1990), S. 816; und Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 b), S. 356. Vgl. PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2002), S. 21.

Strategisches Technologiemanagement

343

Grabowski/Vernon sich auf im Zeitraum von 1980-84 auf dem US-Markt eingeführte NCEs bezieht, deren Entwicklungskosten also zehn bis zwanzig Jahre vor 1990 angefallen sind. Ihre Höhe richtete sich nach den damals herrschenden Rahmenbedingungen, insbesondere auch den regulatorischen. Gerade aber der in dieser Zeit kontinuierlich (regulationsbedingt) gewachsene Umfang klinischer Studien war der Hauptkostentreiber der Entwicklungskosten.420 Schon aus diesem Grunde ist also keine sinnvolle Beziehung zwischen beiden Studien herzustellen. Hinzu kommt, daß es Grabowski/Vernon ja gerade darum ging, die durch das starke zeitliche Auseinanderfallen von Aufwand und Ertrag entstehenden Kapitalkosten durch die Berechnung von Gegenwartswerten (NPVs) zu berücksichtigen. Genau diesem logischen Schritt folgt die PhRMA aber nicht, denn im Zeitraum von 1980 (bzw. 1984) bis 1990 erfolgten bereits Kapitalzuflüsse (positive Cash-flows) zum Unternehmen, die dann (wollte man den erstgenannten Einwand unberücksichtigt lassen) zumindest aufzuzinsen wären. Unbeschadet davon ist aber, wie die Analyse von Grabowski/Vernon zeigte, gerade aufgrund dieser, insbesondere mit der Grundlagen- und Wirkstofforschung- und entwicklung verbundenen beträchtlichen Risiken, die technologiestrategische Risikobereitschaft als eine entscheidende technologiestrategische Entscheidungsdimension zu betrachten. In den meisten Fällen sollten die Höhe der technologischen Risikobereitschaft und die Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette miteinander korrelieren. Später wird deutlich werden, daß die empirischen Befunde diese Vermutung unterstützen.421 4.2.1.2

Timing

Eine weitere bedeutende technologiestrategische Entscheidungsdimension ist die Wahl des relativen Zeitpunktes zum Einstieg in ein bestimmtes Forschungs- und Technologiesegment: also die Wahl der Timingstrategie der Technologiebeschaffung. Im Rahmen der generellen Diskussion dieser technologiestrategischen Entscheidungsdimension war bereits darauf hingewiesen worden, daß sich bei branchenspezifischen Untersuchungen Anhaltspunkte dafür ergeben hatten, 420

421

Grabowski/Vernon hatten in ihrer Studie die von DiMasi et al. ermittelten Entwicklungskosten für NCEs, die im Zeitraum von 1970 bis 1982 in die klinische Erprobung eintraten, zugrunde gelegt. Dieses Vorgehen ist sinnvoll, da dies ziemlich genau mit dem Zeitpunkt übereinstimmen dürfte, an dem die hinsichtlich ihrer Erlöse untersuchten NCEs in die klinische Forschung eintraten. Vgl. hierzu die spätere Diskussion der empirischen Befunde in Kap. 6.2.1, S. 436ff.

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

daß in der Pharmazeutischen Industrie ausgeprägte Pioniervorteile (First-MoverAdvantages) existieren.422 Die meisten dieser Untersuchungen beziehen sich dabei jedoch auf die Pionierstrategie im Rahmen des Timings der Technologieverwertung (Markteintrittstiming).423 Dabei ist aber zunächst einmal zu definieren, auf welcher Ebene die Timing-Betrachtung stattfindet. In der vorliegenden Arbeit ist der Einstieg in ein neues Forschungsfeld, Technologiesegment oder der Beginn der Erforschung eines völlig neuen Wirkstoffs gemeint. Es geht also darum die Timingstrategie auf den gesamten relevanten Markt (und nicht nur auf die Gruppe technologiestrategisch ähnlich ausgerichteter Wettbewerber) zu beziehen. Technologiebeschaffungspionier wäre demzufolge das Unternehmen, das „frühzeitig in neue Forschungsfelder einsteigt, um als Erster über neue Therapieansätze zu verfügen“.424 Dabei wird keineswegs negiert, daß z.B. auch unter den „Folgern“ das relative Timing des Entwicklungsbeginns (und des Markteintrittes) existentielle Bedeutung haben kann: Auf die fundamentale Bedeutung der Reihenfolge des Markteintritts von Generika-Herstellern nach Patentablauf war bereits in Zusammenhang mit der Diskussion der patentrechtlichen Marktsegmentierung ausführlich hingewiesen worden.425 Um zu eindeutigen und insgesamt aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen, muß aber auf die (quantitative) Ermittlung dieser „Zwischentöne“ verzichtet werden.426 Insgesamt führen insbesondere zwei Elemente des regulatorischen Umfeldes dazu, daß die Timingentscheidung in der Pharmazeutischen Industrie im Vergleich zu anderen Branchen eine sehr besondere ist: –

Das erste Element, daß diese spezifische Sondersituation bedingt, ist die hohe Bedeutung des Patentrechtes.427



Das zweite Element ist, daß jeder Wirkstoff die hohen Anforderungen eines individuellen Zulassungsverfahrens erfüllen muß.

422 423

424 425 426

427

Vgl. hierzu auch die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.2, S. 172ff. Hierauf wird später im Rahmen der Diskussion des Timings der Technologieverwertung in der Pharmazeutischen Industrie in Kap. 4.2.2.2, S. 358ff, noch genauer gesprochen werden. Vgl. hierzu den im Anhang wiedergegebenen Interviewleitfaden (S. 691ff). Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.3, S. 244ff. Da als Erhebungstechnik der späteren empirischen Studie Fragebogen gestützte Experteninterviews gewählt wurden, wurden diese „Detailunterschiede“ zwar nicht im quantitativen dafür aber im qualitativen Teil miterfaßt. Vgl. hierzu auch die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.1.3, S. 126ff.

Strategisches Technologiemanagement

345

Die Kombination dieser beiden Faktoren bedingt diese Sonderrolle und schließt einige der in anderen Branchen existierenden Vorteile von „Frühen Folgern“ aus. So kann ein Folger vor Ablauf der 20jährigen Patentschutzdauer die Wirksubstanz des Originators (ohne dessen Genehmigung) nicht imitieren. Zwar besteht für ihn die Alternative darin, wenn es dem Originator nicht gelungen ist, dieses Patent „weiträumig genug einzuzäunen“, durch eine Wirkstoffmodifikation einen ähnlichen Wirkstoff zu entwickeln. Dieser Wirkstoff muß dann, da es sich um eine neue Substanz (New Molecular Entity) handelt, aber ein eigenständiges Zulassungsverfahren durchlaufen, und dementsprechend sind die dazugehörigen enormen Kosten, insbesondere der klinischen Studien, vom Folger erneut zu tragen.428 Die Möglichkeiten, über einen Lerneffekt von den Fehlern des Pioniers zu lernen und kostenlos von seinen Entwicklungsvorleistungen zu profitieren, sind daher begrenzt. Anders stellt sich die Lage hinsichtlich der Späten Folger dar. Wie bereits erörtert stellt nämlich der Patentablauf einen technologiestrategischen Scheidepunkt dar:429 Nach Patentablauf können Folger, sofern auch die Periode der Dossierexklusivität430 erloschen ist, kostenlos auf die Zulassungsunterlagen des Erstanmelders zurückgreifen, müssen also die kostenintensiven klinischen Studien nicht wiederholen. Auf zwei weitere Besonderheiten der Pharmazeutischen Industrie im Vergleich zu anderen Branchen ist in diesem Zusammenhang ebenfalls noch hinzuweisen:431

428 429 430

431

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.4, S. 308ff. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.3, S. 244ff. Unabhängig vom Patentrecht besitzt der Erstanmelder zulassungsrechtlich eine zehnjährige Schutzfrist, in der die von ihm erstellten Zulassungsunterlagen nur von ihm zulassungsregulatorisch verwendet werden dürfen. Nach Ablauf dieser Dossierexklusivität können Zweitanmelder (sofern patentrechtliche Gegebenheiten dem nicht entgegenstehen) kostenfrei auf diese Bezug nehmen und müssen den Zulassungsbehörden lediglich in Bioäquivalenzstudien die Identität des Wirkstoffs nachweisen, nicht aber die entsprechenden klinischen Studien zum Nachweis seiner Wirksamkeit und Sicherheit erneut durchführen, vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.1 (S. 208ff) zur Differenzierung von Arzneimitteln nach dem Kriterium der geistigen Urheberschaft und in Kap. 4.1.4 (S. 308ff) zur Zulassung von Arzneimitteln und den Zulassungsvoraussetzungen. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen Kap. 4.1.4 (S. 308ff).

346

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie



Die Entwicklungsdauer (für neue Wirkstoffe) ist extrem lang



und die Entwicklungskosten (für neue Wirkstoffe) sind extrem hoch.

Dementsprechend besteht ein besonders enger Zusammenhang zwischen dem Timing der Technologiebeschaffung und dem der Technologieverwertung. Für einen Technologiebeschaffungsfolger ist es nur durch eine erheblich höhere Entwicklungsgeschwindigkeit oder über eine Einlizenzierung vom Technologiebeschaffungspionier möglich, Technologieverwertungspionier (Marktpionier) zu werden. Hinsichtlich der Entwicklungsgeschwindigkeit haben alle innovativen Unternehmen enorme Anstrengungen unternommen, diese, insbesondere durch Übergang von sequentieller Entwicklung auf parallele Entwicklungstätigkeit, zu verkürzen. Gestiegene Zulassungsvoraussetzungen haben aber die Dauer der klinischen Phasen dennoch ansteigen lassen. Die Möglichkeiten, durch eine höhere Entwicklungseffizienz den Technologiebeschaffungspionier überholen zu können, sind daher begrenzt. Auf die Bedeutung der hohen Entwicklungskosten für die Timingentscheidung wird im Rahmen der Diskussion des Timings der Technologieverwertung zurückzukommen sein.432 4.2.1.3

Intensität der Außenorientierung

Analog zur branchenübergreifenden Entwicklung433 hat sich im zeitlichen Verlauf auch in der Pharmazeutischen Industrie eine zunehmende Bedeutung der externen Technologiebeschaffung abgezeichnet. Ihr Anteil an den gesamten Technologiebeschaffungsaufwendungen hat dabei tendenziell relativ zur internen Eigenerzeugung zugenommen. Dies mögen zwei Daten für die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland im zeitlichen Verlauf von 1973 bis 1993 verdeutlichen:434

432 433 434

Vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 4.2.2.2, S. 358ff. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.3, S. 180ff. Vgl. Dillmann, L.; (1996), S. 95-101; und Dillmann, L.; (1997), S. 1055-1056. Inwieweit die von Dillmann ermittelten Werte hinsichtlich der exakten Werte des Fremdvergabegrades repräsentativ sind, mag aufgrund von Forschungsdesign und Stichprobe als fraglich angesehen werden (vgl. hierzu auch die späteren Ausführungen in Kap. 4.4.1, S. 378ff), sie dürften in jedem Fall aber einen Beleg für die beträchtliche Zunahme des Anteils des externen Wissenssourcings in der Pharmazeutischen Industrie darstellen.

Strategisches Technologiemanagement

347



Die Anzahl der als Outsourcing-Partner zur Verfügung stehenden Contract Research Organizations (CROs) hat sich dabei im zeitlichen Verlauf von 8 auf 99 beträchtlich erhöht.



Der Fremdvergabegrad, also der Anteil externer F&E-Aufwendungen an den Gesamtaufwendungen, hat sich im gleichen Zeitraum von 4,2 % auf 28,6 % erheblich gesteigert.435

Dillmann erklärt die Zunahme der Fremdvergabe von Entwicklungsaufgaben an Contract Research Organisationen (CROs) relativ zur Eigenentwicklung mit Hilfe der Transaktionskostentheorie. Danach ist das zunehmende Outsourcing pharmazeutischer Entwicklungsaktivitäten als ein Wechsel im von den Unternehmen priorisierten Koordinationsmechanismus zu interpretieren: Dillmann führt dies darauf zurück, daß die in der Vergangenheit vorherrschende hierarchische Koordination in Form der Eigenentwicklung durch relativ zur Fremdvergabe vorteil-

435

Dabei ermittelt Dillmann den Fremdvergabegrad als Quotient aus den Umsätzen der CROs und den gesamten Entwicklungsausgaben der Pharma-Industrie in Deutschland. Die Gesamt-Entwicklungsausgaben werden dabei als Teilmenge aus den GesamtF&E-Budgets abgeschätzt, vgl. Dillmann, L.; (1996), S. 99. Die von Dillmann ermittelten Werte geben (bestenfalls, vgl. hierzu auch die bereits in der vorstehenden Fußnote angebrachte Kritik) den Outsourcinggrad eines Teiles der Entwicklungsaktivitäten wieder. Neben den von Dillmann explizit nicht untersuchten Forschungsaktivitäten bleibt auch z.B. die Lizenznahme (als eine Form der externen Technologiebeschaffung) unberücksichtigt. Insgesamt dürfte daher der relative Anteil der externen Technologiebeschaffung erheblich höher sein, denn zahlreiche Unternehmen erfassen ihre Lizenzaufwendungen nicht in den F&E-Budgets. Ein Indiz für diese These liefert die Statistik des BPI (die leider nur bis 1990 in dieser Form erhoben wurde), wonach allein die Lizenzaufwendungen mehr als 10 % der Summe aus F&E- und Lizenzaufwendungen ausgemacht haben (vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.2 (S. 224ff), insbes. Abb. 4-7, S. 233). Dieser Anteil ist sogar im zeitlichen Verlauf von 1975 bis 1990 relativ zu den F&E-Aufwendungen zurückgegangen, war also 1975 erheblich höher, vgl. hierzu Mordhorst, C. F.; (1994), S. 48, insbes. Abbildung 10, dessen Graphik ebenfalls auf BPI-Daten basiert. In der vorliegenden Arbeit wird unter Intensität der Außenorientierung (vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.3, S. 180ff) die technologiestrategische Bedeutung der Summe aller externen Technologiebeschaffungsaktivitäten relativ zur Summe aller internen Technologieerzeugungsaktivitäten verstanden. Quantitativ könnte dies also durch den Quotienten aus der Summe aller Ausgaben für externe Technologiebeschaffungsaktivitäten (unabhängig von ihrer Form und der Art ihrer Erfassung in der Kostenrechnung) und der Summe der Gesamtaufwendungen für Technologiebeschaffung (= Summe aus externer und interner Technologiebeschaffung) ausgedrückt werden.

348

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

haftere Transaktionskosten gekennzeichnet war. Im zeitlichen Verlauf sind aber die Transaktionskosten der marktlichen Koordination in Form der Fremdvergabe unter die der Eigenentwicklung gesunken und begünstigen zunehmend diese Koordinationsform. In der wissenschaftlichen Literatur werden eine Vielzahl von Motiven für ein Outsourcing von Entwicklungsaufgaben für Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen genannt.436 Die empirische Analyse der zentralen Motive eines Outsourcings von Entwicklungsleistungen in der Pharmazeutischen Industrie erbrachte die folgende Bedeutungsrangfolge (die nachfolgende Aufzählung erfolgt in absteigender Bedeutungsrangfolge):437 –

Kapazitätsspitzenausgleich



Ausgleich von zeitlichen Engpässen in der Entwicklung



Zugriff auf Know-how/Anlagen



Konzentration auf Kernaktivitäten



Zugriff auf Prüfer



Liquiditätsverbesserung



Kostenvorteile



Bessere Qualität



Anpassung an technische Neuerung

Auch wenn hinsichtlich der Bedeutungsrangfolge Unterschiede auftreten, so sind diese für die Pharmazeutische Industrie ermittelten Outsourcingmotive insgesamt im Einklang mit denen, die für andere Branchen ermittelt wurden.438 Dies trifft insgesamt auch für die Gegenüberstellung mit den Motiven für eine Lizenznahme in der Pharmazeutischen Industrie zu, die in abnehmender Bedeutungsrang-

436

437

438

Vgl. hierzu z.B. Tapon, F.; Thong, M.; (1997), S. 8-24. Sowie aus praktischer Perspektive eines Pharma-Unternehmens Robertson, N. C.; (1992), S. 26-30. Vgl. Dillmann, L.; (1996), S. 111-122, insbes. S. 111-114; und Dillmann, L.; (1997), S. 1060-1062. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.3, S. 180ff, sowie die Diskussion der „verwandten“ Motive für das Eingehen von F&E-Kooperationen in Kap. 3.3.2.4 (S. 190ff).

Strategisches Technologiemanagement

349

folge nachfolgend wiedergegeben werden (die absolute Bedeutung läßt sich aus dem in Klammern angegebenen Mittelwert ersehen):439 –

Füllen von Lücken im Produktangebot des Lizenznehmers (6,21)



Diversifikation und Wachstum durch neue Produkte (6,19)



Erhöhung der Auslastung des Außendienstes (5,28)



Früherer Markteintritt als bei Eigenentwicklung (5,00)



Senkung der F&E-Aufwendungen (4,54)



Verbesserung existierender Produkte (4,18)



Erhöhung der Auslastung der Produktion (4,10)



Erhöhung der Qualifikation des Lizenznehmers (4,00)



Senken des Risikos eines Rechtstreites wegen Patentverletzung (3,71)



Senken des Erfolgsrisikos bei der Einführung neuer Produkte (3,23)



Bilden der Basis für eigene Entwicklungen (3,22)



Verzicht auf eine eigene F&E-Abteilung (2,61)



Wettbewerbsentschärfung (2,31).

Die Intensität der Außenorientierung variiert beträchtlich mit der Unternehmensgröße.440 Auch die Art der Entwicklungsaktivitäten hat entscheidenden Einfluß auf das Ausmaß der Fremdvergabe:441 Abb. 4-29 gibt die unterschiedlichen Intensitäten der Außenorientierung für zentrale Bereiche der pharmazeutischen Entwicklung wieder. Für jeden Entwicklungsbereich existiieren auch Unterschiede hinsichtlich der Schlüsselkriterien, nach denen eine Auswahl des Outsourcingpartners vorgenom-

439

440

441

Vgl. Mordhorst, C. F.; (1994), S. 96-100. Das Ranking der Lizenznahmemotive erfolgte, indem die befragten lizenznehmenden Pharma-Unternehmen den Grad ihrer Zustimmung bzw. Ablehnung auf einer siebenstufigen Likert-Skala (1 = trifft nicht zu; 7 = trifft voll zu) zum Ausdruck brachten. Vgl. Dillmann, L.; (1996), S. 95-101; und Dillmann, L.; (1997), S. 1055-1056. Auch dieser Befund steht in Übereinstimmung mit den branchenübergreifenden Beobachtungen, vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.3, S. 180ff. Vgl. Preuß, K.-J.; (1995), S. 404-410.

350

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie 100

Make Buy Häufigkeit in %

80

60

40

20

0

g g ung ntation altun tatistik schun kinetik ologie rtests o w ass S or ko Toxik F a Zul kume tenver Lab e m Do har Entwicklungsbereich isch Da P n i l K

Abb. 4-29:

Intensität der Außenorientierung (Fremdvergabegrad) für unterschiedliche Bereiche der pharmazeutischen Entwicklung. Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Daten von Hone442

men wird.443 Auch externe Faktoren, insbesondere auch staatliche regulatorische Eingriffe, können einen erheblichen Einfluß auf Art und Umfang des Outsourcings von pharmazeutischen Entwicklungsaufgaben haben.444 Dillmann führt dies auf eine deutliche Zunahme des Effizienzdrucks zurück, der seinerseits durch eine (maßgeblich durch die staatlichen regulatorischen Rahmenbedingungen geprägte) Verschärfung der Wettbewerbsintensität hervorgerufen wird.445 Allerdings steht diese Beobachtung in einem gewissen Widerspruch zu den Erkenntnissen, die Mordhorst bei der Analyse von Zielen für eine Lizenznahme in der Pharmazeutischen Industrie ermittelte: Das Motiv „Linzenznahme entschärft den Wettbewerb“ landete, wie oben bereits ausgeführt, auf dem letzten Bedeutungsrang von 13 untersuchten Motiven. Auch waren die befragten Pharma-Un-

442 443 444

445

Vgl. Hone, J.; (1994), S. 33, hier zitiert nach Leyser, K. E.; (1994), S. 4. Vgl. Van Geenhuizen, M.; Van der Knaap, B.; (1997), S. 315-317. Vgl. hierzu z.B. Marx, P.; (1994 a), S. 234, der im Rahmen einer empirischen Studie beobachtete, daß etwa die Hälfte der befragten deutschen Pharma-Unternehmen als Reaktion auf die Auswirkungen des Gesundheitsstrukturgesetzes verstärkt auf externe Technologiequellen zurückgreifen werden. Vgl. Dillmann, L.; (1996), S. 123-138 sowie Dillmann, L.; (1997), S. 1062-1063.

Strategisches Technologiemanagement

351 446

ternehmen der Ansicht, daß diese Aussage eher nicht zutrifft. Inwieweit eine externe Technologiebeschaffung die Wettbewerbsintensität entschärfen kann und sich eventuell als Regulationsreaktionsstrategie eignet, muß an dieser Stelle daher zunächst offen bleiben. 4.2.1.4

Technologischer Verflechtungsgrad

Wie bereits in Kap. 2.3.2 und Kap. 3.3.2.4 ausführlich dargelegt wurde,447 stellte der technologische Verflechtungsgrad eine eigenständige technologiestrategische Dimension dar. Für die beabsichtigte Identifikation von Technologiestrategietypen wäre es hinreichend zu ermitteln, welche technologiestrategische Bedeutung, möglichst umfangreiche technologische Netzwerke mit einer Vielzahl von Kooperationspartnern zu unterhalten, für den technologischen Know-howErwerb besitzt, da so die unterschiedlichen Ausprägungen der Dimension des technologischen Verflechtungsgrades hinreichend präzise bestimmt wären. Die Befunde der früheren Studien zu Technologiekooperationen und zur technologischen Verflechtung (insbesondere die Studien von Rotering, Teichert, Herden und Heydebreck) haben aber verdeutlicht,448 daß es für ein genaueres Verständnis der konkreten Ausprägung des technologischen Verflechtungsgrades äußerst lohnenswert ist, die nächst tiefere Detailebene ebenfalls mit in Betracht zu ziehen, nämlich die Frage nach der relativen technologiestrategischen Bedeutung der einzelnen technologieorientierten Kooperationsformen mit den verschiedenen Typen von Akteuren der Unternehmensumwelt.449 Der besseren Übersicht-

446

447

448

449

Vgl. Mordhorst, C. F.; (1994), S. 96-100. Das Motiv „Wettbewerbsentschärfung“ erreichte einen Mittelwert von 2,31 auf einer siebenstufigen Likert-Skala (1 = trifft nicht zu; 7 = trifft voll zu), vgl. ebenda, S. 97. Vgl. Kap. 2.3.2 (S. 94ff) und Kap. 3.3.2.4 (S. 190ff), sowie Feldmann, C.; (2005 a), S. 135ff. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 2.3.2 (S. 94ff) sowie Feldmann, C.; (2005 a), S. 135ff Es würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen, auf jede der aufgelisteten Technologiekooperationsformen im Detail einzugehen. Da dies auch für die vorliegende Aufgabenstellung einer möglichst differenzierten und präzisen Bestimmung der konkreten Ausprägung der Dimension des technologischen Verflechtungsgrades für das jeweilige Unternehmen nicht erforderlich ist, soll an dieser Stelle darauf verzichtet werden. Für eine genauere Betrachtung sei auf die nachfolgend genannten Literaturstellen verwiesen, auf die der Autor u.a. auch für die Ableitung der nachfolgend aufgelisteten Verflechtungsformen zurückgegriffen hat und wo sich gleichzeitig auch weitergehende Informationen zu Erfolgsfaktoren, Chancen und Risiken, Implementie-

352

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

lichkeit halber soll dies getrennt für den Bereich der Technologiebeschaffung und -verwertung erfolgen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um technologisches Know-how handelt, das primär in Produkten oder Prozessen Anwendung findet bzw. finden kann. Für die Beschaffung technologischen Know-hows stehen jedem Unternehmen insbesondere die folgenden technologischen Verflechtungsoptionen offen:450 –

Technologiekooperation mit (Fach-) Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen



Technologiekooperationen mit direkten Wettbewerbern, die in den gleichen Anwendungsgebieten (in der Pharmazeutischen Industrie Indikationsgebieten) und Ländern tätig sind



Technologiekooperationen mit indirekten Wettbewerbern: Unternehmen der gleichen Wertschöpfungsstufe, die aber entweder in anderen Anwendungsgebieten (in der Pharmazeutischen Industrie Indikationsgebieten) oder/und Ländern tätig sind, oder/und komplementäre Produkte entwickeln.

450

rungshinweisen etc. finden: Ford, D.; et al.; (1986), S. 26-41; Servatius, H. G.; (1987), S. 217-243; Olleros, F.-J.; Macdonald, R. J.; (1988), S. 155-176; Link, A. N.; Bauer, L. L.; (1989); Pohle, K.; (1990), S. 67-76 (Pharma); Rotering, C.; (1990); S. 11-47; Brockhoff, K.; Gupta, A. K.; Rotering, C.; (1991), S. 220-224; Pisano, G. P.; (1991), S. 237-249 (Pharma/Biotech); Rothwell, R.; (1991), S. 93-112, insbes. S. 103-110; Herden, R.; (1992); Gemünden, H. G.; Heydebreck, P.; (1994 b), S. 251-283, insbes. S. 266-282; Teichert, T. A.; (1994); Doz, Y.; Hamel, G.; (1995); Hop, L.; Post, G.; (1995), S. 9-22; Krebs, R.; (1995), S. 899-920 (Pharma); Meyer-Krahmer, F.; Reger, G.; (1995), S. 924-928; Heydebreck, P.; (1996); Köhler, R.; (1997), S. 181-204; Radel, T.; (1997), S. 105-126; Bleeke, J.; Ernst, D.; (1998); S. 217-231; Dankbaar, B.; (1998), S. 70-81, insbes. S. 73-75; Hafsi, T.; (1998), S. 31-62; Kanter, M. R.; (1998), S. 197-216; McCutchen, W. W.; Swamidass, P. M.; (1998), S. 490-506 (Pharma); Staropoli, C.; (1998), S. 13-23 (Pharma); Teece, D. J.; (1998), S. 134-165. Zu einzelnen Technologiekooperationsformen vgl. insbesondere: Keussen, M.; (1994) (Technologiekooperationen zwischen Industrieunternehmen und Ingenieurfirmen); Kirchmann, E. M. W.; (1994) (Technologiekooperationen zwischen Herstellern und Anwendern); Mordhorst, C. F.; (1994) (Lizenzierung); Haag, T. A.; (1995) (Akquisition und Beteiligungen zur Technologiebeschaffung); Schwartze, G.; (1995) (Gemeinschaftsforschung); Kirchmann, E. M. W.; (1996), S. 442-465 (Technologiekooperationen zwischen Herstellern und Anwendern); Russ, M.; Camp, S. M.; (1997), S. 513527 (Technologietransfer und Strategische Allianzen). Vgl. hierzu Frage Nr. 1.1.8 im im Anhang wiedergegebenen Fragebogen/Interviewleitfaden (S. 691ff).

Strategisches Technologiemanagement

353



Technologiekooperationen mit „Zulieferern“, worunter alle in der Wertschöpfungskette vorgelagerten Unternehmen und Institutionen zu verstehen sind. Dies umfaßt nicht nur die Zulieferer physischer Produkte sondern auch technologischen Know-hows. Beispiele hierfür können „Junge Unternehmen“ (in der Pharmazeutischen Industrie z.B. Bio- und Gentechnologie-Unternehmen) oder auch unterschiedliche Typen von Dienstleistern (wie z.B. Beratungs-Unternehmen) sein.



Technologiekooperationen mit „Kunden“, worunter alle in der Wertschöpfungskette nachgelagerten Unternehmen und Institutionen zu verstehen sind (in der Pharmazeutischen Industrie können dies z.B. Patientenorganisationen, Apotheker/Großhändler oder Krankenkassen sein).



Technologiekooperation mit mehreren Unternehmen (Gemeinschaftsforschung)



Lizenznahme und -erwerb



Erwerb von staatlichen Genehmigungsunterlagen, die für eine Marktzulassung erforderlich sind. Dies umfaßt Gutachten oder bereits erteilte Genehmigungen, auf deren Unterlagen und Daten der Erwerber Bezug nehmen darf (in der Pharmazeutischen Industrie ist dies der Dossiererwerb, also der Erwerb von Zulassungsunterlagen einschließlich eventueller präklinischer und klinischer Studien, für die der Inhaber noch Exklusivitätsrechte besitzt oder auch Bioäquivalenz-Studien für Nachahmerpräparate).



Vergabe von Forschungsaufträgen (z.B. an Contract Research Organizations (CROs)).



Akquisition von innovativen Unternehmen oder Unternehmensteilen



Finanzierung von Unternehmensgründungen (Start Ups) oder/und Bereitstellung von Risiko Kapital (Seed und Venture Capital), um im Gegenzug privilegierten Zugang zu dadurch generierten technologischem Know-how zu erlangen.

Die einzelnen aufgeführten technologischen Verflechtungsformen sind dabei nicht völlig überschneidungsfrei. Eine Ursache hierfür liegt darin, daß die erste Hälfte der aufgeführten Verflechtungsformen auf die Differenzierung von unterschiedlichen Akteurstypen (entlang der Wertschöpfungskette) zugeschnitten sind, während die zweite Hälfte mehr auf unterschiedliche Technologiekoopera-

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Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

tionsformen (institutionelle Formen externer Technologiebeschaffung) abstellt. Um beiden Aspekten gerecht zu werden, wurde dies aber bewußt in Kauf genommen. 4.2.1.5

Breite der technologischen Ausrichtung

Hinsichtlich der Breite der technologischen Ausrichtung der Technologiebeschaffung muß jedes Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen entscheiden, ob es sich stark auf wenige Forschungsfelder und-themen sowie Technologien fokussieren möchte oder ein breites Spektrum unterschiedlicher Forschungsfelder und Technologien bearbeiten möchte. Quantifizieren läßt sich die Breite der technologischen Ausrichtung der Technologiebeschaffungsaktivitäten mit Hilfe der Anzahl der bearbeiteten Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Eine sinnvolle und in der Praxis gängige Definition zur Unterscheidung von Forschungsvorhaben und Entwicklungsprojekten ist die folgende: –

Forschungsvorhaben Forschungsvorhaben sind alle Vorhaben vor der ersten regulatorisch verwertbaren und GLP-konformen toxikologischen Studie.



Entwicklungsprojekte Entwicklungsprojekte sind alle Projekte ab der ersten regulatorisch verwertbaren und GLP-konformen toxikologischen Studie. Dabei gelten Entwicklungen unterschiedlicher Stärken und Darreichungsformen für ein und denselben Wirkstoff als ein Projekt.

Im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit451 wird zunächst die prinzipielle technologiestrategische Bedeutung einer breiten technologischen Ausrichtung (bzw. einer hohen Spezialisierung) in der Technologiebeschaffung untersucht. Für den gegenwärtigen Zeitpunkt wird als zusätzliche Hintergrundinformation auch die Anzahl der durchschnittlich jährlich bearbeiteten Forschungsvorhaben und Entwicklungsprojekte ermittelt, sowie die Anzahl der gegenwärtig (2000) im Rahmen der Technologiebeschaffung bearbeiteten Indikationsgebiete bestimmt.452 451 452

Vgl. hierzu die späteren empirischen Befunde in Kap. 6.2.5, S. 473ff. Dies geschah auf Basis der ATC-Klassifikation der WHO, da sich diese im Rahmen des Pretestes aufgrund der geringeren Anzahl an Hauptgruppen als übersichtlicher

Strategisches Technologiemanagement

4.2.1.6

355

Geographische Ausdehnung und Standortwahl

Die geographische Ausdehnung des Aktionsradius der Technologiebeschaffung hat für die Pharmazeutische Industrie analog zum branchenübergreifenden Trend im zeitlichen Verlauf deutlich zugenommen. Der Internationalisierungsgrad der Pharmazeutischen Industrie liegt dabei insgesamt mit mehr als 17 % Auslandsanteil453 an den globalen F&E-Gesamtbudgets deutlich über dem branchenübergreifenden Industriegesamtdurchschnitt.454 Dabei verfügen fast 90 % der weltweit untersuchten pharmazeutischen Großunternehmen über eigene F&E-Standorte im Ausland.455 Bei den 12 von Beckmann 1992 untersuchten deutschen chemischen und pharmazeutischen Großunternehmen war die „Auslandsintensität“ (Auslandsanteil am F&E-Gesamtbudget) mit 32 % (2,0 Mrd. €) sogar erheblich höher. Gleiches gilt für die Anzahl der F&E-Mitarbeiter: 383.000 inländischen F&EMitarbeitern (55 %) standen 318.000 (45 %) F&E-Kollegen in den Auslandsdependancen gegenüber.456 Auch für diese untersuchten deutschen Großunternehmen ist der Auslandsanteil an den F&E-Aktivitäten im zeitlichen Verlauf von 1970 bis 1992 stark angestiegen.457

453

454 455 456

457

und leichter zu handhaben erwies und die meisten Gesprächspartner ihr gegenüber auch vertrauter waren als der Nomenklatur der Roten Liste gegenüber, vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 4.2.2.5, S. 368ff. Insbesondere Studien, die auf der Auswertung von Patentstatistiken beruhen, weisen tendenziell den Auslandsanteil zu niedrig aus, vgl. hierzu z.B. Cantwell, J.; (1992), S. 78-83, insbes. S. 79. Vermutlich liegt daher der Auslandsanteil an den weltweiten Technologiebeschaffungsaufwendungen der Pharmazeutischen Industrie erheblich höher, insbesondere wenn man zusätzlich noch berücksichtigt, daß die F&E-Budgets zahlreiche externe Technologiebeschaffungsaktivitäten nicht berücksichtigen und hier wahrscheinlich der Auslandsanteil höher liegen wird. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.6, S. 198ff. Vgl. Pearce, R.; Pooni, G. S.; (1996), S. 10-11. Vgl. Beckmann, C.; Fischer, J.; (1994), S. 630-640; Beckmann, C.; (1997), S. 161170. Beckmann geht dabei davon aus, in seiner Stichprobe mehr als 95 % der F&EAufwendungen der beiden Gesamtbranchen erfaßt zu haben, vgl. ebenda, Abb. 3.2.1.2-2, S. 167. Ein etwas überraschender Befund. Eine Zunahme der Globalisierung der Technologiebeschaffungsaktivitäten stellt auch Kümmerle bei einer Analyse der Strategien pharmazeutischer Großunternehmen in Japan fest, vgl. hierzu Kümmerle, W.; (1992), S. 99-119. Vgl. Beckmann, C.; (1997), S. 168-170.

356

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Interessanterweise hat es die zunehmende Internationalisierung pharmazeutischen Großunternehmen weltweit ermöglicht, eine starke Spezialisierung ihrer F&E-Standorte unter Ausbildung einer „Center of Excellence“-Konzeption sowohl für den Heimatstandort als auch für die Auslands-F&E-Dependancen vorzunehmen und über diese Spezialisierung einerseits erfolgreich Zugang zu spezifischem lokalen Know-how der unterschiedlichen Länder und Regionen zu finden und andererseits die Breite ihrer technologischen Ausrichtung, also den Fundus der beherrschten Technologien und die Breite ihrer Produktportfolios insgesamt beträchtlich zu vergrößern.458 Alle bisherigen Studien zum geographischen Aktionsradius der Technologiebeschaffungsaktivitäten haben sich vor allem auf Großunternehmen konzentriert. Ursache hierfür dürfte insbesondere die leichtere Zugänglichkeit relevanter Daten (z.B. veröffentlichte Jahresabschlüsse und Analystenreports) sein, sowie die Tatsache, daß sich alle bisherigen Studien ausschließlich auf die Analyse interner F&E-Standorte beschränkt hatten. Die vorliegende Arbeit verfolgt hinsichtlich beider Gesichtspunkte einen anderen Weg: 1) soll sich die Analyse nicht nur auf börsennotierte Großunternehmen beschränken, sondern die Gesamtheit der im deutschen Arzneimittelmarkt aktiven Typen von Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen umfassen, also auch kleine und mittlere Unternehmen mit einschließen, 2) sollen im Rahmen der Analyse der geographischen Ausdehnung der Technologiebeschaffungsaktivitäten alle Formen internationaler Technologiebeschaffung betrachtet werden, also nicht nur interne F&E, sondern auch kooperative und externe Technologiebeschaffungsaktivitäten.459 Auf die organisatorischen Herausforderungen, die mit dem Management internationaler F&E-Netzwerke in der Pharmazeutischen Industrie verbunden sind,460 soll an dieser Stelle hingegen genauso wenig eingegangen werden wie auf die Einflußfaktoren für eine Expansion des geographischen Umfangs der Technolo-

458 459

460

Vgl. hierzu die Untersuchungen von Cantwell, J.; (1992), S. 75-95. Vgl. zum letztgenannten Gesichtspunkt auch die detaillierteren Ausführungen in Kap. 3.3.2.6, S. 198ff. Vgl. hierzu z.B. Dalle Carbonare, B.; Völker, R.; (1996), S. 57-72.

Strategisches Technologiemanagement

357

461

giebeschaffungsaktivitäten. Auch stehen im Fokus dieser Arbeit nicht die Determinanten, die die konkrete Standortwahl von Pharma-Unternehmen beeinflussen,462 oder die konkrete Aufgabenverteilung und Struktur der F&E-Netzwerke pharmazeutischer Unternehmen.463 4.2.2 4.2.2.1

Technologieverwertung Angestrebtes technologisches Leistungsniveau

Analog zur Technologiebeschaffung läßt sich die Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus der Technologieverwertung präzise über die Bestimmung der technologiestrategischen Bedeutung, die die einzelnen Stufen der Technologiewertschöpfungskette im Rahmen der Technologieverwertungsstrategie einnehmen, und über das Ausmaß der bei der Technologieverwertung an den Tag gelegten technologiestrategischen Risikobereitschaft bestimmen.464 Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette In Kapitel 4.1.5 war bereits ausführlich die Technologiewertschöpfungskette der Pharmazeutischen Industrie präzisiert und erörtert sowie begründet worden, warum die Schwerpunkte, die die einzelnen Unternehmen entlang dieser Technologiewertschöpfungskette setzen, ein geeigneter Gradmesser für die Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus in der Technologieverwertung sind. Es bedarf daher an dieser Stelle keiner erneuten Erläuterung. Im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit wird demzufolge die technologiestrategische Bedeutung, die die einzelnen Technologiewertschöpfungsstufen im Rahmen der Technologieverwertungsstrategie für das jeweilge Unternehmen haben, erfaßt.465

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464 465

Vgl. hierzu die konzeptionellen Überlegungen und empirischen Befunde von Beckmann, C.; Fischer, J.; (1994), S. 640-655; Pearce, R.; Pooni, G. S.; (1996), S. 10-16; Beckmann, C.; (1997), S. 195-249. Vgl. hierzu z.B. Taggart, J. H.; (1991), S. 229-240; Pearce, R.; Pooni, G. S.; (1996), S. 16-28. Vgl. hierzu z.B. Taggart, J. H.; (1989), S. 1415-1439; Beckmann, C.; Fischer, J.; (1994), S. 634-640; Beckmann, C.; (1997), S. 171-194. Vgl. hierzu die detaillierten früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.1, S. 137ff. Für die diesbezüglichen empirischen Befunde vgl. die späteren Ausführungen in Kap. 6.3.1.1, S. 492 ff.

358

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Technologiestrategische Risikobereitschaft Die detaillierten Ausführungen in Kap. 4.2.1.1 hinsichtlich der in der Pharmazeutischen Industrie auftretenden Risiken und der enormen erforderlichen technologiestrategischen Risikobereitschaft in dieser Branche haben gleichermaßen Gültigkeit für die Technologiebeschaffung wie für die Technologieverwertung.466 Auf eine erneute Diskussion dieser Grundlagen kann daher an dieser Stelle verzichtet werden. Die technologiestrategische Risikobereitschaft im Rahmen der Technologieverwertungsstrategie läßt sich dabei gut über die Bereitschaft des jeweiligen Unternehmens zur regelmäßigen Markteinführung von Arzneimitteln gegen bis dahin unheilbare Krankheiten operationalisieren.467 4.2.2.2

Timing

Frühzeitig mit einem neuen Wirkstoff in den Markt einzutreten, ist vor allem deshalb für innovative Unternehmen von zentraler technologiestrategischer Bedeutung, weil nur so eine vollständige Ausschöpfung der Marktpotentiale möglich ist. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der, insbesonders zur Entwicklung neuer Wirkstoffe,468 stark gestiegenen Entwicklungsinvestitionen erforderlich. Der zentrale Vorteil einer möglichst frühzeitigen Markteinführung des neuen Arzneimittels durch den Marktpionier besteht dabei (unter Gesamtertragsgesichtspunkten) weniger darin, durch kürzere Entwicklungszyklen und höhere Innovationseffizienz die Entwicklungskosten zu reduzieren, sondern vor allem in der Optimierung der kumulierten Deckungsbeiträge aus Ertragsgesichtspunkten. Ein gewonnener Tag im Produktlebenszyklus eines Medikamentes erhöht nämlich nicht nur den kumulierten Gesamtdeckungsbeitrag des betreffenden Wirkstoffes um einen durchschnittlichen täglichen Deckungsbeitrag, sondern schreibt den Deckungsbeitragsanstieg im Maximum um einen Tag fort. Diese immense Steigerung des kumulierten Gesamtdeckungsbeitrags eines Wirkstoffs bei frühzeitigerer Markteinführung wird schematisch in Abb. 4-30 veranschaulicht.

466 467

468

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen auf S. 335ff. Für die diesbezüglichen empirischen Befunde vgl. die späteren Ausführungen in Kap. 6.3.1.2, S. 509ff. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 4.1.4, S. 308ff.

359

Deckungsbeitrag

Strategisches Technologiemanagement Verbesserter Produktlebenszyklus auf Grund kürzerer Entwicklungsdauer und früherer Markteinführung Produktlebenszyklus bei bisheriger Entwicklungsdauer

Markteinführung

Abb. 4-30:

Patentschutzende

Zeit

Schematische Darstellung des Einflusses einer früheren Markteinführung auf den kumulierten Deckungsbeitrag eines Arzneimittels über seinen Produktlebenszyklus. Quelle: Eigene Darstellung469

Von der US-amerikanischen Office of Technology Assessment (OTA) stammt eine Quantifizierung, welches zusätzliche Umsatzvolumen durch eine längere Marktnutzungsdauer zu erwarten ist: 400 zusätzliche Tage an Patentnutzungsdauer entsprachen demnach im Jahre 1993 im Durchschnitt zusätzlichen 100 Millionen US-$ an Umsatz für das betreffende Medikament.470 469

470

Die vorliegende schematische Graphik verfolgt nur das Ziel, den Einfluß kürzerer Entwicklungsdauer und früherer Markteinführung auf kumulierten Deckungsbeitrag und Produktlebenszyklus zu veranschaulichen. Eine realitätsgetreue Wiedergabe von Produktlebenszyklusverläufen bei Arzneimitteln ist nicht beabsichtigt. Vgl. Diesbezüglich für eine schematische Darstellung EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations; (2000), S. 12; Pharmazeutische Lebenszyklusverläufe auf empirischer Grundlage beschreiben Grabowski, H.; Vernon, J.; (1990), S. 809-811; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1992 b), S. 353-354; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1994 a), S. 388-398; Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1996), S. 196-199; Bauer, H. H.; Fischer, M.; (1998), S. 8-31; Bauer, H. H.; Fischer, M.; (2000), S. 944-953. Zu den unterschiedlichen Phasen und zum grundsätzlichen idealtypischen Verlauf von Produktlebenszyklen sei z.B. auf Nieschlag/Dichtl/Hörschgen verwiesen, vgl. Nieschlag, R.; et al.; (1994), S. 903-907. Vgl. Schweitzer, S. O.; (1997), S. 201-202. Die Berechnung der OTA wurde dabei im Zusammenhang mit der Diskussion von Veränderungen der effektiv zur Verfügung

360

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Zwei Arten von empirischen Studien, die ausgeprägte Pioniervorteile (FirstMover-Advantages) im Arzneimittelmarkt feststellten, deuten in die gleiche Richtung wie die zuvor angestellten Überlegungen: 1) Die erste Gruppe von empirischen Studien kommt zu dem Ergebnis, daß ein direkter Zusammenhang zwischen der Reihenfolge des Markteintritts und dem Marktanteil besteht: Der Technologieverwertungspionier, der den ersten Wirkstoff einer neuen Wirkstoffklasse mit einem neuen therapeutischen Wirkprinzip auf dem Markt einführt, kann dabei durchschnittlich einen um 40 % höheren Marktanteil gegenüber dem ersten Folger (neuer Wirkstoff mit dem gleichen Wirkprinzip wie der des Pionierproduktes) verbuchen. Dieser negative Zusammenhang besteht auch für alle weiteren Folger: Der (n+1)-te Folger kann dementsprechend nur mit einem um 40 % kleineren Marktanteil rechnen als ihn der (n)-te Folger hatte. Diese Befunde von Berndt et al. für das Marktsegment der Ulkustherapeutika (Margen-Darm-Mittel)471 wurden von Bauer/ Fischer auch im Segment der ACE-Hemmer (Herz-Kreislauf)472 angetroffen.473 Allerdings ist auch anzumerken, daß nicht in allen Fällen das Pionierprodukt, sprich der erste Wirkstoff einer neuen Wirkstoffklasse, einen höheren Marktanteil hat als später in den Markt eingeführte neue Wirkstoffe der gleichen Wirkstoffklasse: Eine derartige Ausnahme bildet das erfolgreichste (sprich umsatzstärkste) seit 1991 auf dem deutschen Markt eingeführte Arzneimittel, der Lipidsenker Atorvastatin (Sortis) von Pfizer. Obwohl erst 1997, viele Jahre nach dem Pionierprodukt eingeführt (Simvastatin474 wurde vor

471

472

473

474

stehenden Patentnutzungsdauer von neuentwickelten pharmazeutischen Wirkstoffen angestellt. Dabei führt die OTA explizit aus, daß die größte Bedrohung für die effektive Patentnutzungsdauer eines neuen Wirkstoffs eine Verzögerung zwischen der Beantragung des Patentschutzes und der Marktzulassung durch die Zulassungsbehörde (dort konkret FDA, weil auf die USA bezogen) ist. Vgl. Berndt, E. R.; et al.; (1994), S. 37; Berndt, E. R.; et al.; (1995), S. 104; sowie Berndt, E. R.; et al.; (1997), S. 312-313. Vgl. Bauer, H. H.; Fischer, M.; (1998), S. 18-22; sowie Bauer, H. H.; Fischer, M.; (2000), S. 949-951. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit den Resultaten früherer empirischer Studien zu Timingstrategien im US-amerikanischen und kanadischen Pharma-Markt. Vgl. für eine Übersicht und kritische Kommentierung die Studien von Bond und Lean (1977), Hurwitz und Caves (1988) und Gorecki (1986) Robinson, W. T.; (1994), S. 1-23, insbes. S. 4-5. Von MSD in Deutschland im Co-Marketing mit Boehringer Ingelheim auf dem Markt eingeführt.

Strategisches Technologiemanagement

361 475

1991 auf dem Markt eingeführt, der erste Folger Pravastatin trat bereits 1991 in den Markt ein), konnte es sich in nur drei Jahren an die Spitze der Wirkstoffklasse Statine setzen476 und erreichte bereits in 2000 einen Anteil von 44 % aller Statinverordnungen.477 Dies entsprach mehr als dem doppelten Verordnungsvolumen des Pionierproduktes Simvastatin.478 Diese Ausnahme ist jedoch nicht wirklich überraschend, wenn man berücksichtigt, daß die Markteintrittsreihenfolge nur eine Determinante unter mehreren für den späteren Markterfolg (hier operationalisiert durch den Marktanteil) ist. Weitere entscheidende Determinanten sind die Marketinganstrengungen des jeweiligen Unternehmens, die Produktqualität (insbesondere Indikationsspektrum, Nebenwirkungshäufigkeit und Wirksamkeit) und relativer Preis.479 Zwar können, wie dieses Beispiel belegt, Pioniervorteile durch andere Wettbewerbsfaktoren (über-)kompensiert werden, daß jedoch umgekehrt eindeutige First-MoverAdvantages bestehen, untermauern die Befunde zahlreicher empirischer Studien: Die Marktführerschaft der Pioniere war danach nicht von überlegener Produktqualität, niedrigeren Preisen oder Werbeaufwendungen getrieben.480

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476 477

478

479

480

Von BristolMyersSquibb in Deutschland gemeinsam mit Schwarz-Pharma und Sankyo vermarktet. Vgl. Fricke, U.; Schwabe, U.; (2001), S. 23-71, insbes. S. 56-57. Vgl. Klose, G.; Schwabe, U.; (2001), S. 483-493, insbes. S. 489. Seitdem konnte Atorvastatin weitere Marktanteile hinzugewinnen. Auch das ebenfalls erst 1997 auf dem Markt eingeführte und zur gleichen Wirkstoffklasse gehördende Arzneimittel Cerivastatin (Lipobay) von Bayer lag in 2000 hinsichtlich des Verordnungsvolumens nur knapp hinter dem Pionier Simvastatin. Pfizer erreichte bei Atorvastatin (Sortis) in 2000 ein Verordnungsvolumen von 299,7 Mio. DDD, während MSD (Zocor mit 104,9 Mio. DDD) und Boehringer Ingelheim (Denan mit 39,2 Mio. DDD) bei Simvastatin gemeinsam nur 144,1 Mio. DDD erzielten, vgl. Klose, G.; Schwabe, U.; (2001), S. 488. Vgl. Berndt, E. R.; et al.; (1994), S. 34-39; sowie Berndt, E. R.; et al.; (1997), S. 310313. In der Tat könnte der Erfolg von Atorvastatin durch die Marketinganstrengungen von Pfizer, den unter dem Pionierprodukt liegenden Preis (Atorvastatin war in 2000 das preisgünstigste Statin (bezogen auf die DDD), vgl. Klose, G.; Schwabe, U.; (2001), S. 488) und die überlegenen Produktattribute (relativ stark cholesterinsenkende Wirkung, selbst bei der niedrigsten im Handel befindlichen Dosierung, vgl. Fricke, U.; Schwabe, U.; (2001), S. 56) erklärt werden. Vgl. hierzu die Zusammenfassung verschiedener Studien bei Robinson, W. T.; et al. ; (1994), S. 5.

362

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

2) Technologieverwertungsfolger haben nach der Studie von Bauer/Fischer481 aber nicht nur mit einem geringeren Marktanteil zu kämpfen, sondern der Verlauf des Produktlebenszyklus unterscheidet sich hinsichtlich Gestalt und Länge deutlich von dem des Pionierproduktes: Folgerpräparate haben erheblich kürzere Wachstumsphasen in ihren Produktlebenszyklen relativ zu denen des jeweiligen Pionierproduktes. Aber noch aus einem zweiten Grund wird durch eine intensive Zunahme des Innovationswettbewerbs die Problematik, Innovationswettläufe zu gewinnen, zur Schicksalsfrage. F&E- und Markt-Pionier zu sein besitzt für innovative Unternehmen deshalb existentielle Bedeutung, da in zunehmendem Maße die Länge des Produktlebenszyklus, insbesondere die Phase einer Alleinstellung im Markt, abnimmt. Diese Entwicklung wird nicht nur von aufgrund langer Entwicklungsund Zulassungszeiten verkürzten effektiven Patentnutzungsdauern getrieben,482 sondern in zunehmendem Maße durch immer rascher in den Markt eintretende überlegene innovative Konkurrenzprodukte. Zukünftig wird dieser zweite, durch den zunehmenden Innovationswettlauf getriebene Faktor sogar entscheidender die Länge des jeweiligen Produktlebenszyklus determinieren als die Dauer des Patentschutzes, wie Abb. 4-31 anhand der immer kürzer werdenden Phasen, in denen ein bahnbrechender neuer Wirkstoff Marktexklusivität genoß, anschaulich aufzeigt.483 481

482

483

Vgl. Bauer, H. H.; Fischer, M.; (1998), S. 18-22; sowie Bauer, H. H.; Fischer, M.; (2000), S. 949-951. Die durchschnittliche Patentnutzungsdauer hat weltweit von 1980 bis 1988 um 16 %, in West-Europa (Frankreich, Großbritannien und Deutschland) sogar um 46 % abgenommen, vgl. hierzu Boroch, W.; Cassel, D.; (1993), S. 119-120. Die Einführung von Patentzusatzzertifikaten („Supplementary Protection Certificate“) in Japan (1987), den USA (1984) und der EU (1993), die einen Teil der durch Forschung, Entwicklung (insbesondere klinische Studien) und Zulassungsdauer verlorenen Patentnutzungsdauer kompensieren (in der EU bis zu 5 Jahren), hat allerdings die fortschreitende Erosion der effektiven Patentnutzungsdauer begrenzt und z.T. sogar zu einem Wiederanstieg der effektiven Patentnutzungsdauer geführt. In den USA konnte nach einem kontinuierlichen Rückgang der effektiven Patentnutzungsdauer von 1968-1982 infolge des „Drug Price Competition and Patent Term Restoration (DPCPTR) Act“ von 1984 eine leichte Zunahme von weniger als 9 auf fast 10 Jahre beobachtet werden, vgl. Schweitzer, S. O.; (1997), S. 200-201. Während Schering-Plough von Ende der sechziger Jahre bis zum Auslaufen des Patentschutzes 1980 mit seinem Pionierprodukt Gentamicin den Markt für aminoglykosidische Antibiotika (nahezu) unangefochten beherrschte, waren Bristol-Myers

Strategisches Technologiemanagement

363

Celebrex - 1999

0,25

1999 - Vioxx

Invirase - 1995

0,25

1996 - Norvir

Recombinate - 1992

1

1992 - Kogenate

2

Diflucan - 1990

1992 - Sporanox

Prozac - 1988

4

1992 - Zoloft

Mevacor - 1987

4

1991 - Pravachol

AZT - 1987

4

1991 - Videx (ddl)

Seldane - 1985

4

1989 - Hismanal

5

Capoten - 1980

1985 - Vasotec

6

Tagamet - 1977

1983 - Zantac

13 1978-Lopressor

Inderal - 1965

0

2

4

6

8

10

Marktexklusivität in Jahren

Abb. 4-31:

12

14

Innovatives Nachfolgepräparat / Jahr der Markteinführung

Innovatives Arzneimittel / Jahr der Markteinführung

Verkürzung der Periode der Marktexklusivität zwischen der Markteinführung des ersten Medikamentes mit völlig neuem Wirkprinzip und des ersten innovativen Wettbewerbspräparates im zeitlichen Verlauf

Verkürzung der Periode der Marktexklusivität neuer Wirkstoffe im zeitlichen Verlauf 1965-1999. Quelle: Eigene Darstellung nach PhRMA (2002) 484

Schließlich ist zusätzlich noch darauf hinzuweisen, daß selbst wenn auch bei einem späteren Markteintritt eine Refinanzierung der getätigten Entwicklungsinvestitionen noch möglich sein sollte, sich hierdurch die Kapitalfinanzierungskosten der F&E-Investitionen erhöhen, da sich die Zeitspanne zwischen Ausgabe der Finanzmittel (im Rahmen des Entwicklungsprozesses) und deren Amortisation (im Rahmen des Marktzyklus) verlängert. Dies ist aufgrund der enormen

484

Squibb mit dem ersten ACE-Inhibitor Captopril, einem ersten Wirkstoff einer völlig neuen Wirkstoffklasse (im Herz-Kreislauf-Segment), noch nicht einmal vier Jahre vergönnt, bevor Merck & Co. mit der Markteinführung von Enalapril eine immer höherfrequentierte Markteintrittssequenz von Folgeprodukten der gleichen Substanzklasse einleitete, die den Markt für Herz-Kreislauf-Präparate zunehmend segmentierte, vgl. hierzu James, B. G.; (1992), S. 13-15; James, B. G.; (1995), S. 286-288. Vgl. PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2002), S. 33. Ähnlich zuvor bereits Fedele, M.; (1996 b), S. 34; sowie CMR (1998), vgl. hierzu Boston Consulting Group; (1998), S. 12, VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (1998 b), S. 3 und BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (2001 e), S. 48.

364

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Höhe der Entwicklungskosten und der sehr langen Entwicklungszyklen ein Problem, was in der Pharmazeutischen Industrie stärker als in den meisten anderen Branchen zum Tragen kommt.485 Daß auch für imitativ aufgestellte Pharma-Unternehmen die Timing-Strategie der Technologieverwertung fundamentale Bedeutung besitzt, war bereits bei der Diskussion der patentrechtlichen Marktsegmentierung in Kap. 4.1.2.3 ausführlich erörtert worden:486 So determiniert auch für Generika-Hersteller die Markteintrittsreihenfolge maßgeblich deren anschließenden Marktanteil. Um im Rahmen der empirischen Befunde allerdings zu eindeutigen Ergebnissen zu gelangen, war festgelegt worden, als Bezugsrahmen der Timingstrategie den gesamten relevanten Markt (und nicht nur die Gruppe technologiestrategisch ähnlich ausgerichteter Wettbewerber) zu wählen. Technologieverwertungspionier wäre demzufolge das Unternehmen, das darauf abzielt, „als erster neue Präparate auf dem Markt einzuführen“.487 Dabei wird, wie vorstehend erläutert, keineswegs negiert, daß z.B. auch unter den „Folgern“ das relative Timing des Markteintrittes existentielle Bedeutung haben kann. Um zu eindeutigen und insgesamt aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen, muß aber auf die (quantitative) Ermittlung dieser „Zwischentöne“ verzichtet werden.488 4.2.2.3

Intensität der Außenorientierung

Analog zur branchenübergreifenden Entwicklung489 hat sich im zeitlichen Verlauf auch in der Pharmazeutischen Industrie eine zunehmende Bedeutung der externen Technologieverwertung abgezeichnet. Ihr Anteil an den gesamten Technologieverwertungserträgen hat dabei tendenziell relativ zur rein internen Eigenvermarktung unter eigenem Namen zugenommen, genau wie ein Outsourcing einzelner Aufgaben und Funktionen in den Bereichen Marketing und Vertrieb.490 485

486 487 488

489 490

Auf den Gesichtspunkt der enormen Kapitalfinanzierungskosten bei den langen Entwicklungsdauern in der pharmazeutischen Wirkstofforschung war bereits bei der Diskussion der technologiestrategischen Risikobereitschaft in Kap. 4.2.1.1, S. 335ff, ausführlich eingegangen worden. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen auf S. 244ff. Vgl. hierzu den im Anhang wiedergegebenen Interviewleitfaden (S. 691ff). Da als Erhebungstechnik der späteren empirischen Studie Fragebogen gestützte Experteninterviews gewählt wurden, wurden diese „Detailunterschiede“ zwar nicht im quantitativen dafür aber im qualitativen Teil miterfaßt. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.3, S. 180ff. Vgl. hierzu z.B. Preuß, K.-J.; (1995), S. 410-424.

Strategisches Technologiemanagement

365

Auf die einzelnen Motive sowie Vor- und Nachteile einer stark ausgeprägten externen Technologieverwertung soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden,491 da sie nicht im Fokus der vorliegenden Arbeit stehen. Die diesbezüglich im Rahmen des qualitativen Teils der durchgeführten Experteninterviews gewonnenen Erkenntnisse werden aber innerhalb der Ergebnisdiskussion ausführlich Berücksichtigung finden. 4.2.2.4

Technologischer Verflechtungsgrad

Analog zur Vorgehensweise für den Bereich der Technologiebeschaffung492 soll auch hier nicht auf der Ebene der grundsätzlichen technologiestrategischen Bedeutung des technologischen Verflechtungsgrades für den Bereich der Technologieverwertung verharrt, sondern zusätzlich auch detailliertere Erkenntnisse zur Struktur der Technologienetzwerke der Branche als Ganzes und der einzelnen Technologiestrategietypen zu erlangen gesucht werden. Deshalb soll auch für den Bereich der Technologieverwertung der Frage nach der relativen technologiestrategischen Bedeutung der einzelnen technologieorientierten Kooperationsformen mit den verschiedenen Typen von Akteuren der Unternehmensumwelt nachgegangen werden.493 Dabei spielt es (wie schon bei der Technologiebeschaf491

492

493

Branchenübergreifend waren bereits die Motive für eine vollständige oder teilweise externe Technologieverwertung ausführlich diskutiert worden, vgl. hierzu die früheren Ausführungen zu Ende des Kap. 3.3.2.3, S. 180ff. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.2.1.4, S. 351ff, sowie zur grundsätzlichen Diskussion der Dimension des technologischen Verflechtungsgrades die früheren Ausführungen in Kap. 2.3.2, S. 94ff und Kap. 3.3.2.4 , S. 190ff, sowie Feldmann, C.; (2005 a), S. 135ff. Es würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen, auf jede der aufgelisteten Technologiekooperationsformen im Detail einzugehen. Da dies auch für die vorliegende Aufgabenstellung einer möglichst differenzierten und präzisen Bestimmung der konkreten Ausprägung der Dimension des technologischen Verflechtungsgrades für das jeweilige Unternehmen nicht erforderlich ist, soll an dieser Stelle darauf verzichtet werden. Für eine genauere Betrachtung sei auf die nachfolgend genannten Literaturstellen verwiesen, auf die der Autor u.a. auch für die Ableitung der nachfolgend aufgelisteten Verflechtungsformen zurückgegriffen hat und wo sich gleichzeitig auch weitergehende Informationen zu Erfolgsfaktoren, Chancen und Risiken, Implementierungshinweisen etc. finden: Ford, D.; et al.; (1986), S. 26-41; Servatius, H. G.; (1987), S. 217-243; Olleros, F.-J.; Macdonald, R. J.; (1988), S. 155-176; Link, A. N.; Bauer, L. L.; (1989); Pohle, K.; (1990), S. 67-76 (Pharma); Rotering, C.; (1990); S. 11-47; Brockhoff, K.; Gupta, A. K.; Rotering, C.; (1991), S. 220-224; Pisano, G. P.; (1991), S. 237-249 (Pharma/Biotech); Rothwell, R.; (1991), S. 93-112, insbes. S. 103-110; Herden, R.; (1992); Gemünden, H. G.; Heydebreck, P.; (1994 b), S. 251-283, insbes.

366

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

fung) keine Rolle, ob es sich um technologisches Know-how handelt, das primär in Produkten oder Prozessen Anwendung findet bzw. finden kann. Für die Verwertung technologischen Know-hows stehen jedem Unternehmen insbesondere die folgenden technologischen Verflechtungsoptionen offen. Um im Rahmen der späteren empirischen Untersuchung keine „Ergebnisse“ zu präjudizieren, wurden bewußt alle denkbaren Partner/Verflechtungsformen in den Katalog aufgenommen, auch solche, die, ex ante, hinsichtlich ihrer Bedeutung in der Unternehmenspraxis als „wahrscheinlich unbedeutend“ einzustufen gewesen wären. Gleichzeitig wurde auf eine möglichst weitgehende (spiegelbildliche) Übereinstimmung mit den für die Technologiebeschaffung aufgeführten Verflechtungsoptionen geachtet, um diese später auch direkt einander gegenüberstellen zu können:494 –

Technologiekooperation mit (Fach-) Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen



Technologiekooperationen mit direkten Wettbewerbern, die in den gleichen Anwendungsgebieten (in der Pharmazeutischen Industrie Indikationsgebieten) und Ländern tätig sind (insbesondere Co-Marketing und Co-Promotion).



Technologiekooperationen mit indirekten Wettbewerbern: Unternehmen der gleichen Wertschöpfungsstufe, die aber entweder in anderen Anwendungsgebieten (in der Pharmazeutischen Industrie Indikationsgebieten) oder/und

494

S. 266-282; Teichert, T. A.; (1994); Doz, Y.; Hamel, G.; (1995); Hop, L.; Post, G.; (1995), S. 9-22; Krebs, R.; (1995), S. 899-920 (Pharma); Meyer-Krahmer, F.; Reger, G.; (1995), S. 924-928; Heydebreck, P.; (1996); Köhler, R.; (1997), S. 181-204; Radel, T.; (1997), S. 105-126; Bleeke, J.; Ernst, D.; (1998); S. 217-231; Dankbaar, B.; (1998), S. 70-81, insbes. S. 73-75; Hafsi, T.; (1998), S. 31-62; Kanter, M. R.; (1998), S. 197-216; McCutchen, W. W.; Swamidass, P. M.; (1998), S. 490-506 (Pharma); Staropoli, C.; (1998), S. 13-23 (Pharma); Teece, D. J.; (1998), S. 134-165. Zu einzelnen Technologiekooperationsformen vgl. insbesondere: Keussen, M.; (1994) (Technologiekooperationen zwischen Industrieunternehmen und Ingenieurfirmen); Kirchmann, E. M. W.; (1994) (Technologiekooperationen zwischen Herstellern und Anwendern); Mordhorst, C. F.; (1994) (Lizenzierung); Haag, T. A.; (1995) (Akquisition und Beteiligungen zur Technologiebeschaffung); Schwartze, G.; (1995) (Gemeinschaftsforschung); Kirchmann, E. M. W.; (1996), S. 442-465 (Technologiekooperationen zwischen Herstellern und Anwendern); Russ, M.; Camp, S. M.; (1997), S. 513-527 (Technologietransfer und Strategische Allianzen). Vgl. hierzu Frage Nr. 1.2.7 im im Anhang wiedergegebenen Fragebogen/Interviewleitfaden (S. 691ff).

Strategisches Technologiemanagement

367

Ländern tätig sind, oder/und komplementäre Produkte entwickeln (insbesondere Co-Marketing und Co-Promotion). –

Technologiekooperationen mit „Zulieferern“, worunter alle in der Wertschöpfungskette vorgelagerten Unternehmen und Institutionen zu verstehen sind. Dies umfaßt nicht nur die Zulieferer physischer Produkte, sondern auch technologischen Know-hows. Beispiele hierfür können „Junge Unternehmen“ (in der Pharmazeutischen Industrie z.B. Bio- und Gentechnologie-Unternehmen) oder auch unterschiedliche Typen von Dienstleistern (wie z.B. Beratungs-Unternehmen) sein.



Technologiekooperationen mit „Kunden“, worunter alle in der Wertschöpfungskette nachgelagerten Unternehmen und Institutionen zu verstehen sind (in der Pharmazeutischen Industrie können dies z.B. Patientenorganisationen, Apotheker/Großhändler oder Krankenkassen sein).



Technologiekooperation mit mehreren Unternehmen (Gemeinschaftsvermarktung)



Lizenzvergabe und Patentverkauf



Verkauf von staatlichen Genehmigungsunterlagen, die für eine Marktzulassung erforderlich sind. Dies umfaßt Gutachten oder bereits erteilte Genehmigungen, auf deren Unterlagen und Daten der Erwerber Bezug nehmen darf (in der Pharmazeutischen Industrie ist dies der Dossierverkauf, also der Verkauf von Zulassungsunterlagen einschließlich eventueller präklinischer und klinischer Studien, für die der Inhaber noch Exklusivitätsrechte besitzt oder auch Bioäquivalenz-Studien für Nachahmerpräparate).



Annahme von Forschungsaufträgen durch das eigene Unternehmen



Verkauf von innovativen Unternehmen oder Unternehmensteilen



Annahme von Risiko Kapital (Seed und Venture Capital) mit der Verpflichtung, im Gegenzug dem Risikokapitalgeber privilegierten Zugang zu – oder das Recht zur gemeinsamen Nutzung von – später generiertem technologischen Know-how einzuräumen.

Wie schon bei der Technologiebeschaffung ausgeführt, sind die einzelnen aufgeführten technologischen Verflechtungsformen dabei auch hier nicht völlig überschneidungsfrei. Eine Ursache hierfür liegt darin, daß die erste Hälfte der aufgeführten Verflechtungsformen auf die Differenzierung von unterschiedlichen

368

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Akteurstypen (entlang der Wertschöpfungskette) zugeschnitten sind, während die zweite Hälfte mehr auf unterschiedliche Technologiekooperationsformen (institutionelle Formen externer Technologieverwertung) abstellt. Um beiden Aspekten gerecht zu werden, wurde dies aber bewußt in Kauf genommen. 4.2.2.5

Breite der technologischen Ausrichtung

Die Breite der technologischen Ausrichtung der Technologieverwertung ist in der Pharmazeutischen Industrie durch die Bandbreite der bearbeiteten Indikationsgebiete gekennzeichnet. Ein hoher Spezialisierungsgrad (geringe Breite der technologischen Ausrichtung) eines Spezialisten oder Nischenanbieters drückt sich demzufolge durch eine Fokussierung auf wenige Indikationsgebiete aus, während ein Komplettanbieter eine hohe Bandbreite an Indikationsgebieten abdeckt. Für eine Quantifizierung von Indikationsgebieten stehen zwei unterschiedliche Klassifizierungsansätze zur Verfügung: –

Die in Deutschland stark verbreitete Klassifizierung nach der „Roten Liste“ umfaßt 88 Hauptgruppen (von denen 5 unbesetzt sind).495



International hat sich die ATC-Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchgesetzt. Diese umfaßt auf der obersten Ebene 14 verschiedene Hauptgruppen.496

Im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit497 wird zunächst die prinzipielle technologiestrategische Bedeutung einer breiten technologischen Ausrichtung (bzw. einer hohen Spezialisierung) in der Technologieverwertung untersucht. Für den gegenwärtigen Zeitpunkt (2000) wird als zusätzliche Hintergrundinformation auch die Anzahl der gegenwärtig bearbeiteten Indikationsgebiete ermittelt.498

495 496

497 498

Vgl. Rote Liste Service GmbH; (Hrsg.); (1999), S. 21. Vgl. hierzu z.B. Scholtholt, J.; (1991), S. 1077-1079; Fink-Anthe, C.; (1992), S. 569572; WHO Collaborating Centre for Drug Statistics Methodology; (1998). Vgl. hierzu die späteren empirischen Befunde in Kap. 6.3.5, S. 536ff. Dies geschah auf Basis der ATC-Klassifikation der WHO, da sich diese im Rahmen des Pretestes aufgrund der geringeren Anzahl an Hauptgruppen als übersichtlicher und leichter zu handhaben erwies und die meisten Gesprächspartner ihr gegenüber auch vertrauter waren als der Nomenklatur der Roten Liste gegenüber.

Strategisches Technologiemanagement

4.2.2.6

369

Geographische Ausdehnung und Marktwahl

Hinsichtlich der geographischen Ausdehnung der Technologieverwertung ist der Internationalisierungsgrad noch größer als der der Technologiebeschaffung: Die 12 von Beckmann untersuchten deutschen chemischen und pharmazeutischen Großunternehmen tätigten 1992 71 % ihres Umsatzes (73 Mrd. €) im Ausland, während nur 32 % ihres F&E-Budgets im Ausland investiert wurden.499 Noch aussagekräftiger als die reinen Umsatzzahlen es sind, ist eine Analyse der Medizinisch Pharmazeutischen Studiengesellschaft (MPS) über den geographischen Umfang der Technologieverwertungsaktivitäten der von den MPS-Mitgliedsunternehmen von 1945 bis 1978 auf dem Markt eingeführten neuen Arzneimittel. Danach wurden (in % aller MPS-Neuentwicklungen):500 –

37,7 % nur in Deutschland auf dem Markt eingeführt



24,6 % in bis zu 10 Ländern eingeführt



20,3 % in bis zu 50 Ländern eingeführt



6,5 % in bis zu 100 Ländern eingeführt



und 10,9 % in über 100 Ländern eingeführt.

Dies bedeutet, daß über 60 % aller von 1945 bis 1978 neuentwickelten Arzneimittel der MPS-Mitgliedsfirmen auch im Ausland eingeführt wurden. Der geographische Umfang dieser Technologieverwertungsaktivitäten weist aber hinsichtlich der Anzahl der Einzelmärkte eine hohe Schwankungsbreite auf. Diese Befunde bestätigen dadurch in der Tat die Berechtigung der Frage nach dem geographischen Umfang der Technologieverwertungsaktivitäten. Keine Angaben werden in der MPS-Studie übrigens dazu gemacht, ob nur eine Markteinführung durch das betreffende Unternehmen selbst berücksichtigt wurde oder ob auch Vermarktungen über Partner (z.B. durch Lizenzvergabe) miterfaßt wurden. In der vorliegenden Arbeit soll es bei der Ermittlung des geographischen Radius der Technologieverwertung keine Rolle spielen, welche Technologieverwertungsform (intern oder extern) gewählt wird. Auch ist zu berücksichtigen, daß die MPS-Mitgliedsfirmen forschende international operierende Großunter-

499 500

Vgl. Beckmann, C.; (1997), S. 161-168. Vgl. hierzu Nord, D.; et al.; (1984), S. 31-32.

370

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie 501

nehmen sind. Als spannende Frage bleibt also in der vorliegenden Arbeit zu klären, wie der Internationalisierungsgrad dieser Gruppe von Unternehmen heute ausschaut und wie groß der geographische Aktionsradius der übrigen Akteure im deutschen Arzneimittelmarkt ist. Dabei soll nicht nur der geographische Umfang der Technologieverwertungsaktivitäten insgesamt ermittelt werden, sondern auch explizit der technologiestrategischen Bedeutung der einzelnen Länder und Regionen als Märkte für die deutsche Pharma-Branche insgesamt und die einzelnen Typen von Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen nachgegangen werden. Die Länder und Regionen wurden dabei hinsichtlich ihrer gegenwärtigen Marktgröße502 zu sinnvollen geographischen Einheiten zusammengefaßt.503 4.2.3

Das technologiestrategische Umfeld der Pharmazeutischen Industrie

Für das Verständnis technologiestrategischer Entscheidungen ist von besonderem Interesse, in welchem Umfeld diese Entscheidungen zustandekommen. Obwohl es nicht Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist, die Determinanten technologiestrategischer Entscheidungsprozesse zu untersuchen, sollen im Folgenden drei zentrale Faktoren des technologiestrategischen Umfeldes näher beleuchtet werden: –

die zentralen Wettbewerbskräfte und Wettbewerbspotentiale



der Technologiestrategieimpuls



der technologiestrategische Planungshorizont

4.2.3.1

Relative technologiestrategische Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und Wettbewerbspotentiale

Drei Arten des Wettbewerbs charakterisieren das Umfeld für technologiestrategische Entscheidungen in der Pharmazeutischen Industrie. Diese definieren einerseits das Portfolio der wettbewerblichen Instrumente, die dem Unternehmen zur Differenzierung von seinen Wettbewerbern zur Verfügung stehen, andererseits determinieren sie aber auch das wettbewerbliche Umfeld, auf das das Unterneh501

502

503

Die MPS-Mitgliedsfirmen waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung: Bayer AG, C.H. Boehringer Sohn; Boehringer Mannheim GmbH, Hoechst AG, E. Merck KGaA und Schering AG, vgl. Nord, D.; et al.; (1984), S. 46. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen zum Weltpharmamarkt und seiner regionalen Segmentierung in Kap. 4.1.2.1, S. 220ff. Vgl. hierzu auch den im Anhang wiedergegebenen Interviewleitfaden (S. 691ff).

Strategisches Technologiemanagement

371

men (pro- oder reaktiv) reagieren muß, insbesondere auch bei der Ausgestaltung seiner technologiestrategischen Positionierung. Dementsprechend ist dies ein zentraler Punkt zum Verständnis des Umfeldes, in dem technologiestrategische Entscheidungen getroffen werden und soll nachfolgend genauer beleuchtet werden. Hierbei sind drei grundsätzliche Formen des Wettbewerbs zu unterscheiden: –

Der Innovationswettbewerb,



der Preiswettbewerb



und der Image- und Marketingwettbewerb.

Der Innovationswettbewerb zielt auf eine Differenzierung im Markt über die qualitativen Produktattribute. Im Wettbewerb der Pharmazeutischen Industrie werden dies, im Extremfall möglichst deutlich (gegenüber bisherigen Arzneimitteln) überlegener Produkte, gänzlich neue Wirkstoffe sein, die zur Therapie bislang unheilbarer Krankheiten eingesetzt werden können und denen ein völlig neues therapeutisches Wirkprinzip zugrunde liegt. Aber auch eine bessere Verträglichkeit oder größere Wirksamkeit aufgrund eines optimierten Wirkstoffs, einer überlegenen Darreichungsform oder Kombination mit anderen Wirkstoffen fallen hierunter.504 Die Intensität des Innovationswettbewerbs der Gesamtbranche hat dabei global und auf dem deutschen Markt kontinuierlich zugenommen, wie die drastisch gestiegenen F&E-Investitionen (absolute Bedeutung) und noch stärker die ebenfalls drastisch gestiegenen F&E-Intensitäten (relative Bedeutung) belegen. Inwieweit diese Aussage auch auf die einzelnen technologiestrategischen Gruppen im deutschen Arzneimittelmarkt zutrifft, also in welchem Ausmaß der Innovationswettbewerb ihr jeweiliges technologiestrategisches Umfeld bestimmt, wird eine zentrale Aufgabe des empirischen Teils der vorliegenden Arbeit sein. Der Preiswettbewerb spielt insbesondere dann eine starke Rolle, wenn die vom Entscheider perzipierten Produkteigenschaften sich wenig oder gar nicht voneinander unterscheiden. Dies trifft (zumindest teilweise)505 in besonderer 504

505

Alle Innovationsaktivitäten entlang der Technologiewertschöpfungskette (zu den Details vgl. Kap. 4.2.1.1, S. 334ff) dienen der Differenzierung des Unternehmens im Innovationswettbewerb. Ausnahmen stellen ähnliche Produkte dar, die sich aber über den Aufbau einer starken „Marke“ in der Wahrnehmung der Entscheider signifikant von den anderen Produkten abheben; hierauf wird in Zusammenhang mit der Diskussion des Image- und Marketingwettbewerbs gleich noch ausführlich zurückzukommen sein.

372

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Weise auf das Segment der patentfreien (generikafähigen) Wirkstoffe zu, da dort mehrere Anbieter Arzneimittel mit identischem Wirkstoff (und in der Regel Wirkstoffstärken) anbieten. Inwieweit diese Produkte wirklich identisch und damit austauschbar sind, ist umstritten. Große qualitative Unterschiede hinsichtlich der Bioäquivalenz (faktische Wirksamkeit) des Wirkstoffes dürften weitestgehend – zumindest im Vergleich der großen Generika-Hersteller und Originatoren – der Vergangenheit angehören. Entscheidender (hier liegt dann Innovationswettbewerb vor) können unterschiedliche galenische Systeme (Darreichungsformen) sein. Auf die Entwicklung der Wettbewerbssituation bei Ablauf des Wirkstoffpatentes ist bereits früher in Zusammenhang mit der Charakterisierung des Arzneimittelmarktes ausführlich eingegangen worden, so daß auf eine erneute Erörterung an dieser Stelle verzichtet werden kann.506 Der Image- und Marketingwettbewerb verfolgt zwei zentrale Ziele. Einerseits trachtet er, den Gesamtmarkt für einen Wirkstoff zu erweitern, zum anderen zielt er auf die Etablierung und Festigung einer engen Kundenbeziehung (Entscheider) über den Aufbau starker Marken. Die Expansion des Gesamtmarktes für einen Wirkstoff spielt im Arzneimittelmarkt eine besondere Rolle. Anders als in vielen anderen Märkten kann die imitative Konkurrenz während der Dauer des Patentschutzes für das Wirkstoffpatent relativ gut verhindert werden. Aus diesem Grund kommt der ungeteilte Erfolg des Ausmaßes, in dem das Marktpotential eines Wirkstoffes erschlossen werden kann, dem Innovator zugute. Der Aufbau einer intensiven Kundenbeziehung hilft einerseits zur Differenzierung gegenüber anderen Wirkstoffen in der Patentschutzphase und andererseits bei dem Erhalt möglichst großer Marktanteile gegenüber der generischen Konkurrenz nach Patentablauf. Eine enge Kundenbindung kann dabei über den Aufbau von Produktmarken (z.B. Aspirin) oder über den Aufbau einer starken Unternehmensreputation (z.B. Bayer, Schering, Hoechst, ratiopharm, Klosterfrau) stattfinden. Im letzteren Fall kann damit eine Dachmarkenstrategie verfolgt werden. Diese besitzt im deutschen Arzneimittelmarkt eine besondere Bedeutung, da die (auf den Patienten gerichtete) Produktwerbung – und damit auch die Möglichkeit zum Aufbau starker Produktmarken – bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln vollständig verboten ist und bei allen übrigen Arzneimitteln starken regulatorischen Einschränkungen unterliegt. Nachzutragen bleibt, daß der Image- und 506

Vgl. hierzu Kap. 4.1.2.1, S. 220ff.

Strategisches Technologiemanagement

373

Marketingwettbewerb natürlich nicht eine Domaine der Originatoren ist. Gerade die Dachmarkenkonzeption wird in äußerst erfolgreicher Weise von Generikaanbietern eingesetzt (die Firma ratiopharm ist hier – weltweit – führend). Die stärkste Bedeutung sollte der Image- und Marketingwettbewerb aber im OTCSegment haben, da dort der Patient auch der Entscheider ist.507 Auch die Intensität des Image- und Marketingwettbewerbs hat im zeitlichen Verlauf stark zugenommen. Wir werden auf diesen Punkt in Zusammenhang mit der Diskussion der im Rahmen der vorliegenden Arbeit gewonnenen empirischen Ergebnisse noch genauer zurückkommen.508 4.2.3.2

Technologiestrategieimpuls in der Pharmazeutischen Industrie

In Zusammenhang mit der Diskussion der unterschiedlichen Dimensionen des Innovationsbegriffs war in Kap. 2.1.2.2509 bereits detailliert die originäre Dimension von Innovationen diskutiert worden, nämlich daß Innovationen durch einen oder mehrere Impulse induziert werden. Drei Typen von Impulsen – Markt-, Technologie- und Gesellschaftsimpulse – bilden in unterschiedlicher Intensität und Häufigkeit den Ursprung für Innovationen. Auch Technologiestrategien könnten in unterschiedlichem Maße von Markt- (market pull) und Technologieimpulsen (Technology push) beeinflußt und geprägt werden. Im Rahmen des empirischen Teils der vorliegenden Arbeit soll daher der Frage nachgegangen werden, welche Bedeutung Markt- und Technologieimpulse für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung in der Pharmazeutischen Industrie haben. Genau wie für Innovationen läßt sich auch für erfolgreiche Technologiestrategien prognostizieren, daß sie stets markt- und technologieorientiert sein sowie gesellschaftlichen Anforderungen Rechnung tragen sollten. Dennoch könnte je nach Unternehmenssituation einer dieser Impulse prägender für die jeweilige Technologiestrategie sein als ein anderer, sprich, entscheidender für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung. Die späteren empirischen Befunde werden diese These unterstützen.510

507

508 509 510

In der Tat wird diese Annahme durch die empirischen Befunde gestützt werden, vgl. Kap. 6.4.1, S. 559ff. Vgl. ebenda, ebendort. Vgl. S. 28ff. Vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 6.4.2, S. 581ff.

374

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

4.2.3.3

Der technologiestrategische Planungshorizont in der Pharmazeutischen Industrie

Ein zentraler Gesichtspunkt zur Charakterisierung des Umfeldes von Technologiestrategien ist die Länge des technologiestrategischen Planungshorizontes. Er gibt darüber Auskunft, wie weit vorausschauend die jeweilige Technologiestrategie ausgerichtet ist und wie groß damit auch ihre Anfälligkeit gegenüber Veränderungen in ihren Planungsprämissen während ihrer Gültigkeitsperiode ist. Es steht dabei zu erwarten, daß die Länge dieses Planungshorizontes in der Pharmazeutischen Industrie, insbesondere bei Unternehmen, die in der Entwicklung und Vermarktung neuer Wirkstoffe tätig sind,511 außergewöhnlich lang sein dürfte. Wir werden in der Tat sehen, daß die späteren empirischen Befunde dieser Annahme recht geben.512

4.3 Zusammenfassung der konkreten Modellableitung für die Pharmazeutische Industrie und Operationalisierung Die vorstehenden Ausführungen in Kapitel 4.2513 haben die allgemeine Modellableitung514 für die in der vorliegenden Arbeit gewählte Untersuchungsbranche Pharmazeutische Industrie weiter konkretisiert. Für die empirische Studie ist hierauf aufbauend eine Operationalisierung der einzelnen Variablen erforderlich. Diese Operationalisierung sowie die Übersetzung in konkrete Fragen des später für die fragebogengestützten Experteninterviews verwendeten Interviewleitfadens ist für die Technologiebeschaffungsstrategie in Abb. 4-32 und für die Technologieverwertungsstrategie in Abb. 4-33 wiedergegeben. Der daraus resultierende Interviewleitfaden findet sich im Anhang A1 (Technologiebeschaffungsstrategie) und A2 (Technologieverwertungsstrategie).515

511

512 513 514

515

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen zur Länge der Entwicklungsdauer neuer pharmazeutischer Wirkstoffe in Kap. 4.1.4, S. 308ff. Vgl. hierzu die späteren Ausführungen in Kap. 6.4.3, S. 589ff. Vgl. S. 333ff. Für die allgemeine Modellableitung vgl. die früheren Ausführungen in Kap. 3.2 (S. 118ff), insbes. Abb. 3-3 (S. 119). Vgl. S. 691ff (A1) und S. 700ff (A2).

Zusammenfassung der konkreten Modellableitung Technologiestrategische Entscheidungsdimension

Angestrebte Höhe des technologischen Leistungsniveaus

Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette

375 Item

Fragenummer im Interviewleitfaden

Technologieführerschaft

1.1.7.7.

Gänzlich neue Wirkstoffe

1.1.7.1.

Wirkstoffverbesserungen

1.1.7.2.

Neue Kombinationen

1.1.7.3.

Darreichungsform

1.1.7.4.

Indirekte Imitation

1.1.7.5.

Direkte Imitation

1.1.7.6.

Verfahrensentwicklung (VE)

1.1.7.8.

VE zur Kostenreduktion

1.1.7.9.

VE zur Wirkstoffinnovation

1.1.7.10.

Unheilbare Krankheiten

1.1.7.16.

Hohe Forschungsrisiken

1.1.7.17.

Konzentration auf angestammte Indikationsgebiete

1.1.7.18.

Offenheit für neue Indikationsgebiete

1.1.7.19.

Timing

Forschungspionier

1.1.7.11.

Intensität der Außenorientierung

Make-or-Buy

1.1.7.12.

Technologischer Verflechtungsgrad

Umfangreiche F&E-Netzwerke

1.1.7.13.

Technologiestrategische Risikobereitschaft

Bedeutung einzelner TechnologiebeschaffungsKooperationsformen

1.1.8.1. – 1.1.8.11.

Breite der technologischen Ausrichtung

F&E-Spezialisierungsgrad

1.1.7.14.

Geographischer Aktionsradius

F&E-Globalisierungsgrad

1.1.7.15.

Bedeutung einzelner TechnologiebeschaffungsStandorte

Abb. 4-32:

1.1.9.1. – 1.1.9.14.

Operationalisierung der Variablen der Technologiebeschaffungsstrategie. Quelle: Eigene Darstellung

376

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Technologiestrategische Entscheidungsdimension

Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette Angestrebte Höhe des technologischen Leistungsniveaus

Technologiestrategische Risikobereitschaft

Timing

Intensität der Außenorientierung

Technologischer Verflechtungsgrad

Item

Fragenummer im Interviewleitfaden

Gänzlich neue Wirkstoffe

1.2.6.1.

Verbesserte Wirkstoffe

1.2.6.2.

Kombinationspräparate

1.2.6.4.

Darreichungsform

1.2.6.5.

Preisgünstige "Me too"-Präparate

1.2.6.3.

Generika

1.2.6.6.

Unheilbare Krankheiten

1.2.6.7.

Marktpionier

1.2.6.8.

Eigenvermarktung von Produkten

1.2.6.9.

Eigennutzung von Verfahren

1.2.6.10.

Umfangreiche Technologieverwertungs-Netzwerke

1.2.6.11.

Bedeutung einzelner TechnologieverwertungsKooperationsformen

1.2.7.1 – 1.2.7.11.

Breite der technologischen Ausrichtung

TechnologieverwertungsSpezialisierungsgrad

1.2.6.12.

Geographischer Aktionsradius

TechnologieverwertungsGlobalisierungsgrad

1.2.6.13

Bedeutung einzelner Märkte

Abb. 4-33:

1.2.8.1 – 1.2.8.14.

Operationalisierung der Variablen der Technologieverwertungsstrategie. Quelle: Eigene Darstellung

Technologieorientierte Strategietypologien in der Pharmazeutischen Industrie

377

Die Eignung der vorgenommenen Operationalisierung und die Verständlichkeit und Präzision der Formulierung der einzelnen Fragen des Interviewleitfadens wurde in einem aufwendigen Pretest in Form mehrstündiger Experteninterviews516 mit insgesamt 70 Experten aus 30 Unternehmen sowie den 4 Pharma-517 und den beiden Biotechnologie-Verbänden518 sorgfältig überprüft und soweit erforderlich optimiert. Die hier wiedergegebene Darstellung von Operationalisierung und Interviewleitfaden beinhaltet bereits die Anregungen der Pretestphase und stellt die endgültig für die Haupterhebung genutzte Konzeption dar.

4.4 Technologieorientierte Strategietypologien in der Pharmazeutischen Industrie In diesem Kapitel werden wichtige Ansätze technologieorientierter Strategietypologien näher betrachtet werden. Im Mittelpunkt dieser Analyse stehen dabei nicht wie in Kap. 2.3.2519 die zur Ableitung der jeweiligen Typologie verwendeten inhaltlichen Kriterien, sprich technologiestrategischen Entscheidungselemente, sondern das eingesetzte empirische Forschungsdesign. Die zentralen inhaltlichen Befunde werden lediglich kurz zusammengefaßt, aber nicht inhaltlich vertieft. Bis auf wenige (besonders bedeutende) Ausnahmen handelt es sich dabei ausschließlich um Realtypologien, denen dementsprechend empirische Daten zugrundelagen. Besonderes Gewicht wird nachfolgend insbesondere auf Zusammensetzung und Repräsentativität der jeweiligen Stichprobe in Kombination mit der Erhebungstechnik gelegt. Das Kapitel 4.4 schlägt damit die Brücke zwischen den theoretischen und konzeptionellen Überlegungen der vorangehenden Kapitel und dem Einstieg in die empirischen Untersuchungen der vorliegenden Arbeit im nachfolgenden Kapitel 5. Dieses beschäftigt sich dann, aufbauend auf den hier 516

517

518

519

Vgl. hierzu die späteren Ausführungen zu Forschungsdesign und Aufbau der vierstufigen empirischen Erhebung in Kapitel 5.2 (S. 403ff), insbes. Kapitel 5.2.1 (S. 407ff). Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Bonn; Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Frankfurt/Main, Berlin; Deutscher Generikaverband, Tauting; Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), Bonn, Berlin. Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) im VCI, Frankfurt/Main und Vereinigung deutscher Biotechnologie-Unternehmen (VBU) in der DECHEMA, Frankfurt/Main. Vgl. S. 94ff.

378

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

gewonnenen Erkenntnissen, mit dem Forschungsdesign, der Stichprobe und der Auswertungsmethodik der vorliegenden Arbeit.520 Der besseren Übersichtlichkeit halber ist Kap. 4.4 in zwei Unterkapitel untergliedert: Kap. 4.4.1 wird sich dabei zunächst mit wichtigen technologieorientierten Strategietypologien in der Pharmazeutischen Industrie auseinandersetzen, während Kap. 4.4.2 sich ausgewählten zentralen Ansätzen anderer Branchen zuwendet. 4.4.1

Zentrale Technologiestrategietypologisierungsansätze im Bereich der Pharmazeutischen Industrie

Nachfolgend soll das Forschungsdesign und die wichtigsten erzielten inhaltlichen Resultate von zentralen Technologiestrategietypologisierungsansätzen in der Pharmazeutischen Industrie näher beleuchtet werden (Tabelle 4-2). Bewußt wurden dabei auch Ansätze mit einbezogen, die nicht die Technologiestrategie als Ganzes zum Gegenstand haben, sondern sich nur mit Teilstrategien der Gesamttechnologiestrategie beschäftigen, da auch diese wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung eines geeigneten Forschungsdesigns für die empirische Studie der vorliegenden Arbeit liefern können. Bei denjenigen Ansätzen, die eine Klassifikation von technologieorientierten Strategietypen vorgenommen hatten, sind diese ermittelten Typen jedoch ebenfalls wiedergegeben. Um gleichzeitig auch einen Überblick über die wichtigsten Ansätze zur Ableitung technologieorientierter Strategietypologien in der Pharmazeutischen Industrie zu geben, wurden auch einige (besonders wichtige) idealtypologische Ansätze mit einbezogen. Bei ihnen geht es ausschließlich um die inhaltliche Bedeutung postulierter oder abgeleiteter (Technologie-) Strategietypen im Pharma-Markt. Eine zusammenfassende Übersicht zur empirischen Vorgehensweise und zum Forschungsdesign zentraler Technologiestrategietypologisierungsansätze im Bereich der Pharmazeutischen Industrie ist in Tabelle 4-3 wiedergegeben.

520

Vgl. S. 397ff.

Technologieorientierte Strategietypologien in der Pharmazeutischen Industrie

379

Tabelle 4-2: Detaillierte Synopse zur empirischen Vorgehensweise und zum Forschungsdesign zentraler Technologiestrategietypologisierungsansätze im Bereich der Pharmazeutischen Industrie. Quelle: Eigene Darstellung Röper (1980)521 Untersuchungsgegenstand: Technologieorientierte Unternehmensstrategien in der Pharmazeutischen Industrie

Empirische Untersuchung: Erhebungstechnik: Untersuchungsobjekt: Stichprobe (Rücklaufquote): Ergebnis:

Nein (Rückgriff auf publizierte Daten) – Pharma-Unternehmen im deutschen Markt – Identifizierung von acht Unternehmenstypen auf Basis der Kriterien, Unternehmensgröße und Herkunftsland der Mutter, Diversifizierungsgrad etc.:522 – Führende deutsche Chemie-Konzerne mit beachtlicher Pharma-Sparte – Führende, weitgehend auf Pharma spezialisierte deutsche Unternehmen – Führende Schweizer Pharma- und Chemie-Konzerne – Führende US-Pharma-Konzerne – Tochtergesellschaften großer deutscher und europäischer Chemie- und Pharma-Konzerne – Unabhängige größere und mittlere deutsche Pharmahersteller – Kleine, auf wenige Produkte spezialisierte Pharmahersteller – Sehr kleine Hersteller Heiduk/Emmerich (1985)523

Untersuchungsgegenstand: Technologieorientierte Unternehmensstrategien in der Pharmazeutischen Industrie

Empirische Untersuchung:

Nein (Rückgriff auf publizierte BPI-Daten)

Erhebungstechnik:



Untersuchungsobjekt:

Pharma-Unternehmen im deutschen Markt

Stichprobe (Rücklaufquote):



521 522

523

Vgl. Röper, B.; (1980), S. 166-186. Eine klare Beschreibung der konkreten Vorgehensweise, die der Klassifizierung zugrundeliegt, fehlt. Vermutlich erfolgte zunächst die Klassifikation auf Erfahrungsbasis, der anschließend konkrete Unternehmen (auf Basis ihrer publizierten Unternehmensdaten) zugeordnet wurden. Vgl. Heiduk, G.; Emmerich, V.; (1985), S. 92-100.

380

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Ergebnis:

Identifizierung von fünf Unternehmenstypen auf Basis der Kriterien F&E-Intensität, Unternehmensgröße und Herkunftsland der Mutter: – Große deutsche forschende Pharma-Unternehmen – Mittelgroße deutsche forschende Pharma-Unternehmen – Entwicklungsorientierte deutsche Pharma-Unternehmen – Nicht-forschende deutsche Pharma-Unternehmen – Ausländische Tochtergesellschaften Musangu (1985)524

Untersuchungsgegenstand: Export-Marketingstrategien in der Pharmazeutischen Industrie

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung)

Erhebungstechnik:

Pretest (persönliche Interviews mit 4 Unternehmen) Quantitativ-schriftlich (Fragebogen)

Untersuchungsobjekt:

Kleine und mittelgroße Pharma-Unternehmen im Großraum Los Angeles

Stichprobe (Rücklaufquote):

43 Pharma-Unternehmen (29 %)525

Ergebnis:

Identifizierung von unterschiedlichen Export-Marketingstrategien sowie deren Determinanten und Erfolgsträchtigkeit Walther (1988)526

Untersuchungsgegenstand: Marketingstrategien in der Pharmazeutischen Industrie

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung)

Erhebungstechnik:

Quantitativ-schriftlich (Fragebogen) Persönl. Vertiefungsinterviews (mit 5 Unternehmen)527

Untersuchungsobjekt:

Pharma-Unternehmen im deutschen Markt

Stichprobe (Rücklaufquote):

45 Pharma-Unternehmen (10,3 %)528

524 525

526

527

Vgl. Musangu, B.; (1985), S. 79-91. Der Prozentsatz bezieht sich auf die von Musangu zuvor anhand von Unternehmensdatenbanken im Großraum Los Angeles selektierte Grundgesamtheit von 150 kleinen und mittleren ethischen Pharma-Unternehmen. Vgl. Walther, H.-P.; (1988), S. 293-299; sowie Freter, H.; Walther, H.-P.; (1989), S. 104-110. Je ein Vertiefungsinterview mit einem ausgewählten Vertreter der zuvor clusteranalytisch identifizierten strategischen Gruppen.

