Strafvollzugsgesetz (StVollzG): Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung vom 16. März 1976 (BGBl. I, S. 581) zuletzt geändert durch das Gesetz vom 23. September 1990 (BGBl. II, S. 885). Kommentar [2. neubearb. Aufl. Reprint 2019] 9783110900392, 9783110120837


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German Pages 966 [968] Year 1991

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Aufteilung der Kommentierung
Verzeichnis der Autoren
Vorwort
Vorwort zur ersten Auflage
Inhaltsverzeichnis
Zitierweise und Abkürzungen
Gesetzestext
Kommentar
Erster Abschnitt. Anwendungsbereich
Zweiter Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe
Erster Titel. Grundsätze
Zweiter Titel. Planung des Vollzuges
Dritter Titel. Unterbringung und Ernährung des Gefangenen
Vierter Titel. Besuche, Schriftwechsel sowie Urlaub, Ausgang und Ausführung aus besonderem Anlaß
Fünfter Titel. Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung
Sechster Titel. Religionsausübung
Siebter Titel. Gesundheitsfürsorge
Achter Titel. Freizeit
Neunter Titel. Soziale Hilfe
Zehnter Titel. Besondere Vorschriften für den Frauenstrafvollzug
Elfter Titel. Sicherheit und Ordnung
Zwölfter Titel. Unmittelbarer Zwang
Dreizehnter Titel. Disziplinarmaßnahmen
Vierzehnter Titel. Rechtsbehelfe
Fünfzehnter Titel. Strafvollstreckung und Untersuchungshaft
Sechzehnter Titel. Sozialtherapeutische Anstalten
Dritter Abschnitt. Besondere Vorschriften über den Vollzug der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung
Vierter Abschnitt. Vollzugsbehörden
Fünfter Abschnitt. Schluß Vorschriften
Anhang
Stichwortverzeichnis
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Strafvollzugsgesetz (StVollzG): Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung vom 16. März 1976 (BGBl. I, S. 581) zuletzt geändert durch das Gesetz vom 23. September 1990 (BGBl. II, S. 885). Kommentar [2. neubearb. Aufl. Reprint 2019]
 9783110900392, 9783110120837

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Schwind/Böhm (Hrsg.) Strafvollzugsgesetz

Sammlung Guttentag

Strafvollzugsgesetz (StVollzG) Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung vom 16. März 1976 (BGBl. I, S. 581) zuletzt geändert durch das Gesetz vom 23. September 1990 (BGBl. II, S. 885)

Kommentar herausgegeben von

Hans-Dieter Schwind • Alexander Böhm 2., neubearbeitete Auflage

w DE

G 1991 Walter de Gruyter • Berlin • New York

Stand der Bearbeitung: Oktober 1990

@ Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

CIP-Titelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Strafvollzugsgesetz : (StVollzG) ; Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung vom 16. März 1976 (BGBl. I, S. 581) ; zuletzt geändert durch das Gesetz vom 23. September 1990 (BGBl. II, S. 885) ; Kommentar / hrsg. von Hans-Dieter Schwind ; Alexander Böhm. - 2., neubearb. Aufl., Stand der Bearb.: Oktober 1990. Berlin ; New York : de Gruyter, 1991 (Sammlung Guttentag) ISBN 3-11-012083-6 NE: Schwind, Hans-Dieter [Hrsg.]; StVollzG

© Copyright 1991 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Wagner GmbH, D-8860 Nördlingen Buchbindearbeiten: Lüderitz & Bauer GmbH, D-1000 Berlin 61

Aufteilung der Kommentierung Best, Peter Böhm, Alexander Ittel, Walter Koepsel, Klaus Kühling, Paul Matzke, Michael Mey, Hans-Georg Müller, Johannes Rassow, Peter Romkopf, Ute Rotthaus, Karl Peter Schuler, Manfred Schwind, Hans-Dieter Steinhilper, Gernot Steinhilper, Monica Gesamtredaktion:

SS 7 1 - 7 5 S§ 1 - 4 , 1 7 - 2 0 , 22, 93, 102-107, 139-140, 143-144, 167-177, 201-202 SS 10, 15, 16, 147 SS 67, 94-100, 151-153, 178 SS 1 1 - 1 4 , 35, 36, 8 1 - 8 7 SS 3 7 - 5 2 , 148-150, 190-200 SS 5 - 7 , 141 S 101 §S 5 3 - 5 5 , 157 SS 21, 5 6 - 6 6 , 92, 158 SS 8 - 9 , 123-138, 154-156, 159-165 SS 108-122, 179-189 SS 2 3 - 3 4 , 6 8 - 7 0 , 8 8 - 9 1 , 145-146 S 166 SS 7 6 - 8 0 , 142 Petra Block Alexander Böhm Liane Brosch Christopher Erhard Martin Gretenkordt Hans-Dieter Schwind

Verzeichnis der Autoren Best, Peter

Böhm, Alexander

Ittel, Walter

(1944), Dr. rer. pol. (Soz.wiss.), Ministerialrat, Referatsleiter im niedersächsischen Justizministerium für „Soziale Dienste in der Strafrechtspflege" sowie „Jugendvollzug, Soziale Betreuung der Gefangenen, Anlaufstellen, Schuldenregulierung"; zuvor stellvertr. Leiter einer Jugendvollzugsanstalt und Staatsanwalt in Baden-Württemberg. Arbeitsschwerpunkte und Veröffentlichungen: Strafvollzug, Sozialarbeit in der Justiz (Gerichtshilfe, Bewährungshilfe, Führungsaufsicht), Entlassenenhilfe. (1929), Dr. jur., Professor für Kriminologie, Strafrecht und Strafvollzug an der Johannes GutenbergUniversität Mainz (seit 1974). Zuvor (seit 1957) im höheren Strafvollzugsdienst des Landes Hessen. Von 1960 bis 1974 Leiter der Jugendstrafanstalt Rockenberg und des H. B. Wagnitzseminars (Ausbildungsstätte für die Bediensteten des hessischen Strafvollzugs), Rockenberg. 1977 bis 1979 Vorsitzender der vom Bundesjustizminister einberufenen Jugendstrafvollzugskommission'. Seit 1974 im Landesbeirat für Kriminologie und Strafvollzug beim rheinland-pfälzischen Ministerium der Justiz. Seit 1988 Richter am Oberlandesgericht Zweibrücken (Strafsenat) im zweiten Hauptamt. Veröffentlichungen zum Jugendstrafrecht und Strafvollzug. (1939), Jurist, leitender Regierungsdirektor; Leiter der Justizvollzugsschule Nordrhein-Westfalen in Wuppertal seit 1984. Nach Dienstleistungsaufträgen in den Justizvollzugsanstalten Köln und Rheinbach, dem Justizvollzugsamt Hamm und dem nordrheinwestfälischen Justizministerium in Düsseldorf von 1971 bis 1984 Leiter der offenen Justizvollzugsanstalt Castrop-Rauxel mit Schwerpunkten Berufsförderung, Ubergangsvollzug und Entlassungsvorbereitung. VII