Technologieorientierte Strategietypologien in der Pharmazeutischen Industrie Ergebnis:

381

Identifizierung von fünf (technologie-)strategischen Gruppen im deutschen Pharma-Markt, für die Strategieprofile erstellt werden: – Mittelständler – Aggressoren – Spezialisten – Traditionalisten – Dynamiker Bogner (1991)529

Untersuchungsgegenstand: Technologieorientierte Wettbewerbsstrategien im Pharma-Markt in den USA und Großbritannien im zeitlichen Verlauf 1969-1988

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung) zusätzlich zu Rückgriff auf Sekundärdaten530

Erhebungstechnik:

Quantitativ-schriftlich (Fragebogen) – 3 Surveys, zusätzlich qualitative Experteninterviews

Untersuchungsobjekt:

Große Pharma-Unternehmen in den USA und Großbritannien

Stichprobe (Rücklaufquote):

36 Pharma-Unternehmen

Ergebnis:

Es wurden im Betrachtungszeitraum auf Basis der quantitativen Analyse 4 stabile Perioden mit jeweils 4 strategischen Gruppen wechselnder Zusammensetzung ermittelt sowie Umweltdiskontinuitäten als Ursachen der

528

529

530

Der Prozentsatz bezieht sich auf 45 auswertbare Fragebögen relativ zur von Walther angeschriebenen Grundgesamtheit von 435 Pharma-Unternehmen die 1986 Mitglied im Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) waren. Vgl. Bogner, W. C.; (1991), S. 122-156; Bogner, W. C.; Thomas, H.; (1992), S. 213218; Bogner, W. C.; Thomas, H.; (1996), S. 133-148. Im Bereich der Forschung, die sich mit strategischen Gruppen beschäftigt, existieren noch eine Reihe weiterer Studien für den Bereich der Pharmazeutischen Industrie. Da die diesen Studien zugrundeliegenden Stichproben einen geringeren Umfang als die Bogners hatten, soll hierauf an dieser Stelle nicht detailliert eingegangen werden, vgl. hierzu Cool, K. O.; (1985); Cool, K. O.; Schendel, L. E.; (1985); Cool, K.; Schendel, L.; (1986 a); Cool, K.; Schendel, L.; (1986 b); Cool, K. O.; Schendel, L.; (1987), S. 1102-1124; Fiegenbaum, A.; et al.; (1987), S. 139-148; Fiegenbaum, A.; Primeaux, W. J., Jr.; (1987), S. 67-92; Cool, K.; Schendel, L.; (1988), S. 207-223; Cool, K.; Dierickx, I.; (1993), S. 47-59; McCutchen, W. W., Jr.; (1993), S. 337-351; Die eigene Datenerhebung unterstützte die aus Sekundärdaten (FDA-Statistik, US-Patent-Statistik) gewonnene Datenbasis.

382

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie Periodeninstabilität identifiziert.531 Qualitativ wurden zuvor für unterschiedliche Perioden davon abweichend die folgenden strategischen Gruppen identifiziert:532 – 1972-1975 – Große therapeutisch fokussierte Firmen – Große therapeutisch diversifizierte Firmen – Mittelgroße US-Firmen – Europäische Firmen – 1975-1981 – Große therapeutisch diversifizierte Firmen – Mittelgroße F&E-fokussierte Firmen – Mittelgroße Marketing-fokussierte Firmen – Große europäische Firmen – Generika-Hersteller – Kleine fokussierte Firmen – 1981-1984 – Große therapeutisch diversifizierte Firmen – Mittelgroße F&E-fokussierte US-Firmen – Mittelgroße Marketing-fokussierte US-Firmen – Große europäische Firmen – Generika-Hersteller – Kleine fokussierte Firmen – Biotechnologie Start-ups – 1984-1988 – Große therapeutisch diversifizierte Firmen – Mittelgroße F&E-fokussierte Firmen – Mittelgroße Marketing-fokussierte US-Firmen – Generika-Hersteller – Kleine fokussierte Firmen – Biotechnologie Start-ups Mordhorst (1994)533

Untersuchungsgegenstand: Lizenzstrategien in der Pharmazeutischen Industrie

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung)

Erhebungstechnik:

Pretest (ungenanntes Verfahren) Quantitativ-schriftlich (Fragebogen)

Untersuchungsobjekt:

Lizenz-aktive Pharma-Unternehmen in Deutschland

Stichprobe (Rücklaufquote):

61 Pharma-Unternehmen (47 %)534

531 532 533

Vgl. hierzu Bogner, W. C.; (1991), S. 389-481. Vgl. hierzu Bogner, W. C.; (1991), S. 336-388. Vgl. Mordhorst, C. F.; (1994), S. 42-63.

Technologieorientierte Strategietypologien in der Pharmazeutischen Industrie Ergebnis:

383

Identifizierung von sieben Typen von (Ein-) Lizenzierungsstrategien sowie deren Motive und Erfolgswirksamkeit535 Crisand (1996)536

Untersuchungsgegenstand: Marketingstrategien in der Pharmazeutischen Industrie

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung)

Erhebungstechnik:

Quantitativ-schriftliche Voruntersuchung (Fragebogen) Qualitative Experten-Interviews

Untersuchungsobjekt:

Pharma-Unternehmen in Deutschland

Stichprobe (Rücklaufquote):

50 Experten aus 16 Pharma-Unternehmen

Ergebnis:

Entwicklung strategischer Optionen für forschende Pharma-Unternehmen vor dem Hintergrund szenarioähnlicher Zukunftsbilder Dillmann (1996)537

Untersuchungsgegenstand: Outsourcingstrategien in der pharmazeutischen Entwicklung

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung)

Erhebungstechnik:

Pretest (ungenannte Zahl explorativer Interviews) Fragebogengestützte Experteninterviews

Untersuchungsobjekt:

(Entwicklungsmanager von) Pharma-Unternehmen in Deutschland538

Stichprobe (Rücklaufquote):

50 Manager aus 21 Pharma-Unternehmen (3 %)539

534

535 536 537 538

539

Der Prozentsatz bezieht sich auf die nach einer telefonischen Voransprache von Mordhorst angeschriebenen 130 Pharma-Unternehmen. Wie hoch der Umsatzanteil der befragten Unternehmen am deutschen Gesamtmarkt ist, bleibt unerwähnt. Vgl. hierzu ebenda, S. 64-387. Vgl. Crisand, M.; (1996), S. 34-43. Vgl. Dillmann, L.; (1996), S. 91-95; Dillmann, L.; (1997), S. 1054-1055. Eigentlich muß nach der Zusammensetzung der Stichprobe hinsichtlich des Untersuchungsobjektes von Entwicklungsmanagern (nicht von Unternehmen) gesprochen werden, da diese die eigentliche Bezugsbasis Dillmanns bilden, vgl. die nachfolgenden Ausführungen. Der Prozentsatz bezieht sich auf den Anteil der interviewten Entwicklungsmanager von Pharma-Unternehmen an der von Dillmann ermittelten Grundgesamtheit (ca. 1500) der pharmazeutischen Entwicklungsmanager in der Bundesrepublik Deutschland, vgl. ebenda, S. 93-95. Dillmann nimmt als Bezugsbasis nicht die Anzahl der befragten Unternehmen sondern die der befragten Manager. Auch das „Ausbalancieren“ der Stichprobe erfolgt auf dieser Basis: 25 stammen aus Großunternehmen (MPS-Un-

384

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Ergebnis:

Analyse des Ausmaßes der Außenorientierung in der Technologiebeschaffung (Fremdvergabegrad) von zwei (zuvor festgelegten) Größentypen von Pharma-Unternehmen sowie Ausprägung der Transaktionskosten, der Outsourcingmotive und des Effizienzdrucks Beckmann (1997)540

Untersuchungsgegenstand: F&E-Internationalisierungsstrategien

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung)

Erhebungstechnik:

Explorativ-Quantitativ, Interviewleitfaden gestützte Experteninterviews

Untersuchungsobjekt:

Unternehmen der deutschen Chemischen und Pharmazeutischen Industrie

Stichprobe (Rücklaufquote):

12 Großunternehmen mit jeweils 1-4 Experteninterviews pro Unternehmen

Ergebnis:

Identifizierung von Strukturmustern der F&E-Internationalisierung sowie der sie determinierenden Einflußfaktoren

540

ternehmen) und 25 aus Mittleren und Kleinen Unternehmen. Dabei bleibt offen, wie viele der insgesamt 21 Unternehmen hinter der jeweiligen Gruppe von Entwicklungsmanagern stehen. Nicht ganz unbedenklich erscheint auch die aus dieser Vorgehensweise resultierende Problematik, daß einzelne Unternehmen (durch viele einbezogene Manager) die Mittelwerte ihres Größenclusters und der Gesamtstichprobe erheblich stärker prägen als andere (die eventuell nur mit einem Manager in die Stichprobe eingehen). Zusätzlich wurden von Dillmann Mitarbeiter von 42 Contract Research Organisationen (CROs) in Form standardisierter Telefoninterviews befragt. Vgl. Beckmann, C.; Fischer, J.; (1994), S. 630-633; sowie Beckmann, C.; (1997), S. 155-160.

Technologieorientierte Strategietypologien in der Pharmazeutischen Industrie

385

Tabelle 4-3: Zusammenfassende Übersicht zur empirischen Vorgehensweise und zum Forschungsdesign zentraler Technologiestrategietypologisierungsansätze im Bereich der Pharmazeutischen Industrie. Quelle: Eigene Darstellung. Ansatz (Jahr)

Empirische Untersuchung

Röper (1980)

Nein541

Heiduk/ Emmerich (1985)

Nein540

Musangu (1985)

Ja

Walther (1988)

Ja

Erhebungstechnik

Stichprobe (Anzahl Unternehmen)

Rücklaufquote in %

Untersuchungsobjekt







Pharma Deutschland







Pharma Deutschland

– Pretes – Quant. schriftl. Fragebogen

43

29

Pharma KMUs L. Angeles

– Quant. schriftl. Fragebogen – Pers. Vertiefungsinterviews – Quant. schriftl. Fragebogen – Qual. Experteninterviews

45

10,3

Pharma Deutschland

36



61

47

Pharma Deutschland

5

Pharma Großunternehmen USA, GB

Bogner (1991)

Ja

Mordhorst (1994)

Ja

– Pretes – Quant. schriftl. Fragebogen

Crisand (1996)

Ja

– Quant. schriftl. (Voruntersuch.) – Qual. Experteninterviews

50 Experten aus 16 Unternehmen



Pharma Deutschland

Dillmann (1996)

Ja

– Pretes – Fragebogen gestützte Experteninterviews

50 Manager aus 21 Unternehmen

3

Pharma Deutschland

Beckmann (1997)

Ja

– Interviewleitfaden gestützte Experteninterviews

Jeweils 1–4 Experten in 12 Großunternehmen



Pharma Deutschland

541

Rückgriff auf publizierte Daten.

386

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

4.4.2

Überblick zu Forschungsdesign und Stichprobe wichtiger empirischer Studien zu technologieorientierten Strategietypologien

Nachdem in Kap. 2.3.2 die zentralen Ansätze technologieorientierter Strategietypologien ausführlich inhaltlich analysiert542 und vorstehend Forschungsdesign, Stichprobe und zentrale inhaltliche Befunde der wichtigsten diesbezüglichen Ansätze aus dem Bereich der Pharmazeutischen Industrie diskutiert wurden,543 wollen wir uns nachfolgend noch kurz zur Vervollständigung des Gesamtbildes mit dem Forschungsdesign, der Stichprobenzusammensetzung und der Erhebungsmethodik einiger wichtiger branchenübergreifender empirischer Studien zu technologieorientierten Strategietypologien beschäftigen. Auf inhaltliche und konzeptionelle Aspekte wird dabei nicht erneut eingegangen werden.544 Einen Überblick zu Untersuchungsgegenstand, Erhebungstechnik, Stichprobe und Zusammenfassung der zentralen erzielten inhaltlichen Befunde (fokussiert auf identifizierte (Technologie-) Strategietypen545) gibt die anschließende tabellarische Auflistung (Tabelle 4-4). Die nachfolgende Übersicht soll dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Bezweckt wird vielmehr, die, – aus inhaltlicher und konzeptioneller Perspektive sowie hinsichtlich des verwendeten Forschungsdesigns – mit Blick auf den hier betrachteten Untersuchungsgegenstand am weitesten fortgeschrittenen Ansätze im Überblick zusammenzufassen, um daraus Schlußfolgerungen für die Konzeption der eigenen empirischen Studie gewinnen zu können. Eine noch weitergehende Verdichtung in einer einzigen Zusammenfassung (vgl. Tabelle 4-3 im vorherigen Unterkapitel) war auf Grund der zu großen Heterogenität der betrachteten Ansätze nicht möglich.

542 543 544 545

Vgl. S. 94ff. Vgl. Kap. 4.4.1, S. 378ff. Vgl. hierzu die ausführliche Diskussion in Kap. 2.3.2 (S. 94ff). Als Ergebnis wurden in der nachfolgenden Übersicht die in der jeweiligen Studie postulierten (theoriebasiert festgelegten), klassifizierten (nach bestimmten Kriterien händisch zugeordneten) oder identifizierten (clusteranalytisch ermittelten) technologieorientierten Strategietypen angegeben. Dabei bleiben weitere Resultate der jeweiligen Studien bewußt unberücksichtigt, da sie nicht im Fokus der hier anzustellenden Betrachtungen stehen.

Technologieorientierte Strategietypologien in der Pharmazeutischen Industrie

387

Tabelle 4-4: Synopse zur empirischen Vorgehensweise und zum Forschungsdesign zentraler branchenübergreifender Technologiestrategietypologisierungsansätze. Quelle: Eigene Darstellung. Perillieux (1987)546 Untersuchungsgegenstand: Timingstrategien

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung)

Erhebungstechnik:

Qualitativer zweiphasiger Pretest (15 Interviews) Quantitativ, schriftlich (Fragebogen)

Untersuchungsobjekt:

Maschinenbau-Unternehmen in Deutschland547

Stichprobe (Rücklaufquote):

231 Unternehmen (76 %)548

Ergebnis:

Identifizierung von sechs Timingstrategietypen, deren Erfolgswahrscheinlichkeit und der diese determinierenden situativen Faktoren Brockhoff (1990)549

Untersuchungsgegenstand: Marketing- und Technologiestrategien

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung)

Erhebungstechnik:

Quantitativ-explorativ, schriftlich (Fragebogen)

Untersuchungsobjekt:

Biotechnologie-Unternehmen in Deutschland

Stichprobe (Rücklaufquote):

17 Unternehmen (17 %)

Ergebnis:

Identifizierung von 3 Marketing- und 3 F&E-Strategietypen sowie 3 Typen externer Wissensbeschaffungsstrategie

546 547 548

549

Vgl. Perillieux, R.; (1987), S. 185-195. Stichprobe wurde im Raum Düsseldorf und Raum Darmstadt gezogen. Die extrem hohe Rücklaufquote dürfte auf die sorgfältige Vorbereitung (zweiphasiger qualitativer Pretest, telefonische Vorankündigung, schriftliche Vertraulichkeitsbestätigung, etc.), die Zusage einer Auswertung als Gegenleistung für die Teilnahme und eine zweiphasige Nachfaßaktion zurückzuführen sein, vgl. ebenda, S. 185-195. Vgl. Brockhoff, K.; (1990 a), S. 453-455; und Brockhoff, K.; (1993 a), S. 472-474. Zur inhaltlichen Diskussion dieses Ansatzes und der analogen empirischen Pilotstudie in den USA vgl. die früheren Ausführungen in Kap. 2.3.2 (S. 94ff) sowie Feldmann, C.; (2005 a), S. 121ff.

388

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie Rotering (1990)550

Untersuchungsgegenstand: Zwischenbetriebliche F&E-Kooperationen

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung)

Erhebungstechnik:

Quantitativ, schriftlich (Fragebogen)

Untersuchungsobjekt:

Branchenübergreifend, deutsche Großunternehmen (nur Industrieunternehmen)

Stichprobe (Rücklaufquote):

253 Unternehmen (66 %), davon 135 Untern. (35 % der Gesamtstichprobe) an F&E-Kooperationen beteiligt

Ergebnis:

Identifizierung von 5 Grundstrategietypen zwischenbetrieblich- technologischer Zusammenarbeit Wolfrum (1991)551

Untersuchungsgegenstand: Technologiestrategien

Empirische Untersuchung: Erhebungstechnik: Untersuchungsobjekt: Stichprobe (Rücklaufquote): Ergebnis:

Nein

Herden (1992)552 Untersuchungsgegenstand: Technologieorientierte Kooperationen

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung gemeinsam mit anderen Lehrstühlen und Forschungsinstituten sowie HeydebreckDaten dienen als Basis für beide Dissertationen)

Erhebungstechnik:

Quantitativ, schriftlich (Fragebogen), branchenübergreifende Totalerhebung in klar definierten Regionen

Untersuchungsobjekt:

Verarbeit. Gewerbe in Schwarzwald- u. Bodenseeregion

Stichprobe (Rücklaufquote):

Bodensee: 848 (18,6 %) Schwarzwald: 492 (38,3 %)

Ergebnis:

Klassifizierung von 3 „technologieorientierten Wettbewerbsstrategien“ und Bestimmung deren F&E-Kooperationsverhaltens über Mittelwertvergleiche

550

551 552

Vgl. hierzu Rotering, C.; (1990), S. 68-70 und S. 169-186; sowie Brockhoff, K.; Gupta, A. K.; Rotering, C.; (1991), S. 220; und Brockhoff, K.; (1991 a), S. 364. Zur inhaltlichen Diskussion dieses Ansatzes vgl. die früheren Ausführungen in Kap. 2.3.2 (S. 94ff) sowie Feldmann, C.; (2005 a), S. 136ff. Vgl. Wolfrum, B.; (1991); und Wolfrum, B.; (1994). Vgl. Herden, R.; (1992), S. 127-132 und S. 174-188 (Bodensee/Schwarzwald); sowie Gemünden, H. G.; Heydebreck, P.; Herden, R.; (1992), S. 364-365 (Bodensee).

Technologieorientierte Strategietypologien in der Pharmazeutischen Industrie

389

Teichert (1994)553 Untersuchungsgegenstand: Zwischenbetriebliche F&E-Kooperationen

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung)

Erhebungstechnik:

Quantitativ, schriftlich (Fragebogen)

Untersuchungsobjekt:

Branchenübergreifend, EU-weit: Teilnehmer an ESPRIT- und EUREKA-Projekten in der EU

Stichprobe (Rücklaufquote):

78 Unternehmen (54 %)

Ergebnis:

Identifizierung von 6 F&E-Kooperationsstrategiegrundtypen Von Boehmer (1995)554

Untersuchungsgegenstand: F&E-Internationalisierungsstrategien

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung)

Erhebungstechnik:

Quantitativ, schriftlich (Fragebogen)

Untersuchungsobjekt:

Unternehmen in Deutschl., Großbritannien und den USA

Stichprobe (Rücklaufquote):

Deutschland: 22 Unternehmen (25 %) Großbritannien: 10 Unternehmen (15 %) USA: 52 Unternehmen (11 %)

Ergebnis:

5 Typen ausländischer F&E-Einheiten Weisenfeld (1995) – Hauptstudie555

Untersuchungsgegenstand: Marketing- und Technologiestrategien

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung gemeinsam mit anderen Lehrstühlen)

Erhebungstechnik:

Quantitativ, schriftlich (Fragebogen)

Untersuchungsobjekt:

Biotechnologie-Unternehmen in Deutschland, Großbritannien, Japan und den USA

Stichprobe (Rücklaufquote):

Deutschland: 18 Unternehmen (36 %) Großbritannien: 23 Unternehmen (16 %) USA: 14 Unternehmen (7 %) Japan: 99 Unternehmen (33 %)

Ergebnis:

4 Marketing-Technologiestrategiekombinationen auf Basis von je zwei klassifizierten Marketing- und Technologiestrategietypen

553 554 555

Vgl. hierzu Teichert, T. A.; (1994), S. 105-107 und S. 214-228. Vgl. Von Boehmer, A.; (1995), S. 46-59. Vgl. Weisenfeld-Schenk, U.; (1995 a), S. 229-232. Zur inhaltlichen Diskussion dieses Ansatzes vgl. die früheren Ausführungen in Kap. 2.3.2 (S. 94ff) sowie Feldmann, C.; (2005 a), S. 126ff.

390

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie Buchholz (1996)556

Untersuchungsgegenstand: Timingstrategien

Empirische Untersuchung:

Nein (nur einige aus Sekundärquellen stammende Fallbeispiele)

Erhebungstechnik:



Untersuchungsobjekt:



Stichprobe (Rücklaufquote):



Ergebnis:

– Heydebreck (1996)557

Untersuchungsgegenstand: Technologieorientierte Kooperationen

Empirische Untersuchung:

Ja (eigene Datenerhebung gemeinsam mit anderen Lehrstühlen und Forschungsinstituten sowie Herden-Daten dienen als Basis für beide Dissertationen: Schwarzwaldund Bodenseestudie) Zusätzlich im Rahmen eines BMBF-Projektes Datenerhebung in 5 „High-Tech-Branchen“ in Deutschland über Diplomarbeiten („High-Tech-Studien“) und Rückgriff auf eine Teilmenge eines schwedischen Datensatzes

Erhebungstechnik:

Quantitativ, schriftlich (Fragebogen), branchenübergreifende (Bodensee und Schwarzwald) und branchenspezifische (High-Tech-Studien) Totalerhebung in klar definierten Regionen Zusätzlich Fallstudien und Experteninterviews

Untersuchungsobjekt:

Verarbeitendes Gewerbe in der Schwarzwald- und Bodenseeregion sowie Biotechnologie-, EDV-, Medizintechnik-, Mikroelektronik- und Sensorik-Unternehmen in (Süd-) Deutschland

556

557

Vgl. Buchholz, W. ; (1996). Auch die Arbeit von Bitzer zum gleichen Thema enthält keine empirische Studie, vgl. Bitzer, M. R.; (1991). Vgl. Gemünden, H. G.; Heydebreck, P.; Herden, R.; (1992), S. 364-365 (Bodensee); Herden, R.; (1992), S. 127-132 (Bodensee/Schwarzwald); Gemünden, H. G.; Heydebreck, P.; (1994 a), S. 203-204 (Schweden); Gemünden, H. G.; Heydebreck, P.; (1995), S. 833 (Bodensee); Gemünden, H. G.; Heydebreck, P.; (1996), S. 85-86 (Schweden); Heydebreck, P.; (1996), S. 125-173 und S. 198-208 (Bodensee/Schwarzwald, High-Tech, Schweden).

Technologieorientierte Strategietypologien in der Pharmazeutischen Industrie

391

Stichprobe (Rücklaufquote):

Bodensee: 848 (18,6 %) Schwarzwald: 492 (38,3 %) High-Tech: 331 (18,7 %) Schweden: 79 (40,3 %)558

Ergebnis:

Identifizierung von je 5 Strategietypen für die Bodenseeund die High-Tech-Stichprobe und Bestimmung deren jeweiliger technologischer Verflechtung über Mittelwertvergleiche

Zusammenfassend ist festzustellen, daß, sieht man von der (den) zahlenmäßig großen Karlsruher Studie(n) (Herden/Heydebreck/Gemünden) ab – an deren Datenerhebung eine Reihe von Institutionen mit mehreren Mitarbeitern in mehreren europäischen Ländern beteiligt waren –, trotz der hinsichtlich der Durchführbarkeit weniger aufwendigen schriftlichen Erhebungstechnik die anzahlmäßige Größe der auswertbaren Datensätze relativ gering bleibt. Offensichtlich wird der Vorteil, mit vertretbarem Aufwand (und Kosten) eine relativ große Zahl von Unternehmen in die Studie einbeziehen zu können, durch die relativ geringen Rücklaufquoten auch bei sorgfältiger Vorbereitung (z.B. Pretest des Fragebogens und telefonische Voransprache) und trotz Nachfaßaktionen weitestgehend kompensiert.559 Als zusätzlicher Nachteil bleibt bei schriftlicher Erhebungstechnik die geringere Genauigkeit der erhobenen Daten und die Schwierigkeit, dabei nicht auch gleichzeitig qualitative Hintergrundinformationen (insbesondere zur richtigen Bewertung und Interpretation von „überraschenden“ Befunden) erlangen zu können. Eine ausführliche Begründung, warum für die Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit einer anderen Erhebungstechnik, nämlich der fragebogengestützter Experteninterviews, der Vorzug gegeben werden soll, erfolgt im anschließenden Kapitel 5.560 Hinsichtlich der inhaltlichen Dimension wiederholt sich bei einer genaueren Betrachtung der in Kap. 4.4.1 diskutierten zentralen Technologiestrategietypolo-

558

559

560

Korrigierte Rücklaufquote, vgl. hierzu Gemünden, H. G.; Heydebreck, P.; (1994 a), S. 203-204; und Heydebreck, P.; (1996), S. 137. Einzige (positive) Ausnahme hiervon bildet die Studie von Perillieux, deren Sonderrolle dürfte mit dem sorgfältigen Forschungsdesign und der charismatischen Persönlichkeit des Autors zu erklären sein. Vgl. S. 397ff.

392

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

gisierungsansätze im Bereich der Pharmazeutischen Industrie561 der bereits bei der Untersuchung der allgemeinen Technologiestrategietypologisierungsansätze erlangte Befund562, daß eine systematische und umfassende Berücksichtigung aller relevanten Elemente von Technologiestrategien nicht stattfindet. Einen weiteren Schwachpunkt bildet die unzureichende theoretische Fundierung bei den meisten der beschriebenen empirischen Arbeiten: Sofern überhaupt eine theoriegeleitete Modellbildung Basis der anschließenden empirischen Erhebung ist, ist diese ausschließlich auf einen Teilaspekt des strategischen Technologiemanagements fokussiert. Bei den Arbeiten, die überhaupt eine eigene empirische Untersuchung vornehmen – in vielen Fällen stützt sich diese zudem nur auf nicht für den spezifischen Untersuchungsgegenstand erhobene Sekundärdaten –, ist eine weitere zentrale Schwachstelle zu attestieren, die ihre Ursache in der Auswahl der im Rahmen der empirischen Studie betrachteten Stichprobe hat: Dadurch, daß fast alle Studien nur einen (oder wenige) der später im Rahmen dieser Arbeit identifizierten Technologiestrategietypen in ihrer betrachteten Grundgesamtheit abbilden, lassen die gewonnenen Erkenntnisse keine verallgemeinernden, repräsentativen Rückschlüsse auf die Branche als Ganzes zu, noch tritt die komplexe Vielfalt möglicher und in der Realität zu beobachtender unterschiedlicher technologiestrategischer Positionierungen zutage: So konzentrieren sich die beiden in empirischer Hinsicht am weitesten fortgeschrittenen Arbeiten von Bogner und von Weisenfeld nur auf börsennotierte Großunternehmen (Bogner) bzw. Biotechnologie-Unternehmen (Weisenfeld).

561

562

Eine inhaltliche Bewertung der in Kap. 4.4.2 (S. 386ff) hinsichtlich ihres empirischen Forschungsdesigns erörterten Ansätze war bereits an früherer Stelle erfolgt (vgl. hierzu Kap. 2.3.2 (S. 94ff) und 2.4 (S. 105ff)) und muß daher hier nicht nochmals erfolgen. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 2.3.2 (S. 94ff) und 2.4 (S. 105ff).

Zusammenfassendes Fazit der Literaturanalyse

393

4.5 Zusammenfassendes Fazit der Literaturanalyse und Anforderungen an die weiterführenden Überlegungen Zu Ende der Bestandsaufnahme der Literaturanalyse soll das nachfolgende Unterkapitel noch einmal die wichtigsten Kritikpunkte an Methode und Inhalt der bisherigen Ansätze zusammenfassen, um darauf aufbauend die zentralen Ziele der vorliegenden Arbeit und Anforderungen an Modell und empirische Studie sowie die Begründung für die prinzipielle Notwendigkeit der vorliegenden Arbeit insgesamt noch einmal kompakt herauszustellen. Die sorgfältige Analyse des bisherigen Forschungsstandes in den Kapiteln 2.3.2, 2.4, 3, 4.2 und 4.4 führte zu dem Ergebnis, daß keiner der betrachteten Ansätze die folgenden Kriterien erfüllte: –

Systematische theoriebasierte Ableitung eines umfassenden und konsistenten Modells des strategischen Technologiemanagements, das alle relevanten technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen und Entscheidungsbereiche berücksichtigt.



Umfassende Überprüfung eines derartigen Technologiestrategiemodells im Rahmen einer repräsentativen empirischen Studie, die alle unterschiedlichen Typen von Unternehmen einschließt.



Nutzung einer Kombination von qualitativen und quantitativen Analysetechniken im Rahmen einer großzahligen Stichprobe zur Reduktion der Irrtumsund Mißinterpretationswahrscheinlichkeit bei gleichzeitiger Steigerung der Rücklaufquote.

Hervorzuheben ist, daß keiner der betrachteten Ansätze auch nur eines der drei vorstehend aufgelisteten Kriterien vollständig erfüllte. Zentrale Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es daher, allen drei Kriterien vollständig genüge zu tun und dabei inbesondere die nachfolgenden drei Kernaufgaben zu erfüllen: 1) Systematische theoriebasierte Ableitung eines umfassenden und in sich schlüssigen Modells des strategischen Technologiemanagements, das: a. als Bezugsrahmen/Leitfaden für die systematische Ableitung einer alle relevanten Entscheidungsbereiche und Entscheidungsdimensionen vollstän-

394

Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

dig berücksichtigenden Technologiestrategie in der wissenschaftlichen Theorie und unternehmerischen Praxis gleichermaßen geeignet ist. b. die strukturierte Analyse und Vergleichbarkeit von Technologiestrategien unterschiedlicher Unternehmen einer Branche und von unterschiedlichen Branchen (auch im zeitlichen Verlauf) erlaubt. Auf diese Weise wird für die wissenschaftliche Forschung, insbesondere für das strategische Innovations- und Technologiemanagement aber auch z.B. für die Branchenstrukturanalyse des strategischen Managements, ein wertvoller Erklärungsbeitrag geleistet. Mit Blick auf die unternehmerische Praxis muß eine derartige Konzeption insbesondere die Möglichkeit eines direkten Vergleiches von Technologiestrategien unterschiedlicher Unternehmen nach einem einheitlichen Standard sicherstellen (Benchmarking). Dies wird in der vorliegenden Arbeit im Rahmen der nachfolgenden empirischen Studie auch bereits praktisch umgesetzt, wie die späteren Ausführungen zeigen werden. Außerdem muß der Ansatz eine Identifikation von (in Abhängigkeit zu der jeweiligen Ausgangssituation) besonders erfolgsträchtigen technologiestrategischen Grundverhaltensmustern durch eine einfache Verknüpfung des Modells mit Variablen der Erfolgsmessung ermöglichen (Best Practice).563 2) Umfassende empirische Anwendung dieses Modells anhand einer großzahligen Stichprobe, die eine Industrie (hier die Pharmazeutische Industrie) vollständig repräsentiert. Auf diese Weise sollen insbesondere zwei zentrale Unterziele erreicht werden: a. Systematische Überprüfung des entwickelten Modells aus theoretischer und praktischer Perspektive. Identifikation eventuell vorhandener Schwachstellen und anschließende Modelloptimierung. b. Illustration des mit Hilfe des Modells erzielbaren Erkenntnisgewinns durch umfassende Analyse der komplexen Vielfalt der in der unternehmerischen Realität zu beobachtenden unterschiedlichen Technologiestrategien in der hochinnovativen Beispielbranche Pharmazeutische Industrie. Anwendung des Modells für zeitliche Längsschnittanalysen durch Vergleich der Tech-

563

Dieser zweite Gesichtspunkt ist zwar nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit, die späteren Ausführungen werden aber dokumentieren, daß nach Identifikation geeigneter Erfolgskriterien dies ohne weiteres auf Basis des hier entwickelten Modells möglich ist.

Zusammenfassendes Fazit der Literaturanalyse

395

nologiestrategien zu drei Betrachtungszeitpunkten (1990, 2000 und 2010) und inhaltliche Beschreibung und explorative Interpretation der technologiestrategischen Neupositionierung der einzelnen Unternehmenstypen. Im Kern soll also diese zweite Hauptaufgabe die Erfüllung der unter 1. genannten Modellanforderungen im Praxistest belegen (vgl. die unter a und b genannten Punkte) und an einer besonders komplexen Beispielbranche die inhaltliche Aussagekraft der mit diesem Modell erzielbaren Erkenntnisfortschritte verdeutlichen. 3) Anwendung einer Kombination von qualitativen und quantitativen Analysetechniken in Form fragebogengestützter Experteninterviews zur Sicherstellung verläßlicher Ergebnisse unter gleichzeitigem Erzielen explorativer Erkenntnisse über die Ursachen und Hintergründe der jeweiligen technologiestrategischen Entscheidung für eine aussagekräftige und richtige Interpretation der beobachteten Befunde. Der Frage nach dem Zielerreichungsgrad der hier gestellten Anforderungen im Spiegel der nachfolgend beschriebenen empirischen Untersuchung wird in den Kapiteln 8 und 9 nachgegangen werden.564

564

Vgl. hierzu S. 655ff und S. 665ff.

5

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

5.1 Grundlagen der empirischen Untersuchung 5.1.1

Ziel der empirischen Untersuchung

Die empirische Studie verfolgt zwei Ziele: Das konzeptionelle Ziel der empirischen Studie besteht in der Evaluation des in Kap. 2 und 3 abgeleiteten und in Kap. 4 konkretisierten und operationalisierten technologiestrategischen Entscheidungsmodells. Das inhaltliche Ziel besteht in der praktischen Anwendung dieses Modells, um eine differenzierte Analyse der unterschiedlichen technologiestrategischen Positionierungen in einer Hochtechnologiebranche vorzunehmen und insbesondere die vorhandenen Technologiestrategietypen zu identifizieren und umfassend zu charakterisieren. Als besonders geeignetes Untersuchungsobjekt war die Pharmazeutische Industrie innerhalb der technologieintensiven Branchen identifiziert worden, wie eingangs in Kap. 1.1 bereits ausführlich begründet wurde.1 Hauptaufgabe ist es dabei, technologiestrategische Grundverhaltensmuster zu erkennen, um darüber zu einer Identifikation von unterschiedlichen Technologiestrategietypen zu gelangen. Die nachfolgende Charakterisierung dieser Technologiestrategietypen und das Ausmaß und die Richtung, in der sie im zeitlichen Verlauf von 1990 über 2000 bis 2010 ihre technologiestrategische Positionierung verändert haben,2 sind genauso zentraler Bestandteil der erhofften Resultate wie diese Koordinaten für die Branche als Ganzes festzustellen. Hierzu sind zunächst die Technologiestrategieprofile der zu befragenden Unternehmen zu erfassen. Kap. 5 beschreibt die Vorgehensweise von der Konzeption des Forschungsdesigns über das Ziehen der Stichprobe und die Datenerhebung bis zur statistischen Auswertung. Im einzelnen hat das Kap. 5 dabei zur Aufgabe, das empiri-

1 2

Vgl. S. 1ff. Ausgehend von einer Querschnittsanalyse (2000) wird in der vorliegenden Arbeit die Längsschnittsanalyse (1990, 2010) quasi simuliert. Eine ausführliche Beschreibung und Begründung dieser Vorgehensweise erfolgt nachfolgend in Kap. 5.2, S. 403ff.

398

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik 1. Einleitung

Prolog

Analyse & Extraktion

2. Konzeptionelle Grundlagen: Technologiemanagement im Rahmen der Unternehmensstrategie

3. Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells des strategischen Technologiemanagements

Synthese

4. Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Konkretisierung

5. Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik 6. Die technologiestrategische Positionierung im deutschen Pharma-Markt im zeitlichen Verlauf 1990 Ÿ 2000 Ÿ 2010 7.1. BiotechnologieUnternehmen

7.2. Große internat. Forscher

7.3. Mittelgroße internat. Forscher

7.4. Innovat. Mittelstand

7.5. OTC/ Trad. Mittelstand

7.6. OTCTöchter von MNEs

7. Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen im deutschen Pharma-Markt

Abb. 5-1:

7.7. GenerikaHersteller

Fazit 8. Modellkritik und -erweiterung im Spiegel der empirisch gewonnenen Erkenntnisse 9. Zusammenfassung und Ausblick

Übersicht: Einordnung von Kapitel 5 in den Gesamtkontext der Arbeit. Quelle: Eigene Darstellung

sche Feld, das Forschungsdesign und die anschließende Auswertungsmethodik zu beschreiben, während die Diskussion der inhaltlichen Dimension der empirischen Befunde den Kap. 6 (aus Branchenperspektive) und 7 (zur Charakterisierung der einzelnen Technologiestrategietypen) überlassen bleibt (vgl. Abb. 5-1). Das Design der empirischen Studie in Form einer vierstufigen Datenerhebung und -validierung sowie mehrstündiger fragebogengestützter Experteninterviews in der Haupterhebungsphase wurde, wie die nachfolgenden Ausführungen in Kap. 5 genauer beleuchten werden, dabei bewußt recht aufwendig gestaltet, um einerseits hinsichtlich ihrer Erklärungstiefe zu möglichst aussagekräftigen qualitativen Befunden zu gelangen und gleichzeitig eine möglichst weitgehende Repräsentativität der quantitativen Aussagen zu gewährleisten. Aus diesem Grunde wurde die Zahl der in die Studie einbezogenen Unternehmen mit 80 und die der interviewten Experten mit 250 bewußt hoch angesetzt. Der Aufbau des Kapitels 5 ist dabei so konzipiert, daß nach einer einleitenden Beschreibung des empirischen Feldes im Unterkapitel 5.13 das Unterkapitel 5.2 3

Vgl. S. 397ff.

Grundlagen der empirischen Untersuchung

399 4

das Forschungsdesign und die vierstufige Datenerhebung beschreibt. Daran schließt sich in Kap. 5.3 eine differenzierte Betrachtung der Stichprobe an. In diesem Unterkapitel wird gleichzeitig auch beschrieben, wie sowohl in allen einzelnen Marktsegmenten als auch im Gesamtmarkt eine möglichst hohe Marktabdeckung zu erreichen gesucht wurde, und mit einer Gesamtmarktabdeckung von deutlich mehr als 70 % auch fast eine Vollerhebung gelungen ist.5 Kap. 5.4 schildert schließlich die Auswertungsmethodik und beschreibt die eingesetzten statistischen Verfahren und Befunde. Dies sind zum einen die Clusteranalyse zur Identifikation der Technologiestrategietypen und deren anschließende Charakterisierung über Mittelwertvergleiche einschließlich Signifikanztests (Anova und Kruskal-Wallis-Tests).6 5.1.2

Das empirische Feld

Um zu möglichst aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen, bedarf es zunächst einer präzisen Definition, was unter einem Biotechnologie- bzw. einem PharmaUnternehmen zu verstehen ist, und wie dementsprechend die für die vorliegende Untersuchung relevante Grundgesamtheit zu definieren ist. Laut Arzneimittelgesetz (AMG) ist „Pharmazeutischer Unternehmer“, „wer Arzneimittel unter seinem Namen in den Verkehr bringt.“7 Diese sehr weitgefaßte Begriffsbestimmung schließt nicht nur mit Veterinärarzneimitteln befaßte Unternehmen genauso ein wie Apotheken, die für einen lokalen Kundenstamm Arzneimittel unter eigenem Namen vertreiben, sondern auch beispielsweise Re- und Parallelimporteure. Eine konkretere Eingrenzung der für die zu untersuchende Fragestellung relevanten Grundgesamtheit ist daher unverzichtbar: Eine erste Einschränkung muß hinsichtlich der Unternehmensgröße erfolgen. Die deutsche Pharma-Industrie weist in der Mehrzahl kleine und mittelständische Unternehmen auf. Eine Beschränkung der Studie auf die ca. 30 in

4 5 6

7

Vgl. S. 403ff. Vgl. S. 410ff. Vgl. S. 414ff. Die ausführlichen empirischen Daten einschließlich Zellenbesetzung, Standardfehler und -abweichung sowie der Ergebnisse der ANOVA- und KruskalWallis-Signifikanztests ist für jede Variable in Form eines eigenen Datenblattes zusammengestellt und kann am Lehrstuhl für Marketing der TU Chemnitz angefordert werden, vgl. Feldmann, C.; (2005 b). Vgl. Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln, Arzneimittelgesetz (AMG), § 4 Abs. 18.

400

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

Deutschland tätigen multinationalen Konzerne würde daher nur ein sehr unvollständiges Teilbild liefern. Im Gegensatz zu vielen anderen empirischen Studien, die die Pharmazeutische Industrie zum Untersuchungsgegenstand haben, und deren Untersuchungsradius sich nur auf diese Gruppe der Großunternehmen beschränkt, soll der Kreis der in die Untersuchung einbezogenen Unternehmen weitergefaßt werden, um zu einer vollständigen Betrachtung aller relevanten Akteure im Pharma-Markt zu gelangen. Eine unreflektierte Befragung aller 1100 nach dem Gesetz definierten Arzneimittelhersteller8 wäre aber zum Erreichen des Forschungsziels genauso wenig sinnvoll, da sich unter ihnen sehr viele Kleinstunternehmen, z.B. Apotheken, die Arzneimittel unter eigenem Namen verkaufen, befinden. Um beiden Gesichtspunkten Rechnung zu tragen, wurden nur diejenigen 197 Pharma-Unternehmen berücksichtigt, die im Jahre 2000 in Herstellerabgabepreisen mindestens einen Marktanteil9 von 0,05 % besaßen. Eine Ausnahme von dieser Regel wurde lediglich hinsichtlich der Biotechnologie-Unternehmen gemacht, wo dieses Kriterium von allen Unternehmen verfehlt worden wäre, da von diesen noch keines mit einem eigenen Arzneimittel auf dem Markt vertreten ist.10 Die zweite Eingrenzung muß hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung der Geschäftstätigkeit der zu untersuchenden Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen vorgenommen werden. Wie bereits zuvor ausgeführt, soll sich die vor-

8 9

10

Vgl. BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie; (2000 a), S. 5. Die Marktanteile sind hier bezogen auf den deutschen Apothekenmarkt, der (in Herstellerabgabepreisen) 85 Prozent des deutschen Gesamtpharmamarktes ausmacht, vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.3.3, S. 289ff. Weitere 14 Prozent macht der Krankenhausmarkt aus, in dem die größeren Unternehmen, insbesondere die multinational operierenden Unternehmen, noch deutlich stärker vertreten sind als im Apothekenmarkt. Zusätzliche Akteure treten hier in relevantem Umfang nicht auf, so daß die gewählte Bezugsbasis Apothekenmarkt für die hier angestellten Überlegungen durchaus geeignet ist. Die einzige Ausnahme bildet ein mittelständisches Unternehmen, das bereits eigene, aber nicht gentechnisch hergestellte Arzneimittel auf dem Markt vertreibt, seiner technologiestrategischen Ausrichtung nach aber eindeutig als Biotechnologie-Unternehmen zu betrachten ist (was auch durch die Befunde der zur Gruppierung verwendeten Clusteranalyse bestätigt wird, vgl. die nachfolgenden Ausführungen). Ein in der Studie enthaltenes US-amerikanisches Pharma-Unternehmen, das ausschließlich gentechnisch hergestellte Präparate vertreibt, wurde auf Basis der Clusteranalyse der Gruppe der „Großen Internationalen Forscher“ zugeordnet und ist daher im hier diskutierten Zusammenhang nicht als Biotechnologie-Unternehmen zu betrachten.

Grundlagen der empirischen Untersuchung

401

liegende Studie ausschließlich auf therapeutische Humanarzneimittel beziehen.11 Dementsprechend sind Veterinärarzneimittel, Medikalprodukte, Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetika und Diagnostika12 aus der Analyse ausgeschlossen.13 Auch der Einbezug von Re- und Parallelimporteuren ist nicht angebracht (obwohl das AMG sie zu den Pharmazeutischen Unternehmern zählt), da diese lediglich Markenarzneimittel anderer Pharma-Unternehmen im Ausland zu Preisen, die (häufig durch Preisregulierungen im entsprechenden Ursprungsland bedingt) unter den deutschen Herstellerabgabepreisen liegen, günstig einkaufen, um sie nach eventueller Umverpackung und Umetikettierung auf dem deutschen Markt in Verkehr zu bringen. Da sie weder eine technologiestrategische Ausrichtung im Sinne dieser Arbeit besitzen noch eine technologische Wertschöpfung oder Innovationsleistung erbringen, sondern de facto reine Arzneimitteldistributeure sind, sollen sie daher nicht berücksichtigt werden.14 Dies stellt eine konsequente Gleichbehandlung mit den übrigen Vertretern der Vertriebskanäle dar, die ja ebenfalls nicht berücksichtigt werden: Großhändler, Apotheker, Krankenhäuser und Drogeriemärkte.15 Von den in Deutschland tätigen Biotechnologie-Unternehmen sind nur diejenigen relevant für die vorliegende Untersuchung, die sich mit therapeutischen Humanarzneimitteln beschäftigen.16 Die sogenannte „grüne Gentechnologie“17

11

12 13

14

15

16

17

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen zur Definition, Abgrenzung und Differenzierung des Arzneimittel-Begriffs in Kap. 4.1.1, S. 208ff. Dies gilt auch für als Arzneimittel zugelassene Diagnostika. Diese Eingrenzung ist zwingend, weil sich, bedingt durch die grundsätzlich unterschiedlichen marktlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen, ein gänzlich verschiedenes technologiestrategisches Entscheidungsumfeld als bei therapeutischen Humanarzneimitteln ergibt. Ein Einbezug der übrigen Präparategruppen würde daher das Erzielen aussagekräftiger Ergebnisse verhindern. Vgl. zur Abgrenzung des Arzneimittelbegriffs, die früheren Ausführungen in Kap. 4.1, S. 206ff. Zur genaueren Beschreibung des Re- und Parallelimportphänomens vgl. die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.2, S. 224ff. Zur Funktionsweise und Beschaffenheit des pharmazeutischen Distributionssystems vgl. die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.3.3, S. 289ff. Zur Differenzierung von Arzneimitteln nach dem Kriterium der „Rohstoffbasis“ sowie zur Definition und Abgrenzung von gentechnisch hergestellten Arzneimitteln, vgl. die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.1, S. 208ff. Die „grüne Bio- und Gentechnologie“ konzentriert sich auf die Agrar- und Nahrungsmittelindustrie. Das Branchenumfeld, insbesondere die marktlichen und regulatori-

402

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

soll also genauso ausgeklammert bleiben wie gentechnologische Veterinärarzneimittel und Diagnostika. Nach dieser Eingrenzung der relevanten Grundgesamtheit sollen nun die Kriterien beschrieben werden, nach denen die Auswahl der Untersuchungsstichprobe aus dieser Grundgesamtheit vorgenommen wurde. Die Auswahl der in die Studie einbezogenen Unternehmen geschah dabei unter zwei Prämissen: Zum einen sollten die befragten Unternehmen einen möglichst großen Teil des deutschen therapeutischen Arzneimittelmarktes insgesamt abdecken und dabei gleichzeitig alle Teilsegmente dieses Marktes möglichst gleichmäßig repräsentieren. Ziel ist es also, möglichst gleich hohe relative Umsatzanteile an Originalpräparaten und Generika, chemisch definierten und pflanzlichen Präparaten sowie OTC und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln innerhalb der Untersuchungseinheit abzubilden und dabei gleichzeitig einen möglichst hohen Anteil des deutschen Pharmamarktes insgesamt zu repräsentieren. Schließlich ist noch auf einen weiteren wichtigen Aspekt in diesem Zusammenhang einzugehen: In Kap. 2.2.1.3 war bereits darauf hingewiesen worden, daß die vorliegende Arbeit hinsichtlich der organisatorischen Betrachtungsebene auf die Unternehmensstrategie (bei homogenen Unternehmen) bzw. die Geschäftsbereichsstrategie(n) (bei diversifizierten Unternehmen) abstellt.18 In diesem Kontext ist allerdings zusätzlich noch zu berücksichtigen, daß eine Reihe von Unternehmen, insbesondere die großen internationalen Firmen, parallel mehrere eigenständige übergeordnete Pharma-Technologiestrategien verfolgen (z.B. Fokus auf innovative verschreibungspflichtige Arzneimittel, verschreibungspflichtige Generika oder OTC-Präparate), was in unterschiedlicher Weise einen Niederschlag in der jeweiligen Unternehmensorganisation gefunden hat:19 Während z.B. das Unternehmen Novartis auf dem deutschen Markt mit drei rechtlich selbständigen Tochterunternehmen agiert,20 erfolgt die organisatorische

18 19

20

schen Rahmenbedingungen, unterscheiden sich grundlegend und sind somit in unserem Kontext auszuschließen. Vgl. S. 71f. Die nachfolgenden Unternehmensorganisationsbeispiele beziehen sich auf das Erhebungsjahr 2000. Seitdem haben sich eine Reihe der beschriebenen Unternehmen umorganisiert (z.B. in Folge von Unternehmensfusionen/-akquisitionen). Novartis Pharma GmbH (RX), Novartis Consumer Health GmbH (OTC) und Azupharma GmbH (Generika).

Forschungsdesign und Aufbau der vierstufigen Erhebung

403 21

Unterteilung bei der Bayer AG in Geschäftsbereiche, und bei Aventis bildet das OTX-Geschäft sogar nur eine Geschäftseinheit (Produktlinie) im Gesamtunternehmen Aventis Pharma. Da aber unabhängig von der jeweiligen Organisationsform die gemeinsame undifferenzierte Erfassung mehrerer heterogener Technologiestrategien zu wenig aussagekräftigen Mittelwerten führen würde und anstelle eines Herausarbeitens von relevanten Unterschieden sogar eine Nivellierung derselben stattfinden würde, muß jeder Unternehmensteil mit eigenständiger homogener Technologiestrategie in der vorliegenden Arbeit auch als separate Untersuchungseinheit betrachtet und behandelt werden. Die Interviewpartner wurden demzufolge nachdrücklich angehalten, sich ausschließlich auf diese homogene Technologiestrategie ihrer Einheit zu konzentrieren und alle eventuell vorhandenen sonstigen Technologiestrategien (anderer Tochtergesellschaften, Geschäftsbereiche oder Geschäftseinheiten etc.) komplett unberücksichtigt zu lassen.

5.2 Forschungsdesign und Aufbau der vierstufigen Erhebung Da es einerseits Ziel der Studie ist, zu statistisch auswertbaren Aussagen über die unterschiedliche technologiestrategische Ausrichtung und das Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung im zeitlichen Verlauf (1990-2010) der einzelnen Unternehmen zu gelangen, andererseits aber auch besonders gravierende Impulse bzw. Ursachen für diese eventuelle Neupositionierung einzelner Unternehmen ermittelt werden sollen, wurde eine Kombination qualitativer und quantitativer Forschungsmethodik für die Datenerhebung gewählt. Durch die Umsetzung dieser Konzeption in der Erhebungsform persönlicher, fragebogengestützter Experteninterviews konnten die Vorzüge qualitativer und quantitativer Analysetechnik miteinander kombiniert werden: nämlich große qualitative Tiefe bei gleichzeitig hoher quantitativer Repräsentativität. Ausgangsbasis aller Experteninterviews war stets der im Anhang wiedergegebene Interviewleitfaden,22 der

21 22

Geschäftsbereich Pharma (RX) und Geschäftsbereich Consumer Health (OTC). Vgl. S. 691ff. Bezüglich der inhaltlichen Konzeption des Interviewleitfadens vgl. die früheren Ausführungen in Kap. 3, S. 113ff (allgemeine Modellableitung), Kap. 4.2, S. 333ff (Konkretisierung des Modells für die Pharmazeutische Industrie) und Kap. 4.3, S. 374ff (Operationalisierung der Variablen und Übersetzung in den Interviewleitfaden).

404

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

im Kern aus statistisch auswertbaren Multiplechoice- bzw. Ratingfragen aufgebaut ist. Darüber hinaus wurden alle Gesprächspartner während des gesamten Interviews gebeten, ihre Antworten ausführlich zu begründen und besonders spezifische Erfahrungen bzw. Fallbeispiele konkret zu schildern. Je nachdem, wie diese bisherigen Erfahrungen geprägt waren und welchen konkreten Tätigkeitsschwerpunkt der jeweilige Gesprächspartner besaß, ergaben sich so im Rahmen jedes Interviews unterschiedliche Vertiefungsschwerpunkte. Diese Vorgehensweise diente einerseits dazu, eine besonders reflektierte Beantwortung der quantitativen Fragen sicherzustellen, andererseits bei der Interpretation der nachfolgenden statistischen Auswertung Fehlinterpretationen zu vermeiden und eine möglichst differenzierte und tiefgehende Analyse dieser Ergebnisse zu gewährleisten. Zusätzlich stellte diese von den Gesprächspartnern als sehr anregend empfundene Erhebungsform die einzige Möglichkeit dar, die volle Konzentration der Interviewpartner während der aufgrund der umfangreichen Untersuchungsthematik notgedrungen längeren (mehrstündigen) Interviews sicherzustellen. Last but not least wurden so im Gesprächsverlauf automatisch die Themenbereiche identifiziert, bei denen das konkrete Erfahrungswissen des interviewten Experten endete, und bei einer rein schriftlichen Erhebung nun „Zeitungswissen“ erfaßt worden wäre. Für die so unbeantwortet bleibenden Teilaspekte konnte nun im unmittelbaren Anschluß an das Interview mit Hilfe des Gesprächspartners ein neuer, für den jeweiligen Bereich optimal kompetenter Gesprächspartner gewonnen werden. Mit zunehmender Größe des jeweils befragten Unternehmens ergab sich so die Notwendigkeit, mit mehreren Experten zu sprechen. Durchschnittlich waren drei Experten pro Unternehmen mit der Beantwortung der Fragestellungen im Rahmen der Haupterhebung befaßt. Die Gespräche wurden bis auf wenige Ausnahmen in Form von Einzelinterviews durchgeführt. Falls für ein Unternehmen mehrere Gesprächspartner befragt wurden, wurden die Kompetenzbereiche möglichst überlappungsfrei abgegrenzt. Ergaben sich dennoch auf Grund vorhandener Überschneidungsbereiche unterschiedliche Einschätzungen (was nur in wenigen Fällen und dann zumeist nur graduell auftrat) wurden diese durch erneute Rückfrage hinterfragt und harmonisiert. Unabhängig von der Anzahl der pro Unternehmen befragten Experten ist jedes Unternehmen bzw. jeder eigenständige Geschäftsbereich also mit dem gleichen Gewicht in die Untersuchung (z.B. Mittelwerte für die Gesamtbranche oder den jeweiligen Technologiestrategietyp) eingegangen.

Forschungsdesign und Aufbau der vierstufigen Erhebung

405

Sonstige Geschäftsführende Inhaber/ CEO/Länderchef Leiter Gesundheitspolitik/ strategisches Marketing

3%

11%

Leiter strategische Unternehmensentwicklung

20% 14%

Leiter Marketing/ Vertrieb

10% 18%

Leiter Produktion 1% 2% Leiter Recht/Patente/ Lizenzen Leiter Klinische Entwicklung/Zulassung

Abb. 5-2:

Leiter F&E Koordination 12%

9%

F&E Leiter

Übersicht zur prozentualen Verteilung der interviewten Experten nach Verantwortungsbereich / Funktion. Quelle: Eigene Darstellung

Da (technologie-)strategische Entscheidungen in der Regel nur der Unternehmensleitung und dem leitenden Management im Detail bekannt sind, wurden im wesentlichen Experten aus diesem Bereich interviewt: Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen wurden in den meisten Fällen geschäftsführende Inhaber/Geschäftsführer sowie die F&E- und Marketing-/Vertriebsleiter befragt. Bei den größeren Unternehmen waren die Experten zumeist Abteilungsleiter/Direktoren für F&E/F&E-Koordination, klinische Entwicklung, Zulassung, Recht/Patente/Lizenzen, Marketing, Vertrieb, strategisches Marketing, Gesundheitspolitik und strategische Unternehmensentwicklung. Einen Überblick über die prozentuale Verteilung der interviewten Experten nach Funktionsbereich gibt Abbildung 5-2. Neben der Ermittlung der technologiestrategischen Ausrichtung zum Untersuchungszeitpunkt (2000) zielt die vorliegende Arbeit auch auf die Analyse von Veränderungstrends im zeitlichen Verlauf. Eine derartige Untersuchung ist hinsichtlich ihrer empirischen Umsetzbarkeit nicht unproblematisch. Die hier für die

406

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

1. Pretest

2. Haupterhebung

3. A. Workshop 3. B. Feedback auf Benchmark Qualitative und quantitative empirische Ergebnisse Abb. 5-3:

Forschungsdesign-Übersicht zum vierstufigen Verfahren der Datenerhebung und Validierung. Quelle: Eigene Darstellung

Analyse verwendeten Daten können, wie vorstehend begründet, nicht aus Sekundärquellen entnommen werden und müssen demzufolge empirisch erhoben werden. Idealerweise würde man hierzu exakt die gleiche Stichprobe (gleiche Experten (zumindest hinsichtlich ihrer Funktion) und gleiche Unternehmen) zu mehreren Untersuchungszeitpunkten mit dem gleichen Untersuchungsdesign befragen. Diese Vorgehensweise ist aber nicht nur extrem kosten- und zeitaufwendig (und würde schon alleine dadurch den hier vorgegebenen Rahmen bei weitem sprengen), sondern stößt auch auf eine Reihe von praktischen Schwierigkeiten: Die Pharmazeutische Industrie hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Fusionen, Akquisitionen und Desinvestitionen erfahren. Die exakt gleiche Stichprobe vorzufinden dürfte daher mit zunehmendem zeitlichen Abstand nahezu unmöglich werden. Zusätzlich dürfte es mehr als fraglich sein, ob es gelingt wieder alle Gesprächspartner zu einem (mehrstündigen) Interview zu gewinnen. In der vorliegenden Arbeit soll daher ausgehend von einer Querschnittanalyse (2000) die Längsschnittanalyse gewissermaßen simuliert werden: Die Gesprächspartner wurden gebeten, hinsichtlich der identischen Kriterien (wie 2000) die technologiestrategische Ausrichtung ihres Unternehmens 1990 ex-post zu be-

Forschungsdesign und Aufbau der vierstufigen Erhebung

407

werten und eine Abschätzung der wahrscheinlichen Ausrichtung im Jahre 2010 vorzunehmen. Neben der Tatsache, daß dies im Rahmen der vorliegenden Untersuchung der einzige überhaupt gangbare Weg war, hat diese Vorgehensweise auch den zentralen Vorteil, daß die Gesprächspartner exakt das gleiche Referenzsystem ihrer Bewertung für alle drei Zeitpunkte zugrunde legten. Nachteilig ist allerdings auf mögliche Erinnerungsverzerrungen bei der Vergangenheitsbewertung und auf den teilweise spekulativen Charakter der Zukunftsprognose hinzuweisen. Die konkrete Durchführung der Datenerhebung und Validierung erfolgt in den nachfolgend genauer beschriebenen vier Schritten (vgl. Abb. 5-3). 5.2.1

Pretestphase

Ziel des Pretests war es, Erhebungsmethodik und Interviewleitfaden auf ihre praktische Anwendbarkeit hin zu prüfen und, wo nötig, zu optimieren. Zu diesem Zweck wurden mehrstündige Experteninterviews mit insgesamt 70 Experten aus 30 Unternehmen sowie den 4 Pharma-23 und den beiden Biotechnologie-Verbänden24 durchgeführt. Anfänglich wurden rein qualitative Pretestgespräche durchgeführt, in denen die Gesprächspartner gebeten wurden, die Fragestellung im Interviewleitfaden auf Verständlichkeit, Vollständigkeit und Relevanz zu prüfen und dabei auch solche Fragen zu identifizieren, die als zu sensibel25 oder als zu schwierig zu beantworten26 betrachtet werden könnten. Bei allen weiteren 23

24

25

26

Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Bonn; Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Frankfurt/Main, Berlin; Deutscher Generikaverband, Tauting; Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), Bonn, Berlin. Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) im VCI, Frankfurt/Main und Vereinigung deutscher Biotechnologie-Unternehmen (VBU) in der DECHEMA, Frankfurt/Main. Zwar wurde allen Interviewpartnern absolute Vertraulichkeit zugesichert, doch handelt es sich bei forschungs- und technologiestrategischen Fragestellungen um die sensibelsten und bestgehüteten Bereiche jedes Pharma-Unternehmens, so daß Fragen, welche vom Gesprächspartner als zu intim empfunden werden, das Gesprächsklima beeinträchtigen oder sogar der Bereitschaft zur Teilnahme an der Studie hätten entgegenstehen könnten. Diese Sorgfalt erwies sich in der Tat im Rahmen der Haupterhebung als wohlbegründet, denn eine große Anzahl von Gesprächspartnern erkundigte sich bereits bei der ersten Kontaktaufnahme ausgiebig, inwieweit dieser Problematik Rechnung getragen worden sei. Aufgrund des sehr umfangreichen und komplexen Untersuchungsgegenstandes, mußte sichergestellt sein, daß alle Fragen ohne großen Rechercheaufwand zu beantworten waren, da andernfalls ein enormer Rückgang der Gesprächsbereitschaft zu befürchten

408

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

Pretestgesprächen wurde dann genauso vorgegangen wie in der nachfolgenden Haupterhebung: Allen Gesprächspartnern wurde rechtzeitig vor dem Interview der Interviewleitfaden zugesandt, wobei sie allerdings gebeten wurden, ihn nicht bereits vor dem Interview auszufüllen. Dies erwies sich als zweckmäßig, da so einerseits dem Gesprächspartner die Möglichkeit gegeben wurde, den Umfang der Untersuchungsproblematik konkret abzuschätzen und frühzeitig darauf hinzuweisen, daß eventuell weitere Experten zur Beantwortung hinzuzuziehen wären, andererseits aber die Vorteile quantitativer Interviews – Sicherstellung einer gleichmäßigen Auffassung aller Fragen durch alle Gesprächspartner, reduzierter Aufwand für den Experten durch jederzeitige Rückfragemöglichkeit und vor allem die Möglichkeit zu qualitativen Vertiefungsfragen an den Experten – gewahrt blieben. Nach jedem Pretest-Experteninterview wurden die erhaltenen Optimierungsimpulse sofort in den Interviewleitfaden implementiert, so daß der darauffolgende Gesprächspartner immer zu der zum jeweiligen Zeitpunkt optimalen Version des Interviewleitfadens sein erneutes Feedback geben konnte. Nachdem nach den ersten rein qualitativen Interviews eine Sättigung der Verbesserungsvorschläge eintrat und so die zu diesem Zeitpunkt vorliegende Version als hinreichend „stabil“ angesehen werden konnte, wurden die Gesprächspartner gebeten, zusätzlich zu ihrer kritischen Stellungnahme zum Interviewleitfaden bereits die inhaltliche Fragestellung konkret zu beantworten. So konnte evaluiert und sichergestellt werden, daß alle Fragestellungen so formuliert waren, daß sie von allen Gesprächspartnern einheitlich in dem vom Fragesteller gewünschten Sinne aufgefaßt wurden. 5.2.2

Haupterhebungsphase

Nach Abschluß der sorgfältigen Pretestphase wurden auf Basis des so optimierten Interviewleitfadens Expertengespräche mit 250 Experten aus 80 Biotechnologie- und Pharmaunternehmen27 im Zeitraum von März bis Ende Dezember 2000 geführt. Die durchschnittliche Gesprächsdauer lag bei drei bis vier Stunden

27

gewesen wäre oder es (was mit Blick auf die Qualität der Ergebnisse noch bedenklicher gewesen wäre) zu Zufallsantworten gekommen wäre. Zur genaueren Beschreibung der Stichprobenzusammensetzung vgl. Kap. 5.3 auf Seite 410.

Forschungsdesign und Aufbau der vierstufigen Erhebung

409

pro Gesprächspartner; insgesamt schwankte die Interviewdauer zwischen einer und neun Stunden.28 5.2.3

Validierungsphase

Nach Abschluß der statistischen Auswertung der im Rahmen der Haupterhebung gewonnenen Daten erfolgte in einem zweistufigen Verfahren eine Validierung der bislang erzielten Ergebnisse. 5.2.3.1

Ergebnis-Workshop

Im Rahmen eines eintägigen Workshops wurden die statistischen Ergebnisse mit dem Ziel, eine zusätzliche Validierung und Vervollständigung der inhaltlichen Ergebnisinterpretation sicherzustellen, ausgiebig diskutiert. Zu diesem Workshop, der gemeinsam von dem zahlenmäßig größten Pharmaverband „Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller“ (BAH) und der „Stiftung der Deutschen Wirtschaft“ für den Autor ausgerichtet wurde, wurden alle zuvor interviewten Gesprächspartner eingeladen. Insgesamt fanden sich 25 Teilnehmer aus 20 Unternehmen zu diesem Workshop ein, die sowohl alle Teilsegmente, geographischen Regionen als auch (was von besonderer Bedeutung für die Zielerreichung des Workshops war) alle technologiestrategischen Gruppen29 repräsentierten. Die im Rahmen der spannenden und differenzierten Diskussion gewonnenen Interpretationsansätze wurden in Ergänzung der bereits im Rahmen der Interviews gewonnenen qualitativen Erkenntnisse als Fundament für die Ergebnisinterpretation der vorliegenden Arbeit herangezogen. 5.2.3.2

Schriftliche Feedbackrunde über individuelle Benchmarks

Als weiterer zusätzlicher Validierungsschritt wurde allen Interviewpartnern ein umfangreiches (mehr als 200-seitiges), individuell für ihr Unternehmen erstelltes Benchmarkdokument mit der Bitte um kritische Stellungnahme zugesandt. In ihm wurden die vom jeweiligen Gesprächspartner für sein Unternehmen gemachten Angaben jeweils zwei, auf Basis der Haupterhebung dieser Studie stati28

29

Dazu war es in einigen Fällen erforderlich, mit einem Gesprächspartner auch mehrere Gesprächstermine durchzuführen. Zur näheren Erläuterung der Identifikation von unterschiedlichen technologiestrategischen Gruppen innerhalb der deutschen Pharma- und Biotechnologiebranche und der dabei eingesetzten statistischen Methoden, vgl. Kap. 5.4, S. 414ff. Zu deren inhaltlicher Beschreibung vgl. die nachfolgenden Ausführungen in Kap. 6, S. 431ff und Kap. 7, S. 593ff.

410

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

stisch ermittelten, Vergleichswerten gegenübergestellt: zum einen dem statistischen Mittelwert des Branchendurchschnitts und zum anderen als direkter Benchmark dem Mittelwert, der für den Technologiestrategietyp des jeweiligen Unternehmens errechnet wurde. Dieser ausführliche zweifache Benchmark enthielt alle Variablen der Haupterhebung und war für eine schnelle Übersichtlichkeit in Form individuell erstellter Graphiken abgebildet. Auf diese Weise erhielten alle Studienteilnehmer die erneute Gelegenheit, kritische Anmerkungen und Rückfragen vor dem Abfassen der vorliegenden Dissertation einzubringen.

5.3 Zusammensetzung der Stichprobe Im Rahmen der Haupterhebung wurden die in Abb. 5-4 aufgelisteten 80 Biotechnologie- und Pharmaunternehmen befragt. Eine exakte Ermittlung, wie hoch der umsatzbezogene Abdeckungsgrad dieser 80 Unternehmen hinsichtlich der für die vorliegende Untersuchung relevanten Grundgesamtheit ist, ist aufgrund (dem Autor) fehlender Marktdaten nicht möglich. Näherungsweise kann aber, zur Beurteilung der Repräsentativität der Stichprobe, der Marktabdeckungsgrad (der relevanten Grundgesamtheit) bestimmt werden, den die Stichprobe mindestens aufweist. Als Basis für diese Abschätzung wurde der Apothekenmarkt verwendet, der ca. 84,5 % des Gesamtmarktes darstellt.30 Auf Basis der Daten für den deutschen Apothekenmarkt decken die befragten 69 Pharmaunternehmen (inklusive Töchter) mindestens31 69 Prozent des GesamtApothekenmarktes, mehr als 72 Prozent des Generika-Marktes, mehr als 58 Prozent des Phytopharmaka-Marktes32 und ca. 75 Prozent des OTC-Marktes ab.

30

31

32

Vgl. hierzu die Ausführungen zur pharmazeutischen Distributionskette in Kap. 4.1.3.3, S. 289ff. Da nur diejenigen Töchter in die Berechnung mit einbezogen wurden, deren zweifelsfreier Zuordnung sich der Autor sicher war, sind einige Töchter und Unternehmensteile unberücksichtigt geblieben, die tatsächlichen Werte liegen daher über den hier angegebenen. Der relativ niedrigere Abdeckungsgrad im Teilsegment der pflanzlichen Arzneimittel erklärt sich aus der sehr starken Zersplitterung dieses Teilmarktes, der insgesamt aber nur etwa sieben Prozent des Gesamtpharma-Marktes ausmacht.

Zusammensetzung der Stichprobe 3 M Medica, Borken ALIUD PHARMA GmbH & Co. KG, Laichingen ALPHARMA, Langenfeld AMGEN GmbH, München APOGEPHA Arzneimittel GmbH, Dresden ASCHE AG, Hamburg ASTA Medica AG, Frankfurt a.M. AstraZeneca, Wedel Aventis Pharma AG – Rx, Frankfurt a.M. Aventis Pharma Deutschland GmbH – Business Line OTX, Köln Azupharma GmbH & Co., Gerlingen BASF-LYNX Bioscience AG, Heidelberg Bayer Vital GmbH, Geschäftsbereich Consumer Care, Köln Bayer Vital GmbH, Geschäftsbereich Pharma, Leverkusen BERLIN-CHEMIE AG, Berlin betapharm Arzneimittel GmbH, Augsburg Biologische Heilmittel Heel GmbH, Baden-Baden BIONORICA ARZNEIMITTEL GmbH, Neumarkt/OPf. BIOPHARM Ges. zur biotech. Entw. von Pharmaka mbH, Heidelberg biosyn Arzneimittel GmbH, Fellbach Boehringer Ingelheim GmbH, Ingelheim am Rhein Bombastus-Werke GmbH, Freital BRAIN Biotechnology Research And Information Network GmbH, Zwingenberg Bristol-Myers Squibb GmbH, München Byk Gulden, Konstanz CARDIOGENE Gentherapeutische Systeme AG, Düsseldorf Chemische Fabrik Kreussler & Co. GmbH, Wiesbaden ct-Arzneimittel GmbH, Berlin DESITIN ARZNEIMITTEL GMBH, Hamburg DOLORGIET Arzneimittel, St. Augustin/Bonn Dr. August Wolff GmbH & Co., Bielefeld Dr. Rentschler Arzneimittel GmbH & Co., Laupheim Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co., Karlsruhe Engelhard-Arzneimittel GmbH & Co. KG, Niederdorfelden esparma GmbH, Osterweddingen GlaxoWellcome GmbH & Co., Hamburg GPC Biotech AG, Martinsried/München HERMAL, Reinbek

Abb. 5-4:

411 HEUMANN Pharma GmbH, Nürnberg Hevert-Arzneimittel GmbH & Co KG, Nussbaum bei Bad Sobernheim HEXAL AG, Holzkirchen Hoffmann-La Roche AG, Grenzach-Wyhlen Hormosan-Kwizda GmbH, Frankfurt a.M. ICHTHYOL-GESELLSCHAFT Cordes, Hermanni & Co. (GmbH & Co.) KG, Hamburg Interactiva Biotechnologie GmbH, Ulm JENApharm GmbH & Co. KG, Jena Knoll AG, Ludwigshafen Lichtwer Pharma AG, Berlin LILLY PHARMA HOLDING GMBH, Bad Homburg Lundbeck GmbH & Co., Hamburg MADAUS AG, Köln MCM Klosterfrau Vertriebsgesellschaft mbH, Köln MEDICE Chem.-pharm. Fabrik Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn MediGene AG, Martinsried/München Merck dura GmbH, Darmstadt MERCK KGaA, Darmstadt Merz+Co.GmbH&Co., Frankfurt a.M. MorphoSys AG, Martinsried/Planegg MSD SHARP & DOHME GmbH, Haar Novartis Consumer Health GmbH, München Novartis Pharma GmbH, Nürnberg Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz PASCOE Pharm. Präparate GmbH, Gießen Pfizer GmbH, Karlsruhe PHARMA WERNIGERODE GmbH, Wernigerode Pharmacia & Upjohn GmbH, Erlangen ratiopharm GmbH, Ulm Rentschler Biotechnologie GmbH & Co. KG, Laupheim Roche Nicholas Deutschland GmbH,, EppsteinBremthal SAG Strathmann AG, Hamburg sanofi-synthelabo GmbH, Berlin Schaper & Brümmer GmbH & Co. KG, Salzgitter SCHERING AG, Berlin SCHWARZ PHARMA Deutschland GmbH, Monheim SmithKline Beecham Pharma GmbH, München STADApharm GmbH, Bad Vilbel STRATHMANN BIOTECH GMBH, Hannover THIEMANN ARZNEIMITTEL GMBH, Waltrop WALA-Heilmittel GmbH, Eckwälden/Bad Boll WOELM PHARMA GMBH & CO., Bad Honnef

Übersicht: Die 80 Unternehmen der Haupterhebung. Quelle: Eigene Darstellung

412

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

Aus einer Reihe von Gründen ist der tatsächlich von der Stichprobe repräsentierte Anteil an der relevanten Grundgesamtheit, bezogen auf die Marktanteile, aber erheblich größer: Aufgrund der in Kap. 5.1.2 näher erläuterten Eingrenzung ist der für die vorliegende Untersuchung relevante Markt kleiner als der Gesamtmarkt und umfaßt nur Teile des gesamten deutschen Apothekenmarktes (der ja als Basis für die obige Abschätzung diente). Um zu einem exakten Ergebnis zu gelangen, müßten beispielsweise Diagnostika, Medikalprodukte, Kosmetika, Nahrungsergänzungsmittel und (sofern über Apotheken vertrieben) Veterinärarzneimittel vor Berechnung des Abdeckungsgrades aus der Gesamtbezugsbasis herausgerechnet werden und die Marktanteile von Parallelimporten anstelle der (nicht in der Studie erfaßten) Importfirma dem Abdeckungsbeitrag des ursprünglich herstellenden Unternehmens33 zugeschlagen werden. Anschließend wäre zusätzlich noch zu beachten, daß der Abdeckungsgrad der Stichprobe im (relevanten Teil des) Krankenhausmarkt(es) noch über dem im Apothekenmarkt liegt.34 Berücksichtigt man all diese vorstehend genannten Gründe, so repräsentieren die befragten Unternehmen insgesamt sogar einen deutlich über 70 Prozent (vermutlich sogar deutlich über 80 Prozent) liegenden Teil der relevanten Grundgesamtheit und ihrer einzelnen Teilsegmente. Die vorliegende empirische Erhebung stellt zwar keine Vollerhebung im engeren Sinne dar; da in der Praxis aber eine hundertprozentige Totalerhebung in nahezu allen Fällen ausgeschlossen sein dürfte, dürfte der deutlich über 70 Prozent liegende Abdeckungsgrad der vorliegenden Stichprobe dem Ideal der Vollerhebung schon ziemlich nahe kommen. In jedem Fall bleibt festzuhalten, daß die Unternehmen der Stichprobe weitestgehend mit der relevanten Grundgesamtheit identisch sind, was insbesondere für die Diskussion der Aussagekraft und Signifikanz der gewonnenen Ergebnisse von großer Bedeutung ist.

33

34

Da nahezu alle multinational operierenden Unternehmen, deren Produkte die überwältigende Mehrzahl an Parallelimporten ausmachen, in der Stichprobe enthalten sind, dürfte sich näherungsweise der gesamte Umsatzanteil von Parallelimporteuren dem Abdeckungsgrad der Stichprobe zurechnen lassen. Hierbei ist in Betracht zu ziehen, daß im Krankenhausmarkt die multinationalen Unternehmen, die nahezu vollständig in der Stichprobe enthalten sind, noch sehr viel größere Marktanteile aufweisen als im Apothekenmarkt, so daß dies noch weiter dazu beiträgt, daß der tatsächliche Abdeckungsgrad der Stichprobe beträchtlich über 70 Prozent liegt. Vgl. hierzu auch die frühere Diskussion des Konzentrationsgrades in Kap. 4.1.2.5, S. 261ff.

Zusammensetzung der Stichprobe

413

25

Häufigkeit in %

20

15

10

5

0 1-24

25-49

50-99

100-249

250-499

500-999 1000-19999 >20000

Unternehmensgröße: Mitarbeiter weltweit

Abb. 5-5:

Häufigkeitsverteilung der Unternehmensgröße in der Gesamtstichprobe. Mitarbeiter weltweit (pharma-therapeutische Humanarzneimittel).

Zwar wurden bewußt nur Pharma-Unternehmen mit einem Marktanteil von mindestens 0,05 % im deutschen Apothekenmarkt berücksichtigt, dennoch weisen die untersuchten 80 Unternehmen einen Querschnitt durch alle (relevanten) Größenklassen der Pharmazeutischen Industrie auf. Eine Übersicht über die Zusammensetzung der Stichprobe bezüglich der Unternehmensgrößenklassen gibt Abbildung 5-5 (Anzahl der Mitarbeiter) und Abbildung 5-6 (Umsatz).35

35

Umsatz mit therapeutischen Humanarzneimitteln.

414

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik 30

Häufigkeit in %

25

20

15

10

5

0

6000

Unternehmensgröße: Umsatz weltweit (in Mio DM)

Abb. 5-6:

Häufigkeitsverteilung der Unternehmensgröße in der Gesamtstichprobe. Umsatz weltweit (pharma-therapeutische Humanarzneimittel)

5.4 Datenauswertung und angewandte statistische Verfahren Die Datenauswertung erfolgte mit Hilfe des statistischen Standardsoftwarepakets SPSS Version 9.0. Nachfolgend soll die methodische Vorgehensweise zur Identifizierung technologiestrategischer Gruppen innerhalb der in Deutschland tätigen Biotechnologie- und Pharmabranche und deren Charakterisierung beschrieben werden. Die Ausführungen dieses Kapitels beziehen sich ausschließlich auf die dazu erforderlichen statistischen Verfahren, Clusteranalyse und Mittelwertvergleiche sowie Häufigkeitsverteilungen und Kreuztabellen und deren Anwendung für die vorliegende Arbeit. Die inhaltliche Beschreibung der hierdurch gewonnenen Ergebnisse wird dann, wie bereits erwähnt, anschließend in Kap. 6 und Kap. 7 erfolgen.36

36

Vgl. hierzu S. 431ff, und S. 593ff.

Datenauswertung und angewandte statistische Verfahren

5.4.1

415

Clusteranalytische Methodik der Identifikation von Technologiestrategietypen

Ziel der Clusteranalyse ist es, die Komplexität einer Datenbasis zu reduzieren, indem die Objekte der Untersuchungsgesamtheit in einer Sequenz von Fusionierungsschritten37 zu Gruppen zusammengefaßt werden. Dabei sollen die gebildeten Gruppen untereinander möglichst heterogen, die Zusammensetzung jeder einzelnen Gruppe hingegen möglichst homogen sein. Die Gruppenbildung wird bei der Clusteranalyse anhand der Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit von Merkmalen vorgenommen, deren Ausprägungen für jedes Objekt vorliegen. Die Clusteranalyse eignet sich also hervorragend dazu, Realtypologien (im vorliegenden Fall: Technologiestrategietypen) auf Basis der sie konstituierenden Merkmale (hier: der Technologiestrategieprofile) zu identifizieren. Insgesamt stehen eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahren für die Durchführung von Clusteranalysen zur Verfügung, die sich in der Art der Quantifizierung, der Ähnlichkeit zwischen den Objekten und den zur Gruppierung verwendeten Fusionierungsalgorithmen38 unterscheiden. Auf eine Diskussion und Beschreibung dieser unterschiedlichen Clusterungsverfahren soll an dieser Stelle verzichtet werden. Die nachfolgenden Ausführungen werden sich ausschließlich auf die in dieser Arbeit eingesetzten Verfahren beschränken.39 In der vorliegenden Arbeit fand ein zweistufiges clusteranalytisches Verfahren Anwendung, um unterschiedliche Technologiestrategietypen zu identifizieren und die einzelnen Unternehmen dem jeweiligen Technologiestrategietyp zuzuordnen. Als Basis für diese zweistufige Clusteranalyse dienten die zur Beschreibung der Technologiestrategieprofile der einzelnen Unternehmen im Rahmen der Befragung erhobenen technologiestrategischen Variablen. Dabei wurden die technologiestrategischen Variablen aller drei Untersuchungszeitpunkte sowohl der Technologiebeschaffung als auch der Technologieverwertung für die Clusterung herangezogen.

37

38 39

Fusionierungsschritte nur im Falle agglomerativer Verfahren, bei divisiven Verfahren ist die Vorgehensweise genau umgekehrt, die Gesamtheit der Objekte wird hier in immer kleinere Einheiten/Gruppen aufgespalten. Bzw. Divisionsalgorithmen Für einen differenzierteren Überblick zu dieser Thematik vgl. z.B. Backhaus, K.; et al.; (1989), S. 115-159.

416

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

Hinsichtlich der methodischen Vorgehensweise wurde in Anlehnung an Punj/ Stewart40 eine Kombination hierarchischer und partitionierender Verfahren eingesetzt. Diese Vorgehensweise, die die Kombination der Stärken beider Verfahrenstypen unter gleichzeitiger Kompensation ihrer Schwächen gewährleistet,41 hat sich in einer Reihe von Studien im Bereich der Marketingwissenschaften und der Innovationsforschung in jüngerer Zeit hervorragend bewährt.42 Konkret werden die Vorteile partitionierender Verfahren in deren größerer Flexibilität gesehen: Sie halten an einer einmal getroffenen Gruppenzuordnung nicht starr fest, wie dies die hierarchischen Verfahren tun, sondern tauschen zur Erhöhung der Zuordnungsqualität auch im Fusionierungsprozeß bereits zugeordnete Elemente noch aus. Die Schwäche partitionierender Verfahren liegt darin, daß sie zum Erzielen sinnvoller Lösungen einer vorgegebenen Startpartition bedürfen, was aber durch das Vorschalten hierarchischer Verfahren problemlos möglich ist. Zusätzlich ermöglichen hierarchische Verfahren die Identifikation eventueller Ausreißer, so daß ihr Einsatz auch aus diesem Grund vor Beginn der eigentlichen Clusterung äußerst sinnvoll ist. Am geeignetsten hat sich hierfür das SingleLinkage-Verfahren erwiesen.43 Die Vorgehensweise in der vorliegenden Arbeit sieht daher wie folgt aus: Im ersten Schritt wurde – zur Identifizierung von Ausreißern – eine erste Fusionierung mit Hilfe des Average-Linkage-Verfahrens vorgenommen. Die Überprüfung der so ermittelten Lösung erfolgte danach mit Hilfe des Ward-Verfahrens erneut. Als geeignetes Distanzmaß hat sich im Rahmen der empirischen Forschung der quadrierte euklidische Abstand bewährt, den SPSS auch in seiner

40 41

42

43

Vgl. Punj, G.; Stewart, D. W.; (1983), S. 134-148. Vgl. zur eingehenden Diskussion der Vor- und Nachteile hierarchischer und partitionierender Verfahren der Clusteranalyse und zu den Vorteilen einer Kombination beider Verfahren die Ausführung von Bergs, S.; (1980), S. 23; Punj, G.; Stewart, D. W.; (1983), S. 134-148; Milligan, G.; Cooper, M.; (1987), S. 329-354; Raffée, H.; et al.; (1992), S. 3-6; Raffée, H.; et al.; (1994), S. 383-396; Sharma, S.; (1996); Bauer, H. H.; Fischer, M.; (1998), S. 7-8 und Bauer, H. H.; Fischer, M.; (2000), S. 943-944. Vgl. beispielsweise die Studien von Haedrich, G.; et al.; (1990), S. 205-222; Raffée, H.; et al.; (1992), S. 3-6; Lee, Ch.; Bae, Z.-T.; Lee, J.; (1994), S. 325-335; Raffée, H.; et al.; (1994), S. 383-396; Weisenfeld-Schenk, U.; (1995 a), S. 247-249; Gruner, K. E.; (1997), S. 120 und S. 170-173; Bauer, H. H.; Fischer, M.; (1998), S. 7-8 und Bauer, H. H.; Fischer, M.; (2000), S. 943-944. Vgl. Backhaus, K.; et al.; (1989), S. 148.

Datenauswertung und angewandte statistische Verfahren

417

44

standardmäßigen Voreinstellung vorgibt. Anschließend erfolgte die endgültige Gruppenzuordnung mit Hilfe des partitionierenden k-means-Verfahrens, wobei als Vorgabe die Ausgangspartition aus dem Average-Linkage-Verfahren benutzt wurde. Neben den bereits genannten generellen Vorteilen der Kombination beider Verfahren liegt ein zusätzlicher Vorteil für die vorliegende Untersuchung darin, daß im k-means-Verfahren auch Unternehmen der clusteranalytischen Fusionierung zugänglich waren, die geringe Lücken45 in ihren Angaben zum Technologiestrategieprofil aufwiesen, was bei ausschließlicher Verwendung hierarchischer Verfahren zu deren automatischem Ausschluß aus dem Clusterungsprozeß geführt hätte. 5.4.1.1

Hierarchische Clusteranalyse

Average-Linkage-Verfahren Vor der Durchführung der ersten Fusionierung bedarf es zunächst einer Entscheidung darüber, eine Wieviel-Clusterlösung als optimal für die vorliegende Analyse anzusehen ist. Allgemein hat sich in der empirischen Forschung das Elbow-Kriterium bewährt,46 bei dem ein Wendepunkt in dem Graph der Zunahme des Koeffizienten47 pro Fusionierungsschritt identifiziert wird. An dieser Stelle würde mit einem weiteren Fusionierungsschritt die Distanz innerhalb des neuentstehenden Clusters besonders stark zunehmen. Im vorliegenden Fall weist, wie Abb. 5-7 zeigt, das Elbow-Kriterium eine 7-Clusterlösung als optimal aus. Für das Average-Linkage-Verfahren hat im vorliegenden Fall das Dendogramm die in Abb. 5-8 auf Seite 419 wiedergegebene Gestalt, in der auch bereits die sieben Cluster eingezeichnet wurden. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, daß drei der sieben Cluster nur aus je einem Unternehmen bestehen und somit

44 45

46 47

Vgl. hierzu Brosius, F.; (1998), S. 695-696. Beim Auftreten größerer Lücken in den Technologiestrategieprofilen, die eine verläßliche Clusterzuordnung in Frage gestellt hätten, wurde jedoch auf einen Einbezug dieser Unternehmen in die Clusteranalysen verzichtet. Aus diesem Grund wurden zwei Unternehmen vor Durchführung der Clusteranalysen ausgeschlossen, wie weiter unten genauer erläutert. Vgl. z.B. Backhaus, K.; et al.; (1989), S. 144-147 und Meffert, H.; (1992), S. 277-278. Dieser Koeffizient beschreibt das Anwachsen der Fehlerquadratsummen je Fusionierungsschritt, ist also ein Maß für die Cluster-Homogenität der jeweiligen Clusterungsstufe.

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

1200 1000 800 600 400 200 0

40 43

34 37

28 31

22 25

16 19

7 10 13

4

37

1

Koeffizienten

418

Schritt Abb. 5-7:

Anwachsen der Fehlerquadratsummen je Fusionierungsschritt bei der hierarchischen Clusteranalyse nach dem Average-Linkage-Verfahren. Quelle: Eigene Darstellung

als Ausreißer zu betrachten sind. Hier beweist sich wieder einmal die Stärke des Average-Linkage-Verfahrens, die – wie bereits vorstehend erörtert – nicht zuletzt in der Identifikation von Ausreißern liegt. De facto existieren also vier Cluster im eigentlichen Sinne, die im Folgenden als „Hochinnovative“ (Cluster 1), „Innovative“ (Cluster 2), „Imitative“ (Cluster 3) und „Traditionelle“ (Cluster 4) bezeichnet werden.48 Für das Auftreten von Ausreißern im vorliegenden Fall existiert auch eine plausible inhaltliche Erklärung: Bei den als Ausreißer identifizierten Unternehmen handelt es sich (mit einer Ausnahme) um Unternehmen, die ausschließlich homöopathisch und anthroposophisch ausgerichtet sind, während

48

Der Sinn dieser Benennung wird im Rahmen der späteren Charakterisierung der Cluster und Technologiestrategietypen in Kap. 6. deutlich werden. Zur Vermeidung von Redundanzen soll an dieser Stelle auf eine vorgezogene Erläuterung verzichtet werden. Für die Anschaulichkeit der Ausführungen zu den drei vorgenommenen Clusteranalysen ist die frühzeitige Benennung aber absolut zweckmäßig.

Datenauswertung und angewandte statistische Verfahren

CASE Label Num 55 72 23 2 67 22 56 6 7 24 49 20 43 19 77 14 5 63 31 18 16 53 50 51 52 58 8 9 59 68 57 54 11 36 47 70 37 66 40 29 62 26 28 34

Abb. 5-8:

419

0 5 10 15 20 25 +---------+---------+---------+---------+---------+

Cluster 1: "Hochinnovative"

Cluster 2: "Innovative"

Cluster 5, 6, 7: Ausreißer Cluster 3: "Imitative"

Cluster 4: "Traditionelle"

Dendrogramm der hierarchischen Clusteranalyse mit dem Average-Linkage-Verfahren. Quelle: Eigene Darstellung

420

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

die übrigen Unternehmen der Stichprobe (ganz oder zumindest überwiegend) der klassischen (schulmedizinisch orientierten) Pharmazie folgen.49 Ward-Verfahren Wie bereits zuvor beim Average-Linkage-Verfahren ist zunächst festzulegen, für wie viele Cluster eine konkrete Lösung berechnet werden soll. Dies erfolgt erneut mit Hilfe des Elbow-Kriteriums. Wie Abb. 5-9 zeigt, ergibt sich für das Ward-Verfahren im vorliegenden Fall, daß eine 4-Clusterlösung als optimal anzusehen ist.

K oeffizienten

20000 15000 10000

40

5000

43

40

37

34

31

28

25

22

19

16

13

10

7

4

1

0

Schritt

Abb. 5-9:

49

Anwachsen der Fehlerquadratsummen je Fusionierungsschritt bei der hierarchischen Clusteranalyse nach dem Ward-Verfahren. Quelle: Eigene Darstellung

Während die klassische Arzneimitteltherapie auf Wirkstoffe (bzw. Wirkstoffkombinationen) setzt, die ihre Wirkung an einer spezifischen, klar definierten Stelle im menschlichen Organismus entfalten, spielen für den ganzheitlichen Ansatz der beiden alternativen Therapieformen der Anthroposophie und Homöopathie einzelne Wirkstoffe keine bzw. eine sehr untergeordnete Rolle, vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.1, S. 208ff. Da homöopathische und noch stärker anthroposophische Arzneimittel aber auch im Kernland der Homöopathie, Deutschland, nur eine sehr geringe wirtschaftliche Bedeutung besitzen (der Anteil am deutschen Pharma-Markt – dürfte (in Hersteller-Abgabepreisen) – deutlich unter einem Prozent liegen), war die Untersuchungskonzeption auf eine optimale Trennschärfe im Feld der klassischen Arzneimitteltherapie ausgerichtet und trägt damit notgedrungen den alternativen Therapieansätzen nur begrenzt Rechnung.

Datenauswertung und angewandte statistische Verfahren

CASE Label Num 55 72 23 2 67 22 56 49 6 7 24 20 43 8 9 59 68 57 54 11 26 28 29 34 37 66 40 16 62 36 47 70 53 51 52 58 19 77 14 5 63 31 18 50

Abb. 5-10:

421

0 5 10 15 20 25 +---------+---------+---------+---------+---------+

Cluster 1: "Hochinnovative"

Cluster 3: "Imitative"

Cluster 4: "Traditionelle"

Ausreißer (Bestandteil von Cluster 2)

Cluster 2: "Innovative"

Dendrogramm der hierarchischen Clusteranalyse mit dem Ward-Verfahren. Quelle: Eigene Darstellung

422

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

Das die Fusionierungsschritte wiedergebende Dendrogramm des Ward-Verfahrens, in dem bereits die vier Cluster eingezeichnet sind, gibt Abb. 5-10 auf Seite 421 wieder. Es zeigt sich, daß die vier Cluster des Ward-Verfahrens die gleichen sind, die bereits zuvor im Average-Linkage-Verfahren (vgl. Abb. 5-8 auf Seite 419) identifiziert werden konnten. Auch die Gruppenzuordnung erweist sich als überaus stabil. Lediglich zwei Unternehmen wechseln ihre Clusterzugehörigkeit. 5.4.1.2

Partitionierendes Verfahren

Die im Average-Linkage-Verfahren ermittelte und im Ward-Verfahren bestätigte Clusterung wurde als Ausgangspartition für die nun durchgeführte endgültige Gruppenzuordnung mit Hilfe des partitionierenden k-means-Verfahrens vorgegeben. Die vier so ermittelten Cluster weisen die in Abb. 5-11 wiedergegebenen Größen auf. Von den 80 im Rahmen der Haupterhebung befragten Unternehmen konnten insgesamt 74 den vier Clustern zugeordnet werden. Vor Durchführung der Clu-

35

32

Anzahl Unternehmen

30

25

20

17

16 15

9

10

3

5

0

n chi " Ho

e" ativ nov

Abb. 5-11:

no "In

vat

" ive

iv itat "Im

e"

ie) lle" ath one öop diti a m r o "T r (H i ße s re u A

Größe der vier Cluster auf Basis des k-means-Verfahrens. (Zuordnungsübersicht der 74 (77) Unternehmen zu den 4 (7) Clustern) Quelle: Eigene Darstellung

Datenauswertung und angewandte statistische Verfahren

423

steranalysen wurden bereits drei Unternehmen aus der weiteren Betrachtung ausgeschlossen. Bei zweien waren die Angaben zum jeweiligen Technologiestrategieprofil zu lückenhaft, als daß eine valide Gruppenzuordnung hätte erfolgen können. Bei einem weiteren Unternehmen, einem Biotechnologie-Unternehmen, lag der Schwerpunkt der Unternehmenstätigkeit auf der Entwicklung gentechnischer Diagnostika, die nach den Überlegungen in Abschnitt 5.1.2 auf Seite 399 nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein sollten. Von den verbleibenden 77 Unternehmen, für die Clusteranalysen durchgeführt wurden, konnten, wie vorstehend beschrieben, drei als Ausreißer identifiziert werden. Die so verbliebenen 74 Unternehmen konnten den vier Clustern zugeordnet werden. Für die in Kap. 6 ausführlich beschriebenen und interpretierten Ergebnisse50 wurden, mit Ausnahme des nicht zur relevanten Grundgesamtheit gehörenden Biotechnologie-Unternehmens, alle übrigen 79 Unternehmen zur Berechnung der Branchenmittelwerte herangezogen. Bei der Diskussion gruppenspezifischer Unterschiede wurden hingegen nur die 74 Unternehmen in Betracht gezogen, die den vier Clustern verläßlich zuzuordnen waren. Aufgrund der geringen Fallzahl und der in vielen Fragen gänzlich anders gelagerten Untersuchungsproblematik soll auf eine separate Betrachtung der spezifischen Ergebnisse der Homöopathie- und Anthroposophie-Unternehmen (Ausreißer!) an dieser Stelle verzichtet werden. Für die weitere Analyse ist es zweckmäßig, die vier vorstehend identifizierten Cluster, wie in Abb. 5-12 wiedergegeben, nach der Größe der Unternehmen bzw. deren Eigenständigkeit noch weiter in insgesamt sieben technologiestrategische Gruppen zu unterteilen. Selbstverständlich wird dabei an der Clusterzuordnung keinerlei Veränderung vorgenommen. Lediglich wird der Cluster 1 („Hochinnovative“) nach der Unternehmensgröße in insgesamt drei Subgruppen („Große Internationale Forscher“ (> 6 Mrd. DM Umsatz), „Mittelgroße Internationale Forscher“ (0,3-6 Mrd. DM Umsatz) und „Biotechnologie-Unternehmen“ (< 100 Mio. DM Umsatz))51 und der Cluster 4 („Traditionelle“) nach dem Grad der

50 51

Vgl. S. 431ff. Während in der vorliegenden Arbeit ansonsten (neben dem US-$) alle Währungsangaben konsequent in Euro vorgenommen werden, soll an dieser Stelle eine Ausnahme gemacht werden, da im Interviewleitfaden die einzelnen Größenklassen in DMark angegeben waren, dem seinerzeit (2000) gültigen gesetzlichen Zahlungsmittel. In Euro hätten die Größenklassen „> 3,07 Mrd. €“ („Große Internationale Forscher“),

424

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik “Große internationale Forscher” (> 6 Mrd DM) Cluster 1 “Hochinnovative”

“Mittelgroße internationale Forscher” (0,3 -6 Mrd DM) “Biotechnologie-Unternehmen” (< 100 Mio DM)

Cluster 3 “Imitative”

“Generika-Hersteller”

Cluster 2 “Innovative”

“Innovationsorientierter Mittelstand”

Cluster 4 “Traditionelle”

Cluster 5+7 (Ausreißer) “Homöopathie”

Abb. 5-12:

“OTC/Traditioneller Mittelstand” “OTC-Töchter von MNEs”

“Homöopathie”

Untergliederung der vier Cluster in sieben Technologiestrategietypen. Quelle: Eigene Darstellung

Eigenständigkeit in zwei Untergruppen („OTC-Töchter von Multinational Enterprises (MNEs)“ und „OTC/Traditioneller Mittelstand“) unterteilt. Die Cluster 3 („Imitative“) und 2 („Innovative“) bleiben ungeteilt, sind aber im Sinne einer einheitlichen Nomenklatur auch nach Unternehmenstypen konkreter als „Generika-Hersteller“ („Imitative“) bzw. als „Innovationsorientierter Mittelstand“ („Innovative“) benannt worden. Im einzelnen weisen die sieben52 Technologiestrategietypen die in Abb. 5-13 wiedergegebene Größe auf. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die hohe Übereinstimmung zwischen der in Abb. 5-13 auf Basis der Clusteranalyse vorgenommenen Unternehmenszuordnung zu den einzelnen Technologiestrategietypen und der im Rahmen der Interviews von den Experten vorgenommenen Selbsteinschätzung. Die Experten wurden zu Beginn des Interviews gebeten, ihr Unternehmen im Rahmen eines Selftypings einer von zehn (neun vorgegebenen und einer varia-

52

„0,15-3,07 Mrd. €“ („Mittelgroße Internationale Forscher“) und „< 51 Mio. €“ („Biotechnologie-Unternehmen“) betragen. Vgl. hierzu auch Frage Nr. 0.1.2. (S. 701) in dem im Anhang wiedergegebenen Interviewleitfaden (S. 691ff). Der achte Technologiestrategietyp (Homöopathie) wurde, wie zuvor schon ausführlich erläutert, auf Grund der geringen Fallzahl im folgenden nicht weiter analysiert.

Datenauswertung und angewandte statistische Verfahren 18

17

425

16

16

Anzahl Unternehmen

14

12 12 10

9

9

8

6 6 4

5 3

2 0

er er nd rn. ie) nd Es ller sch nte ath sc h lsta l sta MN rste For itte itte e-U on Fo r öop He i v . M M g t m a r . t. ik te olo Ho rna rad ova ner in öch st ( chn inte C/ T Ge Inn ße Re C- T iote lgr. OT T B e Gro t O t Mi a t. tern

Abb. 5-13:

Übersicht über die Größe der sieben Technologiestrategietypen. (Zuordnungsübersicht der 74 (77) Unternehmen zu den 7 (8) Technologiestrategietypen auf Basis der k-means-Clusteranalyse) Quelle: Eigene Darstellung

blen („Sonstiges“)) Gruppen zuzuordnen.53 Obwohl diese vorgegebenen Gruppen mit den später clusteranalytisch identifizierten Technologiestrategietypen nicht vollkommen übereinstimmen (was ja auch nicht erwartet werden konnte), lassen sich die einzelnen Gruppen doch einzelnen Strategietypen vernünftig zuordnen. Die Übereinstimmung der Gruppen- und Technologiestrategietypzugehörigkeit für die einzelnen Unternehmen ist dabei verblüffend hoch. Lediglich bei den mittelständischen Gruppen ergaben sich gewisse Zuordnungsunterschiede zwischen beiden Typologisierungsansätzen. Dies ist mit Blick auf die später zu beobachtende hohe Varianz in den mittelständischen Technologiestrategietypen auch nicht zu erstaunlich, schließlich drückt diese ja einen hohen Grad an technologiestrategischer Vielfalt in diesen beiden Technologiestrategietypen aus. Insgesamt kann aber das hohe Maß an Übereinstimmung zwischen der clusteranalytischen

53

Vgl. hierzu Frage Nr. 0.1.0. (S. 700) in dem im Anhang wiedergegebenen Interviewleitfaden (S. 691ff).

426

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

Unternehmenszuordnung und dem Selftyping als weiteres Indiz für die Validität der Technologiestrategietypenbildung und Unternehmenszuordnung gewertet werden. 5.4.2

Mittelwertvergleiche

Für die Ermittlung statistischer Ergebnisse wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit vor allem auf Mittelwertvergleiche zurückgegriffen. Allgemein ist im Rahmen statistischer Analysen geboten, Signifikanztests durchzuführen, um von den Ergebnissen der Stichprobe auf die Grundgesamtheit Rückschlüsse ziehen zu können.54 Ein negatives Resultat dieser Signifikanztests hat in der Regel ein Verwerfen der jeweiligen Analyseergebnisse zur Folge. Da die vorliegende Studie, wie in Kap. 5.3 bereits ausführlich beschrieben,55 nahezu die komplette Grundgesamtheit beinhaltet, haben Signifikanztests für die vorliegende Untersuchung nicht dieselbe strenge Gültigkeit56 wie für andere empirische Studien, in deren Stichproben nur relativ geringe Teile der für sie relevanten Grundgesamtheit inkorporiert sind. Nichtsdestotrotz wurden für alle statistischen Analysen dezidierte Signifikanztests in der vorliegenden Arbeit durchgeführt: Dabei gilt es insbesonders, zu prüfen, ob die für eine bestimmte Fragestellung ermittelten Gruppenmittelwerte wirklich voneinander verschieden oder in der Grundgesamtheit identisch sind. Antwort auf diese Frage liefert die einfaktorielle Varianzanalyse (ANOVA), die die Nullhypothese, nämlich daß die beobachteten Mittelwertunterschiede rein zufällig sind, testet. Allerdings stellen alle parametrischen Varianzanalysen, zu denen die ANOVA zählt, unter anderem die Bedingung57 der Varianzhomogenität an die zu untersuchende Stichprobe, d.h. daß die Varianzen in den einzelnen Gruppen nicht zu heterogen verteilt sein dürfen. Daher ist es geboten, im Rahmen der Varianzanalyse Varianz-Homogenitätstests

54 55 56

57

Vgl. Brosius F.; (1998) , S. 444. Vgl. S. 410ff. Auch bei nicht angezeigter Signifikanz dürfte die Irrtumswahrscheinlichkeit, daß nämlich ein Einbezug der noch nicht erfaßten 10 bis max. 25 Prozent der Grundgesamtheit zu stark abweichenden Ergebnissen führen könnte, als äußerst gering angesehen werden. Vgl. zu den weiteren vorausgesetzten Modellannahmen der Varianzanalyse z.B. Bleymüller, J.; et al.; (1991), S. 119-125; Meffert, H.; (1992), S. 301-302; Bleymüller, J.; et al.; (1994), S. 44-46 und Backhaus, K.; et al.; (2000), S. 98-100.

Datenauswertung und angewandte statistische Verfahren

427

(hier mit Hilfe des Levene-Tests) durchzuführen. In der vorliegenden Stichprobe erwies sich die Varianzhomogenität für eine Reihe von Mittelwertvergleichen als nicht gegeben.58 Dieses Resultat ist, auch inhaltlich interpretiert, nicht zu erstaunlich, da die betrachteten Technologiestrategietypen in der Tat ein sehr verschiedenes Maß an Unterschieden zwischen den einzelnen Unternehmen einer Gruppe aufweisen: So ist beispielsweise die Gruppe der Generika-Hersteller relativ homogen zusammengesetzt, während insbesondere die beiden mittelständischen Gruppen aufgrund der technologiestrategischen Unterschiedlichkeit der sich in ihnen befindlichen Unternehmen eine hohe Schwankungsbreite aufweisen. Nun gilt allerdings, daß auch, wenn weder Normalverteilung der Grundgesamtheit noch Varianzhomogenität gegeben sind, die Varianzanalyse dennoch anwendbar bleibt, weil sie einerseits relativ robust gegenüber diesen Verletzungen ist und andererseits ja nur die Tatsache des Vorliegens eines Zusammenhanges und nicht dessen Stärke überprüft wird.59 Obwohl also „der Raum für Fehlinterpretationen verhältnismäßig klein ist“,60 werden in der vorliegenden Arbeit als zusätzliche Absicherung auch noch nicht-parametrische Varianzanalysen durchgeführt, die das Vorliegen von Varianzhomogenität erst gar nicht voraus-

58

59

60

Die im Rahmen von Varianzhomogenitätstests geprüfte Nullhypothese lautet, daß Varianzhomogenität in den Gruppen vorliegt. Eine geringe ausgewiesene Signifikanz bedeutet also, daß die Nullhypothese abzulehnen ist, Varianzhomogenität also nicht vorliegt. Vgl. hierzu die Ausführungen von Wittenberg, R.; Cramer, H.; (2000), S. 216217. Vgl. hierzu die Ausführungen von Backhaus, K.; et al.; (2000), S. 99-100 sowie die dort zitierte Literatur. Bestätigt wird die Ansicht von Backhaus et al., daß Varianzanalysen auch bei nicht gegebener Varianzhomogenität anwendbar bleiben, auch von Bühl/Löfel, die allerdings vorsichtshalber empfehlen, in diesem Fall die Signifikanzschranke niedriger anzusetzen, vgl. Bühl, A.; Löfel, P.; (1999), S. 369. Bortz weist sogar darauf hin, daß parametrische Tests nicht nur unempfindlich gegenüber der Verletzung ihrer Voraussetzungen sind, sondern sogar in diesem Fall konservativer testen als dies unter optimaler Erfüllung ihrer Voraussetzungen der Fall wäre, daß also das Risiko nicht erfüllter Voraussetzungen bei parametrischen Tests eher darin besteht, eine vorhandene Signifikanz fälschlich als nicht vorhanden zu bewerten. Bortz empfiehlt bei Verletzung der Voraussetzungen der parametrischen Tests daher die Überprüfung mittels nicht-parametrischer Verfahren, deren Ergebnis im Widerspruchsfall (zu den parametrischen Ergebnissen) als Maßstab zu verwenden sei, vgl. Bortz, J.; (1989), S. 85-86. Backhaus, K.; et al.; (2000), S. 100.

428

Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik 61

setzen. Konkret bieten sich hierfür die auch als H-Tests bezeichneten KruskalWallis’ Rangvarianzanalysen an.62 Für jeden einzelnen Mittelwertvergleich wurden also sowohl die Signifikanzen der ANOVA als auch der Kruskal-Wallis’ Rangvarianzanalysen untersucht. Die fast vollständige Übereinstimmung beider Signifikanztests für jeden Mittelwertvergleich unterstützt die vorstehend dargelegten Überlegungen zur Stabilität der ANOVA auch bei fehlender Varianzhomogenität. Entscheidend für die Beurteilung der statistischen Aussagekraft der ermittelten Befunde ist die Beobachtung, daß bis auf ganz wenige Ausnahmen fast alle Befunde signifikant (auf dem 10 %-Niveau), die allermeisten sogar hochsignifikant (auf dem 1 %-Niveau, in den meisten Fällen sogar auf dem 0,1 %-Niveau) waren.63 Berücksichtigt man zusätzlich noch die extrem hohe Abdeckung der Grundgesamtheit durch die Stichprobe (auch relativ zu den Abdeckungsgraden früherer Studien),64 so kann zusammenfassend festgestellt werden, daß die erzielten Resultate von extrem hoher statistischer Aussagekraft sind und die technologiestrategischen Positionierungsmuster im deutschen Pharmamarkt umfassend und differenziert beschreiben. Das aufwendige Forschungsdesign hat also in der 61

62

63

64

Vgl. zu den Voraussetzungen für die Durchführung nicht-parametrischer Varianzanalysen, z.B. Brosius, F.; (1998), S. 739-776. Vgl. hierzu z.B. Wittenberg, R.; Cramer, H.; (2000), S. 217-219 und Brosius, F.; (1998), S. 764-770. Vgl. hierzu Feldmann, C.; (2005 b), wo in Ergebnistabellen für jeden einzelnen Mittelwertvergleich sowohl die Signifikanzen der ANOVA als auch die Kruskal-Wallis’ Rangvarianzanalysen angegeben sind. Von den 57 (19 Variablen mal 3 Zeitpunkten) Kernvariablen der Technologiebeschaffung und den 39 (13 Variablen mal 3 Zeitpunkten) Kernvariablen der Technologieverwertung verfehlte nur in jedem Bereich eine Variable das Signifikanzniveau deutlich, je zwei weitere verfehlten das 10 %-Niveau knapp. Bei den detaillierteren Erklärungsvariablen der Technologiebeschaffung bot sich folgendes Bild: Die 6 Variablen des Technologiestrategieimpulses waren alle signifikant, von den 22 Variablen, die die einzelnen F&E-Kooperationsformen untersuchten, waren 7 nicht signifikant (davon 2 nur knapp), von den 28 Variablen der F&E-Standorte waren 5 (davon 3 nur knapp) insignifikant, in allen Fällen kleinere unbedeutende Länder. Bei den detaillierten Erklärungsvariablen der Technologieverwertung ist der Sachstand der folgende: Von den 22 Vermarktungskooperationsvariablen waren 5 insignifikant (davon 1 nur knapp), von den Märkten 5 (davon 1 nur knapp), wiederum handelte es sich um kleine unbedeutende Märkte; und bei den 9 Wettbewerbsvariablen waren 4 (davon 2 nur knapp) insignifikant, davon betrafen drei ein einziges Wettbewerbspotential (Steigerungspotential des Image- und Marketingwettbewerbs). Vgl. hierzu die früheren Ausführung und die Übersicht in Kap. 4.4, S. 377 ff.

Datenauswertung und angewandte statistische Verfahren

429

Tat zur Erreichung der gesetzten Ziele geführt. Aber auch mit Blick auf die Modellevaluation ist die Tatsache, daß nahezu alle Ergebnisse signifikant sind, von hoher Bedeutung: Das in der vorliegenden Arbeit entwickelte Modell des strategischen Technologiemanagements war also offenbar geeignet, Technologiestrategietypen zu identifizieren, die sich hinsichtlich aller Entscheidungsdimensionen für beide Entscheidungsbereiche signifikant voneinander unterschieden. Auf diesen Aspekt wird im Rahmen der Modellkritik in Kap. 8 noch einmal genauer zurückzukommen sein.65

65

Vgl. S. 655ff.

6

Die technologiestrategische Positionierung im deutschen Pharma-Markt 1990-2010

6.1 Überblick über den Fortgang der Analyse zur technologiestrategischen Positionierung 6.1.1

Einordnung in die Gesamtuntersuchungsproblematik

Wie bereits in Kapitel 1 ausführlich dargelegt, verfolgt der praktische Teil der vorliegenden Arbeit, im Rahmen der Anwendung des zuvor abgeleiteten Modells, die Zielstellung,1 eine differenzierte Analyse der technologiestrategischen Ausrichtung der deutschen Pharmabranche 1990, 2000 und 2010 sowie die Identifizierung und Charakterisierung der sie konstituierenden technologiestrategischen Gruppen vorzunehmen.2 Nachdem in Kap. 5 die methodischen Aspekte ausführlich behandelt wurden, wenden sich Kap. 6 und Kap. 7 der inhaltlichen Betrachtung der erzielten empirischen Befunde zu. Kap. 6 wird dies zunächst übergreifend aus der Perspektive der Gesamtbranche tun (vgl. Abb. 6-1). Kap. 7 nimmt eine komprimierte aber differenzierte Charakterisierung der einzelnen Technologiestrategietypen (aus deren individueller Perspektive) vor.3 Konzeptionelle Aspekte werden dann später, aufbauend auf den inhaltlichen Resultaten, in Form der Modellkritik in Kap. 8 behandelt.4

1 2

3 4

Vgl. S. 1ff. Zusätzlich zu der hier im Mittelpunkt stehenden Fragestellung nach der technologiestrategischen Ausrichtung von Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen, die den Gegenstand der vorliegenden Arbeit bildet, wurde vom Autor noch ein weiterer zentraler Gesamtuntersuchungsblock analysiert, der thematisch auf den hier behandelten Untersuchungen aufbaut. Dieser zweite Untersuchungskomplex hat eine differenzierte Analyse zum Inhalt, wie staatliche Regulierungen sich auf die technologiestrategische Ausrichtung der Pharma-Branche auswirken, und welche Unterschiede in Regulierungsbetroffenheit und Art der Regulierungswirkung zwischen den verschiedenen technologiestrategischen Gruppen bestehen. Auf diesen wichtigen Aspekt wird im Rahmen einer seperaten späteren Publikation differenziert eingegangen werden. Vgl. S. 593ff. Vgl. S. 655ff.

432

Die technologiestrategische Positionierung 1. Einleitung

Prolog

Analyse & Extraktion

2. Konzeptionelle Grundlagen: Technologiemanagement im Rahmen der Unternehmensstrategie

3. Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells des strategischen Technologiemanagements

Synthese

4. Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Konkretisierung

5. Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik Fazit

6. Die technologiestrategische Positionierung im deutschen Pharma-Markt im zeitlichen Verlauf 1990 Ÿ 2000 Ÿ 2010 7.1. BiotechnologieUnternehmen

7.2. Große internat. Forscher

7.3. Mittelgroße internat. Forscher

7.4. Innovat. Mittelstand

7.5. OTC/ Trad. Mittelstand

7.6. OTCTöchter von MNEs

7. Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen im deutschen Pharma-Markt

Abb. 6-1:

6.1.2

7.7. GenerikaHersteller

8. Modellkritik und -erweiterung im Spiegel der empirisch gewonnenen Erkenntnisse 9. Zusammenfassung und Ausblick

Übersicht: Einordnung von Kapitel 6 in den Gesamtkontext der Arbeit. Quelle: Eigene Darstellung

Aufgabenstellung der Analyse zur technologiestrategischen Positionierung

Im einzelnen wird der praktische Teil der vorliegenden Arbeit dabei Antwort auf die folgenden Einzeluntersuchungsgesichtspunkte geben: 1) Auf Basis des in Kapitel 3 abgeleiteten und in Kap. 4 auf die spezifischen Gegebenheiten der Pharmazeutischen Industrie konkretisierten und anschließend operationalisierten Modells zum strategischen Technologiemanagement wird untersucht, durch welche technologiestrategischen Charakteristika der deutsche Pharmamarkt insgesamt bestimmt wird. Konkret soll dabei folgenden Aufgabenstellungen nachgegangen werden: a. Zunächst soll auf Basis des bislang nur auf theoretischer Grundlage abgeleiteten Modells erstmals in einer empirischen Studie die technologiestrategische Gesamt-Positionierung einer Branche am Beispiel des deutschen Pharmamarktes beschrieben werden. Dabei wird zuerst die technologiestrategische Ausrichtung der deutschen Pharmabranche zum Erhebungszeitpunkt (2000) überprüft. Punktuell wurde dabei die technologiestrategische

Überblick über den Fortgang der Analyse zur technologiestrategischen Positionierung 433

Ausrichtung besonders prägnanten Charakteristika des praktizierten technologiestrategischen Verhaltens kritisch gegenübergestellt, d.h. also: die hier im Vordergrund stehende kalkulierte Technologiestrategie Einzelaspekten der aktuell realisierten Technologiestrategie.5 b. Darauf aufbauend wird untersucht, ob und welche technologiestrategischen Neupositionierungen die in Deutschland aktive Pharma- und Biotechnologiebranche im Zeitraum von 1990 bis 2010 vorgenommen hat bzw. in Zukunft vornehmen wird. Besonders detailliert wird dabei auf die Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette, die technologiestrategische Risikobereitschaft, das Kooperationsverhalten und die globale geographische Aufstellung eingegangen. 2) In einem zweiten Schritt wird geprüft, ob sich innerhalb dieser Gesamtbranche Gruppen technologiestrategisch ähnlich ausgerichteter Unternehmen identifizieren und charakterisieren lassen, und analysiert, welche Gruppen auf welche Weise die technologiestrategische Ausrichtung der Gesamtbranche prägen. Im einzelnen wird dabei wie folgt vorgegangen: a. Wie in Kapitel 5 bereits ausführlich geschildert, wurden mit Hilfe clusteranalytischer Verfahren sieben unterschiedliche Technologiestrategietypen identifiziert. b. An dieser Stelle ist darauf aufbauend in einem ersten Einzelschritt zu klären, welchen Beitrag diese einzelnen technologiestrategischen Gruppen zur technologiestrategischen Ausrichtung der Gesamtbranche leisten. Konkret wird herausgearbeitet, wo diese technologiestrategische Ausrichtung zwischen den einzelnen Gruppen ähnlich ist oder aber zumindest in die gleiche Grundrichtung weist, und wo das Bild der Gesamtbranche den Mittelwert völlig gegensätzlicher Grundausrichtungen innerhalb der einzelnen Gruppen wiedergibt: anders ausgedrückt, wo das Technologiestrategieprofil der Gesamtbranche homogene und wo es sehr heterogene Züge aufweist. c. In einem zweiten Einzelschritt (Kap. 7) wird anschließend eine komprimierte aber differenzierte Charakterisierung jedes der einzelnen sieben

5

Vgl. zur Unterscheidung von intendierter, kalkulierter und realisierter Strategie die früheren Ausführungen in Kap. 2.2.1.3, S. 69ff.

434

Die technologiestrategische Positionierung

Technologiestrategietypen vorgenommen.6 Dabei erfolgt die Analyse insbesondere entlang der folgenden drei Einzelpunkte: i. Die Charakterisierung der jeweiligen technologiestrategischen Ausrichtung zum Erhebungszeitpunkt (2000). ii. Das Ausmaß und die Trends der technologiestrategischen Neupositionierung in den beiden Dekaden von 1990 bis 2010 iii. Eine möglichst trennscharfe Abgrenzung zu den jeweils „benachbarten“ Technologiestrategietypen 3) Im dritten und letzten Schritt (Kap. 8)7 werden die in Schritt eins und zwei gewonnenen und analysierten empirischen Erkenntnisse herangezogen, die Eignung des in Kap. 3 theoriebasiert abgeleiteten Modells8 kritisch zu hinterfragen und an den Stellen, wo dies im Spiegel der gewonnenen Untersuchungsergebnisse notwendig und zweckmäßig ist, zu erweitern bzw. zu optimieren. 6.1.3

Abfolge der Analyse zur technologiestrategischen Positionierung

Ausgangsbasis der nachfolgenden Betrachtungen in Kapitel 6 bis 8 ist das in Kap. 3 abgeleitete9 und in Abb. 6-2 nochmals wiedergegebene Modell zum technologiestrategischen Management, an dessen Struktur sich auch die Abfolge der nachfolgenden Analyseschritte zur technologiestrategischen Positionierung der Unternehmen im deutschen Pharmamarkt ausrichtet. So wird in Kap. 6.2 zunächst die Technologiebeschaffung untersucht und nachfolgend in Kap. 6.3 die Technologieverwertung. Beide Kapitel analysieren dabei nacheinander jeweils jede der sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen. Sowohl in Kap. 6.2 als auch in Kap. 6.3 wird dabei das Ziel verfolgt, die technologiestrategische Ausrichtung der Gesamtbranche zu beschreiben. Eine komprimierte Charakterisierung und Abgrenzung der sieben Technologiestrategietypen bietet dann Kap. 7 und richtet sich wiederum an den sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen aus. Allerdings erfolgt im Kapitel 7 die Diskussion der beiden technologiestrategischen Entscheidungsbereiche, Technologiebeschaffung und -verwertung, gleichzeitig. 6 7 8 9

Vgl. S. 593ff. Vgl. S. 655ff. Vgl. S. 113ff. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3 (S. 113ff), insbes. Abb. 3-3, S. 119.

Überblick über den Fortgang der Analyse zur technologiestrategischen Positionierung 435 Globale Technologiestrategie

Technologiebeschaffungsstrategie

Technologieverwertungsstrategie

• Angestrebtes technologisches Leistungsniveau, Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette und technologiestrategische Risikobereitschaft

• Angestrebtes technologisches Leistungsniveau, Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette und technologiestrategische Risikobereitschaft

(Technologieposition relativ zum Wettbewerb bei der Technologiebeschaffung)

• Timing

(Technologieposition relativ zum Wettbewerb bei der Technologieverwertung)

• Timing

(Zeitpunkt des Einstiegs in einen Technologiebereich relativ zum Wettbewerb)

• Intensität der Außenorientierung (Make-or-Buy-Relation bei der Technologiebeschaffung)

• Technologischer Verflechtungsgrad (F&E-Kooperationsbereitschaft und strategische Bedeutung von Netzwerken zur Technologiebeschaffung)

• Breite der technologischen Ausrichtung (Starke Spezialisierung versus große Bandbreite der Know-howBeschaffungsaktivitäten)

• Geographische Ausdehnung und Standortwahl (Lokale versus globale Abdeckung der Know-how-Beschaffung)

(Zeitpunkt des Beginns der Technologieverwertung relativ zum Wettbewerb)

• Intensität der Außenorientierung (Eigen- oder Fremdvermarktungsrelation)

• Technologischer Verflechtungsgrad (Vertriebs-Kooperationsbereitschaft und strategische Bedeutung von Vermarktungs-Netzwerken zur Technologieverwertung)

• Breite der technologischen Ausrichtung (Starke Spezialisierung versus große Bandbreite der Know-howVerwertungsaktivitäten)

• Geographische Ausdehnung und Marktwahl (Lokale versus globale Abdeckung der Vermarktungsaktivitäten)

(Neu-) Positionierung: Technologiestrategische Veränderungen

Abb. 6-2:

1990

=>

2000

=>

2010

Sechs technologiestrategische Entscheidungsdimensionen charakterisieren die Technologiebeschaffungs- und Technologieverwertungsstrategie jedes Unternehmens. Quelle: Eigene Darstellung

In allen drei (Unter-)Kapiteln (6.2, 6.3 und 7) werden dabei für jede der sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen sowohl die drei verschiedenen Betrachtungszeitpunkte (1990, 2000 und 2010) als auch das Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung diskutiert. Das Unterkapitel 6.410 geht abschließend noch kurz auf den Rahmen von Technologiestrategien ein: – Die technologiestrategische Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und

-potentiale – Die Wichtigkeit von unterschiedlichen Technologiestrategieimpulsen (Tech-

nology push versus Market pull) und – Der technologiestrategische Planungshorizont

10

Vgl. S. 559ff.

436

Die technologiestrategische Positionierung

6.2 Technologiebeschaffungsstrategie 6.2.1

Angestrebtes technologisches Leistungsniveau

Von den sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen, die nachfolgend für den Bereich der Technologiebeschaffung diskutiert werden sollen, ist – wie bereits bei der Ableitung des Modells erörtert wurde11 – die erste, die das angestrebte technologiestrategische Leistungsniveau zum Gegenstand hat, die komplexeste und nimmt aus diesem Grunde auch einen weit größeren Raum in den nachfolgenden Betrachtungen ein als die übrigen fünf Entscheidungsdimensionen. Wie ebenfalls bereits bei der Ableitung des Modells dargelegt, konstituiert sich diese technologiestrategische Entscheidungsdimension „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ aus den beiden Subdimensionen „Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette“ und „technologiestrategische Risikobereitschaft“. Für jede dieser beiden Subdimensionen sollen nacheinander zunächst die Entwicklung der Gesamtbranche und, darauf aufbauend, die dabei zwischen den sieben Technologiestrategietypen auftretenden spezifischen Unterschiede betrachtet werden. 6.2.1.1

Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette

Zwar wurde in Kap. 3.3.2.1 postuliert,12 daß direkt von der Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette auf die angestrebte relative technologiestrategische Wettbewerbsposition geschlossen werden kann. Zur Überprüfung dieser Annahme wurde für den Bereich der Technologiebeschaffung diese grundsätzliche Frage aber auch noch einmal direkt gestellt.13 Im Rahmen der genaueren Betrachtung der ersten der beiden Subdimensionen wird hier also zunächst der Frage nach der „angestrebten relativen technologiestrategischen

11

12

13

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.1 (S. 137ff) und 4.2.1.1 (S. 334ff). Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.1 (S. 137ff), insbesondere die zur Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette auf S. 159ff. An dieser Stelle soll zunächst allerdings nur auf die konkreten inhaltlichen Ergebnisse eingegangen werden. Die Zulässigkeit der oben erwähnten Annahme soll erst in Kap. 8, S. 655ff, eingehender erörtert werden.

Technologiebeschaffungsstrategie

437

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 1: Strategische Bedeutung des Ziels "Anstreben der technologischen Führung" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2

-1

Größtenteils Eher nicht nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3

Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-3:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung des Ziels, „Technologieführer zu sein“, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Wettbewerbsposition“ nachgegangen, d.h. der Bedeutung, die das Anstreben der technologischen Führung im Rahmen der jeweiligen Technologiestrategie hat. Für die Branche als Ganzes zeigte sich 1990 ein ziemlich indifferentes Bild, was die technologiestrategische Bedeutung des Anstrebens der technologischen Führung anbetraf (Abb. 6-4 auf Seite 439), wobei allerdings die technologische Führung im zeitlichen Verlauf der beiden Folgedekaden bis 2010 deutlich an Wichtigkeit gewinnt (Abb. 6-5 auf Seite 440). Die auftretenden gruppenspezifischen Unterschiede sind in Abb. 6-3 wiedergegeben. Dabei ist festzustellen, daß das Ziel, Technologieführer zu sein, bereits 1990 für die einzelnen Strategietypen nahezu entgegengesetzte Bedeutung besaß: So ist die technologiestrategische Bedeutung für Biotechnologieunternehmen und die Großen Internationalen Forscher hoch, während sie für Generika-Hersteller, OTC-Töchter von MNEs und OTC/Trad. Mittelstand äußerst gering ist. Hingegen entsprechen die Mittelgroßen Internationalen Forscher und der Inno-

438

Die technologiestrategische Positionierung

vat. Mittelstand nahezu exakt dem Branchenmittel. Auch zeigt sich, daß die technologiestrategische Polarisierung, also die Gegensätzlichkeit der gruppenspezifischen Technologiestrategien, im zeitlichen Verlauf weiter stark zunimmt. Dies wird am deutlichsten für die beiden mittelständischen Technologiestrategietypen und die Mittelgroßen Internat. Forscher, deren technologiestrategische Distanz 1990 noch vergleichsweise gering war: Während nämlich für den OTC/Trad. Mittelstand die technologiestrategische Bedeutung auch 2010 äußerst gering bleibt, nimmt die strategische Bedeutung für die Mittelgroßen Internat. Forscher und den Innovat. Mittelstand drastisch zu und erlangt, zumindest für die Mittelgroßen Internat. Forscher, die gleiche existentielle Bedeutung wie für die Großen Internat. Forscher und die Biotechnologie-Unternehmen. Die Mittelgroßen Internat. Forscher nehmen dabei, dicht gefolgt vom Innovat. Mittelstand, die größte technologiestrategische Neupositionierung aller Gruppen vor, die hinsichtlich des Ausmaßes weit über der der übrigen Gruppen liegt. Für die Großen Internat. Forscher und die Biotechnologie-Unternehmen erfährt das ohnehin schon hohe technologiestrategische Bedeutungsniveau eine moderate Zunahme; bei den OTC-Töchtern, den Generika-Herstellern und dem schon erwähnten OTC/Trad. Mittelstand sind auf einem äußerst geringen Bedeutungsniveau auch die Veränderungen nur sehr gering ausgeprägt. Nach dieser übergeordneten Betrachtung soll für die Subdimension der „Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette“ auch die Detailanalyse vorgenommen werden. Wie Abb. 6-4 zeigt, waren 1990 die Innovationsschwerpunkte im Branchendurchschnitt relativ gleichmäßig über die verschiedenen Stufen der Technologiewertschöpfungskette verteilt. Wie zu Beginn dieses Kapitels ausgeführt, hat die Technologieführerschaft insbesondere in der ersten Dekade bis heute eine merkliche Bedeutungszunahme erfahren und zu einer Verlagerung der Innovationsschwerpunkte entlang der Technologiewertschöpfungskette in Richtung Wirkstofforschung und -verbesserung geführt (Abb. 6-5). Das Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung war im Branchenmittel in der ersten Dekade deutlich stärker ausgeprägt als in der zweiten Dekade, in der sich der Trend in abgeschwächter Form fortgesetzt hat (Abb. 6-4). Für die Industrie als Ganzes zeigt sich konkret das folgende Bild (Abb. 6-4 auf Seite 439): Die Erforschung gänzlich neuer Wirkstoffe (New Molecular Entities) nimmt genau wie die Wirkstoffverbesserung und die Erweiterung des Indi-

Technologiebeschaffungsstrategie

439 Branchenüberblick

Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen der Pharma-Branche: Technologiebeschaffungsstrategieprofilveränderungen 1990-2000-2010 Teil 1: Angestrebtes technologisches Leistungsniveau und Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 Anstreben der technologischen Führung Erforschung gänzlich neuer Wirkstoffe (NMEs) Wirkstoffverbesserung und Indikationserweiterung Entwicklung neuer Kombinationspräparate Verbesserte Galenik oder Darreichungsform Beschränkung der Verbesserungsaktivitäten auf "eigene" Wirkstoffe Entwicklung von Generika Verfahrensentwicklung Verfahrensentwicklung primär zur Produktkostenreduktion Verfahrensentwicklung primär zur Optimierung der Produkteigenschaften -3

Gar nicht

Pharma-Branche-Ges. 1990 Pharma-Branche-Ges. 2000 Pharma-Branche-Ges. 2010 -2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-4:

Branchenüberblick: Technologiebeschaffungsstrategieprofil der PharmaBranche im zeitlichen Verlauf 1990-2010: Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus – Teil I: Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette 1990, 2000 und 2010. Quelle: Eigene Darstellung

kationsspektrums merklich an Bedeutung zu, erreicht im Branchendurchschnitt aber nur wenig mehr als mittlere Bedeutung. Die Entwicklung neuer Arzneimittelkombinationen verliert (auch stark durch das regulatorische Umfeld getrieben) an Gewicht und besitzt für die Branche nur noch eher geringe Bedeutung. Der Schwerpunkt der Innovationsaktivitäten liegt auch 2010 auf galenischer Forschung und Entwicklung, die in beiden Dekaden eine technologiestrategische Aufwertung verzeichnen konnten. Diese Beobachtungen stehen durchaus im Einklang mit der Tatsache, daß nur ein relativ geringer Teil der neu zugelassenen Arzneimittel auf gänzlich neuen Wirkstoffen (NMEs) beruht.14 14

Vgl. hierzu die Diskussion deutscher Zulassungsdaten, die zu Ende des Kap. 4.1.4 (S. 308ff) geführt wurde. Die obigen Befunde unterstreichen auch die dort zum Ausdruck gebrachte Überzeugung, daß sich aus diesem Grunde (auf die Wirkstoff-

440

Die technologiestrategische Positionierung

Branchentrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen der Pharma-Branche: Technologiebeschaffungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 1: Veränderungen hinsichtlich des angestrebten technologischen Leistungsniveaus und der Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette 1990-2010

Anstreben der technologischen Führung Erforschung gänzlich neuer Wirkstoffe (NMEs) Wirkstoffverbesserung und Indikationserweiterung Entwicklung neuer Kombinationspräparate Verbesserte Galenik oder Darreichungsform Beschränkung der Verbesserungsaktivitäten auf "eigene" Wirkstoffe Entwicklung von Generika Verfahrensentwicklung Verfahrensentwicklung primär zur Produktkostenreduktion Verfahrensentwicklung primär zur Optimierung der Produkteigenschaften

Pharma-Ges.

Zunahme -1,0 0,0 1,0 Abnahme der Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-5:

Branchentrendanalyse: Technologiebeschaffungsstrategische Neupositionierung der Pharma-Branche 1990-2010: Veränderungen in der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus – Teil I: Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette. Quelle: Eigene Darstellung

Nahezu unverändert äußerst gering bleibt die Imitationsneigung der Branche: Zwar erfolgt hinsichtlich einer Beschränkung von Verbesserungsaktivitäten auf ausschließlich eigene Wirkstoffe15 keine eindeutige Festlegung, aber Generika stehen zu keinem der drei Betrachtungszeitpunkte im Zentrum technologiestrategischer Überlegungen. Dies stellt auf den ersten Blick angesichts des rasanten Anstiegs der Bedeutung von Generika im deutschen Markt eigentlich eine überraschende Beobachtung dar,16 die aber im Rahmen der sich gleich anschließen-

15

16

forschung fokussierte) Innovationsprozesse nicht zur Beurteilung der Höhe des technologischen Leistungsniveaus eignen, vgl. ebenda, ebendort. Unter eigenen Wirkstoffen sind solche Wirkstoffe zu verstehen, bei denen das betreffende Unternehmen der Originator war (bzw. durch Lizenzerwerb zum „Co-Originator“ wurde). Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.3, S. 244ff.

Technologiebeschaffungsstrategie

441

den Analyse auf Ebene der einzelnen Technologiestrategietypen verständlicher werden wird. Die Verfahrens- und Prozeßentwicklung wird im zeitlichen Verlauf immer wichtiger. Diese Entwicklung wird nahezu gleichermaßen getrieben durch das Motiv, die Produktkosten zu reduzieren, als auch durch die Zielsetzung, Qualitätsvorsprünge hinsichtlich der Produktattribute zu erlangen. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß sich die Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette zunehmend mehr zu größeren Innovationsschritten (von Schritt- zu Sprunginnovationen) verlagert, und somit das angestrebte technologische Leistungsniveau deutlich höher wird. Insgesamt nehmen die Anstrengungen der Branche, hochinnovative Arzneimittel zu erforschen, deutlich zu. Zu dieser ambitionierten technologiestrategischen Positionierung, die ganz auf rigorose Innovationen setzt, passen auch die heute schon in Relation zum Umsatz äußerst hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung (Abb. 6-6). Diese sind ebenfalls im Vergleich zu anderen Branchen außerordentlich hoch: So ermittelte der Stifterverband 1997 für die Pharmazeutische Industrie F&E-Ausgaben von 12,5 % in Relation zum Umsatz, während die Vergleichswerte für die Elektrotechnik (Büromaschinen, DV-Geräte, Elektrotechnik) 6,7 %, die der Chemischen Industrie (einschließlich Pharmazeutischer Industrie) 6,5 %, die des Fahrzeugbaus 6,4 %, die des Verarbeitenden Gewerbes 4,6 % und die des Maschinenbaus nur 3,4 % betrugen.17

17

Vgl. VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 25. Eine aktuellere und differenziertere Vergleichsbetrachtung aus den USA bestätigt das Ergebnis, daß die Pharmazeutische Industrie hinsichtlich der F&E-Intensität im Branchenvergleich die Spitzenposition belegt: Während die Pharmazeutische Industrie 2000 im Durchschnitt 12,8 % vom Umsatz für F&E aufwendete, waren dies in den Industriesektoren Computer-Software und IT-Dienstleistungen 10,5 %, bei Elektrik und Elektronik 8,4 %, Büromaschinen 7,8 %, Telekommunikation 5,3 %, Freizeitprodukten 4,7 %, Automobilen 3,9 %, Luft- und Raumfahrt und Verteidigung 3,8 %, Metallverarbeitung und -gewinnung 1,2 % und Papier- und Forstprodukten 0,7 %. Der Durchschnitt aller Industriezweige lag bei 3,9 %. Vgl. hierzu Standard and Poor’s Compustat, zitiert nach PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2001 a), S. 14, Abbildung 2-3 sowie PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2001 b), S. 18. Die Pharmazeutische Industrie hat auch früher schon (hier konkret 1981) im Branchenvergleich überproportional viel in Forschung und Entwicklung investiert, vgl. hierzu Kaufer, E.; (1985), S. 15-16, diese Tendenz hat sich aber in den letzten Jahren noch weiter verstärkt.

442

Die technologiestrategische Positionierung Häufigkeitsverteilung hinsichtlich der F&E-Intensität in der Gesamtstichprobe F&E-Aufwendungen weltweit (eigene F&E und externer Technologieerwerb) in % vom Umsatz 35 30

Häufigkeit in %

25 20 15 10 5 0 0%

0%-2%

2%-5%

5%-10% 10%-15% 15%-20% 20%-25%

> 25%

F&E-Intensität (in %)

Abb. 6-6:

F&E-Intensität der in Deutschland aktiven Pharma-Branche 2000 (in % vom Umsatz). Quelle: Eigene Darstellung

Die tiefergehende Analyse dieser technologiestrategischen Ausrichtung und Neupositionierung der Gesamtbranche zeigt, wie ja bereits für das Anstreben der technologischen Führung erörtert wurde,18 daß in den allermeisten Fällen die Gesamtveränderung nicht auf gleichmäßigen Beiträgen der sieben Einzelstrategietypen beruht, die diese Gesamtbranche konstituieren. Daß solche systematischen Unterschiede zwischen den einzelnen Technologiestrategietypen (und Unternehmen) für jede der sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen auftreten können, und in vielen Fällen auch werden, war ja auch gerade Teil der zentralen Basisannahme, die der in Kap. 3 vorgenommenen Ableitung des Modells zum Strategischen Technologiemanagement zugrunde liegt.19 Hierauf wird in Kap. 8 im Rahmen einer umfassenden kritischen Bewertung dieses Modells noch näher einzugehen sein.20 An dieser Stelle sollen nun die für die Schwer-

18 19 20

Vgl. die diesbezüglichen Ausführungen auf S. 436ff. Vgl. S. 113ff. Vgl. S. 655ff.

Technologiebeschaffungsstrategie

443

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 2: Strategische Bedeutung des Ziels "Erforschung gänzlich neuer Wirkstoffe (NMEs)" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1

Eher

2 Größtenteils

3

Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-7:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung des Ziels, „Gänzlich neue Wirkstoffe zu erforschen“, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

punktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette auftretenden gruppenspezifischen Unterschiede einer eingehenderen Analyse unterzogen werden. Abb. 6-7 zeigt die Unterschiede, die das technologiestrategische Ziel, gänzlich neue Wirkstoffe zu erforschen (NMEs), für die sieben Technologiestrategietypen aufweist. Dabei ist festzustellen, daß bereits 1990 – noch stärker als dies hinsichtlich der Frage der Technologieführerschaft der Fall war21 – die technologiestrategische Bedeutung für die Branche insgesamt auf entgegengesetzten Bedeutungswertigkeiten der Technologiestrategietypen beruht: So ist die technologiestrategische Bedeutung für Biotechnologieunternehmen und die beiden Gruppen von Internationalen Forschern hoch, während sie für Generika-Hersteller, OTCTöchter von MNEs und OTC/Trad. Mittelstand ohne jede Bedeutung ist. Auch zeigt sich, daß die technologiestrategische Polarisierung hier, analog zur zuvor

21

Vgl. S. 436ff.

444

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 3: Strategische Bedeutung des Ziels, "bekannte Wirkstoffe zu verbessern und neue Indikationen zu identifizieren", im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3

Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-8:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung des Ziels, „bekannte Wirkstoffe zu verbessern und neue Indikationen zu identifizieren“, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

diskutierten Technologieführerschaft, im zeitlichen Verlauf noch weiter stark zunimmt. Dies wird am deutlichsten für die beiden mittelständischen Technologiestrategietypen, deren technologiestrategische Distanz 1990 noch relativ gering war: Während nämlich für den OTC/Trad. Mittelstand die technologiestrategische Bedeutung auch 2010 bei nahezu Null verharrt, sucht der Innovat. Mittelstand Anschluß an das hochinnovative Hauptfeld (bestehend aus Internationalen Forschern und Biotechnologie-Unternehmen) zu halten. Dementsprechend weist der Innovat. Mittelstand das höchste Maß an technologiestrategischer Neupositionierung hinsichtlich der Wichtigkeit, gänzlich neue Wirkstoffe zu erforschen, auf. Im Gegensatz zur Erforschung gänzlich neuer Wirkstoffe ist die technologiestrategische Polarisierung für die Wirkstoffverbesserung und Erweiterung des Indikationsspektrums auch bis 2010 nicht so ausgeprägt (Abb. 6-8): Vor allem

Technologiebeschaffungsstrategie

445

die Erweiterung des Indikationsspektrums gewinnt für Mittelgroße Internationale Forscher und OTC-Töchter merklich an Bedeutung. Auch die BiotechnologieUnternehmen erweitern ihre Innovationsaktivitäten entlang der Technologiewertschöpfungskette über die Erforschung gänzlich neuer Wirkstoffe hinaus. Gegenläufige Entwicklungen stehen hinter dem für die Gesamtbranche zu verzeichnenden Bedeutungsverlust der Entwicklung neuer Kombinationspräparate (Abb. 6-9): Während dieses Ziel insbesondere für den OTC/Trad. Mittelstand dramatisch an strategischer Wertigkeit einbüßt (in geringerem Maße auch für den Innovat. Mittelstand und die Mittelgroßen Internat. Forscher), erhöht sich die strategische Bedeutung für die OTC-Töchter leicht und für die BiotechnologieUnternehmen sogar beträchtlich. Insgesamt hat die Kombinationsentwicklung, sowohl heute als auch in Zukunft, für die Gesamtbranche und die einzelnen Technologiestrategietypen nur eine sehr untergeordnete Priorität. Einzige Ausnahme hiervon bilden die OTC-Töchter, die mit ihrem stark auf das Selbstmedikationssegment ausgerichteten Produktportfolio dem negativen Einfluß von Erstattungsregulierungen im Bereich der gesetzlichen Krankenkassen für Kombinationspräparate nicht so stark ausgesetzt sind. Auch können sie aufgrund der größeren Erfahrung, die ihre zuständigen Fachabteilungen besitzen, die mit Kombinationsarzneimitteln verbundenen besonderen zulassungsregulatorischen Schwierigkeiten besser bewältigen. Zusätzlich können die Kosten für die bei Kombinationsarzneimitteln im Vergleich zu Monopräparaten besonders umfangreichen klinischen Studien von den in der Regel anschließend relativ umsatzstarken Markenarzneimitteln eher getragen werden, als dies z.B. bei umsatzschwachen Nischenprodukten von mittelständischen Unternehmen der Fall wäre. Bereits 1990 war die strategische Bedeutung der galenischen Entwicklung für fast alle Technologiestrategietypen außerordentlich hoch; eine Ausnahme bildeten hier die Großen Internationalen Forscher und die Generika-Hersteller, bei denen dies nicht ganz so ausgeprägt der Fall war (Abb. 6-10). Für die Biotechnologie-Unternehmen waren galenische Entwicklungsaktivitäten sogar überhaupt nicht Gegenstand der Technologiestrategie. Die für die Gesamtbranche zu beobachtende Zunahme der strategischen Bedeutung galenischer Entwicklungstätigkeiten beruht vor allem auf einem deutlichen Prioritätszuwachs bei den Biotechnologie-Unternehmen, den OTC-Töchtern und den Generika-Herstellern, während die Veränderungen bei den übrigen Gruppen minimal sind. Interessan-

446

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 4: Strategische Bedeutung des Ziels, "neue Kombinationen bekannter Wirkstoffe zu entwickeln", im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3

Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-9:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung des Ziels, „neue Kombinationen bekannter Wirkstoffe zu entwickeln“, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

terweise liegen die Hauptveränderungen allerdings in der zweiten Dekade (im Gegensatz zu den meisten übrigen zu beobachtenden technologiestrategischen Neuorientierungen in der Gesamtbranche, die in der ersten Dekade zu beobachten waren): Dies liegt für die Biotechnologie-Unternehmen darin begründet, daß sie, ausgehend von ihrer Kernaktivität der Wirkstofforschung, nur langsam und mit nachgeordneter Priorität in die nachgelagerten Stufen der Technologiewertschöpfungskette expandieren. Für die Generika-Hersteller besaßen galenische Entwicklungen in der Vergangenheit (und eingeschränkt ist dies auch heute noch der Fall) nur eine relativ geringe Bedeutung, da sich mit ihnen zwar leichte Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen generischen Wettbewerbern erzielen, aber keine höheren Preise durchsetzen ließen, was u.a. an der Einschränkung des Preisbildungsspielraumes nach oben durch Festbetragsregulierungen (und die Aut-Idem-Regelung) liegt. In Zukunft wird sich aber durch die Entwicklung

Technologiebeschaffungsstrategie

447

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 5: Strategische Bedeutung des Ziels, "eine verbesserte Galenik oder Darreichungsform zu entwickeln", im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

1990 2000 2010 -2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-10:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung des Ziels, „eine verbesserte Galenik zu entwickeln“, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

neuer (dann auch patentgeschützter) Darreichungssysteme zunehmend eine Alleinstellung (auch gegenüber dem Originator) im Markt erreichen lassen, wie das Beispiel USA zeigt, wo dies schon heute der Fall ist. Für die OTC-Töchter war galenische Überlegenheit ein wichtiger technologiestrategischer Bestandteil, um ihre starken Marken auf der Ebene der Produktattribute zu untermauern; deshalb soll diese galenische Überlegenheit auch in Zukunft weiter ausgebaut werden und erreicht 2010 die höchste strategische Wertigkeit aller Gruppen. Die in Abb. 6-11 und Abb. 6-12 wiedergegebenen strategischen Zielsetzungen, Innovationsaktivitäten (nicht) nur auf eigene Wirkstoffe zu beschränken und Generika zu entwickeln, beschreiben (indirekt und direkt) die Imitationsneigung der betreffenden Unternehmen. Wie die Diagonale in Abb. 6-11 zeigt, bestehen hinsichtlich der Beschränkung auf ausschließlich eigene Wirkstoffe (und damit des Ablehnens jeglicher Imita-

448

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 6: Strategische Bedeutung des Ziels, "sich bei Wirkstoffverbesserungen oder deren Galenik ausschließlich auf eigene Wirkstoffe zu beschränken", im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-11:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung des Ziels, „alle Verbesserungsaktivitäten ausschließlich auf eigene Wirkstoffe zu beschränken“, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

tionen) zwischen den einzelnen Technologiestrategietypen fundamentale Unterschiede, die das gesamte Spektrum von einer ausschließlichen Beschränkung der Innovationsaktivitäten auf eigene Wirkstoffe bei den Biotechnologie-Unternehmen bis zum vollständigen Fehlen dieser Einschränkung bei den Generika-Herstellern abdeckt. Im zeitlichen Verlauf weist die Positionierung der einzelnen Strategietypen hierbei nahezu keinerlei Veränderung auf. Die teilweise Imitation, die dann allerdings nur als Ausgangslage für eigenständige Innovationsleistungen dient, spielt also für fast alle Technologiestrategietypen eine gewisse Rolle, die eher von dem Ausnahmefall bei den Internationalen Forschern und insbesondere den Biotechnologie-Unternehmen bis zum regelmäßigen Rückgriff auf nicht-selbsterforschte Wirkstoffe bei den mittelständischen Gruppen, den OTCTöchtern und, in extremer Form, bei den Generika-Herstellern reicht.

Technologiebeschaffungsstrategie

449

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 7: Strategische Bedeutung des Ziels, "Generika zu entwickeln", im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen 1990 2000 2010

Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2

-1

Größtenteils Eher nicht nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-12:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung des Ziels, „Generika zu entwickeln“, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Eine eindeutigere Polarisierung innerhalb der Gesamtbranche läßt sich für die vollständige, oder zumindest weitestgehende, gezielte Imitationsstrategie ausmachen. Diese spielt lediglich für die Generika-Hersteller eine entscheidende Rolle und ist sogar von existentieller Bedeutung für diesen Strategietyp. Im Gegensatz dazu spielt sie für die mittelständischen Gruppen nur eine untergeordnete Rolle und wird hier in Form eigener Markengenerika (branded by product) in vielen Fällen vor allem zur Abrundung des eigenen Produktportfolios genutzt. Für die Biotechnologie-Unternehmen, die Internationalen Forscher und deren OTC-Töchter spielen Generika nahezu keine Rolle. Hinsichtlich der Bedeutungsveränderung im zeitlichen Verlauf zeigen sich allerdings bei diesen vier Strategietypen gegensätzliche Trends: Während für die beiden Gruppen der Internationalen Forscher die Wertigkeit von Generika noch weiter sinkt, ist es bei OTCTöchtern und Biotechnologie-Unternehmen umgekehrt. Die Ursache hierfür liegt

450

Die technologiestrategische Positionierung

darin, daß in den nächsten Jahren eine Reihe gentechnisch erzeugter Arzneimittel ihren Patentschutz verlieren und eventuelle Imitatoren verfahrenstechnische Expertisen für eine Nachahmung dieser Produkte benötigen, für die sich Biotechnologie-Unternehmen als Kooperationspartner anbieten. Einige dieser Biotechnologie-Unternehmen können sich eine derartige Kooperation auch durchaus vorstellen. Daß der Bedeutungszuwachs im Mittel für diese technologiestrategische Gruppe gering ausfällt, liegt daran, daß dies aber auch in Zukunft für die Biotechnologie-Unternehmen nur ein Randgeschäft von untergeordneter Bedeutung bleiben wird. Einige Unternehmen schließen es sogar als nicht kompatibel mit ihrem Kerngeschäft gänzlich aus. Für die OTC-Töchter können einzelne Generika eine punktuell interessante Erweiterung/Abrundung der Produktpalette darstellen; ohnehin besitzt die Frage der Originatorenschaft in diesem von Marken geprägten Geschäft nur eine verschwindend geringe Bedeutung. Der Befund, daß die gezielte Imitationsstrategie in Form der Generika-Entwicklung nur für eine einzige der sieben technologiestrategischen Gruppen, nämlich die Generika-Hersteller, im Mittelpunkt ihrer Technologiestrategie steht, erklärt nun auch den weiter vorn aufgegriffenen, scheinbaren Widerspruch zwischen der im Industriemittel relativ geringen technologiestrategischen Bedeutung des Zieles der Generikaentwicklung und dem gleichzeitigen rasanten Anstieg des volumen- und wertmäßigen Marktanteils von Generika im deutschen Arzneimittelmarkt (und nicht nur dort):22 Nur eine relativ kleine Gruppe von Unternehmen hat sich auf dieses attraktive Marktsegment spezialisiert (und bekennt sich auch explizit im Rahmen ihrer Technologiestrategie dazu). Die merkliche Bedeutungszunahme, die die Verfahrens- und Prozeßentwicklung im Branchenmittel erfahren hat, wird von allen Gruppen, mit Ausnahme des OTC/Trad. Mittelstandes und der OTC-Töchter, relativ gleichmäßig getragen (vgl. Abb. 6-13). Für diese beiden Ausnahmen besitzt Verfahrens- und Prozeßentwicklung insgesamt auch die niedrigste strategische Wertigkeit aller Gruppen. Aufschlußreich für das Verständnis dieser Entwicklung ist es, der dabei für die Durchführung von Verfahrens- und Prozeßentwicklung primär entscheidenden Zielsetzung für die einzelnen Technologiestrategietypen nachzugehen: Hierbei ist zu unterscheiden, ob der Anreiz für die Verfahrensentwicklung hauptsächlich von dem Wunsch einer Produktkostenreduktion oder der Möglichkeit, neue oder bessere Produkte überhaupt hestellen zu können, ausgeht. 22

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.3, S. 244ff.

Technologiebeschaffungsstrategie

451

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 8: Strategische Bedeutung des Ziels, "Verfahrensentwicklung zu betreiben", im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

1990 2000 2010 -2

-1

Größtenteils Eher nicht nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-13:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung des Ziels, „neue Verfahren und Prozesse zu entwickeln“, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Die höchste Priorität, Verfahrensentwicklung vor allem zur Kostenreduktion zu betreiben, weisen die Generika-Hersteller auf (Abb. 6-14). Für die von diesem Technologiestrategietyp verfolgte Strategie, preisgünstige Nachahmerprodukte anzubieten, ist die Erlangung der Kostenführerschaft von elementarer Bedeutung. In dieser Hinsicht war daher die technologiestrategische Positionierung der Generika-Hersteller bereits 1990 eindeutig und hat nur noch eine geringe zusätzliche Aufwertung erfahren. Für alle übrigen Technologiestrategietypen – mit Ausnahme der OTC-Töchter und des OTC/Trad. Mittelstandes – ist die Produktkostenreduktion zwar nicht unwichtig, und im Laufe der beiden Dekaden auch merklich wichtiger geworden, aber nicht das zentrale Motiv, Verfahrensentwicklung zu betreiben. Verfahrensentwicklung mit dem alleinigen Ziel der Produktkostenreduktion wird grundsätzlich immer nur dann durchgeführt, wenn die relativ hohen Kosten der Entwicklung eines neuen Verfahrens durch die nachfolgenden Einsparungen mindestens kompensiert werden.

452

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 9: Strategische Bedeutung des Ziels, "Verfahrensentwicklung mit dem Ziel der Produktkostenreduktion zu betreiben", im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

1990 2000 2010

-2

-1

Größtenteils Eher nicht nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-14:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung des Ziels, „Verfahrensentwicklung primär zur Produktkostenreduktion zu betreiben“, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Deswegen überwiegt im Branchenmittel und auch bei den meisten Technologiestrategietypen das Motiv, neue oder zumindest signifikant verbesserte Produkte überhaupt herstellen zu können (Abb. 6-15). Wenn aus diesem Grunde eine Verfahrensentwicklung durchgeführt wird, wird dann auch der Aspekt, ein möglichst kosteneffizientes Verfahren zu entwickeln, in zunehmendem Maße immer stärker mit einbezogen (Abb. 6-14). Für den OTC/Trad. Mittelstand und die OTC-Töchter spielen rigorose Innovationssprünge, wie die vorstehenden Betrachtungen zur Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette gezeigt haben, nur eine vergleichsweise geringe Rolle. Verfahrensentwicklungen werden deshalb nur relativ selten zur Verbesserung der Produktqualität oder gar um neue Wirkstoffe herstellen zu können durchgeführt. Die insgesamt deutlich unter dem Branchendurchschnitt

Technologiebeschaffungsstrategie

453

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 10: Strategische Bedeutung von "Verfahrensentwicklung mit dem Ziel, neue oder bessere Wirkstoffe herzustellen," im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher

1990 2000 2010

Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2

-1

Größtenteils Eher nicht nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-15:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung des Ziels, „Verfahrensentwicklung primär zur Verbesserung der Produktqualität zu betreiben“, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

liegende Bedeutung der relativ teuren Verfahrens- und Prozeßinnovationen für diese beiden Gruppen (Abb. 6-13) liegt daran, daß das für sie ausgeprägtere Motiv, die Produktkosten zu reduzieren, nur in relativ wenigen Fällen auch wirklich zum Tragen kommt: Ursache hierfür ist, daß in vielen Fällen mögliche Einsparungen bei den Produktkosten aufgrund (einer nachträglichen) Verfahrensoptimierung durch die dabei entstehenden Entwicklungskosten deutlich überkompensiert werden. 6.2.1.2

Technologiestrategische Risikobereitschaft

Als zweite Subdimension des angestrebten technologischen Leistungsniveaus bleibt die technologiestrategische Risikobereitschaft einer eingehenderen Betrachtung zu unterziehen, deren Ausprägung im zeitlichen Verlauf in Abb. 6-16 graphisch dargestellt ist.

454

Die technologiestrategische Positionierung

Branchenüberblick Technologiestrategische Neupositionierung: Technologiebeschaffungsstrategieprofilveränderungen 1990-2000-2010 Teil 2: Risikobreitschaft 1990-2000-2010 F&E-Schwerpunkte im Bereich unheilbarer Krankheiten

Bereitschaft, sehr hohe F&E-Risiken einzugehen

Konzentration der F&E-Aktivitäten auf angestammte Indikationsgebiete Hohe Bereitschaft zum Einstieg in neue, bislang unbekannte Indikationsgebiete -3 Gar nicht

PharmaBranche-Ges. 1990 PharmaBranche-Ges. 2000 PharmaBranche-Ges. 2010

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-16:

Branchenüberblick: Technologiebeschaffungsstrategieprofil der PharmaBranche im zeitlichen Verlauf 1990-2010: Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus – Teil II: Technologiestrategische Risikobereitschaft 1990, 2000 und 2010. Quelle: Eigene Darstellung

Für die Pharmabranche insgesamt waren sowohl F&E-Schwerpunkte im Bereich unheilbarer Krankheiten als auch eine hohe F&E-Risikobereitschaft eher nicht Bestandteil technologiestrategischer Überlegungen. Im Branchenmittel stand die Konzentration der F&E-Aktivitäten auf angestammte Indikationsgebiete klar im Vordergrund; die Bereitschaft, auch in neue, dem eigenen Unternehmen bislang unbekannte Indikationsgebiete zu expandieren, ist zwar ebenfalls bereits vorhanden, aber insgesamt nur mäßig ausgeprägt. Bis 2010 ist hinsichtlich der technologiestrategischen Risikobereitschaft aber eine merkliche Neupositionierung in Richtung einer deutlichen Zunahme der Risikobereitschaft zu verzeichnen (Abb. 6-17). So verlagern sich die F&E-Schwerpunkte insgesamt merklich in den Bereich bislang unheilbarer Krankheiten, und auch die Bereitschaft, im Rahmen der F&E-Aktivitäten sehr hohe Risiken einzugehen, steigt beträchtlich. Eine analoge

Technologiebeschaffungsstrategie

455

Branchentrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung: Technologiebeschaffungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 2: Veränderungen von Risikobreitschaft 1990-2010

F&E-Schwerpunkte im Bereich unheilbarer Krankheiten

Pharma-Ges.

Bereitschaft, sehr hohe F&E-Risiken einzugehen Konzentration der F&E-Aktivitäten auf angestammte Indikationsgebiete Hohe Bereitschaft zum Einstieg in neue, bislang unbekannte Indikationsgebiete -1,0

0,0 Abnahme

1,0 Zunahme

der Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-17:

Branchentrendanalyse: Technologiebeschaffungsstrategische Neupositionierung der Pharma-Branche 1990-2010: Veränderungen in der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus – Teil II: Technologiestrategische Risikobereitschaft. Quelle: Eigene Darstellung

Entwicklung ist auch hinsichtlich der Bereitschaft, sich in neuen, nicht vertrauten Indikationsgebieten zu engagieren, zu beobachten: Während diese Bereitschaft deutlich zunimmt, läßt im gleichen Zeitraum die Konzentration auf vertraute Indikationsgebiete nach. Allerdings zeigt sich auch heute – und 2010 – hinsichtlich der F&E-Schwerpunktsetzung im Bereich bislang unheilbarer Krankheiten und einer hohen F&ERisikobereitschaft für die Branche als Ganzes nur ein indifferentes Bild (Abb. 6-16); und trotz der gestiegenen Bereitschaft, in neue, nicht vertraute Indikationsgebiete zu expandieren, hat im Branchenmittel die Konzentration auf angestammte Indikationsgebiete auch 2010 noch leicht den Vorrang. Betrachtet man nun die Ausrichtung der einzelnen Technologiestrategietypen, zeigt sich wiederum ein sehr viel differenzierteres Bild (Abb. 6-18).

456

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 11: Strategische Bedeutung des Ziels "Erforschung bislang unheilbarer Krankheiten" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-18:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung des Ziels, „Erforschung bislang unheilbarer Krankheiten“, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Bereits 1990 weist die technologiestrategische Positionierung der sieben Technologiestrategietypen hinsichtlich ihrer Schwerpunktsetzung im Bereich unheilbarer Krankheiten nahezu ein Kontinuum zwischen den beiden Extremen fehlender und existentieller Bedeutung auf, wie der fast diagonale Verlauf in Abb. 6-18 zeigt. Diese starke technologiestrategische Polarisierung nimmt im zeitlichen Verlauf bis 2010 nochmals deutlich zu: Während die hochinnovativen Gruppen, Biotechnologie-Unternehmen, Große und Mittelgroße Internat. Forscher, ihre Forschungsaktivitäten fast ausschließlich im Bereich unheilbarer Krankheiten angesiedelt haben, ist dies bei OTC/Trad. Mittelstand, OTC-Töchtern und Generika-Herstellern überhaupt nicht der Fall. Der Innovat. Mittelstand verlagert zwar ebenfalls seine F&E-Schwerpunkte in einem deutlich über dem Branchendurchschnitt liegenden Maß in Richtung bislang unheilbarer Krankheiten, wird aber auch 2010 nur teilweise in diesem Bereich tätig sein.

Technologiebeschaffungsstrategie

457

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 12: "Bereitschaft, hohe F&E-Risiken einzugehen" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2

-1

Größtenteils Eher nicht nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-19:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bereitschaft, „hohe F&E-Risiken einzugehen“, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Hinsichtlich der in Abb. 6-19 wiedergegebenen Bereitschaft, im Rahmen der F&E-Aktivitäten sehr hohe Risiken einzugehen, zeigt sich exakt das gleiche Bild, das zuvor bereits für die F&E-Schwerpunktsetzung im Bereich bislang unheilbarer Krankheiten beschrieben wurde, so daß an dieser Stelle auf eine erneute Detailschilderung verzichtet werden kann. Bei weitem nicht so gegensätzlich geprägt ist die technologiestrategische Ausgangspositionierung der einzelnen Gruppen 1990 hinsichtlich der Konzentration ihrer F&E-Aktivitäten auf angestammte Indikationsgebiete (Abb. 6-20). Mit Ausnahme der Generika-Hersteller ist dies für alle übrigen Technologiestrategietypen wichtiger Bestandteil der technologiestrategischen Ausrichtung. Was die Veränderungen dieser Positionierung im zeitlichen Verlauf betrifft, zeigen sich allerdings komplett gegensätzliche Trends: Während die Großen Internat. Forscher merklich von ihrer Fixierung auf angestammte Indikationsgebiete absehen

458

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 13: Strategische Bedeutung "der Konzentration auf angestammte Indikationsgebiete" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

1990 2000 2010

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-20:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung der Konzentration auf angestammte Indikationsgebiete für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

(ein ähnlicher Trend ist in deutlich abgeschwächterer Form auch für deren OTCTöchter zu beobachten), ist die Entwicklung beim Innovat. Mittelstand genau umgekehrt: Hier hat eine starke Konzentration zugunsten der angestammten Indikationsgebiete stattgefunden. Bei den übrigen Technologiestrategietypen ist das Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung im zeitlichen Verlauf eher gering ausgeprägt. Zum Teil, allerdings immer nur in Ausnahmefällen, besteht bei allen Technologiestrategietypen bereits 1990 die Bereitschaft, bei entsprechenden Renditepotentialen in neue Indikationsgebiete zu expandieren (Abb. 6-21). Diese Bereitschaft nimmt bei allen Gruppen im zeitlichen Verlauf zu. Das Ausmaß dieser Zunahme variiert aber beträchtlich zwischen den einzelnen Gruppen. Während bei den Großen Internat. Forschern, dicht gefolgt von Mittelgroßen Internat. Forschern und Generika-Herstellern, eine drastische Zunahme der Bereitschaft, technologisches Neuland zu betreten, zu beobachten ist, sind die Veränderungen bei

Technologiebeschaffungsstrategie

459

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 14: Strategische Bedeutung "der Bereitschaft, in neue Indikationsgebiete zu expandieren", im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

1990 2000 2010

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-21:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bereitschaft, in neue, bislang unbekannte Indikationsgebiete zu expandieren, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

den übrigen Gruppen recht verhalten. Insgesamt sind die Großen Internat. Forscher und die Generika-Hersteller, die auch bereits 1990 die ausgeprägteste Neigung zur Expansion in neue Indikationsgebiete gezeigt hatten, auch heute und 2010 die Spitzenreiter hinsichtlich ihrer Risikobereitschaft, in neue, dem eigenen Unternehmen bislang unbekannte Gebiete zu expandieren. Interessanterweise bestehen hinsichtlich dieser Subdimension der „Technologiestrategischen Risikobereitschaft“ bei diesen, ansonsten hinsichtlich der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus genau entgegengesetzte Pole bildenden, Gruppen nahezu keine Unterschiede. 6.2.2

Timing im Rahmen der Technologiebeschaffung

Hinsichtlich der fünf übrigen technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen, die im Rahmen der Technologiebeschaffung zu berücksichtigen sind, bietet sich für die Branche als Ganzes das folgende Bild (Abb. 6-22).

460

Die technologiestrategische Positionierung

Branchenüberblick Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen der Pharma-Branche: Technologiebeschaffungsstrategieprofilveränderungen 1990-2000-2010 Teil 3: Timing-Strategie, Make-or-Buy-Gewichtung, F&E-Kooperationsbereitschaft sowie Spezialisierungsund Globalisierungsgrad der F&E-Aktivitäten im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010

Frühzeitiger Einstieg in neue Forschungsfelder (F&E-Pionier) Bedeutung interner F&E im Vergleich zu externen Know-howBeschaffungsalternativen Strategische Bedeutung von F&E-Kooperationen

Pharma-Branche-Ges. 1990 Pharma-Branche-Ges. 2000 Pharma-Branche-Ges. 2010

Spezialisierungsgrad der F&E-Aktivitäten

Globalisierungsgrad der F&E-Aktivitäten -3 Gar nicht

-2

-1

Größtenteils Eher nicht nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-22:

Branchenüberblick: Technologiebeschaffungsstrategieprofil der PharmaBranche im zeitlichen Verlauf 1990-2010 hinsichtlich der technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen Timing, Make-or-Buy-Gewichtung, F&E-Kooperationsbereitschaft sowie Spezialisierungs- und Globalisierungsgrad. Quelle: Eigene Darstellung

Hinsichtlich der Timingstrategie besitzt für die Branche als Ganzes das technologiestrategische Ziel, F&E-Pionier zu sein, eine mittlere Bedeutung. Allerdings erfährt dieses Ziel im zeitlichen Verlauf eine deutliche technologiestrategische Aufwertung (Abb. 6-23). Bezüglich der Quelle neuen technologischen Wissens hält sich für die Branche als Ganzes die unternehmensinterne Erzeugung durch eigene Forschung und Entwicklung und der Zugriff auf externe Knowhow-Beschaffungsalternativen in etwa die Waage, verschiebt sich aber im zeitlichen Verlauf hin zu einer zunehmenden Bedeutung externer Technologiequellen. Diese Beobachtung steht im Einklang mit den Befunden früherer empirischer Studien.23 Parallel dazu gewinnen F&E-Kooperationen sprunghaft an strategi-

23

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.3 (S. 180ff) und 4.2.1.3 (S. 346ff).

Technologiebeschaffungsstrategie

461

Branchentrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen der Pharma-Branche: Technologiebeschaffungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 3: Veränderungen hinsichtlich Timing-Strategie, Make-or-Buy-Gewichtung, F&E-Kooperationsbereitschaft sowie Spezialisierungs- und Globalisierungsgrad der F&E-Aktivitäten im zeitlichen Verlauf 1990-2010 Frühzeitiger Einstieg in neue Forschungsfelder (F&E-Pionier)

Pharma-Ges.

Bedeutung interner F&E im Vergleich zu externen Know-howBeschaffungsalternativen Strategische Bedeutung von F&E-Kooperationen Spezialisierungsgrad der F&E-Aktivitäten Globalisierungsgrad der F&E-Aktivitäten

-1,0

0,0 1,0 2,0 Zunahme Abnahme der Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-23:

Branchentrendanalyse: Technologiebeschaffungsstrategische Neupositionierung der Pharma-Branche von 1990-2010 hinsichtlich der Timingstrategie, der Make-or-Buy-Gewichtung, der F&E-Kooperationsbereitschaft und des Spezialisierungs- und Globalisierungsgrades der F&E-Aktivitäten. Quelle: Eigene Darstellung

scher Bedeutung: Während 1990 F&E-Kooperationen nur ein mittleres Bedeutungsniveau aufwiesen, erlangen sie 2010 eine technologiestrategische Schlüsselbedeutung. Ebenfalls deutliche Verschiebungen ergeben sich für die Breite der F&E-Aktivitäten, wo im Branchendurchschnitt eine immense Fokussierung zu beobachten ist. Auch sind die F&E-Aktivitäten der in Deutschland tätigen Pharmaindustrie zunehmend globaler ausgerichtet. Während dies 1990 nur eher selten der Fall war, überwiegt 2010 die globale Perspektive. Hinter diesen Entwicklungen für die Gesamtbranche stehen wiederum zum Teil absolut gegensätzliche Trends und Positionierungen der einzelnen Technologiestrategietypen. Hinsichtlich der Timingstrategie der Technologiebeschaffung bietet sich das in Abb. 6-24 dargestellte Detailbild. Frühzeitig in neue Forschungsfelder einzusteigen, ist vor allem für die drei hochinnovativen Technologiestrategietypen, Biotechnologie-Unternehmen sowie

462

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 15: Strategische Bedeutung des Ziels "Frühzeitiger Einstieg in neue Forschungsfelder (F&E-Pionier)" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-24:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung des Ziels, „F&E-Pionier zu sein“, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Große und Mittelgroße Internat. Forscher, zentraler Bestandteil der Technologiestrategie. Die stark gestiegenen Entwicklungsinvestitionen, insbesondere zur Entwicklung neuer Wirkstoffe,24 erfordern es nicht nur aus Kostengründen (Reduktion der Entwicklungskosten) sondern vor allem aus Ertragsgesichtspunkten (Optimierung der kumulierten Deckungsbeiträge) F&E- und Marktpionier zu sein. Ein gewonnener Tag im Produktlebenszyklus eines Medikamentes erhöht nämlich nicht nur den kumulierten Gesamtdeckungsbeitrag des betreffenden Wirkstoffes um einen durchschnittlichen täglichen Deckungsbeitrag, sondern schreibt den Deckungsbeitragsanstieg im Maximum um einen Tag fort.25

24 25

Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 4.1.4, S. 308ff. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.2 (S. 172ff), 4.2.1.2 (S. 343ff) und 4.2.2.2 (S. 358ff), insbes. auch Abb. 4-30, S. 359.

Technologiebeschaffungsstrategie

463

Aber noch aus einem zweiten Grund wird durch eine intensive Zunahme des Innovationswettbewerbs seit 1990 die Problematik, Innovationswettläufe zu gewinnen, zur Schicksalsfrage. F&E-Pionier zu sein besitzt für diese drei Gruppen deshalb existentielle Bedeutung, da in zunehmendem Maße die Länge des Produktlebenszyklus, insbesondere die Phase einer Alleinstellung im Markt, abnimmt. Diese Entwicklung wird nicht nur von – aufgrund langer Entwicklungsund Zulassungszeiten – verkürzten effektiven Patentnutzungsdauern ausgelöst,26 sondern in zunehmendem Maße durch immer rascher in den Markt eintretende überlegene innovative Konkurrenzprodukte. Zukünftig wird dieser zweite, durch den zunehmenden Innovationswettlauf getriebene Faktor sogar entscheidender die Länge des jeweiligen Produktlebenszyklus determinieren als die Dauer des Patentschutzes.27 Ganz anders stellt sich die Situation für den OTC/Trad. Mittelstand, die OTCTöchter und die Generika-Hersteller dar: Als erster in neue Forschungsfelder einzusteigen, ist für diese Gruppen überhaupt kein technologiestrategisches Ziel, da sie nicht primär von einer in innovativer Hinsicht überlegenen Konkurrenz bedrängt werden. Dies heißt aber nicht, daß für diese Strategietypen die zeitliche Dimension insgesamt bedeutungslos wäre. Das Gegenteil ist der Fall: Sie hat auch für diese Gruppen durchaus existentiellen Charakter, nur ist die Art der Innovationswettläufe eine andere. So ist beispielsweise für die Generika-Hersteller die Frage, bei Patentablauf des Originals ein in seiner Entwicklung abgeschlossenes, zugelassenes Generikum auf dem Markt einführen zu können, eine Überlebensfrage, da nur der „Pionierimitator“ von den anfänglich noch guten Margen 26

27

Die durchschnittliche Patentnutzungsdauer hat weltweit von 1980 bis 1988 um 16 %, in West-Europa (Frankreich, Großbritannien und Deutschland) sogar um 46 % abgenommen, vgl. hierzu Boroch, W.; Cassel, D.; (1993), S. 119-120. Die Einführung von Patentzusatzzertifikaten („Supplementary Protection Certificate“) in Japan (1987), den USA (1984) und der EU (1993), die einen Teil der durch Forschung, Entwicklung (insbesondere klinische Studien) und Zulassungsdauer verlorenen Zeitraum in der Patentnutzungsdauer kompensieren (in der EU bis zu 5 Jahren), hat allerdings die fortschreitende Erosion der effektiven Patentnutzungsdauer begrenzt und z.T. sogar zu einem Wiederanstieg der effektiven Patentnutzungsdauer geführt. In den USA konnte nach einem kontinuierlichen Rückgang der effektiven Patentnutzungsdauer von 19681982 infolge des „Drug Price Competition and Patent Term Restoration (DPCPTR) Act“ von 1984 eine leichte Zunahme von weniger als 9 auf fast 10 Jahre beobachtet werden, vgl. Schweitzer, S. O.; (1997), S. 200-201. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.2 (S. 172ff), 4.2.1.2 (S. 343ff) und 4.2.2.2 (S. 358ff), insbes. Abb. 4-31, S. 363.

464

Die technologiestrategische Positionierung

profitieren kann und in der Lage sein wird, hohe Marktanteile im generischen Marktsegment zu erringen. Dieses Ergebnis des qualitativen Teils der Interviews der vorliegenden Studie wird auch von den Befunden früherer bereits im Rahmen der patentrechtlichen Marktsegmentierung diskutierter Studien unterstützt.28 Diese Problematik ist dabei noch deutlich ausgeprägter auf dem US-amerikanischen Markt, wo der Erstanbieter eines neuen Generikums für einen Wirkstoff vom Gesetzgeber mit einer sechsmonatigen exklusiven Vermarktungsperiode belohnt wird, in der kein weiterer Nachahmer in den Markt eintreten darf. Hinsichtlich der Entwicklung neuer galenischer Systeme tritt sogar auch diese Gruppe der klassischen „Imitatoren“ in Innovationswettläufe im engeren Sinne ein. Hier zeigt sich nämlich, daß es einer Reihe von Generika-Herstellern gelungen ist, eigene, patentrechtlich geschützte und in technologischer Hinsicht führende Darreichungssysteme zu entwickeln, für die auch Lizenzen an Originatoren vergeben wurden. In Zukunft steht sogar zu erwarten, daß auch die Generika-Hersteller ihre Innovationsaktivitäten auf die vorderen Stufen der Technologiewertschöpfungskette, also in Richtung Wirkstofforschung, ausweiten werden. Erste Beispiele für eigenerforschte Wirkstoffe existieren bereits.29 Daß sich diese Zukunftserwartungen in den im Rahmen der vorliegenden Studie ermittelten Veränderungstrends nur zaghaft andeuten, liegt zum einen daran, daß einige, in dieser Hinsicht weltweit führende Generika-Hersteller auf dem deutschen Markt zur Zeit noch nicht aktiv sind und daher im Rahmen dieser Studie auch nicht erfaßt wurden.30 Zum anderen liegt es daran, daß sich innerhalb der Gruppe der Generika-Hersteller beträchtliche Unterschiede zwischen den zunehmend global aufgestellten Unternehmen und den ausschließlich auf dem deutschen Markt operierenden, zumeist kleineren Anbietern ergeben.

28 29

30

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.3, S. 244ff. So entwickelte der israelische Generikahersteller TEVA, der zu den weltweit führenden Generikaproduzenten zählt, eigene NMEs, die in Kooperation mit Internationalen Forschern weltweit vertrieben werden sollen. Die zu den führenden deutschen Generikaherstellern zählende Firma HEXAL gründete eine eigene Biotechnologie-Tochter mit dem Ziel, eigene hochinnovative Produkte zu entwickeln. Bzw. nicht in nennenswertem Umfang auf dem deutschen Markt aktiv sind, wie z.B. TEVA.

Technologiebeschaffungsstrategie

6.2.3

465

Intensität der Außenorientierung im Rahmen der Technologiebeschaffung

Auch für die Intensität der Außenorientierung, die ja das Ausmaß der Nutzung externer Know-how-Beschaffungsalternativen im Vergleich zu interner Technologieerzeugung durch unternehmenseigene Forschung und Entwicklung beschreibt,31 gilt, daß die technologiestrategische Bedeutung, die sie für die einzelnen Technologiestrategietypen besitzt, um das Bedeutungsniveau der Gesamtbranche streut. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Technologiestrategietypen bei weitem nicht so stark ausgeprägt wie bei den meisten zuvor diskutierten technologiestrategischen Zielen. Konkret wurde die in Abb. 6-25 graphisch wiedergegebene Frage in der vorliegenden Studie allerdings genau andersherum formuliert: So wurde nach der Be-

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 16: Strategische Bedeutung des Ziels "Interner F&E im Vergleich zu externen Know-how-Beschaffungsalternativen" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2

-1

Größtenteils Eher nicht nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-25:

31

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung interner Technologieerzeugung durch eigene F&E im Vergleich zu externen Know-how-Beschaffungsalternativen für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.3 (S. 180ff) und 4.2.1.3 (S. 346ff).

466

Die technologiestrategische Positionierung

deutung interner F&E im Vergleich zu externen Know-how-Beschaffungsalternativen gefragt. Im Branchentrend zeigt sich, daß die Unternehmen heute und in Zukunft stärker als 1990 externe Know-how-Beschaffungsalternativen in Betracht ziehen und weniger häufig auf eigene Forschung und Entwicklung zurückgreifen.32 Dieser Branchentrend wird, mit Ausnahme der Generika-Hersteller, auch von allen Einzelgruppen getragen. Das Ausmaß, in dem dabei zu Lasten der eigenen auf externe Ressourcen zurückgegriffen wird, ist dabei zum Teil äußerst beträchtlich und hat im zeitlichen Verlauf immens zugenommen. Die Vorteile einer stärkeren Nutzung externer Ressourcen liegen dabei:33 – in ihrer größeren Flexibilität, da für vorübergehend auftretende Bedarfsspitzen

keine später eventuell nicht mehr benötigten Kapazitäten aufgebaut werden müssen,34 – in deren kurzfristigerer Verfügbarkeit, da ein interner Kapazitätsauf- oder

-ausbau zumeist mit einem längeren zeitlichen Vorlauf verbunden ist, – in ihrer besonderen Expertise für spezifische Fragestellungen, – in der Tatsache, daß sie F&E-Aktivitäten, insbesondere bei mittelständischen

Unternehmen, überhaupt erst ermöglichen: Dies liegt darin begründet, daß interne Ressourcen, die in der Vergangenheit neben anderen Aufgaben des laufenden Betriebes F&E-Projekte durchgeführt haben, vor allem durch gestiege-

32

33

34

Dieser Befund steht dabei im Einklang mit den Ergebnissen, die in früheren empirischen Studien im Bereich der Pharmazeutischen Industrie auf deutlich kleinerer Datenbasis gewonnen wurden, vgl. hierzu 4.2.1.3, S. 346 ff. Die nachfolgend genannten Motive stammen aus dem qualitativen Teil der durchgeführten Experteninterviews. Die ermittelten Beweggründe weisen keine entscheidenden Widersprüche zu in früheren Studien ermittelten Motiven auf, vgl. hierzu die früheren Ausführungen Kap. 3.3.2.3 (S. 180ff) und 4.2.1.3 (S. 346ff), gehen aber zum Teil über diese hinaus. Ein Beispiel, wo externe Auftragsforschungsinstitute schnell und flexibel, mit der nötigen Expertise, erforderliche Entwicklungsaktivitäten für Pharmaunternehmen durchgeführt haben, fand im Rahmen der Nachzulassungsproblematik statt. Im Rahmen der Nachzulassungsproblematik war es erforderlich geworden, kurzfristig (zumindest für die Unternehmen, die eine endgültige Klärung der Rechtslage bis zum Beginn der zur Erfüllung der Nachzulassungsvoraussetzungen erforderlichen Entwicklungsmaßnahmen abgewartet hatten) eine Vielzahl von Entwicklungsaktivitäten durchzuführen. Diese waren unter relativ hohem Zeitdruck abzuwickeln, ließen aber nach dem endgültigen Abschluß keine Folgeaktivitäten in vergleichbarem Umfang erwarten.

Technologiebeschaffungsstrategie

467

nen regulatorischen Aufwand heute komplett von diesen Routineaufgaben gebunden werden und somit für eigene F&E praktisch gar nicht mehr zur Verfügung stehen; – und nicht zuletzt in der Möglichkeit, Risiken zu externalisieren, da For-

schungsrisiken größtenteils vom externen Partner getragen werden und mit Ausnahme der Projektanschubfinanzierung weitere Kosten nur im Erfolgsfall, nämlich dem Erreichen zuvor definierter Meilensteine, anfallen. Für diesen letztgenannten Vorteil, der insbesondere bei risikoreicheren Projekten zur Erforschung gänzlich neuer Wirkstoffe auftritt, werden Risikoprämien, die in Form einer späteren Erfolgsbeteiligung des externen Juniorpartners anfallen, in Kauf genommen. Als Risiken und Nachteile des externen Wissenssourcings wurden im Rahmen der qualitativen Interviews genannt: – daß Wissen, insbesondere bei hochinnovativen Projekten, aus dem eigenen

Unternehmen abfließt, bzw. im Projekt erzeugtes Wissen nur z.T. vom eigenen Unternehmen internalisiert werden kann – daß die Projektkontrolle nur eingeschränkt beim eigenen Unternehmen liegt – daß Kernkompetenzen beim externen Partner und nicht im eigenen Unter-

nehmen aufgebaut werden und so langfristig im externen Partner ein gefährlicher Wettbewerber heranwachsen kann – daß das Risiko eines frühzeitigen Bekanntwerdens der eigenen Forschungs-

strategie gegenüber einer ausschließlich internen F&E anwächst. Diese qualitativen Beobachtungen stehen dabei im Einklang mit früheren Studien, die Motive und Hindernisse bzw. Vor- und Nachteile von externer Technologiebeschaffung und F&E-Kooperation untersucht haben.35 Als einziger Technologiestrategietyp gewinnt für die Generika-Hersteller interne Forschung – gegen den starken Branchentrend – im Vergleich zur externen Know-how-Beschaffung leicht an Bedeutung. Hintergrund hierzu ist, daß die auf dem deutschen Markt aktiven Generika-Hersteller in zunehmendem Maße versuchen, eine Kon35

Vgl. hierzu insbesondere Täger, U. C.; (1988), S. 62-72 (Pro-Gründe) und S. 72-81 (Kontra-Gründe); Rotering, C.; (1990), S. 70-84 (Pro-Gründe/Motive), S. 85-88 (Kontra-Gründe); Brockhoff, K.; Gupta, A. K.; Rotering, C.; (1991), S. 224-226, sowie die früheren Ausführungen in Kap. 4.2.1.3, S. 346ff.

468

Die technologiestrategische Positionierung

trolle auch über die frühen Stufen ihrer Technologiewertschöpfungskette und Supply Chain zu erlangen. Bedingt durch die patentrechtlichen Rahmenbedingungen sind in Deutschland und den meisten anderen Ländern der EU Entwicklungsaktivitäten – mit Ausnahme klinischer Studien – durch Nachahmer während des Patentschutzes des Erstanmelders nicht zulässig. Da die Rechtslage in zahlreichen Drittstaaten eine Durchführung derartiger Entwicklungsaktivitäten bereits während des bestehenden Patentschutzes gestattet, finden die Wirkstoffproduktion von Generika und die dazu erforderlichen Entwicklungsaktivitäten weitestgehend in diesen Drittstaaten statt. Dies hat zur Konsequenz, daß sich die auf dem deutschen Markt aktiven Generika-Hersteller in beträchtlicher Abhängigkeit – in Form langfristiger und kostenintensiver Abnahmeverpflichtungen – von den Zulieferern, sprich: Wirkstoffproduzenten in diesen Drittstaaten, befinden. Ziel insbesondere international operierender Generika-Hersteller ist es, diese Abhängigkeit zu reduzieren und in stärkerem Maße die eigene Technologiewertschöpfungskette zu kontrollieren, indem auch diese vorderen Stufen der Technologiewertschöpfungskette zunehmend im eigenen Unternehmen bearbeitet werden. 6.2.4

Technologischer Verflechtungsgrad im Rahmen der Technologiebeschaffung

Keine starke technologiestrategische Polarisierung ist hingegen für die technologiestrategische Entscheidungsdimension des technologischen Verflechtungsgrades bei der Technologiebeschaffung zu beobachten (Abb. 6-26). Bereits 1990 besaßen F&E-Kooperationen für alle Technologiestrategietypen eine strategische Bedeutung. Zwar war diese für Biotechnologie-Unternehmen und Generika-Hersteller am größten, die Unterschiede zwischen den Technologiestrategietypen waren aber vergleichsweise gering. Ähnlich homogen zeigt sich die technologiestrategische Neupositionierung für die beiden Folgedekaden: Sowohl für die Branche als Ganzes als auch für alle Einzelgruppen gewinnen F&E-Kooperationen dramatisch an technologiestrategischer Bedeutung und sind für alle Typen 2010 zentraler Bestandteil ihrer Technologiestrategie. Die Spitzenbedeutung, die F&E-Kooperationen im Vergleich zu den übrigen Gruppen für die Biotechnologie-Unternehmen besitzen, erklärt sich vor allem aus ihrer exponierten Stellung im Technologietransferprozeß. Während die in öffentlichen Forschungsinstituten betriebene Grundlagenforschung nur schwierig, aufgrund

Technologiebeschaffungsstrategie

469

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 17: Strategische Bedeutung von "F&E-Kooperationen" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

1990 2000 2010 -2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-26:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung von F&E-Kooperationen für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

großer Unterschiede in der Unternehmenskultur und der jeweils verfolgten Zielsetzungen, direkt in „etablierte“ Unternehmen übertragen werden kann, sind die Kultur und die verfolgten Zielsetzungen der Biotechnologie-Unternehmen sowohl kompatibel zu der öffentlichen Grundlagenforschung als auch zur stark entwicklungsorientierten industriellen Forschung in etablierten Pharmaunternehmen. Die Biotechnologie-Unternehmen nehmen somit eine wichtige Mittlerfunktion im Rahmen des Technologietransferprozesses ein und haben eine quasi katalytische Wirkung bei der Umwandlung von nicht-projektspezifischen Erkenntnissen der Grundlagenforschung in die ausschließlich zielorientiert projektbezogene industrielle Forschungs- und vor allem Entwicklungstätigkeit. F&E-Kooperationen mit einer Vielzahl von Partnern – und zwar sowohl mit Know-how-Lieferanten als auch mit Know-how-Empfängern – besitzen für diese Gruppe existentielle Bedeutung.

470

Die technologiestrategische Positionierung

Für die Generika-Hersteller ergibt sich die hohe Bedeutung von F&E-Kooperationen zum einen aus der bereits erörterten großen Abhängigkeit von Wirkstoffzulieferern, zum anderen aus dem Versuch, durch verstärkte Kooperation insbesondere zeitliche Risiken des Zulassungsprozesses zu reduzieren. Da, wie bereits erwähnt, es von existentieller Bedeutung für die Generika-Hersteller ist, bei Patentablauf des Originatorproduktes ein zugelassenes Nachahmerprodukt in den Markt einzuführen, können Verzögerungen im Zulassungsverfahren zu später kaum noch zu kompensierenden Wettbewerbsnachteilen führen. Dies basiert auf der Tatsache, daß andere generische Wettbewerber, die rechtzeitig über eine Zulassung verfügt haben, ihre Stellung im Markt bereits uneinholbar oder zumindest nur noch mit extrem großem Marketingaufwand einholbar ausgebaut haben.36 Durch eine Kooperation mit den Wettbewerbern oder den für diese tätigen Dossierlieferanten läßt sich durch mehrere, zeitgleich parallel eingereichte Zulassungen sicherstellen, daß zumindest eine gültige Zulassung bei Patentablauf der Originator-Substanz vorliegt. Auch soll durch verstärkte Kooperation mit Wettbewerbern und Auftragsforschern in Zukunft die Abhängigkeit von Wirkstofflieferanten reduziert werden. Hinsichtlich der in Abb. 6-27 wiedergegebenen strategischen Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für den externen Know-how-Erwerb zeigt sich, daß für die Branche als Ganzes sowohl heute als auch in Zukunft F&E-Kooperationen mit in der Technologiewertschöpfungskette vorgelagerten Stufen die größte Bedeutung besitzen. Der Grund hierfür liegt darin, daß sowohl bei F&EKooperationen mit öffentlichen Forschungseinrichtungen und mit Zulieferern, dem Erwerb von Lizenzen und Dossiers als auch insbesondere bei der Vergabe von Forschungsaufträgen die Führung und Kontrolle des Forschungsprojektes ganz oder zumindest überwiegend beim eigenen Unternehmen verbleibt. Hinsichtlich der Bedeutung, die die einzelnen Kooperationsformen für die verschiedenen Technologiestrategietypen besitzen, bestehen fundamentale Unterschiede.37 36 37

Vgl. hierzu auch die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.3, S. 244ff. Auf diese Unterschiede soll allerdings hier noch nicht näher eingegangen werden; eine ausführliche diesbezügliche Betrachtung findet sich bei der Charakterisierung des jeweiligen Technologiestrategietyps (vgl. hierzu für die Biotechnologie-Unternehmen Kap. 7.1.1 (S. 595ff), insbes. Abb. 7-2 (S. 596); für die großen Internationalen Forscher Kap. 7.2.1 (S. 602ff), insbes. Abb. 7-6 (S. 604); für die Mittelgroßen Internat. Forscher Kap. 7.3.1 (S. 608ff), insbes. Abb. 7-10 (S. 610); für den Innovat. Mit-

Technologiebeschaffungsstrategie

471

Branchenüberblick Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für den externen Know-how-Erwerb im zeitlichen Verlauf 2000-2010 F&E-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen F&E-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit "Zulieferern" F&E-Kooperationen mit "Kunden" Gemeinschaftsforschung

Pharma-Branche-Ges. 2000 Pharma-Branche-Ges. 2010

Lizenznahme/-erwerb Dossiererwerb Vergabe von Forschungsaufträgen Akquisition von innovativen Unternehmen(-steilen) Bereitstellung von Seed und Venture Capital

0

Gar Keine

1 Sehr Geringe

2

3

Eher Geringe

Mittlere

4 Eher Große

5 Sehr Große

6 Existentielle

Strategische Bedeutung

Abb. 6-27:

Branchenüberblick: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Bis 2010 werden parallel zur immensen strategischen Bedeutungszunahme, die F&E-Kooperationen für die Pharmabranche erfahren, auch alle Einzelkooperationsformen deutlich an Bedeutung gewinnen (Abb. 6-28). Auch hier zeigt sich, daß diejenigen Kooperationsformen überproportional wichtiger werden, bei denen Kooperationsführung und -kontrolle beim eigenen Unternehmen liegen. Insbesondere gewinnen F&E-Kooperationen mit Zulieferern, die Akquisition von innovativen Unternehmen oder Unternehmensteilen und die Bereitstellung von Risikokapital an junge Unternehmen, um im Gegenzug exklusiven Zugriff auf dort generiertes Know-how zu erlangen, enorm an strategischer Bedeutung. Analog zur absoluten Bedeutung, die die einzelnen Kooperationsformen für die

telstand Kap. 7.4.1 (S. 616), insbes. Abb. 7-14 (S. 618); für den OTC/Trad. Mittelstand Kap. 7.5.1 (S. 623ff), insbes. Abb. 7-18 (S. 626); für die OTC-Töchter von MNEs Kap. 7.6.1 (S. 631ff), insbes. Abb. 7-22 (S. 633); und für die GenerikaHersteller Kap. 7.7.1 (S. 638ff), insbes. Abb. 7-26 (S. 640).

472

Die technologiestrategische Positionierung

Branchentrendanalyse Veränderungen der relativen strategischen Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für den externen Know-how-Erwerb im zeitlichen Verlauf 2000-2010 F&E-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen F&E-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit "Zulieferern" F&E-Kooperationen mit "Kunden" Gemeinschaftsforschung Lizenznahme/-erwerb Dossiererwerb Vergabe von Forschungsaufträgen Akquisition von innovativen Unternehmen(-steilen) Bereitstellung von Seed und Venture Capital

Pharma-Ges.

-1,0

0,0 Abnahme

1,0 Zunahme

der Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-28:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutungsänderung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

verschiedenen Technologiestrategietypen besitzen, weisen auch die Veränderungen der einzelnen Kooperationsformen signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen auf. Interessanterweise korrelieren, wie später auch für die Technologieverwertung zu beobachten sein wird, die beiden Dimensionen Intensität der Außenorientierung (Abb. 6-25) und technologischer Verflechtungsgrad (Abb. 6-26) für die meisten Gruppen nicht miteinander, was die der Modellableitung zugrundeliegende Annahme der Unabhängigkeit beider Dimensionen stützt:38 Während nämlich, wie soeben erörtert, für alle Gruppen F&E-Kooperationen von zentraler technologiestrategischer Bedeutung sind, zeigt sich hinsichtlich der Außenorientierung bei der Technologiebeschaffung ein zwischen interner Erzeugung und externer Beschaffung ausbalanciertes Verhältnis. Die Bedeutung von F&E-Kooperationen ist sogar für die Gruppen am höchsten, die stärker auf die Eigen38

Vgl. hierzu Kap. 3.3.2.3, S. 180ff.

Technologiebeschaffungsstrategie

473

erzeugung setzen – einzige Ausnahme stellen die Generika-Hersteller dar, deren Sonderrolle bereits ausführlich interpretiert wurde. Die denkbare Alternativhypothese, daß nur Unternehmen, die überwiegend auf eine externe Technologiebeschaffung setzen, F&E-Kooperationen eine hohe technologiestrategische Bedeutung zumessen, steht damit sogar klar im Widerspruch zu den hier gemachten Beobachtungen. 6.2.5

Breite der technologischen Ausrichtung im Rahmen der Technologiebeschaffung

Auch hinsichtlich des Spezialisierungsgrades der F&E-Aktivitäten stecken hinter dem Mittelwert für die Positionierung der Gesamtbranche und dem zeitlichen Branchentrend vielfältige und zum Teil sogar genau entgegengesetzte Entwicklungen bei den sieben Einzelgruppen (Abb. 6-29). Während 1990 hinter dem indifferenten Mittelwert der Gesamtbranche ein von den beiden Extremen – gänzlich fehlender und extrem hoher Spezialisierung – reichendes Kontinuum (repräsentiert durch eine Diagonale in Abb. 6-29) in der strategischen Wertigkeit für die Einzeltypen stand, zeigt die Detailanalyse für das Jahr 2000 und 2010 ein deutlich vielschichtigeres Bild. Während die MittelGroßen Internat. Forscher, die beiden mittelständischen Gruppen und die OTCTöchter (also die stärker diversifizierten strategischen Gruppen) noch viel stärker als im Branchentrend, aufgrund enorm gestiegener Forschungs- und Entwicklungskosten, eine radikale Fokussierung ihrer F&E-Projektportfolios vornahmen, ist bei den übrigen drei technologiestrategischen Gruppen keine nennenswerte Veränderung zu beobachten. Allerdings sind die Ursachen für diese fehlende technologiestrategische Neupositionierung gänzlich unterschiedlich: Bei den Biotechnologie-Unternehmen liegt die Ursache schlicht darin, daß diese bereits 1990 extrem hoch spezialisiert waren; bei dem entgegengesetzten Extrem, den Generika-Herstellern, die jede Spezialisierung vermissen lassen, steckt das Geschäftskonzept, „Komplettanbieter mit einem Vollsortiment sein zu wollen“, hinter dieser enormen Breite des Entwicklungsprojektportfolios. Bei der dritten Gruppe ohne entscheidende Neupositionierung, den Großen Internat. Forschern, ist der Fall noch komplizierter: Bei genauerer Betrachtung finden in dieser Gruppe nämlich durchaus erhebliche technologiestrategische Veränderungen statt, die allerdings gegenläufig sind und sich in ihrer Summe kompensieren: Lediglich bei 19 Prozent der Unternehmen dieser Gruppe bleibt der F&E-Spezialisierungs-

474

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 18: Strategische Bedeutung des Ziels "einer hohen Spezialisierung der F&E-Aktivitäten" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher

1990 2000 2010

Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-29:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung eines hohen Spezialisierungsgrades für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

grad unverändert; 44 Prozent fokussieren ihre F&E-Aktivitäten, während bei 38 Prozent genau das Gegenteil der Fall ist, nämlich die Breite des F&E-Portfolios zunimmt. Sowohl diese Gegensätzlichkeit des Gruppentrends als auch die Tatsache an sich, daß sich die Breite der F&E-Aktivitäten vergrößert (im krassen Gegensatz zum Branchentrend), ist einzigartig für die Großen Internat. Forscher und hat seine Ursache vor allem in den gewaltigen Fusionen, die in der Pharmabranche in den letzten Jahren stattgefunden haben. Diese haben den dabei entstehenden „Giga-Unternehmen“ zum einen die finanziellen Spielräume verschafft, trotz enorm gestiegener Entwicklungskosten39 auf einer größeren Zahl von Forschungsfeldern aktiv zu sein; andererseits haben sie aber auch den Druck erhöht, die Forschungspipeline so gut zu füllen, daß ein möglichst konstanter Strom

39

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.4, S. 308ff.