Verzeichnis der Autoren Koepsel, Klaus

Kühling, Paul

Matzke, Michael

Mey, Hans-Georg

VIII

(1936), Leitender Regierungsdirektor; Leiter der Justizvollzugsanstalt Werl, seit 1966 im Strafvollzug tätig: in den Anstalten Münster, Köln, Attendorn, Siegburg, Castrop-Rauxel und Hagen (seit 1968 als Anstaltsleiter), außerdem zwei Jahre (1975—1977) als Referent für Aus- und Fortbildung der Bediensteten im nordrhein-westfälischen Justizministerium und Leiter der Justizvollzugsschule Nordrhein-Westfalens (1982—1984), Lehrauftrag an der Universität Bielefeld für Kriminologie und Strafvollzugsrecht. Arbeitsschwerpunkte und Veröffentlichungen: offener Strafvollzug für erwachsene Männer und Einweisungsverfahren für erwachsene männliche Gefangene. (1929), Dr. jur., Leitender Regierungsdirektor; Leiter der Abteilung „Strafvollzug" im Ministerium der Justiz Mecklenburg-Vorpommern (abgeordnet), bis 1990 Leiter der Justizvollzugsanstalten Celle und Salinenmoor, zuvor Leiter der Jugendstrafanstalt Hameln und Oberstaatsanwalt (Vollzugsreferent) beim Generalstaatsanwalt in Celle; Vorstandsmitglied der ,Bundesvereinigung der Anstaltsleiter im Strafvollzug e.V.', Außenstellenleiter des WEISSEN R I N G E S . Veröffentlichungen zu Strafvollzug, Rückfalluntersuchungen. (1952), Dr. jur., Oberregierungsrat, Referent in der Abteilung „Justizvollzug" in der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin; zuvor Wissenschaftlicher Assistent an der Freien Universität Berlin (bei Prof. Dr. Ulrich Eisenberg) und Teilanstaltsleiter in der JVA Moabit; Lehrbeauftragter an der Vollzugsschule in Berlin und an der Evangelischen Fachhochschule Berlin. Arbeitsschwerpunkte und Veröffentlichungen: Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug. (1924), Dr. rer. nat., Diplom-Psychologe; Leitender Regierungsdirektor a. D . ; bis zum 31.12.1989 Dezernent für den Psychologischen Dienst beim Präsidenten des Justizvollzugsamts Hamm und Leiter der Arbeitsgruppe .Kriminologischer Dienst' beim nordrhein-westfälischen Justizministerium; Mitglied der Jugendstrafvollzugskommission'; Lehraufträge für Kriminologie, Kriminalpsychologie, angewandte Psychologie an der PH Braunschweig, Fachhoch-

Verzeichnis der Autoren

Müller, Johannes

Rassow, Peter

Romkopf, Ute

Rotthaus, Karl Peter

schule Bielefeld, Ruhr-Universität Bochum; Arbeitsschwerpunkte und Veröffentlichungen: Strafvollzugspsychologie, Strafvollzugskunde, Jugendstrafvollzug, Kriminalpsychologie, Kriminologie, Sozialtherapie, Behandlungsforschung im Strafvollzug, Organisationspsychologie im Strafvollzug. (1934), Ministerialrat; Leiter des Referats Organisation, Sicherheit und Ordnung in Justizvollzugsanstalten im niedersächsischen Ministerium der Justiz, Hannover. Davor 7 Jahre Leiter der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel und der Strafvollzugsschule Niedersachsen. (1928), Pastor; Beauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland für Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten seit 1981 ; Mitglied des Steering Committee der International Prison Chaplains' Association (IPCA). 16 Jahre Seelsorger an der Justizvollzugsanstalt Celle I (1965-1981). Mitglied des Beirates bzw. Vorstandes, zuletzt Vorsitzender der , Konferenz der evangelischen Pfarrer an den Justizvollzugsanstalten in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West)' (1972 bis 1981). Herausgeber der Reihe „Praxis Gefängnisseelsorge", der Loseblattsammlung „Bestimmungen über die Seelsorge in Justizvollzugsanstalten", Veröffentlichungen zur Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten. (1930), Dr. med., Leitende Regierungsmedizinaldirektorin; medizinische Dezernentin beim Präsidenten des Justizvollzugsamts Westfalen-Lippe; bis 1985 Anstaltsärztin in der Justizvollzugsanstalt Münster, Arbeitsschwerpunkte: Behandlung chronisch kranker Gefangener, Drogentherapie bei Strafgefangenen, AIDS im Strafvollzug; Veröffentlichungen: Behandlung Drogenabhängiger im Justizvollzug, Anwendung von Psychopharmaka in deutschen Strafvollzugsanstalten. (1928), Dr. jur., Präsident des Justizvollzugsamts Rheinland (seit 1984), zuvor: 1968 Leiter der Strafvollzugsschule Nordrhein-Westfalen, 1974 Leiter der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen (Sozialtherapeutische Anstalt), Stellvertretender Schriftleiter der .Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe', Mitherausgeber der,Neuen Zeitschrift für Strafrecht', IX

Verzeichnis der Autoren

Schuler, Manfred

Schwind, Hans-Dieter

Steinhilper, Gernot

Steinhilper, Monica

Mitglied des Fachausschusses I des Bundeszusammenschlusses für Straffälligenhilfe, Strafrecht und Strafvollzug. Veröffentlichungen: Sozialtherapie und interdisziplinäre Zusammenarbeit im Justizvollzug. (1935), Leitender Ministerialrat, stellvertretender Abteilungsleiter „Strafvollzug" im Ministerium der J u stiz Rheinland-Pfalz, Aufgabengebiet: u. a. Grundsatzfragen im Strafvollzug; vor Übernahme in das Ministerium tätig als Staatsanwalt bei verschiedenen Staatsanwaltschaften und der Generalstaatsanwaltschaft. Mitarbeiter bei Schwind/Blau (Hrsg.); Strafvollzug in der Praxis, 2. Aufl. (1936), Dr. jur., Professor für Kriminologie und Strafvollzug an der Ruhr-Universität Bochum (seit 1974), Niedersächsischer Minister der Justiz (1978 bis 1982); 1981 Vorsitzender der Konferenz der Justizminister und -Senatoren. 1984—1989 Präsident der Deutschen Kriminologischen Gesellschaft. 1 9 8 7 - 1 9 9 0 Vorsitzender der (Anti-)Gewaltkommission der Bundesregierung. Veröffentlichungen u. a. zu Dunkelfeldforschung, Kriminalgeographie, Gewaltkriminalität, Strafvollzug, Entlassenenhilfe und Kriminalpolitik. (1943), Dr. jur., Leitender Ministerialrat a . D . ; bis 1987 Leiter der Referatsgruppe „Planung, Forschung, Soziale Dienste" im niedersächsischen Ministerium der Justiz, Hannover; zuvor Referent in der kriminalistisch-kriminologischen Forschungsgruppe des Bundeskriminalamtes, Wiesbaden. Arbeitsschwerpunkte und Veröffentlichungen: KriminalitätsVorbeugung, kriminalistisch-kriminologische Forschung, Arbeitslosigkeit und Kriminalität. (1952), Dr. phil., Psychologiedirektorin, Referatsleiterin in der Abteilung „Strafvollzug und Forschung" im Nieders. Justizministerium, Hannover; von 1988—1990 Mitglied der „Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt" (Gewaltkommission). Arbeitsschwerpunkte und Veröffentlichungen: Frauenvollzug, Sozialtherapie, Aus- und Fortbildung der Bediensteten, Untersuchungshaftvollzug an jungen Gefangenen.