Technologiebeschaffungsstrategie

475

Häufigkeitsverteilung der Anzahl der im Rahmen der Technologiebeschaffungsaktivitäten bearbeiteten Hauptindikationsbereiche in der Gesamtstichprobe Bandbreite der F&E-Aktivitäten nach Anzahl der bearbeiteten (von insgesamt 14) Hauptindikationsbereiche (anatomischen Hauptgruppen) gemäß ATC-Klassifikation der WHO 30

Häufigkeit in %

25

20

15

10

5

0

1

2

3

4

5-6

7-9

>9

Anzahl bearbeiteter Hauptindikationsbereiche

Abb. 6-30:

Bandbreite der Technologiebeschaffungsaktivitäten der Pharma-Branche: Anzahl der bearbeiteten Hauptindikationsbereiche im Jahr 2000. Quelle: Eigene Darstellung

neuer Arzneimittel auf den Markt sichergestellt ist, um die größeren und schlagkräftigeren, aber auch deutlich kostenintensiveren Marketing- und Vertriebsressourcen kontinuierlich auszulasten. Dieser in der Gesamtbranche sehr unterschiedliche Spezialisierungsgrad der F&E-Aktivitäten bei den einzelnen Unternehmen findet auch seinen Niederschlag in der heute umgesetzten (realisierten)40 Technologiebeschaffungsstrategie: So weist die Bandbreite der F&E-Aktivitäten nahezu ein Kontinuum zwischen extrem starker Spezialisierung und sehr großer Abdeckungsbreite auf (Abb. 6-30). Die industrieweit stärkere Fokussierung der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten schlägt sich auch in den vom jeweiligen Unternehmen im

40

Wie angekündigt, soll der im Mittelpunkt (der in der vorliegenden Arbeit angestellten Überlegungen) stehenden kalkulierten Technologiestrategie punktuell auch die realisierte (bereits umgesetzte) Technologiestrategie gegenübergestellt werden (quasi als eine Art Soll-Ist-Abgleich), vgl. hierzu auch die früheren Ausführungen zu den unterschiedlichen Kategorien von Strategien in Kap. 2.2.1.3, S. 69ff.

476

Die technologiestrategische Positionierung

Häufigkeitsverteilung der Anzahl der Forschungsvorhaben in der Gesamtstichprobe Weltweite jährliche Anzahl an Forschungsvorhaben (d.h. Vorhaben vor der 1. regulatorisch verwertbaren und GLP-konformen toxikologischen Studie) 35 30

Häufigkeit in %

25 20 15 10 5 0

0

1

2-5

6-10

11-20

21-50 51-100 101-200 > 200

Anzahl Forschungsvorhaben weltweit pro Jahr

Abb. 6-31:

Bandbreite der Technologiebeschaffungsaktivitäten der Pharma-Branche: Häufigkeitsverteilung der Anzahl an Forschungsvorhaben im Jahr 2000. Quelle: Eigene Darstellung

Jahr 2000 bearbeiteten Forschungsvorhaben und Entwicklungsprojekten nieder. So weist die in Abb. 6-31 wiedergegebene Häufigkeitsverteilung der Anzahl der Forschungsvorhaben in der Gesamtbranche ein Maximum bei zwei bis fünf Forschungsvorhaben pro Unternehmen und Jahr auf. Die Tatsache, daß etwa ein Drittel aller Unternehmen keine Forschungsvorhaben durchführen, erklärt sich aus der unterschiedlichen Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette: Diese Unternehmen sind ausschließlich auf den späteren Stufen der Technologiewertschöpfungskette aktiv, wo infolge der gewählten Definition von Forschungsvorhaben und Entwicklungsprojekten41 bereits von Entwicklungsprojekten gesprochen wird.

41

Forschungsvorhaben im Sinne der vorliegenden Arbeit sind Vorhaben vor der ersten regulatorisch verwertbaren und GLP-konformen toxikologischen Studie. Entwicklungsprojekte sind definitionsgemäß dementsprechend all jene Projekte ab der ersten regulatorisch verwertbaren und GLP-konformen toxikologischen Studie, vgl. hierzu auch Kap. 4.2.1.5, S. 354ff.

Technologiebeschaffungsstrategie

477

Häufigkeitsverteilung der Anzahl der Entwicklungsprojekte in der Gesamtstichprobe Weltweite jährliche Anzahl an Entwicklungsprojekten (d.h. Projekten ab der 1. regulatorisch verwertbaren und GLP-konformen toxikologischen Studie) 30

Häufigkeit in %

25

20

15

10

5

0

0

1

2-5

6-10

11-20

21-50 51-100 101-200 > 200

Anzahl Entwicklungsprojekte weltweit pro Jahr

Abb. 6-32:

Bandbreite der Technologiebeschaffungsaktivitäten der Pharma-Branche: Häufigkeitsverteilung der Anzahl an Entwicklungsprojekten im Jahr 2000. Quelle: Eigene Darstellung

Auch die in Abb. 6-32 wiedergegebene Häufigkeitsverteilung der vom jeweiligen Unternehmen im Jahr 2000 durchgeführten Entwicklungsprojekte weist ein Maximum bei geringen Anzahlen von Entwicklungsprojekten (2-5 und 6-10 Projekte) auf. Bei den Unternehmen, die kein Entwicklungsprojekt in 2000 bearbeitet hatten, handelt es sich ausschließlich um Biotechnologie-Unternehmen, die zur Zeit noch ausschließlich mit der Erforschung innovativer Schlüsselbausteine und Technologien für die Wirkstofforschung bzw. mit der Erforschung von Wirkstoffen beschäftigt sind, somit im Sinne der für diese Arbeit gewählten Unterscheidung von Forschungsvorhaben und Entwicklungsprojekten ausschließlich Forschungsvorhaben unterhalten. Anzumerken ist an dieser Stelle, daß alle der in dieser Studie befragten Unternehmen entweder Forschungs- oder Entwicklungsprojekte betrieben. Der Fall des nicht-innovierenden Unternehmens wurde in der vorliegenden Stichprobe nicht angetroffen, was auch daran deutlich wird, daß alle Unternehmen Investitionen in Forschung und Entwicklung tätigen.42 42

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen zur F&E-Intensität der auf dem deutschen Markt aktiven Pharma- und Biotechnologien in Kap. 6.2.1 (S. 436ff), insbesondere

478

Die technologiestrategische Positionierung

Insgesamt bestehen, analog zum sehr unterschiedlichen Spezialisierungsgrad der F&E-Aktivitäten, auch gravierende Unterschiede hinsichtlich der vom jeweiligen Technologiestrategietyp durchschnittlich bearbeiteten Anzahl an Forschungsvorhaben und Entwicklungsprojekten sowie in der Schwerpunktsetzung auf Forschungs- oder Entwicklungstätigkeit, die sich ja auch unmittelbar aus der jeweiligen Positionierung der Innovationsschwerpunkte entlang der Technologiewertschöpfungskette ergibt. 6.2.6

Geographische Ausdehnung und Standortwahl im Rahmen der Technologiebeschaffung

Hinsichtlich der Größe ihres geographischen Aktionsradius für die Technologiebeschaffung besteht zwar Einigkeit zwischen den einzelnen Gruppen, parallel zum Branchentrend ihre F&E-Aktivitäten stärker auf eine globale Basis zu stellen, allerdings bleibt das Ausmaß dieser Globalisierung aufgrund der 1990 sehr unterschiedlichen Ausgangsbasis auch bis 2010 höchst verschieden (Abb. 6-33). 1990 waren die Großen Internat. Forscher und ihre OTC-Töchter die Technologiestrategietypen mit dem größten geographischen Aktionsradius für ihre Technologiebeschaffung, während die beiden mittelständischen Gruppen den geringsten aufwiesen. An diesem Bild hat sich auch heute und 2010 nichts Grundlegendes geändert. Die Großen Internat. Forscher bleiben die hinsichtlich ihrer F&E-Aktivitäten am stärksten global aufgestellten Unternehmen, allerdings dicht gefolgt von den Biotechnologie-Unternehmen und den Mittelgroßen Internat. Forschern, die ihre F&E-Aktivitäten extrem stark globalisiert haben. Das Schlußlicht bilden trotz ebenfalls enormer Globalisierungsanstrengungen (vor allem beim Innovat. Mittelstand) weiterhin die beiden mittelständischen Gruppen. Diese Befunde sind insoweit bemerkenswert, als daß sie das bereits in früheren Studien ausschließlich für den Internationalisierungsgrad von Großunternehmen gewonnene Bild vervollständigen:43 Die stärkere Internationalisierung der Technologiebeschaffungsaktivitäten in der Pharmazeutischen Industrie ist

43

die Darstellung der Häufigkeitsverteilung der F&E-Intensitäten in Abb. 6-6 auf S. 442. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.3.2.6 (S. 198ff) und insbesondere Kap. 4.2.1.6 (S. 355ff).

Technologiebeschaffungsstrategie

479

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 19: Strategische Bedeutung des Ziels, "an allen wichtigen F&E-Standorten präsent zu sein", im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-33:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung eines hohen Globalisierungsgrades für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

also keinesfalls ein ausschließlich auf Großunternehmen beschränktes Phänomen, auch wenn diese hinsichtlich der Expansion ihres Technologiebeschaffungsradius am weitesten fortgeschritten sind. Daß die F&E-Aktivitäten der Gesamtbranche zunehmend globaler werden, zeigt sich auch in der gestiegenen Bedeutung aller ausländischen F&E-Standorte (Abb. 6-35). Während der Standort Deutschland als einziger leicht an Bedeutung verliert, gewinnen insbesondere die USA und in Summe die übrigen EU-Staaten an strategischer Bedeutung. Das Bekenntnis zum und die Abhängigkeit vieler Unternehmen vom Standort Deutschland ändert sich allerdings im Branchenmittel nicht grundlegend (Abb. 6-34). Analog zum stark unterschiedlichen Globalisierungsgrad der F&E-Aktivitäten der einzelnen Technologiestrategietypen

480

Die technologiestrategische Positionierung

Branchenüberblick Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als F&E-Standorte (als Standort für unternehmensinterne F&E und F&E-Kooperationen) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan

Pharma-Branche-Ges. 2000 Pharma-Branche-Ges. 2010

Asien (außer Japan) Rest Welt 0 Gar Keine

1 Sehr Geringe

2 Eher Geringe

3 Mittlere

4 Eher Große

5 Sehr Große

6 Existentielle

Strategische Bedeutung

Abb. 6-34:

Branchenüberblick: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

weist auch die Bedeutung, die die einzelnen Länder und Regionen als F&EStandorte für die verschiedenen Gruppen haben, signifikante Unterschiede auf.44 Dementsprechend unterhalten auch nicht alle Unternehmen einen eigenen F&E-Standort in Deutschland und der EU (Abb. 6-36). Allerdings waren alle im Rahmen der Studie untersuchten Unternehmen zumindest in Form klinischer

44

Auf diese Unterschiede soll allerdings hier noch nicht näher eingegangen werden; eine ausführliche diesbezügliche Betrachtung findet sich bei der Charakterisierung des jeweiligen Technologiestrategietyps (vgl. hierzu für die Biotechnologie-Unternehmen Kap. 7.1.1 (S. 595ff), insbes. Abb. 7-3 (S. 598); für die Großen Internationalen Forscher Kap. 7.2.1 (S. 602ff), insbes. Abb. 7-7 (S. 605); für die Mittelgroßen Internat. Forscher Kap. 7.3.1 (S. 608ff), insbes. Abb. 7-11 (S. 611); für den Innovat. Mittelstand Kap. 7.4.1 (S. 616), insbes. Abb. 7-15 (S. 619); für den OTC/Trad. Mittelstand Kap. 7.5.1 (S. 623ff), insbes. Abb. 7-19 (S. 627); für die OTC-Töchter von MNEs Kap. 7.6.1 (S. 631ff), insbes. Abb. 7-23 (S. 634); und für die GenerikaHersteller Kap. 7.7.1 (S. 638ff), insbes. Abb. 7-27 (S. 641).

Technologiebeschaffungsstrategie

481

Branchentrendanalyse Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als F&E-Standorte (als Standort für unternehmensinterne F&E und F&E-Kooperationen) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010

Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan Asien (außer Japan) Rest Welt

Pharma-Ges.

-1,0

0,0 Abnahme

1,0 Zunahme

der strategischen Bedeutung als F&E-Standort für das jeweilige Unternehmen 1990-2010

Abb. 6-35:

Branchentrendanalyse: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutungsveränderung verschiedener F&E-Standorte für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Forschung und/oder in Form von F&E-Kooperationsprojekten über ihre jeweiligen Partner am Standort Deutschland aktiv. Tendenziell läßt sich bezüglich der gruppenspezifischen Unterschiede feststellen, daß Biotechnologie-Unternehmen und die beiden mittelständischen Gruppen nahezu zu 100 Prozent einen eigenen F&E-Standort in Deutschland unterhalten, dafür aber nur in relativ geringem Maße zusätzlich einen F&E-Standort in der EU (außerhalb Deutschlands), während die Großen Internat. Forscher, ihre OTC-Töchter und die Generika-Hersteller in deutlich geringerem Maße eine eigenständige F&E-Präsenz am Standort Deutschland zeigen, hingegen häufiger in der EU außerhalb Deutschlands mit einer eigenen F&E-Dependance anzutreffen sind. Die Mittelgroßen Internat. Forscher sind fast alle sowohl in Deutschland als auch zusätzlich noch in der übrigen EU mit einem eigenen F&E-Standort aktiv.

482

Die technologiestrategische Positionierung

Häufigkeitsverteilung der Entscheidung für einen unternehmenseigenen F&E-Standort in Deutschland und der EU (außerhalb Deutschlands) in der Gesamtstichprobe 80 70

Häufigkeit in %

60 50 40 30 20

Ja Nein

10 0

D

EU

Unternehmenseigener F&E-Standort in

Abb. 6-36:

6.2.7

6.2.7.1

Technologiestrategische Bedeutung des F&E-Standortes Deutschland und EU für die Pharma-Branche: Existenz eines unternehmenseigenen F&EStandortes im Jahr 2000. Quelle: Eigene Darstellung

Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung im Rahmen der Technologiebeschaffung und Zusammenfassung der wichtigsten Trends Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung

Die vorstehend in den Kapiteln 6.2.1-6.2.6 geführte Diskussion über die Ausrichtung der Pharmabranche hinsichtlich der sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen,45 den dabei auftretenden gruppenspezifischen Unterschieden und den verschiedenen Neupositionierungstrends hat gezeigt, daß die in Deutschland tätige Pharmaindustrie zwischen 1990 und 2010 eine gewaltige technologiestrategische Neupositionierung vorgenommen hat. Allerdings legen die oben für jede der sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen

45

Vgl. S. 436ff.

Technologiebeschaffungsstrategie

483

Gruppenübersichtstrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung: Technologiebeschaffungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 1a: Gesamtausmaß der Veränderungen 1990-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. 0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

Absolutes Ausmaß der technologiestrategischen Neuausrichtung in der Technologiebeschaffungsstrategie 1990-2010

Abb. 6-37:

Gruppenübersichtstrendanalyse: Gesamtausmaß der Neupositionierung der Technologiebeschaffungsstrategie. Quelle: Eigene Darstellung

erörterten gruppenspezifischen Unterschiede in den Neupositionierungstrends die Vermutung nahe, daß das Ausmaß dieser Neupositionierung eine hohe Varianz zwischen den Gruppen aufweist. Dieser Frage soll im vorliegenden Kapitel differenzierter nachgegangen werden, wobei auch genauer zu analysieren sein wird, bei welchen Entscheidungsdimensionen besonders prägnante Unterschiede im Neupositonierungsverhalten der sieben Technologiestrategietypen auftreten. In einem ersten Schritt wurde zunächst analysiert, welche technologiestrategische Neupositionierung die einzelnen Typen insgesamt im Rahmen ihrer Technologiebeschaffung vorgenommen haben. Hierzu wurde, unabhängig von der Richtung der Veränderung (strategische Bedeutungszu- oder -abnahme), die Einzelveränderung jeder Variablen für den betrachteten Zeitverlauf von 1990 bis 2010 aufsummiert. Das hieraus resultierende Gesamtausmaß der technologiestrategischen Neupositonierung gibt Abb. 6-37 wieder. In der Tat bestätigt Abb. 6-37 die eingangs aufgestellte Annahme, daß hinsichtlich des Gesamtausmaßes der technologiestrategischen Neupositionierung

484

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersichtstrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung: Technologiebeschaffungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 1b: Betragsmäßiges (unabhängig von der Veränderungsrichtung) Ausmaß der Gesamtveränderungen relativ zum Branchendurchschnitt 1990-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller -4,0 -2,0 0,0 Unterdurchschnittliches

2,0

4,0

6,0

8,0 10,0 Überproportionales

Betragsmäßiges Ausmaß der Neuausrichtung relativ zum Branchendurchschnitt

Abb. 6-38:

Gruppenübersichtstrendanalyse: Gesamtausmaß der Neupositionierung der Technologiebeschaffungsstrategie relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche. Quelle: Eigene Darstellung

erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Technologiestrategietypen bestehen. Einen noch direkteren diesbezüglichen Überblick erhält man, wenn man die Gruppen dahingehend differenziert, ob das Ausmaß ihrer Neupositonierung stärker oder schwächer als im Branchenmittel ausgeprägt ist. Genau wie Abb. 6-37 gibt auch Abb. 6-38 das richtungsunabhängige Gesamtausmaß dieser Veränderungen wieder, allerdings erfolgt die Darstellung dieses Mal relativ zum Ausmaß der Neupositionierung der Gesamtbranche: Abb. 6-38 zeigt deutlich, daß die Mittelgroßen Internat. Forscher und der Innovationsorientierte Mittelstand ein erheblich höheres Maß an technologie-strategischer Neupositionierung vornehmen als dies die Pharmabranche als Ganzes durchschnittlich tut, während der OTC/Trad. Mittelstand und die Generika-Hersteller ihre strategische Ausrichtung nur in deutlich geringerem Ausmaß als der Branchendurchschnitt verändern. Die Neuausrichtung der Biotechnologie-Unter-

Technologiebeschaffungsstrategie

485

Gruppenübersichtstrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung: Technologiebeschaffungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 2: Betragsmäßiges (unabhängig von der Veränderungsrichtung) Ausmaß der Veränderungen hinsichtlich der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus relativ zum Branchendurchschnitt 1990-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller -4,0 -2,0 0,0 2,0 4,0 6,0 Überproportionales Unterdurchschnittliches Betragsmäßiges Ausmaß der Neuausrichtung relativ zum Branchendurchschnitt

Abb. 6-39:

Gruppenübersichtstrendanalyse: Ausmaß der Neupositionierung der Technologiebeschaffungsstrategie hinsichtlich der „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche. Quelle: Eigene Darstellung

nehmen liegt bei dieser Gesamtbetrachtung leicht über, die der Großen Internat. Forscher und ihrer OTC-Töchter leicht unter der branchenüblichen Neupositionierung. Bevor auf die Gründe für diese gravierenden Unterschiede eingegangen wird, soll zunächst näher spezifiziert werden, in welchen Bereichen besondere Unterschiede im Neupositionierungsgrad der einzelnen Gruppen bestehen. Abb. 6-39 gibt wiederum, unabhängig von der Veränderungsrichtung, die aufsummierte technologiestrategische Verschiebung für die Variablen der Entscheidungsdimension „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ wieder. Auch bei dieser genaueren Betrachtung des Neupositionierungsgrades, die sich ausschließlich auf das angestrebte technologische Leistungsniveau konzentriert, ist ersichtlich, daß die Mittelgroßen Internat. Forscher und der Innova-

486

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersichtstrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung: Technologiebeschaffungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 3: Betragsmäßiges (unabhängig von der Veränderungsrichtung) Ausmaß der Veränderungen hinsichtlich der übrigen fünf Entscheidungsdimensionen (außer technolog. Leistungsniveau) relativ zum Branchendurchschnitt 1990-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller -3,0 -2,0 -1,0 0,0 1,0 2,0 3,0 Überproportionales Unterdurchschnittliches Betragsmäßiges Ausmaß der Neuausrichtung relativ zum Branchendurchschnitt

Abb. 6-40:

4,0

Gruppenübersichtstrendanalyse: Ausmaß der Neupositionierung der Technologiebeschaffungsstrategie hinsichtlich Timing, Außenorientierung, F&E-Kooperationsbereitschaft sowie des Spezialisierungs- und Globalisierungsgrades relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche. Quelle: Eigene Darstellung

tionsorientierte Mittelstand auch hier die höchsten Neuausrichtungsanstrengungen unternehmen. Im Gegensatz dazu fallen diese für den OTC/Trad. Mittelstand, die OTC-Töchter und die Generika-Hersteller deutlich geringer aus als im Branchenmittel, während die Neuausrichtungsanstrengungen der Biotechnologie-Unternehmen und der Großen Internat. Forscher nur geringfügig über denen der Branche als Ganzes liegen. Den direkten Vergleich zum Neupositionierungsgrad hinsichtlich der übrigen fünf technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen gibt Abb. 6-40. Auch hinsichtlich der übrigen fünf Entscheidungsdimensionen sind die Mittelgroßen Internat. Forscher, was ihre technologiestrategische Neuausrichtung anbetrifft, führend. Der Abstand zu den übrigen Gruppen ist hierbei nur noch deutlicher ausgeprägt als die Differenz, die für die Höhe des technologischen Leistungsniveaus und die Veränderungen insgesamt zu beobachten war. Mit

Technologiebeschaffungsstrategie

487

großem Abstand zu dieser Gruppe belegt der Innovat. Mittelstand hinsichtlich seiner Neuausrichtungsbemühungen den zweiten Platz. Leicht über dem Branchenmittel liegen Biotechnologie-Unternehmen, OTC/Trad. Mittelstand und OTC-Töchter, während die Großen Internat. Forscher und die GenerikaHersteller ihre Technologiestrategien in viel geringerem Umfang als der Branchendurchschnitt verändern. Die vorstehenden detaillierten Betrachtungen machen deutlich, daß der innovat. Mittelstand und – noch ausgeprägter die Mittelgroßen Internat. Forscher – eine gigantische Revision ihrer technologiestrategischen Standortbestimmung vorgenommen haben und zwar nicht nur hinsichtlich der Höhe des angestrebten Leistungsniveaus, sondern auch der übrigen technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen, wie die vorstehende Analyse gezeigt hat. Generika-Hersteller, OTC-Töchter und OTC/Trad. Mittelstand und im großen und ganzen auch die Großen Internat. Forscher haben hingegen an ihrer bereits 1990 bestehenden technologiestrategischen Ausrichtung festgehalten. Die Ursachen hierfür sind unterschiedlich: Während Generika-Hersteller und ihre technologiestrategischen Gegenüber, die Großen Internat. Forscher, bereits 1990 über eine präzise technologiestrategische Positionierung verfügt haben, die nur noch ein vergleichsweise geringes Maß an technologiestrategischer Justierung erforderlich gemacht hat, war dies bei den mittelständischen Gruppen und den Mittelgroßen Internat. Forschern nicht der Fall. Wie ja die Untersuchung für die sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen zuvor bereits deutlich machte, befanden sich diese drei Gruppen, wie nicht nur am Beispiel der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus deutlich wird, häufig in der weniger klar definierten Grauzone zwischen den beiden technologiestrategischen Polen „Hochinnovativität“ und „Imitativität“, die von den Großen Internat. Forschern, respektive den Generika-Herstellern besetzt waren. Allerdings sind die Verhaltensmuster der beiden mittelständischen Gruppen, die aus dieser Position „zwischen den Stühlen“ (stuck in the middle) erwachsen, komplett gegensätzlich: Der Innovat. Mittelstand versucht, in einem gewaltigen Kraftakt, der nur noch von den Mittelgroßen Internat. Forschern übertroffen wird, Anschluß an die Großen Internat. Forscher zu halten, während der OTC/Trad. Mittelstand, bei allerdings relativ großen Unterschieden innerhalb der Gruppe, nahezu unverändert an seiner schon 1990 bestehenden Technologiestrategie festhält. Im Unterschied zu den Generika-Herstellern, den Großen Internat. Forschern und ihren OTC-Töchtern geschieht dieses Festhalten an der „traditionellen“ Technologiestrategie nicht aus

488

Die technologiestrategische Positionierung

einer Position der strategischen Stärke. Demgegenüber ist der technologiestrategische Kraftakt der gewaltigen Neupositionierung insbesondere beim Innovat. Mittelstand, aber auch bei den Mittelgroßen Internat. Forschern, die in größerem Maße als der Innovat. Mittelstand diese Neuausrichtung bereits umgesetzt haben, aber auch nicht ohne Risiken. Insbesondere macht diese starke technologiestrategische Neuorientierung diese beiden Gruppen für Risiken, die aus starken Veränderungen im Unternehmensumfeld, insbesondere im regulatorischen Bereich, resultieren, besonders verwundbar. Die OTC-Töchter, die ja mit dem konkreten Ziel, sich auf das OTC-Segment im Pharmamarkt zu konzentrieren, gegründet wurden, verfügen ebenfalls über ein markantes Technologiestrategieprofil, so daß das vergleichsweise geringe Maß an technologiestrategischer Neuorientierung hier nicht überrascht. Völlig unterschiedlich zu allen übrigen Technologiestrategietypen ist die Situation der Biotechnologie-Unternehmen. Die meisten von ihnen haben 1990 noch gar nicht oder zumindest nicht in der heutigen Form existiert. Demzufolge entsprechen die Veränderungen in ihrer technologiestrategischen Ausrichtung der natürlichen Evolution eines wachsenden und expandierenden Unternehmens. Ihre Technologiestrategieprofilveränderungen sind deshalb weniger als strategische Brüche, denn als strategische Arrondierung zu interpretieren. Die exponierte Position von Mittelgroßen Internat. Forschern und Innovat. Mittelstand hinsichtlich ihres Neuausrichtungsgrades wird noch einmal unterstrichen, wenn man ein Feld besonderer Gegensätzlichkeit im Neuausrichtungsausmaß zu den übrigen Gruppen herauskristallisiert: Summiert man nämlich unter expliziter Berücksichtigung der Veränderungsrichtung die zeitlichen Differenzen für jede der Variablen auf, die besonders große Innovationssprünge (nämlich die Erforschung gänzlich neuer Wirkstoffe und Wirkstoffverbesserungen), eine besonders hohe Risikobereitschaft (nämlich die Bereitschaft, sehr hohe F&E-Risiken einzugehen und unheilbare Krankheiten zu erforschen) und die Bedeutung der Technologieführerschaft repräsentieren, so zeigt sich das in Abb. 6-41 wiedergegebene, besonders markante Bild. Die Verstärkung des Bestrebens, „besonders hochinnovativer und risikobereiter Technologieführer zu sein“, ist bei den Mittelgroßen Internat. Forschern und dem Innovat. Mittelstand besonders intensiv. Durch die immense Bedeutungszunahme dieses Ziels bei diesen beiden Gruppen nimmt der Veränderungstrend für die gesamte Branche so stark zu, daß alle übrigen Gruppen hinter dem so gebildeten Industriedurchschnitt weit zurückbleiben.

Technologiebeschaffungsstrategie

489

Gruppenübersichtstrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung: Technologiebeschaffungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 4: Ausmaß der Zunahme des Bestrebens, "ein hochinnovativer, risikobereiter Technologieführer zu sein" (im Rahmen des technolog. Leistungsniveaus), relativ zum Branchendurchschnitt 1990-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller -4,0 -2,0 0,0 2,0 4,0 6,0 Überproportionales Unterdurchschnittliches Ausmaß der Neuausrichtung relativ zum Branchendurchschnitt

Abb. 6-41:

6.2.7.2

Gruppenübersichtstrendanalyse: Ausmaß der Neupositionierung der Technologiebeschaffungsstrategie hinsichtlich des Bestrebens, „hochinnovativer, risikobereiter Technologieführer zu sein“ relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche. Quelle: Eigene Darstellung

Zentrale Trends

Zusammenfassend lassen sich für die sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen der Technologiebeschaffung die folgenden zentralen Trends ausmachen: – Angestrebtes technologisches Leistungsniveau:

ƒ Deutliche Zunahme der strategischen Bedeutung der Technologieführerschaft. ƒ Verlagerung der Innovationsschwerpunkte in Richtung Wirkstofforschung (NMEs). ƒ Deutliche Zunahme der technologiestrategischen Risikobereitschaft, sowohl in Form einer gestiegenen Bereitschaft, hohe F&E-Risiken einzugehen und zunehmend bislang unheilbare Krankheiten zu erforschen, als auch in neue, dem jeweiligen Unternehmen nicht vertraute Indikationsgebiete zu expandieren.

490

Die technologiestrategische Positionierung

– Timing:

ƒ Deutliche Zunahme der strategischen Bedeutung, F&E-Pionier zu sein. – Intensität der Außenorientierung:

ƒ Bedeutungszunahme der externen Technologiebeschaffung zu Lasten der internen Technologieerzeugung durch eigene F&E. – Technologischer Verflechtungsgrad:

ƒ Sprunghafte Zunahme der strategischen Bedeutung von F&E-Kooperationen, insbesondere von Kooperationsformen, bei denen Kooperationsführung und Kontrolle beim eigenen Unternehmen liegen. – Breite der technologischen Ausrichtung:

ƒ Starke Fokussierung der F&E-Aktivitäten auf wenige Kernindikationsgebiete. – Geographische Ausdehnung und Standortwahl:

ƒ Starke Zunahme der Globalisierung der F&E-Aktivitäten, wobei der Standort Deutschland leicht an Wichtigkeit verliert, während insbesondere die USA und in Summe die übrigen EU-Staaten deutlich stärker gewinnen. – Übergeordnete Trends:

ƒ Die größte Neupositionierung findet in der ersten Dekade (1990-2000) statt, während sich in der zweiten Dekade (2000-2010) der Trend in abgeschwächter Form fortsetzt. ƒ Zwischen den einzelnen Technologiestrategietypen treten für alle technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen signifikante Unterschiede auf. ƒ Im zeitlichen Verlauf nimmt, insbesondere für die Entscheidungsdimensionen „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ und „Timing“, die bereits 1990 stark ausgeprägte technologiestrategische Polarisierung zwischen den sieben Technologiestrategietypen weiter drastisch zu. ƒ Das Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung weist fundamentale Unterschiede zwischen den sieben Technologiestrategietypen auf: Mittelgroße Internat. Forscher, Innovat. Mittelstand und in geringerem Maße Biotechnologie-Unternehmen nehmen eine gigantische Neuausrichtung ihrer Technologiebeschaffungsstrategie vor, während Große Internat. Forscher, ihre OTC-Töchter und der OTC/Trad. Mittelstand nur eine unter dem Branchendurchschnitt liegende Neupositionierung anstreben und die Generika-Hersteller an ihren bereits 1990 klar distinguierten Technologiestrategien mit nur relativ geringen Veränderungen festhalten.

Technologieverwertungsstrategie

491

6.3 Technologieverwertungsstrategie Nachdem vorstehend die sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen und das Ausmaß der Neupositionierung im zeitlichen Verlauf für den Bereich der Technologiebeschaffung genauer analysiert wurden, wird in diesem Kapitel eine analoge Betrachtung für den Bereich der Technologieverwertung vorgenommen. Die konkrete Vorgehensweise entspricht dabei derjenigen, die bereits für die Technologiebeschaffung gewählt wurde, nur daß parallel dazu an dieser Stelle zusätzlich noch die Unterschiede zwischen Technologiebeschaffung und –verwertung für die jeweilige technologiestrategische Entscheidungsdimension zu prüfen sind. 6.3.1

Angestrebtes technologisches Leistungsniveau

Im Rahmen der Ableitung des Technologiestrategiemodells war ja für die Entscheidungsdimension der angestrebten Höhe des technologischen Leistungsniveaus postuliert worden, daß sich diese Dimension in den beiden Bereichen Technologiebeschaffung und Technologieverwertung prinzipiell parallel entwickeln sollte. Das Auftreten von Unterschieden zwischen beiden Bereichen war nur für den Fall prognostiziert worden, daß technologiestrategische Neupositionierungen auftreten, die sich aufgrund der Entwicklungsdauer erst mit zeitlicher Verzögerung im anderen Bereich niederschlagen. Als zweite Ursache für das Auftreten von Diskrepanzen wurde die von dem im Unternehmen bereits vorhandenen Fundus an technologischem Wissen46 ausgehende Pufferwirkung postuliert. Spannend ist also die Frage, welches Bild sich in dieser Hinsicht in der Praxis antreffen läßt. Die technologiestrategische Bedeutung, die die Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus im Rahmen der Technologieverwertung für die Branche als Ganzes hat, ist in Abb. 6-42 wiedergegeben. Genauer soll die Frage einer Parallelentwicklung von Technologiebeschaffung und -verwertung für diese Entscheidungsdimension im vorliegenden Kapitel näher beleuchtet werden. Dabei erfolgt zunächst die Betrachtung der hinsichtlich

46

Hierunter sollte ja der gesamte Schatz an geistigem Eigentum des jeweiligen Unternehmens verstanden werden, unabhängig davon, ob dieses Wissen urheberrechtlich geschützt ist (z.B. in Form von Patenten und Marken), und ob es bereits in Produkten (z.B. technologischen Dienstleistungen, Vorprodukten und Schlüsselbausteinen, Wirkstoffen sowie Fertigarzneimitteln) oder Verfahren inkorporiert ist.

492

Die technologiestrategische Positionierung

Branchenüberblick Technologiestrategische Neupositionierung: Technologieverwertungsstrategieprofilveränderungen 1990-2000-2010 Teil 1: Angestrebtes technologisches Leistungsniveau und Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette 1990-2000-2010 Markteinführung gänzlich neuer Wirkstoffe (NMEs) Markteinführung verbesserter Wirkstoffe Markteinführung neuer Kombinationspräparate Markteinführung von Präparaten mit verbesserter Galenik oder Darreichungsform Markteinführung möglichst preisgünstiger vergleichbarer Präparate Markteinführung neuer Generika Produktportfolioschwerpunkte im Bereich unheilbarer Krankheiten -3 Gar nicht

Pharma-Branche-Ges. 1990 Pharma-Branche-Ges. 2000 Pharma-Branche-Ges. 2010

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1

2

Eher

Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-42:

Branchenüberblick: Technologieverwertungsstrategieprofil der PharmaBranche im zeitlichen Verlauf 1990-2010: Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus 1990, 2000 und 2010. Quelle: Eigene Darstellung

der Anzahl ihrer zu betrachtenden Einzelziele umfangreicheren Subdimension, der der Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette. Am Ende dieses Kapitels soll dann diesbezüglich auf die technologiestrategische Risikobereitschaft konkreter eingegangen werden. 6.3.1.1

Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette

In Abb. 6-42 zeigt sich in der Tat auf den ersten Blick ein genau zur Technologiebeschaffung analoges Bild. So sind auch hier die Schwerpunkte 1990 nahezu gleichmäßig entlang der Technologiewertschöpfungskette verteilt. Die Markteinführung gänzlich neuer Wirkstoffe mit signifikant überlegener Wirksamkeit und Nebenwirkungsspektrum hatte genau den gleichen technologiestrategischen Stellenwert wie die Markteinführung verbesserter Wirkstoffe oder Kombinationspräparate. Überdurchschnittliche Bedeutung hat, analog zur Technologie-

Technologieverwertungsstrategie

493

Branchentrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung: Technologieverwertungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 1: Veränderungen hinsichtlich angestrebtem technologischem Leistungsniveau und Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette 1990-2010 Markteinführung gänzlich neuer Wirkstoffe (NMEs) Markteinführung verbesserter Wirkstoffe Markteinführung neuer Kombinationspräparate Markteinführung von Präparaten mit verbesserter Galenik oder Darreichungsform Markteinführung möglichst preisgünstiger vergleichbarer Präparate Markteinführung neuer Generika Produktportfolioschwerpunkte im Bereich unheilbarer Krankheiten

Pharma-Ges.

-1,0

0,0 Abnahme

1,0 Zunahme

der Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-43:

Branchentrendanalyse: Technologieverwertungsstrategische Neupositionierung der Pharma-Branche 1990-2010: Veränderungen in der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus. Quelle: Eigene Darstellung

beschaffung, die Markteinführung galenisch verbesserter Präparate, während – ebenfalls parallel – die Einführung von Generika nicht im Fokus der Technologiestrategie der Branche als Ganzes stand. Im zeitlichen Verlauf von 1990 bis 2010 (Abb. 6-43) verschieben sich die Innovationsschwerpunkte auch auf der Technologieverwertungsseite deutlich hin zur Markteinführung von Produkten mit höherem Innovationsgrad, die gänzlich neue oder verbesserte Wirkstoffe enthalten. Auch nehmen galenisch verbesserte Präparate in Zukunft einen deutlich höheren Stellenwert bei der Markteinführung ein. Die geringe Bedeutung der Markteinführung von Generika bleibt für die Branche als Ganzes auch für die Technologieverwertung in Zukunft nahezu unverändert erhalten und nimmt sogar noch leicht weiter ab. Neben dieser auf den ersten Blick ersichtlichen kompletten Parallelentwicklung zeigen sich, vergleicht man den in Abb. 6-42 für die Technologieverwertung wiedergegebenen zeitlichen Verlauf genauer mit der Analogdarstellung in

494

Die technologiestrategische Positionierung 47

Abb. 6-4 für die Technologiebeschaffung, doch einige interessante Unterschiede: So ist zwar die Zunahme an technologiestrategischer Bedeutung für die Erforschung und die Markteinführung gänzlich neuer Wirkstoffe im Gesamtbetrachtungszeitraum (1990-2010) nahezu gleich hoch, verteilt sich aber unterschiedlich auf die beiden Dekaden: Die Bedeutungszunahme findet für die Technologiebeschaffung nämlich nahezu vollständig in der ersten Dekade statt, und in der zweiten Dekade ist nur noch ein sehr geringes weiteres Anwachsen der Bedeutung festzustellen; bei der Markteinführung hingegen erstreckt sich der technologiestrategische Wertigkeitsgewinn fast gleichmäßig auf beide Dekaden. Dieses Phänomen ließe sich dann in der Tat im Sinne der bei der Modellableitung angestellten Überlegungen erklären: Durch die lange Entwicklungsdauer, bei gänzlich neuen Wirkstoffen ca. zwölf Jahre,48 wird nämlich die beobachtete zeitliche Verzögerung in der Parallelentwicklung von Technologiebeschaffung und -verwertung hervorgerufen. Ein solcher Verzögerungseffekt läßt sich auch für die Entwicklung verbesserter Wirkstoffe und ihres Indikationsspektrums sowie deren Markteinführung beobachten. Allerdings sticht als zusätzliche Besonderheit noch ins Auge, daß die Höhe der technologiestrategischen Bedeutungszunahme für die Technologiebeschaffung deutlich größer ausfällt als diejenige für die Technologieverwertung. Die Erklärung hierfür dürfte in einem unternehmensexternen Effekt im Bereich der regulatorischen Rahmenbedingungen liegen: Von den beiden Zielen, Wirkstoffverbesserung und Erweiterung des Indikationsspektrums, hatte nämlich in der jüngeren Vergangenheit (1990-2000) das zweite, die Indikationsentwicklung, die deutlich größere technologiestrategische Bedeutung. Die Verbesserung eines bekannten Wirkstoffes (z.B. durch Molekülvariation) ohne entscheidenden Therapiefortschrittsgewinn ist deshalb wenig interessant, weil im Markt im Vergleich zu einem wirklich innovativen Wirkstoff, der eine Alleinstellung im Markt begründet, nur geringe Deckungsbeiträge zu erzielen sind, aber ein veränderter Wirkstoff die gleichen zulassungsregulatorischen Hürden zu überwinden hat wie ein gänzlich neuer Wirkstoff, da die Kosten der Arzneimittelentwicklung zu weit überwiegenden Teilen in den hierfür notwendigen klinischen Studien liegen. Die sukzessive Erweiterung des Indikations47 48

Vgl. hierzu S. 439. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.4 (S. 308ff), insbesondere Abb. 4-23 (S. 310) und Abb. 4-24 (S. 317).

Technologieverwertungsstrategie

495

spektrums hingegen stellte lange Zeit eine interessante Facette des Life-cycleManagements dar, da auf diese Weise nicht nur die Umsatzbasis in zusätzliche Indikationsgebiete ausgeweitet werden konnte, sondern die neuen Erkenntnisse auch ein willkommener Anlaß zur Kontaktaufnahme mit den verschreibenden Ärzten im Rahmen der Marktbearbeitung durch den Außendienst waren. Für die neuen Indikationen bekam der Originator eine neue sechs- bis zehnjährige exklusive Nutzungsdauer seines Zulassungsdossiers zugesprochen, die in vielen Fällen zeitlich deutlich über den Ablauf des Patentes und des Erstdossiers hinausging. Auf diese Weise war auch nach Patentablauf noch eine deutliche Abgrenzung gegenüber Nachahmerpräparaten im Markt möglich, da diese Nachahmerpräparate nur für einen Teil der Indikationen des Originals überhaupt zugelassen waren.49 Diese für viele Originatoren interessante technologiestrategische Handlungsoption wurde allerdings durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes fast vollständig eingeschränkt: In seinem „Essentially similar-Urteil“ vom 3.12.1998 wird eine Zulassungsexklusivität für bestimmte Indikationen für den Originator nach Ablauf des Patentes und des Erstdossiers verneint, so daß die Nachahmer sofort in den Genuß einer Zulassung kommen, die sich über alle Indikationen erstreckt, auch die erst kürzlich neu hinzugetretenen. Die Folge dieser Entwicklung läßt sich daran erkennen, daß der für die Technologiebeschaffung zu beobachtenden Bedeutungszunahme der Indikationsentwicklung in der ersten Dekade – weder in der ersten noch in der zweiten Dekade, in der dies aufgrund des zeitlichen Verzögerungseffektes eigentlich zu erwarten gewesen wäre – für die Technologieverwertung eine vergleichbare Parallelentwicklung gegenübersteht. Es handelt sich hier also generell um die zwischenzeitliche teilweise Entwertung erzeugten Wissens – im konkreten Fall durch eine Veränderung der regulatorischen Rahmenbedingungen hervorgerufen –, bevor eine entsprechende Nutzung im Markt erfolgen konnte.

49

Zwar wurde dieser Vorteil teilweise durch Off-Lable-Use, der illegalen Verschreibung (bzw. noch illegaleren nachträglichen Substitution durch den Apotheker) von Nachahmerpräparaten auch für nichtzugelassene Indikationen, relativiert, aber im Endeffekt bei weitem nicht aufgehoben, da dem Originator über die reine Preisdiskussion hinaus entscheidende qualitative Argumente für sein Pharma-Marketing zur Verfügung standen. Die beobachtete Bedeutungszunahme des Gesamtziels der Wirkstoffverbesserung und Indikationsentwicklung konnte in der jüngeren Vergangenheit daher maßgeblich der Indikationsentwicklung zugeschrieben werden.

496

Die technologiestrategische Positionierung

Erst in neuerer Zeit, und verstärkt durch die soeben beschriebene Abwertung der technologiestrategischen Attraktivität von Indikationsentwicklungen, haben auch Wirkstoffverbesserungen an Bedeutung gewonnen. Hierbei handelt es sich fast ausschließlich um Verbesserungsmaßnahmen des Originators im Rahmen seines Life-cycle-Managements. Sogenannte „Me too“-Strategien von „innovativen“ Nachahmern sind auf dem deutschen Markt eher selten anzutreffen. Dies läßt sich auch an der eher geringen und bis 2010 unverändert niedrigbleibenden technologiestrategischen Bedeutung des Ziels, preisgünstige Präparate von vergleichbarer Qualität, was ja genau „Me too“-Präparate sind, ablesen. Hingegen kann für den Originator die Wirkstoffmodifikation zur Verlängerung des Produktlebenszyklus eines wirtschaftlich bedeutenden Wirkstoffes über den Zeitpunkt des Auslaufens des Patentschutzes hinaus als Generika-Abwehrstrategie durchaus von hoher Attraktivität sein, da zu diesem Zeitpunkt das entsprechende Präparat den Höhepunkt seiner Umsatzrendite aufweist. Als Beispiele für derartige Wirkstoffmodifikationen sind Racemattrennungen oder der Austausch des nicht ursächlich für die Wirkung verantwortlichen „Begleit-Ions“ bei salzartigen Wirkstoffen zu nennen. Die beobachteten und inhaltlich sehr aufschlußreichen Unterschiede bestätigen die im Rahmen der Modellableitung gemachte Annahme, daß auch für die technologiestrategische Entscheidungsdimension „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ die differenzierte Betrachtung beider Bereiche, Technologiebeschaffung und –verwertung, geboten ist. Nachfolgend wird der Frage nachgegangen, ob analoge Beobachtungen auch bei genauerer Analyse der gruppenspezifischen Unterschiede zu machen sind. Als erstes soll dieser Fragestellung für die technologiestrategische Bedeutung, die die Erforschung bzw. Markteinführung gänzlich neuer Wirkstoffe (NMEs) für die sieben Technologiestrategietypen hat, behandelt werden. Die gruppenspezifischen Bedeutungsunterschiede hinsichtlich der Markteinführung gänzlich neuer Wirkstoffe zeigt Abb. 6-44. Auch der in Abb. 6-44 wiedergegebene Kurvenverlauf zeigt auf den ersten Blick eine weitestgehende Übereinstimmung mit dem der Analogdarstellung für die Technologiebeschaffungsseite in Abb. 6-7.50 Die Markteinführung gänzlich

50

Vgl. S. 443.

Technologieverwertungsstrategie

497

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 1: Strategische Bedeutung des Ziels "Markteinführung gänzlich neuer Wirkstoffe (NMEs)", im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2

-1

Größtenteils Eher nicht nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-44:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung einer Markteinführung gänzlich neuer Wirkstoffe für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

neuer Wirkstoffe besitzt höchst unterschiedliche Bedeutung für die sieben Technologiestrategietypen, und diese starke technologiestrategische Polarisierung nimmt im zeitlichen Verlauf bis 2010 noch weiter zu: Für Biotechnologie-Unternehmen, Große und Mittelgroße Internat. Forscher ist die technologiestrategische Bedeutung außerordentlich hoch, für den innovationsorientierten Mittelstand indifferent und für die drei übrigen Gruppen nahezu Null. Das Ausmaß an technologiestrategischer Neupositionierung ist dabei bei Mittelgroßen Internat. Forschern, innovationsorientiertem Mittelstand und – dies ist der erste Unterschied zur Technologiebeschaffung – auch bei den Biotechnologie-Unternehmen sehr viel größer als bei allen übrigen Gruppen. Bei genauerer Betrachtung lassen sich allerdings nicht nur für die Biotechnologie-Unternehmen gravierende Unterschiede zwischen Technologiebeschaffung und -verwertung ausmachen: Doch beginnen wir zunächst trotzdem mit den Biotechnologie-Unternehmen. Während sich die in Summe geringere Bedeutungs-

498

Die technologiestrategische Positionierung

zunahme für die Biotechnologie-Unternehmen bei der Technologiebeschaffung weitestgehend auf die erste Dekade (1990-2000) konzentriert, ist dies für die nahezu doppelt so große Bedeutungsverschiebung im Rahmen der Technologiebeschaffung genau umgekehrt: Sie erfolgt nämlich ausschließlich in der zweiten Dekade (2000-2010). Die Ursache hierfür ist in der durch die lange Entwicklungsdauer hervorgerufenen zeitlichen Verzögerung im Analogverhalten von Technologiebeschaffung und -verwertung zu sehen. Das Ausmaß dieser Verzögerungswirkung läßt sich auch daran erkennen, daß auch 2010 die technologiestrategische Bedeutung gänzlich neuer Wirkstoffe für die Technologieverwertung der Biotechnologie-Unternehmen noch stark hinter der der Technologiebeschaffung zurückbleibt. Insgesamt ist die deutliche Bedeutungszunahme für diesen Strategietyp im natürlichen Fortschreiten der Unternehmensentwicklung zu sehen. Ausgehend von der Erforschung hochinnovativer Schlüsselbausteine und -technologien für die Wirkstofforschung wendet sich dieser Typ zunehmend auch der Wirkstofforschung selbst zu. Bei den Mittelgroßen Internat. Forschern ist ebenfalls ein vergleichbarer zeitlicher Effekt zu beobachten, wobei hier allerdings bereits die Zeit vor 1990 eine entscheidende Rolle spielt. So ist nämlich die Bedeutungszunahme bereits in der ersten Dekade für die Technologieverwertung um 40 Prozent höher als für die Technologiebeschaffung, was an den „späten Früchten“ der Technologiebeschaffungsanstrengungen der Vordekade (19801990) liegen dürfte. Jenseits dieser interessanten Unterschiede ist insgesamt die hinsichtlich des vorstehend diskutierten Ziels auch für die Technologieverwertung zu beobachtende starke technologiestrategische Polarisierung, wie bereits bei der Technologiebeschaffung, ein starker Indikator für die absolut unterschiedliche Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus, da ja die Erforschung und Markteinführung gänzlich neuer Wirkstoffe Sprunginnovationen mit sehr hoher Innovationsleistung darstellen. Noch interessanter fällt die Detailanalyse bei der Gegenüberstellung der in Abb. 6-45 wiedergegebenen technologiestrategischen Bedeutung der Verbesserung bekannter Wirkstoffe und der Erweiterung ihres Indikationsspektrums für die Technologieverwertung mit der entsprechenden Analogdarstellung (Abb. 6-8)51 für die Technologiebeschaffung aus.

51

Vgl. S. 444.

Technologieverwertungsstrategie

499

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 2: Strategische Bedeutung des Ziels "Markteinführung verbesserter Wirkstoffe" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2

-1

Größtenteils Eher nicht nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-45:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung einer Markteinführung verbesserter Wirkstoffe und von solchen mit erweitertem Indikationsspektrum für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

Zum einen sind hier nämlich die bereits ausführlich diskutierten zeitlichen Verzögerungseffekte in der Folgewirkung zu beobachten, z.B. bei den Biotechnologie-Unternehmen und dem Innovationsorientierten Mittelstand, auf die hier nicht nochmals erneut ausführlich eingegangen wird. Zum anderen liefert uns der genaue Vergleich von Technologiebeschaffung und -verwertung für die technologiestrategische Bedeutung von Wirkstoffverbesserung und Erweiterung des Indikationsspektrums die Erklärung für das für die Gesamtbranche beobachtete und weiter oben bereits ausführlich diskutierte Phänomen, daß nämlich die Bedeutungszunahme für die Technologieverwertung erheblich geringer ausfällt als für die Technologiebeschaffung. Diese kuriose Beobachtung läßt sich durch die an dieser Stelle vorgenommene Detailanalyse des Gruppenverhaltens genauer spezifizieren: Während bei allen übrigen Gruppen die Richtung der Bedeutungsveränderung für die Technologiebeschaffung und -verwertung gleichgerichtet sind – parallele Zunahme oder Stagnation – ist dies für Große und in noch stär-

500

Die technologiestrategische Positionierung

kerem Maße für Mittelgroße Internat. Forscher nicht der Fall: Während im Rahmen der Technologiebeschaffung insbesondere für die erste Dekade eine deutliche Bedeutungszunahme zu verzeichnen ist, geht für die Technologieverwertung die Bedeutung erstaunlicherweise zurück. Als Erklärung hierfür wurde bereits ein unternehmensexterner Faktor, nämlich eine Veränderung des regulatorischen Umfeldes, angeführt. In der Tat wurde im qualitativen Teil der Experteninterviews, insbesondere von Gesprächspartnern aus diesen beiden Gruppen, immer wieder auf den negativen Impuls des EUGH-Urteils hingewiesen. Daß dieser Effekt für Biotechnologie-Unternehmen und Innovationsorientierten Mittelstand sowie OTC-Töchter nicht so stark zum Tragen kommt, hat neben der Tatsache, daß das EUGH-Urteil noch nicht so stark ins technologiestrategische Bewußtsein gerückt ist, da zwischen intendierter und realisierter Strategie größere Lücken klaffen als bei den Internationalen Forschern, unterschiedliche Ursachen: Bei den Biotechnologie-Unternehmen wird die Erweiterung des Indikationsspektrums zu einem früheren und damit von der regulatorischen Änderung nicht so stark betroffenen Zeitpunkt stattfinden, wenn eine für eine Indikation erfolgreich entwickelte Technologie auf andere benachbarte und eventuell auch weiter entfernte und damit vom EUGH-Urteil grundsätzlich nicht betroffene Indikation übertragen wird. Beim Innovat. Mittelstand ist die Betroffenheit zum Teil deshalb erheblich geringer, weil Imitate in den bearbeiteten Nischen eine geringere Rolle spielen und die Erweiterung des Indikationsspektrums in einigen Indikationsgebieten ohnehin nicht von eigenen Wirkstoffen ausgeht, sondern auf Wirkstoffen basiert, die von anderen Unternehmen für andere Indikationen entwickelt wurden, die aber eine Eignung für das eigene Indikationsgebiet erkennen oder vermuten lassen. Dieser letztgenannte Sachverhalt trifft vor allem auf Indikationsgebiete zu, für die aufgrund ihrer geringen Umsatzgröße grundsätzlich keine eigenständige Erforschung, Entwicklung und Markteinführung gänzlich neuer Wirkstoffe stattfindet, wo also prinzipiell auf den Wirkstoffundus großer Therapiegebiete zurückgegriffen wird. Dies ist beispielsweise im Bereich der Hauterkrankungen der Fall. Bei den OTC-Töchtern schließlich werden zwar große umsatzstarke Indikationen bearbeitet, die Imitationsanfälligkeit und damit eben auch der Effekt des EUGH-Urteils ist aber durch die Stärke eigener Marken deutlich geringer. Der Wert einer neuen Indikation liegt hier auch nur zum Teil in der Erweiterung der Umsatzbasis durch neue Anwendungen, sondern auch vielmehr in einem attraktiven Aufhänger für einen Relaunch des Produktes, der

Technologieverwertungsstrategie

501

mit einem großen Werbefeldzug kombiniert wird und so das Markenimage des eigenen Produktes nachhaltig untermauert. Bei den Generika-Herstellern ist analog zu den internat. Forschern ebenfalls eine gegensätzliche Entwicklung für Technologiebeschaffung und -verwertung zu beobachten, nur dürften hier die Ursachen in anderen Bereichen liegen: Auf der Technologieverwertungsseite ist die technologiestrategische Bedeutung von Wirkstoffverbesserungen und Erweiterung des Indikationsspektrums in der ersten Dekade von einer ohnehin schon sehr geringen Bedeutung auf nahezu Null zurückgefallen. Der Grund hierfür ist, daß sich diese Sonderleistungen aufgrund des hohen Preiswettbewerbs und der Begrenzung des Preisbildungsspielraumes nach oben durch die Festbetragsregelung nicht in höhere Preise umsetzen lassen konnten. Auf der Technologiebeschaffungsseite ist, ausgehend von einer überhaupt nicht vorhandenen Bedeutung, eine geringfügige Bedeutungszunahme in der zweiten Dekade (2000-2010) zu beobachten, die sich aber aufgrund des zuvor schon diskutierten zeitlichen Verzögerungseffektes noch nicht im Beobachtungszeitraum für die Technologieverwertung niederschlägt. Die Ursache, daß generell qualitative Produktverbesserungen auch für Imitate geringfügig an Bedeutung gewinnen, liegt darin, daß neben dem Preis auch wieder die Produktattribute an Bedeutung gewinnen könnten, wie dies zum Teil schon heute in den USA der Fall ist und in den Technologiestrategien der außereuropäischen Generika-Hersteller auch schon einen sehr viel ausgeprägteren Niederschlag gefunden hat. Insgesamt sind für die Wirkstoffverbesserung und die Erweiterung des Indikationsspektrums bekannter Wirkstoffe die gruppenspezifischen Bedeutungsunterschiede längst nicht so stark ausgeprägt wie bei der Erforschung bzw. Markteinführung gänzlich neuer Wirkstoffe. Zwar besteht auch hier prinzipiell eine eindeutige technologiestrategische Polarisierung, allerdings sind die Pole nicht so weit voneinander entfernt, weil es auch für die Gruppen, für die dieses Ziel die höchste relative Bedeutung besitzt, bei weitem keinen existentiellen Rang, sondern nur zweitrangige technologiestrategische Bedeutung erlangt. Die gruppenspezifische Analyse der technologiestrategischen Bedeutung der Markteinführung neuer Kombinationspräparate (Abb. 6-46) zeigt ein mit der Entwicklung dieser Präparate nahezu identisches Bild (Abb. 6-9).52

52

Vgl. S. 446.

502

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 3: Strategische Bedeutung des Ziels "Markteinführung neuer Kombinationspräparate" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1

2

3

Eher

Größtenteils

Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-46:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung einer Markteinführung neuer Kombinationspräparate für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

Analog zu der bereits für die Technologiebeschaffungsseite beobachteten Bedeutungsentwicklung zeigt sich auch für die Technologieverwertung, daß der für die Gesamtbranche zu beobachtende starke Bedeutungsrückgang vor allem auf einen dramatischen Bedeutungsverfall bei den Gruppen zurückzuführen ist, bei denen die Markteinführung neuer Kombinationspräparate das, relativ gesehen, höchste Gewicht besaß: Innovationsorientierter und OTC/ Trad. Mittelstand sowie Mittelgroße Internat. Forscher. Gegen den Branchentrend gewinnt, ausgehend allerdings von der absoluten Bedeutungslosigkeit, die Markteinführung von Kombinationspräparaten nur für die Biotechnologie-Unternehmen an strategischer Bedeutung. Dies ergibt sich, wie bereits für die Technologiebeschaffung und auch die Markteinführung verbesserter Wirkstoffe erörtert, aus ihrem Bestreben, ausgehend von ihrem derzeit einzigen Innovationsschwerpunkt, der Wirkstofforschung, auch in die nachgelagerten Bereiche der Technologiewertschöpfungskette zu expandieren.

Technologieverwertungsstrategie

503

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 4: Strategische Bedeutung des Ziels "Markteinführung von Präparaten mit neuer Galenik" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

1990 2000 2010

-2

-1

0

1

2

Größtenteils nicht

Eher nicht

Nicht eindeutig

Eher

Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-47:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung einer Markteinführung galenisch verbesserter Präparate für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

Insgesamt bietet sich auch für die Technologieverwertung das folgende zur Beschaffung komplett analoge Bild: War 1990 bereits die Bedeutung der Markteinführung neuer Kombinationspräparate selbst im besten Fall nur von nachrangiger technologiestrategischer Bedeutung, so ist diese noch weiter deutlich zurückgegangen und ist heute und auch 2010 für keine Gruppe tragender Bestandteil ihrer Technologiestrategie. Die Markteinführung von Präparaten mit neuer Galenik hat, mit Ausnahme der Biotechnologie-Unternehmen, nicht nur für die Branche als Ganzes, sondern auch für alle Einzeltechnologiestrategietypen eine hohe technologiestrategische Bedeutung (Abb. 6-47). Das in Abb. 6-47 wiedergegebene Bild entspricht nahezu vollständig dem Analogbild für die Entwicklung einer verbesserten Galenik oder Darreichungsform im Rahmen der Technologiebeschaffung (Abb. 6-10).53 Bereits 1990 war 53

Vgl. S. 447.

504

Die technologiestrategische Positionierung

die Markteinführung galenisch verbesserter Präparate Bestandteil der Technologiestrategie aller Gruppen und hat sich im zeitlichen Verlauf noch weiter gesteigert. Diese Steigerung hat auch die letzten zwischen den Technologiestrategietypen vorhandenen Bedeutungsunterschiede fast vollständig nivelliert, so daß diese für alle Gruppen nahezu gleichmäßig hoch ist, aber für keine Gruppe existentiellen Charakter erlangt. Die einzige Ausnahme hiervon bilden die BiotechnologieUnternehmen, die, wie bereits mehrfach ausgeführt, 1990 ihren Innovationsschwerpunkt exklusiv im Bereich der hochinnovativen Wirkstofforschung hatten und ihre Aktivitäten nur langsam in die entlang der Technologiewertschöpfungskette nachgelagerten Bereiche erweitern. Auch 2010 wird ihre Kernkompetenz aber weiterhin im Bereich der Wirkstofforschung liegen, und die nachgelagerten Bereiche werden nur ergänzende Bedeutung haben. Am stärksten fällt der Bedeutungszuwachs galenischer Entwicklungs- bzw. Markteinführungstätigkeit sowohl im Rahmen der Technologiebeschaffungs- als auch der Technologieverwertungsstrategie für die OTC-Töchter aus, die 2010 in beiderlei Hinsicht bezüglich der technologiestrategischen Bedeutung Spitzenreiter in Relation zu den übrigen Gruppen sein werden. Zum Abschluß dieses Unterkapitels über die Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus im Rahmen der Technologieverwertung fehlt noch die genauere Analyse der beiden Ziele, die die Imitationsneigung beschreiben. Bevor auf die Imitate im engeren Sinne, die Generika, näher eingegangen wird, erfolgt zunächst die gruppenspezifische Betrachtung der Markteinführung qualitativ vergleichbarer preisgünstiger Arzneimittel, so genannter „Me too“-Präparate (Abb. 6-48). Genauso wie für die Branche als Ganzes sind auch für die einzelnen Technologiestrategietypen im zeitlichen Verlauf von 1990-2010 nahezu keine Veränderungen in der technologiestrategischen Bedeutung auszumachen. Mit Ausnahme der Generika-Hersteller, die, auch hinsichtlich dieser weitergefaßten Imitationsdefinition, eine ausgesprochen hohe Imitationsneigung aufweisen, ist diese bei allen übrigen Gruppen im besten Fall eher verhalten ausgeprägt. Die nach den Generika-Herstellern größte Imitationsneigung weist der OTC/Trad. Mittelstand auf, mit schon relativ großem Abstand zum nächstfolgenden innovationsorientierten Mittelstand. Interessanterweise weisen auch die allerdings sehr geringen technologiestrategischen Neupositionierungen zwischen diesen beiden Gruppen

Technologieverwertungsstrategie

505

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 5: Strategische Bedeutung des Ziels "Markteinführung (qualitativ vergleichbarer) preisgünstiger Arzneimittel" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen 1990 2000 2010

Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2

-1

Größtenteils Eher nicht nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-48:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung einer Markteinführung preisgünstiger, qualitativ vergleichbarer Präparate für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

in unterschiedliche Richtung: Für den OTC/Trad. Mittelstand ist eine leichte technologiestrategische Bedeutungszunahme, für den Innovat. Mittelstand hingegen eine nahezu gleichgroße Abnahme im zeitlichen Verlauf zu beobachten. Insgesamt spielen preisgünstige „Me too“-Präparate eine untergeordnete Rolle für die in Deutschland aktive Pharma-Branche. Für einen Vergleich von Technologiebeschaffungs- und Technologieverwertungsseite ergibt sich aber die Schwierigkeit, daß dieses technologieverwertungsstrategische Ziel direkt kein Pendant auf der Technologiebeschaffungsseite findet. Allerdings wurde ja dort die Bereitschaft, auch imitative Elemente in den Innovationsprozeß zu integrieren, mit dem Ziel des Beschränkungsgrades auf ausschließlich eigene Wirkstoffe im Rahmen von Wirkstoffverbesserungen oder

506

Die technologiestrategische Positionierung 54

deren Galenik erfaßt (vgl. Abb. 6-11). Hinsichtlich dieses nur sehr bedingt vergleichbaren technologiestrategischen Ziels besteht Übereinstimmung in dem geringen Maß an auftretender technologiestrategischer Bedeutungsveränderung im zeitlichen Verlauf. Während allerdings hinsichtlich des Beschränkungsgrades die gesamte Bandbreite quasi kontinuierlich an technologiestrategischer Bedeutung zwischen den Extremen totaler Beschränkung (Biotechnologie-Unternehmen) und gänzlich fehlender Beschränkung (Generika-Hersteller) abgedeckt wurde, ist die gruppenspezifische Varianz hinsichtlich der technologiestrategischen Bedeutung einer Markteinführung preisgünstiger „Me too“-Präparate erheblich geringer: Aus diesem Bild stechen nur die Generika-Hersteller als Extrem mit hoher Bedeutung heraus. Die Bandbreite zwischen den übrigen Gruppen ist hingegen auf die linke Hälfte der Skala beschränkt und erreicht ihre, relativ gesehen, höchste Imitationsneigung (hinsichtlich der hier diskutierten Imitation im weiteren Sinne) für den OTC/Trad. Mittelstand. Die relativen Positionen, die die einzelnen Gruppen hinsichtlich ihrer Bedeutungsrangfolge zueinander einnehmen, gleichen, mit einer Ausnahme, der des Beschränkungsgrades auf eigene Wirkstoffe für die Technologiebeschaffung. Diese Ausnahme bilden die OTC-Töchter, bei denen die technologiestrategische Bedeutung, möglichst preisgünstige, qualitativ vergleichbare Präparate auf dem Markt einzuführen, Null ist. Dies liegt allerdings weniger daran, daß die Frage, auf fremde Wirkstoffe und Therapiekonzepte zurückzugreifen, nicht ins technologiestrategische Konzept paßt, sondern daß für diese Markenartikler das Ziel, möglichst preisgünstige Produkte anzubieten, eben nicht Teil ihrer Technologiestrategie ist. Hinsichtlich der Imitationsneigung im engeren Sinne, also der technologiestrategischen Bedeutung der Markteinführung von Generika, ist die technologiestrategische Außenseiterposition der Generika-Hersteller im Vergleich zu den übrigen Gruppen noch ausgeprägter als bei der zuvor diskutierten Imitationsneigung im weiteren Sinne (Abb. 6-49). Die Markteinführung von Generika besitzt – mit Ausnahme der GenerikaHersteller – nur für die beiden mittelständischen Gruppen eine sehr geringe, für alle übrigen Gruppen gar keine technologiestrategische Bedeutung. Hieran hat sich auch im zeitlichen Verlauf nur sehr wenig geändert: Analog zu der für die

54

Vgl. S. 448.

Technologieverwertungsstrategie

507

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 6: Strategische Bedeutung des Ziels "Markteinführung von Generika" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen 1990 2000 2010

Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1

0

1

2

Eher nicht

Nicht eindeutig

Eher

Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-49:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung einer Markteinführung von Generika für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

Technologiebeschaffung beobachteten Entwicklung55 nimmt nur für GenerikaHersteller, den OTC/Trad. Mittelstand und die Biotechnologie-Unternehmen die Bedeutung von Generika leicht zu, bei allen übrigen Gruppen, insbesondere beim Innovat. Mittelstand und den Mittelgroßen Internat. Forschern, nimmt die ohnehin schon äußerst geringe technologiestrategische Bedeutung noch weiter ab. Diese Beobachtungen sind komplett identisch mit denen für die Technologiebeschaffung gemachten. Unterschiede sind hier nicht zu beobachten. Alle vorstehend getätigten Überlegungen hatten ja bislang ausschließlich die Unterdimension „Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette“ der technologiestrategischen Entscheidungsdimension „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ zum Gegenstand und zwar zunächst auf Ebene der Gesamtbranche und anschließend auf der Detailebene der sieben

55

Vgl. Abb. 6-12, S. 449.

508

Die technologiestrategische Positionierung

Häufigkeitsverteilung der Markteinführung mindestens eines neuen Arzneimittels, einer New Molecular Entity (NME) und eines ersten Wirkstoffs einer neuen Wirkstoffklasse in den letzten drei Jahren in der Gesamtstichprobe 100 Ja Nein

Häufigkeit in %

80

60

40

20

0

Neues Arzneimittel

NME

Neue Wirkstoffklasse

Markteinführung durch das jeweilige Unternehmen

Abb. 6-50:

Häufigkeit der Markteinführung eines neuen Arzneimittels und eines neuen Wirkstoffs (NME) sowie der Etablierung einer neuen Wirkstoffklasse im deutschen Pharmamarkt 2000.

Technologiestrategietypen. In allen Fällen war es dabei um die in der vorliegenden Arbeit im Fokus stehende technologiestrategische Ausrichtung, also um die kalkulierte Strategie, gegangen. Nun soll abschließend noch eine kritische Gegenüberstellung dieser zuvor diskutierten kalkulierten Strategie mit der im Jahr 2000 realisierten Strategie für die Höhe des angestrebten, respektive realisierten, technologischen Leistungsniveaus auf Branchenebene erfolgen. Abb. 6-50 zeigt, wie häufig in den letzten drei Jahren neue Arzneimittel und neue Wirkstoffe von der Branche insgesamt auf dem Markt eingeführt wurden und wie häufig dabei eine neue Wirkstoffklasse etabliert wurde: Für die Gesamtbranche zeigt sich, daß mehr als 80 Prozent der Unternehmen sehr wohl in den letzten drei Jahren neue Arzneimittel auf dem Markt eingeführt haben, die Branche als Ganzes also im Bereich der Technologiebeschaffung durchaus recht aktiv war. Dabei brachte aber nur gut ein Drittel aller Unternehmen neue Wirkstoffe auf den Markt und nur jedes vierte Unternehmen etablierte eine neue Wirkstoffklasse, führte also einen jeweils ersten, nach einem völlig neuen Wirkprinzip arbeitenden Wirkstoff ein. Diese Beobachtungen unterstützen

Technologieverwertungsstrategie

509

die früheren diesbezüglichen Überlegungen, die wir auf Basis der Zulassungsstatistik angestellt hatten.56 Zwischen den sieben Technologiestrategietypen traten in dieser Hinsicht grundsätzliche Unterschiede auf. 6.3.1.2

Technologiestrategische Risikobereitschaft

Nach der Analyse der Subdimension „Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette“ bleibt zur Vervollständigung der Betrachtungen der technologiestrategischen Entscheidungsdimension „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ noch die detaillierte Erörterung der zweiten Subdimension „technologiestrategische Risikobereitschaft“, die für die Technologieverwertung vom Ausmaß der Bereitschaft, Arzneimittel zur Behandlung bislang weitgehend unheilbarer Krankheiten auf dem Markt einzuführen, repräsentiert wird. Die diesbezüglichen gruppenspezifischen Unterschiede sind in Abb. 6-51 wiedergegeben: Abb. 6-51 zeigt das bereits aus Abb. 6-18 von der Technologiebeschaffungsseite57 her vertraute Bild einer extrem starken technologiestrategischen Polarisierung zwischen den Gruppen hinsichtlich der Erforschung, respektive Markteinführung, von Präparaten gegen bislang unheilbare Krankheiten: Ebenfalls parallel zur Technologiebeschaffung nimmt diese im zeitlichen Verlauf noch weiter deutlich zu. Insgesamt sind entscheidende Unterschiede zur Technologiebeschaffungsseite nicht festzustellen. Das höchste Maß an technologiestrategischer Neupositionierung zeigt sich erneut bei den Mittelgroßen Internat. Forschern, dem Innovat. Mittelstand und den Biotechnologie-Unternehmen. Daß die Biotechnologie-Unternehmen das größte Maß an technologiestrategischer Neupositionierung aufweisen, liegt darin begründet, daß sie ihre hochinnovativen Technologien zunächst auf besser bekannten Krankheitsfeldern angewandt haben, nach der dort erfolgten Bewährung diese Technologien aber dann vor allem zur Therapie bislang unheilbarer und zumeist bei weitem weniger gut erforschter Krankheitsbilder zur Anwendung bringen. Insofern wäre der Schluß, daß bei diesen Unternehmen eine deutliche Zunahme der Risikobereitschaft erfolgt ist, etwas irreführend, weil diese Aussage

56 57

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen zu Ende von Kap. 4.1.4, S. 308ff. Vgl. S. 456.

510

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 7: Strategische Bedeutung des Ziels "Markteinführung von Präparaten gegen bislang unheilbare Krankheiten" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2

-1

0

Größtenteils nicht

Eher nicht

Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-51:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung einer Markteinführung von Präparaten gegen bislang unheilbare Krankheiten für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

zwar bezüglich des Risikogrades bei der Auswahl der zu therapierenden Krankheiten absolut zutreffend ist, dennoch gleichzeitig durch Erfahrungszuwachs das Risiko auf der Seite der dabei eingesetzten Technologien im zeitlichen Verlauf rückläufig ist (jedenfalls bei ein und derselben Technologie). Insgesamt kann also bei den Biotechnologie-Unternehmen korrekter von einer Risikoumschichtung gesprochen werden. Richtig ist in jedem Fall aber der Schluß, daß es sich (nicht erst 2010) bei den Biotechnologie-Unternehmen um die risikobereiteste Gruppe handelt, dicht gefolgt von den Großen und Mittelgroßen Internat. Forschern. Während die Risikobereitschaft beim Innovat. Mittelstand eine mittlere Ausprägung aufweist, ist diese bei den drei übrigen Gruppen sehr gering. Berücksichtigen sollte man jedoch, daß die potentiellen Folgen von Risiken von mittelständischen Unternehmen sehr viel weniger leicht aufgefangen werden können als von international operierenden Großunternehmen, sich damit also der Unterschied zwischen Innovat. Mittelstand und den internat. Forschern etwas re-

Technologieverwertungsstrategie

511

lativieren dürfte, der zwischen Mittelgroßen und Großen Internat. Forschern sich sogar nivellieren dürfte und die exponierte Spitzenposition der BiotechnologieUnternehmen, in dieser Hinsicht als den kleinsten Unternehmen ihrer Branche, sogar in extremer Weise hervorheben sollte. Diese letzten über den Zusammenhang von Risikobereitschaft und Unternehmensgröße angestellten Überlegungen sind selbstverständlich nicht nur auf den Bereich der Technologieverwertung beschränkt, sondern haben ihre Gültigkeit auch für die Technologiebeschaffung und gelten deshalb für die technologiestrategische Subdimension der Risikobereitschaft insgesamt. 6.3.2

Timing im Rahmen der Technologieverwertung

Einen Überblick über die technologiestrategische Bedeutung, die die übrigen fünf Entscheidungsdimensionen für die Branche als Ganzes im zeitlichen Verlauf besitzen, gibt Abb. 6-52. Diese fünf technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen sollen daher zunächst für die Branche als Ganzes kurz im Überblick analysiert und mit den korrespondierenden Entscheidungsdimensionen der Technologiebeschaffung verglichen werden, bevor jede Einzeldimension hinsichtlich vorhandener gruppenspezifischer Unterschiede einer genaueren Betrachtung unterzogen wird. Für die Timingstrategie läßt sich beobachten, daß die technologiestrategische Bedeutung, Marktpionier zu sein, 1990 indifferent ausgeprägt war, aber im zeitlichen Verlauf bis 2010 merklich an Bedeutung zugenommen hat (Abb. 6-53). Sowohl die technologiestrategische Bedeutung als auch die Neupositionierung entsprechen dabei genau der, die das Bestreben, F&E-Pionier zu sein, im Rahmen der Technologiebeschaffung hatte. Interessante Unterschiede zwischen Technologiebeschaffung und -verwertung sind hingegen für die nächste Dimension, die der Außenorientierung, festzustellen: Auf der Technologieverwertungsseite dominiert klar die Vermarktung von Produkten unter eigenem Namen gegenüber der Fremdvermarktung, z.B. in Form der Vergabe von Lizenzen für Wirkstoffe oder zugelassene Präparate an Partner. Hieran ändert sich auch bis 2010 praktisch nichts: Die zu beobachtende geringfügige Bedeutungszunahme der externen Verwertung bis 2000 wird durch eine gegenläufige Entwicklung bis 2010 zum Teil bereits wieder kompensiert. Sogar noch etwas ausgeprägter ist die weit größere Bedeutung der Eigennutzung von verfahrenstechnischem Know-how im Vergleich zur unternehmensexternen

512

Die technologiestrategische Positionierung

Branchenüberblick Technologiestrategische Neupositionierung: Technologieverwertungsstrategieprofilveränderungen 1990-2000-2010 Teil 2: Timing-Strategie, Eigen- versus Fremdvermarktung, Vermarktungs-Kooperationsbereitschaft sowie Spezialisierungs- und Globalisierungsgrad der Vermarktungsaktivitäten 1990-2000-2010 Frühzeitige Markteinführung neuer Präparate (Markt-Pionier) Bedeutung der Eigenvermarktung im Vergleich zur Fremdvermarktung neuer Wirkstoffe/Präparate

Pharma-Branche-Ges. 1990 Pharma-Branche-Ges. 2000 Pharma-Branche-Ges. 2010

Bedeutung der Eigennutzung im Vergleich zur Lizenzvergabe bei neuen Verfahren/Prozessen Strategische Bedeutung von Vermarktungs-Kooperationen

Spezialisierungsgrad des Produktportfolios Globalisierungsgrad der Vermarktungsaktivitäten

-3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1

0

Eher nicht

Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-52:

Branchenüberblick: Technologieverwertungsstrategieprofil der PharmaBranche im zeitlichen Verlauf 1990-2010: Die technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen Timing, Eigen- oder Fremdverwertung, Vermarktungskooperationsbereitschaft sowie Spezialisierungs- und Globalisierungsgrad. Quelle: Eigene Darstellung

Verwertung, etwa der Vergabe von Prozeßlizenzen. Auch hieran ändert sich im zeitlichen Verlauf nur äußerst geringfügig etwas zugunsten einer Zunahme der externen Verwertungsalternativen. Hinsichtlich der Bedeutung beider technologiestrategischer Ziele bestehen fundamentale Differenzen zur korrespondierenden Dimension der strategischen Gewichtung von interner versus externer Technologiebeschaffung, die 2010 sogar ein leichtes Übergewicht externer Know-how-Beschaffungsalternativen nach einer deutlichen Bedeutungsverschiebung in dieser Richtung zu Lasten interner F&E zu verzeichnen hat.58 Gleichgelagerte Unterschiede zwischen der Technologiebeschaffungs- und Verwertungsseite treten auch für die Dimension des technologischen Verflechtungsgrades auf. Zwar nehmen auch Vermarktungskooperationen im zeitlichen 58

Vgl. hierzu Abb. 6-22 (S. 460) und die dort gemachten Ausführungen.

Technologieverwertungsstrategie

513

Verlauf sprunghaft an strategischer Bedeutung zu, doch bleibt diese Zunahme um etwa 50 Prozent hinter dem Bedeutungsanstieg, der für F&E-Kooperationen zu beobachten ist, zurück.59 Noch klarer tritt diese Beobachtung beim direkten Vergleich der absoluten technologiestrategischen Bedeutung beider Bereiche zutage: So liegt die strategische Wertigkeit von Vermarktungskooperationen 2010 – also nach der sprunghaften Steigerung – nur geringfügig über der von F&E-Kooperation 1990 – also bevor die immense Steigerung stattgefunden hat. Hinsichtlich der fünften Entscheidungsdimension, des Spezialisierungsgrades von Produkt- respektive F&E-Projektportfolio, entsprechen technologiestrategische Ausgangsaufstellung 1990 und Neupositionierung bis 2010 für beide Bereiche auf Branchenebene einander weitestgehend. Der einzige Unterschied zwischen beiden Bereichen liegt darin, daß die für den Gesamtbeobachtungszeitraum gleich große, starke Zunahme an Fokussierung für die Technologieverwertung etwas stärker in die 2. Dekade (2000-2010) verlagert ist als für die -beschaffung, was wiederum an zeitlichen Verzögerungseffekten liegen dürfte. Zusätzlich zu diesen hier beobachteten eher geringen Unterschieden wird aber die Gegenüberstellung von kalkulierter und realisierter Strategie zutage fördern, daß hinsichtlich des Spezialisierungsgrades weit mehr als nur eher marginale Unterschiede, nämlich sogar fundamentale Differenzen, zwischen den beiden Bereichen Technologiebeschaffung und -verwertung existieren.60 Zum Abschluß dieses Überblicks auf Branchenebene bleibt noch die letzte der sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen, die des Globalisierungsgrades der Vermarktungsaktivitäten, im Überblick auf Branchenebene zu betrachten. Analog zur Technologiebeschaffung findet hier eine sprunghafte Ausweitung des geographischen Aktionsradius der Vermarktungsaktivitäten statt. Allerdings übertrifft diese rapide Globalisierungstendenz die für die Technologiebeschaffungsaktivitäten zu beobachtende bei weitem. 2010 wird es für die Branche als Ganzes zur Schicksalsfrage geworden sein, für die entwickelten 59

60

Vgl. hierzu die in Abb. 6-23 (S. 461) bzw. in Abb. 6-53 (S. 515) wiedergegebenen Bedeutungssteigerungen des angestrebten technologischen Verflechtungsgrades für die Technologiebeschaffung respektive -verwertung von 1990-2010. An dieser Stelle soll zunächst nur auf das Auftreten grundsätzlicher Unterschiede zwischen Technologiebeschaffung und -verwertung hingewiesen werden, um das zwischenzeitliche Entstehen eines irreführenden Eindrucks im Rahmen der hier vorgenommenen Überblicksdiskussion zu vermeiden. Die ausführliche Diskussion dieser Thematik findet hingegen erst in dem explizit für diese technologiestrategische Entscheidungsdimension vorgesehenen Kap. 6.3.5, S. 536ff, statt.

514

Die technologiestrategische Positionierung

Produkte weltweit Deckungsbeiträge zu sammeln, während auch 2010 im Branchenmittel zwar ein weit über den Heimatstandort hinausgehender geographischer Aktionsradius für die F&E-Aktivitäten, aber keine weltweite Präsenz angestrebt wird. Die Ursache für die generelle Ausweitung dieses Aktionsradius liegt darin, daß die immer weiter steigenden Entwicklungskosten pro Arzneimittel61 in immer kürzerer Zeit aufgrund immer kürzerer Phasen einer Alleinstellung im Markt62 refinanziert werden müssen, dies aber gleichzeitig durch zunehmende Kostendämpfungsbemühungen in den Einzelmärkten nachhaltig erschwert wird und auf diese Art und Weise nur durch eine möglichst zügige und vollständige Durchdringung aller weltweit relevanten Märkte überhaupt noch eine Refinanzierung dieser Entwicklungskosten möglich ist. Gleichzeitig mit dieser Globalisierung der Vermarktungsaktivitäten sinkt die Abhängigkeit von einzelnen regionalen Märkten, insbesondere vom Heimatmarkt. Und die Exponiertheit gegenüber einzelstaatlichen, vor allem regulatorischen Marktrisiken,63 insbesondere gegenüber kostendämpfungs-motivierten Eingriffen in die Preisbildungsfreiheit, kann reduziert werden. Die Notwendigkeit zur Ausweitung des geographischen Aktionsradius der Technologiebeschaffungsaktivitäten hat zwar ebenfalls, wie in Kap. 6.2.6 bereits ausgeführt wurde,64 zugenommen. Im Regelfall reicht es aber aus, an einer begrenzten Anzahl von Standorten in Form eigener F&E-Dependancen oder von F&E-Kooperationsprojekten präsent zu sein, um am weltweiten technologischen Fortschritt des jeweiligen Forschungsfeldes umfassend zu partizipieren.

61 62

63 64

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.4, S. 308ff. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.2.2.2 (S. 358ff), insbes. Abb. 4-31 (S. 363). Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.2.1.1, S. 335ff. Vgl. S. 478ff.

Technologieverwertungsstrategie

515

Branchentrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung: Technologieverwertungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 2: Veränderungen bei Timing-Strategie, Eigen- versus Fremdvermarktung, VermarktungsKooperationsbereitschaft sowie Spezialisierungs- und Globalisierungsgrad der Vermarktungsaktivitäten 1990-2010 Frühzeitige Markteinführung neuer Präparate (Markt-Pionier) Bedeutung der Eigenvermarktung im Vergleich zur Fremdvermarktung neuer Wirkstoffe/Präparate Bedeutung der Eigennutzung im Vergleich zur Lizenzvergabe bei neuen Verfahren/Prozessen Strategische Bedeutung von Vermarktungs-Kooperationen

Pharma-Ges.

Spezialisierungsgrad des Produktportfolios Globalisierungsgrad der Vermarktungsaktivitäten

-1,0

Abnahme

0,0

1,0

Zunahme

2,0

der Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-53:

Branchentrendanalyse: Technologieverwertungsstrategische Neupositionierung der Pharma-Branche 1990-2010: Veränderungen hinsichtlich Timing, Eigen- versus Fremdverwertung, Vermarktungskooperationsbereitschaft sowie Spezialisierungs- und Globalisierungsgrad. Quelle: Eigene Darstellung

Nach diesem ersten Überblick über die Entwicklung der fünf technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen im zeitlichen Verlauf soll nun zunächst für die Timing-Strategie eine genauere Analyse mit Blick auf gruppenspezifische Unterschiede durchgeführt werden (Abb. 6-54). Die technologiestrategische Bedeutung, als erster ein neues Arzneimittel auf dem Markt einzuführen, hat insbesondere für die hochinnovativen Strategietypen nochmals stark an Bedeutung gewonnen und erreicht 2010 existentielle Bedeutung für die Biotechnologieunternehmen sowie die Großen und Mittelgroßen Internationalen Forscher. Für die übrigen Typen, mit Ausnahme des Innovat. Mittelstandes, besitzt Marktpionier zu sein nur eine äußerst geringe Wertigkeit, die im zeitlichen Verlauf auf diesem sehr niedrigen Bedeutungsniveau verbleibt. Für den Innovat. Mittelstand wird zwar Marktpionier zu sein immens wichtiger, wird aber auch 2010 nicht zur Schlüsselfrage. In dieser Hinsicht besteht ein Un-

516

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 8: Strategische Bedeutung des Ziels, "Marktpionier zu sein", im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1

0

Eher nicht

Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-54:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung des Ziels, „Marktpionier zu sein“, für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

terschied zur Technologiebeschaffung, denn dort liegt sowohl die Zunahme als auch das Bedeutungsniveau 2010 für diese Gruppe fast eine ganze Dimension höher. Ursache für diese Abweichung dürfte sein, daß für diesen Strategietyp zunächst im Vordergrund steht, therapeutische Chancen als erster zu nutzen und dadurch das für die Technologiebeschaffung bereits 2010 beobachtete zentrale Bedeutungsniveau der Pionierrolle in der Technologieverwertung erst mit zeitlicher Verzögerung erreicht wird. Hinzu kommt, daß, insbesondere in Nischen, ein potentieller Folger allein durch die Tatsache, daß bereits ein Wettbewerber mit Entwicklungsaktivitäten begonnen hat, von der Aufnahme eigener Entwicklungsaktivitäten – sprich der Verfolgung – abgeschreckt wird, weil die niedrigen Marktpotentiale in der Nische einen direkten Wettbewerb mit analogen Produkten ruinös erscheinen lassen. In Nischen dürfte daher zwischen Konkurrenten gleicher Wettbewerbsstärke das Erlangen der F&E-Pionierposition noch ent-

Technologieverwertungsstrategie

517

scheidender als die der Marktpionierposition sein, wie es in Abb. 6-54 ja auch in der Tat zu beobachten ist. Genau die entgegengesetzte Diskrepanz ist für die OTC-Töchter zu beobachten: Während eine F&E-Pionierrolle in keiner Weise angestrebt wird, steht zwar auch die Marktpionierrolle nicht im technologiestrategischen Mittelpunkt, liegt aber immerhin auf einem um fast zwei Dimensionen höheren Bedeutungsniveau. Der Grund für diesen Unterschied besteht darin, daß das OTC-Geschäft nahezu ausschließlich marktgetrieben ist. Sobald nämlich Marktimpulse das Vorhandensein eines neuen Marktes, z.B. für eine neue Darreichungsform oder Kombination, erkennen lassen, ist eine zügige Realisierung dieser Chance vor dem Wettbewerb sicherzustellen, da nur der erste seine Marktanteile wird ausbauen und einen Pioniergewinn für das Image seiner Marke wird erzielen können. Daß Marktpionier zu sein nach dem vorstehend Gesagten trotzdem keine existentielle Bedeutung erlangt, liegt daran, daß diese Impulse im Vergleich z.B. zu den hochinnovativen Gruppen – bei denen dann Technologieimpulse überwiegen – relativ selten auftreten.65 Daß die Pionierrolle im Rahmen der Technologiebeschaffung ohne jede Bedeutung für die OTC-Töchter ist, hängt auch stark damit zusammen, daß eine großartige Vorarbeit in der Technologiebeschaffung für die Markteinführung eines neuen OTC-Präparates (mit einem im OTC-Segment neuen Wirkstoff) in der Regel nicht erforderlich ist, da es sich ja immer um Wirkstoffe handelt, die schon mindestens fünf Jahre zugelassen sind.66 Darauf, daß das Ausmaß, in dem angestrebt wird, Marktpionier zu sein, noch nichts mit der grundsätzlichen Bedeutung des Faktors Zeit in Innovations- und 65

66

Auf die Bedeutung von Markt- und Technologieimpulsen für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung und die in dieser Hinsicht bestehenden Unterschiede zwischen den sieben Technologiestrategietypen wird Kap. 6.4.2 (S. 581ff) noch detailliert eingehen. Dies ist vom Arzneimittelgesetz vorgeschrieben. Alle neuen Wirkstoffe sind zunächst rezeptpflichtig und können frühestens bei der ersten Zulassungsverlängerung nach fünf Jahren ganz oder teilweise aus der Verschreibungspflicht entlassen werden. Bei vielen Wirkstoffen wird der RX-OTC-Switch eines Wirkstoffes jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt vollzogen. Dann ist dieser bereits etabliert, und eine zusätzliche Technologiebeschaffungsnotwendigkeit besteht hauptsächlich nur zur Erfüllung der regulatorischen Voraussetzungen. Eine Pionierrolle im Bereich der Technologieverwertung setzt also keine Pionierrolle in der Beschaffung voraus. Dies stellt gleichzeitig auch eine Unterstützung für die der Modellbildung zugrundeliegenden Annahmen (mehrerer Entscheidungsbereiche) dar. Hierauf wird Kap. 8.2, S. 660ff genauer eingehen.

518

Die technologiestrategische Positionierung

auch Imitationsprozessen zu tun hat – insbesondere, daß aus einer niedrigen technologiestrategischen Priorität der Pionierrolle nicht auf eine Bedeutungslosigkeit des Faktors Zeit geschlossen werden darf – war bereits bei der Diskussion der parallelen Entscheidungsdimension für die Technologiebeschaffung ausführlich hingewiesen worden, und auf eine erneute Erörterung kann daher an dieser Stelle verzichtet werden.67 6.3.3

Intensität der Außenorientierung im Rahmen der Technologieverwertung

Anders als für die Timing-Frage sind die in Abb. 6-55 und in Abb. 6-57 wiedergegebenen gruppenspezifischen Unterschiede hinsichtlich der Intensität der Außenorientierung vergleichsweise gering. Die Intensität der Außenorientierung wurde im Rahmen der empirischen Untersuchung hierbei separat für Produkte und Prozesse erfaßt. Bezüglich der Intensität der Außenorientierung bei der Technologieverwertung von Produkten wurde diese Dimension hier repräsentiert durch die technologiestrategische Bedeutung einer Vermarktung von Wirkstoffen und Therapiekonzepten unter eigenem Unternehmensnamen im Vergleich zu externen Verwertungsalternativen über Partner. Die dabei zu beobachtenden technologiestrategietypspezifischen Besonderheiten im zeitlichen Verlauf sind in Abb. 6-55 ersichtlich. Mit Ausnahme der Biotechnologie-Unternehmen (und zum Teil auch der Mittelgroßen Internat. Forscher) dominiert klar die Vermarktung von Wirkstoffen und Therapiekonzepten unter eigenem Firmennamen. Die externe Verwertung über Partner, z.B. Lizenznehmer, besitzt nur eine sehr untergeordnete Bedeutung. Die Veränderungstrends im zeitlichen Verlauf sind genau wie für die Branche als Ganzes für die meisten Gruppen sehr gering. Merkliches Ausmaß an Neuorientierung ist nur für die Biotechnologie-Unternehmen und in geringerem Umfang für die beiden mittelständischen Gruppierungen auszumachen. Die Trends weisen dabei allerdings in entgegengesetzte Richtungen: Während für Biotechnologie-Unternehmen die Eigenvermarktung wichtiger wird, gewinnen bei den mittelständischen Typen externe Verwertungsalternativen an Bedeutung. Auch innerhalb der einzelnen Gruppen sind zum Teil gegensätzliche Strömungen zu verzeichnen, so z.B. bei den Großen Internationalen Forschern: Während angel-

67

Vgl. hierzu die detaillierten Ausführungen in Kap. 6.2.2, S. 459ff.

Technologieverwertungsstrategie

519

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 9: Strategische Bedeutung der Eigenvermarktung (relativ zur Fremdvermarktung über Partner) von Wirkstoffen und Therapiekonzepten im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

1990 2000 2010 -2 Größtenteils nicht

-1

0

1

2

Eher nicht

Nicht eindeutig

Eher

Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-55:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung einer Eigenvermarktung von Wirkstoffen und Therapiekonzepten im Vergleich zu externen Verwertungsalternativen über Partner für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

sächsische Unternehmen 2010 sogar noch etwas stärker auf die Eigenvermarktung setzen, läßt sich bei deutschen und schweizer Unternehmen eine tendenziell leicht erhöhte Bereitschaft zur Vermarktung über Partner als 1990 ausmachen. Das Ausmaß der Veränderungen ist aber sehr gering und kompensiert sich innerhalb der Gruppe vollständig. Auch in Absolutwerten setzen 2010 US-amerikanische Unternehmen noch etwas stärker auf die Eigenvermarktung als Große Internat. Forscher mit anderer Heimatbasis, was 1990 übrigens noch genau umgekehrt war. Die Ursache hierfür ist, daß US-amerikanische Unternehmen ihre Vertriebskapazitäten außerhalb der USA, insbesondere in Europa – und hier vor allem auf dem größten und margenstärksten europäischen Markt, Deutschland – stark ausgebaut haben und dort viel weniger auf Co-Marketing bzw. Co-Promotion-Partner oder sogar Exklusiv-Lizenznehmer zurückgreifen möchten, als sie dies in der Vergangenheit getan haben, als die eigenen Vermarktungsapparate außerhalb der USA noch sehr viel schwächer ausgelegt waren.

520

Die technologiestrategische Positionierung

Die gegenüber den übrigen Gruppen hervorstechende Besonderheit der Biotechnologie-Unternehmen erklärt sich damit, daß diesen „jungen“ Unternehmen hinreichende Vermarktungs- und Vertriebskapazitäten, die eine Eigenvermarktung an Patienten im Regelfall erforderlich gemacht hätten, 1990 und 2000 genauso wenig zur Verfügung standen, wie Ressourcen, die eine über den Wirkstoff hinausgehende Arzneimittelentwicklung oder Bewältigung des Zulassungsprozesses gestattet hätten. Dieser Sachverhalt war ja schon in Zusammenhang mit der Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette ausführlich beleuchtet worden.68 Parallel zu der dort zu verzeichnenden Expansion der Entwicklungsaktivitäten auf nachgelagerte Stufen der Technologiewertschöpfungskette wird in Zukunft auch die Eigenvermarktung an Bedeutung gewinnen. Allerdings wird dann auch die Fremdvermarktung über Partner, insbesondere Lizenznehmer, überwiegen. Je überschaubarer der für ein Arzneimittel relevante Markt, desto eher ist für ein Biotechnologie-Unternehmen die eigenständige Direktbearbeitung dieses Marktes möglich. Handelt es sich bei der über den Arzneimitteleinsatz entscheidenden Zielgruppe zusätzlich noch um eine kleine Gruppe hochspezialisierter Fachexperten, z.B. Ärzte von auf bestimmte Therapien spezialisierten Fachkliniken, ist die direkte Eigenvermarktung durch das Biotechnologie-Unternehmen sogar erfolgversprechender als eine Übertragung dieser Aufgabe an einen Partner aus der Riege der internationalen Forscher: Die Experten des Biotech-Unternehmens können nämlich – in einer Begegnung unter Experten – viel qualifizierter und damit auch viel überzeugender auf die Fachärzte der Klinik eingehen, als dies in der Regel ein „Vertriebsheer“ eines Partners aus der Gruppe der Internationalen Forscher tun könnte, das mit Hilfe einer standardisierten Kommunikation auf eine möglichst effiziente, großflächige Marktbearbeitung ausgerichtet ist. Langfristig69 arbeitet in diesem Zusammenhang übrigens die zu erwartende Individualisierung von Krankheitsbildern den Biotechnologie-Unternehmen in extremer Weise in die Hände. Hierunter wird verstanden, daß bestimmte Krankheitsbilder, die heute noch wegen ihrer äußeren Symptome und aus Mangel an exakteren Kenntnissen ein und demselben Krankheitsbild zugeordnet und entsprechend auch recht einheitlich thera-

68 69

Vgl. die diesbezüglichen Ausführungen in Kap. 6.3.1.1, S. 492ff. In seiner vollen Größe dürfte dieses Phänomen sicher noch etwa 30-50 Jahre auf sich warten lassen, die ersten Wellen dieses Veränderungstrends werden aber schon innerhalb der nächsten Dekade in Erscheinung treten.

Technologieverwertungsstrategie

521

piert werden, in Zukunft aufgrund eines insbesondere auf gentechnischer Forschung basierenden rapiden Erkenntnisfortschritts, in eine Vielzahl von recht unterschiedlichen Einzelkrankheiten spezifiziert werden können, die dann auch entsprechend individuell therapiert werden. Beispiele hierfür sind z.B. im Bereich von genetisch bedingten Erbkrankheiten oder von Krebserkrankungen zu erwarten. Während für die heute noch im Vordergrund stehende Entwicklung und Markteinführung von „Blockbustern“, Arzneimitteln mit einem jährlichen Gesamtumsatz von mindestens einer halben Milliarde US-$ (ca. einer halben Milliarde €),70 eine möglichst rasche, flächendeckende und weltweite Marktdurchdringung existentiell ist, könnte in fernerer Zukunft die individuelle Therapie von zahlenmäßig sehr kleinen Patientengruppen – mit einer entsprechend stark differenzierten und spezialisierten Kommunikationsstrategie – im Vordergrund stehen. Die heutigen Vorteile großer, nach einheitlichen Kommunikationsstrategien agierenden und sich vor allem durch ihre sehr hohe Effizienz auszeichnenden „Außendienstheere“ der internationalen Forscher könnten dann nicht nur aufgrund ihrer „hohen fixen Betriebskosten“71 zu einem Nachteil werden. Gleichzeitig könnten die zuvor in einer zahlenmäßig immer weiter zunehmenden Anzahl an „Nischen“ – durch die Abspaltung von weiteren „Nischen“ aus ehemals großen „Gesamtindikationen“ – gesammelten Erfahrungen der individuell agierenden „Biotech-Experten“ in der stark auf die spezifische, relativ 70

71

Der Ausdruck „blockbuster“ stammt aus dem militärischen Sprachgebrauch und bezeichnete ursprünglich eine großkalibrige Bombe mit hohem Zerstörungspotential („a very large high-explosive demolition bomb“ (engl.), vgl. o.V.; (1996): Webster’s New Encyclopedic Dictionary (1996), S. 104. Bis 1993 erreichten 52 Medikamente diesen Status, 22 von ihnen erzielten sogar jährliche Umsätze von mehr als einer Milliarde US-$, vgl. Juès, J.-P.; (1998), S. 27-28. Wie bereits früher angesprochen, zeichnen sich zwar immer größere Außendienstkapazitäten (die u.a. durch fortschreitende Fusionierungs- und Akquirierungsprozesse verstärkt gebildet werden) dadurch aus, daß sie eine möglichst schnelle und weltweit flächendeckende Marktdurchdringung wichtiger Produkte – hierbei handelt es sich um hochwirksame, hochinnovative und verschreibungspflichtige Arzneimittel (im OTCGeschäft mit seinen starken Marken gelten andere Gesetze) ermöglichen und so unter den gegenwärtigen Marktbedingungen eine starke Optimierung/Maximierung der Deckungsbeiträge über die kürzer werdenden Produktlebenszyklen ermöglichen, gleichzeitig aber gegenüber Schwankungen in der Produktpipeline sehr empfindlich sind, da sich ihre hohen „Betriebskosten“ nur bei hoher Auslastung mit einem gleichmäßigen Neuproduktnachschub refinanzieren lassen und bei einem temporären Versiegen dieses Pipelinestroms sehr schnell zu einem Kostenproblem werden, da ein flexibler Kapazitätsauf- und -abbau nur sehr begrenzt praktikabel ist.

522

Die technologiestrategische Positionierung

gesehen kleine Patienten- oder Facharztgruppe zugeschnittenen flexiblen Betreuung ein unschätzbarer Wettbewerbsvorteil in der Vermarktung sein. Hinzu kommen in ihrem Wert sogar noch höher anzusiedelnde Impulse der medizinischen Praktiker für Neuentwicklung bzw. Produktverbesserungen. Auch könnten diese „Experten-Verkäufer“ neben ihrer Vertriebsaufgabe auch die Rolle eines „Anwendungstechnikers“ hinsichtlich einer Beratung und Adaption der auch in ihrer Anwendung immer komplexeren Präparate übernehmen. Daß aber auch unter den heutigen Marktbedingungen die Annahme durchaus ihre Berechtigung hat, daß Biotechnologie-Unternehmen innerhalb von 10 bis 15 Jahren eine globale Vermarktung unter eigenem Unternehmensnamen nicht nur in überschaubaren Spezialindikationen, sondern auch in den ganz großen Indikationsgebieten erfolgreich bewerkstelligen können, belegt besonders eindrucksvoll das Beispiel Amgen, das hinsichtlich seiner Börsenkapitalisierung heute die vieler etablierter Pharma-Unternehmen, wie z.B. Bayer oder Aventis, bei weitem übertrifft. Andere Biotech-Unternehmen, derzeit noch ausschließlich US-amerikanischen Ursprungs, lassen einen ähnlich kometenhaften Aufstieg erwarten. Viele der in Deutschland am neuen Markt notierten Biotechnologie-Unternehmen lassen aber ebenfalls ähnliche Potentiale erkennen, nur ist ihre Entwicklung in zeitlicher Hinsicht noch nicht so weit fortgeschritten, wie ja u.a. auch das noch in die Zukunft projizierte Bestreben einer nennenswerten Eigenvermarktung unterstreicht, das den Ausgangspunkt dieser detaillierteren Überlegungen darstellte.72 Nach diesem ausführlichen Exkurs zu den Hintergründen der Sonderstellung der Biotechnologie-Unternehmen soll noch kurz auf die weniger gravierenden Unterschiede der Mittelgroßen Internat. Forscher zu den übrigen Gruppen eingegangen werden. Im Gegensatz zu den Großen verfügen die Mittelgroßen Internat. Forscher insbesondere außerhalb ihres Heimatlandes, bzw. ihrer Heimatregion, nicht über vergleichbar schlagkräftige Vermarktungsressourcen, so daß ihre Bereitschaft, die Vermarktung für bestimmte Produkte ganz oder in bestimmten Märkten Partnern zu überlassen oder gemeinsam mit diesen im Co-Marketing oder in Co-Promotion vorzunehmen, deutlich größer ist als bei den Großen. 72

Allerdings soll an dieser Stelle keineswegs der (unzutreffende) Eindruck vermittelt werden, daß die Biotechnologie-Branche sich ausnahmslos im Aufwärtstrend befände. Vielmehr wird der Aufstieg einiger (weniger) Biotechnologie-Unternehmen zu Unternehmen mit globaler Marktbedeutung begleitet sein von einer ausgeprägten Konsolidierungswelle in Form von Fusionen und Marktaustritten schwächerer Akteure.

Technologieverwertungsstrategie

523

Aufgrund ihrer noch deutlich geringeren Größe und ihrer sehr viel stärkeren Zentrierung auf ihren Heimatmarkt müßte diese Bereitschaft bei den beiden mittelständischen Gruppen noch ausgeprägter sein. Dies ist jedoch nicht so, auch wenn der Neuorientierungstrend in diese Richtung geht. Ursächlich dürften gravierende Unterschiede in den Attributen der entwickelten und vermarkteten Arzneimittel sein. Während nämlich die Mittelgroßen Internat. Forscher, genau wie die Großen, auf nahezu ausschließlich chemisch definierte, hochwirksame, verschreibungspflichtige und zumeist patentgeschützte, z.T. auch gentechnisch hergestellte Präparate setzen, ist dies bei den mittelständischen Gruppen deutlich anders: Sie setzen – im Mittel, bei beträchtlichen Unterschieden innerhalb der Gruppen – sehr viel stärker auf pflanzliche Arzneimittel, die seltener verschreibungspflichtig und patentgeschützt sind und deren „Medical Need“ deutlich geringer ist, die also mehr zur Therapie leichter Erkrankungen und zur Prophylaxe geeignet sind als zur Therapie akut lebensbedrohender Krankheiten, vgl. hierzu die in Abb. 6-56 wiedergegebene Orientierungsgraphik73 zur unterschiedlichen Zusammensetzung der Produktportfolios der Mittelgroßen Internat. Forscher und der beiden mittelständischen Gruppen. Die Konsequenz aus dieser sehr unterschiedlichen Beschaffenheit der Arzneimittel ist, daß – während sich für die Arzneimittel der Mittelgroßen Internat. Forscher relativ leicht Partner finden lassen, die zu einer entsprechenden Übernahme der Vermarktungsaktivitäten bereit sind – dies bei den Produkten der beiden mittelständischen Gruppen zum Teil nicht der Fall sein wird, weil entsprechende Segmente in ausländischen Märkten bereits von etablierten einheimischen und qualitativ vergleichbaren Analogpräparaten bereits vollständig ausgefüllt werden. Hinzu kommt, daß die Mittelgroßen Internat. Forscher viel früher und in

73

An dieser Stelle muß allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß die in Abb. 6-56 vorgenommene Graphik nur als Überblicksorientierung dienen kann und die wiedergegebenen Mittelwerte hinsichtlich ihres Absolutwertes inkorrekt sind, da zur Mittelwertberechnung eine nicht lineare metrische Skala verwendet wurde. Die korrekte Darstellung hätte eigentlich für jede der wiedergegebenen Dimensionen (also z.B. des relativen Anteils von Phytopharmaka) und für jede Gruppe eine separate Häufigkeitsverteilung erfordert. Durch die daraus resultierende Vielzahl von Einzelgraphiken wäre aber nicht nur der zur Verfügung stehende Raum an dieser Stelle gesprengt worden, sondern auch der beabsichtigte Gesamtzusammenhang verloren gegangen. Insofern sei der Leser gebeten, diese formale „Sünde“ zu verzeihen und die Graphik nur für eine erste Orientierung zu verwenden.

524

Die technologiestrategische Positionierung

"Relative Umsatzbedeutung einzelner Marktsegmente aus Unternehmenssicht"

Ve r e Dar infach stel lun te g

aus Vermarktung unter eigenem Firmennamen aus externer Verwertung (z.B. Lizenzeinnahmen) mit patentgeschützten Arzneimitteln mit "Branded Generika" mit "Unbranded Generika"

Mittelgroße Internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand

mit einlizenzierten patentgeschützten Arzneimitteln mit gentechnisch erzeugten Arzneimitteln mit homöopathischen Arzneimitteln mit Phytopharmaka mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland

0%

0% - 2%

2% - 5%

5% - 10%

10% - 20%

20% - 50%

50% - 80%

> 80%

Anteil am weltweiten Umsatz mit therapeutischen Humanarzneimitteln (in %-Rubriken)

Abb. 6-56:

Benchmark: Direkter Vergleich der drei Gruppen „Mittelgroße Internat. Forscher“, „Innovat. Mittelstand“ und „OTC/Trad. Mittelstand“ hinsichtlich der relativen Umsatzbedeutung einzelner Marktsegmente (Vereinfachte Darstellung). Quelle: Eigene Darstellung

viel größerem Maße überhaupt an einer globalen Marktpräsenz interessiert waren als die mittelständischen Gruppen, wie die Ausführung in Kap. 6.3.6 zeigen werden,74 und letztere also in den meisten Fällen gar nicht vor der Frage standen, in einem ausländischen Markt eine Fremdvermarktung über Partner vorzunehmen. Genau wie schon auf Branchenebene diagnostiziert, weisen die Bereiche Technologiebeschaffung und -verwertung auch für die sieben Typen hinsichtlich der Intensität der Außenorientierung fundamentale Unterschiede auf. Wiederum mit Ausnahme der Biotechnologie-Unternehmen und in geringerem Maße der Mittelgroßen Internationalen Forscher ist die Intensität der Außenorientierung, also das Ausmaß, in dem auf unternehmensexterne Alternativen zurückgegriffen wird, im Rahmen der Technologiebeschaffung sehr viel ausgeprägter als bei der Technologieverwertung. Diese Beobachtung kann in dieser sehr forschungs-

74

Vgl. S. 542ff.

Technologieverwertungsstrategie

525

intensiven, hochinnovativen Branche in der Tat einigermaßen überraschen und legt den verblüffenden Schluß nahe, daß die Kernkompetenzen fast aller Strategietypen mehr auf der Vermarktungs- als auf der Technologiebeschaffungsseite liegen. Ein weiterer, dazu nicht im Widerspruch stehender Erklärungsansatz legt den etwas „harmloseren Schluß“ nahe, daß durch den Rückgriff auf externe Vermarktungsressourcen die eigene Wettbewerbsposition eher gefährdet werden könnte als durch einen Rückgriff auf externe Technologiequellen und Entwicklungsressourcen. Im Grunde genommen läuft dies aber auf den obigen Ansatz hinaus, nämlich, daß die Kernkompetenzen stärker auf der Vermarktungs- als auf der Forschungs- und Entwicklungsseite liegen. Allerdings bestehen in dieser Hinsicht, wie bereits erwähnt, erhebliche Unterschiede zwischen den Gruppen. Daher sollen die für die Technologiebeschaffung und -verwertung auftretenden Differenzen hinsichtlich der Intensität der Außenorientierung genauer betrachtet werden: Bei den Biotechnologie-Unternehmen ist die Bereitschaft, auf externe Partner zurückzugreifen, zu allen drei Betrachtungszeitpunkten für die Verwertung größer als für die Beschaffung, liegen also offenbar die Kernkompetenzen auf der Beschaffungsseite. Bei den Mittelgroßen Internat. Forschern war bzw. ist dies 1990 und 2000 ebenso der Fall und 2010 wird die Intensität der Außenorientierung in beiden Bereichen etwa gleich groß sein, was an der erheblichen Öffnung gegenüber externen Technologiequellen im zeitlichen Verlauf liegt, während sich auf der Verwertungsseite praktisch keine Veränderung ergeben hat. Bei den Großen Internationalen Forschern beendet die ebenfalls zu beobachtende starke Öffnung gegenüber externen Technologiebeschaffungsalternativen die Gleichmäßigkeit der Ausprägung für beide Bereiche, so daß 2010 das Ausmaß an Eigenvermarktung um mehr als eine Dimension ausgeprägter ist als das der Eigenerzeugung. Bei allen übrigen Gruppen ist die Differenz in den Ausprägungen der Intensität der Außenorientierung fundamental und nimmt, insbesondere für OTC/Trad. Mittelstand und OTC-Töchter, im zeitlichen Verlauf bis 2010 noch stark zu. Die Kernkompetenz liegt also offenbar bei diesen Gruppen eindeutig auf der Vermarktungsseite. Aufschlußreich wird für die Vertiefung dieses Gedankens auch die Analyse der für die einzelnen Gruppen dominierenden Wettbewerbskräfte und des für ihre technologiestrategische Schwerpunktsetzung ausschlaggebenden Strategieimpulses sein, die in Kap. 6.4 erfolgen wird.75 75

Vgl. hierzu S. 559ff.

526

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 10: Strategische Bedeutung der Eigennutzung (relativ zur Lizenzvergabe) von verfahrenstechnischem Know-how, im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

1990 2000 2010 -2 Größtenteils nicht

-1

0

Eher nicht

Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-57:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung der Eigennutzung verfahrenstechnischen Know-hows im Vergleich zur Lizenzvergabe an Dritte für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

Zunächst soll aber der direkte Vergleich der Intensität der Außenorientierung für Produkte und Verfahren vorgenommen werden. Die gruppenspezifischen diesbezüglichen Unterschiede für die Technologieverwertung verfahrenstechnischen Know-hows gibt Abb. 6-57. Im Grunde genommen finden sich hier die exakt gleichen Beobachtungen wieder, die auch bereits zuvor für die Verwertung neuer Wirkstoffe und Therapiekonzepte gemacht wurden. Lediglich ist die Dominanz der Eigennutzung nicht nur auf Branchenebene, sondern auch bei den meisten Gruppen noch ausgeprägter: Am stärksten tritt diese relativ gesehen deutlich größere Zurückhaltung, Verfahrens- und Prozeßtechnologien auszulizenzieren, bei den Biotechnologie-Unternehmen, dicht gefolgt von den Mittelgroßen Internat. Forschern, zutage. Hingegen sind OTC-Töchter und vor allem Generika-Hersteller noch eher bereit, verfahrenstechnisches Know-how nach außen zu geben als produktspezifisches, wo ja diese Bereitschaft gar nicht vorhanden war.

Technologieverwertungsstrategie

527

Zum Verständnis dieser Beobachtung für die Biotechnologie-Unternehmen und die Mittelgroßen Internat. Forscher sollte man sich noch einmal die technologiestrategische Bedeutung vergegenwärtigen, die Verfahrensentwicklung, insbesondere um neue oder bessere Wirkstoffe/Produkte herstellen zu können, für die einzelnen Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologiebeschaffung hatte.76 Für die Biotechnologie-Unternehmen und die Mittelgroßen Internat. Forscher war nämlich nicht nur Verfahrensentwicklung insgesamt (gemeinsam mit den Großen Internat. Forschern) von der höchsten technologiestrategischen Bedeutung im Konzert der übrigen Gruppen, sondern besaß für diese beiden Gruppen eine weit über allen anderen Typen liegende Spitzenbedeutung, die existentielles Niveau aufwies. Verständlich wird jetzt, daß die daraus resultierenden Wettbewerbsvorteile exklusiv im Unternehmen bleiben sollen, damit im Falle der Biotechnologie-Unternehmen diese Technologien zur Erforschung weiterer Wirkstoffe bzw. Wirkstoffschlüsselbausteine eingesetzt werden können, die dann wieder überwiegend auslizenziert werden. Außerdem bleiben damit bei den Mittelgroßen Internat. Forschern über den Patentablauf des Wirkstoffpatentes hinaus Nachahmerbarrieren – insbesondere bei gentechnisch erzeugten Arzneimitteln – erhalten oder ein Lizenznehmer unterzeichnet gemeinsam mit der Lizenz auch einen Lohnfertigungskontrakt. Relativ zur Bereitschaft, produktspezifisches Know-how weiterzugeben, dürfte ausgeprägtere Offenheit zur Vergabe von Verfahrenslizenzen bei GenerikaHerstellern einerseits daran liegen, daß diese Unternehmen z.Z. noch viel eher über originäres Verfahrens-Know-how als über entsprechendes Produkt-Knowhow verfügen, andererseits macht der Versuch, unabhängiger von ausländischen Zulieferern zu werden, diese Kooperation erforderlich. 6.3.4

Technologischer Verflechtungsgrad im Rahmen der Technologieverwertung

Bevor eine Detailanalyse hinsichtlich der technologiestrategischen Bedeutung der verschiedenen Vermarktungskooperationsformen vorgenommen wird, soll zunächst genauer beleuchtet werden, inwieweit die auf Branchenebene zu beob-

76

Vgl. hierzu die diesbezüglichen Ausführungen in Kap. 6.2.1.1, insbesondere die in diesem Kontext relevanten graphischen Darstellungen in Abb. 6-13 (S. 451), Abb. 6-14 (S. 452) und Abb. 6-15 (S. 453).

528

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 11: Strategische Bedeutung von Vermarktungskooperationen im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1

0

1

2

Eher nicht

Nicht eindeutig

Eher

Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-58:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung von Vermarktungskooperationen für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

achtende deutliche Bedeutungszunahme von Vertriebskooperationen auch auf die Einzelstrategietypen zutrifft. Einen diesbezüglichen Überblick gibt Abb. 6-58. In der Tat bestätigen die in Abb. 6-58 wiedergegebenen gruppenspezifischen Entwicklungen den Branchentrend: Für alle Gruppen nimmt der technologische Verflechtungsgrad für die Technologieverwertung beträchtlich zu. Zwar variiert das Ausmaß dieser Bedeutungszunahme zwischen den Gruppen, die Rangfolge der Wichtigkeit dieses technologiestrategischen Ziels zwischen den Gruppen bleibt aber unverändert, was graphisch aus der Parallelverschiebung der Kurven ersichtlich wird. Im Vergleich zur explosionsartigen Zunahme der technologiestrategischen Bedeutung von F&E-Kooperationen im Rahmen der Technologiebeschaffung (Abb. 6-26)77 nehmen sich die ebenfalls immensen Bedeutungssteigerungen der 77

Vgl. S. 469.

Technologieverwertungsstrategie

529

Vermarktungskooperationen aber für alle Gruppen vergleichsweise bescheiden aus. Außerdem sind die Bedeutungsunterschiede zwischen den Gruppen mit Blick auf Vermarktungskooperationen merklich größer, als dies bei der recht einheitlich hohen Bedeutung der F&E-Kooperationen der Fall war: Für Biotechnologie-Unternehmen ist der technologische Verflechtungsgrad sowohl in der Technologiebeschaffung als auch bei der Technologieverwertung – hier sogar mit noch größerem Abstand zur nächstfolgenden Gruppe der Mittelgroßen Internat. Forscher – der größte aller Gruppen. Die Unternehmen dieses Typs setzen auf flexible und dynamische Netzwerke und besitzen eine Schlüsselfunktion im Technologietransferprozeß, von der zweckfreien Grundlagenforschung bis hin zu markteingeführten hochinnovativen Arzneimitteln. Diesem Gleichklang beider Bereiche stehen als Gegenextrem die Generika-Hersteller gegenüber: Während F&E-Kooperationen die zweithöchste Bedeutung im Intergruppenvergleich aufwiesen, ist die der Vertriebskooperationen die zweitniedrigste. Auf die zentrale Rolle, die F&E-Kooperationen zur Reduktion der Abhängigkeit von ausländischen Zulieferern für die Generika-Hersteller besitzen, war bereits ausführlich eingegangen worden. Im Markt hingegen müssen sich die einzelnen Unternehmen in einem knallharten Preiswettbewerb78 mit qualitativ nahezu identischen Produkten, vor allem gegenüber anderen generischen Wettbewerbern, durchsetzen. Raum für Vermarktungskooperationen bleibt dabei nicht. Eine ähnliche, aber nicht ganz so ausgeprägte Diskrepanz zwischen Technologiebeschaffung und -verwertung ist bei den OTC-Töchtern zu diagnostizieren, für die ja Vermarktungskooperationen den geringsten Stellenwert aller Gruppen aufweisen. Auch hier muß im intensiven Wettbewerb der Marken jedes Unternehmen durch eigene Marketingfähigkeiten und Kreativität überzeugen, wobei Kooperationen nur von sehr eingeschränktem Nutzen sind. Hinzu kommt der relativ gute Abdeckungsgrad der wichtigen internationalen Märkte durch das eigene Unternehmen, so daß auch hier Vermarktungskooperationen nur eine geringe Attraktivität besitzen. Interessanterweise korrelieren, wie schon bei der Technologiebeschaffung,79 die beiden Dimensionen Intensität der Außenorientierung und technologischer Verflechtungsgrad für die meisten Gruppen nicht miteinander, was die der Mo78

79

Auf die unterschiedliche Intensität der zentralen Wettbewerbsfaktoren für die sieben Technologiestrategietypen wird in Kap. 6.4.1, S. 559ff, noch näher eingegangen. Vgl. hierzu die diesbezüglichen Ausführungen in Kap. 6.2.4, S. 468ff.

530

Die technologiestrategische Positionierung

dellableitung zugrundeliegende Hypothese der Unabhängigkeit beider Dimensionen stützt:80 Während nämlich, wie erörtert, außer bei den Biotechnologie-Unternehmen die Eigenvermarktung extrem dominiert (Abb. 6-57 und Abb. 6-58), besitzen gleichzeitig auch Vertriebskooperationen mit Ausnahme der OTC-Töchter und Generika-Hersteller, einen überdurchschnittlich hohen technologiestrategischen Stellenwert (Abb. 6-59). Die denkbare Alternativannahme, daß nur Unternehmen, die überwiegend auf eine externe Verwertung setzen, Vermarktungskooperationen eine hohe technologiestrategische Bedeutung zumessen, steht mit den hier gemachten Beobachtungen nicht in Einklang. Wenden wir uns nun aber der Frage zu, welche Einzelkooperationsformen von dieser generellen deutlichen Bedeutungszunahme des technologischen Verflechtungsgrades im Rahmen der Technologieverwertung am stärksten profitieren. Einen Überblick über die Bedeutung der einzelnen Vertriebskooperationsformen auf Branchenebene im zeitlichen Verlauf gibt Abb. 6-59 und eine der dabei auftretenden Bedeutungsverschiebungen Abb. 6-60. Auch hinsichtlich der Einzelkooperationsformen erreichen Vermarktungskooperationen bei weitem nicht das technologiestrategische Bedeutungsniveau von F&E-Kooperationen. Relativ am wichtigsten sind auf Branchenebene Vermarktungskooperationen mit direkten und vor allem indirekten Wettbewerbern sowie die Vergabe von Lizenzen. Diese drei Kooperationsformen werden insbesondere zur Verbesserung der Marktdurchdringung in Ländern oder Marktsegmenten eingesetzt, in denen die eigene Vertriebskraft als zu gering bewertet wird. Während die Bearbeitung des betreffenden Marktes durch Vergabe einer Exklusivlizenz vollständig dem jeweiligen Partner übertragen werden kann, kann die Vermarktung auch gemeinsam mit dem Partner erfolgen.81 Dabei sind wiederum die Varianten Co-Promotion und Co-Marketing zu unterscheiden. Bei der Co-Promotion unterstützt der Außendienst des Partner-Unternehmens die Vermarktungsaktivitäten des Originators; es existiert nur eine Marke, die gemeinsam „beworben“ wird. Im Falle des Co-Marketings wird hingegen vom Originator

80 81

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 3.2 (S. 118ff) und 3.3.2.3 (S. 180ff). Die Form der gemeinsamen Vermarktung mit einem Partner darf nicht mit der Kooperationsform der Gemeinschaftsvermarktung verwechselt werden. Unter Gemeinschaftsvermarktung wird in der vorliegenden Arbeit die gemeinsame, mit mehr als einem Partner, also mindestens drei beteiligten Unternehmen, verstanden, vgl. hierzu auch die früheren Ausführungen in Kap. 4.2.2.4, S. 365ff.

Technologieverwertungsstrategie

531

Branchenüberblick Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für die externe Know-how-Verwertung im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Vermarktungs-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen Vermarktungs-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit "Zulieferern" Vermarktungs-Kooperationen mit "Kunden" Gemeinschaftsvermarktung Lizenzvergabe und Patentverkauf Dossierverkauf Annahme von Forschungsaufträgen Verkauf von innovativen Unternehmen(-steilen) Weitergabe von Forschungsergebnissen als Vergütung für Seed und Venture Capital 0 Gar Keine

Pharma-Branche-Ges. 2000 Pharma-Branche-Ges. 2010 1

2

3

4

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 6-59:

Branchenüberblick: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

eine Lizenz zum Aufbau einer Zweitmarke an den Partner vergeben. Der identische Wirkstoff wird dann unter zwei Markennamen (zwar abgestimmt), aber letztlich doch eigenständig vom jeweiligen Marketing und Außendienst vermarktet.82 In der Vergangenheit wurde die Zweckmäßigkeit eines Eingehens derarti82

Eine interessante Fallstudie zeigt die sehr erfolgreiche länderspezifische Kombination beider Vermarktungskooperationsformen bei der Firma Glaxo – die inzwischen nach zwei Fusionen in dem Unternehmen GlaxoSmithKline aufgegangen ist – im Rahmen der Vermarktung ihres Blockbusters „Zantac“ (Wirkstoff Ranitidin): Während in den USA auf Co-Promotion (mit Roche) gesetzt wurde, erfolgte in Deutschland (Merck KGaA) und in Frankreich (Fournier) die Vermarktung im Co-Marketing. Vgl. hierzu Pümpin, C.; Bronder, C.; (1992), S. 236-240, sowie zuvor schon Pohle, K.; (1990), S. 72. Glaxo kooperierte dabei in jedem Markt mit einem dort besonders starken Wettbewerber. Die bis dahin in diesem Umfang neue Intensität der Marketing-Kooperation verhalf Glaxo zu einer äußerst raschen und nachhaltigen Penetration der Zielmärkte, bei der die bislang führende Firma (SmithKline) dieses Segmentes rasch übertroffen werden konnte. Weitere Beispiele der erfolgreichen Nachahmung des GlaxoBeispiels sind bei Simon aufgeführt, vgl. Simon, H.; (1989), 82-83.

532

Die technologiestrategische Positionierung

ger Marketing-Allianzen von der Größe des jeweiligen Zielmarktes und der anvisierten Zielgruppe abhängig gemacht: Je größer der Regionalmarkt, je unfokussierter die Zielgruppe und je kleiner das eigene Produktportfolio im entsprechenden Segment (und damit korrespondierend die Größe des eigenen Außendienstes), desto eher wurde eine derartige Kooperation befürwortet.83 Eine weitere deutliche Steigerung – und eine Renaissance bei dem Teil der Großen Internat. Forscher, die in Zukunft verstärkt auf eine ausschließliche Eigenvermarktung ohne Kooperationspartner setzen (vgl. die Ausführungen weiter oben) – könnte die Bedeutung von Co-Marketing-Kooperationen mit (vor allem indirekten) Wettbewerbern haben, wenn die von Egly analytisch ermittelte Beobachtung größere Beachtung findet:84 Egly hatte auf der Basis von IMSMarktdaten für den deutschen Arzneimittelmarkt den Verlauf der Umsatzentwicklung für eine Reihe von Wirkstoffen vor und nach Beginn von Co-Marketing-Kooperationen miteinander verglichen und diese Befunde zusätzlich noch der für Wirkstoffe zu beobachtenden Umsatzentwicklung gegenübergestellt, für die entweder nur Co-Promotion oder eine ausschließliche Eigenvermarktung durch den Patentinhaber erfolgte. Die anschließende Stichprobenuntersuchung dieses Phänomens in wichtigen Auslandsmärkten bestätigte die nachfolgend geschilderten Resultate des deutschen Marktes: Überraschenderweise treten bei dieser Kooperationsform, bei der beide Partner den gleichen Wirkstoff unter zwei Markennamen konzertiert vermarkten, nicht nur keine sogenannten Kannnibalisierungseffekte85 der Erstmarke ein, sondern die Erstmarke wird hinsichtlich

83

84 85

Vgl. hierzu Pohle, K.; (1990), S. 72-73. Ähnlich Krebs, der als Hauptgründe für CoPromotion und Co-Marketing-Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern nennt: „Kapazitätsengpässe zur ausreichenden Promotion“, „Verwertung in Ländern ohne eigene Präsenz“, „Erhöhung des Bekanntheitsgrades einer Substanz oder eines therapeutischen Behandlungsprinzips“, „nicht etablierter Vertriebskanal (Hospital) oder Zielgruppe (Spezialisten)“, „unterschiedliche Indikationen für gleiche Substanz“ sowie „Erwerb von Marketing-Know-how für strategisch wichtiges Indikationsgebiet“, vgl. Krebs, R.; (1995), S. 912. Vgl. Egly, H.-J.; (2000); Persönliche Mitteilung vom 01.12.00 und 27.12.00. Unter Kannibalisierungseffekt wird in diesem Zusammenhang verstanden, daß das Umsatzwachstum der Zweitmarke teilweise zu Lasten des Umsatzes der Erstmarke geht, also zwar insgesamt hinsichtlich des kumulierten Umsatzes beider Marken ein Anstieg zu verzeichnen ist, aber der Einzelumsatz der Erstmarke schrumpft. Beim Auftreten derartiger Kannibalisierungseffekte hätte der Patentinhaber also genau zu prüfen, unter welchen Rahmenbedingungen ein Co-Marketing für ihn überhaupt attraktiv ist. Die nachfolgend beschriebene Analyse kommt hingegen zu dem äußerst in-

Technologieverwertungsstrategie

533

ihres Eigenumsatzes sogar noch durch die Zweitmarke protegiert; anders ausgedrückt ist nicht nur – wie im Prinzip schon zu erwarten war – der Umsatz beider Marken gemeinsam größer als bei einer ausschließlichen Einzelvermarktung ohne Co-Marketing, sondern auch die Erstmarke kann in Absolutumsätzen allein betrachtet – zum Teil sogar deutlich – zulegen. In keinem Fall wurde ein Kannibalisierungseffekt festgestellt. Egly führt dies, zusätzlich zu den gemeinsam meist höheren Gesamtvermarktungsanstrengungen und dem insgesamt höheren Abdeckungsgrad beider Außendienste, vor allem auf einen psychologischen Effekt, das von ihm sogenannte „Zwei-Zeugen-Prinzip“ zurück, das die gemeinsame Vermittlung der inhaltsgleichen Werbebotschaft durch sonst als Konkurrenten auftretende Unternehmen für einen Wirkstoff dessen Glaubwürdigkeit bei Ärzten und Apothekern nachhaltig steigert. Gleichzeitig können bei Präparaten, für die es stark divergierende Ziel- bzw. Patientengruppen gibt, beide Gruppen mit auf sie zugeschnittenen Kommunikationsstrategien bearbeitet werden, ohne daß dabei ein Glaubwürdigkeitsverlust auftritt, wenn die Werbebotschaft für die eine Zielgruppe die andere Zielgruppe negativ beeinflußt. Ein Bespiel für einen solchen Fall könnte ein Präparat sein, das neben seinem therapeutischen Nutzen für andere Indikationen u.a. potenzsteigernde Wirkung hat: Mit einer offensiven Kommunikationsstrategie könnte die Bearbeitung einer mit Ausnahme von Potenzproblemen „gesunden“ Patientengruppe, die die Kosten der Therapie selbst tragen müßten, die Hauptzielgruppe, Fachärzte, die das gleiche Präparat gegen „gravierendere“ Erkrankungen zu Lasten der jeweiligen Krankenversicherung verschreiben, hinsichtlich der wahrgenommenen Seriosität von Hersteller und Produkt negativ beeinflussen. Aus diesem Grund verfolgten die Hersteller derartiger Produkte (zumindest in der Vergangenheit) auf dem deutschen Markt der ersten Zielgruppe gegenüber eine extrem zurückhaltende Kommunikationsstrategie, um Fachärzte und Krankenkassen nicht zu irritieren. Besondere Chancen bieten Vermarktungskooperationen für mittelständische Unternehmen: Für kleinere mittelständische Unternehmen kann die wechselseitige Besprechung der Produkte des Partners bei Ärzten eine Möglichkeit darstelteressanten Ergebnis, daß Co-Marketing-Vereinbarungen in doppelter Hinsicht für jeden der untersuchten Fälle aus Originatorsicht lukrativ sind. Pümpin/Bronder unterstellen hingegen das Auftreten derartiger Kannibalisierungseffekte, das allerdings den Kooperationserfolg in ihrer Fallstudie nicht in Frage stellt, vgl. hierzu Pümpin, C.; Bronder, C.; (1992), S. 236-240. Eine Kurzbeschreibung der Fallstudie erfolgte in Fußnote 82, S. 531.

534

Die technologiestrategische Positionierung

len, den Aktionsradius ihrer (kombinierten) Außendienste erheblich auszubauen. Je kleiner der eigene Außendienst ist, desto geringer werden dabei die Überschneidungen mit dem Aktionsradius des Partner-Unternehmens sein und desto imposanter fällt die erzielte Steigerung der Gesamtabdeckung aus. Gleichzeitig bietet die Mitbesprechung von Arzneimitteln anderer Unternehmen bei Ärzten und Apothekern die Chance, die Produktivität des eigenen Außendienstes erheblich zu steigern, da ja zusätzlich Deckungsbeiträge für die hohen Kosten des eigenen Außendienstes akquiriert werden. In der Tat zeigt sich dies auch bei der Analyse gruppenspezifischer Besonderheiten:86 Sowohl Vertriebskooperationen mit Wettbewerbern (insbesondere für den OTC/Trad. Mittelstand) als auch die Lizenzvergabe (insbesondere für den Innovat. Mittelstand) sind für mittelständische Unternehmen die bedeutendsten Vermarktungskooperationsformen und werden bis 2010 weiter stark an Attraktivität gewinnen. Daß sich die beobachtete technologiestrategische Bedeutung trotzdem nur wenig vom Branchendurchschnitt abhebt, liegt vor allem an einem stark ausgeprägten Mißtrauen gegenüber einer Kooperation mit Wettbewerbern. Diese Mißtrauensbarriere ist maßgeblich dafür verantwortlich, daß trotz der von nahezu allen Unternehmen relativ einheitlich wahrgenommenen Vorteile eine noch intensivere Zusammenarbeit unterbleibt. Hinsichtlich der Bedeutungsveränderung im zeitlichen Verlauf 2000-2010 nehmen auch industrieweit insbesondere Kooperationen mit Wettbewerbern zu (Abb. 6-60). Auch der stärkere Einbezug von in der Technologiewertschöpfungskette vor- und nachgelagerten Unternehmen bzw. Institutionen ist zu beobachten. Der stärkere Einbezug von Zulieferern in die Vermarktung der fertigen Produkte trägt deren zunehmender Emanzipation Rechnung, daß nämlich diese Unternehmen – ein gutes Beispiel sind die (in dieser Studie ja miterfaßten) Biotechnologie-Unternehmen – in zunehmendem Maße an der Vermarktung ihrer Produkte beteiligt werden möchten. Die steigende Bedeutung von Kooperationen mit Kunden resultiert aus einer erwarteten Entwicklung auf ein integriertes „Desease Management“ hin, daß nämlich in enger Kooperation mit Krankenkassen, Ärzten und Patienten eine möglichst effiziente und damit kostengünstigere, aber gleich-

86

Vgl. hierzu die detaillierteren Ausführungen in Kap. 7.4.2 (S. 619ff) und Kap. 7.5.2 (S. 627ff).

Technologieverwertungsstrategie

535

Branchentrendanalyse Veränderungen in der relativen strategischen Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für die externe Know-how-Verwertung im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Vermarktungs-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen Vermarktungs-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit "Zulieferern" Vermarktungs-Kooperationen mit "Kunden" Gemeinschaftsvermarktung Lizenzvergabe und Patentverkauf Dossierverkauf Annahme von Forschungsaufträgen Verkauf von innovativen Unternehmen(-steilen) Weitergabe von Forschungsergebnissen als Vergütung für Seed und Venture Capital

-1,0

Pharma-Ges.

Abnahme

0,0

Zunahme

1,0

der strategischen Bedeutung der Vermarktungs-Kooperationsform für das jeweilige Unternehmen 1990-2010

Abb. 6-60:

Branchentrendananalyse: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutungsänderung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

zeitig auch qualitativ bessere Therapie der betroffenen Patienten angestrebt wird.87 Wie bereits weiter oben am Beispiel der beiden mittelständischen Gruppen angedeutet, bestehen zum Teil fundamentale Unterschiede in der technologiestrategischen Bedeutung der einzelnen Vermarktungskooperationen für die sieben Technologiestrategietypen.88 87

88

Inwieweit die Ziele, die Kosten deutlich zu reduzieren und dennoch gleichzeitig die Qualität der Versorgung für den Patienten zu steigern, einander ergänzen oder widersprechen, ist stark umstritten. Diese unterschiedlichen Sichtweisen spiegelten sich auch in den für diese Studie durchgeführten Interviews wider. Einigkeit herrschte aber weitestgehend darin, daß derartige integrierte Versorgungskonzepte in Zukunft, insbesondere zur Behandlung chronisch Kranker, stark an Bedeutung zunehmen. Auf diese Unterschiede soll allerdings hier noch nicht näher eingegangen werden; eine ausführliche diesbezügliche Betrachtung findet sich bei der Charakterisierung des jeweiligen Technologiestrategietyps (vgl. hierzu für die Biotechnologie-Unternehmen Kap. 7.1.2 (S. 598ff); für die Großen Internationalen Forscher Kap. 7.2.2 (S. 605ff); für die Mittelgroßen Internat. Forscher Kap. 7.3.2 (S. 612ff); für den Innovat. Mittel-

536

Die technologiestrategische Positionierung

6.3.5

Breite der technologischen Ausrichtung im Rahmen der Technologieverwertung

Wie bereits im Rahmen der Überblicksbetrachtungen ausgeführt wurde, ist auf Branchenebene, analog zu den für die Technologiebeschaffungsaktivitäten ermittelten Befunden, auch für die Technologieverwertungsaktivitäten eine starke Spezialisierung zu beobachten. Dieser Branchentrend schlägt sich ebenfalls in der Neupositionierung der sieben Technologiestrategietypen im zeitlichen Verlauf nieder, wie Abb. 6-61 zeigt. Während sich bei Biotechnologie-Unternehmen, Großen Internationalen Forschern, ihren OTC-Töchtern und Generika-Herstellern nur geringe Veränderungen diagnostizieren lassen, ist das Ausmaß an Neupositionierung bei den übrigen Gruppen, genauer gesagt an Fokussierung der Vermarktungsaktivitäten immens. Diese Beobachtung deckt sich weitgehend mit der, die für die Technologiebeschaffung angestellt werden konnte.89 Für die Generika-Hersteller als Komplettanbieter – zur Umsetzung ihres Konzeptes der Dachmarkenbildung über das Unternehmensimage – und die bereits sehr stark spezialisierten BiotechnologieUnternehmen sind die Gründe für ein Ausbleiben einer größeren technologiestrategischen Neupositionierung die gleichen wie auch schon für die im Rahmen der Technologiebeschaffung. Bei den Großen Internat. Forschern verbirgt sich hinter der scheinbaren technologiestrategischen Konstanz im zeitlichen Verlauf wiederum ein höchst interessantes Phänomen: Noch ausgeprägter als für die Technologiebeschaffung erzeugen gegenläufige, einander in Summe kompensierender Veränderungstrends innerhalb der Gruppe den vordergründigen Eindruck, daß hier keinerlei Neupositionierung stattgefunden habe. Dies trifft jedoch bei genauerer Betrachtung tatsächlich nur auf die 18 % der Unternehmen dieser Gruppe zu, die ihre Technologiestrategie in dieser Dimension unverändert gelassen haben. Genau gleich groß, nämlich jeweils 41 %, sind die beiden übrigen Teilfraktionen, die entweder ihre Fokussierung erhöht oder, genau umgekehrt, ihre Bandbreite vergrößert haben. Dieses Phänomen ist ohne Beispiel in den übrigen Gruppen. Im Vergleich dazu haben branchenweit nämlich nur 14 % (bis

89

stand Kap. 7.4.2 (S. 619); für den OTC/Trad. Mittelstand Kap. 7.5.2 (S. 627ff); für die OTC-Töchter von MNEs Kap. 7.6.2 (S. 635ff), insbes. Abb. 7-23 (S. 634); und für die Generika-Hersteller Kap. 7.7.2 (S. 642ff). Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 6.2.5, S. 473ff.

Technologieverwertungsstrategie

537

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 12: Strategische Bedeutung einer starken Fokussierung des Produktportfolios im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher

1990 2000 2010

Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1

0

Eher nicht

Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-61:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung eines hohen Spezialisierungsgrades für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

auf drei alle aus der Gruppe der Großen Internat. Forscher) die Bandbreite ihrer Vermarktungsaktivitäten vergrößert, 37 % ließen sie unverändert und 49 % schränkten sie – zum überwiegenden Teil sogar drastisch – ein. Als Begründung für diese im Gruppenvergleich einzigartige Erweiterung ihres Aktionsradius bei den Großen Internat. Forschern war bereits in Kap. 6.2.5 die auf rasantes organisches Wachstum und vor allem auf zunehmende Konzentrationsprozesse in der Gruppe zurückgehende deutliche Zunahme der Unternehmensgröße angeführt worden,90 welche den Unternehmen neue finanzielle Spielräume eröffnet, gleichzeitig aber auch nach entsprechender Auslastung der größeren Kapazitäten, insbesondere im Marketing und Vertriebsbereich, verlangt, um deren ebenfalls gestiegene Kosten schultern zu können. Neben dieser Größe könnte auch das Ursprungsland des jeweiligen Unternehmens die Unternehmensphilosophie in die90

Vgl. S. 473ff.

538

Die technologiestrategische Positionierung

ser Hinsicht geprägt haben und somit in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Eine entsprechende Analyse zeigt zumindest, daß im Durchschnitt britische (–2) und US-amerikanische Unternehmen (–1,5) die Spezialisierung ihrer Produktportfolios drastisch reduzieren, sprich die Bandbreite vergrößern, während alle übrigen Unternehmen im genauen Gegenteil eine merkliche Fokussierung vornehmen, die bei deutschen Unternehmen geringer (0,5) als bei den übrigen europäischen (2,6) ausfällt.91 Bei den Mittelgroßen Internat. Forschern und dem Innovat. Mittelstand erfolgt die zu beobachtende immense Fokussierung ihrer Produktportfolios im Gleichklang mit der ihrer F&E-Portfolios – nur mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Maßgeblich für diese Entwicklung dürfte, genau wie im Rahmen der Technologiebeschaffung, sein, die nur begrenzt zur Verfügung stehenden Unternehmensressourcen auf diejenigen der in ihrem Ressourcenbedarf immer anspruchsvoller werdenden Tätigkeitsfelder zu konzentrieren, die langfristig die größten Erfolgspotentiale offerieren. Merkliche Differenzen zwischen den Bereichen Technologiebeschaffung und -verwertung treten nur bei den OTC-Töchtern und in geringerem Grade auch für den OTC/Trad. Mittelstand auf: Bei beiden Gruppen fällt die Fokussierung deutlich niedriger für die Technologieverwertung als für die -beschaffung aus. Bei allen Gruppen ist, wie für Mittelgroße Internat. Forscher und Innovat. Mittelstand bereits kurz erwähnt, die Spezialisierung viel stärker in die zweite Dekade des Untersuchungszeitraumes (2000-2010) verschoben als bei den Technologiebeschaffungsaktivitäten, für die die gesamte Neupositionierung bereits in der 1. Dekade (1990-2000) vorgenommen wurde. Die Erklärung für die beiden letzten zuvor geschilderten Beobachtungen wird sich aus einer genaueren Betrachtung von kalkulierter und realisierter Technologiestrategie ergeben. Als Indikator für die Breite der technologischen Ausrichtung der Technologieverwertungsaktivitäten für die realisierte Strategie eignet sich die in Abb. 6-62 wiedergebene Bandbreite der im Rahmen der Technologieverwertung bearbeiteten Indikationsgebiete.

91

An dieser Stelle sollte darauf hingewiesen werden, daß japanische Unternehmen wegen ihrer relativ geringen Bedeutung auf dem deutschen Markt, der ja die Bezugsbasis für die vorliegende Studie bildete, nicht vertreten waren.

Technologieverwertungsstrategie

539

Häufigkeitsverteilung der Anzahl der im Rahmen der Technologieverwertungsaktivitäten bearbeiteten Hauptindikationsbereiche in der Gesamtstichprobe Bandbreite des Produktportfolios nach Anzahl der Hauptindikationsbereiche (anatomischen Hauptgruppen) gemäß ATC-Klassifikation der WHO 30

Häufigkeit in %

25

20

15

10

5

0

1

2

3

4

5-6

7-9

>9

Anzahl bearbeiteter Hauptindikationsbereiche

Abb. 6-62:

Häufigkeitsverteilung der Anzahl der im Rahmen der Technologieverwertungsaktivitäten bearbeiteten Hauptindikationsbereiche in der PharmaBranche 2000. Quelle: Eigene Darstellung

Bereits im Rahmen der überblicksmäßigen Gegenüberstellung von Technologiebeschaffung und -verwertung zu Beginn von Kap. 6.3.2 war ja schon darauf hingewiesen worden, daß ein Vergleich der bislang diskutierten kalkulierten Strategie mit der derzeit realisierten Technologiestrategie zu Erkenntnissen führt, die das bisherige Bild eines weitgehenden Gleichklangs von Technologiebeschaffung und -verwertung bezüglich des Spezialisierungsgrades entscheidend in ein anderes Licht rückt:92 Von den Unternehmen wird nämlich unter einer starken Spezialisierung der Technologiebeschaffungsaktivitäten hinsichtlich der Anzahl an Forschungs- und Entwicklungsprojekten sowie den dabei bearbeiteten Indikationsgebieten einerseits und der der Technologieverwertungsaktivitäten hinsichtlich der Anzahl vertriebener Produkte und dabei bearbeiteter Indikationsgebiete andererseits etwas deutlich anderes verstanden, wie die direkte Ge-

92

Vgl. S. 511ff.

540

Die technologiestrategische Positionierung

genüberstellung der im Rahmen von Technologiebeschaffung (Abb. 6-30)93 und -verwertung (Abb. 6-62)94 bearbeiteten Indikationsgebiete zeigt, die hinsichtlich der realisierten Strategie ein geeigneter Indikator ist für die Bandbreite der technologischen Ausrichtung, also der Frage, ob im Extremfall eine Nischen- oder eine Allround-Strategie verfolgt wird. Hierbei erweist es sich, daß im Rahmen der Technologieverwertung erheblich mehr Produkte und für eine erheblich größere Bandbreite von Indikationen (Abb. 6-62)95 auf dem Markt angeboten werden, als dies, sowohl hinsichtlich der Anzahl der Forschungs- (Abb. 6-31)96 und Entwicklungsprojekte (Abb. 6-32)97 als auch der Anzahl der dabei bearbeiteten Indikationen (Abb. 6-30)98 im Rahmen der Technologiebeschaffung der Fall ist. Diese Beobachtung ist für die reine Anzahl an Produkten und F&E-Projekten relativ leicht mit der im Durchschnitt sehr viel größeren Länge des jeweiligen Produktlebenszyklus in Relation zur Entwicklungsdauer zu erklären: Im gleichen Zeitraum endet also (im Branchendurchschnitt) für weniger Produkte der Produktlebenszyklus als in der gleichen Zeitspanne neu entwickelt werden. Ebenfalls läßt sich auch die erheblich geringere Bandbreite an in der Technologiebeschaffung bearbeiteten Indikationen im Vergleich zu der, für die Produkte und Lizenzen im Rahmen der Technologieverwertung auf der Marktseite angeboten werden, zeitlich erklären: Die im zeitlichen Verlauf immer stärker zunehmende Explosion der Entwicklungskosten pro neuem Arzneimittel hat die Unternehmen im Branchendurchschnitt relativ zeitnah gezwungen, die Anzahl der F&E-Projekte ihren sehr viel langsamer wachsenden F&E-Budgets anzupassen. Auf der Vermarktungsseite besteht hingegen kein Grund, ein derzeit (noch) gewinnträchtig bearbeitetes Indikationsgebiet nur deshalb zu liquidieren, weil die aus obigen Gründen erzwungene Prioritätensetzung zur Einstellung der Entwicklungsaktivitäten (und damit zu einem Ausbleiben des Nachschubes an Folgeprodukten) geführt hat. Solange die bestehenden Produkte dieses Indikationsgebietes (noch) positive (über die eigenen Herstellungs- und Vermarktungskosten hinausgehende) Deckungsbeiträge liefern, bleibt die Abschöpfung dieser Erträge attraktiv.

93 94 95 96 97 98

Vgl. S. 475. Vgl. S. 539. Vgl. S. 539. Vgl. S. 476. Vgl. S. 477. Vgl. S. 475.

Technologieverwertungsstrategie

541

Hinzu kommt, daß auf der Technologieverwertungsseite der Frage, ob ein Altprodukt seine eigenen Vermarktungskosten überhaupt trägt, nicht mit der gleichen Entschlossenheit nachgegangen wurde, wie es bei F&E-Projekten schon früh der Fall war. Diese wurden deshalb schon eher während des gesamten Projektverlaufs kontinuierlich auf ihre wirtschaftliche Erfolgsträchtigkeit hin untersucht, weil die jeweiligen finanziellen Größenordnungen extrem weit auseinanderklaffen.99 Allein schon aus diesem Grund fand bzw. findet auch die Durchforstung der Produktportfolios erst erheblich später statt als dies bei den F&EPortfolios der Fall war bzw. ist. Im Folgenden soll mit Hilfe einer Betrachtung der Länge von Produktlebenszyklen der Frage nachgegangen werden, ob die Breite der technologischen Ausrichtung für Technologiebeschaffung und -verwertung sich überhaupt in einem direkten Zusammenhang befinden. Aufgrund der zum Teil extremen Länge von Produktlebenszyklen von Arzneimitteln besteht in vielen Fällen nämlich überhaupt kein Zusammenhang zwischen der Entscheidung, in einem bestimmten Gebiet im Rahmen der Technologiebeschaffung tätig zu sein und der Vermarktung von höchst erfolgreichen Produkten für dieses Gebiet. Die weiter vorn diskutierte, für hochinnovative „Blockbuster“ zu beobachtende Verkürzung der Alleinstellungsperiode im Markt im Laufe der letzten zwanzig Jahre sollte nicht zu der Generalisierung verleiten, alle Produktlebenszyklen im Pharmamarkt seien äußerst kurz. Es lassen sich, im Gegenteil, zumindest zahlenmäßig (für die Umsatzbedeutung wird dies wieder relativiert) weit mehr Beispiele für extrem lange Produktlebenszyklen finden. An dieser Stelle sei als Beleg nur auf die hohe Zahl an Nachzulassungspräparaten, die alle schon seit mindestens 1978 auf dem Markt sind, und auf die für die nachfolgenden Überlegungen genauer betrachteten Präparate des OTC-Segmentes verwiesen. Insbesondere bei den starken Marken dieses Segmentes haben sich die diesen Präparaten zugrundeliegenden Wirkstoffe im Laufe von Jahrzehnten nicht verändert. Zwar wurden für eine Erweiterung der Produktfamilie (Line Extension) zusätzlich zum Basisprodukt in vielen Fällen neue Darreichungsformen und Kombinationspräparate entwickelt sowie zum Teil Versuche unternommen, das Indikationsspektrum zu erweitern, aber auch ohne diese Technologiebeschaffungsaktivitäten wäre die Vermarktung des (nahezu) unveränderten Basispräparates 99

Vgl. zur enormen Höhe der Entwicklungskosten neuer Wirkstoffe die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.4, S. 308ff.

542

Die technologiestrategische Positionierung

äußerst lukrativ. Ein konkretes und besonders prägnantes Beispiel hierfür ist das Aspirin, dessen Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) bereits vor mehr als hundert Jahren (1897) entdeckt wurde und der schon seit Jahrzehnten der am häufigsten benutzte Wirkstoff der Welt ist.100 Bei bestimmten Arzneimitteln, insbesondere bei Markenpräparaten, ist also generell die Frage, ob der Produktlebenszyklus überhaupt ein „natürliches“ Ende besitzt und die somit – und hier schließt sich der Kreis – erfolgreiche Technologieverwertungstätigkeit in einem bestimmten Marktsegment/Indikation überhaupt irgendeine (aktuelle) Technologiebeschaffungsaktivität voraussetzt. Auch der umgekehrte Fall, daß in einem Indikationsgebiet Entwicklungsaktivitäten begonnen werden, ohne daß dort jemals zuvor Produkte vermarktet wurden, ist nicht selten anzutreffen.101 Diese Beobachtungen stützen die im Rahmen der Ableitung des Technologiestrategiemodells aufgestellte Annahme der Unabhängigkeit – nicht nur – des Spezialisierungsgrades für die Bereiche der Technologiebeschaffung und -verwertung. 6.3.6

Geographische Ausdehnung der Technologieverwertung und relative Bedeutung unterschiedlicher Märkte

Nach diesem Exkurs bleibt noch die letzte der sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen, die des Globalisierungsgrades der Vermarktungsaktivitäten zu betrachten. Die hinsichtlich dieser Dimension auftretenden gruppenspezifischen Unterschiede im zeitlichen Verlauf 1990-2010 gibt Abb. 6-63 wieder.

100

101

Auch ohne die vom Originator Bayer in bestimmten Intervallen vorgenommenen flankierenden Produktverbesserungen und –erweiterungen (bei denen der Wirkstoff ASS stets unverändert blieb) hätte das Basispräparat seinen Lebenszyklus noch nicht abgeschlossen, ja dessen Zenit möglicherweise ebenfalls noch nicht einmal überschritten. Zur Geschichte dieses wohl erfolgreichsten Medikaments des 20. Jahrhunderts vgl. Mann, C.C.; Plummer, M. L.; (1993); und Zündorf, U.; (1997), S. 13-15; Juès, J.-P.; (1998), S. 61-64; Zündorf, U.; (1999a), S. 16-27; und Zündorf, U.; (1999b), S. 34-37. Vgl. hierzu die Ausführungen zu den im Rahmen der Analyse der technologiestrategischen Risikobereitschaft angestellten Untersuchungen der Bereitschaft, in neue, dem eigenen Unternehmen unbekannte Indikationsgebiete zu expandieren, vgl. Kap. 6.2.1.2, S. 453ff.

Technologieverwertungsstrategie

543

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 13: Strategische Bedeutung einer weltweiten Vermarktung des Produktportfolios im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher

1990 2000 2010

Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2

-1

0

1

2

Größtenteils nicht

Eher nicht

Nicht eindeutig

Eher

Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-63:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung eines hohen Globalisierungsgrades für die sieben Technologiestrategietypen im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

Wie bereits im Rahmen der Überblicksanalyse auf Branchenebene festgestellt wurde,102 findet analog zur Technologiebeschaffung auch für die Technologieverwertungsaktivitäten eine sprunghafte Ausweitung des geographischen Aktionsradius statt. Diese Globalisierungstendenz ist hinsichtlich der Höhe der Veränderung für die Vermarktungsaktivitäten noch stärker ausgeprägt als für die Technologiebeschaffung. Für den absoluten technologiestrategischen Stellenwert, den eine möglichst globale Ausrichtung für die drei Betrachtungszeitpunkte aufweist, sind die Unterschiede noch gravierender: Der Globalisierungsgrad der Technologieverwertung ist zu allen drei Zeitpunkten um mehr als eine Dimension größer als der der Technologiebeschaffung.

102

Vgl. diesbezüglich die Ausführungen zu Beginn von Kap. 6.3.2, S. 511ff.

544

Die technologiestrategische Positionierung

Diese auf die Branchenebene zutreffende Diagnose findet sich auch auf der Ebene der einzelnen Strategietypen bei allen Gruppen wieder.103 Alle Technologiestrategietypen erweitern kontinuierlich und in großen Schritten den geographischen Radius, in dem ihre Produkte vermarktet werden. Diese Globalisierungstendenz ist für alle Gruppen relativ gleichmäßig, so daß die 1990 bestehende relative Rangfolge der Gruppen in der Größe dieser Aktionsradien auch 2000 und 2010 fortbesteht, mit dem allerdings entscheidenden Unterschied, daß bei allen Gruppen dieser Radius erheblich größer, sprich globaler, geworden ist. Optisch wird dies aus der Parallelverschiebung der Kurven für die drei Betrachtungszeitpunkte in Abb. 6-63 deutlich: 2010 sind Biotechnologie-Unternehmen, Große und Mittelgroße Internat. Forscher sowie die OTC-Töchter auf eine globale Marktpräsenz ausgerichtet. Die Unternehmen des OTC/Trad. Mittelstandes haben insgesamt den kleinsten Vermarktungsradius, gefolgt von der Gruppe der Generika-Hersteller und dem Innovat. Mittelstand. Dieser hinsichtlich der beiden mittelständischen Gruppen mit Blick auf deren Unternehmensgröße und Produktportfolio relativ verständliche Tatbestand läßt für die Gruppe der GenerikaHersteller doch etwas erstaunen, befinden sich schließlich in dieser Gruppe ja Unternehmen, die hinsichtlich ihrer Marktanteile zu den führenden Unternehmen des deutschen Pharma-Marktes zählen. In der Tat relativiert sich dieses Bild merklich bei einem genaueren Blick auf die innerhalb der Gruppe der GenerikaHersteller vorhandenen fundamentalen Unterschiede: Es lassen sich nämlich zwei Fraktionen identifizieren: Die eine kann als die der international operierenden Generika-Hersteller bezeichnet werden, weil ihr Aktionsradius (2,2) im Jahr 2010 nur schwach unter dem der Mittelgroßen Internat. Forscher liegen wird, während die andere Teilgruppe praktisch nur auf dem deutschen Markt (und in sehr bescheidenem Maße in einigen angrenzenden Ländern) aktiv ist und daher als die der nationalen Akteure bezeichnet werden kann. Zutreffend ist allerdings, daß der Globalisierungsprozeß in der Imitatoren-Gruppe bei weitem nicht so 103

Die aus diesem Rahmen fallende technologiestrategische Verhaltensauffälligkeit der OTC-Töchter hat keine technologiestrategischen Ursachen: Vielmehr beruht die Abnahme an globaler Ausrichtung auf der technologiestrategischen Neubewertung eines einzelnen Unternehmens in dieser zahlenmäßig kleinen Gruppe. Diese wiederum hat ihre Ursache in einer Reihe von Umstrukturierungen infolge einer Fusion mit anschließenden Desinvestitionen einzelner Ländergesellschaften und kann daher im hier relevanten Kontext nicht sinnvoll interpretiert werden. Die übrigen Unternehmen dieser Gruppe setzen auch 2000 und 2010 weiter auf eine stark globalisierte Technologieverwertung.

Technologieverwertungsstrategie

545

weit fortgeschritten ist wie der in der Gruppe der Innovatoren, sprich Internationalen Forscher. Dies ist auch nicht zu verwunderlich, wenn man berücksichtigt, daß die Generika-Industrie noch sehr jung ist und auch in Deutschland, dem Markt mit dem weltweit größten relativen Generikaanteil,104 erst vor etwa 15 Jahren entstanden ist,105 was ihre heutige Position im Pharma-Markt umso eindrucksvoller macht. Zentraler Treiber für den Erfolg und das Wachstum der Generika-Industrie sind die regulatorischen Rahmenbedingungen, insbesondere die Preis- und Erstattungsregulierungen. Konkret geht es dabei um die Frage, ob innerhalb der öffentlichen Gesundheitssysteme Voraussetzungen existieren, die direkte oder indirekte Anreize für die Verschreibung bzw. die Ausgabe (aufgrund von Substitution durch den Apotheker in der Apotheke) der preiswerteren Imitate setzen.106 Während dies u.a. in Deutschland und den USA sehr früh von staatlichen Stellen als Chance zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen erkannt wurde und die entsprechend förderlichen Umfeldkonstellationen für diese Gruppe geschaffen wurden, fehlten derartige Rahmenbedingungen in anderen Ländern bis in die jüngste Vergangenheit völlig. Beispiele hierfür sind Spanien, Italien und Frankreich, in denen erst in den letzten zwei Jahren das regulatorische Umfeld leicht in dieser Richtung modifiziert wurden. Aus diesem Grunde war auch eine komplette Abdeckung des Weltmarktes, wie dies schon früh bei den Internationalen Forschern zu beobachten war, in der Vergangenheit praktisch nicht möglich. Getrieben durch die enormen Wachstumsraten in den „entwickelten“ generischen Märkten und die sich in den meisten Ländern zum Vorteil für Generika-Hersteller ent104 105

106

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.3, S. 244ff. Zwar gab es auch vorher schon Generika, diese wurden aber nicht offensiv als solche vermarktet und waren für Verschreiber und Patienten auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen, weil sie eigene Markennamen trugen. Die Aggressivität des Preiswettbewerbs war begrenzt, und zumeist hatten die Originatoren auch nach Patentablauf noch sehr hohe Marktanteile. Die Methode dieser Anreizsetzung ist selbst in Deutschland schon sehr facettenreich und wirkt auf höchst unterschiedliche Weise. In den europäischen Nachbarländern findet sich noch eine Vielfalt weiterer Spielarten. In fast allen Ländern überwiegen dabei negative Anreizsysteme: Die Ärzte und Apotheker werden durch das Androhen von Sanktionen animiert oder explizit gezwungen, preisgünstigere Generika zu verordnen. Auf diese komplexe Problematik kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, ihre prinzipielle Funktionsweise ist aber für das Entstehen der GenerikaIndustrie in der heutigen Form maßgeblich und erklärt ursächlich die verzögerte globale Expansion dieses Strategietyps, die hier in Rede steht.

546

Die technologiestrategische Positionierung

wickelnden regulatorischen Rahmenbedingungen holen diese Gruppe den Globalisierungsprozeß beschleunigt nach. In der Tat ist eine rasche weltweite Expansion führender Generika-Hersteller zu verzeichnen. Hierzu nutzen diese sofort und konsequent die sich aus regulatorischen Öffnungstendenzen in generischen “Entwicklungsländern“ ergebenden Markteintrittschancen und setzen auf eine offensive Akquisitionsstrategie in „reiferen“ Märkten, in denen das eigene Unternehmen bislang noch nicht hinreichend vertreten ist. Es kann daher als sicher angenommen werden, daß 2010 neben den Großen Internationalen Forschern auch eine Gruppe „Großer Internationaler Generika-Hersteller“ existieren wird.107 Wie aus diesen Ausführungen bereits geschlossen werden kann, lassen sich auch hinsichtlich der Bedeutung, die einzelne Länder und Regionen als Märkte für die Generika-Hersteller im Vergleich zu den anderen Gruppen besitzen, gravierende Unterschiede ausmachen. An dieser Stelle wollen wir uns jedoch zunächst mit einer Analyse auf Branchenebene begnügen (Abb. 6-64).108 Im Rahmen der Globalisierung ihrer Vermarktungsaktivitäten gewinnen branchenweit alle Märkte außer Deutschland im zeitlichen Verlauf 2000-2010 deutlich an strategischer Bedeutung (Abb. 6-65). Deutschland bleibt aber im Branchendurchschnitt auch 2010 der wichtigste Einzelmarkt (Abb. 6-64). Neben Deutschland haben für die Branche als Ganzes die USA den höchsten Stellenwert (und auch die höchste Zuwachsrate an strategischer Bedeutung), was nicht überraschend ist, sind die USA doch nicht nur der weltweit mit Abstand größte Einzelmarkt für Arzneimittel,109 sondern lassen sich aufgrund der geringeren Preisregulierungsdichte dort auch recht zufriedenstellende Preise erzielen. An

107

108

109

Auf diesen Sachverhalt wird bei der Charakterisierung des Technologiestrategieprofils der Generika-Hersteller in Kap. 7.7.2, S. 642ff, noch näher eingegangen werden. Diese für den Gesamtkontext aber sehr erhellenden „Vorabausführungen“ sollten dennoch an dieser Stelle nicht unterbleiben. Die gruppenspezifische Analyse wird in Kap. 7 (S. 593ff) erfolgen. Zur Vermeidung von Redundanzen soll eine Betrachtung an dieser Stelle daher noch unterbleiben. Eine ausführliche diesbezügliche Betrachtung findet sich bei der Charakterisierung des jeweiligen Technologiestrategietyps (vgl. hierzu für die Biotechnologie-Unternehmen Kap. 7.1.2 (S. 598ff); für die Großen Internationalen Forscher Kap. 7.2.2 (S. 605ff); für die Mittelgroßen Internat. Forscher Kap. 7.3.2 (S. 612ff); für den Innovat. Mittelstand Kap. 7.4.2 (S. 619); für den OTC/Trad. Mittelstand Kap. 7.5.2 (S. 627ff); für die OTC-Töchter von MNEs Kap. 7.6.2 (S. 635ff), insbes. Abb. 7-23 (S. 634); und für die Generika-Hersteller Kap. 7.7.2 (S. 642ff)). Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.1, S. 220ff.

Technologieverwertungsstrategie

547

Branchenüberblick Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als Märkte (Vermarktung unter eigenem Namen oder Kooperationspartner (Lizenznehmer)) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan Asien (außer Japan) Rest Welt

Pharma-Branche-Ges. 2000 Pharma-Branche-Ges. 2010 0

1

2

3

4

Gar Keine

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Existentielle Sehr Große

Strategische Bedeutung

Abb. 6-64:

Branchenüberblick: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

dieser Stelle sollte in diesem Zusammenhang noch einmal daran erinnert werden, daß die vorliegende Untersuchung die im deutschen Pharma-Markt aktiven Unternehmen zum Gegenstand hatte, was zwar über ihre Töchter fast alle der weltweit führenden Unternehmen einschloß, aber dennoch keinesfalls mit der Welt-Pharma-Industrie gleichgesetzt werden kann. Ansonsten hätten natürlich die USA in jedem Fall mit großem Abstand die Nummer 1 unter den Märkten einnehmen müssen. Der Unterschied zwischen der hier untersuchten, auf dem deutschen Pharmamarkt aktiven Industrie und der Welt-Pharma-Industrie liegt vor allem in der Nicht-Erfassung all jener Unternehmen, die in den übrigen weltweiten Einzelmärkten zu den Gruppen außerhalb der Großen Internat. Forscher und ihrer OTC-Töchter gehören.110 110

Dies war ja auch ausdrücklich gar nicht Ziel der vorliegenden Untersuchung. Trotzdem erschien dem Autor der vorstehende Hinweis hilfreich um zu illustrieren, warum die Grundgesamtheit der vorliegenden Studie nicht mit der Welt-Pharma-Industrie

548

Die technologiestrategische Positionierung

Nach Deutschland und den USA werden 2010 für die Branche als Ganzes auf nahezu gleichem Bedeutungsniveau Frankreich, Großbritannien und Italien – als die zweit- bis viertgrößten europäischen Märkte – sowie Osteuropa und Rußland folgen. Letzteres ist recht bemerkenswert, liegt doch die gegenwärtige Marktgröße von Osteuropa und Rußland weit unter der der drei (neben Deutschland) wichtigsten EU-Märkte:111 Die EU-Osterweiterung wird also von der Branche als Ganzes als enorme Chance begriffen. Die relativ geringe Bedeutung des weltweit zweitgrößten Pharma-Marktes Japan kann nicht allein mit der, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, zu großen geographischen Distanz erklärt werden, liegt doch das übrige Asien auf der Bedeutungsskala vor Japan (im eindeutigen Gegensatz zur jeweiligen Marktgröße). Zwei Gründe dürften hierfür entscheidend sein: Einerseits gilt Japan als ein aufgrund seiner besonderen kulturellen Gegebenheiten und einer sehr starken Marktabschottung generell als ein für ausländische Unternehmen sehr schwieriger Markt. Dies trifft auf die PharmaIndustrie in besonderer Weise zu, weil diese generelle Schwierigkeit durch die besondere Beschaffenheit der regulatorischen Rahmenbedingungen und des Distributionssystems noch verstärkt wird. Andererseits eignet sich gerade die Produktpalette mittelständischer Unternehmen eher für eine Expansion in nicht so stark entwickelte Märkte des übrigen Asiens, da eine bezahlbare Arzneimittelversorgung dort den Vorrang vor dem jeweils hochwirksamsten Präparat hat. Hinzu kommt, daß aufgrund kultureller Gegebenheiten einzelnen Patientengruppen z.B. pflanzliche Arzneimittel vertrauter sind als die sonst dominierenden chemisch definierten. Ein weiterer Grund ist, daß einzelne Unternehmen schon seit Jahrzehnten enge Handelsbeziehungen in einzelne asiatische Länder unterhalten. Diese sind stärker auf persönliche Kontakte als auf einzelne Produkte zugeschnitten und daher zum Teil sehr dauerhaft. Insgesamt ist festzustellen, daß gerade mittelständische Unternehmen jeweils nur einzelne Länder punktuell zum Ziel ihrer Vermarktungsaktivitäten gewählt haben, nicht aber flächendeckend den gesamten asiatischen Kontinent.

111

gleichgesetzt werden darf und worin die genauen Unterschiede zwischen beiden Untersuchungsgruppen liegen. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.1, S. 220ff.

Technologieverwertungsstrategie

549

Hinsichtlich der Bedeutungsrangfolge der einzelnen Länder und Regionen als Märkte bestehen aber, wie bereits erwähnt, erhebliche Unterschiede zwischen den sieben Technologiestrategietypen.112 Insgesamt liegt die technologiestrategische Bedeutung, die die einzelnen Länder und Regionen als Märkte für die Branche besitzen (Abb. 6-64) deutlich über der, die sie als Standorte im Rahmen der Technologiebeschaffung innehaben (Abb. 6-34).113 Die Begründung hierfür dürfte darin bestehen, daß zwar auch die Technologiebeschaffungsaktivitäten eine Präsenz an wichtigen F&E-Standorten außerhalb des Heimatstandortes voraussetzen, aber eben keine weltweit flächendeckende. In der Regel wird also die Forschungspräsenz an einigen wenigen ausgewählten Standorten hinreichend sein, während für die anschließende Verwertung all jene Märkte attraktiv sind, an denen sich Preise erzielen lassen, die in dem vom jeweiligen Unternehmen für ein konkretes Produkt angestrebten Preiskorridor bleiben. Im letzten Tatbestand liegen auch die Gründe dafür, daß sich einige Unternehmen, vorwiegend zur Gruppe der Internationalen Forscher gehörend, auch zum Teil wieder aus „Niedrigpreisländern“ zurückziehen, um das Auftreten von Parallelimporten zu begrenzen, die ansonsten trotz beträchtlicher Umsätze in diesen Ländern den kumulierten Gesamterlös des betreffenden Produktes abschmelzen würden. Mit „Niedrigpreisländern“ sind in diesem Zusammenhang nicht die klassischen Entwicklungs- und Schwellenländer gemeint, die in dieser Hinsicht wegen bestehender Handelsbarrieren und einer – aufgrund der in diesen getätigten geringen Umsatzvolumina – leicht vorzunehmenden Mengensteuerung für Parallelimporte kein wirkliches Risiko darstellen, sondern vielmehr Industrieländer, in denen intensive staatliche Preis- und Erstattungsregulierungen für ein extrem niedriges Preisniveau gesorgt haben. Preisunterschiede

112

113

Die gruppenspezifische Analyse wird in Kap. 7 (S. 593ff) erfolgen. Zur Vermeidung von Redundanzen soll eine Betrachtung an dieser Stelle daher noch unterbleiben. Eine ausführliche diesbezügliche Betrachtung findet sich bei der Charakterisierung des jeweiligen Technologiestrategietyps (vgl. hierzu für die Biotechnologie-Unternehmen Kap. 7.1.2 (S. 598ff); für die Großen Internationalen Forscher Kap. 7.2.2 (S. 605ff); für die Mittelgroßen Internat. Forscher Kap. 7.3.2 (S. 612ff); für den Innovat. Mittelstand Kap. 7.4.2 (S. 619); für den OTC/Trad. Mittelstand Kap. 7.5.2 (S. 627ff); für die OTC-Töchter von MNEs Kap. 7.6.2 (S. 635ff), insbes. Abb. 7-23 (S. 634); und für die Generika-Hersteller Kap. 7.7.2 (S. 642ff)). Vgl. S. 480.

550

Die technologiestrategische Positionierung

Branchentrendanalyse Veränderungen in der relativen strategischen Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als Märkte (Vermarktung unter eigenem Namen oder Kooperationspartner (Lizenznehmer)) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan Asien (außer Japan) Rest Welt -1,0

Pharma-Ges.

Abnahme

0,0

1,0

Zunahme

der strategischen Bedeutung als Markt für das jeweilige Unternehmen 1990-2010

Abb. 6-65:

Branchentrendanalyse: Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutungsveränderung verschiedener Länder/Regionen als Märkte für die Pharma-Branche im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

von 80 % sind dabei keine Seltenheit.114 Da diese Entscheidung, ein Land aus dem Vermarktungsradius auszuschließen, aber in der Regel auf Produktebene (wenn auch häufig umsatzstarker Produkte) fällt, sind diese Auswirkungen auf Branchenebene nur äußerst schwach wahrzunehmen. 6.3.7

6.3.7.1

Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung im Rahmen der Technologieverwertung und Zusammenfassung der wichtigsten Trends Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung

Für die Technologiebeschaffungsstrategie hatte sich gezeigt, daß systematische Unterschiede zwischen den sieben Technologiestrategietypen nicht nur hinsichtlich ihrer technologiestrategischen Ausrichtung für die sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen und die Veränderung in diesen Ausrichtungen bestehen, sondern daß generelle systematische Unterschiede in dem Ausmaß der 114

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.2, S. 224ff.

Technologieverwertungsstrategie

551

Gruppenübersichtstrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung: Technologieverwertungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 1a: Gesamtausmaß der Veränderungen 1990-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. 0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

14,0

16,0

Absolutes Ausmaß der technologiestrategischen Neuausrichtung in der Technologieverwertungsstrategie 1990-2010

Abb. 6-66:

Gruppenübersichtstrendanalyse: Gesamtausmaß der Neupositionierung der Technologieverwertungsstrategie. Quelle: Eigene Darstellung

technologiestrategischen Neupositionierungsbereitschaft insgesamt vorhanden sind. Nachfolgend soll geprüft werden, ob derartige systematische Unterschiede des Neupositionierungsgrades zwischen den einzelnen Gruppen auch für den Bereich der Technologieverwertung bestehen. Die konkrete Vorgehensweise wird dabei die gleiche sein wie sie bereits zuvor bei der Technologiebeschaffung zum Einsatz gekommen ist: Zunächst soll deshalb das Gesamtausmaß der Veränderung hinsichtlich aller Variablen für alle sechs Entscheidungsdimensionen insgesamt genauer betrachtet werden (Abb. 6-66). Genau wie bereits bei der Technologiebeschaffung zeigen sich auch für den Bereich der Technologieverwertung deutliche Unterschiede im Neupositionierungsgrad der einzelnen Gruppen: Auffällig ist bereits in Abb. 6-66, daß nicht nur Mittelgroße Internat. Forscher und Innovat. Mittelstand, wie bereits bei der Technologiebeschaffung, sondern auch die Biotechnologie-Unternehmen ein viel größeres Maß an technologiestrategischer Neuausrichtung zeigen. Klarer treten

552

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersichtstrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung: Technologieverwertungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 1b: Betragsmäßiges (unabhängig von der Veränderungsrichtung) Ausmaß der Gesamtveränderungen relativ zum Branchendurchschnitt 1990-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller -6,0 -4,0 -2,0 Unterdurchschnittliches

0,0

2,0

4,0 6,0 Überproportionales

Betragsmäßiges Ausmaß der Neuausrichtung relativ zum Branchendurchschnitt

Abb. 6-67:

Gruppenübersichtstrendanalyse: Gesamtausmaß der Neupositionierung der Technologieverwertungsstrategie relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche. Quelle: Eigene Darstellung

diese Unterschiede zutage, wenn die graphische Darstellung relativ zur durchschnittlichen Neuausrichtung der Gesamtbranche erfolgt (Abb. 6-67). Wie bereits vorstehend angedeutet, wird in Abb. 6-67 eindeutig evident, daß die drei Gruppen Biotechnologie-Unternehmen, Mittelgroße Internat. Forscher und Innovat. Mittelstand ein weit über dem Branchendurchschnitt liegendes Maß an Neupositionierung vorgenommen haben, während Große Internat. Forscher, ihre OTC-Töchter und die Generika-Hersteller hinsichtlich ihrer technologiestrategischen Veränderung weit unter dem Branchendurchschnitt zu finden sind. Der OTC/Trad. Mittelstand liegt hinsichtlich seines Neupositionierungsgrades genau auf Höhe der Gesamtbranche. Analog zur Vorgehensweise bei der Technologiebeschaffung bleibt auch hier der Frage nachzugehen, inwieweit dieses Ausmaß an technologiestrategischer Neuorientierung markante Unterschiede für die unterschiedlichen technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen aufweist.

Technologieverwertungsstrategie

553

Gruppenübersichtstrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung: Technologieverwertungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 2: Betragsmäßiges (unabhängig von der Veränderungsrichtung) Ausmaß der Veränderungen hinsichtlich der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus relativ zum Branchendurchschnitt 1990-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller -2,0

Abb. 6-68:

-1,0 0,0 Unterdurchschnittliches

1,0

2,0

3,0 4,0 Überproportionales Betragsmäßiges Ausmaß der Neuausrichtung relativ zum Branchendurchschnitt

Gruppenübersichtstrendanalyse: Ausmaß der Neupositionierung der Technologieverwertungsstrategie hinsichtlich der „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche. Quelle: Eigene Darstellung

Deshalb erfolgt in Abb. 6-68 zunächst eine Betrachtung des erneut veränderungsrichtungsneutralen Neupositionierungsausmaßes für die Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus im zeitlichen Verlauf 1990 bis 2010 relativ zum Branchendurchschnitt. Auch für die Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus sind die gleichen signifikanten Unterschiede zwischen den sieben Gruppen auszumachen: Erneut liegen Biotechnologie-Unternehmen, Mittelgroße Internat. Forscher und Innovat. Mittelstand mit ihrem Neupositionierungsgrad weit über dem Branchendurchschnitt. Als interessante Besonderheit ist allerdings festzustellen, daß die Biotechnologie-Unternehmen – anders als für das Ausmaß an Gesamtveränderung – die beiden anderen Gruppen weit übertreffen. Die übrigen vier Gruppen zeigen eine unterdurchschnittliche Neupositionierungsneigung, allerdings ist diese nicht so stark unterdurchschnittlich wie für die Gesamtveränderung.

554

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersichtstrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung: Technologieverwertungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 3: Betragsmäßiges (unabhängig von der Veränderungsrichtung) Ausmaß der Veränderungen hinsichtlich der übrigen fünf Entscheidungsdimensionen (außer technolog. Leistungsniveau) relativ zum Branchendurchschnitt 1990-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller -4,0 -3,0 -2,0 -1,0 0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 Überproportionales Unterdurchschnittliches Betragsmäßiges Ausmaß der Neuausrichtung relativ zum Branchendurchschnitt

Abb. 6-69:

Gruppenübersichtstrendanalyse: Ausmaß der Neupositionierung der Technologieverwertungsstrategie hinsichtlich Timing, Außenorientierung, Vertriebskooperationsbereitschaft sowie des Spezialisierungs- und Globalisierungsgrades relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche. Quelle: Eigene Darstellung

Auch für die Technologieverwertung soll nun die direkte Gegenüberstellung des Neupositionierungsausmaßes für die übrigen fünf technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen erfolgen (Abb. 6-69). Besonders bemerkenswert an den in Abb. 6-69 dargestellten Analyseergebnissen für die Veränderung der übrigen fünf Entscheidungsdimensionen ist, daß hinsichtlich dieser Dimension die Biotechnologie-Unternehmen nur ein leicht unter dem Branchendurchschnitt liegendes Neuausrichtungsausmaß zeigen und nur Mittelgroße Internat. Forscher und Innovat. Mittelstand eine weit überdurchschnittliche Neuausrichtung vorgenommen haben. Dieses Resultat deckt sich insofern mit den Beobachtungen, die für die Technologiebeschaffung gemacht wurden, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, daß der Neupositionierungsgrad beider Gruppen für die Technologieverwertung identisch ist, während bei der Technologiebeschaffung das Ausmaß an Neuorientierung bei den Mittel-

Technologieverwertungsstrategie

555

großen Internat. Forschern ungleich größer war. Auffällig ist auch, daß bei den Großen Internat. Forschern und ihren OTC-Töchtern das Ausmaß an technologiestrategischer Neupositionierung für die Technologieverwertungsstrategie sehr viel weiter unter dem Branchendurchschnitt liegt als dies bei der Technologiebeschaffungsstrategie der Fall war. Ergo läßt sich festhalten, daß das Ausmaß an Neupositionierung für die Technologieverwertung für die fünf Entscheidungsdimensionen – außer der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus – deutlich stärkere gruppenspezifische Unterschiede aufweist, als dies bei der Technologiebeschaffung der Fall war. Insgesamt passen die für die Technologieverwertungsstrategieprofilveränderungen gemachten Beobachtungen zu dem Bild, das für den Bereich der Technologiebeschaffung entstanden war.115 Einzige Ausnahme im Hinblick auf die Höhe ihres angestrebten technologischen Leistungsniveaus bilden die Biotechnologie-Unternehmen hinsichtlich ihres Neupositionierungsgrades. Die Ursache für diese markanten Unterschiede im Neupositionierungsausmaß für Technologiebeschaffung und -verwertung erklären sich bei den Biotechnologie-Unternehmen, wie bereits bei der Technologiebeschaffung, weniger aus Strategiebrüchen denn aus der natürlichen rasanten Unternehmensentwicklung. Während diese Gruppe sich 1990 und auch heute nahezu ausschließlich auf die Erforschung innovativer Schlüsselbausteine und Technologien für die Wirkstofforschung konzentriert – die dann von in der Technologiewertschöpfungskette nachgelagerten Unternehmen, die zumeist zu den Gruppen der Internat. Forscher gehören, in marktreife Arzneimittel überführt wurden – streben die Biotechnologie-Unternehmen stark danach, in Zukunft auch in größerem Ausmaß an der Vermarktung der eigenen Wirkstoffe beteiligt zu sein bzw. diese sogar eigenständig vorzunehmen. Diese strategische Evolution macht sich naturgemäß auf der Verwertungsseite stärker bemerkbar als auf der Beschaffungsseite. Für die Großen Internat. Forscher und auch insbesondere für ihre OTC-Töchter zeigt sich in noch viel stärkerem Maß als auf der Technologiebeschaffungsseite, daß die Unternehmen dieser Gruppen bereits über ausgereifte Technologieverwertungsstrategien verfügen, das Ausmaß an strategischer Justierung also noch weiter unter dem Branchendurchschnitt zurückbleibt als bei der Technologiebeschaffung.

115

Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 6.3.7.1, S. 550ff.

556

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersichtstrendanalyse Technologiestrategische Neupositionierung: Technologieverwertungsstrategieprofilveränderungen 1990-2010 Teil 4: Ausmaß der Zunahme des Bestrebens, "ein hochinnovativer, risikobereiter Technologieführer zu sein" (im Rahmen des technolog. Leistungsniveaus), relativ zum Branchendurchschnitt 1990-2010 BiotechnologieUnternehmen Große Internat. Forscher Mittelgroße Internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller -3,0 -2,0 -1,0 Unterdurchschnittliches

0,0

1,0

2,0 3,0 Überproportionales

Ausmaß der Neuausrichtung relativ zum Branchendurchschnitt

Abb. 6-70:

Gruppenübersichtstrendanalyse:Ausmaß der Neupositionierung der Technologieverwertungsstrategie hinsichtlich des Bestrebens, „hochinnovativer, risikobereiter Technologieführer im Arzneimittelmarkt zu sein“, relativ zur Neuausrichtung der Gesamtbranche. Quelle: Eigene Darstellung

Gleiches gilt für die Generika-Hersteller, nur daß hier zwischen Technologiebeschaffung und -verwertung keine nennenswerten Unterschiede auftreten. Beim OTC/Trad. Mittelstand ist das Ausmaß an strategischer Neuorientierung relativ zum Branchendurchschnitt für den Bereich der Technologieverwertung größer als für den Bereich der Technologiebeschaffung. Allerdings findet analog zur Beobachtung bei der Technologiebeschaffung auch für die Technologieverwertungsstrategie hinsichtlich der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus nur eine unter dem Branchendurchschnitt liegende Reorientierung der Technologiestrategie statt. Für die zweite mittelständische Gruppe, den Innovat. Mittelstand, gilt ebenfalls, daß der Grad an technologiestrategischer Neuorientierung relativ zum Branchendurchschnitt für die Technologieverwertung noch ausgeprägter ist als für die Technologiebeschaffung. So übertrifft das Gesamtausmaß an technologiestrategischer Neuorientierung das aller übrigen Gruppen – im Gegensatz zur Technologiebeschaffung, wo die Mittelgroßen Internat. Forscher

Technologieverwertungsstrategie

557

bei weitem das höchste Maß an technologiestrategischer Neuorientierung aufwiesen. Beiden Gruppen bleibt allerdings gemeinsam, daß sie in einem gigantischen technologiestrategischen Neuorientierungsschwenk versuchen, aus dem Bereich technologiestrategischer Unschärfe zu klar definierten Technologiestrategieprofilen zu gelangen. 6.3.7.2

Zentrale Trends

Zusammenfassend lassen sich für die sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen der Technologieverwertung die folgenden zentralen Trends ausmachen: – Angestrebtes technologisches Leistungsniveau:

ƒ Verlagerung der Vermarktungsschwerpunkte in Richtung auf Arzneimittel mit höherem Innovationsgrad (Präparate mit gänzlich neuen Wirkstoffen (NMEs) und überlegener Wirksamkeit und Nebenwirkung) ƒ Deutliche Zunahme der technologiestrategischen Risikobereitschaft in Form einer gestiegenen Bereitschaft, die Vermarktungsschwerpunkte zunehmend im Bereich bislang unheilbarer Krankheiten zu setzen – Timing:

ƒ Deutliche Zunahme der strategischen Bedeutung, Markt-Pionier zu sein, die in ihrem Ausmaß mit der der Technologiebeschaffung vergleichbar ist – Intensität der Außenorientierung:

ƒ Im Gegensatz zur Technologiebeschaffung kaum Veränderungen in dieser Dimension im zeitlichen Verlauf: Die Eigenvermarktung von Produkten bzw. die Eigennutzung von Prozessen bleibt weit dominierend gegenüber externen Technologieverwertungsalternativen über Partner – Technologischer Verflechtungsgrad:

ƒ Sprunghafte Zunahme der strategischen Bedeutung von Vermarktungs-Kooperationen, aber längst nicht so stark wie die von F&E-Kooperationen für die Technologiebeschaffung. Auch absolut erreichen Vermarktungskooperationen bei weitem nicht den strategischen Stellenwert von F&E-Kooperationen – Breite der technologischen Ausrichtung:

ƒ Starke Fokussierung der Vermarktungsaktivitäten auf wenige Kernindikationsgebiete. Hinsichtlich der realisierten Strategie bleibt die Breite der Produktportfolios erheblich größer als die der F&E-Projekt-Portfolios

558

Die technologiestrategische Positionierung

– Geographische Ausdehnung und Marktwahl:

ƒ Deutliche Zunahme der Globalisierung der Vermarktungsaktivitäten. Die Globalisierungstendenz ist noch sehr viel stärker ausgeprägt als die der F&E-Aktivitäten; der Markt Deutschland verliert dabei leicht an Bedeutung, während insbesondere die USA und in Summe die übrigen EU-Staaten deutlich stärker gewinnen – Übergeordnete Trends:

ƒ Im Vergleich zur Technologiebeschaffung ist die Neupositionierung deutlich gleichmäßiger auf beide Dekaden verteilt, auch wenn das Ausmaß der Veränderungen insgesamt in der ersten Dekade (1990-2000) größer war als in der zweiten Dekade (2000-2010). Eine Trendumkehr tritt dabei (genau wie bei der Technologiebeschaffung) nicht auf ƒ Zwischen den einzelnen Technologiestrategietypen treten für alle technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen signifikante Unterschiede auf ƒ Im zeitlichen Verlauf nimmt die bereits 1990 stark ausgeprägte technologiestrategische Polarisierung zwischen den sieben Technologiestrategietypen für die Dimensionen „Angestrebtes technologisches Leistungsniveau“ und „Timing“ weiter drastisch zu. Hinsichtlich der übrigen Entscheidungsdimensionen werden die 1990 vorhandenen gruppenspezifischen Unterschiede auch 2010 fortgeschrieben ƒ Das Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung weist fundamentale Unterschiede zwischen den sieben Technologiestrategietypen auf: Innovat. Mittelstand, Mittelgroße Internat. Forscher und BiotechnologieUnternehmen nehmen eine gigantische Neuausrichtung ihrer Technologieverwertungsstrategie vor, während Große Internat. Forscher, ihre OTCTöchter und die Generika-Hersteller an ihren bereits 1990 klar distinguierten Technologiestrategien mit nur relativ geringen Neupositionierungen festhalten.

Das technologiestrategische Umfeld

559

6.4 Das technologiestrategische Umfeld Nach dieser differenzierten Analyse der technologiestrategischen Ausrichtung und Neupositionierung der im deutschen Pharmamarkt aktiven Industrie und der sie konstituierenden sieben Technologiestrategietypen bleibt aber noch der spannenden Frage nachzugehen, in welchem Umfeld diese Ausrichtung und Neupositionierung erfolgt. Im Folgenden soll dazu zunächst untersucht werden, welche Rolle die zentralen Wettbewerbskräfte für die Branche und die einzelnen Gruppen gespielt haben sowie inwieweit die Potentiale für eine weitere Zunahme dieser Wettbewerbskräfte bereits ausgeschöpft sind. Als zweites soll geklärt werden, ob Markt- oder Technologieimpulse die jeweiligen Technologiestrategien stärker prägen, um dann schließlich noch zu ergründen, wie langfristig Technologiestrategien überhaupt ausgerichtet sind. 6.4.1

Relative technologiestrategische Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und Wettbewerbspotentiale

Beginnen wir mit der Frage, wie sich die Intensität der zentralen Wettbewerbskräfte im zeitlichen Verlauf 1990-2010 für die Branche als Ganzes entwickelt hat und welche Potentiale für ihre Steigerung zum jeweiligen Zeitpunkt bestanden (Abb. 6-71). Die Wettbewerbsintensität hat auf dem deutschen Pharmamarkt im zeitlichen Verlauf 1990-2010 stark an Schärfe zugenommen (vgl. zur Zunahme auch Abb. 6-72). Insbesondere Preis- und Innovationswettbewerb steigen sprunghaft an. Während im Jahr 1990 Image- und Marketingwettbewerb eindeutig der zentrale Wettbewerbsfaktor in der Branche waren, sind 2010 alle drei Kräfte – allerdings auf einem erheblich höheren Intensitätsniveau – nahezu ebenbürtig. Diese Beobachtung steht im Einklang mit früheren Analysen, die festgestellt hatten, daß nicht nur die F&E-Intensitäten (Indikator für die Intensität des Innovationswettbewerbs) in der Pharmazeutischen Industrie, sondern auch die Werbeintensitäten (Indikator für die Intensität des Image- und Marketingwettbewerbs) deutlich über dem Durchschnitt anderer Branchen lagen.116

116

Vgl. Clarkson, K. W.; (1979), S. 117; sowie Clarkson, K. W.; (1996), S. 238-268, insbes. S. 253-265.

560

Die technologiestrategische Positionierung

Branchenüberblick Relative technologiestrategische Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und Wettbewerbspotentiale 1990-2000-2010 Sehr hoher Preiswettbewerb Sehr hoher Innovationswettbewerb Sehr hoher Image- und Marketingwettbewerb Sehr geringe Deckungsbeiträge (Preiswettbewerbspotential) Sehr geringes therapeutisches Verbesserungspotential

Pharma-Branche-Ges. 1990 Pharma-Branche-Ges. 2000 Pharma-Branche-Ges. 2010

Sehr geringes Verbesserungspotential für das Produktimage -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1

0

1

2

Eher nicht

Nicht eindeutig

Eher

Größtenteils

3 Voll

Intensität bzw. Höhe in den vom jeweiligen Unternehmen bearbeiteten Indikationsgebieten relativ zum Gesamtmarkt 1990-2010

Abb. 6-71:

Branchenüberblick: Relative technologiestrategische Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und ihrer Veränderungspotentiale für die PharmaBranche im zeitlichen Verlauf 1990, 2000 und 2010. Quelle: Eigene Darstellung

Die Veränderungen ihrer Steigerungspotentiale sind deutlich schwächer ausgeprägt und weisen nicht alle in die gleiche Richtung: Hinsichtlich der erzielbaren Deckungsbeiträge, die hier als Indikator für das Preiswettbewerbspotential verwendet werden, korreliert die deutliche Abnahme der Deckungsbeiträge mit der Zunahme des Preiswettbewerbs. Daß beide nicht gleich groß ausfallen, können wir auf den ersten Blick auf eine Ausschöpfung von in den einzelnen Unternehmen vorhandenen Effizienzpotentialen zurückführen. Später erfolgt aber noch die Entwicklung eines zweiten, möglicherweise noch gravierenderen Erklärungsansatzes. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, daß die Margen branchenweit im Kontrast zu den erheblich gestiegenen Risiken117 aber trotz dieser Effizienzsteigerungen dennoch deutlich gefallen sind. 117

Vgl. zur Risikobereitschaft die Ausführungen in Kap. 6.2.1.2, S. 453ff und 6.3.1.2, S. 509ff.

Das technologiestrategische Umfeld

561

Branchentrendanalyse Veränderungen der relativen technologiestrategischen Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und Wettbewerbspotentiale 1990-2010

Sehr hoher Preiswettbewerb Sehr hoher Innovationswettbewerb Sehr hoher Image- und Marketingwettbewerb Sehr geringe Deckungsbeiträge (Preiswettbewerbspotential) Sehr geringes therapeutisches Verbesserungspotential Sehr geringes Verbesserungspotential für das Produktimage

Pharma-Ges.

-1,0

0,0 1,0 2,0 Zunahme Abnahme der Intensität bzw. Höhe in den vom jeweiligen Unternehmen bearbeiteten Indikationsgebieten relativ zum Gesamtmarkt 1990-2010

Abb. 6-72:

Branchentrendanalyse: Veränderung der relativen technologiestrategischen Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und ihrer Veränderungspotentiale für die Pharma-Branche 1990-2010. Quelle: Eigene Darstellung

Als Indikator für das Innovationswettbewerbspotential dienen die therapeutischen Verbesserungspotentiale. Obwohl der Innovationswettbewerb sich nachweislich steigert, nehmen auch die therapeutischen Verbesserungspotentiale zu. Diese Beobachtung mag im ersten Moment überraschen, sollte man davon ausgehen, daß die Steigerung eines Wettbewerbsfaktors eine Ausschöpfung seines Steigerungspotentials darstellt und dieses demzufolge geringer werden müßte. Diese vordergründige Überlegung beruht aber auf einer zu statischen Betrachtungsweise. Durch die Zunahme des Innovationswettbewerbs wird der naturwissenschaftliche Fortschritt beschleunigt, und durch diesen Erkenntnisgewinn verbreitert sich quasi der therapeutische Horizont schneller als die Wissenschaft in der Realisierung dieser neuen Optionen fortschreitet. Anders ausgedrückt verschwinden zwar therapeutische Verbesserungspotentiale dadurch, daß verbesserte Arzneimittel entwickelt und auf dem Markt eingeführt werden, gleichzeitig ergeben sich aber durch den noch schnelleren wissenschaftlichen Fortschritt noch viel mehr und noch größere Ansätze für weitere therapeutische Verbesserungen.