X

Vorwort Die zweite Auflage dieses Kommentars erscheint kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Mit dem Beitritt der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zur Bundesrepublik Deutschland (BR Deutschland) am 3. Oktober 1990 (vgl. Einigungsvertrag vom 23. September 1990: BGBl. II, S. 885) ist das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) vom 16. März 1976 (BGBl. I, S. 581) auch im Gebiet der früheren DDR in Kraft gesetzt worden (vgl. § 202 Abs. 2). Das StVollzG gilt also nunmehr grundsätzlich auch in den neuen Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Soweit sich gegenüber der bisherigen Gesetzesfassung Änderungen ergeben, sind diese in der zweiten Auflage bereits berücksichtigt worden. Das gilt auch für die übrigen seit der ersten Auflage eingetretenen Gesetzesänderungen. Eingearbeitet wurden ferner die bis Ende 1990 bekannt gewordene bzw. veröffentlichte Rechtsprechung, Literatur und Statistik. Der Kommentar befindet sich damit wieder auf dem neuesten Stand. In bezug auf die mit abgedruckten Verwaltungsvorschriften ( W ) ist allerdings daran zu erinnern, daß diese Länderangelegenheit sind und insoweit noch in den neuen Bundesländern ausdrücklich in Kraft gesetzt werden müssen. Der Kommentar bleibt auch in der 2. Auflage ein Praktiker-Kommentar: ein Kommentar von Praktikern für Praktiker. Das Team der 1. Auflage ist grundsätzlich zusammengeblieben. Wir betrauern den Tod unserer Mitarbeiter Elisabeth Meyer und Gerd Großkelwing: An ihre Stelle sind für die 2. Auflage Monica Steinhilper und Michael Matzke gerückt. Ab dieser Auflage erscheint der Kommentar nicht mehr in der Reihe der de Gruyter-Großkommentare, wie sie aus allen Rechtsbibliotheken bekannt sind, sondern als ein typischer Handkommentar für den Praktiker in der hierfür besonders geeigneten Sammlung Guttentag. Auch dieses Mal bedanken wir uns wieder bei den Mitarbeitern des Bandes und beim Verlag für die gute Zusammenarbeit sowie bei unseren Assistenten Petra Block und Christopher Erhard (beide Mainz) und den wissenschaftlichen Mitarbeitern Liane Brosch und Martin Gretenkordt (beide Bochum) für mannigfaltige Hilfen bei der Gesamtredaktion und bei der Drucklegung. Zu Dank verpflichtet sind wir darüberhinaus auch Christine Hausdorf für die Erledigung umfangreicher Schreibarbeiten. Wir hoffen, daß auch die zweite Auflage dieses Kommentars den Anklang findet, über den wir uns bei der ersten Auflage gefreut haben. Bochum und Mainz, im Februar 1991

Hans-Dieter Schwind Alexander Böhm

Vorwort zur ersten Auflage Das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) ist vor nunmehr sechs Jahren (am 1.1.1977) in Kraft getreten. Zahlreiche Verbesserungen der Vollzugssituation sind seither in den Bundesländern erreicht worden. Gleichwohl darf nicht verkannt werden, daß viele Erwartungen enttäuscht worden sind: insbesondere derjenigen, die eine weit raschere Verwirklichung der Reform des Vollzuges vom Verwahrvollzug zum Behandlungsvollzug erhofft hatten. Ein Vollzug, wie ihn das Strafvollzugsgesetz anstrebt, kann aber schon der erforderlichen erheblichen finanziellen Mittel wegen nicht von heute auf morgen erreicht werden. Die beträchtlichen Anstrengungen zur Verwirklichung des Reformgedankens können sich weithin nur deshalb nicht erwartungsgemäß auswirken, weil die Gefangenenzahlen von Jahr zu Jahr steigen und dem Vollzug damit zusätzliche Belastungen bringen. In einer erheblich überbelegten Justizvollzugsanstalt wird der vom Strafvollzugsgesetz postulierte Behandlungsvollzug schon durch die räumliche Enge erschwert. Hinzu treten Personalprobleme. Der Behandlungsvollzug erfordert naturgemäß eine größere Zahl von Mitarbeitern als sie der Verwahrvollzug hatte; notwendig ist vor allem die Verstärkung der Fachdienste (Psychologen, Werkbeamte, Sozialarbeiter usw.), die inzwischen wesentlich vorangetrieben wurde. Allerdings stellen sich nun Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit zwischen dem allgemeinen Vollzugsdienst und den Fachdiensten ein, sie bleiben auch zwischen den erfahrenen älteren und den noch unerfahrenen jüngeren Mitarbeitern nicht aus (Rollenkonflikte, Zielkonflikte, Generationsprobleme usw.). Diese, wie viele andere Schwierigkeiten, die zum Alltag des heutigen Vollzuges gehören, werden oft - insbesondere von Außenstehenden - nicht erkannt. Auch mancher Vollzugswissenschaftler übersieht sie in seiner verständlichen Reformungeduld. Ohne Berücksichtigung derartiger Hintergrundinformationen aus der Vollzugspraxis erscheint indessen eine Kommentierung der Strafvollzugsvorschriften gewagt, da die Gefahr unrealistischer Entscheidungen gegeben ist. Die rechtlichen Probleme des Vollzuges und deren Auswirkungen in der Praxis sind realistisch nur für denjenigen zu ermessen, der im Vollzug oder seiner Verwaltung selbst tätig war oder ist. Ziel dieses Kommentars war die praxisnahe Darstellung durch ein Team von Praktikern, die im Vollzug Verantwortung tragen oder wenigstens für einige Jahre getragen haben. Die Herausgeber stellen mit Zufriedenheit fest, daß es gelungen ist, namhafte Vollzugsexperten für die Bearbeitung zu gewinnen. Unter ihnen befinden sich allein acht amtierende bzw. ehemalige Anstaltsleiter, so daß wohl von einem Praktikerkommentar gesprochen werden darf. Anliegen aller Mitarbeiter des Werkes war es, die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes vor dem Hintergrund der Realitäten des Vollzuges zu erläutern und