562

Die technologiestrategische Positionierung

Diese differenziertere Betrachtungsweise läßt auch für den im Vergleich zur Zunahme der Preiswettbewerbsintensität geringeren Rückgang der Deckungsbeiträge einen zusätzlichen Erklärungsansatz entstehen, der einen noch deutlich höheren Erklärungsbeitrag leisten dürfte, als die zuvor angeführte Effizienzsteigerung im jeweiligen Unternehmen: Geht man auch hier von einer rein statischen zu einer dynamischen Betrachtungsweise über, so fällt auf, daß die Produkte zu den drei Betrachtungszeitpunkten nicht dieselben sind. Vielmehr sind im zeitlichen Verlauf eine Reihe umsatzstarker neuer und in vielen Fällen hochinnovativer und patentgeschützter Präparate eingeführt worden, die aufgrund ihrer Alleinstellung im Markt erheblich höhere Deckungsbeitragsspannen haben als der Durchschnitt der bereits im Markt befindlichen Präparate. Allerdings reichen die durch Produktneueinführungen und Effizienzsteigerungen gewonnenen zusätzlichen Spielräume gegenwärtig – und auch in der Prognose 2010 – im deutschen Markt im Branchendurchschnitt nicht aus, die durch die erheblich angestiegene Preiswettbewerbsintensität118 auftretende Erosion der Deckungsbeiträge zu kompensieren. Zur Erörterung möglicher daraus resultierender Konsequenzen wird die Analyse der diesbezüglich existierenden gruppenspezifischen Unterschiede eine wertvolle Hilfestellung geben. Bezüglich des dritten und letzten Wettbewerbspotentials, des Image- und Marketingwettbewerbspotentials ist festzustellen, daß es nahezu unverändert bleibt. Auch hier dürfte die Begründung dafür, daß dieses nicht korrespondierend zur – allerdings im Vergleich zu den übrigen Wettbewerbsfaktoren nur geringen – Zunahme der Image- und Marketingwettbewerbsintensität rückläufig gewesen ist, in dem Entstehen neuer zusätzlicher Verbesserungspotentiale für das Produktimage liegen. Diese Verbesserungspotentiale könnten in der Entwicklung neuer Instrumente im Rahmen der Marketing-Forschung, genauso wie in durch den allgemeinen technischen Fortschritt liegenden neuen Möglichkeiten (z.B. e-commerce und e-marketing durch neue Informationstechnologien)119 bestehen.

118

119

Diese enorme Zunahme der Intensität des Preiswettbewerbs wird maßgeblich durch die sehr intensiven staatlichen Eingriffe in die Preisbildung getrieben, die in einer Welle von in immer kürzeren Abständen reformierten Maßnahmen enthalten sind, die zum Versuch der Kostendämpfung in der gesetzlichen Krankenversicherung von staatlicher Seite unternommen werden. Allerdings muß in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß aufgrund der restriktiven staatlichen Werbe- und Informationsregulierungen im Rahmen des Pharma-Marketings bei weitem nicht alles realisiert werden kann, was sich an interes-

Das technologiestrategische Umfeld

563

Gruppenübersicht Relative technologiestrategische Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und Wettbewerbspotentiale: Teil 1a: Intensität des Preiswettbewerbs im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

1990 2000 2010 -2

-1

0

Größtenteils nicht

Eher nicht

Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Hohe Intensität in den vom jeweiligen Unternehmen bearbeiteten Indikationsgebieten relativ zum Gesamtmarkt 1990-2010

Abb. 6-73:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der Intensität des Preiswettbewerbs in den jeweils bearbeiteten Marktsegmenten für die sieben Technologiestrategietypen im zeitlichen Verlauf 1990, 2000 und 2010. Quelle: Eigene Darstellung

Genau wie für die Branche als Ganzes nimmt die Intensität des Preiswettbewerbs, vor allem getrieben durch staatliche regulatorische Eingriffe mit dem Ziel einer Kostendämpfung, im Gesundheitswesen rapide zu. Die Intensität des Preiswettbewerbs zu den drei Beobachtungszeitpunkten 1990, 2000 und 2010 für die sieben Technologiestrategietypen sind in Abb. 6-73 wiedergegeben. 1990 unterschied sich die Intensität des Preiswettbewerbs – außer für die Biotechnologie-Unternehmen und die Generika-Hersteller – nur wenig vom Branchendurchschnitt. An diesem Bild hat sich auch 2000 und 2010 nur wenig geändert, allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, daß für alle Gruppen die Intensität des Preiswettbewerbs sprunghaft zugenommen hat. Die Sonderstellung der Biotechnologie-Unternehmen, die nicht nur die geringste Preiswettbewerbsintensität zu verzeichnen hatten, sondern auch die gesanten neuen Möglichkeiten bietet, auch wenn sich dies in anderen Branchen bereits längst etabliert hat. Ein Beispiel hierfür ist Werbung im Internet.

564

Die technologiestrategische Positionierung

ringste Steigerung, erklärt sich damit, daß der Innovationswettbewerb das Wettbewerbsgeschehen in dieser Gruppe am extremsten dominiert und bereits 1990 existentiellen Charakter hat (vgl. die späteren Ausführungen und Abb. 6-75); außerdem daß (mit einer Ausnahme) keines dieser Unternehmen bereits mit einem eigenen Arzneimittel auf dem Markt präsent ist und insofern die Wirkung von Preis- und Erstattungsregulierungen nur höchst indirekt über seine Lizenzpartner zu spüren bekommt. Die extrem hohe Preiswettbewerbsintensität, die für die Gruppe der Generika-Hersteller existentielle Bedeutung besitzt, erklärt sich daraus, daß die Unternehmen dieses Typs (vor allem untereinander) mit qualitativ austauschbaren Produkten vor allem über den Preis konkurrieren. Der Preiskorridor dieses Preiskampfes wird dabei durch periodisch verringerte, staatlich festgelegte Erstattungsobergrenzen (Festbetragsregelung) kontinuierlich heruntergeschraubt und so ein zwischenzeitliches Nachlassen dieser Wettbewerbsintensität verhindert. Dieser Effekt wird durch die Aut-Idem-Regelung nochmals drastisch verschärft. Zur Konkretisierung der zu Eingang dieses Kapitels aufgestellten Überlegungen bezüglich des Verhältnisses von Wettbewerbsintensität und Höhe des Wettbewerbspotentials, erfolgt nun die Untersuchung der Höhe der Deckungsbeiträge, also der Preiswettbewerbspotentiale, für die einzelnen Gruppen (Abb. 6-74). Bei Betrachtung von Abb. 6-74 bietet sich ein in der Tat höchst aufschlußreiches Bild: Die Höhe der erzielbaren Deckungsbeiträge nimmt nämlich kontinuierlich von den Biotechnologie-Unternehmen zu den Generika-Herstellern ab. Den einzigen „Ausreißer“ stellen die OTC-Töchter dar. Interessanterweise ist dieser Verlauf genau umgekehrt zur Höhe des im Rahmen der Technologiestrategie angestrebten technologischen Leistungsniveaus.120 Und auch die Höhe der Erosion der Deckungsbeiträge im zeitlichen Verlauf unterliegt diesem Trend: Während die Abnahme der Deckungsbeiträge bei den Biotechnologie-Unternehmen deutlich unter dem Branchendurchschnitt liegt, beträgt sie für die GenerikaHersteller das 2,5fache des Branchendurchschnitts. Der zu Beginn dieses Kapitels entwickelte Erklärungsansatz für das Auftreten einer deutlich höheren Zunahme der Preiswettbewerbsintensität als der korrespondierenden Abnahme der Deckungsbeiträge auf Branchenebene, eignet sich auch, dieses Phänomen

120

Vgl. hierzu beispielsweise die gruppenspezifische Bedeutung der Technologieführerschaft: Abb. 6-3, S. 437.

Das technologiestrategische Umfeld

565

Gruppenübersicht Relative technologiestrategische Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und Wettbewerbspotentiale: Teil 1b: Größe der Steigerungspotentiale für die Intensität des Preiswettbewerbs: Höhe der erzielten Deckungsbeiträge im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen 1990 Große 2000 internat. Forscher 2010 Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1

2

Eher

Größtenteils

3 Voll

Sehr geringe Höhe in den vom jeweiligen Unternehmen bearbeiteten Indikationsgebieten relativ zum Gesamtmarkt 1990-2010

Abb. 6-74:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der Größe der vorhandenen Steigerungspotentiale für die Intensität des Preiswettbewerbs in den jeweils bearbeiteten Marktsegmenten für die sieben Technologiestrategietypen im zeitlichen Verlauf 1990, 2000 und 2010. Quelle: Eigene Darstellung

plausibel transparent zu machen: Unternehmen, die regelmäßig neue Produkte mit überdurchschnittlich hohen Deckungsbeitragsspannen einführen, können damit die Deckungsbeitragserosion ihres übrigen Portfolios zumindest teilweise kompensieren. Je stärker sich das Neupräparat vom bestehenden Marktangebot abhebt und je besser dieser Innovationsvorsprung (z.B. über Patente) gegen Nachahmung gesichert ist, desto höher fallen in der Regel dabei die erzielbaren Deckungsbeiträge aus. Die Gruppen, die die Erforschung und Markteinführung von Arzneimitteln mit hohem Innovationsgrad auf ihre Fahnen geschrieben haben, verspüren demzufolge zwar (mit Ausnahme der Biotechnologie-Unternehmen) nur eine wenig geringere Intensität des Preiswettbewerbs, können aber im Mittel von höheren und – gegenüber einer preiswettbewerbsbedingten Erosion – resistenteren Deckungsbeiträgen ausgehen. Das bedeutet, die beobachtete Neupositionierung in Richtung von Arzneimitteln mit deutlich höherem Innovations-

566

Die technologiestrategische Positionierung

grad könnte eine Reaktionsstrategie sein, die zwar nur begrenzt davor bewahrt, einem vor allem durch staatliche Kostendämpfungsmaßnahmen angeheizten, immer intensiveren Preiswettbewerb ausgesetzt zu sein, die aber den Erosionsprozeß der Deckungsbeiträge merklich zu bremsen verspricht.121 Allerdings sollte in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß mit dem höheren technologischen Leistungsniveau auch erheblich höhere Risiken verbunden sind. Ein anderer Weg als über Innovationsvorsprünge eine Alleinstellung im Markt zu erhalten, ist der Aufbau starker Marken. Diese Strategie ist vor allem im OTC-Segment höchst erfolgreich. Da diese OTC-Marken zumeist fast vollständig vom Patienten selbst bezahlt werden, sind sie zusätzlich nur noch indirekt (z.B. über eine niedrigere Besucherfrequenz im Hauptdistributionskanal Apotheke) von staatlichen Preiseingriffen betroffen.122 In dieser erfolgreichen OTCMarken-Strategie liegt auch der Grund, warum die OTC-Töchter sowohl hinsichtlich der Intensität des Preiswettbewerbs als auch des Abschmelzens der Deckungsbeiträge einen „Ausreißer“ darstellen. Deutlich komplexer und schwieriger stellt sich die Situation für den OTC/ Trad. Mittelstand dar: Die Situation dieser Gruppe läßt sich treffend mit dem Ausdruck „Zwischen Baum und Borke“ beschreiben. Einerseits ist es nämlich nicht Teil der Technologiestrategie der Unternehmen dieses Typs, sich durch hinreichend große Innovationsvorsprünge (Abb. 6-75) Luft im Preiswettbewerb zu verschaffen, andererseits verfügt nur ein kleiner Teil (hauptsächlich die größeren Unternehmen dieser Gruppe) über starke eigene OTC-Marken. Auch besteht keineswegs eine Unabhängigkeit gegenüber staatlichen Preiseingriffen: Ganz im Gegenteil ist diese Gruppe diesen sogar am intensivsten ausgesetzt, da sie den höchsten Anteil an erstattungsfähigen, aber nicht verschreibungspflichtigen Präparaten aller Gruppen aufweist.123 Zusätzlich stehen sie bei dem Versuch, 121

122

123

Vgl. hierzu auch die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.2.4 (S. 259ff), insbes. Abb. 4-14 (S. 260). Hinzu kommt der – aber zumeist geringe – Verordnungsanteil dieser Produkte zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen. Diese Betroffenheit von staatlicher Regulierung dürfte sich aber unfreiwillig – und zum Nachteil der betroffenen Unternehmen – durch diese selbst erledigen, da zu erwarten steht, daß diese in naher Zukunft nicht mehr im Erstattungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten sein werden (infolge der Verschärfung der Negativ- und der Einführung einer Positivliste). Diese relativ schwach wirksamen Präparate dürften bevorzugtes Ziel der nächsten Welle staatlicher Kostendämpfungsbemühungen sein. Wie bereits in der vorstehenden

Das technologiestrategische Umfeld

567

auf das OTC-Segment (Selbstmedikation) auszuweichen, starken und in diesem Bereich sehr erfahrenen und gut positionierten Konkurrenten in Form der OTCTöchter gegenüber. Diese Zwickmühle dürfte, insbesondere für kleinere Unternehmen, sofern sie keine geeignete Nische (z.B. Homöopathie) finden, immer weniger Raum zum Überleben lassen. Die Wahrscheinlichkeit für eine Marktkonsolidierung durch Ausscheiden dürfte in dieser Gruppe daher sehr hoch sein. Diese Überlegungen stellen bereits die Suche nach den möglichen Konsequenzen der enormen Verschärfung des Preiswettbewerbes und den für einige Gruppen erheblich gesunkenen Deckungsbeiträgen dar: Offenbar (Abb. 6-74) besteht für die Generika-Hersteller und den OTC/Trad. Mittelstand nur sehr begrenzt die Möglichkeit, das Absinken ihrer Deckungsbeiträge durch unternehmensinterne Effizienzsteigerungen und die Einführung neuer Produkte mit höheren Deckungsbeitragsspannen zu kompensieren. Die Folge wird sein, daß, wie erwähnt, ertragsschwächere Anbieter aus dem Markt ausscheiden werden. Für den OTC/Trad. Mittelstand ist diese Problematik bereits skizziert worden. In der Gruppe der Generika-Hersteller dürften dies ebenfalls vor allem kleinere Anbieter sein, die nicht in der Lage sind, über Mengen- und Verbundeffekte (economies of scale and scope) – insbesondere durch die Realisierung von Synergien durch eine weltweite Vermarktung ihrer Produkte – ihre Effizienz zu steigern und ihre Kosten hinreichend zu senken. Eine Alternativstrategie kann allerdings auch für diese kleineren Anbieter das Etablieren von „kreativen Nischen“ sein.124

124

Fußnote erwähnt, dürfte eine deutliche Ausweitung der bestehenden Negativliste und/ oder Einführung einer Positivliste, deren Erstattungsfähigkeit ganz zunichte machen, wodurch den betroffenen Unternehmen nur noch die Zielgruppe der Selbstzahler bleibt. Ein Beispiel für das Schaffen einer derartigen „kreativen Nische“ ist die Strategie eines kleinen Generika-Herstellers, auf einen eigenen Außendienst – und damit auf einen der zentralen Kostenblöcke – gänzlich zu verzichten und stattdessen erheblich kostengünstiger die Zielgruppe der Ärzte, die prinzipiell keinen Außendienst empfängt, mit einem originellen Mailing zu bearbeiten. Ein zweites Beispiel für eine derartige „kreative Nische“ ist die Strategie eines anderen kleinen Generika-Herstellers, ebenfalls die Außendienstaufwendungen sehr zu beschränken und die dabei freiwerdenden Mittel für ein gemeinnütziges Institut, das sich der sozialmedizinischen Forschung bei Kindern verschrieben hat, zweckfrei zur Verfügung zu stellen, in der Hoffnung, zusätzlich zur guten Tat, bei sozial eingestellten Ärzten einen Imagebonus zu erhalten.

568

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Relative technologiestrategische Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und Wettbewerbspotentiale: Teil 2a: Intensität des Innovationswettbewerbs im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher

1990 2000 2010

Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2 Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Hohe Intensität in den vom jeweiligen Unternehmen bearbeiteten Indikationsgebieten relativ zum Gesamtmarkt 1990-2010

Abb. 6-75:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der Intensität des Innovationswettbewerbs in den jeweils bearbeiteten Marktsegmenten für die sieben Technologiestrategietypen im zeitlichen Verlauf 1990, 2000 und 2010. Quelle: Eigene Darstellung

Nachdem zuvor die möglichen Konsequenzen der enormen Verschärfung des Preiswettbewerbes behandelt wurden, soll nun eine genauere Betrachtung des für einige Gruppen erheblich entscheidenderen Wettbewerbsfaktors, des Innovationswettbewerbs, erfolgen. Die gruppenspezifischen Unterschiede hinsichtlich der Intensität des Innovationswettbewerbs im zeitlichen Verlauf finden sich in Abb. 6-75. Analog zur Entwicklung der Branche als Ganzes hat sich die Innovationswettbewerbsintensität für alle Gruppen von 1990 bis 2010 deutlich verschärft. Noch ausgeprägter als für den Preiswettbewerb (und die Deckungsbeiträge) lassen sich auch für die Intensität des Innovationswettbewerbs systematische Unterschiede zwischen den sieben Technologiestrategietypen identifizieren: Graphisch durch eine Diagonale von links unten nach rechts oben in Abb. 6-75 dargestellt, steigt die Intensität des Innovationswettbewerbs von den Generika-Herstellern, der Gruppe mit der niedrigsten, bis zu den Biotechnologie-Unternehmen, der

Das technologiestrategische Umfeld

569

Gruppenübersicht Relative technologiestrategische Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und Wettbewerbspotentiale: Teil 2b: Größe der Steigerungspotentiale für die Intensität des Innovationswettbewerbs: Höhe der therapeutischen Verbesserungspotentiale im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher

1990 2000 2010

Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3

-2

Gar nicht

Größtenteils nicht

-1 Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1 Eher

2 Größtenteils

3 Voll

Sehr geringe Höhe in den vom jeweiligen Unternehmen bearbeiteten Indikationsgebieten relativ zum Gesamtmarkt 1990-2010

Abb. 6-76:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der Größe der vorhandenen Steigerungspotentiale für die Intensität des Innovationswettbewerbs in den jeweils bearbeiteten Marktsegmenten für die sieben Technologiestrategietypen im zeitlichen Verlauf 1990, 2000 und 2010. Quelle: Eigene Darstellung

Gruppe mit der höchsten Innovationswettbewerbsintensität, kontinuierlich an: wiederum mit einem einzigen Ausreißer, den erneut die OTC-Töchter bilden. Diese markanten Unterschiede bestehen sowohl 1990 als auch 2000 und 2010, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, daß für alle Unternehmen die Intensität des Wettbewerbs beträchtlich an Schärfe gewonnen hat. Das genau spiegelbildliche Bild ist für die Veränderung der Innovationswettbewerbspotentiale zu verzeichnen (Abb. 6-76). Die graphische Diagonale führt diesmal von links oben nach rechts unten. Auf der inhaltlichen Ebene bedeutet dies, daß die Biotechnologie-Unternehmen die größten therapeutischen Verbesserungspotentiale wahrnehmen, während diese für die Generika-Hersteller am geringsten ausgeprägt sind. Die übrigen Strategietypen bewegen sich auf einem Kontinuum dazwischen. Eigentlich müßte die Kombination dieser Beobachtungen des Verlaufs der gruppenspezifischen Unterschiede von Innovationswettbewerbsintensität und

570

Die technologiestrategische Positionierung

therapeutischen Verbesserungspotentialen überraschen, wenn man davon ausginge, daß eine hohe Wettbewerbsintensität mit der Ausschöpfung der entsprechenden Steigerungspotentiale einherginge. Dieser scheinbare Widerspruch läßt sich bei genauerer Betrachtung jedoch leicht auflösen, wie ja schon zu Beginn dieses Kapitels dargelegt wurde. Zusätzlich zu dem dort Gesagten, ist noch ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß ja von den sieben Strategietypen nicht die gleichen Marktsegmente und Indikationsgebiete bearbeitet werden. Die Biotechnologie-Unternehmen als das eine Extrem agieren nicht nur in den Indikationsgebieten, wo bereits heute (und in Zukunft) die Intensität des Innovationswettbewerbs am höchsten ist, sondern in Gebieten, in denen ein realisierter therapeutischer Schritt vorwärts mit der Erweiterung des Horizonts der therapeutischen Möglichkeiten um mindestens einen gleichgroßen Schritt verbunden ist, so daß das Verbesserungspotential nie ausgeschöpft wird. Eine Besonderheit, die eine genauere Betrachtung in dieser Hinsicht verdient, bilden die Mittelgroßen Internat. Forscher: Für die Unternehmen dieses Typs hat nicht nur die Innovationswettbewerbsintensität im zeitlichen Verlauf von 19902010 von allen Gruppen mit Abstand am stärksten zugenommen, diese Gruppe verzeichnet zusätzlich auch die im gleichen Zeitraum weitaus größte Zunahme an therapeutischen Verbesserungspotentialen. Neben dem zuvor ausführlich besprochenen allgemeinen Erkenntnisfortschritt, ist für diese Unternehmen noch eine weitere Entwicklung entscheidend: Für die einzelnen Technologiestrategietypen muß eine Veränderung der Intensität eines Wettbewerbsfaktors und seines Potentials nämlich nicht ausschließlich auf eine Verschiebung der Wettbewerbsintensität in den 1990 bearbeiteten Indikationsgebieten zurückgehen: Die Unternehmen wurden immer nach der Wettbewerbsintensität befragt, die im Durchschnitt in den von ihnen zum jeweiligen Zeitpunkt bearbeiteten Indikationsgebieten herrscht. Da aber, wie in Kap. 6.2.1.2 bereits ausführlich erörtert wurde,125 die Bereitschaft zur Expansion in neue, bislang nicht bearbeitete Indikationsgebiete zum Teil außerordentlich hoch war, können die Veränderungen der Wettbewerbsintensität und ihrer Potentiale – eventuell sogar auch die Verschiebungen der relativen Bedeutungsrangfolge innerhalb der drei Wettbewerbsfaktoren – ganz oder teilweise auch auf eine Neupositionierung bezüglich der Indikationsgebiete zurückgehen. In einem solchen Fall müßten dann derartige Besonderheiten, die insbesondere im Intergruppen125

Vgl. S. 453ff.

Das technologiestrategische Umfeld

571

vergleich evident werden, mit der entsprechenden technologiestrategischen Neupositionierung korrelieren. Genau dies ist bei den Mittelgroßen Internat. Forschern der Fall: Die Unternehmen dieses Typs weisen nämlich nicht nur das größte Maß an technologiestrategischer Neupositionierung insgesamt auf,126 sondern der Schwerpunkt dieser Neupositionierung liegt in der Dimension der „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“127; noch konkreter: Diese Gruppe weist sowohl hinsichtlich der „Technologischen Führung“128 und der technologiestrategischen Bedeutung des Ziels der „Erforschung und Markteinführung gänzlich neuer Wirkstoffe“129 als auch – was in diesem Zusammenhang am bedeutsamsten sein dürfte – hinsichtlich der „Bereitschaft, in neue, von ihrem Unternehmen bislang nicht bearbeitete Indikationsgebiete zu expandieren“,130 mit großem Abstand die gigantischsten Neuausrichtungssprünge aus. Die im Gruppenvergleich überproportionale Zunahme der Innovationswettbewerbsintensität und der gleichzeitige enorme Anstieg der therapeutischen Verbesserungs-potentiale kann also hiermit erklärt werden. Abschließend soll nun der dritte der drei zentralen Wettbewerbsfaktoren, der Image- und Marketingwettbewerb, einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Die hinsichtlich der Stärke dieses Wettbewerbsfaktors zu den drei Betrachtungszeitpunkten 1990, 2000 und 2010 bestehenden gruppenspezifischen Unterschiede sind aus Abb. 6-77 ersichtlich. Im Vergleich zu den beiden anderen zentralen Wettbewerbsfaktoren fällt die Zunahme im Ausmaß des Image- und Marketingwettbewerbs sowohl für die Gesamtbranche als auch für die Gruppen mit den jeweils höchsten Intensitätszunahmen bescheiden aus. Auch sind die relativen Intensitätsunterschiede zwischen den sieben Technologiestrategietypen zu allen drei Zeitpunkten erheblich geringer als für die Stärke des Preis- und erst recht des Innovationswettbewerbs.

126

127

128 129

130

Vgl. hierzu insbesondere Abb. 6-37 (S. 483) bzw. Abb. 6-38 (S. 484) und Abb. 6-67 (S. 552) sowie die dazugehörigen Ausführungen im Text. Vgl. hierzu insbesondere Abb. 6-39 (S. 485) und die dazugehörigen Erläuterungen im Text. Vgl. hierzu Abb. 6-3, S. 437. Vgl. hierzu Abb. 6-7 (S. 443) und Abb. 6-44 (S. 497) und die dazugehörigen Erläuterungen im Text. Vgl. hierzu Abb. 6-21, S. 459 und die dazugehörigen Erläuterungen im Text.

572

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Relative technologiestrategische Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und Wettbewerbspotentiale: Teil 3a: Intensität des Image- und Marketingwettbewerbs im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

1990 2000 2010 -2

-1

Größtenteils nicht

Eher nicht

0 Nicht eindeutig

1

2

Eher

Größtenteils

3 Voll

Hohe Intensität in den vom jeweiligen Unternehmen bearbeiteten Indikationsgebieten relativ zum Gesamtmarkt 1990-2010

Abb. 6-77:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der Intensität des Image- und Marketingwettbewerbs in den jeweils bearbeiteten Marktsegmenten für die sieben Technologiestrategietypen im zeitlichen Verlauf 1990, 2000 und 2010. Quelle: Eigene Darstellung

Dies liegt daran, daß der Image- und Marketingwettbewerb bereits 1990 für alle Gruppen sehr bedeutend war. Hinsichtlich des Ausmaßes an Intensitätsveränderung im zeitlichen Verlauf zeigen sich aber dennoch deutliche Unterschiede: Für Generika-Hersteller, OTC-Töchter, OTC/Trad. Mittelstand und Große Internat. Forscher nimmt die Wettbewerbsintensität spürbar zu, während die Intensitätszunahme für Mittelgroße Internat. Forscher und Innovat. Mittelstand recht gering ausfällt und für die Biotechnologie-Unternehmen sogar rückläufig ist. Diese Sonderstellung der Biotechnologie-Unternehmen dürfte ihre Begründung darin haben, daß diese Unternehmen in der ersten Phase nach ihrer Unternehmensgründung, ohne schon weit fortgeschrittene Ergebnisse vorzeigen zu können, Anleger, Kooperationspartner und Kunden von der Qualität ihrer Geschäftsidee und ihrer Leistungsfähigkeit überzeugen mußten. Heute und in Zukunft werden sie an ihren Produkten gemessen, über deren Ausbleiben auch ein gutes Marke-

Das technologiestrategische Umfeld

573

ting nicht hinwegtäuschen kann und deren hohe Qualität interessierte Partner von sich aus aktiv werden läßt. Letzteres ist natürlich nur bis zu einem gewissen Grad der Fall, daher ist der Rückgang der Marketingwettbewerbsintensität ja auch nur sehr gering. Den größten Zuwachs an Image- und Marketingwettbewerbsintensität verzeichnen die OTC-Töchter, die, auch absolut gesehen, die höchste Intensität aller Gruppen aufweisen. Dies ist nicht zu überraschend, wenn man sich die zentrale Bedeutung ihrer OTC-Marken für das Erreichen einer Alleinstellung im Markt vergegenwärtigt. Daß 2000 und 2010 die Generika-Hersteller den 2. Platz in der Rangfolge der höchsten Marketingwettbewerbsintensität unter den Gruppen einnehmen und einen zu den OTC-Töchtern vergleichbar hohen Intensitätsanstieg im zeitlichen Verlauf erleben, mag auf den ersten Blick etwas verwundern: Handelt es sich doch bei den von diesem Typ entwickelten und vertriebenen Produkten fast ausschließlich um sogenannte „unbranded generics“, also um Generika, die keinen eigenen Markennamen tragen, sondern deren Bezeichnung aus einer Kombination des Wirkstoffnamens mit dem des jeweiligen Unternehmens besteht131 und deren Wettbewerb vom Preis beherrscht wird. Dies ist aber nur die eine Seite des Phänomens, denn im Unterschied zu klassischen „unbranded generics“, wie sie z.B. in Großbritannien vertrieben werden, wird in Deutschland vom Arzt nicht nur der Wirkstoffname auf dem Rezept vermerkt, sondern ein bestimmtes Pro-

131

Also z.B. “ASS-ratiopharm” oder “Ibuprofen STADA”, wobei ASS für den Wirkstoff Acetylsalicylsäure steht und ratiopharm der Name des Anbieters ist bzw. Ibuprofen der Wirkstoff und STADA der Anbieter ist. Auch Abkürzungen dieser Kombinationen wie z.B. Ome-Puren oder Omebeta (der Wirkstoffname ist Omeprazol, die Namensteile Puren und –beta stehen für die Hersteller ISISPUREN ,heute Alpharma, und Betapharm) sind im Bereich der „unbranded generics“ durchaus üblich. Im Vergleich dazu tragen die Originale (z.B. „Aspirin“ (ASS) oder „Antra“ (Omeprazol)) einen vom Wirkstoff verschiedenen Markennamen. Ähnliche Markennamen existieren auch für Generika: Derartige Eigennamen tragende Generika werden dann als „branded generics“ bezeichnet. Sie sind auf den ersten Blick nicht als Generika zu erkennen, aber auch der verschreibende Arzt (oder der Apotheker bei der Substitution) müßte erst lange suchen, wenn er gezielt generisch verordnen will. Hierin dürfte einer der beiden zentralen Gründe liegen, daß sich die „unbranded generics“ für „neue“ Generika (Wirkstoffe die in den letzten Jahren ihren Patentschutz verloren haben) fast vollkommen durchgesetzt haben. Der zweite maßgebliche Grund wird nachfolgend im Haupttext erläutert.

574

Die technologiestrategische Positionierung 132

dukt verordnet und gibt es in Deutschland keine generischen Großgebinde, die an Krankenhäuser und Apotheken geliefert werden, um dort vom Apotheker an Patienten ausgeeinzelt zu werden, ohne daß der Patient dabei größtenteils den Hersteller des jeweiligen Wirkstoffs überhaupt wahrnimmt. In diesem Fall geht nämlich der Wettbewerb wirklich ausschließlich nur über den Preis.133 Exakter müßten hingegen die in Deutschland anzutreffenden „unbranded generics“ eigentlich als „branded by company“ bezeichnet werden, weil über den Firmennamen sehr wohl eine Markenstrategie verfolgt wird. Der Unternehmensname hat dabei die Funktion einer Dachmarke. Was dies konkret in der praktischen Umsetzung bedeutet, läßt sich sehr gut am Beispiel der Fernsehwerbung erkennen: So werben die Firmen ratiopharm und Hexal, die Marktführer unter den Generika-Herstellern auf dem deutschen Markt, sehr intensiv in Werbespots für ihr Unternehmen – genauer für ihre Unternehmenskonzeption: einer umfassenden Produktpalette zu „guten“ Preisen – ohne dabei überhaupt ein einzelnes Produkt zu benennen. Letzteres wäre auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gar nicht zulässig. Da aber alle Produkte den Unternehmensnamen in sich tragen, wird durch diese Art der Werbung eine das gesamte Sortiment einschließende Dachmarke etabliert, die in ihrem Bekanntheitsgrad bereits jetzt den vieler Einzelmarken von Produkten übertreffen dürfte. Interessanterweise ist diese Dachmarkenkonzeption, mit dem Unternehmensnamen im Zentrum, in dieser extremen Form einzigartig für die Gruppe der „Generika-Hersteller“ und in dieser Form auch weltweit einzigartig für den deutschen Markt. Einen Überblick über die drei Marketingstrategietypen im Markt für Generika und die unterschiedliche Bedeutung der zentralen Wettbewerbsfaktoren für den jeweiligen Strategietyp gibt Abb. 6-78. Nach diesem Exkurs wird auch die hohe Image- und Marketingwettbewerbsintensität (und die hohe Zunahme im zeitlichen Verlauf) bei den Generika-Herstellern ohne weiteres verständlich. Auch wird im Rückblick klar, warum ein

132

133

Zwar kann dies vom Apotheker (wenn nicht explizit vom Arzt ausgeschlossen) anschließen gegen ein preisgünstigeres substituiert werden (Aut idem), der Patient kann aber (bei entsprechender Zuzahlung) auch auf dem verordneten Produkt (oder einem von ihm bevorzugten wirkstoffgleichen Präparat) bestehen. Dies ist eine der wesentlichen Ursachen für den ruinösen Preiskrieg im generischen Segment, der in Großbritannien in den letzten Jahren getobt hat und erst in jüngerer Zeit etwas abgeflaut ist und der einen weitestgehenden Verfall der Margen zur Folge hatte.

Das technologiestrategische Umfeld

575

Generika Unbranded "INN"1)

Branded by company "INN-Firmenname"

Branded by product "Markenname"

++++

+++

+

Produktmarke





++++

Unternehmensimage und reputation

++

Bedeutung der folgenden Wettbewerbsfaktoren für die drei Strategietypen Preis



++++

Qualität

+

+++

+++

Zusätzlicher Kundennutzen



+

++++



++++

++

++++





++++





(z.B. neues galenisches System)

Breite des Produktportfolios (Komplettanbieter) Fokussierte Auswahl von INNs (z.B. nur Blockbuster mit ähnlichem Herstellungsverfahren)

Massengeschäft (Bulk-Ware)

Abb. 6-78:

Die drei Typen von Marketing-Strategien im Generikamarkt. Bedeutung: ++++ extrem hoch, +++ hoch, ++ mittel, + niedrig,  keine 1) Reine “unbranded generics” sind auf dem deutschen Arzneimittelmarkt nicht anzutreffen (Ausnahme bilden Geschäfte zwischen Unternehmen). Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der durchgeführten Experteninterviews

möglichst umfassendes Komplettsortiment134 unabdingbare Voraussetzung für eine derartige Dachmarkenkonzeption ist. Bei dem OTC/Trad. Mittelstand ist ebenfalls, wie bereits bei den OTC-Töchtern, die große Bedeutung von Marken im OTC-Markt verantwortlich, für die starke Ausprägung der Image- und Marketingwettbewerbsintensität. Der ebenfalls starke Intensitätsanstieg im zeitlichen Verlauf hat seine Ursache darin, daß viele Unternehmen dieser Gruppe in einer stärkeren strategischen Konzentration

134

Vgl. hierzu die Ausführungen zur technologiestrategischen Entscheidungsdimension „Breite der technologischen Ausrichtung“ in Kap. 6.2.5 (S. 473ff) und 6.3.5 (S. 536ff). Dort war ja ausführlich auf die im Vergleich zu allen anderen Gruppen bei weitem größte Bandbreite der F&E-Projekt- bzw. Produktportfolios bei den GenerikaHerstellern eingegangen worden.

576

Die technologiestrategische Positionierung

auf den OTC-Markt einen Ausweg suchen, um dem drastischen Verfall der Deckungsbeiträge (und Umsätze) im GKV-Segment zu entgehen.135 Hingegen wiederum zunächst etwas überraschend ist die hohe Intensität und die ebenfalls starke Intensitätszunahme des Image- und Marketingwettbewerbs bei den Großen Internat. Forschern, die ja vor allem über Innovationsvorsprünge eine Alleinstellung im Markt zu erreichen suchen, wie zuvor ausführlich dargelegt wurde. Die zentrale Rolle des Marketingwettbewerbs wird vor allem durch eine Entwicklung in den USA ausgelöst, deren baldiges Überschwappen nach Europa unmittelbar bevorstehen dürfte136: das „Direct-to-Consumer-Marketing“ (DTC).137 Hintergrund hierfür ist das – vor allem auf den Einfluß starker Patientenorganisationen in den USA, aber inzwischen auch in Deutschland zurückgehende – Bedürfnis von Patienten, an den Entscheidungen, welche Arzneimittel sie verschrieben bekommen, stärker beteiligt zu werden. Dieses Emanzipationsbedürfnis gegenüber dem zuvor nahezu allein entscheidenden Arzt ist bei chronischen und lebensbedrohenden Krankheiten am stärksten ausgeprägt. Für die Hersteller von Arzneimitteln für diese Patientengruppe bietet das gestiegene Informationsbedürfnis der Patienten die Chance, einen viel engeren Kontakt zu ihren Patienten zu bekommen, als dies in der Vergangenheit möglich war. Zentraler Vorteil dabei ist nicht nur, daß der Hersteller viel mehr über die Struktur seiner Patientengruppe erfährt und so seine Marketingstrategie viel zielgerichteter ausgestalten kann, sondern daß er auch viel früher Kenntnis über Nebenwirkungen, Beschwerden, aber auch Patientenwünsche gegenüber dem jeweiligen Arzneimittel erlangt, was wiederum wichtige Impulse für die weiteren Entwicklungsaktivitäten darstellt. Außerdem hilft es ihm dabei, die Patienten über ein umfas-

135

136

137

Auf die Problematik des Margenverfalls im GKV-Segment (GKV=Gesetzliche Krankenversicherung) wurde weiter vorne in diesem Kapitel bereits ausführlich eingegangen. In der Europäischen Kommission wird bereits über eine Reform der werbe- und informationsregulatorischen Rahmenbedingungen nachgedacht, die z.Z. in der EU eine Publikumswerbung und produktspezifische Direktinformation betroffener Patienten für verschreibungspflichtige Arzneimittel untersagt und für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, im Vergleich zu den USA, restriktiv einschränkt, vgl. hierzu EU-Richtlinie 92/28/EWG und die entsprechende Umsetzung in nationales Recht für die Bundesrepublik Deutschland im Heilmittelwerbegesetz (HWG). Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Zusammenhang mit der Diskussion des gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungsprozesses in Kap. 4.1.3.2 (S. 274ff), insbes. die Fußnoten Nr. 269-273, S. 287.

Das technologiestrategische Umfeld

577

Höhe von F&E-Investitionen und Werbeaufwand in der us-amerikanischen Pharma-Industrie im zeitlichen Verlauf 1997-2000 in Mrd. US-$ (PhRMA-Mitgliedsunternehmen) 30

Ausgaben in Mrd. US-$

25

F&E-Ausgaben Werbeausgaben-Insgesamt davon Direct-to-Consumer-Marketing davon Ärzte-Muster (Apothekenverkaufswert) 22,70

21,10

20

26,03

19,00 15,71

15

13,87 12,47 10,99

10

7,95

7,23

6,60

6,05

5 1,07

1,85

1,32

2,47

0 1997

1998

1999

2000

Jahr

Abb. 6-79:

Gegenüberstellung von F&E- und Werbeausgaben in der US-amerikanischen Pharma-Industrie (PhRMA-Mitgliedsunternehmen) im zeitlichen Verlauf 1997-2000. Quelle: Eigene Darstellung nach PhRMA (2002)138

sendes, über das eigene Medikament weit hinausgehendes, krankheitsbezogenes Informationsangebot viel enger an sich zu binden. Diese engere Kundenbindung zahlt sich z.B. bei Ablauf des Patentes aus, weil der Patient rechtzeitig auf ein (wiederum patentgeschütztes) verbessertes Nachfolgepräparat umgestellt werden kann oder, wenn dieses nicht existiert, eine größere Kundentreue mit Blick auf Nachahmerprodukte zeigt. Diese gestiegene technologiestrategische Bedeutung für die „Großen Internationalen Forscher“ spiegelt sich auch in der kontinuierlichen Zunahme der Werbeaufwendungen wieder, wie eine aktuelle Studie aus den USA zeigt (Abb. 6-79).139 Auffällig ist in der Tat der explosionsartige Anstieg der Aufwendungen 138 139

Vgl. PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2002), S. 18. Die der Studie zugrundeliegenden Mitgliedsfirmen der Pharmaceutical Research and Manufacturers of America (PhRMA) entsprechen fast alle der Gruppe der „Großen

578

Die technologiestrategische Positionierung

für DTC-Marketing, die sich im Zeitraum von 1997 bis 2000 auf das zweieinhalbfache erhöht haben, was einer durchschnittlichen jährlichen Steigerung von 44 % entspricht. Interessant ist aber auch, daß die gesamten Werbeaufwendungen im Jahr 2000 mit 15,7 Mrd. US-$ nur 60 % der Höhe der F&E-Investitionen (26,0 Mrd. US-$) entsprechen. Diese Gewichtung stimmt sehr gut mit der Relation der technologiestrategischen Bedeutung von Innovationswettbewerb und Image- und Marketing-Wettbewerb für die „Großen Internationalen Forscher“ in der vorliegenden Studie überein (vgl. Abb. 6-75 und Abb. 6-77), die dem Innovationswettbewerb eindeutig die höhere Bedeutung beimessen.140 Hinsichtlich der Größe der Steigerungspotentiale für die Intensität des Imageund Marketingwettbewerbs zeigt sich für die sieben Strategietypen im zeitlichen Verlauf das folgende Bild (Abb. 6-80). Während sich diese Potentiale für die meisten Gruppen nur geringfügig unterscheiden und auch im zeitlichen Verlauf nur sehr geringe Veränderungen auszumachen sind, fällt die starke Zunahme der Verbesserungspotentiale für den Image- und Marketingwettbewerb bei den OTC-Töchtern und den Generika-Herstellern auf. Die Begründung für dieses Phänomen liegt, wie bereits weiter vorne ausführlich dargelegt wurde, in der besonderen Bedeutung, die Marken – Produktmarken im Falle der OTC-Töchter und Dachmarkenkonzept bei den Generika-Herstellern – für diese beiden Gruppen besitzen: Für beide Gruppen nimmt nämlich nicht nur die Intensität des Marketingwettbewerbs deutlich zu, sondern gleichzeitig werden auch immer neue Möglichkeiten für weitere Verbesserung ausgemacht.

140

Internationalen Forscher“, wenige Ausnahmen sind der Gruppe der „Mittelgroßen Internationalen Forscher“ zuzurechnen, wie die Durchsicht des PHRMA-Mitgliedsverzeichnisses und der Vergleich mit der Gruppenzuordnung in der vorliegenden Studie durch den Autor ergab, vgl. PhRMA – Pharmaceutical Research and Manufacturers of America; (2001 b), S. 25. Die technologiestrategische Bedeutung des Image- und Marketingwettbewerbs entspricht mit 1,53 sogar ebenfalls ca. 60 % (61,9 %) der des Innovationswettbewerbs (2,47) für die „Großen Internationalen Forscher“ im Jahr 2000, wobei die Genauigkeit dieser zahlenmäßigen Übereinstimmung (hinsichtlich der Prozentrelation) nicht überinterpretiert werden sollte.

Das technologiestrategische Umfeld

579

Gruppenübersicht Relative technologiestrategische Bedeutung der zentralen Wettbewerbskräfte und Wettbewerbspotentiale: Teil 3b: Größe der Steigerungspotentiale für die Intensität des Image- und Marketingwettbewerbs: Höhe der Verbesserungspotentiale für das Produktimage im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen 1990 Große 2000 internat. Forscher 2010 Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3

-2

Gar nicht

Größtenteils nicht

-1

0

1

2

3

Eher nicht

Nicht eindeutig

Eher

Größtenteils

Voll

Sehr geringe Höhe in den vom jeweiligen Unternehmen bearbeiteten Indikationsgebieten relativ zum Gesamtmarkt 1990-2010

Abb. 6-80:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der Größe der vorhandenen Steigerungspotentiale für die Intensität des Image- und Marketingwettbewerbs in den jeweils bearbeiteten Marktsegmenten für die sieben Technologiestrategietypen im zeitlichen Verlauf 1990, 2000 und 2010. Quelle: Eigene Darstellung

Zum Abschluß dieses Kapitels bleibt noch die Frage, wie sich die Gesamtwettbewerbsintensität für die Branche insgesamt und für die sieben Technologiestrategietypen im Zeitraum von 1990 bis 2010 entwickelt hat. Antwort hierauf gibt Abb. 6-81. Für die Branche als Ganzes hat die Wettbewerbsintensität insgesamt gewaltig an Schärfe zugenommen. Mit Ausnahme der Biotechnologie-Unternehmen bestehen in dieser Hinsicht keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Diese Unterschiede bestehen aber sehr wohl hinsichtlich des Anteils, den jeder der drei zentralen Wettbewerbsfaktoren an dieser immensen Zunahme der Gesamtwettbewerbsintensität für den jeweiligen Technologiestrategietyp hat, wie ausführlich vorstehend dargelegt wurde. Der geringere Anstieg der Gesamtwettbewerbsintensität bei den Biotechnologie-Unternehmen erklärt sich aus der

580

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersichtstrendanalyse Intensität der zentralen Wettbewerbskräfte: Gesamtausmaß der Veränderungen in der Höhe der Wettbewerbsintensität 1990-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. 0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

6,0

Ausmaß der Zunahme der Gesamtwettbewerbsintensität 1990-2010

Abb. 6-81:

Gruppenübersichtstrendanalyse: Gegenüberstellung der Veränderungen in der Gesamthöhe der Wettbewerbsintensität in den jeweils bearbeiteten Marktsegmenten für die sieben Technologiestrategietypen 1990-2010. Quelle: Eigene Darstellung

Sonderrolle, die diese „jungen“ Unternehmen in der Branche einnehmen, die aber bereits weitestgehend erläutert wurde und daher hier nur noch einmal kurz zusammengefaßt werden soll: Die Intensität des Innovationswettbewerbs war bereits 1990 existentiell und bot damit kaum Spielraum für eine weitere Zunahme – der vorhandene Spielraum für eine Intensitätszunahme wurde aber ausgeschöpft – (Abb. 6-75).141 Der Preiswettbewerb spielte nur eine indirekte Rolle, weil noch keine eigenen Arzneimittel vermarktet wurden, hat aber auch für diese Gruppe (von allen Wettbewerbsfaktoren am stärksten) an Stärke zugenommen. Der Marketingwettbewerb hat sogar im Gegensatz zu allen übrigen Gruppen leicht an Intensität eingebüßt.

141

Vgl. S. 568.

Das technologiestrategische Umfeld

6.4.2

581

Technologiestrategieimpuls

In Kap. 2.1.2.2142 war bereits ausführlich auf die originäre Dimension von Innovationen, nämlich daß diese durch einen oder mehrere Impulse induziert werden, hingewiesen worden. Drei Typen von Impulsen – Markt-, Technologie- und Gesellschaftsimpulse – bilden in unterschiedlicher Intensität und Häufigkeit den Ursprung für Innovationen. Auch Technologiestrategien könnten in unterschiedlichem Maße von Markt- (market pull) und Technologieimpulsen (Technology push) beeinflußt und geprägt werden.143 Im Folgenden soll daher die Frage behandelt werden, welche Bedeutung Markt- und Technologieimpulse für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung haben. Genau wie für Innovationen läßt sich auch für erfolgreiche Technologiestrategien prognostizieren, daß sie stets markt- und technologieorientiert sowie gesellschaftlichen Anforderungen Rechnung tragend sein sollten. Dennoch könnte je nach Unternehmenssituation einer dieser Impulse prägender für die jeweilige Technologiestrategie sein als ein anderer, sprich, entscheidender für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung. Der Frage, ob in dieser Hinsicht Unterschiede zwischen Technologie- und Marktimpulsen existieren, soll im Folgenden sowohl für die Branche als Ganzes als auch für die sieben Technologiestrategietypen nachgegangen werden. Die Bedeutung, die Marktimpulse als primärer Treiber für die Ausgestaltung der Technologiestrategie haben, ist in Abb. 6-82 wiedergegeben. Sowohl für die Branche als Ganzes als auch für alle sieben Technologiestrategietypen sind Marktimpulse von großer Bedeutung für die Prägung der jeweiligen Technologiestrategie. Diese Bedeutung der Marktimpulse hat sich dabei im zeitlichen Verlauf von 1990 bis 2010 nochmals deutlich gesteigert. Das Ausmaß dieser Bedeutungszunahme variiert aber stark zwischen den Gruppen. Tendenziell ist die Bedeutungszunahme bei denjenigen Technologiestrategietypen am ausgeprägtesten, die 1990, relativ gesehen, das geringste Bedeutungsniveau aufwiesen. Im zeitlichen Verlauf werden also bis 2010 die Bedeutungsunterschiede zwischen den Gruppen kleiner. Allerdings bestehen auch 2000 und 2010 noch signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen: Mit Ausnahme geringfügiger Abweichungen (z.B. beim Innovat. Mittelstand) korreliert die steigende Bedeu-

142 143

Vgl. S. 28ff. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.2.3.2, S. 373ff.

582

Die technologiestrategische Positionierung

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 20: Strategische Bedeutung "von Marktimpulsen für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

1990 2000 2010 -2 Größtenteils nicht

-1

0

1

2

Eher nicht

Nicht eindeutig

Eher

Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-82:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der relativen Bedeutung von Marktimpulsen für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung der sieben Technologiestrategietypen im zeitlichen Verlauf 1990, 2000 und 2010. Quelle: Eigene Darstellung

tung von Marktimpulsen für die Technologiestrategie negativ mit der Höhe des im Rahmen der Technologiestrategie angestrebten technologischen Leistungsniveaus.144 Eine sehr interessante Beobachtung, die nun unmittelbar die Frage aufwirft, ob ähnliches auch für die Bedeutung von Technologieimpulsen für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung zu beobachten sein wird. Einen Überblick über gruppenspezifische Unterschiede hinsichtlich des Einflusses von Technologieimpulsen auf die technologiestrategische Ausrichtung gibt Abb. 6-83. In der Tat sind die gruppenspezifischen Unterschiede bei der technologiestrategischen Bedeutung von Technologieimpulsen noch ausgeprägter: Im Gegensatz zur Bedeutung der Marktimpulse (für die bei keiner Gruppe negative Bedeu-

144

Vgl. hierzu, z.B. für die Technologiebeschaffung, Abb. 6-3 (S. 437) sowie für die Technologieverwertung Abb. 6-44 (S. 497) und Abb. 6-51 (S. 510).

Das technologiestrategische Umfeld

583

Gruppenübersicht Technologiestrategische Neupositionierung der Unternehmen: Teil 21: Strategische Bedeutung "von Technologieimpulsen für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung" im zeitlichen Verlauf 1990-2000-2010 BiotechnologieUnternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs 1990 2000 2010

Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges. -3 Gar nicht

-2

-1

0

1

2

Größtenteils nicht

Eher nicht

Nicht eindeutig

Eher

Größtenteils

3 Voll

Wichtigkeit als strategisches Ziel in der Technologiebeschaffungsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1990-2010

Abb. 6-83:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der relativen Bedeutung von Technologieimpulsen für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung der sieben Technologiestrategietypen im zeitlichen Verlauf 1990, 2000 und 2010. Quelle: Eigene Darstellung

tungswerte zu verzeichnen waren (Abb. 6-82)) decken Technologieimpulse fast das gesamte Bedeutungsspektrum ab: von extrem großer Bedeutung bei den Biotechnologie-Unternehmen bis zu geringer Bedeutung bei den Generika-Herstellern. Alle übrigen Gruppen befinden sich auf einem Bedeutungskontinuum dazwischen, symbolisiert durch die Diagonale in Abb. 6-83. Auch hier liegt wiederum ein direkter Zusammenhang zwischen relativer Bedeutung des Technologieimpulses – quasi der originären Dimension der Technologiestrategie – und technologiestrategischer Schwerpunktsetzung – der inhaltlichen Dimension der Technologiestrategie – vor: So korreliert die Technologieorientierung direkt mit der Höhe des im Rahmen der Technologiestrategie angestrebten technologischen Leistungsniveaus.145 145

Vgl. hierzu z.B. für die Technologiebeschaffung Abb. 6-3 (S. 437) sowie für die Technologieverwertung Abb. 6-44 (S. 497) und Abb. 6-51 (S. 510).

584

Die technologiestrategische Positionierung

Die Bedeutungsveränderung im zeitlichen Verlauf fällt, genau wie für die Branche als Ganzes, auch bei allen Gruppen sehr viel geringer aus und ist zum Teil gegenläufig: Die relativ stärksten Veränderungen für die Bedeutung von Technologieimpulsen sind für die Generika-Hersteller und die Mittelgroßen Internat. Forscher zu beobachten: allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, daß für die Gruppe mit dem bislang geringsten Bedeutungsniveau, die GenerikaHersteller, eine Bedeutungszunahme (in der 2. Dekade!) zu verzeichnen ist und bei den Mittelgroßen Internat. Forschern die Bedeutung zurückgeht, was im Kontext der gleichzeitig mit Abstand stärksten Bedeutungszunahme der Marktimpulse (Abb. 6-82) zu sehen ist. Es liegen also sowohl hinsichtlich des technologiestrategischen Einflusses von Technologie- als auch von Marktimpulsen signifikante Unterschiede zwischen den sieben Technologiestrategietypen vor. Auf Branchenebene überwiegt die Bedeutung von Marktimpulsen leicht gegenüber der von Technologieimpulsen: Bei einem diesbezüglichen Vergleich von Abb. 6-82 und Abb. 6-83 zeigt sich also ein relativ ausgewogenes Bild für die Branche als Ganzes. Inwieweit dies auch für die einzelnen Gruppen zutrifft, macht die direkte Gegenüberstellung beider Impulse in Abb. 6-84 in einem zweidimensionalen Koordinatensystem, mit dem Technologieimpuls als Ordinate und dem Marktimpuls als Abszisse, deutlich. Der Durchmesser der Kreise entspricht dabei der relativen Größe des jeweiligen Technologiestrategietyps bezogen auf die Gesamtbranche.146 Auffällig in Abb. 6-84 ist, daß mit Ausnahme der (zahlenmäßig relativ kleinen Gruppen)147 der Generika-Hersteller und OTC-Töchter, alle Gruppen im oberen rechten Quadranten anzutreffen sind: also von den möglichen Ausprägungen (fast) nur diejenigen zu beobachten sind, die für beide Impulse ein (hohes) positives Bedeutungsniveau für die technologiestrategische Ausrichtung aufweisen. Nicht nur für die Branche als Ganzes, sondern auch für fünf der sieben Techno-

146

147

Für eine spätere direkte Vergleichbarkeit von Abb. 6-84 und Abb. 6-85 wurde dabei die Gruppengröße in Prozent der jeweiligen Gesamtstichprobe ausgedrückt. In beiden Abbildungen ist so indirekt auch ein Schluß auf die jeweilige Gesamtuntersuchungseinheit möglich, ohne daß diese hierzu direkt graphisch abgebildet werden muß. An dieser Stelle sei zur Vermeidung von Mißverständnissen nochmals klargestellt, daß die Größe der Kreise proportional zur Anzahl der Unternehmen in der Gesamtstichprobe ist und keinesfalls z.B. ihrer relativen Umsatzbedeutung entspricht.

Das technologiestrategische Umfeld

585

Gruppenübersicht Gegenüberstellung der relativen Bedeutung von Markt- und Technologieimpulsen für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung der Pharma-Industrie auf dem deutschen Markt 2000 Sehr hoch 3 Biotechnologie-Unternehmen Große internat. Forscher

2

Mittelgroße internat. Forscher 1 Innovat. Mittelstand

OTC/Trad. Mittelstand

-3 -2 Marktimpulse

-1

Technologieimpulse

0

Sehr gering

Sehr hoch 0

-1

1 2 OTC-Töchter von MNEs

3

-2 Generika-Hersteller -3 Sehr gering

Bedeutung für die Technologiestrategie des jeweiligen Unternehmens 2000

Abb. 6-84:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der relativen Bedeutung von Marktund Technologieimpulsen für die technologiestrategische Schwerpunktsetzung der sieben Technologiestrategietypen 2000. Quelle: Eigene Darstellung

logiestrategietypen sind beide Impulse von hoher technologiestrategischer Relevanz. Dennoch bestehen signifikante systematische Unterschiede zwischen den Gruppen, wie wir im Folgenden sehen werden. Äußerst interessant ist nämlich noch eine weitere Beobachtung: Würde man in Abb. 6-84 zwischen den beiden Gruppen mit der jeweils exponiertesten Position, den Biotechnologie-Unternehmen und den Generika-Herstellern, eine gerade Linie ziehen, so fände man alle übrigen Gruppen (mit geringen Abweichungen) wie auf einer Schnur aufgereiht. Die sich hierbei ergebende Bedeutungsrangfolge der sieben Gruppen entspricht genau der, die zuvor für die Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus und des Timings zu beobachten war.148 148

Vgl. hierzu z.B. für die Technologiebeschaffung Abb. 6-3 (S. 437) und Abb. 6-24 (S. 462) sowie für die Technologieverwertung Abb. 6-44 (S. 497), Abb. 6-51 (S. 510) und Abb. 6-54 (S. 516).

586

Die technologiestrategische Positionierung

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß mit steigendem angestrebten technologischen Leistungsniveau und mit zunehmendem Streben nach der Rolle des Technologie- bzw. Marktpioniers Technologieimpulse einen immer größeren Einfluß auf die technologiestrategische Ausrichtung haben. Gleichzeitig bleiben aber Marktimpulse trotzdem von hoher Relevanz, auch wenn diese in geringerem Maße eine negative Korrelation aufweisen. Nachfolgend geht es nun um die Frage, ob Markt- und Technologieimpulse in der unternehmerischen Praxis immer von hoher Bedeutung sind bzw. waren. Einen weiteren, diesbezüglich äußerst interessanten Einblick erhält man, wenn man die in der vorliegenden Arbeit für die auf dem deutschen Markt operierende Pharma-Industrie identifizierten Technologiestrategietypen hinsichtlich dieser kombinierten Bedeutung von Markt- und Technologieimpulsen, den von Cooper 1984 branchenübergreifend identifizierten fünf Innovationsstrategietypen gegenüberstellt,149 die in Abb. 6-85 wiedergegeben sind. Genau wie in Abb. 6-84150 entspricht dabei der Durchmesser der Kreise der relativen Größe des jeweiligen Innovationsstrategietyps bezogen auf die Gesamtstichprobe.151 Den interessanten inhaltlichen Einblicken muß allerdings der Hinweis vorangestellt werden, daß beide Ansätze nur begrenzt miteinander vergleichbar sind, weil sowohl die Operationalisierung von Markt- und Technologieimpuls bzw. Markt- und Technologieorientierung als auch die zur Identifikation der Technologie- bzw. Innovationsstrategietypen verwendeten Strategiedimensionen, trotz einiger Gemeinsamkeiten, doch recht große Unterschiede aufweisen. Diese methodischen Unterschiede treten u.a. auch in den unterschiedlichen Skalierungen zutage. Dennoch erscheint eine Gegenüberstellung reizvoll: Läßt doch der direk-

149

150 151

Vgl. Cooper, R. G.; (1984b), S. 38 und S. 29. Die Untersuchung von Cooper wurde für eine Gegenüberstellung, trotz der nachfolgend im Haupttext beschriebenen nicht vollkommenen methodischen Vergleichbarkeit mit der vorliegenden Arbeit, ausgewählt, weil sie nach Kenntnis des Verfassers die bislang einzige war, die eine derartige Untersuchung vornahm. Alle übrigen Studien, die der Frage nach der Herkunft des Innovationsimpulses nachgingen (vgl. hierzu Kap. 2.1.2.2, S. 28ff), betrachteten stets einzelne Innovationen und nicht Innovationsstrategien. Vgl. S. 585. Für eine direkte Vergleichbarkeit von Abb. 6-84 und Abb. 6-85 wurde dabei die Gruppengröße in Prozent der jeweiligen Gesamtstichprobe ausgedrückt. In beiden Abbildungen ist so indirekt auch ein Schluß auf die jeweilige Gesamtuntersuchungseinheit möglich, ohne daß diese hierzu direkt graphisch abgebildet werden muß.

Das technologiestrategische Umfeld

587

Gruppenübersicht nach einer Studie von Cooper (1984)

"Technologically Driven"

Technological sophistication and orientation

Gegenüberstellung der relativen Bedeutung von Markt- und Technologieorientierung für die innovationsstrategische Schwerpunktsetzung 122 kanadischer Unternehmen (unterschiedlicher Branchen) 1981

Sehr hoch "Balanced" (Top performers)

6 5 4 3 2 1

Sehr hoch

0

Sehr gering -7

-6

-5

-4

Market orientation "High Budget Diverse"

-3

-2

-1

-1 -2 -3

0

1

2

3

4

5

6

7

"Low Budget Conservative"

-4 -5

"Technologically Deficient"

-6

Sehr gering

Bedeutung für die Innovationsstrategie des jeweiligen Unternehmens 1981

Abb. 6-85:

Gruppenübersicht: Gegenüberstellung der relativen Bedeutung von Marktund Technologieorientierung für fünf Innovationsstrategietypen 1981 nach Cooper (1984). Quelle: Eigene Darstellung nach Cooper (1984)152

te Vergleich von Abb. 6-84 und Abb. 6-85 fundamentale Unterschiede deutlich werden, die nicht allein auf methodische Unterschiede zurückgeführt werden können. Insgesamt sticht vor allem ins Auge, daß die von Cooper beobachtete Bedeutung (unabhängig von der unterschiedlichen Skalierung) beider Impulse für die von ihm analysierten Innovationsstrategietypen deutlich niedriger ausfällt als für die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Technologiestrategietypen. Alle sieben Technologiestrategietypen der vorliegenden Arbeit sind in den beiden rechten Quadranten relativ eng beieinander (Abb. 6-84) im Zwischenraum zwischen Coopers „Balanced“ und „Technologically deficient“ (Abb. 6-85) angeordnet, wobei diese beiden Extreme hinsichtlich ihrer exponierten Lage bezüglich der Technologieorientierung von keinem Technologiestrategietyp erreicht werden. Hinsichtlich ihrer Marktorientierung ähneln alle Technologiestrategie-

152

Vgl. Cooper, R. G.; (1984b), S. 38 und S. 29. Die Datenerhebung erfolgte Ende 1981 in Ontario und Quebec, Kanada, vgl. Cooper, R. G.; (1985), S. 182, Fußnote 3.

588

Die technologiestrategische Positionierung

typen (mit gewissen Abstrichen) diesen beiden besonders marktgetriebenen Innovationsstrategietypen, keiner weist eine so niedrige Bedeutung von Marktimpulsen auf, wie es die übrigen drei Innovationsstrategietypen Coopers tun. Beide Beobachtungen sind vor allem vor dem Hintergrund äußerst spannend, daß der „Balanced“ Innovationsstrategietyp hinsichtlich aller von Cooper untersuchten Erfolgskriterien den übrigen Innovationsstrategietypen überlegen ist.153 Gründe für die gewaltigen Unterschiede in beiden Studien könnten, mit Blick auf die Marktorientierung, insbesondere in den unterschiedlichen Beobachtungszeitpunkten liegen. Konnte doch in der vorliegenden Studie, insbesondere in der 1. Dekade (1990-2000) und besonders bei weniger marktorientierten Technologiestrategietypen ein sprunghafter Bedeutungsanstieg bei den Marktimpulsen beobachtet werden – Coopers Studie wurde ja etwa eine weitere Dekade vorher durchgeführt. Für die stark divergierende Technologieorientierung könnten Unterschiede in der Beschaffenheit der jeweiligen Untersuchungsobjekte maßgeblich sein. Während in der vorliegenden Arbeit nur die Pharma- und Biotechnologiebranche betrachtet wurden, analysierte Cooper branchenübergreifend154 – ohne daß allerdings die Branchenzugehörigkeit einen signifikanten Einfluß auf die Innovationsstrategietypzugehörigkeit gehabt hätte.155 Dennoch liegen zwischen beiden Stichproben grundlegende Unterschiede, insbesondere hinsichtlich der beobachteten F&E-Intensität, vor: In Coopers Stichprobe betrug sie durchschnittlich 3,96 %,156 bei der hier analysierten Pharma-Industrie lag sie mit etwa 15 % weit darüber.157 Dies dürfte entscheidende Auswirkungen auf die Bedeutung von Technologieimpulsen für die strategische Schwerpunktsetzung haben.

153 154

155 156 157

Vgl. Cooper, R. G.; (1984b), S. 31-39, insbes. S. 32-34. Die Stichprobe Coopers bestand im wesentlichen aus Unternehmen der Elektrik- und Elektronikindustrie (26 %), der Leicht- und Schwerindustrie (25 %), der Chemieindustrie (20 %), sowie der Grundstoff- und Zulieferteileindustrie (21 %). Alle übrigen Branchen machten 9 % aus. Vgl. Cooper, R. G.; (1984b), S. 12. Vgl. Cooper, R. G.; (1984b), Tab. VII., S. 30. Vgl. Cooper, R. G.; (1984b), S. 12. Die Angabe eines exakten Mittelwertes ist für die in der vorliegenden Arbeit untersuchte Pharma-Branche, aufgrund der intervallskalierten Erhebungsform nicht möglich; die in Abb. 6-6 (S. 442) wiedergegebene Häufigkeitsverteilung der beobachteten F&E-Intensitäten deutet auf einen Wert von ca. 15 % hin.

Das technologiestrategische Umfeld

6.4.3

589

Der technologiestrategische Planungshorizont

Eine dritte zentrale Fragestellung für die Charakterisierung des Umfeldes von Technologiestrategien ist die nach der Länge des technologiestrategischen Planungshorizontes. In der vorliegenden Arbeit wurde, zur Vermeidung einer Erhebung wenig aussagekräftiger Mittelwerte, nach dem Zeitrahmen für die technologiestrategische Kurzfrist- und Langfristplanung gefragt. Die dabei beobachteten gruppenspezifischen Unterschiede und die Länge des für die Branche als Ganzes ermittelten kurz- und langfristigen Planungshorizontes gibt Abb. 6-86 wieder. Für die Branche als Ganzes beträgt der Planungshorizont am kurzfristigen Ende 4,8 Jahre, am langfristigen Ende liegt er im Mittel bei 8,5 Jahren. Dabei treten aber signifikante Unterschiede zwischen den sieben Technologiestrategietypen auf: Den relativ kürzesten Planungshorizont haben mit 3,4 (Kurzfrist-) bis 6,0 (Langfristplanung) Jahren die Unternehmen des OTC/Trad. Mittelstandes, dicht gefolgt von den OTC-Töchtern mit 4,2 (Kurzfrist-) bis 6,0 (Langfristplanung) Jahren. Am langfristigsten sind die technologiestrategischen Planungen der Großen Internat. Forscher angelegt, mit im Gruppendurchschnitt 6,2 Jahren für die Kurzfrist- und 11,9 Jahren für die Langfristplanung. Bei den einzelnen Unternehmen liegen die Extreme noch weiter auseinander als bei den Gruppen: Für die langfristige technologiestrategische Planungsperspektive beträgt das Minimum 2 Jahre und das Maximum 20 Jahre. Dabei gehören die am kurzfristigsten planenden Unternehmen wiederum der Gruppe des OTC/Trad. Mittelstandes an, diejenigen Unternehmen, die den längsten Planungshorizont aller Unternehmen aufwiesen, wiederum der Gruppe der Großen Internat. Forscher. Pharmazeutische Technologiestrategien sind also insgesamt äußerst langfristig orientiert. Zentrale Ursache hierfür sind die äußerst langen Entwicklungs- und Zulassungsdauern. Zwischen Beginn der Forschungsaktivitäten und der Markteinführung im ersten Land liegen bei einem gänzlich neuen Wirkstoff (NME) in der Regel ca. zwölf Jahre. Wesentlichen Anteil haben, trotz leichter Besserung in den letzten Jahren, die langen Bearbeitungsdauern durch die Zulassungsbehörden und in zunehmendem Maße die diesen vorausgehende klinische Erprobung.158

158

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.4, S. 308ff.

590

Die technologiestrategische Positionierung

Biotechnologie-Unternehmen Große internat. Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovat. Mittelstand OTC/Trad. Mittelstand OTC-Töchter von MNEs Generika-Hersteller Pharma-Branche-Ges.

Kurzfristiger Planungshorizont

Langfristiger Planungshorizont

0

2

4

6

8

10

12

Länge des Planungshorizont in Jahren

Abb. 6-86:

Gegenüberstellung der durchschnittlichen Länge des technologiestrategischen Planungshorizonts der sieben Technologiestrategietypen im Jahr 2000. Quelle: Eigene Darstellung

Die regulatorischen Anforderungen an die jeweiligen klinischen Studien, deren Ergebnisse die Basis des anschließenden Zulassungsverfahrens darstellen, sind dabei im Laufe der letzten Jahre kontinuierlich angestiegen, was trotz Effizienzsteigerung auch zeitliche Konsequenzen in Form einer zunehmenden Dauer der für klinische Studien benötigten Zeit gehabt hat. Neben der Länge der eigentlichen Forschungs- und Entwicklungsdauern sind die, je nach Neuartigkeit des jeweiligen Arzneimittels, insbesondere des bzw. der darin enthaltenen Wirkstoffs/e, sehr unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen an die jeweiligen klinischen Studien der maßgebliche Treiber für entscheidende Differenzen in der Gesamtlänge der Entwicklungsdauer bis zur Markteinführung. Die zeitliche Dauer der Zulassungsverfahren wird von der Art des Arzneimittels nicht wesentlich beeinflußt. Durch die unterschiedlichen Zulassungsverfahren werden gänzlich neue, hochinnovative Wirkstoffe in der Regel (in den europäischen Zulassungssystemen) sogar schneller zugelassen als Wirkstoffe mit geringerem Neuheitsgrad (in nationalen Verfahren). Nach diesen Ausführungen sollte daher zu erwarten sein, daß die Länge des langfristigen Planungshorizontes mit der Höhe des angestrebten technologischen

Das technologiestrategische Umfeld

591

Leistungsniveaus, sprich, der Neuartigkeit der entwickelten und vermarkteten Produkte korreliert. Als Indikator soll die technologiestrategische Bedeutung der Erforschung bzw. Vermarktung gänzlich neuer Wirkstoffe herangezogen werden. Hierfür läßt sich in der Tat eine derartige Korrelation feststellen, jedoch mit einer zunächst sehr erstaunlichen Ausnahme:159 So weisen zwar die beiden Gruppen, die (bezogen auf das Jahr 2000) der Erforschung und Vermarktung gänzlich neuer Wirkstoffe (NMEs) die höchste technologiestrategische Bedeutung beimessen, nämlich die Großen und Mittelgroßen Internat. Forscher, auch den längsten Planungshorizont auf. Auf Platz drei folgen dann aber hinsichtlich der Länge ihres Planungshorizontes nicht, wie eigentlich zu erwarten, die Biotechnologie-Unternehmen sondern die Generika-Hersteller, die in der Bedeutungsrangfolge der Neu-Wirkstofforschung und -vermarktung den letzten Rang einnehmen. Die nachfolgenden Gruppen verhalten sich dann hingegen wieder der Ausgangserwartung gemäß. Auf die besondere Rolle, die die zeitliche Dimension für die Technologiestrategie der Generika-Hersteller hat, nämlich der existentielle Druck, ein marktreifes, zugelassenes Generikum am Stichtag des Patentablaufes für das Originatorprodukt auf dem Markt einführen zu können, war ja schon in Kap. 6.2.2160 hingewiesen worden. Die dort detailliert ausgeführten Hintergründe führen auch zu den äußerst langfristig ausgerichteten technologiestrategischen Planungen. Da sich Teile der Technologiewertschöpfungskette und der Zulassungsprozeß161 der direkten eigenen zeitlichen Kontrolle entziehen, ist eine äußerst langfristig ausgelegte Planung mit entsprechenden Zeitpuffern existentiell. Die Besonderheit von Generika liegt im Vergleich zu innovativen Arzneimitteln dabei darin, daß die zeitlichen Zielvorgaben mit einem zeitlichen Vorlauf von ca. 15 Jahren, auf den Tag genau exakt feststehen, denn die „Entwicklungspipeline“ der GenerikaHersteller befindet sich bereits in Form der Originale auf dem Markt. Abgesehen von einer aus der Auslegung patentrechtlicher Regelungen in besonderen Einzel-

159

160 161

Vgl. hierzu z.B. die technologiestrategische Bedeutung der Erforschung bzw. Vermarktung gänzlich neuer Wirkstoffe: für die Technologiebeschaffung Abb. 6-7 (S. 443) sowie für die Technologieverwertung Abb. 6-44 (S. 497). Vgl. S. 459ff. Die Unkalkulierbarkeit der zeitlichen Dauer von Zulassungsverfahren trifft auf alle anderen Unternehmen ebenfalls zu. Allerdings spitzen sich die Konsequenzen nicht auf einen bestimmten Stichtag zu, wobei jedoch noch nichts zur Folgenschwere dieser Konsequenzen gesagt ist.

592

Die technologiestrategische Positionierung

fällen herrührenden Unsicherheit, steht der Tag des Patentablaufs aller „nachahmenswerten“ Originatorprodukte damit exakt fest, und auch die Absatzmenge ist z.B. schon relativ gut prognostizierbar. Gerade aufgrund dieser an sich – aber eben auch für alle generischen Wettbewerber – optimalen Voraussetzungen für eine zuverlässige Langfristplanung ist aber auch deren exakte Zielerfüllung existentiell.

7

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen im deutschen Pharmamarkt

Nachdem zu Beginn des praktischen Teils in Kap. 5 die Forschungs- und Auswertungsmethodik beschrieben wurde,1 soll im vorliegenden Kapitel direkt an die Diskussion der inhaltlichen Ergebnisse der empirischen Studie von Kap. 6 angeknüpft werden;2 nur daß im vorliegenden Kapitel die Betrachtung nicht aus der Perspektive der Gesamtbranche, sondern aus Sicht der sieben einzelnen Technologiestrategietypen erfolgt. Hauptziel ist demzufolge die kompakte Charakterisierung und Abgrenzung jeder dieser sieben Technologiestrategietypen. Hiermit schließt dann auch die Diskussion der empirischen Befunde auf der inhaltlichen Ebene ab. Das folgende Kap. 8 wird, aufbauend auf dieser inhaltlichen Plattform, die konzeptionellen Gesichtspunkte im Rahmen der Modellkritik näher beleuchten.3 Einen Überblick über die Einordnung des vorliegenden Kapitels in den Kontext der Gesamtarbeit gibt Abb. 7-1. Für jeden der sieben Technologiestrategietypen werden im Anschluß nacheinander die zentralen Resultate für jede der sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen in Form eines kompakten Technologiestrategieprofils vorgestellt. Die Diskussion erfolgt dabei wie schon in Kap. 6 für jeden Technologiestrategietyp getrennt für die beiden Entscheidungsbereiche Technologiebeschaffung und -verwertung. Zur Vermeidung unnötiger Redundanzen mit Kap. 6 erfolgt die Darstellung in sehr kompakter Form. Lediglich für zwei technologiestrategische Entscheidungsdimensionen (technologischer Verflechtungsgrad und geographischer Aktionsradius) soll die Analyse noch bezüglich je eines Gesichtspunktes vertieft werden: Während in Kap. 6 im Rahmen der Diskussion des technologischen Verflechtungsgrades die Bedeutung der einzelnen Technologiebeschaffungs- und Technologieverwertungskooperationsformen nur für die

1 2 3

Vgl. S. 397ff. Vgl. S. 431ff. Vgl. S. 655ff.

594

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen 1. Einleitung

Prolog

Analyse & Extraktion

2. Konzeptionelle Grundlagen: Technologiemanagement im Rahmen der Unternehmensstrategie

3. Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells des strategischen Technologiemanagements

Synthese

4. Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Konkretisierung

5. Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik Fazit 6. Die technologiestrategische Positionierung im deutschen Pharma-Markt im zeitlichen Verlauf 1990 Ÿ 2000 Ÿ 2010 7.1. BiotechnologieUnternehmen

7.2. Große internat. Forscher

7.3. Mittelgroße internat. Forscher

7.4. Innovat. Mittelstand

7.5. OTC/ Trad. Mittelstand

7.6. OTCTöchter von MNEs

7.7. GenerikaHersteller

7. Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen im deutschen Pharma-Markt

Abb. 7-1:

8. Modellkritik und -erweiterung im Spiegel der empirisch gewonnenen Erkenntnisse 9. Zusammenfassung und Ausblick

Übersicht: Einordnung von Kapitel 7 in den Kontext der Gesamtarbeit. Quelle: Eigene Darstellung

Branche als Ganzes erfolgte,4 soll nachfolgend diese Betrachtung für jeden der sieben Technologiestrategietypen vertieft werden. Genauso wurde bei der Diskussion des geographischen Aktionsradius auch der Bedeutung, die die einzelnen Länder und Regionen als F&E-Standorte (Technologiebeschaffung) bzw. Märkte (Technologieverwertung) besitzen, nur für die Branche als Ganzes nachgegangen.5 Auch hier sollen die Spezifika für jeden der sieben Technologiestrategietypen noch differenzierter herausgearbeitet werden.

4

5

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 6.2.4 (S. 468ff) und Kap. 6.3.4 (S. 527ff). Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 6.2.6 (S. 478ff) und Kap. 6.3.6 (S. 542ff).

Biotechnologie-Unternehmen

595

7.1 Biotechnologie-Unternehmen 7.1.1

Technologiebeschaffungsstrategie

Die Biotechnologie-Unternehmen verbindet mit den nachfolgend betrachteten beiden Gruppen der „Internationalen Forscher“ das Anstreben eines extrem hohen technologischen Leistungsniveaus: Für die Biotechnologie-Unternehmen ist das Erringen der Technologieführerschaft das zentrale strategische Ziel. Dies dokumentiert sich sowohl in der Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette als auch in der ausgeprägtesten technologiestrategischen Risikobereitschaft aller Gruppen. Der Schwerpunkt in der Technologiewertschöpfungskette liegt eindeutig auf der Erforschung hochinnovativer Schlüsselbausteine für die Wirkstofforschung und gänzlich neuer Wirkstoffe; die hierbei eingesetzten Technologien sind fast immer absolutes technologisches „Neuland“. Alle übrigen Stufen der Technologiewertschöpfungskette sollen erst in Zukunft und auch dann nur mit geringer Intensität verfolgt werden. Die technologiestrategische Risikobereitschaft ist außergewöhnlich hoch und übertrifft die aller übrigen Gruppen. Diese hohe technologiestrategische Risikobereitschaft und die eindeutige Ausrichtung auf ein sehr hohes technologisches Leistungsniveau wird auch durch die Höhe der F&E-Intensität eindrucksvoll unterstrichen: Die F&E-Intensität liegt mit zumeist deutlich über 25 % nicht nur weit über dem Branchenmittel sondern sogar einsam an der Spitze vor allen anderen Gruppen. Auch hinsichtlich des Timings der Technologiebeschaffung nehmen die Unternehmen dieser Gruppe eine Spitzenposition vor allen anderen Gruppen ein: Frühzeitig in neue Forschungsfelder einzusteigen, um als Erster über neue Technologien, innovative Schlüsselbausteine und Therapieansätze zur verfügen, ist als strategisches Ziel von elementarer Bedeutung. Die technologiestrategische Außenorientierung der Gruppe der Biotechnologie-Unternehmen verändert sich merklich im zeitlichen Verlauf: Während 1990 noch ein deutliches Übergewicht beim „Selbermachen“ lag, ist die Technologieerzeugung durch eigene F&E hinsichtlich ihrer technologiestrategischen Wertigkeit bereits 2000 nahezu und 2010 vollständig ebenbürtig zur externen Technologiebeschaffung. Bezüglich des technologischen Verflechtungsgrades belegen die Biotechnologie-Unternehmen zu jedem der drei Betrachtungszeitpunkte eine einsame Spit-

596

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für den externen Know-how-Erwerb im zeitlichen Verlauf 2000-2010

F&E-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen F&E-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit "Zulieferern" F&E-Kooperationen mit "Kunden"

Biotechnologie-Unternehmen 2000 Biotechnologie-Unternehmen 2010

Gemeinschaftsforschung Lizenznahme/-erwerb Dossiererwerb Vergabe von Forschungsaufträgen Akquisition von innovativen Unternehmen(-steilen) Bereitstellung von Seed und Venture Capital

0

1

2

3

4

Gar Keine

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Existentielle Sehr Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-2:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Gruppe der „Biotechnologie-Unternehmen“ im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

zenposition. Zwar nimmt die strategische Bedeutung, wie in Kap. 6.2.4 ausführlich dargelegt,6 für alle Gruppen sprunghaft zu, aber auch in der Vorausschau bis 2010 werden die Biotechnologie-Unternehmen von keiner der übrigen Gruppen überflügelt. Einen Überblick, welche technologiestrategische Bedeutung die einzelnen Technologiebeschaffungskooperationsformen für die Unternehmen dieser Gruppe haben, gibt Abb. 7-2. Dabei wird deutlich, daß sowohl 2000 als auch 2010 F&E-Kooperationen mit „Kunden“ und in der Wertschöpfungskette vorgelagerten Partnern (wie Universitäten/öffentliche Forschungsinstitute, „Zulieferer“ und Lizenzgeber) am bedeutsamsten sind und bleiben, während Wettbewerber, Gemeinschaftsforschung und Dossiererwerb eine untergeordnete Rolle spielen. Dieser Verzicht auf Risikoreduktion durch Risikoteilung über horizontale Kooperationen erklärt sich mit der hohen Risikobereitschaft dieser strategischen Gruppe.

6

Vgl. S. 468ff.

Biotechnologie-Unternehmen

597

Die starke Bedeutung von in der Wertschöpfungskette vor- und nachgelagerten Partnern unterstreicht die herausragende Rolle, die diese Unternehmen im Rahmen des Technologietransfers über die vorderen Stufen der Technologiewertschöpfungskette innehaben. Die starke strategische Bedeutungszunahme von F&E-Kooperationen im zeitlichen Verlauf von 2000 bis 2010 erstreckt sich dabei nahezu gleichmäßig über alle Einzelkooperationsformen. Hinsichtlich der Breite der technologischen Ausrichtung waren die Biotechnologie-Unternehmen bereits 1990 und 2000 extrem fokussiert. Diese starke Fokussierung wird dabei unmittelbar durch das gleichzeitige Auftreten zweier Faktoren erzwungen: nämlich ein aus dem hohen angestrebten technologischen Leistungsniveau resultierender höchster Risikograd aller Gruppen, der dabei jedoch mit der geringsten Ressourcenausstattung aller Gruppen einhergeht – immerhin finden sich in dieser Gruppe die sowohl hinsichtlich ihres Umsatzes als auch ihrer Mitarbeiterzahl kleinsten Unternehmen der Branche. Auf den ersten Blick überraschen mag hingegen die große geographische Ausdehnung der Technologiebeschaffungsaktivitäten. Diese nimmt mit dem rapiden Unternehmenswachstum im zeitlichen Verlauf sprunghaft zu. Berücksichtigt man allerdings, daß diese Unternehmen die globale Technologieführerschaft in den von ihnen bearbeiteten Forschungs- und Technologiefeldern zum Ziel haben, ist dieser Befund schon weniger überraschend. Die geringe Ressourcenausstattung schließt dabei allerdings von vornherein die flächendeckende Präsenz in Form eigener F&E-Standorte aus. Die globale Abdeckung erfolgt bei den Unternehmen dieses Typs daher fast ausschließlich über ihr umfangreiches technologisches Kooperationsnetzwerk. Eine Übersicht über die Bedeutung, die dabei die einzelnen Länder und Regionen als Technologiebeschaffungsstandorte haben, gibt Abb. 7-3. Die F&E-Aktivitäten der Biotechnologie-Unternehmen werden 2010 extrem viel stärker global ausgerichtet sein als heute: Während der F&E-Standort Deutschland dabei leicht verliert, gewinnen insbesondere die übrigen EU-Staaten (allen voran Großbritannien und Frankreich) und die USA enorm an Bedeutung. Auch 2010 bleibt aber Deutschland noch vor den USA der wichtigste F&EStandort für diese Gruppe. Während auf Ebene der Einzellandbetrachtung – mit Ausnahme der überdurchschnittlichen Bedeutung der USA – der Globalisie-

598

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als F&E-Standorte (als Standort für unternehmensinterne F&E und F&E-Kooperationen) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Spanien

Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan Asien (außer Japan) Rest Welt

Biotechnologie-Unternehmen 2000 Biotechnologie-Unternehmen 2010 0

1

2

3

4

Gar Keine

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-3:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Gruppe der „Biotechnologie-Unternehmen“ im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

rungsgrad der F&E-Aktivitäten der Biotechnologie-Unternehmen 2000 noch deutlich unter dem Durchschnitt der Gesamtbranche lag, wird er diesem 2010 weitestgehend entsprechen. 7.1.2

Technologieverwertungsstrategie

Analog zur Technologiebeschaffung konzentrieren sich die BiotechnologieUnternehmen auch bei der Technologieverwertung bezüglich der Höhe des von ihnen angestrebten technologischen Leistungsniveaus auf die Markteinführung signifikant überlegener Wirkstoffinnovationen gegen bislang unheilbare Krankheiten (einschließlich der hierfür erforderlichen Schlüsselbausteine und Technologien sowie F&E-Dienstleistungen). Da sich viele Produkte der Biotechnologie-Unternehmen noch im Forschungsstadium befinden, ist es nicht verwunderlich, daß einerseits alle Schwerpunkte entlang der Technologiewertschöpfungskette 1990 und 2000 bei weitem (noch) nicht das Bedeutungsniveau der korrespondierenden Schwerpunkte der Technologiebeschaffung erreicht haben

Biotechnologie-Unternehmen

599

und andererseits das Bedeutungsniveau aller Einzelstufen im zeitlichen Verlauf sprunghaft zunimmt. Die bereits für die Technologiebeschaffung hinsichtlich des technologiestrategischen Timings beobachtete Spitzenposition der Biotechnologie-Unternehmen läßt sich auch für die Technologieverwertungsaktivitäten feststellen: Für keine andere der sieben Gruppen ist es so wichtig Marktpionier zu sein, d.h. als Erster neue Präparate auf dem Markt einzuführen, wie für die Biotechnologie-Unternehmen. Die Balance zwischen Eigen-oder-Fremd-Vermarktung liegt für 1990 und 2000 deutlich, für 2010 nur noch schwach auf der Fremdvermarktung. Dies ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: Die Biotechnologie-Unternehmen erreichen damit nämlich nicht nur die höchste Außenorientierung bei der Technologieverwertung aller Gruppen, sondern sie ziehen im Gegensatz zu fast allen übrigen Gruppen (mit Ausnahme der Mittelgroßen Internat. Forscher) die externe Technologieverwertung überhaupt als technologiestrategische Alternative in Betracht. Genauso bemerkenswert ist aber auch andererseits die sprunghafte Zunahme der Bedeutung der Eigenvermarktung bis 2010. Diese Bedeutungszunahme erklärt sich aus dem Bestreben dieser Unternehmen, die aus der externen Technologieverwertung erzielten Erträge für eine zunehmende Vorwärtsintegration entlang der Wertschöpfungskette zu nutzen, wozu insbesondere auch der Aufbau eigener Marketing- und Vertriebsressourcen zählt. Relativierend ist allerdings darauf hinzuweisen, daß dieses Ziel eher mittel- bis langfristig ausgerichtet ist, denn auch 2010 bleibt die Bedeutung der Eigenvermarktung immer noch leicht hinter der Bedeutung der Fremdvermarktung zurück. Nicht nur bei der Technologiebeschaffung, sondern auch bei der Vermarktung sind Kooperationen von extrem hoher strategischer Bedeutung. Der technologische Verflechtungsgrad erreicht (wie schon bei der Technologiebeschaffung) auch bei der Technologieverwertung den höchsten Wert aller Gruppen. Der Abstand zu den übrigen Gruppen ist sogar noch deutlich größer als dies bei der Technologiebeschaffung der Fall war. Dieser Befund harmoniert mit der hohen Außenorientierung bei der Technologieverwertung und ist nicht erstaunlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Unternehmen dieses Typs im Gegensatz zu allen übrigen nicht über einen etablierten eigenen Außendienst verfügen, gleichzeitig aber die enormen Technologiebeschaffungsinvestitionen (ihrer hochinnovativen Schlüsselbausteine und Wirkstoffe) nur refinanziert werden können,

600

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

pp

g

Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für die externe Know-how-Verwertung im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Vermarktungs-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen Vermarktungs-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit "Zulieferern" Vermarktungs-Kooperationen mit "Kunden" Gemeinschaftsvermarktung Lizenzvergabe und Patentverkauf Dossierverkauf Annahme von Forschungsaufträgen Verkauf von innovativen Unternehmen(-steilen) Weitergabe von Forschungsergebnissen als Vergütung für Seed und Venture Capital 0 Gar Keine

Biotechnologie-Unternehmen 2000 Biotechnologie-Unternehmen 2010 1

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Eher Geringe

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Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-4:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Gruppe der „BiotechnologieUnternehmen“ im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

wenn die Produkte global vermarktet werden. Um sich dabei nicht einseitig in die Abhängigkeit eines Partners zu begeben und gleichzeitig eine möglichst optimale Ausschöpfung der Technologieverwertungspotentiale sowohl in geographischer als auch technologischer Hinsicht zu erreichen, ist es zentrales technologiestrategisches Ziel, die jeweils optimalen Vermarktungspartner zu identifizieren und in das eigene umfangreiche Kooperationsnetzwerk einzubinden. Unterstützt wird diese These durch die Analyse der strategischen Bedeutung der einzelnen Technologieverwertungskooperationsformen, die in Abb. 7-4 wiedergegeben ist: Die Vermarktungskooperationen mit „Kunden“ (d.h. in der Wertschöpfungskette nachgelagerten Unternehmen) und die Lizenzvergabe haben mit Abstand die größte technologiestrategische Bedeutung aller Einzelkooperationsformen für die Biotechnologie-Unternehmen. Die Bedeutung, die diese beiden Einzelvermarktungskooperationsformen für die Biotechnologie-Unternehmen besitzen, liegt dabei deutlich über dem Bedeutungsniveau der Gesamtbranche.

Biotechnologie-Unternehmen

601

Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als Märkte (Vermarktung unter eigenem Namen oder Kooperationspartner (Lizenznehmer)) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan Asien (außer Japan) Rest Welt 0

1

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Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

Biotechnologie-Unternehmen 2000 Biotechnologie-Unternehmen 2010

Abb. 7-5:

5

6

Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Gruppe der „BiotechnologieUnternehmen“ im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

Wie schon bei den Technologiebeschaffungsaktivitäten zeichnet diese Gruppe eine extrem starke Fokussierung des Produktportfolios aus. Genau wie die OTC-Töchter und anders als bei einigen anderen Gruppen, wie den Mittelgroßen Internat. Forschern oder dem Innovationsorientierten Mittelstand, bestand diese Konzentration auf wenige Indikationsgebiete auch 1990 und 2000 schon, auch wenn die Fokussierung im zeitlichen Verlauf bis 2010 analog zum Branchentrend weiter zunehmen wird. Nach den „Internationalen Forschern“ sind die Biotechnologie-Unternehmen (wie schon bei der Technologiebeschaffung) auch bei der Technologieverwertung hinsichtlich ihres geographischen Aktionsradius die am zweitstärksten globalisierte Gruppe. Der Abstand zu den nächstfolgenden Gruppen ist dabei sehr groß. Die technologiestrategische Bedeutung, die die einzelnen Länder und Regionen als Märkte für die Biotechnologie-Unternehmen besitzen, ist in Abb. 7-5 dargestellt.

602

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

Im Rahmen der Globalisierung ihrer Vermarktungsaktivitäten gewinnen alle Märkte im zeitlichen Verlauf von 2000 bis 2010 deutlich an strategischer Bedeutung, die EU (und voran Deutschland) bleibt aber nach den USA für die Biotechnologie-Unternehmen der wichtigste Markt. Abschließend sei noch kurz auf die Unternehmensgröße dieser technologiestrategischen Gruppe eingegangen: Hinsichtlich Umsatz und Anzahl der Mitarbeiter sind dies die kleinsten Unternehmen der Branche.

7.2 Große Internationale Forscher 7.2.1

Technologiebeschaffungsstrategie

Das von den Großen Internat. Forschern angestrebte technologische Leistungsniveau ist das höchste aller Gruppen. Demzufolge ist das Erringen der Technologieführerschaft für sie das zentrale strategische Ziel. Der Schwerpunkt in der Technologiewertschöpfungskette liegt eindeutig auf der Erforschung gänzlich neuer Wirkstoffe, wenn möglich Wirkstoffklassen. Mit Ausnahme der Stufe der Generika werden zwar auch alle übrigen Stufen mit geringerer Intensität verfolgt, dies dient aber vor allem dem Life-Cycle-Management. Die technologiestrategische Risikobereitschaft liegt nur knapp unter der der Biotechnologie-Unternehmen. Die Technologiebeschaffungsaktivitäten schließen zu jedem der drei Betrachtungszeitpunkte explizit die Erforschung bislang unheilbarer Krankheiten ein. Die Bedeutung der Erforschung unheilbarer Krankheiten hat dabei genau wie die technologiestrategische Risikobereitschaft insgesamt im zeitlichen Verlauf weiter zugenommen. Noch deutlicher läßt sich diese insgesamt gestiegene Risikobereitschaft an der sprunghaft abnehmenden Fixierung auf angestammte Indikationsgebiete und der stark gewachsenen Offenheit gegenüber dem betreffenden Unternehmen bislang noch nicht vertrauten Technologien und Indikationsgebieten ablesen. Das hohe angestrebte technologische Leistungsniveau dieser Gruppe manifestiert sich auch in der gegenwärtigen F&E-Intensität. Diese liegt bei 75 % der Unternehmen dieser Gruppe im Bereich von 15-20 % und damit im oberen Drittel des Branchenmittels. Genau wie die Biotechnologie-Unternehmen und die Mittelgroßen Internat. Forscher besitzt das Timing eine herausragende Bedeutung für die Technologie-

Große Internationale Forscher

603

strategie der Unternehmen dieses Typs: Als Erster neue Forschungsansätze zu entwickeln und neue Präparate auf dem Markt einzuführen, war 2000 als strategisches Ziel wichtiger als bei allen anderen Gruppen. Die Unterschiede zu den beiden übrigen hochinnovativen Gruppen (Biotechnologie-Unternehmen und Mittelgroße Internat. Forscher) ist dabei allerdings zu allen drei Betrachtungszeitpunkten nur sehr gering. Gemeinsam ist allen drei Gruppen auch die erhebliche Prioritätszunahme im zeitlichen Verlauf. Die Außenorientierung der Großen Internat. Forscher ist die geringste aller Gruppen. Die Make-or-Buy-Frage fällt eindeutig zugunsten des „Selbstmachens“ aus, auch wenn externe Technologiebeschaffungsalternativen im zeitlichen Verlauf zunehmend in Betracht gezogen werden. Allerdings werden diese auch 2010 eindeutig nur die „zweite Geige spielen“. Der technologische Verflechtungsgrad der Großen Internat. Forscher ist hoch und die technologiestrategische Bedeutung dieses Ziels nimmt im zeitlichen Verlauf sprunghaft zu. Einen Überblick, welche Bedeutung die einzelnen Kooperationsformen dabei für die Technologiebeschaffungsstrategie der Großen Internat. Forscher besitzen, gibt Abb. 7-6. Eine offensive Einlizenzierungsstrategie ist bereits 2000 neben den Technologiebeschaffungskooperationen mit Universitäten, Zulieferern, Auftragsforschungsinstituten (CROs) und Start Ups sowie der Akquisition von innovativen Unternehmen (-steilen) die wichtigste Kooperationsform für die Großen Internat. Forscher. Bis 2010 werden diese Schwerpunkte sogar noch weiter an Gewicht gewinnen. Die Breite der technologischen Ausrichtung der Großen Internat. Forscher ist nach den Generika-Herstellern die zweitgrößte aller Gruppen. Dieser Befund ist durchaus plausibel, berücksichtigt man, daß die Unternehmen dieses Technologiestrategietyps nach Umsatz und Mitarbeiterzahl die größten aller Gruppen sind. Auch die Beobachtung, daß im Gruppendurchschnitt die Breite der technologischen Ausrichtung im zeitlichen Verlauf unverändert bleibt, paßt zunächst in dieses Bild. Eine genauere Betrachtung offenbart jedoch, daß sich für die einzelnen Unternehmen sehr wohl zum Teil gravierende Veränderungen über die Zeitschiene ergeben: Die Gruppe der Großen Internat. Forscher ist hinsichtlich dieser technologiestrategischen Entscheidungsdimension nämlich in drei sich hinsichtlich des Gesamteffektes gegenseitig kompensierende Lager gespalten. Während die eine Untergruppe ihre Technologiebeschaffungsaktivitäten bis 2010 stärker

604

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für den externen Know-how-Erwerb im zeitlichen Verlauf 2000-2010 F&E-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen F&E-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit "Zulieferern" F&E-Kooperationen mit "Kunden"

Große Internat. Forscher 2000 Große Internat. Forscher 2010

Gemeinschaftsforschung Lizenznahme/-erwerb Dossiererwerb Vergabe von Forschungsaufträgen Akquisition von innovativen Unternehmen(-steilen) Bereitstellung von Seed und Venture Capital

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Strategische Bedeutung

Abb. 7-6:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Gruppe der „Großen Internat. Forscher“ im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

zu fokussieren sucht (44 % der Unternehmen dieser Gruppe), strebt die zweite Untergruppe nach einer stärkeren Ausweitung ihrer Technologiebeschaffungsaktivitäten (38 % der Unternehmen). Lediglich die kleinste Untergruppe (19 % der Unternehmen) nimmt tatsächlich keine technologiestrategische Veränderung vor. Von allen Gruppen weisen die Großen Internat. Forscher zu allen drei Betrachtungszeitpunkten die größte geographische Ausdehnung ihrer Technologiebeschaffungsaktivitäten auf. Analog zum Branchentrend nimmt auch bei den Großen Internat. Forschern der Globalisierungsgrad der Technologiebeschaffungsaktivitäten im zeitlichen Verlauf weiterhin stark zu. Einen Überblick, welche Bedeutung die einzelnen Länder und Regionen als Technologiebeschaffungsstandorte für die Unternehmen dieses Typs haben, gibt Abb. 7-7. Die Länderpräferenzen der Großen Internat. Forscher weisen im zeitlichen Verlauf von 2000 bis 2010 nur relativ geringe Veränderungen auf: Dabei verliert der Standort EU leicht, während insbesondere Asien etwas an Bedeutung gewinnt. Auch in Zukunft wird Deutschland einer der wichtigeren F&E-Standorte bleiben: hinter den USA, Großbritannien und Japan auf Platz 4.