Vorwort der Herausgeber

auch einschlägige Informationen über die Situation der Praxis in die Erörterungen einzubringen. Diese werden als Allgemeine Hinweise jeweils unter I der eigentlichen Kommentierung (II) vorangestellt. Zur weiteren Förderung des Verständnisses werden am Schluß der Kommentierung zahlreicher zentraler Vorschriften typische Beispiele aus dem Vollzugsalltag angeführt (III). Dabei wurde der Begriff des Beispiels bewußt weit gefaßt verstanden, etwa auch zur Vermittlung von Zusatzinformationen über die ärztliche Sprechstunde u. dgl. Jeweils anschließend an den Gesetzestext sind (deutlich durch Kursivdruck hervorgehoben) die Verwaltungsvorschriften ( W ) abgedruckt. Zu Einzelfragen des Strafvollzugsgesetzes gibt es teilweise sehr umfangreiches Schrifttum, das nicht vollständig dokumentiert ist. Um den Kommentar übersichtlich und für den Praktiker gut lesbar und leicht benutzbar zu gestalten, wurden nur gundsätzliche oder praxiserhebliche Veröffentlichungen erfaßt1. Unter Gesichtpunkten der Praxis wurde der Kommentierung auch solcher Vorschriften breiter Raum eingeräumt, die in anderen Werken weniger ausführlich behandelt werden, die aber für den modernen Strafvollzug von Bedeutung sind; so etwa die Vorschriften zum ärztlichen Dienst (§§ 21, 56-66, 92, 158, sowie § 101), über die Seelsorge (§§ 53-55), die Entlassenenhilfe (§§ 74, 75) und zur kriminologischen Vollzugsforschung (§ 166), die nicht nur dem Praktiker des Vollzuges, sondern auch dem verantwortlichen Politiker (Ressortminister) die Rückmeldung über Erfolg oder Mißerfolg der investierten Mittel bringen kann. Rechtsprechung und Literatur sind bis einschließlich Januar 1983 berücksichtigt. Hannover/Bochum und Mainz, im Februar 1983

1

Hans-Dieter Schwind Alexander Böhm

N a c h den Vorgaben des Verlages wurde das Schrifttum wie folgt zitiert:

a) Häufig zitierte Veröffentlichungen ( z . B . andere Kommentare) sind bei der Kommentierung in Kurzform angegeben; die vollständigen bibliographischen Angaben finden sich im Abkürzungsverzeichnis (s. X V I I - X X I I I ) . b) Literatur, die in der Kommentierung einer Vorschrift mehrfach zitiert wird, ist im Text in Kurzform zitiert; die vollständigen bibliographischen Angaben sind in der der K o m mentierung vorangestellten Schrifttums-Übersicht angeführt. c) Selten zitierte Literatur wird bei der jeweiligen Vorschrift mit vollständigen bibliographischen Angaben angeführt. d) Im Text nicht zitierte, aber gleichwohl im Zusammenhang mit einer Vorschrift bedeutsame Literatur wurde der jeweiligen Texterläuterung vorangestellt (vgl. z. B. Schrifttum vor §§ 37 ff).

Inhaltsverzeichnis Aufteilung der Kommentierung Verzeichnis der Autoren Vorwort Vorwort zur ersten Auflage Zitierweise und Abkürzungen

V VII XI XIII XVII

Gesetzestext

1

Kommentar

49

Erster Abschnitt: Anwendungsbereich Zweiter Abschnitt: Vollzug der Freiheitsstrafe Erster Titel. Grundsätze Zweiter Titel. Planung des Vollzuges Dritter Titel. Unterbringung und Ernährung des Gefangenen Vierter Titel. Besuche, Schriftwechsel sowie Urlaub, Ausgang und Ausführung aus besonderem Anlaß . . . Fünfter Titel. Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung . . Sechster Titel. Religionsausübung Siebter Titel. Gesundheitsfürsorge Achter Titel. Freizeit Neunter Titel. Soziale Hilfe Zehnter Titel. Besondere Vorschriften für den Frauenstrafvollzug Elfter Titel. Sicherheit und Ordnung Zwölfter Titel. Unmittelbarer Zwang Dreizehnter Titel. Disziplinarmaßnahmen Vierzehnter Titel. Rechtsbehelfe Fünfzehnter Titel. Strafvollstreckung und Untersuchungshaft Sechzehnter Titel. Sozialtherapeutische Anstalten . . . .

§ §§ §§ §§

1

49

2—126 2—4 5—16

54 54 90

§§ 17—22

205

§§ §§ §§ §§ §§ §§

23—36 37-52 53—55 56—66 67—70 71-75

232 302 381 398 456 487

§§ §§ §§ §§ §§

76-80 81—93 94-101 102—107 108-121

520 537 587 621 645

§ 122 §§ 123—126

723 725

Inhaltsverzeichnis

Dritter Abschnitt: Besondere Vorschriften über den Vollzug der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung Erster Titel. Sicherungsverwahrung Zweiter Titel. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt Vierter Abschnitt: Vollzugsbehörden Erster Titel. Arten und Einrichtungen der Justizvollzugsanstalten Zweiter Titel. Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten . Dritter Titel. Innerer Aufbau der Justizvollzugsanstalten Vierter Titel. Anstaltsbeiräte Fünfter Titel. Kriminologische Forschung im Strafvollzug Fünfter Abschnitt: Schluß Vorschriften Erster Titel. Vollzug des Strafarrestes in Justizvollzugsanstalten Zweiter Titel. Vollzug von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs-und Erzwingungshaft Dritter Titel. Arbeitsentgelt in Jugendstrafanstalten und im Vollzug der Untersuchungshaft Vierter Titel. Unmittelbarer Zwang in Justizvollzugsanstalten Fünfter Titel. Anpassung des Bundesrechts Sechster Titel. Sozial-und Arbeitslosenversicherung. . . Siebter Titel. Einschränkung von Grundrechten. Berlin-Klausel. Inkrafttreten

§§ 129—138 §§ 129—135

732 732

§§ 136—138

741

§§ 139—166

747

§§ §§ §§ §§

747 780 800 842

139-150 151 — 153 154—161 162-165

§ 166

848

§§ 167—202

862

§§ 167-170

862

§§ 171 — 175

864

§§ 176—177

868

§ 178 §§ 179—189 §§ 190—195

872 874 884

§§ 196-202

895

Anhang 1. Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (DSVollz) . . 2. Strafvollzugsvergütungsordnung (StVollzVergO)

907 913

Stichwortverzeichnis

915

XVI

Zitierweise und Abkürzungen Paragraphen ohne Gesetzesangaben sind solche des StVollzG; Absätze oder Richtlinien ohne Paragraphenangaben beziehen sich auf den eben erläuterten Paragraphen. Randnummern ohne vorangestellte Paragraphenbezeichnung im Text bezeichnen Randnummern des eben erläuterten Paragraphen. Andere Kommentare werden gleicherweise mit Randnummern zitiert. Gesetzesblätter, Zeitschriften und Entscheidungssammlungen werden grundsätzlich nach Jahrgang und Seite zitiert; dies gilt nur dann nicht, wenn eine andere Zitierweise allgemein üblich ist (z. B. BGHSt). a. A. aaO abl. Abs. AE a. E. a. F. AFG AFKG AK-(Bearbeiter) Anm. AnwBl Art. Aufl. AV BAföG BAG BAnz Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann BayObLG BayVGH BayWStVollzG Bd. BDSG Bek.

anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Absatz Alternativentwurf am Ende alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz Kommentar zum Strafvollzugsgesetz (Reihe Alternativkommentare, hrsg. von Rudolf Wassermann), 3. Aufl., Darmstadt 1990 Anmerkung Anwaltsblatt Artikel Auflage Ausführungsverordnung Bundesausbildungsförderungsgesetz Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZivilprozeßOrdnung. Kommentar, 48. Aufl., München 1990 Bayerisches Oberstes Landesgericht; auch Entscheidungssammlung des BayObLG in Strafsachen Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Bayerische Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz Band Bundesdatenschutzgesetz Bekanntmachung XVII

Zitierweise und Abkürzungen ber. Beschl. Bew. BewHi BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BKA BIGefK BIStV BMJ BochKomm Böhm Böhm/Schäfer

BR-Drucksache Brunner BRAGO BRRG BSG BSHG BtM(G) BT-Drucksache BVerfG BVerfGE BVerwG BZRG bzw.

berichtigt Beschluß Bewährung, auch in Zusammensetzung, z. B. BewHelfer Zeitschrift für „Bewährungshilfe" Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des B G H in Strafsachen Entscheidungen des B G H in Zivilsachen Bundeskriminalamt (Wiesbaden) Blätter für Gefängniskunde Blätter für Strafvollzugskunde (Beilage zum Vollzugsdienst) Bundesjustizministerium Wertenbruch (Hrsg.), Bochumer Kommentar zum Sozialgesetzbuch — Allgemeiner Teil, Berlin 1979 Böhm, Strafvollzug, 2. Aufl., Frankfurt 1986 Böhm/Schäfer (Hrsg.); Vollzugslockerungen im Spannungsfeld unterschiedlicher Instanzen und Interessen, 2. Aufl., Wiesbaden 1989 Bundesratsdrucksache Brunner, Jugendgerichtsgesetz. Kommentar, 8. Aufl., Berlin/New York 1986 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung Beamtenrechtsrahmengesetz Bundesseuchengesetz Bundessozialhilfegesetz Betäubungsmittel(gesetz) Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Bundeszentralregistergesetz beziehungsweise

Calliess Calliess/Müller-Dietz

Calliess, Strafvollzugsrecht, 2. Aufl., München 1981 Calliess/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 4. Aufl., München 1986

Daliinger-Lackner

Dallinger-Lackner, Jugendgerichtsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., München 1966 derselbe das heißt dieselbe Dienstordnung für das Gesundheitswesen Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug

ders. d. h. dies. DOG DÖV DRiZ DSVollz

XVIII

Zitierweise und Abkürzungen Dünkel/Rosner

DVO DVollzO E EGGVG EGStGB EKD EMRK Ey ermann/Fröbler

Dünkel/Rosner, Die Entwicklung des Strafvollzugs in der Bundesrepublik Deutschland seit 1970 — Materialien und Analysen, 2. Aufl., Freiburg 1982 Durchführungsverordnung Dienst- und Vollzugsordnung der Länder Entwurf Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Evangelische Kirche in Deutschland (Europäische) Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., München 1988

f, ff FH Fn. FS

folgende (r, s) Fachhochschule Fußnote Festschrift

GA GBl. Geb. gem. GG ggf-

Goltdammer's Archiv für Strafrecht Gesetzblatt Geburtstag gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Gerichtskostengesetz Gefangenenmitverantwortung Göhler/Buddendieck, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. Kommentar, 8. Aufl., München 1987 Grunau/Tiesler, Strafvollzugsgesetz, 2. Aufl., Kölnu. a. 1982 Gedächtnisschrift Gemeindeunfallversicherungsverbände Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz

GKG GMV Göhler/Buddendiek Grunau/Tiesler GS GUV GVBl. GVG H. HdbStKirchR

Hess. Verf. h.M. Hrsg. HS.

Heft Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland (hrsg. von Friesenhahn/Schuner i. V. mit Listl) Hessische Verfassung herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz

IAO i. d. F.

Internationale Arbeitsorganisation in der Fassung

XIX

Zitierweise und Abkürzungen i. S. i. V.

im Sinne in Verbindung

JGG JGH JHG JMB1.

Jugendgerichtsgesetz Jugendgerichtshilfe Jugendhilfegesetz Justizministerialblatt (z. B. N W = für Nordrhein-Westfalen)

Jur. Diss. JuS JR JVA JV KostO

Juristische Dissertation Juristische Schulung, München, Frankfurt/M. Juristische Rundschau Justizvollzugsanstalt Verordnung über Kosten im Bereich der Justizverwaltung

JWG JZ JStrVK

Jugendwohlfahrtsgesetz Juristenzeitung Jugendstrafvollzugskommission

Kaiser/Kerner/Schöch

Kaiser/Kerner/Schöch, Strafvollzug. Ein Lehrbuch, 3. Aufl., Heidelberg 1982 Pfeiffer (Hrsg.), Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, 2. Aufl., München 1987 Kriminologischer Dienst Kommissionsentwurf Kammergericht Kleinknecht/Meyer, Strafprozeßordnung, Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze. Kommentar, 39. Aufl., München 1989 Knopp/Fichtner, Bundessozialhilfegesetz. Kommentar, 6. Aufl., München 1988 Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung. Kommentar, 7. Aufl., München 1986 Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 4. Aufl., München 1986 Kriminologische Gegenwartsfragen Kriminologisches Journal Kriminologische Zentralstelle e. V. (Wiesbaden) Gesetz über die Krankenversicherung für Landwirte Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie

Karlsruher Kommentar KD KE KG Kleinknecht/Meyer

Knopp/Fichtner Kopp (VwGO) Kopp KrimGegfr. KrimJ KrimZ KVLG KZfSS LDSG LG Litwinski/Bublies LK LKA

XX

Landesdatenschutzgesetz Landgericht Litwinski/Bublies, Strafverteidigung im Strafvollzug, München 1989 Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, 10. Aufl., Berlin/ N e w York 1985-89 Landeskriminalamt

Zitierweise und Abkürzungen LR

LS LT LV Maunz/Dürig/Herzog/Scholz MdJ MDR Minima

MJ MR MRK MschrKrim Müller-Dietz MuSchG m. w. N . Nds MVollzG NdsRpfl. NDV

Löwe-Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 24. Aufl., Berlin/New York 1987-89 Leitsatz Landtag Landesverfassung Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz. Kommentar, München, Stand Dezember 1989 Minister(ium) der Justiz Monatsschrift für Deutsches Recht Europäische Strafvollzugsgrundsätze, überarbeitete europäische Fassung der Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen — Entschließung des Ministerkomitees des Europarates vom 12. 2.1987 bei der 404. Tagung der Ministerstellvertreter (Empfehlung Nr. R [87] 3), Heidelberg 1988 Ministerium der Justiz Mutterschaftsrichtlinien (Europäische) Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Müller-Dietz, Strafvollzugsrecht, 2. Aufl., Berlin/ New York 1978 Mutterschutzgesetz mit weiteren Nachweisen

NJW Nr. NRW, N W NStZ

Niedersächsisches Maßregelvollzugsgesetz Niedersächsische Rechtspflege Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht

OLG OWiG

Oberlandesgericht Ordnungswidrigkeitengesetz

PFA Prot.

PsychKG

Polizeiführungsakademie (Hiltrup) Protokolle der Sitzungen des Bundestags-Sonderausschusses für die Strafrechtsreform (Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode, Stenographischer Dienst) Gesetz über die Hilfe für psychisch Kranke

RBerG Rdn. RdJ

Rechtsberatungsgesetz Randnummer Recht der Jugend und des Bildungswesens

XXI

Zitierweise und Abkürzungen RE, RegE

Rebmann/Roth/Herrmann Redeker/von

Oertzen

RG RGBl. RiStBV Rspr. RV s. SA

Schellhom/Jirasek/Seipp Schüler-Springorum SchlußB

Schwind/Blau SGB SGBI SGB IV SGB VIII SGB X SH sog. StGB StPO StrafV StrVK StVollstrO StVollzFG StVollzG StVollzO StVollzVergO u. a. UHaft UJ

XXII

Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (Regierungsentwurf) Rebmann/Roth/Herrmann, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. Kommentar, Stuttgart u . a . , Stand September 1988 Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung. Kommentar, 8. Aufl., Stuttgart u. a. 1986 Reichsgericht; auch Entscheidungen des RG in Strafsachen Reichsgesetzblatt Richtlinien für das Strafverfahren u. d. Bußgeldverfahren Rechtsprechung Rundverfügung siehe Sonderausschuß (Bericht und Antrag des BundestagsSonderausschusses für die Strafrechtsreform) Schellhorn/Jirasek/Seipp, Das Bundessozialhilfegesetz. Ein Kommentar für Ausbildung, Praxis und Wissenschaft, 13. Aufl., Neuwied/Darmstadt 1988 Schüler-Springorum, Strafvollzug im Ubergang. Studien zum Stand der Vollzugsrechtslehre, Göttingen 1969 Schlußbericht (der JStrVK, hrsg. v. BMJ, 1980) Schwind/Blau (Hrsg.), Strafvollzug in der Praxis. Eine Einführung in die Probleme und Realitäten des Strafvollzugs und der Entlassenenhilfe, 2. Aufl., Berlin/New York 1988 Sozialgesetzbuch Sozialgesetzbuch, 1. Buch Sozialgesetzbuch, 4. Buch Sozialgesetzbuch, 8. Buch Sozialgesetzbuch, 10. Buch Sonderheft sogenannte(r) Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung Strafverteidiger Strafvollzugskommission Strafvollstreckungsordnung vom 15. 2. 1956 Strafvollzugsfortentwicklungsgesetz Strafvollzugsgesetz Strafvollzugsordnung vom 22. 7. 1940 Strafvollzugsvergütungsordnung siehe unten unter anderem Untersuchungshaft Unsere Jugend, Zeitschrift für Jugendhilfe in Wissenschaft und Praxis

Zitierweise und Abkürzungen UnterbrG UVollzO VertrV

Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker und deren Betreuung Untersuchungshaftvollzugsordnung (bundeseinheitlich)

VwGO VwVfG

Verordnung über die gerichtliche Vertretung des Freistaates Bayern und über das Abhilfeverfahren i. d. F. vom 9. 2. 1973 vergleiche Vollzugsgeschäftsordnung vom 1. 7.1965 i. d. F. vom 1. 1.1977 Verordnung Volckart, Verteidigung in der Strafvollstreckung und im Vollzug, Heidelberg 1988 Vorbemerkung Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz Bundeseinheitliche Verwaltungsvorschriften für den Jugendstrafvollzug Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz

WRV WStG WzM

Weimarer Reichsverfassung Wehrstrafgesetz Wege zum Menschen

WPKG

Wissenschaft und Praxis in Kirche und Gesellschaft

vgl. VGO VO Volckart Vorb. W WJug.

z. B.

zum Beispiel

Zbl. ZevKR ZfSH ZPO ZfStrVo ZRP ZStW z. T. zust.

Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Zeitschrift für Sozialhilfe Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zum Teil zustimmend

XXIII

Gesetzestext G e s e t z über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden M a ß r e g e l n der Besserung u n d Sicherung Strafvollzugsgesetz ( S t V o l l z G ) Vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, ber. S. 2088 und 1977 S. 436) (BGBl. III 312-9-1) Geändert durch Gesetze vom 18. August 1976 (BGBl. I S. 2181), 22. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1523), 20. Januar 1984 (BGBl. I S. 97, 360), 20. Dezember 1984 (BGBl. IS. 1654, ber. 1985 S. 1266), 27. Februar 1985 (BGBl. I S. 461), vom 27. Januar 1987 (BGBl. I S. 475), vom 20. Dezember 1988 (BGBl. IS. 2477), vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S.2261) und vom 23. September 1990 (Einigungsvertragsgesetz BGBl. II S. 885, 956, 957, 959)

Erster Abschnitt Anwendungsbereich y. Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Freiheitsstrafe in Justizvollzugsanstalten und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung. Zweiter Abschnitt Vollzug der Freiheitsstrafe Erster Titel Grundsätze §2 Aufgaben des Vollzuges Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. §3 Gestaltung des Vollzuges (1) Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden. (2) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken. 1

Gesetzestext (3) Der Vollzug ist darauf auszurichten, daß er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern. §4 Stellung des Gefangenen (1) Der Gefangene wirkt an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit. Seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern. (2) Der Gefangene unterliegt den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen seiner Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihm nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerläßlich sind. Zweiter Titel Planung des Vollzuges §5 Aufnahmeverfahren (1)1 Beim Aufnahmeverfahren dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein. (2) Der Gefangene wird über seine Rechte und Pflichten unterrichtet. (3) Nach der Aufnahme wird der Gefangene alsbald ärztlich untersucht und dem Leiter der Anstalt oder der Aufnahmeabteilung vorgestellt. 1

§ 5 Abs. 1 wird durch besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt; vgl. § 198 Abs. 3.