Große Internationale Forscher

605

Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als F&E-Standorte (als Standort für unternehmensinterne F&E und F&E-Kooperationen) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Große Internat. Forscher 2000 Große Internat. Forscher 2010

Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan Asien (außer Japan) Rest Welt 0

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Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-7:

7.2.2

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Gruppe der „Großen Internat. Forscher“ im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Technologieverwertungsstrategie

Das von den Großen Internat. Forschern im Rahmen der Technologieverwertung angestrebte technologische Leistungsniveau ist das höchste aller Gruppen: Das Erringen der Technologieführerschaft ist das zentrale strategische Ziel der Unternehmen dieser Gruppe. Im Mittelpunkt der Technologieverwertungsanstrengungen dieses Technologiestrategietyps steht dabei die Markteinführung signifikant überlegener Wirkstoffinnovationen gegen bislang unheilbare Krankheiten. Diese eindeutige Festlegung auf rigorose Innovationen lag bereits 1990 vor und kann daher im zeitlichen Verlauf bis 2010 nur noch geringfügig gesteigert werden. Mit Ausnahme der Stufe der Generika werden zwar auch alle übrigen Stufen der Technologiewertschöpfungskette mit geringerer Intensität verfolgt, dies dient aber vor allem dem Life-Cycle-Management. Im Rahmen dieses Life-Cycle-Managements werden insbesondere galenische Innovationen wichtiger. Genau wie bereits für die Biotechnologie-Unternehmen besitzt die TimingDimension für die Großen Internat. Forscher eine zentrale Bedeutung: Marktpio-

606

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für die externe Know-how-Verwertung im zeitlichen Verlauf 2000-2010

Vermarktungs-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen Vermarktungs-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit "Zulieferern" Vermarktungs-Kooperationen mit "Kunden" Gemeinschaftsvermarktung Lizenzvergabe und Patentverkauf Dossierverkauf Annahme von Forschungsaufträgen Verkauf von innovativen Unternehmen(-steilen) Weitergabe von Forschungsergebnissen als Vergütung für Seed und Venture Capital 0 Gar Keine

Große Internat. Forscher 2000 Große Internat. Forscher 2010 1 Sehr Geringe

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Strategische Bedeutung

Abb. 7-8:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Gruppe der „Großen Internat. Forscher“ im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

nier zu sein, d.h. als Erster neue Präparate auf dem Markt einzuführen, ist als strategisches Ziel wichtiger als bei allen anderen Gruppen und wird nur noch von den Biotechnologie-Unternehmen höher priorisiert. Die Außenorientierung der Großen Internat. Forscher ist die drittniedrigste aller Gruppen: Die Eigen-oder-Fremd-Vermarktungsfrage ist damit eindeutig zugunsten der Vermarktung unter eigenem Namen beantwortet. Die Neigung zur Fremdvermarktung fällt nur noch bei den OTC-Töchtern von MNEs und den Generika-Herstellern noch niedriger aus. Externe Verwertungsalternativen spielen dabei für Produkte und Verfahren eine gleichermaßen untergeordnete Rolle. Der technologische Verflechtungsgrad der Technologieverwertung fällt bei den Unternehmen dieser Gruppe erheblich niedriger aus, als dies für die Technologiebeschaffung der Fall war. Während nämlich auf der Technologiebeschaffungsseite Kooperationen von hoher strategischer Bedeutung sind, ist dies auf der Vermarktungsseite nicht eindeutig. Die Bedeutung, die die einzelnen Kooperationsformen im Rahmen der Technologieverwertung für die Großen Internat. Forscher besitzen, gibt Abb. 7-8 wieder.

Große Internationale Forscher

607

Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als Märkte (Vermarktung unter eigenem Namen oder Kooperationspartner (Lizenznehmer)) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien

Große Internat. Forscher 2000 Große Internat. Forscher 2010

Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan Asien (außer Japan) Rest Welt 0

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Strategische Bedeutung

Abb. 7-9:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Gruppe der „Großen Internat. Forscher“ im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

Neben der Lizenzvergabe sind direkte und indirekte Wettbewerber die wichtigsten Vermarktungspartner der Großen Internat. Forscher. Diese Technologieverwertungskooperationen spielen insbesondere zur Erreichung einer schnelleren und vollständigeren Marktpenetration (etwa durch Co-Marketing und Co-Promotion-Vereinbarungen) oder für Produkte, die aufgrund ihrer Größe oder ihres Indikationsgebietes nicht zum Kernportfolio gehören, eine wichtige Rolle. Eine Fokussierung des Produktportfolios ist vorhanden, aber nur schwach ausgeprägt. Nach den Generika-Herstellern weisen die Großen Internat. Forscher den zweitniedrigsten Spezialisierungsgrad aller Gruppen auf. Der geographische Aktionsradius der Technologieverwertungsaktivitäten ist der größte aller Gruppen. Die Bedeutung der einzelnen Länder und Regionen als Märkte für die Unternehmen dieses Technologiestrategietyps wird in Abb. 7-9 zusammengefaßt. Der Globalisierungsgrad der Technologieverwertungsaktivitäten nimmt dabei im zeitlichen Verlauf von 1990 bis 2010 weiter zu. Hiervon profitieren insbe-

608

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

sondere Osteuropa, Lateinamerika und Asien. Die EU (und voran Deutschland) bleiben aber nach den USA und Japan für die Großen Internat. Forscher die Märkte mit der größten technologiestrategischen Bedeutung. Dieser Befund korrespondiert im vollen Umfang mit der relativen Größe der einzelnen nationalen Pharma-Märkte.

7.3 Mittelgroße Internationale Forscher 7.3.1

Technologiebeschaffungsstrategie

Für die Mittelgroßen Internat. Forscher war bereits 2000 und wird noch stärker ausgeprägt 2010 das Erringen der Technologieführerschaft in den von ihnen bearbeiteten Forschungsfeldern und Indikationsgebieten zum zentralen technologiestrategischen Ziel. Sie liegen in dieser Hinsicht auch nur knapp hinter den Großen Internat. Forschern und den Biotechnologie-Unternehmen. Dies war jedoch nicht immer so: 1990 war die Technologieführerschaft bei weitem noch nicht so eindeutig prioritäres Ziel, und der Abstand zu den beiden anderen Gruppen war dementsprechend noch beträchtlich. Der Schwerpunkt in der Technologiewertschöpfungskette lag 2000 bereits klar und liegt 2010 noch eindeutiger auf der Erforschung gänzlich neuer Wirkstoffe, wenn möglich Wirkstoffklassen. Mit Ausnahme der Stufe der Generika werden zwar auch alle übrigen Stufen mit geringerer Intensität verfolgt, dies dient vor allem dem Life-Cycle-Management. Auch 1990 war die Schwerpunktsetzung der Mittelgroßen entlang der Technologiewertschöpfungskette bereits eindeutig zugunsten der Erforschung gänzlich neuer Wirkstoffe erfolgt. Anders als bei den Großen Internat. Forscher oder den Biotechnologie-Unternehmen lagen die Technologiebeschaffungsschwerpunkte aber nicht im Bereich bisher unheilbarer Krankheiten. Und auch die Bereitschaft, „technologisches Neuland“ in Form bislang dem entsprechenden Unternehmen unbekannte Forschungsfelder und Indikationsgebiete zu betreten, war nur gering ausgeprägt. Dies hat sich im Rahmen einer drastischen technologiestrategischen Neupositionierung bereits bis 2000 maßgeblich geändert und findet auch bis 2010 seine Fortsetzung: Bis 2010 suchen die Mittelgroßen – bezüglich der von ihnen angestrebten Innovationshöhe – auf gleicher Augenhöhe mit den beiden bislang vor ihnen liegenden Gruppen zu sein. Betrachtet man ihre gegenwärtige F&E-Intensität, die bei den meisten Unternehmen dieser Gruppe im Bereich 15-20 % (Bandbreite von 10-15 % bis

Mittelgroße Internationale Forscher

609

>25 %) liegt, so erscheint diese Zielsetzung nicht unbedingt unrealistisch. Die F&E-Intensität der Mittelgroßen liegt dabei sogar leicht über der der Großen Internat. Forscher. Zwar ist die zugrundeliegende Umsatzbasis im Vergleich zu diesen geringer, dafür werden die F&E-Anstrengungen aber, wie anschließend noch ausgeführt wird, auch auf ein erheblich kleineres Spektrum unterschiedlicher Indikationsgebiete konzentriert. Hinsichtlich ihrer technologiestrategischen Risikobereitschaft belegen die Mittelgroßen Internat. Forscher zwar nur Rang 3, doch ist der Unterschied zu den beiden noch „risikofreudigeren“ Gruppen – Biotechnologie-Unternehmen und Große Internat. Forscher – relativ gering, während alle übrigen Gruppen sich in dieser Hinsicht deutlich von ihnen unterscheiden. Genau wie für die Biotechnologie-Unternehmen und die Großen Internat. Forscher besitzt das Timing eine herausragende Bedeutung für die Technologiestrategie der Unternehmen dieses Typs: Als erster neue Forschungsansätze zu entwickeln und neue Präparate auf dem Markt einzuführen, wird 2010 als strategisches Ziel sogar wichtiger sein als bei allen anderen Gruppen. Die Unterschiede zu den beiden übrigen hochinnovativen Gruppen (Biotechnologie-Unternehmen und Große Internat. Forscher) sind dabei allerdings zu allen drei Betrachtungszeitpunkten nur sehr gering. Gemeinsam ist allen drei Gruppen auch die erhebliche Prioritätszunahme im zeitlichen Verlauf. Die Balance zwischen Make-or-Buy wird 2010 nahezu ausgeglichen sein, mit immer noch einem leichten Übergewicht des „Selbstmachens“. Die technologiestrategische Ausgangssituation 1990 war hingegen ausschließlich auf Seiten der unternehmensinternen Technologieeigenentwicklung. Die Mittelgroßen Internat. Forscher wiesen zu diesem Zeitpunkt die geringste Außenorientierung bei der Technologiebeschaffung aller Gruppen auf. Im zeitlichen Verlauf zieht aber auch diese Gruppe externe Technologiebeschaffungsalternativen zunehmend in Betracht, die Präferenz bleibt (wenn auch nur leicht) aber auf Seiten der internen Eigenerzeugung. Der technologische Verflechtungsgrad nimmt im zeitlichen Verlauf sprunghaft zu und erreicht bis 2010 eine hohe technologiestrategische Bedeutung, liegt aber zu allen drei Betrachtungszeitpunkten leicht unter dem Branchendurchschnitt. Die technologiestrategische Bedeutung die die einzelnen Kooperationsformen für die Mittelgroßen Internat. Forscher im Rahmen der Technologiebeschaffung besitzen, gibt Abb. 7-10 wieder.

610

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für den externen Know-how-Erwerb im zeitlichen Verlauf 2000-2010

F&E-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen F&E-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit "Zulieferern" F&E-Kooperationen mit "Kunden"

Mittelgroße Internat. Forscher 2000 Mittelgroße Internat. Forscher 2010

Gemeinschaftsforschung Lizenznahme/-erwerb Dossiererwerb Vergabe von Forschungsaufträgen Akquisition von innovativen Unternehmen(-steilen) Bereitstellung von Seed und Venture Capital

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Strategische Bedeutung

Abb. 7-10:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Gruppe der „Mittelgroßen Internat. Forscher“ im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Eine offensive Einlizenzierungsstrategie ist bereits 2000 die wichtigste Technologiebeschaffungskooperationsform für die Mittelgroßen Internat. Forscher. Bis 2010 werden aber neben dem Lizenzerwerb auch F&E-Kooperationen mit Universitäten, Start Ups, Wettbewerbern und die Akquisition von innovativen Unternehmen (-steilen) immer wichtiger für die Technologiebeschaffung der Mittelgroßen Internat. Forscher. Parallel zur noch stärkeren Verlagerung der Innovationsschwerpunkte in den Bereich der Wirkstofforschung weisen im zeitlichen Verlauf F&E-Kooperationen mit hochinnovativen „Know-how-Zulieferern“, insbesondere über die Bereitstellung von Venture Capital, den stärksten Bedeutungszuwachs auf. Um trotz einer im Vergleich zu den Großen Internat. Forschern geringeren Ressourcenausstattung das ehrgeizige Ziel der Technologieführerschaft erreichen zu können, konzentrieren sich die Mittelgroßen Internat. Forscher stärker als jede andere Gruppe auf wenige Forschungsfelder und Indikationsgebiete. Diese starke

Mittelgroße Internationale Forscher

611

Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als F&E-Standorte

(als Standort für unternehmensinterne F&E und F&E-Kooperationen) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Spanien Niederlande

Mittelgroße Internat. Forscher 2000 Mittelgroße Internat. Forscher 2010

Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan Asien (außer Japan) Rest Welt 0

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Mittlere

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Strategische Bedeutung

Abb. 7-11:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Gruppe der „Mittelgroßen Internat. Forscher“ im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

ab 2000 zu beobachtende Spezialisierung war 1990 noch nicht vorhanden. Ursache für die sprunghafte Fokussierung auf wenige Forschungsschwerpunkte dürfte maßgeblich der drastische Anstieg der Entwicklungskosten für neue Wirkstoffe (NMEs) sein.7 Hinsichtlich ihres geographischen Aktionsradius waren die Mittelgroßen Internat. Forscher nach den „Großen“ 2000 die mit Blick auf ihre Technologiebeschaffungsaktivitäten am zweitstärksten globalisierte Gruppe. Wie auch bei den meisten anderen Gruppen hat die Globalisierung im zeitlichen Verlauf von 1990 bis 2010 stark zugenommen. Einen Überblick, welche Bedeutung dabei die einzelnen F&E-Standorte haben, gibt Abb. 7-11. Im Rahmen der zunehmenden Globalisierung ihrer Technologiebeschaffungsaktivitäten verliert der Standort Deutschland leicht an Bedeutung, während insbesondere die USA, Japan und in Summe die übrigen EU-Staaten eine technologiestrategische Aufwertung erfahren. Diese Entwicklung führt bis 2010 dazu, 7

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 4.1.4 (S. 308ff) und 4.2.1.1 (S. 335ff).

612

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

daß Deutschland nur noch der zweitwichtigste F&E-Standort nach den USA für die Mittelgroßen Internat. Forscher sein wird. Dieser Befund ist durchaus bemerkenswert, wenn man berücksichtigt, daß mehr als zwei Drittel der Unternehmen dieser Gruppe ihren Stammsitz in Deutschland haben. 7.3.2

Technologieverwertungsstrategie

Das von den Mittelgroßen Internat. Forschern angestrebte technologische Leistungsniveau gehört zu den höchsten aller Gruppen, das Erringen der Technologieführerschaft bei der Vermarktung von Produkten und der zu ihrer Herstellung genutzten Prozesse ist zentrales strategisches Ziel. Die „Mittelgroßen“ ähneln hierin stark den „Großen Internationalen Forschern“, hinter denen sie dieser Dimension die zweithöchste technologiestrategische Bedeutung aller Gruppen beimessen. Allerdings war die technologiestrategische Positionierung der „Mittelgroßen“ 1990 nicht so differenziert ausgeprägt wie bei den „Großen“; ein viel höherer Grad an technologiestrategischer Neupositionierung war demzufolge erforderlich um 2000 und 2010 an diese aufzuschließen: Während 1990 Wirkstoffinnovationen zwar bereits deutlich über dem Branchenmittel, aber – hinsichtlich ihrer technologiestrategischen Bedeutung für die Mittelgroßen Internat. Forscher – nur auf Platz 2 hinter der Einführung galenischer Verbesserungen lagen, hat sich bereits bis 2000 diese Prioritätsfolge umgekehrt. Dieser Trend setzt sich bis 2010 weiter fort: Der Schwerpunkt in der Technologiewertschöpfungskette liegt dann eindeutig auf der Vermarktung gänzlich neuer Wirkstoffe, wenn möglich Wirkstoffklassen. Nach den Großen Internat. Forschern hat dieses Ziel für diese Gruppe die zweithöchste technologiestrategische Bedeutung aller Gruppen. Mit Ausnahme der Stufe der Generika werden auch alle übrigen Stufen mit geringerer Intensität verfolgt. Dies dient vor allem dem Life-Cycle-Management, für das insbesondere die Markteinführung neuer Darreichungsformen auch 2000 und in Zukunft von großer Bedeutung ist. Auch hinsichtlich ihrer technologiestrategischen Risikobereitschaft befinden sich die Mittelgroßen Internat. Forscher im Spitzenfeld: Nach den Großen Internat. Forschern und den Biotechnologie-Unternehmen besitzt bei ihnen die Markteinführung von Arzneimitteln gegen bislang unheilbare Krankheiten die dritthöchste Priorität aller Gruppen. Auch beim Timing der Technologieverwertung lagen die Mittelgroßen Internat. Forscher bereits 2000 deutlich über dem Branchenmittel und nur relativ knapp hinter den Biotechnologie-Unternehmen und den Großen Internat. For-

Mittelgroße Internationale Forscher

613

schern. An diese beiden Pioniergruppen suchen die Mittelgroßen Internat. Forscher bis 2010 noch dichter heranzukommen: Als Erster neue Präparate auf dem Markt einzuführen, ist dann zentrales technologiestrategisches Ziel. Hinsichtlich ihrer Außenorientierung bei der Technologieverwertung sind die Mittelgroßen Internat. Forscher erheblich offener gegenüber der Nutzung externer Technologieverwertungspartner als die „Großen“: Die Balance zwischen Eigen-oder-Fremd-Vermarktung ist bei der Markteinführung neuer Arzneimittel ausgeglichen, mit einem leichten Übergewicht des „Selbstmachens“, während verfahrenstechnisches Know-how zu jedem Betrachtungszeitpunkt überwiegend unternehmensintern genutzt wird. Im zeitlichen Verlauf sind zwischen 1990 und 2010 praktisch keine Veränderungen in der Außenorientierung für beide Komponenten auszumachen. Dies ist beim technologischen Verflechtungsgrad der Vermarktungsaktivitäten gänzlich anders; er erfährt im zeitlichen Verlauf zwischen 1990 und 2010 eine deutliche technologiestrategische Aufwertung: Nicht nur bei der Technologiebeschaffung, sondern auch bei der Vermarktung sind Kooperationen 2000 und 2010 von hoher strategischer Bedeutung mit (nach den Biotechnologie-Unternehmen) dem zweithöchsten Wert aller Gruppen. Die technologiestrategische Bedeutung, die dabei für diesen Technologiestrategietyp die einzelnen Technologieverwertungskooperationsformen haben, ist in Abb. 7-12 dargestellt. Bereits 2000 lag die strategische Bedeutung nahezu aller Vermarktungskooperationsformen für die Mittelgroßen Internat. Forscher weit über dem Branchendurchschnitt: Zentrale Bedeutung besitzen hierbei sowohl 2000 als auch 2010 die Lizenzvergabe und die Gemeinschaftsvermarktung. Bis 2010 erfahren insbesondere Technologieverwertungskooperationen mit direkten und indirekten Wettbewerbern eine weit über dem Industriedurchschnitt liegende technologiestrategische Aufwertung. Insgesamt erreichen aber die einzelnen Vermarktungskooperationen bei weitem nicht den Stellenwert, den die spiegelbildlichen F&EKooperationen bei der Technologiebeschaffung besitzen. Um trotz einer – verglichen mit den Großen Internationalen Forschern – geringeren Ressourcenausstattung mit diesen im Markt mithalten zu können und in den bearbeiteten Indikationsgebieten und Märkten die angestrebte Technologieführerschaft und Marktpionierrolle realisieren zu können, setzt dieser Technologiestrategietyp auch (wie schon bei der Technologiebeschaffung) bei der Tech-

614

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für die externe Know-how-Verwertung im zeitlichen Verlauf 2000-2010

Vermarktungs-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen Vermarktungs-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit "Zulieferern" Vermarktungs-Kooperationen mit "Kunden" Gemeinschaftsvermarktung Lizenzvergabe und Patentverkauf Dossierverkauf Annahme von Forschungsaufträgen Verkauf von innovativen Unternehmen(-steilen) Weitergabe von Forschungsergebnissen als Vergütung für Seed und Venture Capital 0 Gar Keine

Mittelgroße Internat. Forscher 2000 Mittelgroße Internat. Forscher 2010 1 Sehr Geringe

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Strategische Bedeutung

Abb. 7-12:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Gruppe der „Mittelgroßen Internat. Forscher“ im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

nologieverwertung auf eine starke Spezialisierung auf wenige Indikationsgebiete. Die traditionell (1990) breiteren Produktportfolios werden dabei von dieser Gruppe stärker fokussiert als von jeder anderen. Dies geschieht allerdings im Vergleich zur Spezialisierung des Technologiebeschaffungsportfolios mit einem gewissen zeitlichen Verzug, so daß der Spezialisierungsgrad der Technologiebeschaffung 2000, bei der Technologieverwertung erst 2010 erreicht wird. Dies ist, wenn man sich die langen Entwicklungsdauern vergegenwärtigt, auch durchaus plausibel. Die geographische Ausdehnung der Mittelgroßen Internat. Forscher erreicht nach den Großen Internat. Forschern und den Biotechnologie-Unternehmen den drittgrößten Umfang aller Gruppen. Im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen sind aber im zeitlichen Verlauf von 1990 bis 2010 erheblich größere Globalisierungsanstrengungen erforderlich, da der Internationalisierungsgrad 1990 noch deutlich unter dem der beiden anderen Gruppen lag. Da dies zum Teil nicht

Mittelgroße Internationale Forscher

615

Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als Märkte (Vermarktung unter eigenem Namen oder Kooperationspartner (Lizenznehmer)) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien

Mittelgroße Internat. Forscher 2000 Mittelgroße Internat. Forscher 2010

Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan Asien (außer Japan) Rest Welt 0 Gar Keine

1 Sehr Geringe

2

3

4

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-13:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Gruppe der „Mittelgroßen Internat. Forscher“ im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

mit eigenen Vertriebsressourcen zu leisten ist, ergibt sich die zuvor diskutierte, im Vergleich zu den „Großen“ größere Aufgeschlossenheit gegenüber der Fremdvermarktung über Vertriebspartner. Die Bedeutung, die die einzelnen Länder und Regionen für die Technologieverwertung der Mittelgroßen Internat. Forscher haben, ist in Abb. 7-13 zusammengefaßt. Im Rahmen der Globalisierung ihrer Vermarktungsaktivitäten gewinnen für die Mittelgroßen Internat. Forscher alle „Nicht-EU-Märkte“ deutlich an technologiestrategischer Bedeutung. Die EU (und voran Deutschland) bleibt aber nach den USA für die Unternehmen dieses Typs der wichtigste Markt. Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß die Mittelgroßen Internat. Forscher hinsichtlich Umsatz und Anzahl der Mitarbeiter die zweitgrößten Unternehmen der Branche sind. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die „Mittelgroßen“ stark den „Großen Internationalen Forschern“ ähneln. Allerdings war die technologiestra-

616

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

tegische Positionierung der „Mittelgroßen“ 1990 nicht so differenziert ausgeprägt, was dementsprechend einen viel höheren Grad an technologiestrategischer Neupositionierung erforderlich machte.

7.4 Innovationsorientierter Mittelstand 7.4.1

Technologiebeschaffungsstrategie

Den „Innovationsorientierten Mittelstand“ verbindet mit den Biotechnologie-Unternehmen und den „Internationalen Forschern“ das Anstreben eines hohen technologischen Leistungsniveaus: Anschluß an die technologische Führung zu halten und in den eigenen Nischen, wenn möglich, sogar Technologieführer zu sein, ist insbesondere in Zukunft zentrales strategisches Ziel. Hierzu war/ist die gewaltigste strategische Neupositionierung aller Gruppen notwendig. Der Schwerpunkt in der Technologiewertschöpfungskette hat sich z.T. auch auf die Erforschung/Einlizenzierung und Markteinführung gänzlich neuer (für das bearbeitete Indikationsgebiet) Wirkstoffe ausgedehnt. Im Vordergrund steht aber immer noch die Wirkstoffverbesserung, Indikationsentwicklung und galenische Entwicklung. Die technologiestrategische Risikobereitschaft liegt nur leicht unter dem Branchenmittelwert und ist im zeitlichen Verlauf von 1990 bis 2010 sprunghaft angestiegen. Damit nimmt der Innovationsorientierte Mittelstand eine Zwischenstellung zwischen den hochinnovativen Gruppen (Biotechnologie-Unternehmen und Internat. Forscher) und den übrigen Gruppen ein, die sich weder mit der Entwicklung von Wirkstoffen gegen bislang unheilbare Krankheiten beschäftigen noch bereit sind, hohe Forschungsrisiken einzugehen. Berücksichtigt man die eindeutig mittelständische Struktur dieser Unternehmen, so ist die starke Innovationsorientierung durchaus als ambitioniert zu bezeichnen. Die Höhe der F&E-Investitionen unterstreicht aber die Ernsthaftigkeit dieses Ziels: Die F&E-Intensität liegt im Mittel nur knapp unter der der „Internationalen Forscher“ und deutlich über der der zweiten mittelständischen Gruppe, dem „OTC/Traditionellen Mittelstand“. Auch hinsichtlich des Timings der Technologiebeschaffung sind die Unternehmen des Innovat. Mittelstandes den Internat. Forschern und den Biotechnologie-Unternehmen ähnlicher als den übrigen drei Gruppen. Hier hat die Bedeutung, F&E-Pionier in den bearbeiteten Indikationsgebieten zu sein, im zeitlichen

Innovationsorientierter Mittelstand

617

Verlauf ebenfalls drastisch zugenommen und unterstreicht das enorme Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung. Die Außenorientierung in der Technologiebeschaffung ist ausbalanciert: Während die Make-or-Buy-Entscheidung 1990 noch leicht zugunsten der unternehmensinternen F&E ausgefallen ist, verschiebt sich der Schwerpunkt bis 2010 leicht zugunsten der Technologiebeschaffung aus unternehmensexternen Quellen. Insgesamt ist das Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung in dieser Dimension aber eher gering – insbesondere im Vergleich zu den beiden zuvor diskutierten Dimensionen. Der technologische Verflechtungsgrad in der Technologiebeschaffung nimmt im zeitlichen Verlauf sprunghaft zu. Die technologiestrategische Bedeutung von F&E-Kooperationsnetzwerken erreicht bereits 2000 das dritthöchste Niveau aller Gruppen (noch vor den Mittelgroßen Internat. Forschern) und liegt damit deutlich über dem Branchendurchschnitt. Eine Übersicht, welche Bedeutung die einzelnen Technologiebeschaffungskooperationen dabei für die Unternehmen des Innovat. Mittelstandes besitzen, gibt Abb. 7-14. Parallel zur Verlagerung der Innovationsschwerpunkte in den Bereich der Wirkstofforschung gewinnt die F&E-Kooperation mit „Know-how-Zulieferern“, insbesondere über Akquisition und die Bereitstellung von Venture Capital, enorm an Bedeutung. Auch in Zukunft bleiben Technologiebeschaffungskooperationen mit in der Wertschöpfungskette vorgelagerten Partnern (Universitäten, Zulieferern und Auftragsforschern) für den Innovat. Mittelstand am bedeutsamsten. Während 2000 die Vergabe von Forschungsaufträgen und der Dossiererwerb in vielen Fällen noch der Absicherung der bestehenden Produktpalette dienen (Nachzulassung), zielen F&E-Kooperationen 2010 vor allem auf die Entwicklung neuer innovativer Produkte und auf die Erweiterung des eigenen Produktportfolios. Die Breite der technologischen Ausrichtung unterliegt im zeitlichen Verlauf einem nahezu revolutionären Wandel: Das Ausmaß der Fokussierung (sowohl hinsichtlich der Veränderung als auch der absoluten zukünftigen technologiestrategischen Priorität) der F&E-Aktivitäten ist die zweithöchste (nach den Mittelgroßen Internat. Forschern) aller Gruppen. Berücksichtigt man die geringe Ressourcenausstattung dieses mittelständischen Technologiestrategietyps, so ist diese extrem starke Spezialisierung auf wenige Forschungsfelder (die zum Teil

618

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für den externen Know-how-Erwerb im zeitlichen Verlauf 2000-2010

F&E-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen F&E-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit "Zulieferern" F&E-Kooperationen mit "Kunden"

Innovat. Mittelstand 2000 Innovat. Mittelstand 2010

Gemeinschaftsforschung Lizenznahme/-erwerb Dossiererwerb Vergabe von Forschungsaufträgen Akquisition von innovativen Unternehmen(-steilen) Bereitstellung von Seed und Venture Capital

0

Gar Keine

1 Sehr Geringe

2

3

4

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-14:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Gruppe des „Innovationsorientierten Mittelstandes“ im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

in Nischen angesiedelt sind) die einzige Möglichkeit, die ehrgeizigen Ziele hinsichtlich der Höhe des technologischen Leistungsniveaus realistisch erreichen zu können. Das Ausmaß der geographischen Ausdehnung der Technologiebeschaffungsaktivitäten des Innovat. Mittelstandes liegt deutlich unter dem der Biotechnologie-Unternehmen und der Internat. Forscher. Auch wenn der geographische Aktionsradius im zeitlichen Verlauf deutlich zunimmt, bleibt die Globalisierung bei der Technologiebeschaffung trotz aller Anstrengungen deutlich unter dem Branchendurchschnitt. Dies wird auch bei der genaueren Betrachtung der technologiestrategischen Bedeutung der einzelnen Technologiebeschaffungsstandorte für den Innovat. Mittelstand deutlich, den Abb. 7-15 wiedergibt. Die zunehmende Globalisierung der Technologiebeschaffungsaktivitäten des Innovat. Mittelstandes wird insbesondere an der deutlichen Aufwertung des F&E-Standortes USA deutlich. Obwohl dieser den stärksten Bedeutungszuwachs

Innovationsorientierter Mittelstand

619

pp Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als F&E-Standorte (als Standort für unternehmensinterne F&E und F&E-Kooperationen) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan

Innovat. Mittelstand 2000 Innovat. Mittelstand 2010

Asien (außer Japan) Rest Welt 0

1

2

3

4

5

Gar Keine

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

Sehr Große

6 Existentielle

Strategische Bedeutung

Abb. 7-15:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Gruppe des „Innovat. Mittelstandes“ im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

verbuchen kann, bleibt aber auch in Zukunft Deutschland mit großem Abstand der wichtigste F&E-Standort für den Innovat. Mittelstand. 7.4.2

Technologieverwertungsstrategie

Genau wie schon bei der Technologiebeschaffung nimmt auch die Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus der Technologieverwertungsaktivitäten des Innovat. Mittelstandes eine Position zwischen dem hochinnovativen Lager (Biotechnologie-Unternehmen und Internat. Forscher) und den übrigen Gruppen ein: Im zeitlichen Verlauf verschieben sich die Schwerpunkte der Technologieverwertungsaktivitäten zu Produkten mit deutlich höherem Innovationsgrad (erstmals z.T. auch im Bereich bislang unheilbarer Krankheiten), während insbesondere die Markteinführung neuer Kombinationspräparate deutlich an Bedeutung verliert. Die zunehmende Unattraktivität von Kombinationspräparaten ist

620

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

dabei maßgeblich auf ein größer werdendes negatives regulatorisches Umfeld im Bereich der Zulassung und Erstattung zurückzuführen. Die technologiestrategische Bedeutung der Markteinführung gänzlich neuer Wirkstoffe ist ambivalent und entspricht nahezu dem Branchenmittel. Genau wie das Branchenmittel nimmt auch die technologiestrategische Bedeutung der Technologieführerschaft für den Innovat. Mittelstand im zeitlichen Verlauf deutlich zu, wobei das absolute Bedeutungsniveau zu allen drei Betrachtungszeitpunkten ziemlich dicht am Industriedurchschnitt liegt. Die Markteinführung verbesserter Wirkstoffe mit erweitertem Indikationsspektrum wird bis 2010 zu dem zentralen Ziel hinter der Einführung neuer Darreichungsformen in der Vermarktungsstrategie des Innovat. Mittelstandes: Während 1990 der Innovat. Mittelstand Wettbewerbsvorteile vor allem durch Arzneimittel mit erweitertem Indikationsspektrum, neuen Darreichungsformen und neuen Wirkstoffkombinationen zu erzielen suchte, sind 2000 zwar weiterhin galenische Systeme das wichtigste vermarktungsstrategische Einzelziel, in Summe erreichen aber Wirkstoffinnovationen (NMEs und verbesserte Wirkstoffe mit erweitertem Indikationsspektrum) die gleiche technologiestrategische Bedeutung und werden bis 2010 eindeutig das strategische Ziel No. 1 für den Innovat. Mittelstand – mit einer Bedeutung, die bei Wirkstoffverbesserungen und Indikationserweiterungen weit über dem Branchenmittel liegt, während die von galenisch verbesserten Produkten sich nur noch leicht über dem Industriedurchschnitt einpendelt. Die Markteinführung preisgünstigerer vergleichbarer Arzneimittel und von Generika gehört zu keinem Betrachtungszeitpunkt zu den Zielen des Innovat. Mittelstandes. Zwar gewinnt auch die Markteinführung von Arzneimitteln gegen bislang unheilbare Krankheiten an Bedeutung, insgesamt gehört dieses Segment aber eher nicht zu den technologiestrategischen Schwerpunkten dieser Gruppe. Auch hinsichtlich des Timings der Technologieverwertungsaktivitäten nehmen die Unternehmen des Innovat. Mittelstandes eine Mittelposition zwischen den Extremen ein: Als Erster neue Forschungsansätze zu entwickeln und neue Präparate auf dem Markt einzuführen, ist als strategisches Ziel, im Gegensatz zu den beiden anderen „mittelständischen Gruppen“, von Bedeutung, auch wenn das Prioritätsniveau trotz sprunghafter Aufwertung im zeitlichen Verlauf deutlich hinter dem der Biotechnologie-Unternehmen und den Großen Internat. Forschern zurückbleibt.

Innovationsorientierter Mittelstand

621

Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für die externe Know-how-Verwertung im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Vermarktungs-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen Vermarktungs-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit "Zulieferern" Vermarktungs-Kooperationen mit "Kunden" Gemeinschaftsvermarktung Lizenzvergabe und Patentverkauf Dossierverkauf Annahme von Forschungsaufträgen Verkauf von innovativen Unternehmen(-steilen) Weitergabe von Forschungsergebnissen als Vergütung für Seed und Venture Capital0 Gar Keine

Innovat. Mittelstand 2000 Innovat. Mittelstand 2010 1

2

3

4

5

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

Sehr Große

6 Existentielle

Strategische Bedeutung

Abb. 7-16:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Gruppe des „Innovat. Mittelstandes“ im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

Die Außenorientierung der Technologieverwertung ist sowohl hinsichtlich der Produkte als auch der Verfahren zu allen drei Betrachtungszeitpunkten gering ausgeprägt. Hierin liegt ein merklicher Unterschied zur Technologiebeschaffung: Während nämlich die Eigenvermarktung (Produkte) bzw. Eigennutzung (Prozesse) klar gegenüber der Fremdvermarktung dominiert, tendierte, wie zuvor bereits ausgeführt, die Make-or-Buy-Entscheidung in der Technologiebeschaffung zunehmend in Richtung Buy. Genau wie bereits bei der Technologiebeschaffung nimmt auch die Bedeutung eines hohen technologischen Verflechtungsgrades für die Technologieverwertung im zeitlichen Verlauf sprunghaft zu und liegt 2000 und 2010 deutlich über dem Branchendurchschnitt. Die Bedeutung von Vermarktungskooperationen für den Innovat. Mittelstand bleibt aber in absoluter Hinsicht deutlich hinter der von Technologiebeschaffungskooperationen zurück. Die Einzelbedeutung der unterschiedlichen Technologieverwertungskooperationsformen für die Unternehmen des Innovat. Mittelstandes ist in Abb. 7-16 dargestellt.

622

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

Alle Vermarktungskooperationsformen nehmen für den Innovat. Mittelstand bis 2010 stark an strategischer Bedeutung zu, insgesamt erreichen aber auch die einzelnen Technologieverwertungskooperationsformen bei weitem nicht den strategischen Stellenwert der komplementären F&E-Kooperationsformen der Technologiebeschaffung. Bereits 2000 liegt die strategische Bedeutung von Technologieverwertungskooperationen mit direkten und indirekten Wettbewerbern deutlich über dem Branchendurchschnitt. Hieran ändert sich auch bis 2010 nichts. Allerdings erfährt die Lizenzvergabe eine noch stärkere und ebenfalls weit über dem Branchenmittel liegende strategische Aufwertung beim Innovat. Mittelstand. Während 1990 der Spezialisierungsgrad des Produktportfolios des Innovat. Mittelstandes sogar leicht unter dem der Gesamtbranche lag, erfolgt bereits 2000 eine enorme Fokussierung. Bis 2010 gehören die Unternehmen des Innovat. Mittelstandes hinsichtlich der Breite ihrer Produktportfolios zu der Spitzengruppe der am stärksten spezialisierten Unternehmen. Zwar nimmt der geographische Aktionsradius der Technologieverwertungsaktivitäten, deutlich intensiver als der Branchentrend, sprunghaft zu; trotz all dieser Anstrengungen bleibt aber der Globalisierungsgrad auch bei der Technologieverwertung zu allen drei Betrachtungszeitpunkten deutlich unter dem Branchendurchschnitt. Einen Überblick, welche Bedeutung dabei die einzelnen Länder und Regionen als Märkte für die Technologieverwertung besitzen, gibt Abb. 7-17. Im Rahmen der Globalisierung seiner Vermarktungsaktivitäten gewinnen außer Deutschland alle Märkte erheblich an strategischer Bedeutung, allerdings bleibt Deutschland auch 2010 mit großem Abstand für den Innovat. Mittelstand der wichtigste Einzelmarkt. Am stärksten gewinnen Osteuropa und Rußland bis 2010 an strategischem Gewicht für den Innovat. Mittelstand. Die Marktbedeutung Osteuropas und Rußlands liegt 2010 nach Deutschland auf Platz 2 deutlich vor allen übrigen Regionen. Umsatz und Mitarbeiter der Unternehmen des Innovat. Mittelstandes weisen eine große Bandbreite auf und sind eindeutig mittelständisch geprägt. Im Vergleich zum „OTC/Traditionellen Mittelstand“ sind hier eher die größeren Mittelständler anzutreffen.

OTC/Traditioneller Mittelstand

623

Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als Märkte (Vermarktung unter eigenem Namen oder Kooperationspartner (Lizenznehmer)) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan Asien (außer Japan) Rest Welt

Innovat. Mittelstand 2000 Innovat. Mittelstand 2010 0

1

2

3

4

5

Gar Keine

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

Sehr Große

6 Existentielle

Strategische Bedeutung

Abb. 7-17:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Gruppe des „Innovat. Mittelstandes“ im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

7.5 OTC/Traditioneller Mittelstand 7.5.1

Technologiebeschaffungsstrategie

Der „OTC/Traditionelle Mittelstand“ unterscheidet sich heute und in Zukunft deutlich vom „Innovationsorientierten Mittelstand“, insbesondere hinsichtlich der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus: Anschluß an die technologische Führung zu halten, ist kein strategisches Ziel für diese Gruppe. Das Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung ist im Vergleich zu den übrigen Gruppen gering und liegt merklich unter dem Branchendurchschnitt. Die Unternehmen dieses Typs konzentrieren sich entweder mit ihrem bewährten Produktportfolio auf das OTC-Segment oder das Branded Generics-Segment.

624

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

Der Schwerpunkt in der Technologiewertschöpfungskette liegt auf der galenischen Entwicklung. Wirkstofforschung wird so gut wie nicht betrieben. Wirkstoffverbesserung und Indikationsentwicklung haben auch in Zukunft nur sehr geringe Bedeutung. Die Entwicklung und Vermarktung neuer Kombinationspräparate hat ihre frühere Bedeutung komplett eingebüßt: Während 1990 die Entwicklung neuer Kombinationspräparate nach der neuer Darreichungsformen für den OTC/Trad. Mittelstand den Schwerpunkt der Technologiebeschaffungsaktivitäten darstellte und damit auch eine höhere strategische Bedeutung besaß als für alle anderen Gruppen, sinkt das Bedeutungsniveau neuer Arzneimittelkombinationen bereits bis 2000 drastisch (sogar unter den Branchendurchschnitt). Ursache für diese sprunghafte Aufgabe des zweitwichtigsten Schwerpunktes entlang der Technologiewertschöpfungskette für diesen Typ liegt primär im regulatorischen Umfeld, insbesondere im Bereich der Zulassung (auch Nachzulassung) und der Erstattung (Negativlisten) haben sich die rahmenbedingungen für Wirkstoffkombinationen nachhaltig verschlechtert. Die strategische Repositionierung dieses Technologiestrategietyps ist dadurch durchaus verständlich. Statt sich risikobereit nach neuen Ufern aufzumachen, ist die technologiestrategische Grundhaltung des OTC/Trad. Mittelstandes sehr defensiv, wozu sicherlich auch die im Vergleich zum Innovat. Mittelstand geringere Unternehmensgröße beiträgt. Die sehr defensive Grundhaltung kommt zudem in der im Vergleich zum Innovat. Mittelstand deutlich niedrigeren Risikobereitschaft zum Ausdruck, die im zeitlichen Verlauf sogar noch weiter abnimmt und bis 2010 das niedrigste Niveau aller Gruppen erreicht: Diese Unternehmen sind weder bereit, hohe Forschungsrisiken einzugehen noch bislang unheilbare Krankheiten zu erforschen. Die Technologiebeschaffungsschwerpunkte liegen eindeutig im Bereich angestammter Indikationen. Die Bereitschaft in neue Indikationsgebiete einzusteigen ist ziemlich gering ausgeprägt. Wenn dieser Technologiestrategietyp Verfahrensentwicklung betreibt (was insgesamt eher selten der Fall ist und deutlich weniger wichtig ist als für den Innovat. Mittelstand) so geschieht dies in völliger Übereinstimmung mit den bisherigen Beobachtungen zunehmend zur Reduktion der Produktkosten. Die F&E-Intensität liegt deutlich unter dem Branchendurchschnitt. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß innerhalb des pharmazeutischen Mittelstandes bis 2010 eine starke technologiestrategische Polarisierung stattfindet: Während nämlich die Risikobereitschaft des Innovat. Mittelstandes sprunghaft zunimmt, geht die des OTC/Trad. Mittelstandes weiter zurück.

OTC/Traditioneller Mittelstand

625

Auch hinsichtlich des Timings unterscheiden sie sich diametral von den Unternehmen des Innovat. Mittelstandes: Frühzeitig in neue Forschungsfelder einzusteigen, um als erster über neue Forschungsansätze zu verfügen, ist kein strategisches Ziel. Die F&E-Pionier-Bedeutung liegt weit unter dem Branchendurchschnitt und ist nach den Generika-Herstellern und den OTC-Töchtern die drittniedrigste aller Gruppen. Während die Intensität der Außenorientierung 1990 mit einem leichten Übergewicht auf der unternehmensinternen Know-how-Generierung ausbalanciert war (und nahezu den gleichen Wert wie beim Innovat. Mittelstand besaß) verlagert sich der Schwerpunkt bis 2000 stark zugunsten externer Technologiequellen. 2010 tendiert die Make-or-Buy-Entscheidung in der Technologiebeschaffung eindeutig in Richtung Buy. Parallel zu diesem verstärkten Rückgriff auf externe Technologiebeschaffungsalternativen steigt auch der technologische Verflechtungsgrad sprunghaft an. Die Bedeutung von Kooperationen bleibt aber zu allen drei Betrachtungszeitpunkten eindeutig unter dem Branchendurchschnitt. Die Erklärung hierfür liegt darin, daß, wie oben ausgeführt, die Unternehmen dieses Typs aufgrund ihrer nur geringen Innovationsbereitschaft eher auf die Pflege und den (regulatorischen) Erhalt ihres Produkt- und Technologieportfolios ausgerichtet sind. Die hierfür erforderlichen technologischen Dienstleistungen und Entwicklungsaktivitäten können aber wegen ihres geringen Anspruchsgrades von einer überschaubaren Anzahl an Partnern erworben werden. Komplexe F&E-Netzwerke sind hierfür nicht erforderlich. Die Bedeutung, die die einzelnen Technologiebeschaffungskooperationsformen für die Unternehmen des OTC/Trad. Mittelstandes besitzen, gibt Abb. 7-18 wieder. Parallel zur Verlagerung der Technologiebeschaffungsschwerpunkte vom internen zum externen Wissenssourcing gewinnen die F&E-Kooperationen mit „Know-how-Zulieferern“ und Akquisitionen im zeitlichen Verlauf am stärksten an Bedeutung. Auch in Zukunft bleiben F&E-Kooperationen mit in der Wertschöpfungskette vorgelagerten Stufen (Universitäten, Zulieferern, Lizenzgebern, Dossierlieferanten und Auftragsforschungsinstituten) für den OTC/Trad. Mittelstand am bedeutsamsten. Um möglichst viele bestehende Produkte auch für die Zukunft abzusichern (insbesondere um den stark gestiegenen Zulassungsstandards gerecht zu werden), sind die Vergabe von Forschungsaufträgen und der Dossiererwerb 2000 und auch 2010 die wichtigsten Einzel-F&E-Kooperationsformen für den OTC/Trad. Mittelstand.

626

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

pp Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für den externen Know-how-Erwerb im zeitlichen Verlauf 2000-2010 F&E-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen F&E-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit "Zulieferern" F&E-Kooperationen mit "Kunden"

OTC/Trad. Mittelstand 2000 OTC/Trad. Mittelstand 2010

Gemeinschaftsforschung Lizenznahme/-erwerb Dossiererwerb Vergabe von Forschungsaufträgen Akquisition von innovativen Unternehmen(-steilen) Bereitstellung von Seed und Venture Capital

0

1

2

3

4

Gar Keine

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-18:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Gruppe des „OTC/Tradit. Mittelstandes“ im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Hinsichtlich der Breite der technologischen Ausrichtung ihrer Technologiebeschaffungsaktivitäten nehmen die Unternehmen des OTC/Trad. Mittelstandes eine Mittelposition zwischen den Extremen ein. Zwar hat im zeitlichen Verlauf eine spürbare Fokussierung der F&E-Aktivitäten stattgefunden, der Spezialisierungsgrad liegt aber nur leicht über dem Branchenmittel und immer noch deutlich unter dem Durchschnitt des Mittelstandes insgesamt. Der geographische Aktionsradius der Technologiebeschaffung bleibt trotz einer Zunahme des Globalisierungsgrades der geringste aller Gruppen. Eine Übersicht, welche Bedeutung dabei die einzelnen Länder und Regionen als Technologie-beschaffungsstandorte für den OTC/Trad. Mittelstand haben, gibt Abb. 7-19. Auch die Betrachtung der einzelnen Standorte macht deutlich: Die F&E-Aktivitäten des OTC/Trad. Mittelstandes werden zunehmend globaler: Während

OTC/Traditioneller Mittelstand

627

Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als F&E-Standorte (als Standort für unternehmensinterne F&E und F&E-Kooperationen) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan Asien (außer Japan) Rest Welt

OTC/Trad. Mittelstand 2000 OTC/Trad. Mittelstand 2010 0

1

2

3

4

Gar Keine

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-19:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Gruppe des „OTC/Trad. Mittelstandes“ im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Deutschland bis 2010 merklich an Bedeutung verliert, gewinnen insbesondere die USA und Japan sichtlich an Gewicht. Auch in Zukunft bleibt aber Deutschland mit großem Abstand der wichtigste F&E-Standort für diesen Technologiestrategietyp. 7.5.2

Technologieverwertungsstrategie

Auch hinsichtlich der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus der Technologieverwertung zielt der „OTC/Traditionelle Mittelstand“ nicht darauf, Anschluß an die technologische Führung zu finden, und unterscheidet sich damit heute und in Zukunft deutlich vom „Innovationsorientierten Mittelstand“. Die Markteinführung neuer oder verbesserter Wirkstoffe spielt für den OTC/ Trad. Mittelstand keine Rolle. Die Unternehmen dieses Typs konzentrieren sich entweder mit ihrem bewährten Produktportfolio auf das OTC-Segment oder das Branded Generics-Segment.

628

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

Genau wie schon bei der Technologiebeschaffung verschieben sich auch im Rahmen der Vermarktung die Schwerpunkte von neuen Kombinationspräparaten zu Arzneimitteln mit verbesserter Galenik und neuen Darreichungsformen. Die Markteinführung preisgünstiger Arzneimittel mit verbesserter Galenik und neuer Darreichungsform wird zu dem zentralen Ziel in der Technologieverwertungsstrategie des OTC/Trad. Mittelstandes: Während 1990 die Unternehmen dieser Gruppe Wettbewerbsvorteile vor allem durch Präparate mit neuer Darreichungsform und neuen Wirkstoffkombinationen zu erzielen suchte, sind 2000 vor allem galenische Systeme noch wichtiger geworden und werden bis 2010 eindeutig das vermarktungsstrategische Ziel No. 1 für den OTC/Trad. Mittelstand, während die Markteinführung neuer Kombinationspräparate nahezu bedeutungslos geworden ist. Das Ausmaß der strategischen Neupositionierung ist insgesamt aber ziemlich gering. Marktpionier in der Technologieverwertung zu sein, ist keine strategische Priorität für die Unternehmen dieser Gruppe. Die Bedeutung dieses Timing-Ziels ist nach den „Generika-Herstellern“ am zweitgeringsten bei allen Gruppen und verliert im zeitlichen Verlauf gegen den Branchentrend sogar noch leicht an Bedeutung. Anders als bei der Intensität der Außenorientierung der Technologiebeschaffung dominiert die Eigenvermarktung klar gegenüber der Fremdvermarktung. Während 1990 die Bedeutung der Technologieverwertung unter eigenem Namen über dem Branchendurchschnitt lag, verschiebt sich diese Priorität im zeitlichen Verlauf leicht in Richtung Fremdvermarktung und nähert sich dabei bis 2010 dem Industriemittel. Bei verfahrenstechnischem Know-how ist die Konzentration auf die ausschließliche Eigennutzung sogar noch ausgeprägter als bei Produkten. Der technologische Verflechtungsgrad des OTC/Trad. Mittelstandes bei der Technologieverwertung ist der drittniedrigste aller Gruppen und wird nur noch von den OTC-Töchtern und den Generika-Herstellern unterboten. Die Bedeutung von Technologieverwertungskooperationen hat (wie insgesamt in der Branche) im zeitlichen Verlauf deutlich zugenommen, liegt aber zu allen drei Betrachtungszeitpunkten knapp unter dem Branchendurchschnitt. Auch absolut betrachtet ist der technologiestrategische Stellenwert von Technologiekooperationen eher gering.

OTC/Traditioneller Mittelstand

629

Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für die externe Know-how-Verwertung im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Vermarktungs-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen Vermarktungs-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit "Zulieferern" Vermarktungs-Kooperationen mit "Kunden" Gemeinschaftsvermarktung Lizenzvergabe und Patentverkauf Dossierverkauf Annahme von Forschungsaufträgen Verkauf von innovativen Unternehmen(-steilen) Weitergabe von Forschungsergebnissen als Vergütung für Seed und Venture Capital 0 Gar Keine

OTC/Trad. Mittelstand 2000 OTC/Trad. Mittelstand 2010 1

2

3

4

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

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Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-20:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Gruppe des „OTC/Trad. Mittelstandes“ im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

Die Bedeutung der einzelnen Technologieverwertungskooperationsformen für den OTC/Trad. Mittelstand faßt Abb. 7-20 zusammen. Insbesondere Technologieverwertungskooperationen mit direkten und (im besonderen) indirekten Wettbewerbern nehmen für den OTC/Trad. Mittelstand bis 2010 stark an Bedeutung zu. Insgesamt erreichen aber Vermarktungskooperationen bei weitem nicht den technologiestrategischen Stellenwert wie ihn die einzelnen F&E-Kooperationsformen für die Technologiebeschaffung besitzen. 2000 liegt die Bedeutung aller Einzelvermarktungskooperationsformen deutlich unter dem Branchendurchschnitt. Hieran ändert sich auch bis 2010 nichts. Einzige Ausnahme bilden Technologieverwertungskooperationen mit indirekten Wettbewerbern, die eine weit über dem Branchenmittel liegende technologiestrategische Aufwertung erfahren. Während 1990 der Spezialisierungsgrad des Produktportfolios des OTC/ Trad. Mittelstandes eher gering war und weitgehend dem Branchendurchschnitt

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Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als Märkte (Vermarktung unter eigenem Namen oder Kooperationspartner (Lizenznehmer)) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Spanien Niederlande

Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan

OTC/Trad. Mittelstand 2000 OTC/Trad. Mittelstand 2010

Asien (außer Japan) Rest Welt 0

1

2

3

4

Gar Keine

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-21:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Gruppe des „OTC/Trad. Mittelstandes“ im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

entsprach, erfolgte bereits 2000 eine noch über dem Branchentrend liegende enorme Fokussierung, die bis 2010 zu einer überdurchschnittlich starken Spezialisierung des Produktportfolios führt. Diese Fokussierung des Produktportfolios liegt aber immer noch deutlich unter der des Innovat. Mittelstandes. Der geographische Aktionsradius der Technologieverwertungsaktivitäten des OTC/Trad. Mittelstandes bleibt trotz einer gewaltigen Zunahme des Globalisierungsgrades im zeitlichen Verlauf auch in Zukunft der geringste aller Gruppen. Eine Übersicht, welche Bedeutung die einzelnen Märkte für die Technologieverwertung der Unternehmen des OTC/Trad. Mittelstandes besitzen, gibt Abb. 7-21. Im Rahmen der Globalisierung seiner Vermarktungsaktivitäten gewinnen außer Deutschland alle Märkte deutlich an strategischer Bedeutung, allerdings bleibt Deutschland mit großem Abstand für den OTC/Trad. Mittelstand der wichtigste Einzelmarkt. Bemerkenswert ist aber auch die gestiegene Marktbedeutung von Osteuropa/Rußland und von Asien.

OTC-Töchter von international operierenden Pharma-Unternehmen

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Umsatz und Mitarbeiter der Unternehmen des OTC/Trad. Mittelstandes weisen eine große Bandbreite auf und sind eindeutig mittelständisch geprägt. Im Vergleich zum „Innovationsorientierten Mittelstand“ sind hier eher die kleineren Mittelständler anzutreffen.

7.6 OTC-Töchter von international operierenden Pharma-Unternehmen 7.6.1

Technologiebeschaffungsstrategie

Die „OTC-Töchter von MNEs“ konzentrieren sich auf Ausbau und Pflege ihrer starken Marken im OTC-Segment. Das Anstreben der technologischen Führung überlassen sie ihren Müttern. Das Ausmaß der strategischen Neupositionierung ist im Vergleich zu den übrigen Gruppen gering und liegt merklich unter dem Branchendurchschnitt, da diese klare Ausrichtung im wesentlichen auch 1990 schon bestand. Die Technologiebeschaffungsschwerpunkte entlang der Technologiewertschöpfungskette liegen zu allen drei Betrachtungszeitpunkten eindeutig auf der galenischen Entwicklung. Die Erforschung neuer NMEs und die Wirkstoffverbesserung wird so gut wie nicht betrieben. Die Erweiterung des Indikationsspektrums und die Entwicklung neuer Darreichungsformen gewinnen im zeitlichen Verlauf deutlich an technologiestrategischer Bedeutung. Gegen den Branchentrend wird die Entwicklung neuer Kombinationspräparate wichtiger und das Erlangen der Technologieführerschaft unwichtiger. Bereits 1990 besaß die Entwicklung neuer Kombinationspräparate nach der neuer Darreichungsformen für die OTC-Töchter die höchste strategische Bedeutung (deutlich über dem Branchendurchschnitt); und anders als im Branchentrend sinkt das strategische Bedeutungsniveau der Entwicklung neuer Arzneimittelkombinationen bis 2000 nicht drastisch ab, sondern steigert sich sogar noch leicht: Damit erreichen Kombinationen bei den OTC-Töchtern eine höhere technologiestrategische Wertigkeit als bei allen übrigen Gruppen (weit über dem Industriedurchschnitt). Die Ursache für diese Abweichung vom Branchentrend dürfte in der größeren regulatorischen Kompetenz (gestiegene Zulassungsanforderungen für Kombinationspräparate stellen für diese Gruppe keine unüberwindliche Hürde dar) einerseits, und der hauptsächlichen Ausrichtung auf das Selbstmedikationssegment liegen (Erstattungsausschluß von Kombinationspräparaten ist somit keine bzw. eine nur

632

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

relativ geringe Beeinträchtigung). Die Entwicklung neuer galenischer Systeme und verbesserter Darreichungsformen bleibt aber auch 2010 deutlich vor der neuer Kombinationspräparate das zentrale technologiestrategische Ziel der OTCTöchter. Indikationsforschung wird im zeitlichen Verlauf bis 2010 deutlich wichtiger und erreicht fast das Bedeutungsniveau des Branchenmittels. Verfahrensentwicklung wird hauptsächlich zur Reduktion der Produktkosten betrieben. Die technologiestrategische Risikobereitschaft ist äußerst gering: Sehr hohe Forschungsrisiken einzugehen oder bislang unheilbare Krankheiten zu erforschen überlassen sie den Pharmasparten ihrer Mütter. Die Entwicklungsaktivitäten werden eindeutig auf angestammte Indikationsgebiete konzentriert, der Einstieg in neue unbekannte Forschungsgebiete ist nicht im Fokus der Technologiestrategie. Die geringe Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus findet ihren Niederschlag auch in der Höhe der F&E-Aufwendungen: Die F&E-Intensität der OTC-Töchter ist die geringste aller Gruppen. Hinsichtlich des Timings der Technologiebeschaffung nehmen die OTCTöchter eine Extremposition ein: F&E-Pionier in der Technologiebeschaffung zu sein, ist überhaupt kein strategisches Ziel. Diese Sonderrolle hängt in diesem Fall mit der ausschließlichen Ausrichtung auf das OTC-Segment zusammen: Neue Wirkstoffe sind zulassungsrechtlich zunächst in jedem Fall verschreibungspflichtig und können frühestens nach 5 Jahren aus der Verschreibungspflicht entlassen und in den OTC-Bereich geswitcht werden. Die Intensität der Außenorientierung bei den Technologiebeschaffungsaktivitäten der OTC-Töchter verändert sich im zeitlichen Verlauf von 1990 bis 2010 merklich: Während 1990 der Schwerpunkt noch auf der unternehmensinternen Eigengenerierung neuen technologischen Wissens lag, verschiebt sich die Prioritätensetzung hinsichtlich der Make-or-Buy-Entscheidung bis 2010 deutlich zugunsten der Nutzung externer Technologiequellen. Die Bedeutung von Technologiebeschaffungskooperationen hat (wie insgesamt in der Branche) deutlich zugenommen, der technologische Verflechtungsgrad liegt aber sowohl 2000 als auch 2010 signifikant unter dem Branchendurchschnitt und erreicht nur eher große Bedeutung für die OTC-Töchter. Die Bedeutung, die die einzelnen Technologiebeschaffungskooperationsformen für die OTC-Töchter besitzen, faßt Abb. 7-22 zusammen.

OTC-Töchter von international operierenden Pharma-Unternehmen

633

Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für den externen Know-how-Erwerb im zeitlichen Verlauf 2000-2010 F&E-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen F&E-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit "Zulieferern" F&E-Kooperationen mit "Kunden"

OTC-Töchter von MNEs 2000 OTC-Töchter von MNEs 2010

Gemeinschaftsforschung Lizenznahme/-erwerb Dossiererwerb Vergabe von Forschungsaufträgen Akquisition von innovativen Unternehmen(-steilen) Bereitstellung von Seed und Venture Capital

0

1

2

3

4

Gar Keine

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-22:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Gruppe der „OTC-Töchter von MNEs“ im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Parallel zur Verlagerung der Know-how-Beschaffungsschwerpunkte vom internen zum externen Wissenssourcing gewinnen F&E-Kooperationen mit „Know-how-Zulieferern“, insbesondere über Lizenz- und Dossiererwerb, merklich an Bedeutung. Auch in Zukunft bleiben Technologiebeschaffungskooperationen mit in der Wertschöpfungskette vorgelagerten Stufen (Universitäten, Zulieferern, Lizenzgebern, Dossierlieferanten und Auftragsforschungsinstituten) für die OTC-Töchter am bedeutsamsten. Zur Absicherung und Weiterentwicklung bestehender Produkte/Marken und zur Abrundung des Produktportfolios setzen die OTC-Töchter 2000 und auch 2010 insbesondere auf die Vergabe von Forschungsaufträgen und den Dossiererwerb. Mit Ausnahme dieser beiden wichtigsten Einzel-F&E-Kooperationsformen liegt die F&E-Kooperationsneigung der OTC-Töchter merklich unter dem Branchendurchschnitt.

634

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als F&E-Standorte (als Standort für unternehmensinterne F&E und F&E-Kooperationen) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan Asien (außer Japan)

OTC-Töchter von MNEs 2000 OTC-Töchter von MNEs 2010

Rest Welt 0

1

2

3

4

Gar Keine

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-23:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Gruppe der „OTC-Töchter von MNEs“ im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

Die Breite der technologischen Ausrichtung der Technologiebeschaffungsaktivitäten hat bei den OTC-Töchtern im zeitlichen Verlauf von 1990 bis 2000 deutlich abgenommen. Dieser Spezialisierungsgrad bleibt bis 2010 unverändert und entspricht dann ziemlich exakt dem Branchendurchschnitt. Die geographische Ausdehnung der Technologiebeschaffungsaktivitäten der OTC-Töchter hält sich (insbesondere relativ zur Unternehmensgröße) in Grenzen. Auch die Zunahme des Globalisierungsgrades im zeitlichen Verlauf liegt erheblich unter dem Branchentrend. Das geringe von dieser Gruppe angestrebte technologische Leistungsniveau erfordert indes nicht eine globale Präsenz an allen wichtigen F&E-Standorten. Welche Bedeutung für diesen Technologiestrategietyp die einzelnen Länder und Regionen für die Technologiebeschaffung besitzen, ist in Abb. 7-23 dargestellt. Die Technologiebeschaffungsstandortpräferenzen der OTC-Töchter bleiben bis 2010 nahezu unverändert. Auch in Zukunft bleibt Deutschland nach den USA

OTC-Töchter von international operierenden Pharma-Unternehmen

635

und neben Frankreich einer der drei wichtigsten F&E-Standorte für diese Gruppe. Die Bedeutung der meisten europäischen Länder und der USA als Technologiebeschaffungsstandorte für die OTC-Töchter liegt 2000 und auch 2010 merklich über dem Branchendurchschnitt. Nach Umsatz und Anzahl der Mitarbeiter gehören die „OTC-Töchter“ zu den eher großen Unternehmen. 7.6.2

Technologieverwertungsstrategie

Analog zur Technologiebeschaffung ist die Höhe des von den OTC-Töchtern angestrebten technologischen Leistungsniveaus gering: Die OTC-Töchter von MNEs konzentrieren sich im Rahmen ihrer Technologieverwertungsaktivitäten auf Ausbau und Pflege ihrer starken Marken im OTC-Segment. Das Anstreben der technologischen Führung überlassen sie den Pharma-Divisionen ihrer Mütter. Das Ausmaß der strategischen Neupositionierung ist eher gering. Der Schwerpunkt in der Technologiewertschöpfungskette liegt eindeutig auf der Markteinführung galenisch verbesserter Arzneimittel mit neuen Darreichungsformen. Im zeitlichen Verlauf wird dieses zentrale Ziel sogar noch wichtiger. Daneben besitzt nur noch die Markteinführung neuer Kombinationspräparate eine gewisse Bedeutung für diesen Technologiestrategietyp. Die Vermarktung von Arzneimitteln mit neuen oder verbesserten Wirkstoffen wird so gut wie nicht betrieben. Die Vermarktung von preisgünstigeren Präparaten mit vergleichbarer Qualität oder von Generika besitzt keinerlei technologiestrategischen Stellenwert. In dem von dieser Gruppe ausschließlich bearbeiteten OTC-Segment geht es auch nicht um die Therapie bislang unheilbarer Krankheiten. Das Timing der Technologieverwertung besitzt eine untergeordnete Bedeutung für die OTC-Töchter: Pionier in der Technologieverwertung zu sein, ist kein strategisches Ziel. Allerdings ist die frühzeitige Einführung neuer Präparate deutlich wichtiger als deren frühzeitige Entwicklung. Dies hängt damit zusammen, daß die Planung der Vermarktung durch die komplexen Marketingaktivitäten, die mit einem Relaunch oder gar dem Etablieren einer neuen Marke verbunden sind, in der Regel zeitlich erheblich aufwendiger und langwieriger sind als die hierzu erforderlichen Entwicklungsaktivitäten. Die Intensität der Außenorientierung ist bei der Technologieverwertung dieser Gruppe außerordentlich gering: Anders als bei der Technologiebeschaffung wird nahezu ausschließlich Eigenvermarktung angestrebt. Diese Priorisie-

636

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für die externe Know-how-Verwertung im zeitlichen Verlauf 2000-2010

Vermarktungs-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen Vermarktungs-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit "Zulieferern" Vermarktungs-Kooperationen mit "Kunden" Gemeinschaftsvermarktung Lizenzvergabe und Patentverkauf Dossierverkauf Annahme von Forschungsaufträgen Verkauf von innovativen Unternehmen(-steilen) Weitergabe von Forschungsergebnissen als Vergütung für Seed und Venture Capital 0 Gar Keine

OTC-Töchter von MNEs 2000 OTC-Töchter von MNEs 2010 1

2

3

4

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Existentielle Sehr Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-24:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Gruppe der „OTC-Töchter von MNEs“ im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

rung der Vermarktung unter eigenem Namen weist nach den „Generika-Herstellern“ den zweithöchsten Wert aller Gruppen auf. Gleiches gilt auch für die Bevorzugung der Eigennutzung von Verfahrenstechnologien. Im zeitlichen Verlauf bleibt diese technologiestrategische Festlegung unverändert. Auch der technologische Verflechtungsgrad der Technologieverwertungsaktivitäten bleibt weit hinter dem der Technologiebeschaffung zurück. Zwar gewinnen Vermarktungskooperationen im zeitlichen Verlauf ebenfalls an Bedeutung, jedoch ist dieser Prioritätszuwachs erheblich kleiner als der der Gesamtbranche. Für keinen Technologiestrategietyp ist daher der technologiestrategische Stellenwert von Vermarktungskooperationen zu allen drei Betrachtungszeitpunkten so gering wie für die OTC-Töchter. Einen Überblick, welche Bedeutung die einzelnen Technologieverwertungskooperationsformen für die OTC-Töchter besitzen, gibt Abb. 7-24. Auch die technologiestrategische Bedeutung aller Einzelkooperationsformen bleibt bei der Technologieverwertung der OTC-Töchter weit unter dem Bran-

OTC-Töchter von international operierenden Pharma-Unternehmen

637

chendurchschnitt. Insbesondere Vermarktungskooperationen mit indirekten Wettbewerbern, die nicht in den gleichen Indikationen oder Ländern tätig sind, nehmen bis 2010 an technologiestrategischer Priorität für diese Gruppe zu, sie besitzen sowohl 2000 ebenso wie 2010 auch absolut betrachtet den höchsten Stellenwert. Die Breite der technologischen Ausrichtung der Technologieverwertungsaktivitäten der OTC-Töchter ist bereits 1990 die geringste aller Gruppen. Im zeitlichen Verlauf bis 2010 nimmt diese starke Fokussierung des Produktportfolios noch weiter zu und erreicht damit zu allen drei Betrachtungszeitpunkten den höchsten Wert aller Gruppen. Ursache hierfür ist, daß der Aufbau starker OTC-Marken sehr zeit- und kostenintensiv ist und auch ihre Pflege in hohem Maße Ressourcen bindet. Berücksichtigt man, daß bei nahezu allen OTC-Präparaten die Wirkstoff-Patente schon vor z.T. langer Zeit ausgelaufen sind, so wird evident, daß nur durch die Markenstärke eine Differenzierung von preisgünstigeren Billiganbietern gelingt, die mit wirkstoffgleichen Präparaten auf dem Markt operieren. Der Globalisierungsgrad der Vermarktungsaktivitäten der OTC-Töchter ist im Gegensatz zur Größe des geographischen Aktionsradius der Technologiebeschaffungsaktivitäten außerordentlich groß und liegt zu allen drei Betrachtungszeitpunkten nur knapp hinter dem der Internat. Forscher und der Biotechnologie-Unternehmen und deutlich über dem aller übrigen Gruppen. Die Bedeutung, die dabei für diesen Technologiestrategietyp die einzelnen Länder und Regionen als Märkte besitzen, gibt Abb. 7-25 wieder. Im Rahmen der Globalisierung ihrer Vermarktungsaktivitäten gewinnen außer Deutschland fast alle Märkte deutlich an technologiestrategischer Bedeutung, allerdings bleibt Deutschland für die OTC-Töchter noch vor Frankreich, den USA, Italien und Großbritannien auch 2010 der wichtigste Einzelmarkt. Nach Umsatz und Anzahl der Mitarbeiter gehören die „OTC-Töchter“ zu den eher großen Unternehmen ihrer Branche.

638

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als Märkte (Vermarktung unter eigenem Namen oder Kooperationspartner (Lizenznehmer)) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich

OTC-Töchter von MNEs 2000 OTC-Töchter von MNEs 2010

Italien Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan Asien (außer Japan) Rest Welt 0

1

2

3

4

Gar Keine

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Existentielle Sehr Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-25:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Gruppe der „OTC-Töchter von MNEs“ im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

7.7 Generika-Hersteller 7.7.1

Technologiebeschaffungsstrategie

Die Generika-Hersteller verfügten schon 1990 über eine klar definierte Technologiestrategie, die auf die Entwicklung preisgünstiger, qualitativ hochwertiger Nachahmerprodukte ausgerichtet ist. Das Ausmaß der strategischen Neupositionierung ist daher im Vergleich zu den übrigen Gruppen eher gering. Entsprechend den primär auf Imitation ausgerichteten Technologiebeschaffungsaktivitäten ist die Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus die geringste aller Gruppen: Anschluß an die technologische Führung zu halten, ist kein strategisches Ziel. Der Schwerpunkt in der Technologiewertschöpfungskette liegt eindeutig auf den für die Herstellung von Generika nötigen Entwicklungsaktivitäten. Neben

Generika-Hersteller

639

der galenischen Entwicklung spielt auch die Verfahrensentwicklung, insbesondere mit dem Ziel der Produktkostenreduktion, eine mittlere Rolle. Wirkstoffforschung, -verbesserung, Indikationsentwicklung und Entwicklung von Kombinationspräparaten werden praktisch nicht betrieben. Die technologiestrategische Risikobereitschaft ist die geringste aller Gruppen: Die Technologiebeschaffungsstrategie der Generika-Hersteller beinhaltet weder das Eingehen hoher Forschungsrisiken noch die Erforschung bislang unheilbarer Krankheiten. Die Offenheit dieses Strategietyps, im Rahmen ihrer Imitationsaktivitäten auch in neue bislang dem jeweiligen Unternehmen nicht vertraute Indikationsgebiete einzusteigen, ist hingegen größer als bei jeder anderen Gruppe. Die F&E-Intensität liegt deutlich unter dem Branchendurchschnitt. Pionier in der Technologiebeschaffung zu sein, ist kein strategisches Ziel. Die Bedeutung ist die geringste aller Gruppen. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Timing der Technologiebeschaffung existentiell ist: Exakt bei Patentablauf des Originals ein eigenes (zugelassenes) Generikum auf dem Markt einführen zu können, ist überlebenswichtig. Die Außenorientierung der Technologiebeschaffungsaktivitäten der Generika-Hersteller war 1990 die höchste aller Gruppen. Während aber die übrigen Gruppen externe Technologiebeschaffungsalternativen im zeitlichen Verlauf zunehmend in Betracht ziehen, verschiebt sich die technologiestrategische Gewichtung der Generika-Hersteller stärker in Richtung interner Technologieeigengenerierung. Hintergrund hierzu ist, daß die Generika-Hersteller, nach negativen Erfahrungen in der Vergangenheit, eine Reduzierung der Abhängigkeit von Zulieferern (insbesondere Wirkstoff- und Dossierlieferanten) und eine stärkere Kontrolle über die vorgelagerten Stufen der Supply Chain anstreben. Die Makeor-Buy-Entscheidung in der Technologiebeschaffung fällt aber auch 2000 und 2010 immer noch eindeutig in Richtung Buy aus. Der technologische Verflechtungsgrad der Technologiebeschaffungsaktivitäten ist außergewöhnlich hoch und erreicht nach den Biotechnologie-Unternehmen den höchsten Wert aller Gruppen. Dies mag auf den ersten Blick vor dem Hintergrund der starken Imitationsfokussierung dieser Gruppe überraschen. Berücksichtigt man aber die enorme Bandbreite der von diesen Unternehmen bearbeiteten Indikationsfelder und Technologien und vergegenwärtigt man sich andererseits deren relativ geringe Ressourcenausstattung, so wird plausibel, daß der flexible und zeitnahe Zugang zu einer Vielzahl von z.T. nur sehr unregel-

640

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für den externen Know-how-Erwerb im zeitlichen Verlauf 2000-2010

F&E-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen F&E-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern F&E-Kooperationen mit "Zulieferern" F&E-Kooperationen mit "Kunden" Gemeinschaftsforschung Lizenznahme/-erwerb Dossiererwerb Vergabe von Forschungsaufträgen Akquisition von innovativen Unternehmen(-steilen) Bereitstellung von Seed und Venture Capital

Generika-Hersteller 2000 Generika-Hersteller 2010 0

Gar Keine

1 Sehr Geringe

2

3

4

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-26:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Kooperationsformen für die Gruppe der „Generika-Hersteller“ im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

mäßig benötigten Technologien nur über ein komplexes Netzwerk unterschiedlicher Technologiebeschaffungskooperationspartner sichergestellt werden kann. Hinsichtlich der Bedeutung, die die einzelnen Typen von Kooperationspartnern dabei für die Generika-Hersteller haben, unterscheiden sich diese Netzwerke aber grundlegend von denen der innovativ ausgerichteten Technologiestrategietypen, wie Abb. 7-26 veranschaulicht. Während der Dossiererwerb im zeitlichen Verlauf an Bedeutung verliert, gewinnen Gemeinschaftsforschung, Lizenzerwerb und Akquisitionen für die Generika-Hersteller an Bedeutung. Auch in Zukunft bleibt aber der Dossiererwerb vor Technologiebeschaffungskooperationen mit direkten Wettbewerbern und Zulieferern sowie Lizenzerwerb und Akquisitionen die wichtigste Einzelkooperationsform für diese Gruppe. Insbesondere der technologiestrategische Stellenwert von Dossiererwerb und von Kooperationen mit direkten Wettbewerbern und Zulieferern lag 2000 weit über dem Branchendurchschnitt. Auch wenn 2010 der Bedeu-

Generika-Hersteller

641

Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als F&E-Standorte (als Standort für unternehmensinterne F&E und F&E-Kooperationen) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Generika-Hersteller 2000 Generika-Hersteller 2010

Japan Asien (außer Japan) Rest Welt 0

1

2

3

4

Gar Keine

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Existentielle Sehr Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-27:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener F&E-Standorte für die Gruppe der „Generika-Hersteller“ im Rahmen der Technologiebeschaffung. Quelle: Eigene Darstellung

tungsabstand dieser wichtigsten Einzelkooperationsformen zum Branchenmittel abgenommen hat, bleibt insbesondere die Wichtigkeit des Dossiererwerbs charakteristisch für diesen Technologiestrategietyp. Die Breite der technologischen Ausrichtung der Technologiebeschaffungsaktivitäten der Generika-Hersteller ist mit merklichem Abstand die weitaus größte aller Gruppen. Ursächlich hierfür ist das zentrale Ziel der „Generika-Hersteller“, Komplettanbieter zu sein: Eine Fokussierung der Technologiebeschaffungsaktivitäten wird daher nicht angestrebt. Der geographische Aktionsradius der Technologiebeschaffungsaktivitäten der Generika-Hersteller hat im zeitlichen Verlauf stark zugenommen. Der Globalisierungsgrad bleibt aber auch in Zukunft deutlich unter dem Branchendurchschnitt zurück. Welchen Stellenwert dabei die einzelnen Länder und Regionen als Technologiebeschaffungsstandorte für diesen Technologiestrategietyp haben, ist in Abb. 7-27 wiedergegeben.

642

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

Die F&E-Standortattraktivität wird für die Generika-Hersteller vor allem von der Patentsituation im jeweiligen Land definiert: Das unveränderte Fehlen eines Analogons zum US-amerikanischen Roche-Bolar-Amendment in Deutschland und das Auslaufen patentrechtlicher Übergangsregelungen in Spanien läßt beide Länder deutlich an Bedeutung verlieren, während generische Entwicklungsaktivitäten in Osteuropa und Asien an Bedeutung gewinnen. Auch in Zukunft bleibt aber Deutschland mit großem Abstand der wichtigste Technologiebeschaffungsstandort für die im deutschen Markt operierenden Generika-Hersteller. Spanien wird seinen 2. Platz bis 2010 hingegen an Osteuropa abgeben müssen. Gleichzeitig rückt Asien auf Platz 3 vor: Neben Jordanien und Israel werden insbesondere Indien, Korea, die Volksrepublik China und Indonesien immer wichtiger. 7.7.2

Technologieverwertungsstrategie

Auch im Rahmen ihrer Technologieverwertungsaktivitäten konzentrieren sich die „Generika-Hersteller“ auf den Vertrieb preisgünstiger hochwertiger Generika. Anschluß an die technologische Führung zu halten, ist dabei kein strategisches Ziel. Die Unternehmen dieses Typs haben bereits 1990 über eine klar definierte Technologiestrategie verfügt, das Ausmaß der strategischen Neupositionierung ist daher eher gering. Die Markteinführung preisgünstiger Generika mit verbesserter Galenik und neuer Darreichungsform bleibt auch in Zukunft das zentrale Ziel der Vermarktungsstrategie der Generika-Hersteller: Während 1990 die Vermarktung neuer Kombinationsarzneimittel noch eine gewisse Rolle für die Unternehmen dieses Typs spielte, ging diese bereits 2000 weitgehend verloren. Gleichzeitig sind vor allem neue galenische Systeme noch wichtiger geworden und werden bis 2010 bei der Markteinführung preisgünstiger Generika eindeutig das vermarktungsstrategische Ziel No. 1. Die Markteinführung von Arzneimitteln mit neuen oder verbesserten Wirkstoffen besitzt genauso wenig einen technologiestrategischen Stellenwert für diese Gruppe wie die von Arzneimitteln zur Therapie bislang unheilbarer Krankheiten. Auch beim Timing der Technologieverwertungsaktivitäten nehmen die Unternehmen dieses Technologiestrategietyps eine Extremposition ein: Marktpionier zu sein, ist ohne jede technologiestrategische Bedeutung. Die Generika-Hersteller messen diesem strategischen Ziel die geringste Bedeutung aller Gruppen bei. Dieser niedrige Stellenwert darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß

Generika-Hersteller

643

das Timing auch für die Generika-Hersteller existentiell ist: Exakt bei Patentablauf des Originals ein eigenes (zugelassenes) Generikum auf dem Markt einführen zu können, ist überlebenswichtig. Hier geht es also nicht darum Innovations-, dafür aber Imitationswettläufe zu gewinnen. Die Außenorientierung der Generika-Hersteller im Rahmen der Technologieverwertung ist die niedrigste aller Gruppen: Die Eigenvermarktung von Produkten ist ohne Alternative. Bei der Eigennutzung verfahrenstechnischen Knowhows besteht zwar eine etwas größere Aufgeschlossenheit gegenüber einer externen Technologieverwertung, die Eigennutzung dominiert aber auch hier zu allen drei Betrachtungszeitpunkten eindeutig. Der technologische Verflechtungsgrad der Technologieverwertungsaktivitäten der Generika-Hersteller hat zwar im zeitlichen Verlauf von 1990 bis 2010 analog zum Branchentrend zugenommen, aber auch 2010 ist der Stellenwert von Technologievewertungskooperationen sehr gering (mit der zweitniedrigsten Bedeutung aller Gruppen). Die Bedeutung, die dabei die einzelnen Technologieverwertungskooperationsformen für die Unternehmen dieser Gruppe haben, gibt Abb. 7-28 wieder. Insbesondere Vermarktungskooperationen mit Wettbewerbern und Kunden sowie der Dossierverkauf nehmen für die Generika-Hersteller bis 2010 stark an strategischer Bedeutung zu. Dabei unterscheidet vor allem der hohe Stellenwert des Dossierverkaufs zu beiden Betrachtungszeitpunkten diesen Technologiestrategietyp von den übrigen Gruppen. In 2000 lag die strategische Bedeutung aller Vermarktungskooperationsformen (mit Ausnahme des Dossierverkaufs) für die Generika-Hersteller deutlich unter dem Branchendurchschnitt. Hieran ändert sich auch bis 2010 nichts. Auch im Vergleich zu den spiegelbildlichen Kooperationsformen der eigenen Technologiebeschaffung erreichen alle Vermarktungskooperationsformen bei weitem nicht das gleiche strategische Prioritätsniveau. Zentrales Ziel der Generika-Hersteller ist es, Komplettanbieter zu sein: eine Fokussierung des Produktportfolios wird daher nicht angestrebt. Die Breite der technologischen Ausrichtung der Technologieverwertungsaktivitäten der Generika-Hersteller weist mit deutlichem Abstand den größten Wert aller Gruppen auf. Der geographische Aktionsradius der Technologieverwertung der GenerikaHersteller war 1990 nur sehr gering. Trotz einer sprunghaften, deutlich über dem Bedeutungszuwachs der Gesamtbranche liegenden Zunahme des Globalisie-

644

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen Relative strategische Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen für die externe Know-how-Verwertung im zeitlichen Verlauf 2000-2010

Vermarktungs-Kooperationen mit Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen Vermarktungs-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit indirekten Wettbewerbern Vermarktungs-Kooperationen mit "Zulieferern" Vermarktungs-Kooperationen mit "Kunden" Gemeinschaftsvermarktung Lizenzvergabe und Patentverkauf Dossierverkauf Annahme von Forschungsaufträgen Verkauf von innovativen Unternehmen(-steilen) Weitergabe von Forschungsergebnissen als Vergütung für Seed und Venture Capital 0 Gar Keine

Generika-Hersteller 2000 Generika-Hersteller 2010 1

2

3

4

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-28:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Vermarktungskooperationsformen für die Gruppe der „Generika-Hersteller“ im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

rungsgrades, kann auch 2010 noch nicht von einer globalen Präsenz gesprochen werden. Allerdings sollte darauf hingewiesen werden, daß sich die einzelnen Generika-Hersteller in dieser Dimension untereinander stark unterscheiden: Während die größeren Unternehmen dieser Gruppe bei ihrer geographischen Expansion bereits weit fortgeschritten sind, sind die kleineren der Branche weiterhin fast vollständig auf den deutschen Markt konzentriert. Den Stellenwert der einzelnen Länder und Regionen als Märkte für diesen Technologiestrategietyp faßt Abb. 7-29 zusammen. Im Rahmen der Globalisierung ihrer Technologieverwertungsaktivitäten gewinnen – außer Deutschland – alle Märkte deutlich an strategischer Bedeutung, allerdings bleibt Deutschland mit großem Abstand für die Generika-Hersteller der wichtigste Einzelmarkt. 2000 lag der Globalisierungsgrad der Generika-Hersteller bezüglich aller Einzelmärkte deutlich unter dem Branchenmittel und wird es – trotz enorm gestiegener Bedeutung aller ausländischen Märkte – auch 2010 bleiben.

Generika-Hersteller

645

pp Relative strategische Bedeutung der einzelnen Länder/Regionen als Märkte (Vermarktung unter eigenem Namen oder Kooperationspartner (Lizenznehmer)) - im zeitlichen Verlauf 2000-2010 Deutschland Schweiz Großbritannien Frankreich Italien Spanien Niederlande Rest EU Osteuropa + Rußland USA Lateinamerika Japan Asien (außer Japan)

Generika-Hersteller 2000 Generika-Hersteller 2010

Rest Welt 0

1

2

3

4

Gar Keine

Sehr Geringe

Eher Geringe

Mittlere

Eher Große

5

6

Sehr Existentielle Große

Strategische Bedeutung

Abb. 7-29:

Gegenüberstellung der technologiestrategischen Bedeutung verschiedener Länder und Regionen als Märkte für die Gruppe der „Generika-Hersteller“ im Rahmen der Technologieverwertung. Quelle: Eigene Darstellung

Auch in dieser Hinsicht bestehen allerdings erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Unternehmen innerhalb der Gruppe. Während die Generika-Hersteller, am Umsatz gemessen, eher zu den Großen der Branche gehören, ist es, was die Zahl der Mitarbeiter betrifft, eher umgekehrt.

646

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

7.8 Zusammenfassende Gruppenübersicht Am Ende dieses Kapitels sollen die wichtigsten Charakteristika der sieben Technologiestrategietypen noch einmal übersichtlich zusammengefaßt werden. Die Darstellung erfolgt dabei, entsprechend der Vorgehensweise der früheren Kapitel, getrennt nach Technologiebeschaffungs- und Technologieverwertungsstrategie. Die hierfür verwendete Skalierung ist in der Legende in Abb. 7-30 noch einmal übersichtlich dargestellt. ---0 + ++ +++ Abb. 7-30:

7.8.1

sehr gering gering eher gering nicht eindeutig / ausgeglichen eher groß groß sehr groß

Legende: Skalierung der technologiestrategischen Bedeutung.

Gruppenübersicht Technologiebeschaffungsstrategie

Eine Übersicht über die Technologiebeschaffungsstrategieprofile der sieben Technologiestrategietypen zu den drei Betrachtungszeitpunkten 1990, 2000 und 2010 geben Abb. 7-31, Abb. 7-32 und Abb. 7-33. Während die horizontale Betrachtung die Technologiebeschaffungsstrategieprofile der sieben Gruppen abbildet, zeigt die Spaltenperspektive die Unterschiede zwischen den einzelnen Technologiestrategietypen für jede der sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen der Technologiebeschaffung auf. Da beiden Analyseperspektiven in den Kapiteln 6 und 7 ausführlich nachgegangen wurde, kann auf eine erneute Diskussion an dieser Stelle verzichtet werden.

Zusammenfassende Gruppenübersicht

647

Technologisches Leistungsniveau

Timing

Intensität der Außenorientierung

Technologischer Verflechtungsgrad

Breite der technologischen Ausrichtung

Geographische Ausdehung

Technologiebeschaffung 1990

++

++

--

+

--

-

++

++

--

0

-

+

+

++

---

0

0

-

-

0

0

0

0

--

--

--

0

-

+

---

OTC-Töchter von MNEs

---

---

-

-

+

0

Generika-Hersteller

---

---

+

+

+++

--

0

0

-

0

0

-

BiotechnologieUnternehmen Große Internationale Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovationsorientierter Mittelstand OTC/Traditioneller Mittelstand

Pharma-BranchenInsgesamt (Branchendurchschnitt) Abb. 7-31:

8

Übersicht: Technologiebeschaffungsstrategie der sieben Technologiestrategietypen 1990. Quelle: Eigene Darstellung8

Der in der Übersicht abgebildete Wert für die technologiestrategische Dimension „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ wurde auf Basis der Items „Gänzlich neue Wirkstoffe“, „Technologieführerschaft“, „Unheilbare Krankheiten“ und „hohe Forschungsrisiken“ ermittelt. Für die übrigen fünf Dimensionen ergeben sich die verwendeten Items unmittelbar aus der in Abb. 4-32 (S. 375) wiedergegebenen Übersicht über die Operationalisierung der Variablen der Technologiebeschaffungsstrategie. Zur Vermeidung von Irritationen ist noch kurz darauf hinzuweisen, daß für die Dimensionen „Intensität der Außenorientierung“ mit der Bedeutung von „interner F&E“ und „Breite der technologischen Ausrichtung“ mit der Bedeutung eines „hohen Spezialisierungsgrades“ genau gegenteilige Items abgefragt wurden, entsprechend waren die reziproken Werte der Items für die Dimension in obiger Übersichtstabelle anzugeben.

648

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

Technologisches Leistungsniveau

Timing

Intensität der Außenorientierung

Technologischer Verflechtungsgrad

Breite der technologischen Ausrichtung

Geographische Ausdehung

Technologiebeschaffung 2000

++

++

-

++

--

0

+++

+++

--

+

-

++

++

++

--

+

---

+

0

+

0

++

--

-

--

--

+

+

-

--

OTC-Töchter von MNEs

---

---

+

+

-

0

Generika-Hersteller

---

---

+

++

+++

-

0

0

0

+

-

0

BiotechnologieUnternehmen Große Internationale Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovationsorientierter Mittelstand OTC/Traditioneller Mittelstand

Pharma-BranchenInsgesamt (Branchendurchschnitt) Abb. 7-32:

9

Übersicht: Technologiebeschaffungsstrategie der sieben Technologiestrategietypen 2000. Quelle: Eigene Darstellung9

Der in der Übersicht abgebildete Wert für die technologiestrategische Dimension „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ wurde auf Basis der Items „Gänzlich neue Wirkstoffe“, „Technologieführerschaft“, „Unheilbare Krankheiten“ und „hohe Forschungsrisiken“ ermittelt. Für die übrigen fünf Dimensionen ergeben sich die verwendeten Items unmittelbar aus der in Abb. 4-32 (S. 375) wiedergegebenen Übersicht über die Operationalisierung der Variablen der Technologiebeschaffungsstrategie. Zur Vermeidung von Irritationen ist noch kurz darauf hinzuweisen, daß für die Dimensionen „Intensität der Außenorientierung“ mit der Bedeutung von „interner F&E“ und „Breite der technologischen Ausrichtung“ mit der Bedeutung eines „hohen Spezialisierungsgrades“ genau gegenteilige Items abgefragt wurden, entsprechend waren die reziproken Werte der Items für die Dimension in obiger Übersichtstabelle anzugeben.

Zusammenfassende Gruppenübersicht

649

Technologisches Leistungsniveau

Timing

Intensität der Außenorientierung

Technologischer Verflechtungsgrad

Breite der technologischen Ausrichtung

Geographische Ausdehung

Technologiebeschaffung 2010

+++

+++

0

+++

--

++

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+++

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-

++

++

+ ++

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0

++

0

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0

--

--

+

++

-

--

OTC-Töchter von MNEs

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--

+

+

-

0

Generika-Hersteller

---

--

+

++

+++

0

0

+

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++

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0

BiotechnologieUnternehmen Große Internationale Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovationsorientierter Mittelstand OTC/Traditioneller Mittelstand

Pharma-BranchenInsgesamt (Branchendurchschnitt) Abb. 7-33:

10

Übersicht: Technologiebeschaffungsstrategie der sieben Technologiestrategietypen 2010. Quelle: Eigene Darstellung10

Der in der Übersicht abgebildete Wert für die technologiestrategische Dimension „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ wurde auf Basis der Items „Gänzlich neue Wirkstoffe“, „Technologieführerschaft“, „Unheilbare Krankheiten“ und „hohe Forschungsrisiken“ ermittelt. Für die übrigen fünf Dimensionen ergeben sich die verwendeten Items unmittelbar aus der in Abb. 4-32 (S. 375) wiedergegebenen Übersicht über die Operationalisierung der Variablen der Technologiebeschaffungsstrategie. Zur Vermeidung von Irritationen ist noch kurz darauf hinzuweisen, daß für die Dimensionen „Intensität der Außenorientierung“ mit der Bedeutung von „interner F&E“ und „Breite der technologischen Ausrichtung“ mit der Bedeutung eines „hohen Spezialisierungsgrades“ genau gegenteilige Items abgefragt wurden, entsprechend waren die reziproken Werte der Items für die Dimension in obiger Übersichtstabelle anzugeben.

650

7.8.2

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

Gruppenübersicht Technologieverwertungsstrategie

Eine Übersicht über die Technologieverwertungsstrategieprofile der sieben Technologiestrategietypen zu den drei Betrachtungszeitpunkten 1990, 2000 und 2010 geben Abb. 7-34, Abb. 7-35, und Abb. 7-36. Während die horizontale Betrachtung die Technologieverwertungsstrategieprofile der sieben Gruppen abbildet, gibt die Spaltenperspektive die Unterschiede zwischen den einzelnen Technologiestrategietypen für jede der sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen der Technologieverwertung wieder. Da beiden Analyseperspektiven in den Kapiteln 6 und 7 ausführlich nachgegangen wurde, kann auf eine erneute Diskussion an dieser Stelle verzichtet werden.

Zusammenfassende Gruppenübersicht

651

Technologisches Leistungsniveau

Timing

Intensität der Außenorientierung

Technologischer Verflechtungsgrad

Breite der technologischen Ausrichtung

Geographische Ausdehung

Technologieverwertung 1990

+

++

+

+

--

++

++

++

--

0

-

++

+

+

-

0

+

0

--

0

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-

0

-

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--

---

-

0

--

OTC-Töchter von MNEs

---

-

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--

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+++

Generika-Hersteller

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---

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-

+++

-

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0

--

-

0

0

BiotechnologieUnternehmen Große Internationale Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovationsorientierter Mittelstand OTC/Traditioneller Mittelstand

Pharma-BranchenInsgesamt (Branchendurchschnitt) Abb. 7-34:

11

Übersicht: Technologieverwertungsstrategie der sieben Technologiestrategietypen 1990. Quelle: Eigene Darstellung11

Der in der Übersicht abgebildete Wert für die technologiestrategische Dimension „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ wurde auf Basis der Items „Gänzlich neue Wirkstoffe“ und „Unheilbare Krankheiten“ ermittelt. Der Wert für die „Intensität der Außenorientierung“ basiert auf den Items „Eigenvermarktung von Produkten“ und „Eigennutzung von Verfahren“. Für die übrigen vier Dimensionen ergeben sich die verwendeten Items unmittelbar aus der in Abb. 4-33 (S. 376) wiedergegebenen Übersicht über die Operationalisierung der Variablen der Technologieverwertungsstrategie. Zur Vermeidung von Irritationen ist noch kurz darauf hinzuweisen, daß für die Dimensionen „Intensität der Außenorientierung“ mit der Bedeutung von „Eigenvermarktung/Eigennutzung“ und „Breite der technologischen Ausrichtung“ mit der Bedeutung eines „hohen Spezialisierungsgrades“ genau gegenteilige Items abgefragt wurden, entsprechend waren die reziproken Werte der Items für die Dimension in obiger Übersichtstabelle anzugeben.

652

Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen

Technologisches Leistungsniveau

Timing

Intensität der Außenorientierung

Technologischer Verflechtungsgrad

Breite der technologischen Ausrichtung

Geographische Ausdehung

Technologieverwertung 2000

+

+++

0

++

--

++

+++

+++

--

0

-

+++

++

++

-

+

-

++

-

+

--

+

--

+

---

--

--

0

-

-

OTC-Töchter von MNEs

---

-

--

--

--

++

Generika-Hersteller

---

---

--

-

+++

0

0

0

--

0

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+

BiotechnologieUnternehmen Große Internationale Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovationsorientierter Mittelstand OTC/Traditioneller Mittelstand

Pharma-BranchenInsgesamt (Branchendurchschnitt) Abb. 7-35:

12

Übersicht: Technologieverwertungsstrategie der sieben Technologiestrategietypen 2000. Quelle: Eigene Darstellung12

Der in der Übersicht abgebildete Wert für die technologiestrategische Dimension „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ wurde auf Basis der Items „Gänzlich neue Wirkstoffe“ und „Unheilbare Krankheiten“ ermittelt. Der Wert für die „Intensität der Außenorientierung“ basiert auf den Items „Eigenvermarktung von Produkten“ und „Eigennutzung von Verfahren“. Für die übrigen vier Dimensionen ergeben sich die verwendeten Items unmittelbar aus der in Abb. 4-33 (S. 376) wiedergegebenen Übersicht über die Operationalisierung der Variablen der Technologieverwertungsstrategie. Zur Vermeidung von Irritationen ist noch kurz darauf hinzuweisen, daß für die Dimensionen „Intensität der Außenorientierung“ mit der Bedeutung von „Eigenvermarktung/Eigennutzung“ und „Breite der technologischen Ausrichtung“ mit der Bedeutung eines „hohen Spezialisierungsgrades“ genau gegenteilige Items abgefragt wurden, entsprechend waren die reziproken Werte der Items für die Dimension in obiger Übersichtstabelle anzugeben.

Zusammenfassende Gruppenübersicht

653

Technologisches Leistungsniveau

Timing

Intensität der Außenorientierung

Technologischer Verflechtungsgrad

Breite der technologischen Ausrichtung

Geographische Ausdehung

Technologieverwertung 2010

++

+++

0

++

--

+++

+++

+++

--

+

-

+++

++

+++

-

++

--

+++

0

+

--

+

--

+

---

--

--

+

--

0

OTC-Töchter von MNEs

---

-

--

-

--

++

Generika-Hersteller

---

---

--

-

+++

+

0

+

--

+

-

++

BiotechnologieUnternehmen Große Internationale Forscher Mittelgroße internat. Forscher Innovationsorientierter Mittelstand OTC/Traditioneller Mittelstand

Pharma-BranchenInsgesamt (Branchendurchschnitt) Abb. 7-36:

13

Übersicht: Technologieverwertungsstrategie der sieben Technologiestrategietypen 2010. Quelle: Eigene Darstellung13

Der in der Übersicht abgebildete Wert für die technologiestrategische Dimension „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ wurde auf Basis der Items „Gänzlich neue Wirkstoffe“ und „Unheilbare Krankheiten“ ermittelt. Der Wert für die „Intensität der Außenorientierung“ basiert auf den Items „Eigenvermarktung von Produkten“ und „Eigennutzung von Verfahren“. Für die übrigen vier Dimensionen ergeben sich die verwendeten Items unmittelbar aus der in Abb. 4-33 (S. 376) wiedergegebenen Übersicht über die Operationalisierung der Variablen der Technologieverwertungsstrategie. Zur Vermeidung von Irritationen ist noch kurz darauf hinzuweisen, daß für die Dimensionen „Intensität der Außenorientierung“ mit der Bedeutung von „Eigenvermarktung/Eigennutzung“ und „Breite der technologischen Ausrichtung“ mit der Bedeutung eines „hohen Spezialisierungsgrades“ genau gegenteilige Items abgefragt wurden, entsprechend waren die reziproken Werte der Items für die Dimension in obiger Übersichtstabelle anzugeben.

8

Modellkritik und -erweiterung im Spiegel der empirisch gewonnenen Erkenntnisse

Das vorliegende Kapitel bildet den Abschluß des praktischen Teils der vorliegenden Arbeit (vgl. Abb. 8-1). Seine Aufgabe ist es, aufbauend auf der ausführlichen Diskussion der empirischen Befunde auf der inhaltlichen Ebene der beiden vorherigen Kap. 6 und 71 aus konzeptioneller Perspektive eine differenzierte Modellkritik im Spiegel der empirischen Resultate vorzunehmen. 1. Einleitung

Prolog

Analyse & Extraktion

2. Konzeptionelle Grundlagen: Technologiemanagement im Rahmen der Unternehmensstrategie

3. Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells des strategischen Technologiemanagements

Synthese

4. Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Konkretisierung

5. Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik 6. Die technologiestrategische Positionierung im deutschen Pharma-Markt im zeitlichen Verlauf 1990 Ÿ 2000 Ÿ 2010 7.1. BiotechnologieUnternehmen

7.2. Große internat. Forscher

7.3. Mittelgroße internat. Forscher

7.4. Innovat. Mittelstand

7.5. OTC/ Trad. Mittelstand

7.6. OTCTöchter von MNEs

7. Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen im deutschen Pharma-Markt

Abb. 8-1:

1

7.7. GenerikaHersteller

Fazit 8. Modellkritik und -erweiterung im Spiegel der empirisch gewonnenen Erkenntnisse 9. Zusammenfassung und Ausblick

Übersicht: Einordnung von Kapitel 8 in den Gesamtkontext der Arbeit. Quelle: Eigene Darstellung

Vgl. S. 431ff und S. 593ff.

656

Modellkritik und -erweiterung

8.1 Kritische Betrachtung der Konzeption der technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen Am spannendsten ist aus konzeptioneller Perspektive die Reflexion über die Entscheidungsdimension der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus: 1) war dies die Dimension, die am schwierigsten einer konkreten Betrachtung und Operationalisierung zugänglich war, und die deshalb in Kap. 3.3.2.1 zunächst differenziert präzisiert werden mußte, was zur Entwicklung des Konzeptes der Technologiewertschöpfungskette führte.2 2) nahm diese Dimension auch im Rahmen der empirischen Studie den mit Abstand größten Raum aller Entscheidungsdimensionen ein. Im Rahmen dieser Reflexion ist in der Tat zu beobachten, daß die empirischen Befunde die im Rahmen der Entwicklung der Konzeption der Technologiewertschöpfungskette aufgestellte Annahme unterstützen, daß nur das Kriterium der Technologieführerschaft zur Beschreibung der Entscheidungsdimension der Höhe des angestrebten technologiestrategischen Leistungsniveaus nicht hinreichend ist, weil es zu stark polarisiert und kleinere Technologiewertschöpfungsleistungen unberücksichtigt läßt.3 Die Erweiterung in Unterdimensionen liefert ein sehr viel schärferes Bild, da sich so klare Konturen erkennen lassen, die deutlich machen, daß die Realtypen nicht nur Nuancen von den beiden Polen Technologieführer bzw. -folger entfernt sind. In den allermeisten Fällen weisen die empirischen Beobachtungen modellkonforme Befunde auf: Im Regelfall sinkt dort – in Übereinstimmung mit den Modellannahmen – die Höhe der technologischen Wertschöpfung entlang der Technologiewertschöpfungskette, d.h. die Höhe der technologischen Wertschöp2 3

Vgl. S. 137ff. Durch einen „Kunstgriff“ in der Interviewführung tritt dies in der vorliegenden Arbeit nur „abgemildert“ zutage: Die Frage nach der Technologieführerschaft wurde nämlich erst nach der Frage der Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette behandelt, so daß die Interviewpartner bereits auf eine differenzierte Skalierung „geeicht“ waren. Dadurch wurde die Frage nach der Technologieführerschaft nicht nur mit einem bloßen „ja oder nein“ beantwortet. Ohne diese Hinleitung wäre dies aber sicher nicht der Fall gewesen, wie die Erfahrungen des Pretests belegen, als diese Frage zu Beginn des Interviews (vor den Fragen nach der Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette) gestellt wurde.

Kritische Betrachtung der Konzeption

657

fung nimmt mit jeder Stufe von der „Erforschung und Entwicklung eines gänzlich neuen Wirkstoffs“ bis zur Stufe der „Entwicklung einer neuen Darreichungsform“ kontinuierlich ab. Die sorgfältige Detailbetrachtung der empirischen Befunde scheint dann aber einen Widerspruch aufzudecken: Hiernach besteht nämlich zwischen der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus und der Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette auf den ersten Blick nicht immer zwangsläufig ein linearer Zusammenhang, auch wenn beide (wie gesagt) in den meisten Fällen korrelieren. Im einzelnen ließen sich folgende Ausnahmen beobachten: 1) Eine zu beobachtende Ausnahme lag darin, daß Unternehmen einerseits die technologische Führung anstrebten, andererseits aber auf den vorderen Stufen der Technologiewertschöpfungskette nicht aktiv waren: Die Technologische Wertschöpfung begann erst auf der Stufe der Erweiterung des Indikationsspektrums. Ein genaueres Nachfragen (im Rahmen des qualitativen Teils der Interviews) ergab dann allerdings, daß es sich hier nur um einen Scheinwiderspruch zur Modellannahme handelte, weil für das vom Unternehmen ausschließlich behandelte Indikationsgebiet grundsätzlich keine „eigenen“ (von keinem Unternehmen) Wirkstoffe entwickelt werden. Vielmehr werden ursprünglich für andere Indikationen entwickelte und zugelassene Wirkstoffe im Rahmen der Indikationsforschung und -entwicklung auf das besagte Indikationsgebiet übertragen. Ein Beispiel hierfür ist das Indikationsfeld der Hauterkrankungen. Grundsätzlich läßt sich beobachten, daß je kleiner eine Indikation (Umsatz und Anzahl der betroffenen Patienten) ist und je weniger schwerwiegend die Folgen der jeweiligen Krankheiten sind, desto eher wird die exklusive Wirkstofforschung (aufgrund deren enormer Kosten)4 unterbleiben und stattdessen im Zuge einer Indikationserweiterung die Eignung eines originär für ein anderes Therapiegebiet erforschten Wirkstoffs für die eigene Indikation geprüft werden. Unternehmen, die ausschließlich Indikationsforschung/-entwicklung 4

Vgl. hierzu die Ausführungen zum Anstieg der Entwicklungskosten bei der Erforschung neuer Wirkstoffe (NMEs) in Kap. 4.1.4, S. 308ff. In diesem Zusammenhang war auch bereits auf die Problematik eingegangen worden, daß für viele sehr kleine Indikationen („Orphan Diseases“) und kleine Patientenklientele mit spezifischen Entwicklungsanforderungen (insbesondere Kinder) in vielen Fällen selbst die Stufe der Indikationserweiterung gemieden wird.

658

Modellkritik und -erweiterung

(plus evtl. nachgelagerte Technologiewertschöpfungsstufen) betreiben, können also sehr wohl in ihrer Indikation Technologieführer sein. 2) Ein zweiter scheinbar noch gravierenderer Widerspruch liegt in Form der Beobachtung vor, daß Unternehmen, die sogar nur auf der Stufe der Entwicklung neuer Darreichungsformen aktiv sind, parallel auch die Technologieführerschaft anstreben. Ein Unternehmen, das an der Studie teilgenommen und seine Wurzeln im Bereich der Medizintechnik hat, erforscht z.B. keine eigenen Wirkstoffe, strebt aber über die aus seiner galenischen Forschung resultierenden Produkte durchaus die technologische Führung an. Ein konkretes Beispiel hierfür war die Entwicklung (genauer: Erforschung) eines speziellen Inhalators für Diabetiker, wobei der Wirkstoff (Insulin) ohne weitere Verbesserung eingesetzt wird und die (allerdings beträchtliche) technologische Wertschöpfung und Innovationsleistung ausschließlich in der Entwicklung eines neuen galenischen Systems bestand. Aber auch hier handelt es sich nur um einen scheinbaren Gegensatz zu den Modellannahmen, da die Entwicklung eines Inhalators – streng genommen – branchenfremd ist, weil sie eigentlich in den Bereich der Medizintechnik und nicht in den der Galenik (als Teil der Arzneimittelentwicklung) gehört und somit gar keinen Teil der hier relevanten pharmazeutischen Technologiewertschöpfungskette abdeckt. Auf der medizintechnischen Technologiewertschöpfungskette kann es sich dabei übrigens durchaus um ein neues Basisprodukt handeln (was auf der parallelen pharmazeutischen Technologiewertschöpfungskette der Erforschung gänzlich neuer Wirkstoffe entspricht). Damit ist das Anstreben der technologischen Führung durch das besagte Unternehmen auch nicht mehr überraschend. Beide Ausnahmen können als Sonderfälle betrachtet werden, die in keinem tatsächlichen Widerspruch zur Konzeption der Technologiewertschöpfungskette und den darin inhärenten Modellannahmen stehen. Während es sich im letzten Fall um die Überlappung der Technologiewertschöpfungsketten zweier verwandter Branchen handelt, sind im ersten Fall in einer Indikation die vorderen Stufen der Technologiewertschöpfungskette unbesetzt. Hierbei kommt zum Tragen, daß die Frage der Technologieführerschaft nicht allgemeingültig abstrakt zu beantworten ist, sondern immer einen konkreten Bezugsrahmen braucht. Dieser leitet sich aus dem direkten Wettbewerbsumfeld ab, d.h. entscheidendes Referenzsystem sind die Produkte und Unternehmen, mit denen das betreffende Unter-

Kritische Betrachtung der Konzeption

659

nehmen im direkten Wettbewerb steht. In der pharmazeutischen Industrie bildet in der Regel das betreffende Indikationsgebiet den relevanten Vergleichsmaßstab. Um jedoch auch die vorstehend angeführten Sonderfälle richtig einordnen zu können, empfiehlt es sich, neben den beiden Subdimensionen „Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette“ und „Höhe der technologiestrategischen Risikobereitschaft“, zusätzlich auch noch global nach der „angestrebten relativen technologiestrategischen Wettbewerbsposition“ (also der technologiestrategischen Bedeutung der „Technologieführerschaft“) zu fragen. Dies ist deshalb zweckmäßig, da zwar in vielen, aber eben nicht in allen Fällen von der Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette direkt auf die Höhe des technologischen Leistungsniveaus und die „angestrebte relative technologiestrategische Wettbewerbsposition“ (also die technologiestrategische Bedeutung der „Technologieführerschaft“) geschlossen werden kann. Insgesamt kommt diese differenzierte Betrachtung aber in der empirischen Praxis überhaupt nur zum Tragen, wenn hinsichtlich der Erhebungsmethodik die Entscheidung zugunsten fragebogengestützter Experteninterviews gefallen ist. Auf Basis einer rein schriftlichen Erhebung wären diese Sonderfälle gar nicht zu erkennen und einzuordnen gewesen.5 Für die übrigen fünf technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen gilt, daß die empirischen Resultate die Modellannahmen stützen und die Eignung des Modells belegen. Diese Aussage wird insbesondere dadurch zusätzlich bekräftigt, daß sich für die beiden Dimensionen ‚technologischer Verflechtungsgrad’ und ‚geographische Ausdehnung’ die beobachteten Unterschiede auf der Detailebene der verschiedenen Kooperationsformen und Standorte, respektive Märkte, widerspiegeln und dadurch inhaltlich aufschlußreich konkretisieren lassen.

5

Bei der unpräzisen Meßmethode der schriftlichen Erhebung wird es sich nämlich, wenn derartige „Widersprüche“ auftreten, in den allermeisten Fällen schlicht um Fehlinterpretationen der Fragestellung durch den Beantworter handeln und nicht um einen inhaltlich begründeten Sonderfall.

660

Modellkritik und -erweiterung

8.2 Kritische Betrachtung der Konzeption der technologiestrategischen Entscheidungsbereiche Die empirischen Befunde unterstützten auch die Sinnhaftigkeit der vorgenommenen Differenzierung in die beiden technologiestrategischen Entscheidungsbereiche Technologiebeschaffung und Technologieverwertung, denn es bestehen in der Tat gravierende Unterschiede zwischen spiegelbildlichen technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen. Eine Sonderrolle nehmen in dieser Hinsicht die Dimension der „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ und deren Subdimension „Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette“ ein: Eine oberflächliche Betrachtung müßte hier (auch in Übereinstimmung mit der in Kap. 2.3 diskutierten Harmoniehypothese)6 zu dem Schluß kommen, daß die einzelnen Variablen in beiden Bereichen identisch sein müßten, denn auf den Schwerpunkten, auf denen ein Unternehmen Technologie beschafft, müßte ja auch die Verwertung stattfinden. Anhand der empirischen Befunde zeigt sich, daß die Unterschiede zwischen den jeweiligen Variablenpaaren dieser Dimension für die meisten Technologiestrategietypen geringer sind als bei den übrigen Dimensionen. Unterschiede treten aber dennoch auf. Dies wird insbesondere bei den Biotechnologie-Unternehmen deutlich (allerdings in abgeschwächter Ausprägung auch bei den übrigen Technologiestrategietypen). Hier kommt zum Tragen, daß sich die Unternehmen dieses Typs noch in einem starken Evolutionsprozeß befinden, d.h. die Schwerpunktsetzung entlang der Technologiewertschöpfungskette befindet sich noch im Fluß (konkret findet eine Expansion, ausgehend von den vorderen Stufen der Technologiewertschöpfungskette, auch auf die nachgelagerten Stufen statt), der sich (nicht nur hinsichtlich des Zeitpunkts) im Bereich der Technologiebeschaffung anders niederschlägt als im Bereich der Technologieverwertung. Systematisch lassen sich auf Basis der empirischen Befunde die folgenden Gründe für ein Auseinanderfallen spiegelbildlicher Subdimensionen der „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ anführen: – Eine zentrale Ursache war vorstehend bereits kurz erwähnt worden: eine tech-

nologiestrategische Neupositionierung in dieser Dimension. Diese wird auf 6

Vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen und die früheren (zur Harmoniehypothese) auf S. 88ff.

Kritische Betrachtung der Konzeption

661

Grund der langen Entwicklungsdauern (bei neuen Wirkstoffen acht bis zwölf Jahre) erst mit zeitlicher Verzögerung im anderen Bereich wirksam. Die Länge dieser zeitlichen Verzögerung ist bei einer Verschiebung in Richtung vorgelagerter Technologiewertschöpfungsstufen größer, insbesondere wenn ganz oder überwiegend auf Eigenerzeugung gesetzt wird und insgesamt auch kein Dritter bereits über eine geeignete erwerbbare Technologie verfügt. Je stärker die technologiestrategische Neupositionierung ausfällt, desto stärker ist auch das Auseinanderklaffen beider Bereiche infolge der zeitlichen Verzögerung. Das Ausmaß der Neuausrichtung wird wiederum umso stärker ausfallen, je stärker der betreffende Technologiestrategietyp noch am Beginn des Unternehmensentwicklungszyklus steht (Biotechnologie-Unternehmen), oder entweder technologische Umbrüche oder drastische Veränderungen im Unternehmensumfeld eine abrupte Neuausrichtung induzieren. Dabei spielt letztlich keine Rolle, welcher Bereich (Technologiebeschaffung oder -verwertung) die Neupositionierung primär treibt. – Es gibt aber noch eine zweite Hauptursache: Die Technologieverwertung er-

streckt sich nämlich nicht nur auf die Verwertung (gerade) neu hinzugewonnenen technologischen Wissens (unabhängig davon, ob dieses selbst erzeugt oder wie auch immer von Dritten erworben wurde), sondern auch auf die Verwertung bereits im Unternehmen vorhandenen technologischen Know-hows. Der technologische Wissensspeicher des jeweiligen Unternehmens sollte somit als Puffer zwischen beiden Bereichen fungieren, indem der Technologiebestand besser Technologiewert auf- bzw. abgebaut wird. Er kann also je nach spezifischer Situation sowohl für eine Vergrößerung als auch für eine Verringerung der Differenz (hinsichtlich der technologiestrategischen Bedeutung einer einzelnen Subdimension) zwischen beiden Bereichen verantwortlich sein. Hinzu kommt, daß dieser Technologiefundus kein statisches Gebilde ist, bei dem nur durch Technologiebeschaffung oder -verwertung Zu- oder Abflüsse erfolgen können. Vielmehr kann sich sein Umfang durch unkontrollierte Wissensabflüsse (z.B. in Folge von Personalwechsel, Industriespionage, zufälligen Parallelentdeckungen Dritter von nicht urheberrechtlich geschützten Technologien) oder -zuflüsse (z.B. Personaleinstellung oder Spillovereffekte öffentlichen Wissens) genauso verändern wie der Wert des in ihm enthaltenen technologischen Wissens. Derartige Wertveränderungen können sich z.B.

662

Modellkritik und -erweiterung

durch technologischen Fortschritt oder Veränderungen im regulatorischen oder Wettbewerbsumfeld ergeben. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß die empirischen Befunde eine Differenzierung in die beiden technologiestrategischen Entscheidungsbereiche Technologiebeschaffung und -verwertung nachdrücklich stützen. Das (empirisch beobachtete) Auftreten von Unterschieden zwischen beiden Bereichen bezüglich einer Dimension läßt sich dabei auch für den Sonderfall der „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ schlüssig begründen. Für die übrigen Dimensionen besteht diese Notwendigkeit erst gar nicht, weil zwischen ihnen keine Korrelation logisch zu erwarten gewesen wäre und die empirischen Befunde daher nicht überraschend sind: So besteht keine logische Kausalität, warum ein Unternehmen, das im Bereich der Technologiebeschaffung umfangreiche Netzwerke unterhält, dies automatisch auch bei der marktlichen Verwertung tun sollte. Abschließend soll noch kurz auf die auch in diesen Kontext fallende Harmoniehypothese eingegangen werden: Danach weisen unterschiedliche Funktionsbereichsstrategien, insbesondere die Technologie- und Marketingstrategie, bei gelungener Abstimmung eine gleichgerichtete inhaltliche Ausrichtung (vor allem hinsichtlich der verfolgten Offensivität) auf, was sich in einer höheren Erfolgsträchtigkeit niederschlägt.7 Der technologiestrategische Entscheidungsbereich der Technologieverwertung weist eine Reihe von Überschneidungen mit den Entscheidungsfeldern der Marketingstrategie auf, die (nur aus anderer Perspektive) ähnliche Aspekte festlegt. Die Harmoniehypothese müßte also gleichermaßen auch für die Beziehung von Technologiebeschaffungs- und Technologieverwertungsstrategie Gültigkeit besitzen. Die empirischen Befunde zeigen dabei durchaus eine teilweise Unterstützung der Harmoniehypothese, lassen aber ein differenzierteres Bild erkennen: In der Tat besteht nämlich hinsichtlich der technologiestrategischen Entscheidungsdimension der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus eine relativ große inhaltliche Übereinstimmung – wie oben ausführlich erörtert, aber keine vollständige Indentität. Ähnliches gilt (allerdings mit bereits größeren Einschränkungen)8 auch für die Dimension des Timings in beiden Bereichen. Hinsichtlich der übrigen vier Dimensionen ist die-

7 8

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 2.3.1, S. 88ff. Vgl. hierzu die früheren Ausführungen in Kap. 6.3.2, S. 511ff.

Kritische Betrachtung des Gesamtmodells

663

se inhaltliche Gleichausrichtung erheblich schwächer ausgeprägt bzw. zumeist gar nicht vorhanden. Diese Befunde sind dabei insgesamt aber eher als Präzisierung denn als Widerspruch zur Harmoniehypothese zu werten, schließlich bezieht sich diese vor allem auf den Grad der Offensivität der verfolgten Strategie und dieser wiederum wird in der Tat am stärksten (allerdings bei weitem nicht vollständig) durch die Dimension der Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus und des Timings repräsentiert.

8.3 Kritische Betrachtung des Gesamtmodells im Spiegel der clusteranalytischen Befunde Vordergründig könnte in der Tatsache ein Widerspruch vermutet werden, daß in einem, laut Modell, zwölfdimensionalen Entscheidungsraum (zwei technologiestrategische Entscheidungsbereiche mit je sechs Entscheidungsdimensionen) mit mindestens sechs Entscheidungsmöglichkeiten pro Dimension (die Skala reichte von +3 bis –3) sich nur sieben Technologiestrategietypen identifizieren lassen. Dieser Widerspruch ist aber schnell aufgelöst, denn in der Tat sind nicht nur sieben Zellen in dem zwölfdimensionalen Entscheidungsraum mit 612 Zellen (ca. 2,2 Mrd. Zellen) besetzt. Vielmehr ist es ja gerade das Prinzip der Clusteranalyse, ähnliche (aber nicht identische) Objekte zu Gruppen zusammenzufassen. Jeder Cluster entspricht also einem Zellenblock aus einer großen Anzahl aneinandergrenzender Zellen. Die vielschichtige Realität wird durch das Modell also auch als solche wahrgenommen. Die Clusteranalyse verdichtet diese nachfolgend, um untereinander heterogene aber innerlich homogene Grundverhaltensmuster zu identifizieren.9

9

Vgl. hierzu auch die Ausführungen zum Prinzip der Clusteranalyse und deren konkrete Anwendung für den vorliegenden Sachverhalt in Kap. 5.4.1, S. 415ff.

664

Modellkritik und -erweiterung

8.4 Zusammenfassende kritische Würdigung des Gesamtmodells im Spiegel der empirischen Befunde Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die empirischen Befunde das in der vorliegenden Arbeit abgeleitete, konkretisierte und operationalisierte Modell des strategischen Technologiemanagements stützen. Die vorstehend diskutierten Verfeinerungsüberlegungen erhöhen den Grad der Differenzierung und die Aussagekraft des Modells weiter. Die große empirisch zu beobachtende technologiestrategische Vielfalt unterstützt nachhaltig die zu Beginn der Arbeit vorgetragene Kritik an bisherigen technologieorientierten Typologisierungsansätzen, die nur eine oder wenige Dimensionen in den Fokus der Betrachtung stellten. Im Kontrast dazu stehen die empirischen Beobachtungen mit der Modellannahme im Einklang, daß die zwei (vier) technologiestrategischen Entscheidungsbereiche und die sechs Entscheidungsdimensionen eine Matrix aufspannen und jedes Entscheidungsfeld dieser Matrix eigenständig ist. Obwohl die einzelnen Entscheidungsfelder zweifelsfrei miteinander in Wechselwirkung stehen und auf vielfältige Weise zu einem komplexen Entscheidungsnetzwerk verknüpft sind, ließ sich im Rahmen der empirischen Untersuchung keine allgemeingültige Hierarchie in der Wertigkeit der einzelnen technologiestrategischen Entscheidungsebenen feststellen, wie dies in zahlreichen Typologisierungsansätzen explizit oder implizit postuliert wird. Vielmehr legen die Befunde klar den Schluß nahe, daß die Frage, welchem technologiestrategischen Entscheidungsfeld prioritäre Bedeutung zukommt, von der konkreten Entscheidungssituation des betreffenden Unternehmens und der sie determinierenden Faktoren abhängt. Die entwickelte Konzeption einer Matrix aus technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen und -bereichen war, wie die Befunde belegen, erforderlich, um die in der Realität zu beobachtende technologiestrategische Vielfalt wirklich vollständig zu erfassen. Auch war das Modell geeignet, die empirischen Befunde differenziert und umfassend zu interpretieren. Auch der zentrale Nachteil eines zu großen Abstraktionsgrades, den die meisten bisherigen Entscheidungsmodelle des strategischen Technologiemanagements aufwiesen, konnte in der vorliegenden Arbeit durch dessen Präzisierung, Konkretisierung und Operationalisierung überwunden werden: Die auf Basis des operationalisierten Modells vorgenommene empirische Studie belegt dessen praktische Anwendbarkeit nachdrücklich.

9

Zusammenfassung und Ausblick

Die Aufgabe dieses abschließenden Kapitels (vgl. Abb. 9-1) ist es, einen zusammenfassenden Überblick über Hintergrund, Aufgabenstellung, methodische Vorgehensweise und insbesondere die erzielten Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zu geben. Hierbei wird es vor allem auch darum gehen, noch einmal kompakt den besonderen Wert dieser Resultate für Wissenschaft und Praxis darzulegen sowie einen Ausblick zu geben, welche weiterführenden Forschungsansätze durch die hier erzielten Ergebnisse ermöglicht werden, was anhand einiger konkreter Überlegungen auch bereits beispielhaft illustriert wird. Um dem Leser durch dieses Kapitel einen möglichst effizienten Überblick über die vorliegende Arbeit zu geben, werden hier zunächst einleitend die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit kompakt in einem Absatz verdichtet. Der nachfolgende ausführlichere zusammenfassende Über- und Ausblick richtet sich dann

1. Einleitung

Prolog

Analyse & Extraktion

2. Konzeptionelle Grundlagen: Technologiemanagement im Rahmen der Unternehmensstrategie

3. Ableitung eines eigenen Entscheidungsmodells des strategischen Technologiemanagements

Synthese

4. Strategisches Technologiemanagement in der Pharmazeutischen Industrie

Konkretisierung

5. Empirische Untersuchung, Forschungsdesign und Auswertungsmethodik

Fazit 6. Die technologiestrategische Positionierung im deutschen Pharma-Markt im zeitlichen Verlauf 1990 Ÿ 2000 Ÿ 2010 7.1. BiotechnologieUnternehmen

7.2. Große internat. Forscher

7.3. Mittelgroße internat. Forscher

7.4. Innovat. Mittelstand

7.5. OTC/ Trad. Mittelstand

7.6. OTCTöchter von MNEs

7. Charakterisierung der sieben Technologiestrategietypen im deutschen Pharma-Markt

Abb. 9-1:

7.7. GenerikaHersteller

8. Modellkritik und -erweiterung im Spiegel der empirisch gewonnenen Erkenntnisse

9. Zusammenfassung und Ausblick

Übersicht: Einordnung von Kapitel 9 in den Gesamtkontext der Arbeit. Quelle: Eigene Darstellung

666

Zusammenfassung und Ausblick

an der Kapitelstruktur der Arbeit aus und garantiert so einerseits einen raschen Gesamtüberblick und ermöglicht dem Leser andererseits durch die klare Struktur jederzeit ein einfaches gezieltes Zurückgehen in einzelne Kapitel ohne großen Suchaufwand.

9.1 Zusammenfassender Überblick über die zentralen Ergebnisse Die zentralen Befunde der vorliegenden Arbeit lassen sich in einen konzeptionellen und einen inhaltlich-deskriptiven Teilblock unterteilen: In konzeptioneller Hinsicht besteht der Erkenntnisfortschritt in der Entwicklung eines umfassenden technologiestrategischen Entscheidungsmodells, das alle Entscheidungsebenen und Optionen, die einem Unternehmen im Rahmen technologiestrategischer Entscheidungsprozesse zur Verfügung stehen, systematisch abbildet. Auf diese Weise wurde ein Bezugsrahmen geschaffen, der, insbesondere vor dem Hintergrund eines sich mit immer höherer Frequenz ändernden und komplexer werdenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen (insbesondere regulatorischen) und technologischen Umfeldes, eine klar strukturierte Entscheidungsfindung ermöglicht, die nicht nur alle Entscheidungsebenen, sondern auch deren redundante Wechselwirkungen umfassend berücksichtigt. Die Praxistauglichkeit dieses Modells wurde nach vorhergehender sorgfältiger Operationalisierung in einer aufwendigen empirischen Studie unter Einsatz einer Kombination von qualitativen und quantitativen Analysetechniken in Form von 250 fragebogengestützten Experteninterviews mit 80 Pharma- und Biotechnologieunternehmen erfolgreich überprüft. Die im Rahmen dieser Studie (die praktisch einer Vollerhebung der in Deutschland tätigen Pharma-Industrie entspricht) gewonnenen inhaltlichen Erkenntnisse wurden zur erstmaligen vollständigen und umfassenden Charakterisierung der technologiestrategischen Ausrichtung einer Gesamtbranche und der sie konstituierenden Technologiestrategietypen genutzt. Der inhaltliche Erkenntnisgewinn konnte ausgehend von einer Querschnittsbetrachtung für das Jahr 2000 durch eine Simulation einer zeitlichen Längsschnittanalyse zu zwei weiteren Zeitpunkten (1990 und 2010)1 sowie durch eine Untersuchung der wichtig1

Vgl. bzgl. der Vor- und Nachteile dieser Längsschnittssimulation die früheren Ausführungen in Kap. 5.2, S. 403ff.

Problemstellung: Gestiegene Bedeutung des strategischen Technologiemanagements 667

sten Faktoren des technologiestrategischen Umfeldes (relative Bedeutung der zentralen Wettbewerbsfaktoren, Technologiestrategieimpuls und technologiestrategischer Planungshorizont) weiter erhöht werden.

9.2 Problemstellung: Gestiegene Bedeutung des strategischen Technologiemanagements für den Unternehmenserfolg Die Bedeutung, die das strategische Technologiemanagement für den Erfolg von Unternehmen insgesamt hat, ist in den letzten Jahren stark angestiegen.2 Ursächlich hierfür ist vor allem, daß die Geschwindigkeit des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt technologischen Wandels in den letzten 50 Jahren exponentiell zugenommen hat. Anstelle sich langfristig abzeichnender evolutionärer technologischer Veränderungen sind immer stärker abrupte revolutionäre Umbrüche getreten, die bestehende Markt- und Wettbewerbskonstitutionen erschüttert und nachhaltig umgewälzt haben. Diese Dynamisierung hat sich insbesondere in einer drastischen Verkürzung der Marktzyklen3 bei gleichzeitig immens gestiegener Länge der Entwicklungszyklen4 und noch stärker gewachsenen Entwicklungskosten niedergeschlagen.5 Parallel dazu hat vor allem in der letzten Dekade die wirtschaftliche Globalisierung diese Dynamisierung nochmals rigoros vorangetrieben, da technologische Diskontinuitäten, die früher erst mit zum Teil großer Verzögerung auch Folgewirkungen in anderen Regionen entfaltet hatten, jetzt nahezu unverzüglich in der gesamten Welt bekannt und wirksam werden. Diese Dynamisierung konfrontiert die Unternehmen mit einer immer höheren Frequenz von weitreichenden Entscheidungen, die den Unternehmen gewaltige Chancen offerieren, aber auch enorme Risiken beinhalten und nicht selten über deren Aufstieg oder Fall entscheiden. Im Zentrum dieser Entscheidungen steht in fast allen Branchen das Management von Technologien. In vielen Branchen ist daher das strategische Technologiemanagement der dominie2 3

4

5

Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 1.1, S. 1ff. Vgl. hierzu z.B. Bitzer, M. R.; (1991), S. 35-38 und die dort zitierte Literatur. Bezüglich kürzer werdender Marktzyklen im Arzneimittelmarkt vgl. Abb. 4-31 (S. 363) der vorliegenden Arbeit und die dortigen Ausführungen. Vgl. z.B. Specht, G.; (1997), S. 402-403, der in diesem Zusammenhang von einer „Zeitfalle“ spricht, in die die Unternehmen zunehmend geraten. Vgl. hierzu die detaillierten Ausführungen in Kap. 4.1.4, S. 308ff.

668

Zusammenfassung und Ausblick

rende Treiber der Unternehmensstrategie geworden. Das strategische Technologiemanagement beschränkt sich dabei keinesfalls allein auf die im Rahmen der Technologiebeschaffung oder -eigenerzeugung (durch interne F&E) zu treffenden Entscheidungen, sondern muß deren Sicherung, Verwendung und Verwertung gleichermaßen parallel in den Mittelpunkt strategischer Überlegungen stellen. Dadurch zeichnet sich das strategische Technologiemanagement nicht nur durch die große Tragweite der Entscheidungen, sondern gleichzeitig auch durch enorme Entscheidungskomplexität aus. Diese Entscheidungskomplexität wird in vielen Industrien noch durch die in ihrer Vielfalt und Intensität immer umfangreicher werdenden staatlichen Regulierungen dramatisch verschärft. Dies trifft insbesondere deshalb zu, weil die Frequenz, mit der die regulatorischen Rahmenbedingungen novelliert werden, kontinuierlich zugenommen hat und in vielen Fällen den (immer langfristiger werdenden) technologiestrategischen Planungszeitraum unterschreitet.6 Hinzu kommt, daß derartige Veränderungen in vielen Fällen nur sehr schwierig prognostizierbar sind. Dieses Beispiel illustriert, daß es daher umso wichtiger ist, alle Ebenen technologiestrategischer Entscheidungen systematisch und explizit in die Unternehmensstrategie zu integrieren.

9.3 Konzeptionelle Zielsetzung Die zentrale konzeptionelle Zielsetzung dieser Arbeit bestand daher darin, ein umfassendes technologiestrategisches Entscheidungsmodell zu identifizieren bzw. zu entwickeln, das diesen gestiegenen Anforderungen gerecht wird. Hierzu muß es alle Entscheidungsebenen und Optionen, die einem Unternehmen im Rahmen technologiestrategischer Entscheidungsprozesse zur Verfügung stehen, systematisch abbilden. Auf diese Weise ist ein Bezugsrahmen zu schaffen, der, insbesondere vor dem Hintergrund eines sich ändernden und komplexer werdenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen (insbesondere regulatorischen) und technologischen Umfeldes, eine klar strukturierte Entscheidungsfindung ermöglicht, die nicht nur alle Entscheidungsebenen, sondern auch deren redundante Wechselwirkungen umfassend berücksichtigt.

6

Vgl. Wenninger, W.; (1994), S. 72-74, sowie bezüglich der Langfristigkeit des technologiestrategischen Planungshorizontes die empirischen Befunde in Kap. 6.4.3 (S. 589ff).

Konzeptionelle Ergebnisse der Literaturanalyse

669

9.4 Konzeptionelle Ergebnisse der Literaturanalyse Die sorgfältige Analyse der Modelle der wichtigsten Arbeiten und Studien zu technologieorientierten Ansätzen7 dokumentiert zwar einerseits den enormen Erkenntnisgewinn, der in diesem Bereich durch zahlreiche bahnbrechende Arbeiten in den letzten 30 Jahren erzielt wurde, zeigt gleichzeitig aber auch auf, daß keiner der bisherigen Ansätze bereits den oben beschriebenen konzeptionellen Ansprüchen vollständig genügt.8 Vor dem Hintergrund der hier betrachteten Aufgabenstellung mußte in konzeptioneller Hinsicht bei allen das Auftreten eines oder mehrerer der nachfolgenden Kritikpunkte festgestellt werden: – Unvollständigkeit der berücksichtigten Technologiestrategieelemente bzw.

starke Fokussierung auf einen oder wenige Einzelaspekte – Fehlende systematische Strukturierung der berücksichtigten Technologie-

strategieelemente zu einem konsistenten Gesamtmodell – Mangelnde theoretische Fundierung (insbesondere bei einigen Realtypologien

aus der Unternehmensberatungspraxis) – Hoher Abstraktionsgrad und fehlende oder unvollständige Operationalisie-

rung, die eine Nutzung in der empirischen wissenschaftlichen Forschung oder einen Einsatz in der unternehmerischen Praxis stark beeinträchtigt oder ganz unmöglich macht (insbesondere bei den betrachteten Idealtypologien).

9.5 Modellableitung Im Rahmen der sorgfältigen Literaturanalyse konnten aus der Gesamtheit aller Ansätze die entscheidenden technologiestrategischen Bausteine extrahiert werden und zu einem eigenen umfassenden und klar strukturierten Modell, das die vorstehend genannten Anforderungen vollständig erfüllt, verknüpft werden.9 7

8

9

Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 2.2.2 (S. 75ff), Kap. 2.3.2 (S. 94ff) und Kap. 2.4 (S. 105ff), sowie für die detaillierte Analyse der einzelnen Ansätze die Ausführungen in Feldmann, C.; (2005 a). In Kapitel 4.5 war bereits die auf Basis einer umfangreichen Literaturanalyse entstandene Kritik an den bisherigen Technologiestrategietypologisierungsansätzen zusammengefaßt worden, vgl. S. 393ff. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 3 (S. 113ff).

670

Zusammenfassung und Ausblick

Kernaussage dieses Modells ist, daß es vier technologiestrategische Entscheidungsbereiche mit jeweils sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen gibt. Die vier technologiestrategischen Entscheidungsbereiche sind dabei: – Technologiebeobachtung – Technologiebeschaffung – Technologiesicherung – Technologieverwertung.

Technologiebeschaffung und -verwertung sind dabei von zentraler Bedeutung. Für jeden dieser zwei (streng genommen vier)10 Bereiche konnten jeweils sechs technologiestrategische Dimensionen identifiziert werden: – Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus – Timing – Intensität der Außenorientierung (Make-or-Buy-Relation) – Technologischer Verflechtungsgrad – Breite der technologischen Ausrichtung (Spezialisierungsgrad) – Geographischer Aktivitätsradius

10

Zwar sind auch die beiden übrigen technologiestrategischen Entscheidungsbereiche von nicht zu vernachlässigender Bedeutung für das strategische Technologiemanagement, insgesamt ist aber ihr Stellenwert und vor allem auch die Komplexität der Entscheidungsfindung erheblich geringer als bei der Technologiebeschaffung und -verwertung. Aus diesem Grunde ist die Berücksichtigung der nachfolgend beschriebenen jeweils sechs Entscheidungsdimensionen für die Technologiebeobachtung und -sicherung zwar ebenfalls möglich und in vielen Fällen auch sinnvoll, aber nicht existentiell notwendig wie für die Bereiche Technologiebeschaffung und -verwertung. Daher erfolgte im Rahmen der weiteren Ausführungen (insbesondere der Operationalisierung und empirischen Studie) eine Fokussierung auf die Bereiche der Technologiebeschaffung und -verwertung. Diese Eingrenzung war auch schon allein aufgrund der ohnehin außerordentlich hohen Komplexität unvermeidlich, um diese einer empirischen Überprüfung zugänglich zu machen.

Analyse bisheriger empirischer Studien

671

9.6 Analyse bisheriger empirischer Studien Obwohl viele der analysierten Ansätze zweifelsfrei erheblich zum Verständnis der Bedeutung und Ausrichtung von Technologiestrategien in der Unternehmensrealität beigetragen haben, mußten bei allen mit Blick auf die inhaltliche Aussagekraft eine oder mehrere der folgenden Einschränkungen/Defizite attestiert werden:11 – Fehlende empirische Untersuchung – Keine Primärdatenerhebung und/oder Rückgriff auf nicht spezifisch für den

Untersuchungsgegenstand erhobene bestehende Sekundärdatenquellen – Keine für eine Branche als Ganzes repräsentative Stichprobe (z.B. durch

Fokussierung auf Einzelgruppen, wie etwa börsennotierte Großunternehmen oder Biotechnologie-Unternehmen bei Pharma-Studien). Die gewonnenen Erkenntnisse lassen dadurch nur schwer (oder gar nicht) verallgemeinernde Rückschlüsse auf die Branche als Ganzes zu. Außerdem bleibt das breite Spektrum der komplexen Vielfalt möglicher und in der Realität zu beobachtender unterschiedlicher technologiestrategischer Positionierungen dabei unentdeckt. – Geringe Rücklaufquoten (inbesondere bei rein schriftlichen Erhebungen) oder

geringer Umfang der Stichproben/des Expertenkreises (insbesondere bei Experteninterviews) – Methodische Fehleranfälligkeit und daraus resultierende Schwierigkeiten/

Unsicherheiten bei der Datenauswertung bei rein quantitativ schriftlichen Studien – Fehlende oder mangelhafte Vorbereitung (Umfang des Pretests) und Validie-

rung (Umfang der Ergebnisvalidierung nach Hauptstudie)

9.7 Deskriptiv-inhaltliche Zielsetzung Das zweite Kernstück der Arbeit bestand daher in der sorgfältigen Überprüfung der Praxistauglichkeit dieses Modells mittels einer empirischen Studie an einem besonders aussagekräftigen Untersuchungsobjekt. Dies dient sowohl dazu, in

11

Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 4.4, S. 377ff.

672

Zusammenfassung und Ausblick

konzeptioneller Hinsicht die generelle Eignung des Modells zu validieren als auch eventuellen Optimierungsbedarf zu identifizieren.12 In inhaltlicher Hinsicht zielt die empirische Studie auf die umfassende und verläßliche Erfassung der technologiestrategischen Ausrichtung einer Gesamtbranche sowie der in dieser existierenden verschiedenen Technologiestrategietypen einschließlich der zwischen ihnen bestehenden Unterschiede. Als äußerst aussagekräftiges Untersuchungsobjekt zur empirischen Evaluierung des Modells eignet sich in besonderer Weise die Pharmazeutische Industrie. Dies hat drei zentrale Gründe: – In der besonders forschungsintensiven Pharmazeutischen Industrie ist der stra-

tegische Stellenwert des Technologiemanagements im Vergleich zu allen anderen Branchen besonders hoch: Die Pharmazeutische Industrie weist, selbst im Vergleich zu „High-Tech“-Industrien wie der Computer-, Elektronik- oder Luft- und Raumfahrtindustrie, die höchste durchschnittliche F&E-Intensität aller Industrien auf.13 – Im Vergleich zu vielen anderen forschungsintensiven Branchen ist die Phar-

mazeutische Industrie außerordentlich fragmentiert,14 was in besonderer Weise auf den deutschen Markt zutrifft.15 Gerade die daraus resultierende besonders hohe Anzahl marktrelevanter Unternehmen (und damit auch Techno-

12

13

14

15

Vgl. hierzu auch die konzeptionelle Modellkritik im Spiegel der empirischen Befunde in Kap. 8 (S. 655ff). Vgl. EFPIA – European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations; (2000), S. 11. Während die Pharmazeutische Industrie 1997 12,5 % des Umsatzes für F&E investierte, betrugen die Vergleichswerte für die Elektrotechnikbranche 6,7 %, für den Fahrzeugbau 6,4 % und für den Maschinenbau nur 3,4 %, vgl. hierzu VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller; (2001 a), S. 25 sowie die detaillierteren Ausführungen und eigenen Befunde in Kap. 6.2.1.1, S. 436ff (insbesondere Abb. 6-6, S. 442). Starke Unterstützung für die Berechtigung dieser Annahme haben sich aus den eigenen empirischen Befunden in Kap. 6 (S. 431ff) und Kap. 7 (S. 593ff) ergeben. Die fünfundzwanzig führenden Unternehmen im deutschen Pharma-Markt (einschließlich des Krankenhausmarktes) repräsentieren nur einen kumulierten Marktanteil von 64,9 % (1999),vgl. IMS Health, zitiert nach Gambardella, A.; et al.; (2000), S. 25. Die hohe Fragmentierung gilt auch für alle anderen weltweiten Pharma-Märkte, allerdings weist der deutsche Arzneimittelmarkt auch im internationalen Vergleich der Pharma-Märkte einen besonders niedrigen Konzentrationsgrad auf, vgl. Kap. 4.1.2.5 (S. 261ff).

Deskriptiv-inhaltliche Zielsetzung

673

logiestrategien) hat den deutschen Markt als Untersuchungsobjekt besonders prädestiniert. Die im Rahmen der empirischen Studie beobachtete besonders große Bandbreite unterschiedlicher verfolgter Technologiestrategien unterstreicht die Richtigkeit dieser Annahme.16 – Die Regulierungsintensität und -vielfalt ist in der Pharmazeutischen Industrie

im Vergleich zu allen anderen Branchen besonders ausgeprägt.17 Diese Tatsache erhöht die Komplexität technologiestrategischer Entscheidungen bedeutend, insbesondere, da die Planungszeiträume in der Pharmazeutischen Industrie mit durchschnittlich 8,5 Jahren außergewöhnlich lang18 und die Frequenz von Veränderungen im regulatorischen Umfeld (vor allem im Bereich der Kostendämpfung) extrem hoch sind.19 Vor Beginn der empirischen Studie wurde das entwickelte Modell zunächst auf die spezifischen Erfordernisse und Gegebenheiten der Pharmazeutischen Industrie konkretisiert20 und die zunächst abstrakten technologiestrategischen Dimen-

16 17

18 19 20

Vgl. hierzu die detaillierten Ausführungen in Kap. 6 (S. 431ff) und Kap. 7 (S. 593ff). „The pharmaceutical industry has been among the most innovative while being one of the most highly regulated industries in the United States“, vgl. Grabowski, H. G.; Vernon, J. M.; (1979 a), S. 43. Diese Aussage trifft nicht nur auf die USA zu, sondern besitzt weltweite Gültigkeit, wie die späteren Ausführungen noch differenziert belegen werden. Nationale Regierungen haben einen größeren Einfluß auf die weltweite Pharmaindustrie als jede andere Gruppe oder Kraft. Sie sind in der einzigartigen Position, zugleich z.T. Hauptkunde und Zulassungs- und Genehmigungsbehörde mit (in vielen Ländern) Preisgestaltungskompetenz zu sein. Vgl. hierzu z.B. Taggart, J.; (1993), S. 118; Olson, M.; (1992), S. 1. Die Rolle des Staates im gesamtwirtschaftlichen pharmazeutischen Wertschöpfungsprozeß wurde in Kap. 4.1.3.2 (S. 274ff) bereits genauer behandelt. Die enorme Bedeutung, die das regulatorische Umfeld auf die technologiestrategische Ausrichtung von Pharma-Unternehmen hat, wurde im Rahmen der Ergebnisdiskussion in Kap. 6 (S. 431ff) bereits verdeutlicht. Eine differenzierte und systematische Aufarbeitung des komplexen Zusammenhangs von staatlicher Regulierung und unternehmerischen Technologiestrategien erfolgt im Rahmen einer späteren eigenständigen Publikation an anderer Stelle. Vgl.hierzu die empirischen Befunde in Kap. 6.4.3 (S. 589ff). Vgl. z.B. Boston Consulting Group; (1995), S. 116-117. Vgl. hierzu Kap. 4 (S. 205ff), insbesondere Kap. 4.2 (S. 333ff).

674

Zusammenfassung und Ausblick 21

sionen operationalisiert sowie in einen später als Interviewleitfaden genutzten Fragebogen übersetzt.22

9.8 Forschungsdesign und Stichprobenauswahl der empirischen Studie Das Design der empirischen Studie in Form einer vierstufigen Datenerhebung und –validierung (Pretest, Haupterhebung, Ergebnisworkshop und Feedback auf Benchmarkdokument) sowie mehrstündiger fragebogengestützter Experteninterviews in der Haupterhebungsphase wurde, wie die Ausführungen in Kap. 5 genauer beleuchtet haben, dabei bewußt recht aufwendig gestaltet, um einerseits hinsichtlich ihrer Erklärungstiefe zu möglichst aussagekräftigen qualitativen Befunden zu gelangen und gleichzeitig eine möglichst weitgehende Repräsentativität der quantitativen Aussagen zu gewährleisten. Aus diesem Grunde wurde die Zahl der in die Studie einbezogenen Unternehmen mit 80 und die der in mehrstündigen (1-9 Stunden Dauer) Gesprächen interviewten Experten mit 250 bewußt hoch angesetzt, wodurch sowohl in allen einzelnen Marktsegmenten als auch im Gesamtmarkt eine möglichst hohe Marktabdeckung erreicht wurde, und mit einer Gesamtmarktabdeckung von deutlich mehr als 70 % auch fast eine Vollerhebung gelungen ist.23

9.9 Zusammenfassung der inhaltlichen Befunde Mit Blick auf die hohe Aussagekraft und den enormen Erkenntnisgewinn auf der deskriptiv-inhaltlichen Ebene kann dieser Aufwand als lohnend betrachtet werden, wie die nachfolgende Zusammenfassung der wichtigsten inhaltlichen Ergebnisse schlaglichtartig belegen wird: Auf Basis der erhobenen Daten konnten clusteranalytisch sieben verschiedene Technologiestrategietypen identifiziert werden, die sich signifikant (im statisti-

21 22

23

Vgl. hierzu Kap. 4.3, S. 374ff. Der als Interviewleitfaden verwendete Fragebogen ist in Anhang A1 und A2 wiedergegeben (vgl. S. 691ff). Vgl. S. 410ff.

Zusammenfassung der inhaltlichen Befunde

675

24

schen Sinne) hinsichtlich ihrer technologiestrategischen Ausrichtung voneinander unterscheiden:25 – Biotechnologie-Unternehmen

Die Biotechnologie-Unternehmen sind charakterisiert durch ein extrem hohes technologisches Leistungsniveau, dokumentiert durch die höchste F&E-Intensität aller Gruppen und einen klaren Fokus auf hochinnovative Schlüsselbausteine/Technologien und Wirkstoffe. Die hohe strategische Bedeutung einer zeitlichen Pionierrolle, die höchste Außenorientierung aller Gruppen bei der Technologieverwertung, der höchste technologische Verflechtungsgrad aller Gruppen in beiden Bereichen, eine extrem starke Fokussierung der F&E-Aktivitäten und des Produktportfolios und – gemessen an der Unternehmensgröße (in dieser Gruppe sind die umsatz- und mitarbeitermäßig kleinsten Unternehmen) – ein erstaunlich hohes Maß an Globalisierung (vor allem über umfangreichen Kooperationsnetzwerke) zeichnet diesen Typ aus. – Große Internationale Forscher

Das von den Großen Internationalen Forschern angestrebte technologische Leistungsniveau ist das höchste aller Gruppen (sogar leicht über dem der Biotechnologie-Unternehmen). Die zeitliche Pionierrolle besitzt zentrale strategische Bedeutung. Die Entscheidung über das Ausmaß der Außenorientierung liegt für beide Bereiche eindeutig auf dem „Selbermachen“ (eigene F&E bzw. Eigenvermarktung). Der technologische Verflechtungsgrad ist für die Technologiebeschaffung hoch, für die Technologieverwertung hingegen erheblich niedriger ausgeprägt. Die Breite der technologischen Ausrichtung ist nach den Generika-Herstellern die zweitgrößte aller Gruppen. Der geographische Aktionsradius ist der ausgeprägteste aller Gruppen, was neben der – bezogen auf Mitarbeiter und Umsatz – umfangreichsten Unternehmensgröße namengebend war.

24

25

Dieses wurde mittels ANOVA und Kruskal-Wallis-Signifikanztests untersucht, vgl. hierzu sowohl die Hinweise zur Auswertungsmethodik in Kap. 5.4 (S. 414), insbesondere Kap. 5.4.2 (S. 426ff), sowie Feldmann, C.; (2005 b) für detaillierte Auswertungsdaten. Vgl. hierzu die ausführlichere Technologiestrategietypcharakterisierung in Kap. 7 (S. 593ff).

676

Zusammenfassung und Ausblick

– Mittelgroße Internationale Forscher

Die Mittelgroßen Internationalen Forscher ähneln in ihrer Ausrichtung stark ihren „Großen Geschwistern“ und gehören ebenso wie die BiotechnologieUnternehmen zu den hochinnovativen Unternehmen. Sie unterscheiden sich aber von den Großen bei weitem nicht nur durch die geringere Unternehmensgröße: Das angestrebte technologische Leistungsniveau und die zeitliche Vorreiterrolle wird erst 2010 nach einer drastischen Bedeutungszunahme seit 1990 nahezu auf Augenhöhe mit den beiden zuvor beschriebenen Gruppen sein. Sowohl bei der Technologiebeschaffung als auch bei der Technologieverwertung ist im Unterschied zu den „Großen“ die Make-or-Buy-Balance nahezu ausgeglichen (mit einem immer noch leichten Übergewicht der Eigenerzeugung). Der technologische Verflechtungsgrad ist hoch, entspricht damit aber nur etwa dem Branchendurchschnitt. Charakteristisch ist ein sehr hoher Spezialisierungsgrad (weiterer Unterschied zu den „Großen“) und ein nach diesen höchster Globalisierungsgrad aller Gruppen. – Innovationsorientierter Mittelstand

Den Innovationsorientierten Mittelstand verbindet mit den drei zuvor beschriebenen hochinnovativen Gruppen das hohe technologische Leistungsniveau. Anschluß an die technologische Führung zu halten, ist insbesondere in Zukunft zentrales Ziel. Hierzu ist bis 2010 die gewaltigste technologiestrategische Neupositionierung aller Gruppen erforderlich. Im Gegensatz zu den vorgenannten Technologiestrategietypen liegt allerdings der Schwerpunkt entlang der Technologiewertschöpfungskette nur zum Teil auf der Wirkstoffforschung und -vermarktung. Im Vordergrund steht vielmehr auch 2010 immer noch die Wirkstoffverbesserung, Indikationsentwicklung und galenische Entwicklung bzw. Vermarktung entsprechend verbesserter Arzneimittel. Bezüglich der Unternehmensgröße ist dieser Typ eindeutig mittelständisch geprägt. Im Gegensatz zur zweiten mittelständischen Gruppe besitzt das technologiestrategische Timing eine zentrale Bedeutung. Während die Eigenvermarktung klar über die Fremdvermarktung dominiert, tendiert die Make-orBuy-Entscheidung in der Technologiebeschaffung in Richtung Buy. Die technologiestrategische Kooperationsbereitschaft ist ebenso wie ein außerordentlich starker Spezialisierungsgrad von extrem hoher Bedeutung. Die Breite des geographischen Aktionsradius liegt trotz Zunahme im zeitlichen Verlauf deutlich unter dem Branchendurchschnitt.

Zusammenfassung der inhaltlichen Befunde

677

– OTC/Traditioneller Mittelstand

Die Unternehmen dieses Technologiestrategietyps sind ebenfalls eindeutig mittelständisch geprägt, wobei die Unternehmensgröße im Durchschnitt unter der des Innovat. Mittelstandes liegt. Im Gegensatz zu diesem sind das angestrebte technologische Leistungsniveau und auch die Bedeutung einer zeitlichen Pionierrolle (zweitgeringste Bedeutung aller Gruppen) eher gering. Die Innovationsschwerpunkte liegen nahezu ausschließlich auf der galenischen Entwicklung bzw. Markteinführung galenisch optimierter Produkte. Die Unternehmen dieses Typs konzentrieren sich entweder mit ihrem bewährten Produktportfolio auf das OTC- oder das Branded Generics-Segment. Während die Eigenvermarktung klar über die Fremdvermarktung dominiert, tendiert die Make-or-Buy-Entscheidung eindeutig in Richtung Buy. Die Kooperationsneigung liegt trotz Bedeutungszunahme im zeitlichen Verlauf eindeutig unter dem Branchendurchschnitt. Der Spezialisierungsgrad ist deutlich geringer als der des Innovat. Mittelstandes und entspricht in etwa dem Industriemittel. Der Globalisierungsgrad ist der geringste aller Gruppen. – OTC-Töchter von international operierenden Pharma-Unternehmen

Die OTC-Töchter konzentrieren sich auf Ausbau und Pflege ihrer starken Marken im OTC-Segment. Das technologische Leistungsniveau ist gering und konzentriert sich vor allem auf galenische Optimierungen. Eine zeitliche Pionierrolle spielt keine entscheidende Rolle. Während nahezu ausschließlich Eigenvermarktung angestrebt wird, konzentriert sich die Make-or-Buy-Entscheidung eindeutig in Richtung Buy. Die Kooperationsneigung liegt trotz Zunahme im zeitlichen Verlauf deutlich unter dem Branchendurchschnitt. Die Breite der technologischen Ausrichtung ist fokussiert. Der Globalisierungsgrad der Technologieverwertungsaktivitäten ist hoch, der der Technologiebeschaffung eher gering. – Generika-Hersteller

Dieser imitative Technologiestrategietyp konzentriert sich auf die Entwicklung und den Vertrieb preisgünstiger Generika. Anschluß an die technologische Führung zu halten ist genau wie die zeitliche Pionierrolle kein strategisches Ziel. Die Unternehmen dieses Typs haben bereits 1990 über eine klar definierte Technologiestrategie verfügt, das Ausmaß der strategischen Neupositionierung ist daher eher gering. Während die Eigenvermarktung alternativlos ist (der höchste Wert aller Gruppen), tendiert die Make-or-Buy-Ent-

678

Zusammenfassung und Ausblick

scheidung in der Technologiebeschaffung immer noch eindeutig in Richtung Buy. Während Technologiebeschaffungskooperationen von hoher strategischer Priorität sind, spielen Technologieverwertungskooperationen nur eine sehr geringe Rolle. Zentrales Ziel der Generika-Hersteller ist es Komplettanbieter zu sein, der Spezialisierungsgrad ist daher der geringste aller Gruppen. Der Globalisierungsgrad hat zugenommen, liegt aber deutlich unter dem Branchendurchschnitt. Allerdings bestehen hier wie auch bei der Unternehmensgröße erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedern dieser Gruppe. Für die Branche als Ganzes lassen sich die inhaltlichen Befunde für die sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen des Bereichs der Technologiebeschaffung und die sich im zeitlichen Verlauf von 1990 bis 2010 zu beobachtenden Veränderungstrends wie folgt zusammenfassen:26 – Angestrebtes technologisches Leistungsniveau:

ƒ Deutliche Zunahme der strategischen Bedeutung der Technologieführerschaft, die 1990 für die Industrie als Ganzes auf mittlerem Bedeutungsniveau lag ƒ Verlagerung der Innovationsschwerpunkte in Richtung Wirkstofforschung (NMEs) ƒ Deutliche Zunahme der technologiestrategischen Risikobereitschaft, sowohl in Form einer gestiegenen Bereitschaft, hohe F&E-Risiken einzugehen und zunehmend bislang unheilbare Krankheiten zu erforschen als auch in neue, dem jeweiligen Unternehmen nicht vertraute Indikationsgebiete zu expandieren – Timing:

ƒ Deutliche Zunahme der strategischen Bedeutung, F&E-Pionier zu sein, von mittlerer Bedeutung im Jahr 1990 bis zu eher großer Bedeutung 2010. – Intensität der Außenorientierung:

ƒ Bedeutungszunahme der externen Technologiebeschaffung zu Lasten der internen Technologieerzeugung durch eigene F&E: Genaue Bedeutungsumkehr von einem Übergewicht auf der Eigenerzeugung 1990 zu einer Übergewichtung der externen Wissensbeschaffung in 2010.

26

Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung in Kap. 6.2 (S. 436ff).

Zusammenfassung der inhaltlichen Befunde

679

– Technologischer Verflechtungsgrad:

ƒ Sprunghafte Zunahme der strategischen Bedeutung von F&E-Kooperationen, insbesondere von Kooperationsformen, bei denen Kooperationsführung und Kontrolle beim eigenen Unternehmen liegen. Gravierendste Veränderung aller Dimensionen von noch „neutral“ in 1990 bis von „elementarer Priorität“ für alle Unternehmen in 2010. – Breite der technologischen Ausrichtung:

ƒ Starke Fokussierung der F&E-Aktivitäten auf wenige Kernindikationsgebiete: Auch hier ist eine völlige Bedeutungsumkehr zu beobachten: Von 1990 eher diversifiziert bis 2010 eher fokussiert. – Geographische Ausdehnung und Standortwahl:

ƒ Starke Zunahme der Globalisierung der F&E-Aktivitäten, wobei der Standort Deutschland leicht an Wichtigkeit verliert, während insbesondere die USA und in Summe die übrigen EU-Staaten deutlich stärker gewinnen. Insgesamt strebt die Branche nach nur geringer Globalisierungsneigung 1990 im Jahr 2010 eine merkliche Globalisierung an. – Übergeordnete Trends:

ƒ Die größte Neupositionierung findet in der ersten Dekade (1990-2000) statt, während sich in der zweiten Dekade (2000-2010) der Trend in abgeschwächter Form fortsetzt ƒ Zwischen den einzelnen Technologiestrategietypen treten für alle technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen signifikante Unterschiede auf ƒ Im zeitlichen Verlauf nimmt, insbesondere für die Entscheidungsdimensionen „Höhe des angestrebten technologischen Leistungsniveaus“ und „Timing“, die bereits 1990 stark ausgeprägte technologiestrategische Polarisierung zwischen den sieben Technologiestrategietypen weiter drastisch zu ƒ Das Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung weist fundamentale Unterschiede zwischen den sieben Technologiestrategietypen auf: Mittelgroße Internat. Forscher, Innovat. Mittelstand und in geringerem Maße Biotechnologie-Unternehmen nehmen eine gigantische Neuausrichtung ihrer Technologiebeschaffungsstrategie vor, während Große Internat. Forscher, ihre OTC-Töchter und der OTC/Trad. Mittelstand nur eine unter dem Branchendurchschnitt liegende Neupositionierung anstreben und die Generika-Hersteller an ihren bereits 1990 klar definierten Technologiestrategien mit nur relativ geringen Veränderungen festhalten.

680

Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend lassen sich für die sechs technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen der Technologieverwertung die folgenden zentralen Trends ausmachen: 27 – Angestrebtes technologisches Leistungsniveau:

ƒ Verlagerung der Vermarktungsschwerpunkte in Richtung auf Arzneimittel mit höherem Innovationsgrad (Präparate mit gänzlich neuen Wirkstoffen (NMEs) und überlegener Wirksamkeit und Nebenwirkung) ƒ Deutliche Zunahme der technologiestrategischen Risikobereitschaft in Form einer gestiegenen Bereitschaft, die Vermarktungsschwerpunkte zunehmend im Bereich bislang unheilbarer Krankheiten zu setzen – Timing:

ƒ Deutliche Zunahme der strategischen Bedeutung, Markt-Pionier zu sein, die in ihrem Ausmaß mit der der Technologiebeschaffung vergleichbar ist – Intensität der Außenorientierung:

ƒ Im Gegensatz zur Technologiebeschaffung kaum Veränderungen in dieser Dimension im zeitlichen Verlauf: Die Eigenvermarktung von Produkten bzw. die Eigennutzung von Prozessen bleibt weit dominierend gegenüber externen Technologieverwertungsalternativen über Partner – Technologischer Verflechtungsgrad:

ƒ Sprunghafte Zunahme der strategischen Bedeutung von Vermarktungs-Kooperationen, aber längst nicht so stark wie die von F&E-Kooperationen für die Technologiebeschaffung. Auch absolut erreichen Vermarktungskooperationen bei weitem nicht den strategischen Stellenwert von F&E-Kooperationen – Breite der technologischen Ausrichtung:

ƒ Starke Fokussierung der Vermarktungsaktivitäten auf wenige Kernindikationsgebiete. Hinsichtlich der realisierten Strategie bleibt die Breite der Produktportfolios erheblich größer als die der F&E-Projekt-Portfolios – Geographische Ausdehnung und Marktwahl:

ƒ Deutliche Zunahme der Globalisierung der Vermarktungsaktivitäten. Die Globalisierungstendenz ist noch sehr viel stärker ausgeprägt als die der F&E-Aktivitäten; der Markt Deutschland verliert dabei leicht an Bedeu27

Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung in Kap. 6.3 (S. 491ff).

Zusammenfassung der inhaltlichen Befunde

681

tung, während insbesondere die USA und in Summe die übrigen EU-Staaten deutlich stärker gewinnen – Übergeordnete Trends:

ƒ Im Vergleich zur Technologiebeschaffung ist die Neupositionierung deutlich gleichmäßiger auf beide Dekaden verteilt, auch wenn das Ausmaß der Veränderungen insgesamt in der ersten Dekade (1990-2000) größer war als in der zweiten Dekade (2000-2010). Eine Trendumkehr tritt dabei (genau wie bei der Technologiebeschaffung) nicht auf ƒ Zwischen den einzelnen Technologiestrategietypen treten für alle technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen signifikante Unterschiede auf ƒ Im zeitlichen Verlauf nimmt die bereits 1990 stark ausgeprägte technologiestrategische Polarisierung zwischen den sieben Technologiestrategietypen für die Dimensionen „Angestrebtes technologisches Leistungsniveau“ und „Timing“ weiter drastisch zu. Hinsichtlich der übrigen Entscheidungsdimensionen werden die 1990 vorhandenen gruppenspezifischen Unterschiede auch 2010 fortgeschrieben ƒ Das Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung weist fundamentale Unterschiede zwischen den sieben Technologiestrategietypen auf: Innovat. Mittelstand, Mittelgroße Internat. Forscher und BiotechnologieUnternehmen nehmen eine gigantische Neuausrichtung ihrer Technologieverwertungsstrategie vor, während Große Internat. Forscher, ihre OTCTöchter und die Generika-Hersteller an ihren bereits 1990 klar distinguierten Technologiestrategien mit nur relativ geringen Neupositionierungen festhalten. Auch hinsichtlich des Umfeldes, in dem diese technologiestrategischen Entscheidungen vorgenommen werden, ließen sich aufschlußreiche Beobachtungen machen:28 Für die Branche als Ganzes hat die Wettbewerbsintensität insgesamt gewaltig an Schärfe zugenommen. Mit Ausnahme der Biotechnologie-Unternehmen bestehen in dieser Hinsicht keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Diese Unterschiede bestehen aber sehr wohl hinsichtlich des Anteils, den jeder der drei zentralen Wettbewerbsfaktoren an dieser immensen Zu-

28

Vgl. hierzu die ausführliche Beschreibung der Befunde zum technologiestrategischen Umfeld in Kap. 6.4 (S. 559ff): Zentrale Wettbewerbskräfte, Technologiestrategieimpuls und technologiestrategischer Planungshorizont.

682

Zusammenfassung und Ausblick

nahme der Gesamtwettbewerbsintensität für den jeweiligen Technologiestrategietyp hat.29 Der geringere Anstieg der Gesamtwettbewerbsintensität bei den Biotechnologie-Unternehmen erklärt sich aus der Sonderrolle, die diese „jungen“ Unternehmen in der Branche einnehmen.

9.10 Nutzen der erzielten Ergebnisse für Wissenschaft und Praxis Bevor der Ausblick auf weiterführende Forschungsansätze erfolgt, sollen die zentralen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit noch einmal auf die Kernpunkte zurückgeführt und ihr Wert für die unternehmerische Praxis und die wissenschaftliche Forschung näher beleuchtet werden. Im Rahmen der Sichtung der zentralen bisherigen Arbeiten der wissenschaftlichen Literatur wurde herausgearbeitet, daß es zwar viele Ansätze gibt, die sich mit dieser Thematik beschäftigen und die zum Teil auch erheblich zum Erkenntnisgewinn in diesem wichtigen Feld beigetragen haben, daß aber keiner der diskutierten Ansätze die folgenden drei Kriterien vollständig erfüllte: – Systematische theoriebasierte Ableitung eines umfassenden und konsistenten

Modells des strategischen Technologiemanagements, das alle relevanten technologiestrategischen Entscheidungsdimensionen und Entscheidungsbereiche berücksichtigt. – Umfassende Überprüfung eines derartigen Technologiestrategiemodells im

Rahmen einer repräsentativen empirischen Studie, die alle unterschiedlichen Typen von Unternehmen einschließt. –

Nutzung einer Kombination von qualitativen und quantitativen Analysetechniken im Rahmen einer großzahligen Stichprobe zur Reduktion der Irrtumsund Mißinterpretationswahrscheinlichkeit bei gleichzeitiger Steigerung der Rücklaufquote.

Die vorliegende Arbeit hat die Aufgabenstellung verfolgt, alle drei genannten zentralen Kriterien vollständig zu erfüllen und gleichzeitig alle genannten Kritikpunkte/Defizite auf der konzeptionellen, empirischen und inhaltlichen Ebene zu eliminieren. 29

Vgl. hierzu die ausführliche Diskussion in Kap. 6.4.1 (S. 559ff).

Nutzen der erzielten Ergebnisse für Wissenschaft und Praxis

683

Die zentrale Leistung der vorliegenden Arbeit besteht dabei im einzelnen darin, einen konsistenten und umfassenden Bezugsrahmen für das strategische Technologiemanagement theoriebasiert entwickelt zu haben, der insbesondere die Identifikation und differenzierte Charakterisierung von Technologiestrategietypen erlaubt. Dieser wurde für eine Hochtechnologiebranche, hier die Pharmazeutische Industrie, operationalisiert und empirisch nahezu in einer Vollerhebung angewendet, mit dem Ergebnis, daß sich in der Tat sieben verschiedene Technologiestrategietypen identifizieren und charakterisieren ließen. Die dabei zu beobachtenden Unterschiede erwiesen sich auf allen Modellebenen als signifikant (im statistischen Sinne). Zusätzlich ließen sich im zeitlichen Verlauf von 1990 bis 2010 für alle Technologiestrategietypen interessante Neupositionierungen beobachten. Die signifikanten Unterschiede waren dabei zu allen drei Betrachtungszeitpunkten (1990, 2000 und 2010) vorhanden. Zur Abrundung des Erkenntnisgewinns wurden schließlich auch die zentralen Faktoren des technologiestrategischen Umfeldes, in dem diese Positionierung und Neuausrichtung stattfindet, noch differenziert analysiert. Die vorliegende Arbeit konnte dadurch einen entscheidenden konzeptionellen (Modellentwicklung und -evaluation) und inhaltlichen (dezidierte, systematische und umfassende Analyse der technologiestrategischen Anatomie einer komplexen, technologieintensiven Branche) Erkenntnisfortschritt für die betriebswirtschaftliche Innovations- und Technologieforschung erbringen. Interessant dürften diese Befunde aber auch für andere wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Disziplinen (wie z.B. das (betriebswirtschaftliche) Marketing oder die (volkswirtschaftliche) Industrieökonomie und Wirtschaftspolitik) sein. So dürften die erzielten Resultate erstmals einer vollständigen, auf Primärdaten basierenden Kartierung einer Branche entsprechen, wie sie Porter zur Branchenstrukturanalyse im Rahmen der von ihm entwickelten Strategischen Gruppen-Theorie empfiehlt. Aber auch für die unternehmerische Praxis und für politische Entscheidungsträger dürfte die differenzierte und umfassende Analyse der unterschiedlichen technologiestrategischen Positionierungen (insbesondere auch im zeitlichen Verlauf von 1990 bis 2010) ein hilfreiches Koordinatensystem für die eigene Entscheidungsfindung darstellen: Für die strategische Ausrichtung des eigenen Un-

684

Zusammenfassung und Ausblick

ternehmens kann die vorliegende Untersuchung ein wertvoller Benchmark sein.30 Das abgeleitete und evaluierte Modell bietet dadurch, daß das komplexe Entscheidungsnetzwerk des strategischen Technologiemanagements systematisch und konsistent abgebildet wird, die Plattform für einen systematischen und alle Aspekte in ihrer Wechselwirkung berücksichtigenden technologiestrategischen Entscheidungs- und Planungsprozeß. Der Vorteil für internationale Großunternehmen dürfte dabei insbesondere darin liegen, daß es die Ableitung einer umfassenden Technologiestrategie „aus einem Guß“ ermöglicht, die einzelne Entscheidungskomponenten Abteilungs- und Funktionsübergreifend verdichtet und harmonisiert. Für kleine und mittelständische Unternehmen dürfte ein erheblicher Nutzen darin liegen, mit diesem Modell ein einfach zu handhabendes Instrument zu besitzen, das eine systematische und umfassende technologiestrategische Entscheidungsfindung strukturiert unterstützt. Aber nicht nur für die strategische Planung in Unternehmen, sondern auch für politische Entscheidungsprozesse (wie z.B. in der Industriepolitik oder bei regulatorischen Reformen) können die erzielten Befunde eine wertvolle Orientierungshilfe sein. Der spezifische Wert für öffentliche Entscheidungsträger dürfte neben dem vertiefenden Verständnis der Systematik unternehmerischer Technologiestrategien vor allem in den Befunden zur Länge des technologiestrategischen Planungshorizontes (mit 8,5 Jahren im Industriedurchschnitt) und in der Erkenntnis, daß Technologiestrategien keine statischen Systeme sind, liegen. So könnten z.B. die Gruppen, die eine (industriepolitisch gewünschte) drastische Neuausrichtung zu innovativeren Technologiestrategien vornehmen, eine besonders hohe Empfindlichkeit und Verwundbarkeit gegenüber staatlichem Dirigismus zur Kostendämpfung haben. Die Kenntnis dieser technologiestrategischen Ausrichtung bildet also beispielsweise eine verläßliche Plattform für die Abschätzung von Gesetzesfolgen. Für die weiterführende Forschung ergibt sich hierdurch insbesondere die entscheidende Frage, welche Technologiestrategien besonders regulierungsempfindlich (positiv wie negativ) gegenüber welcher Art von regulatorischen Eingriffen sind, sowie, welche technologiestrategische Neu30

In Form eines umfangreichen Benchmarking-Dokumentes wurden die Resultate ja auch jedem teilnehmenden Unternehmen im Rahmen der Ergebnisvalidierung zur Verfügung gestellt, vgl. hierzu auch die früheren Ausführungen in Kap. 5.2.3.2, S. 409ff. Das Feedback der teilnehmenden Unternehmen war bezüglich des praktischen Nutzens als Orientierungshilfe zur technologiestrategischen Entscheidungshilfe überwältigend positiv.

Ausblick auf weiterführende Forschungsansätze

685

positionierung eine geeignete Reaktionsstrategie auf welche Art von Veränderung im regulatorischen Umfeld darstellt. Dabei wäre ein denkbarer Ansatz, die Arten staatlicher Regulierung, z.B. für die Pharmazeutische Industrie, in acht Blöcke zu untergliedern31, um gezielt ihren Wirkmechanismus (hinsichtlich direkter Kosteneffekte, zeitlicher Effekte und indirekter Effekte etwa auf Wettbewerber oder Zulieferer usw.) auf bestimmte Technologiestrategien zu untersuchen.

9.11 Ausblick auf weiterführende Forschungsansätze Die in dieser Arbeit erzielten Resultate können also die Ausgangsbasis für sehr interessante weiterführende Forschungsprojekte bilden. Hierbei sind insbesondere darauf aufbauende Analysen zur unterschiedlichen Empfindlichkeit der einzelnen Technologiestrategietypen gegenüber Veränderungen im Unternehmensumfeld – wie Veränderungen im Wettbewerbs- oder regulatorischen Umfeld – oder vergleichende Betrachtungen vollständiger technologiestrategischer Branchenanatomien auf internationaler Ebene zu nennen. Von diesen Ansatzpunkten für weiterführende Studien, für die die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit als geeignete und verläßliche Ausgangsbasis dienen können, sollen nachfolgend zwei Perspektiven besonders beleuchtet und beispielhaft illustriert werden: – Innerhalb der Felder, die sich für eine vertiefende Forschung anbieten, ist vor-

rangig die Analyse des Einflusses des regulatorischen Umfeldes auf die unternehmerische Innovations- und Technologiepolitik zu nennen. Hierbei wäre die bereits vorstehend angedeutete Hypothese zu prüfen, daß staatliche Regulie-

31

Unter staatliche Regulierungen wären dabei alle staatlichen Eingriffe und deren Umsetzungspraxis zu subsumieren, die nicht die marktlichen Spielregeln für alle Akteure definieren. Für den konkreten Fall der Pharmazeutischen Industrie wären dies die „Staatliche Forschungsförderung und Wissenschaftspolitik“, das „Patentrecht“, „Gentechnikregulierungen“, „Regulierungen pharmazeutischer Forschung, Entwicklung und Produktion“, die „Arzneimittelzulassung“, „Preis- und Erstattungsregulierungen“, „Distributionsregulierungen“ und schließlich „Werbe- und Informationsregulierungen“. Auf die Definition und Abgrenzung des Regulierungsbegriffs und die Systematisierung von Regulierungen aus betriebswirtschaftlicher Perspektive sowie die Ableitung und Evaluation eines Modells, das die Regulationswirkung auf die unternehmerische Innovations- und Technologiepolitik erklärt, wird in einer späteren Publikation noch ausführlich einzugehen sein.

686

Zusammenfassung und Ausblick

rungen einen entscheidenden Einfluß auf die technologiestrategische Positionierung der einzelnen Unternehmen haben. Auch könnten erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Technologiestrategietypen hinsichtlich ihrer Regulierungsbetroffenheit und dem Ausmaß und der Richtung (positiv oder negativ) der Regulationswirkung bestehen, was in einem zweiten Vertiefungsschritt zu eruieren wäre. Dieser sowohl für die betroffenen Unternehmen und den Gesetzgeber als auch für die wissenschaftliche Forschung hochinteressante Themenkomplex wird im Rahmen einer späteren Publikation ausführlich behandelt werden. In dieser wird versucht werden, eine betriebswirtschaftliche Regulierungstheorie zu entwickeln und empirisch zu evaluieren. Diese Theorie wird dann ein Modell enthalten, das den Wirkmechanismus staatlicher Regulierungen auf die technologische Wertschöpfung von Unternehmen erklärt. Die nachfolgenden empirischen Untersuchungen werden dabei direkt auf den an dieser Stelle gewonnenen technologiestrategischen Befunden aufbauen. Eine detaillierte und differenzierte systematische Analyse des Zusammenhanges zwischen staatlicher Regulierung und unternehmerischer Technologiestrategie, die auf den hier gewonnenen Erkenntnissen aufbauen, soll allerdings einer späteren separaten Ausführung überlassen bleiben. – Ein weiterer interessanter Ansatzpunkt für vertiefende Forschung liegt in der

erweiterten Anwendung des hier entwickelten technologiestrategischen Modells. Hierfür bieten sich zwei grundsätzliche Erweiterungsachsen an: 1) Die Anwendung des Modells auf andere Branchen. Dies würde einen nachfolgenden Interbranchenvergleich ermöglichen, der zu weiteren aufschlußreichen Befunden führen könnte. Das entwickelte Modell besitzt dabei eine uneingeschränkte Gültigkeit für jede beliebige andere Branche. Lediglich Konkretisierung und Operationalisierung müßten auf die spezifischen Gegebenheiten der jeweiligen Branche zugeschnitten werden. Bei weniger innovativen Branchen steht dabei zu erwarten, daß möglicherweise die Bedeutung von Technologiestrategien insgesamt geringer ist und demzufolge die technologiestrategische Vielfalt und das Ausmaß der technologiestrategischen Neupositionierung im zeitlichen Verlauf geringer ausfällt. 2) Die zweite Erweiterungsrichtung liegt darin, zwar am Untersuchungsobjekt Pharmazeutische Industrie festzuhalten, aber den Untersuchungsradius in geographischer Hinsicht über den deutschen Markt auszudehnen. Auf diese

Fazit

687

Weise könnte ein direkter und umfassender Vergleich technologiestrategischer Branchenanatomien auf internationaler Ebene ermöglicht werden. Die global ausgerichteten Technologiestrategietypen werden sich dabei in jedem Land antreffen lassen, hinsichtlich der national und regional aufgestellten Gruppen dürften sich aber bezüglich Existenz und technologiestrategischer Ausrichtung erhebliche Unterschiede feststellen lassen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch die Analyse der technologiestrategischen Neupositionierung im zeitlichen Verlauf und die Beschaffenheit des technologiestrategischen Umfeldes in den einzelnen Ländern. In Ländern mit einem geringeren Fragmentierungsgrad der Pharma-Branche ist dabei tendenziell eine geringere Vielfalt an unterschiedlichen Technologiestrategietypen zu erwarten. Die in Deutschland operierende Pharmazeutische Industrie dürfte aus diesem Grund besonders facettenreich und dadurch auch im Rückblick besonders geeignet für die durchgeführte Untersuchung gewesen sein.

9.12 Fazit Der spezifische Wert der vorliegenden Arbeit läßt sich anhand der nachfolgend aufgelisteten zentralen Einzelpunkte noch einmal zusammenfassend verdeutlichen: – Auf der konzeptionellen Ebene wurde nicht nur erstmals ein derartig umfas-

sendes und differenziertes Modell theoriebasiert abgeleitet und präzisiert, sondern auch operationalisiert und in einer empirischen Studie evaluiert. Das Modell hat sich dabei in der praktischen Anwendung bewährt und war geeignet, sieben Technologiestrategietypen in der untersuchten technologieintensiven Pharma-Branche zu identifizieren und umfassend zu charakterisieren. – Eine weitere Leistung dieser Arbeit besteht in dem Grad der Differenzierung

und der Aussagekraft der empirischen Befunde, was speziell auf der inhaltlichen Ebene zum Tragen kommt. Hierbei haben sich insbesondere die große methodische Sorgfalt und das aufwendige Forschungsdesign ausgezahlt, die dazu führten, daß erstmalig eine Branche umfassend technologiestrategisch analysiert und charakterisiert werden konnte, während die meisten bisherigen empirischen Studien immer nur auf einen Teil, zumeist die international ope-

688

Zusammenfassung und Ausblick

rierenden Großunternehmen, abstellten.32 Die zwischen den insgesamt sieben identifizierten Technologiestrategietypen zu beobachtenden Unterschiede erwiesen sich hinsichtlich aller sechs Entscheidungsdimensionen für beide Entscheidungsbereiche als signifikant (im statistischen Sinne). Der extrem große Abdeckungsgrad der Grundgesamtheit in der Stichprobe, der fast eine Vollerhebung darstellt, hat die Aussagekraft der erzielten Resultate dabei nochmals nachhaltig gesteigert. – Zusätzlich wurde auch noch die technologiestrategische Neupositionierung im

zeitlichen Verlauf untersucht – mit bemerkenswerten Befunden: Die auf dem deutschen Markt operierende Pharma-Industrie hat – mit erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen Technologiestrategietypen – im zeitlichen Verlauf von 1990 bis 2010 eine immense Neuausrichtung vorgenommen. – Zur Vertiefung des Verständnisses der technologiestrategischen Zusammen-

hänge, die zu dieser Positionierung und der Neuausrichtung im zeitlichen Verlauf führten, wurde zusätzlich auch das technologiestrategische Umfeld, in dem diese Neuausrichtung stattfindet, einer eingehenden Betrachtung unterzogen. Durch die Analyse des Wettbewerbsumfeldes, der Suche nach der primären Quelle technologiestrategischer Impulse und der Bestimmung der Länge des technologiestrategischen Planungshorizontes konnte ein weiterer wertvoller Erklärungsbeitrag geliefert werden, der auch zahlreiche Ansatzpunkte für eine weiterführende vertiefende Forschung aufzeigt.

32

Vgl. hierzu die früheren Ausführungen und die Übersicht über zentrale Studien zu technologieorientierten Technologiestrategietypologien in Kap. 4.4, S. 377ff.

Anhang Anhang A1: Interviewleitfaden – Technologiebeschaffungsstrategie ............ 691 Anhang A2: Interviewleitfaden – Technologieverwertungsstrategie ............. 700 Literaturverzeichnis.......................................................................................... 709

Anhang A1: Interviewleitfaden – Technologiebeschaffungsstrategie Strategisches Technologiemanagement: Eine empirische Untersuchung am Beispiel des deutschen Pharma-Marktes 1990-2010 (Teil Technologiebeschaffungsstrategie) Bitte kreuzen Sie in diesem Fragebogen die auf Ihr Unternehmen zutreffende Antwortalternative an. Sämtliche von Ihnen gemachte Angaben werden vertraulich behandelt. Bitte beantworten Sie alle Fragen. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne jederzeit (0172-888 66 53) zur Verfügung. Im voraus vielen herzlichen Dank für Ihre Mühe! Alle Fragen sind (sofern nicht anders vermerkt) grundsätzlich weltweit gemeint! 1 Weltweite technologiestrategische Ausrichtung Ihres Unternehmens

1.1.1 Wie viel investiert Ihr Unternehmen durchschnittlich weltweit insgesamt in eigene F&E und externen Know-how-Erwerb (z.B. Patentund Lizenzerwerb)?

Über 25 %

20–25 %

15–20 %

10–15 %

5–10 %

2–5 %

0–2 %

(In % vom weltweiten Pharma-Umsatz Ihres Unternehmens)

0%

1.1 Technologie- bzw. Know-how-Beschaffung (für Produkte und Verfahren)

() () () () () () () ()

1.1.2 Unterhalten Sie unternehmenseigene Forschungsstandorte in Deutschland?

( ) ja

( ) nein

1.1.3 Unterhalten Sie unternehmenseigene Forschungsstandorte in der ( ) ja EU (ohne Deutschland)?

( ) nein

1.1.4 Wie lang ist der Planungshorizont Ihres Unternehmens für Ihre F&E- und Technologiestrategie? _________ Jahre Wenn Ihr Unternehmen sowohl über eine Kurzzeit- als auch über eine Langzeitstrategie verfügt, geben Sie bitte die entsprechende Zeitspanne an.

692

Anhang

1.1.5 Wie viele Forschungsvorhaben und Entwicklungsprojekte sind durchschnittlich jährlich weltweit in Ihrem Unternehmen parallel gelaufen?

> 200

100-200

50-100

20-50

10-20

5-10

2-5

1

0

Als Forschungsvorhaben sollen alle Vorhaben vor, als Entwicklungsprojekte alle Projekte ab der 1. regulatorisch verwertbaren und GLP-konformen toxikologischen Studie verstanden werden. Entwicklungen unterschiedlicher Stärken und Darreichungsformen für ein und denselben Wirkstoff gelten als ein Projekt!

a) Forschungsvorhaben ?

()

()

()

()

()

()

()

()

()

b) Entwicklungsprojekte ?

()

()

()

()

()

()

()

()

()

1.1.6 In wie vielen Hauptindikationsbereiche der ATC-Klassifikation der WHO (vgl. Rückseite) war Ihr Unternehmen weltweit im Rahmen der Know-how-Beschaffung aktiv (z.B. in Form von eigener F&E, Kooperation oder Lizenzerwerb)? ()

()

()

()

()

()

()

1

2

3

4

5-6

7-9

>9

1.1.7 Bitte kreuzen Sie an, inwieweit die jeweilige Aussage weltweit auf die Know-howErzeugung bzw. Beschaffung Ihres Unternehmens zutrifft bzw. nicht zutrifft. Berücksichtigen Sie dabei bitte auch durch den Grad Ihrer Zustimmung bzw. Ablehnung, ob die jeweilige Aussage einen zentralen Punkt Ihrer Strategie oder einen Nebengesichtspunkt berührt. Die Frage nach der früheren (Spalte 1), der gegenwärtigen (Spalte 2) und zukünftigen (Spalte 3) Strategie Ihres Unternehmens soll Veränderungen, aber auch Intensitätszunahmen bei der Verfolgung bestimmter strategischer Ziele identifizieren. Liegt kein solcher Trend vor, weil Ihr Unternehmen keine Veränderung in seiner strategischen Ausrichtung vorgenommen hat, reicht es, wenn Sie in dieser Zeile nur die mittlere Spalte ausfüllen.

Anhang

693

694

Anhang

Anhang

695

696

Anhang

Anhang

697

698

Anhang

Anhang

699

Gar Keine

Sehr gering

Eher geringe

Mittlere

Eher große

Sehr große

Existentielle

1.1.9 Welche Bedeutung haben für Ihr Unternehmen gegenwärtig die folgenden Länder/ Regionen als F&E-Standorte ? (eigene F&E und F&E-Kooperationen)

1.

Deutschland

()

()

()

()

()

()

()

2.

Schweiz

()

()

()

()

()

()

()

3.

Großbritannien

()

()

()

()

()

()

()

4.

Frankreich

()

()

()

()

()

()

()

5.

Italien

()

()

()

()

()

()

()

6.

Spanien

()

()

()

()

()

()

()

7.

Niederlande

()

()

()

()

()

()

()

8.

Rest EU

()

()

()

()

()

()

()

9.

Osteuropa + Russland

()

()

()

()

()

()

()

10.

USA

()

()

()

()

()

()

()

11.

Lateinamerika

()

()

()

()

()

()

()

12.

Japan

()

()

()

()

()

()

()

13.

Asien (außer Japan)

()

()

()

()

()

()

()

14.

Rest Welt

()

()

()

()

()

()

()

1.1.10 Bitte markieren Sie durch Pfeile auch zukünftige Trends. Besitzt beispielsweise eine bestimmte Kooperationsform oder ein Markt gegenwärtig eine sehr geringe Bedeutung für Ihr Unternehmen, kreuzen Sie bitte diesen Wert an. Nimmt diese Bedeutung zu oder ab, zeichnen Sie bitte einen Pfeil bis zum zukünftig erwarteten Wert bzw. bis in das entsprechende Kästchen. Liegt keine Zu- oder Abnahme vor, lassen Sie bitte den Pfeil weg und machen Sie nur ein Kreuz für den aktuellen Wert.

700

Anhang

Anhang A2: Interviewleitfaden – Technologieverwertungsstrategie Strategisches Technologiemanagement: Eine empirische Untersuchung am Beispiel des deutschen Pharma-Marktes 1990-2010 (Teil Technologieverwertungsstrategie) Bitte kreuzen Sie in diesem Fragebogen die auf Ihr Unternehmen zutreffende Antwortalternative an. Sämtliche von Ihnen gemachte Angaben werden vertraulich behandelt. Bitte beantworten Sie alle Fragen. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne jederzeit (0172-888 66 53) zur Verfügung. Im voraus vielen herzlichen Dank für Ihre Mühe! Alle Fragen sind (sofern nicht anders vermerkt) grundsätzlich weltweit gemeint! 0.1.0 Welcher der nachfolgenden Gruppen von Pharma- und BiotechnologieUnternehmen ist Ihr Unternehmen (am ehesten) zuzuordnen? 1.

Forschendes internationales Pharma-Unternehmen mit Rx-Schwerpunkt

()

2.

Forschendes mittelständisches Unternehmen mit Rx-Schwerpunkt

()

3.

Bio- und Gentechnologie-Unternehmen (Produkt getrieben)

()

4.

Bio- und Gentechnologie-Unternehmen (Technologie getrieben)

()

5.

Generika-Hersteller (unbranded Generika)

()

6.

Generika-Hersteller (branded Generika)

()

7.

OTC- (Nicht Rx)-Tochter eines internationalen Pharma-Unternehmens

()

8.

OTC- (Nicht Rx)-Mittelständler mit überwiegend chem. defin. Wirkstoffen

()

9.

OTC- (Nicht Rx)-Mittelständler mit überwiegend Phytopharmaka

()

10. Sonstiges: ____________________________________________________

()

Anhang

701

0.1.1 Wie viele Mitarbeiter beschäftigt Ihr Unternehmen (nur Pharma/Humanarzneimittel) weltweit insgesamt? ()

()

()

()

()

()

()

()

1-24

25-49

50-99

100-249

250-499

500-999

100019999

> 20000

0.1.2. Wie groß war der Umsatz Ihres Unternehmens mit Humanarzneimitteln weltweit? (in Mio DM) ()

()

()

()

()

()

()

()

6000

1.2 Weltweite Know-how- bzw. Technologieverwertung/-vermarktung Ihres Unternehmens

0%

0–2 %

2–5 %

5–10 %

10–20 %

20–50 %

50–80 %

Über 80 %

1.2.1 Wie hoch war bei Ihrem Unternehmen im Durchschnitt der letzten drei Jahre der Umsatz ...

1. ... aus der Vermarktung unter eigenem Firmennamen?

()

()

()

()

()

()

()

()

2. ... insgesamt aus Lizenzvergabe, Annahme von Forschungsaufträgen, Vergütungen aus F&E-Kooperationen und Verkaufserlösen innovativer Unternehmen(-steile) ?

()

()

()

()

()

()

()

()

Bitte zutreffende Rubrik ankreuzen (in % Ihres weltweiten Pharmaumsatz (Humanarzneimittel))

Beantworten Sie die folgenden Fragen bitte unabhängig davon, ob die Vermarktung unter eigenem Namen oder über Lizenzvergabe etc. erfolgt ist! – Achtung: Die Werte lassen sich nicht zu 100 % addieren, da zum Teil überlappende Bereiche abgefragt werden!

3.... mit patentgeschützten Arzneimitteln?

()

()

()

()

()

()

()

()

4.... mit „Branded Generika“ (unter eigenem Produktmarkennamen vertriebene AM, bei denen Ihr Unternehmen nicht der Erstanmelder war)?

()

()

()

()

()

()

()

()

5.... mit „unbranded Generika“ (unter dem Wirkstoffnamen vertriebenen AM, bei denen ( ) Ihr Unternehmen nicht d. Erstanmelder war)?

()

()

()

()

()

()

()

6.... mit (vom Originator) einlizenzierten patentgeschützten AM?

()

()

()

()

()

()

()

()

7.... mit gentechn. erzeugten Arzneimitteln?

()

()

()

()

()

()

()

()

702

Anhang

8.... mit homöopathischen Arzneimitteln?

()

()

()

()

()

()

()

()

9.... mit Phytopharmaka?

()

()

()

()

()

()

()

()

10.... mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln?

()

()

()

()

()

()

()

()

11.... in Deutschland?

()

()

()

()

()

()

()

()

1.2.2 Für wie viele Hauptindikationsbereiche der ATC-Klassifikation der WHO (vgl. Rückseite) hat Ihr Unternehmen weltweit Präparate vermarktet oder Lizenzen vergeben? (unabhängig ob unter eigenem Namen oder gemeinsam mit Kooperationspartnern)

()

()

()

()

()

()

()

1

2

3

4

5-6

7-9

>9

1.2.3 Haben Sie weltweit in den letzten drei Jahren neue Humanarzneimittel auf dem Markt eingeführt?

( ) ja

( ) nein

1.2.4 Wenn ja, waren darunter New Molecular Entities (NME = NCE und/oder NBE)?

( ) ja

( ) nein

1.2.5 Wenn ebenfalls ja, war darunter ein erster Wirkstoff einer neuen Wirkstoffklasse (völlig neues Wirkprinzip)?

( ) ja

( ) nein

1.2.6 Bitte kreuzen Sie an, inwieweit die jeweilige Aussage weltweit auf die Know-howVerwertungs- bzw. Vermarktungsstrategie Ihres Unternehmens zutrifft bzw. nicht zutrifft. Berücksichtigen Sie dabei bitte auch durch den Grad Ihrer Zustimmung bzw. Ablehnung, ob die jeweilige Aussage einen zentralen Punkt Ihrer Strategie oder einen Nebengesichtspunkt berührt. Vermerken Sie bitte auch Trends in Ihrer strategischen Ausrichtung (Spalte 1-3).

Anhang

703

704

Anhang

Anhang

705

706

Anhang

Anhang

707

Gar Keine

Sehr geringe

Eher geringe

Mittlere

Eher große

Sehr große

Existentielle

1.2.7 Welche Bedeutung haben für Ihr Unternehmen weltweit die folgenden Kooperationsformen zum Zwecke der Know-how-Vermarktung/ bzw. Verwertung (Produkte und Verfahren) ?

1. Vermarktungs-Kooperationen mit (Fach-) Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen

()

()

()

()

()

()

()

2. Vermarktungs-Kooperationen mit direkten Wettbewerbern, die in den gleichen Indikationsgebieten und Ländern tätig sind

()

()

()

()

()

()

()

3. Vermarktungs-Kooperationen mit Unternehmen der gleichen Wertschöpfungsstufe, die in anderen Indikationsgebieten bzw. Ländern tätig sind oder komplementäre Produkte vertreiben

()

()

()

()

()

()

()

4. Vermarktungs-Kooperationen mit Zulieferern (in der Technologiewertschöpfungskette vorgelagerten Unternehmen) (z.B. KMUs)

()

()

()

()

()

()

()

5. Vermarktungs-Kooperationen mit „Kunden“ (in der Technologiewertschöpfungskette nachgelagerten Unternehmen)

()

()

()

()

()

()

()

6. Kooperationen mit mehreren Unternehmen (Gemeinschaftsvermarktung)

()

()

()

()

()

()

()

7. Lizenzvergabe und Patentverkauf

()

()

()

()

()

()

()

Bitte zutreffendes ankreuzen.

8. Dossierverkauf

()

()

()

()

()

()

()

9. Annahme von Forschungsaufträgen

()

()

()

()

()

()

()

10. Verkauf von innovativen Unternehmen(-steilen) ( )

()

()

()

()

()

()

11. Weitergabe oder gemeinsame Nutzung von Forschungsergebnissen als Vergütung für den Erhalt von Seed und Venture Capital

()

()

()

()

()

()

()

708

Anhang

1.2.8 Welche gegenwärtige Umsatz-Bedeutung haben für Ihr Unternehmen die folgenden Länder/Regionen als Märkte ? (Vermarktung unter eigenem Namen oder über Koopera-

Gar Keine

Sehr geringe

Eher geringe

Mittlere

Eher große

Sehr große

Existentielle

tionspartner (z.B. Lizenznehmer))

1.

Deutschland

()

()

()

()

()

()

()

2.

Schweiz

()

()

()

()

()

()

()

3.

Großbritannien

()

()

()

()

()

()

()

4.

Frankreich

()

()

()

()

()

()

()

5.

Italien

()

()

()

()

()

()

()

6.

Spanien

()

()

()

()

()

()

()

7.

Niederlande

()

()

()

()

()

()

()

8.

Rest EU

()

()

()

()

()

()

()

9.

Osteuropa + Russland

()

()

()

()

()

()

()

10. USA

()

()

()

()

()

()

()

11. Lateinamerika

()

()

()

()

()

()

()

12. Japan

()

()

()

()

()

()

()

13. Asien (außer Japan)

()

()

()

()

()

()

()

14. Rest Welt

()

()

()

()

()

()

()

1.2.9 Bitte markieren Sie durch Pfeile auch zukünftige Trends. Besitzt beispielsweise eine bestimmte Kooperationsform oder ein Markt gegenwärtig eine sehr geringe Bedeutung für Ihr Unternehmen, kreuzen Sie bitte diesen Wert an. Nimmt diese Bedeutung zu oder ab, zeichnen Sie bitte einen Pfeil bis zum zukünftig erwarteten Wert bzw. bis in das entsprechende Kästchen. Liegt keine Zu- oder Abnahme vor, lassen Sie bitte den Pfeil weg und machen Sie nur ein Kreuz für den aktuellen Wert.

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