§6 Behandlungsuntersuchung. Beteiligung des Gefangenen (1) Nach dem Aufnahmeverfahren wird damit begonnen, die Persönlichkeit und die Lebensverhältnisse des Gefangenen zu erforschen. Hiervon kann abgesehen werden, wenn dies mit Rücksicht auf die Vollzugsdauer nicht geboten erscheint. (2) Die Untersuchung erstreckt sich auf die Umstände, deren Kenntnis für eine planvolle Behandlung des Gefangenen im Vollzuge und für die Eingliederung nach seiner Entlassung notwendig ist. (3) Die Planung der Behandlung wird mit dem Gefangenen erörtert. §7 Vollzugsplan (1) Auf Grund der Behandlungsuntersuchung (§ 6) wird ein Vollzugsplan erstellt. (2) Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Behandlungsmaßnahmen: 1. die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug, 2. die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt, 3. die Zuweisung zu Wohngruppen und Behandlungsgruppen, 4. den Arbeitseinsatz sowie Maßnahmen der beruflichen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung, 5. die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung, 6. besondere Hilfs- und Behandlungsmaßnahmen, 7. Lockerungen des Vollzuges und 8. notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung.

2

Gesetzestext (3) Der Vollzugsplan ist mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in Einklang zu halten. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen. §8 Verlegung. Uberstellung (1) Der Gefangene kann abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere für den Vollzug der Freiheitsstrafe zuständige Anstalt verlegt werden, 1. wenn die Behandlung des Gefangenen oder seine Eingliederung nach der Entlassung hierdurch gefördert wird oder 2. wenn dies aus Gründen der Vollzugsorganisation oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist. (2) Der Gefangene darf aus wichtigem Grund in eine andere Völlzugsanstalt überstellt werden. . . ?9 Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt (1) Ein Gefangener kann mit seiner Zustimmung in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt werden, wenn die besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen dieser Anstalt zu einer Resozialisierung angezeigt sind. Er kann wieder zurückverlegt werden, wenn mit diesen Mitteln und Hilfen dort voraussichtlich kein Erfolg erzielt werden kann. Die §§ 8 und 85 bleiben unberührt. (2) Die Verlegung bedarf der Zustimmung des Leiters der sozialtherapeutischen Anstalt. § 10 Offener und geschlossener Vollzug (1) Ein Gefangener soll mit seiner Zustimmung in einer Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzuges untergebracht werden, wenn er den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügt und namentlich nicht zu befürchten ist, daß er sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzuges zu Straftaten mißbrauchen werde. (2) Im übrigen sind die Gefangenen im geschlossenen Vollzug unterzubringen. Ein Gefangener kann auch dann im geschlossenen Vollzug untergebracht oder dorthin zurückverlegt werden, wenn dies zu seiner Behandlung notwendig ist. §11 Lockerungen des Vollzuges (1) Als Lockerung des Vollzuges kann namentlich angeordnet werden, daß der Gefangene 1. außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen darf oder 2. für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Ausgang) verlassen darf. (2) Diese Lockerungen dürfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, daß der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten mißbrauchen werde. 3

Gesetzestext §12 Ausfährung aus besonderen Gründen Ein Gefangener darf auch ohne seine Zustimmung ausgeführt werden, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist. §13 Urlaub aus der Haft (1) Ein Gefangener kann bis zu einundzwanzig Kalendertagen in einem Jahr aus der Haft beurlaubt werden. § 11 Abs. 2 gilt entsprechend. (2) Der Urlaub soll in der Regel erst gewährt werden, wenn der Gefangene sich mindestens sechs Monate im Strafvollzug befunden hat. (3) Ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilter Gefangener kann beurlaubt werden, wenn er sich einschließlich einer vorhergehenden Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung zehn Jahre im Vollzug befunden hat oder wenn er in den offenen Vollzug überwiesen ist. (4) Gefangenen, die sich für den offenen Vollzug eignen, aus besonderen Gründen aber in einer geschlossenen Anstalt untergebracht sind, kann nach den für den offenen Vollzug geltenden Vorschriften Urlaub erteilt werden. (5) Durch den Urlaub wird die Strafvollstreckung nicht unterbrochen. § 14 Weisungen, Außebung von Lockerungen und Urlaub (1) Der Anstaltsleiter kann dem Gefangenen für Lockerungen und Urlaub Weisungen erteilen. (2) Er kann Lockerungen und Urlaub widerrufen, wenn 1. er auf Grund nachträglich eingetretener Umstände berechtigt wäre, die Maßnahmen zu versagen, 2. der Gefangene die Maßnahmen mißbraucht oder 3. der Gefangene Weisungen nicht nachkommt. Er kann Lockerungen und Urlaub mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen, wenn die Voraussetzungen für ihre Bewilligung nicht vorgelegen haben. §15 Entlassungsvorbereitung (1) Um die Entlassung vorzubereiten, soll der Vollzug gelockert werden (§ 11). (2) Der Gefangene kann in eine offene Anstalt oder Abteilung (§ 10) verlegt werden, wenn dies der Vorbereitung der Entlassung dient. (3) Innerhalb von drei Monaten vor der Entlassung kann zu deren Vorbereitung Sonderurlaub bis zu einer Woche gewährt werden. § 11 Abs. 2, § 13 Abs. 5 und § 14 gelten entsprechend. (4) Freigängern ( § 1 1 Abs. 1 Nr. 1) kann innerhalb von neun Monaten vor der Entlassung Sonderurlaub bis zu sechs Tagen im Monat gewährt werden. § 11 Abs. 2, § 13 Abs. 5 und § 14 gelten entsprechend. Absatz 3 Satz 1 findet keine Anwendung. § 16 Entlassungszeitpunkt (1) Der Gefangene soll am letzten Tag seiner Strafzeit möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag, entlassen werden. 4

Gesetzestext (2) Fällt das Strafende auf einen Sonnabend oder Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag, den ersten Werktag nach Ostern oder Pfingsten oder in die Zeit vom 22. Dezember bis zum 2. Januar, so kann der Gefangene an dem diesem Tag oder Zeitraum vorhergehenden Werktag entlassen werden, wenn dies nach der Länge der Strafzeit vertretbar ist und fürsorgerische Gründe nicht entgegenstehen. (3) Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu zwei Tagen vorverlegt werden, wenn dringende Gründe dafür vorliegen, daß der Gefangene zu seiner Eingliederung hierauf angewiesen ist. Dritter Titel Unterbringung und Ernährung des Gefangenen *17

Unterbringung

während der Arbeit und Freizeit

(1) Die Gefangenen arbeiten gemeinsam. Dasselbe gilt für Berufsausbildung, berufliche Fortbildung, Umschulung sowie arbeitstherapeutische und sonstige Beschäftigung während der Arbeitszeit. (2) Während der Freizeit können die Gefangenen sich in der Gemeinschaft mit den anderen aufhalten. Für die Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen kann der Anstaltsleiter mit Rücksicht auf die räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse der Anstalt besondere Regelungen treffen. (3)1 Die gemeinschaftliche Unterbringung während der Arbeitszeit und Freizeit kann eingeschränkt werden, 1. wenn ein schädlicher Einfluß auf andere Gefangene zu befürchten ist, 2. wenn der Gefangene nach § 6 untersucht wird, aber nicht länger als zwei Monate, 3. wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert oder 4. wenn der Gefangene zustimmt. 1

Vgl. auch Übergangsbestimmung in § 201 Nr. 2.

Unterbringung

§ 18

während der Ruhezeit

(1) Gefangene werden während der Ruhezeit allein in ihren Hafträumen untergebracht. 1 Eine gemeinsame Unterbringung ist zulässig, sofern ein Gefangener hilfsbedürftig ist oder eine Gefahr für Leben oder Gesundheit eines Gefangenen besteht. (2) Im offenen Vollzug dürfen Gefangene mit ihrer Zustimmung während der Ruhezeit gemeinsam untergebracht werden, wenn eine schädliche Beeinflussung nicht zu befürchten ist. Im geschlossenen Vollzug ist eine gemeinschaftliche Unterbringung zur Ruhezeit außer in den Fällen des Absatzes 1 nur vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig. 1

Vgl. auch Ubergangsbestimmung in § 201 Nr. 3.

§ 19

Ausstattung des Haftraumes durch den Gefangenen

und sein persönlicher

Besitz

(1) Der Gefangene darf seinen Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. Lichtbilder nahestehender Personen und Erinnerungsstücke von persönlichem Wert werden ihm belassen. 5

Gesetzestext (2) Vorkehrungen und Gegenstände, die die Übersichtlichkeit des Haftraumes behindern oder in anderer Weise Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, können ausgeschlossen werden. §20 Kleidung (1) Der Gefangene trägt Anstaltskleidung. Für die Freizeit erhält er eine besondere Oberbekleidung. (2) Der Anstaltsleiter gestattet dem Gefangenen, bei einer Ausführung eigene Kleidung zu tragen, wenn zu erwarten ist, daß er nicht entweichen wird. Er kann dies auch sonst gestatten, sofern der Gefangene für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgt. §21 Anstaltsverpflegung Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung werden ärztlich überwacht. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Dem Gefangenen ist zu ermöglichen, Speisevorschriften seiner Religionsgemeinschaft zu befolgen. §22 Einkauf (1) Der Gefangene kann sich von seinem Hausgeld (§ 47) oder von seinem Taschengeld (§ 46) aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot Nahrungs- und Genußmittel sowie Mittel zur Körperpflege kaufen. Die Anstalt soll für ein Angebot sorgen, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen Rücksicht nimmt. (2) Gegenstände, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, können vom Einkauf ausgeschlossen werden. Auf ärztliche Anordnung kann dem Gefangenen der Einkauf einzelner Nahrungs- und Genußmittel ganz oder teilweise untersagt werden, wenn zu befürchten ist, daß sie seine Gesundheit ernsthaft gefährden. In Krankenhäusern und Krankenabteilungen kann der Einkauf einzelner Nahrungs- und Genußmittel auf ärztliche Anordnung allgemein untersagt oder eingeschränkt werden. (3) Verfügt der Gefangene ohne eigenes Verschulden nicht über Haus- oder Taschengeld, wird ihm gestattet, im angemessenen Umfang vom Eigengeld einzukaufen.

Vierter Titel Besuche, Schriftwechsel sowie Urlaub, Ausgang und Ausführung aus besonderem Anlaß §23 Grundsatz Der Gefangene hat das Recht, mit Personen außerhalb der Anstalt im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes zu verkehren. Der Verkehr mit Personen außerhalb der Anstalt ist zu fördern.

6

Gesetzestext §24 Recht auf Besuch (1) Der Gefangene darf regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer beträgt mindestens eine Stunde im Monat. Das Weitere regelt die Hausordnung. (2) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Behandlung oder Eingliederung des Gefangenen fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht vom Gefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung des Gefangenen aufgeschoben werden können. (3) Aus Gründen der Sicherheit kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, daß sich der Besucher durchsuchen läßt. §25 Besuchsverbot Der Anstaltsleiter kann Besuche untersagen, 1. wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde, 2. bei Besuchen, die nicht Angehörige des Gefangenen im Sinne des Strafgesetzbuches sind, wenn zu befürchten ist, daß sie einen schädlichen Einfluß auf den Gefangenen haben oder seine Eingliederung behindern würden. § 26 Besuche von Verteidigern, Rechtsanwälten und Notaren Besuche von Verteidigern sowie von Rechtsanwälten oder Notaren in einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache sind zu gestatten. § 24 Abs. 3 gilt entsprechend. Eine inhaltliche Überprüfung der vom Verteidiger mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist nicht zulässig. § 29 Abs. 1 Satz 2 und 3 bleibt unberührt. §27 Überwachung der Besuche (1) Die Besuche dürfen aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überwacht werden. Die Unterhaltung ist nur dann zu überwachen, wenn es aus diesen Gründen geboten ist. (2) Ein Besuch darf abgebrochen werden, wenn Besucher oder Gefangene gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder die auf Grund dieses Gesetzes getroffenen Anordnungen trotz Abmahnung verstoßen. Die Abmahnung unterbleibt, wenn es unerläßlich ist, den Besuch sofort abzubrechen. (3) Besuche von Verteidigern werden nicht überwacht. (4) Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis übergeben werden. Dies gilt nicht für die bei dem Besuch des Verteidigers übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen sowie für die bei dem Besuch eines Rechtsanwalts oder Notars zur Erledigung einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen; bei dem Besuch eines Rechtsanwalts oder Notars kann die Ubergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt von der Erlaubnis abhängig gemacht werden. § 29 Abs. 1 Satz 2 und 3 bleibt unberührt. §28 Recht auf Schriftwechsel (1) Der Gefangene hat das Recht, unbeschränkt Schreiben abzusenden und zu empfangen.

7

Gesetzestext (2) Der Anstaltsleiter kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen, 1. wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde, 2. bei Personen, die nicht Angehörige des Gefangenen im Sinne des Strafgesetzbuches sind, wenn zu befürchten ist, daß der Schriftwechsel einen schädlichen Einfluß auf den Gefangenen haben oder seine Eingliederung behindern würde. § 29 Überwachung des Schriftwechsels (1) Der Schriftwechsel des Gefangenen mit seinem Verteidiger wird nicht überwacht. Liegt dem Vollzug der Freiheitsstrafe eine Straftat nach § 129 a des Strafgesetzbuches zugrunde, gelten § 148 Abs. 2, § 148 a der Strafprozeßordnung entsprechend; dies gilt nicht, wenn der Gefangene sich in einer Einrichtung des offenen Vollzuges befindet oder wenn ihm Lockerungen des Vollzuges gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 zweiter Halbsatz oder Urlaub gemäß § 13 oder § 15 Abs. 3 gewährt worden sind und ein Grund, der den Anstaltsleiter nach § 14 Abs. 2 zum Widerruf oder zur Zurücknahme von Lockerungen und Urlaub ermächtigt, nicht vorliegt. Satz 2 gilt auch, wenn gegen einen Strafgefangenen im Anschluß an die dem Vollzug der Freiheitsstrafe zugrundehegende Verurteilung eine Freiheitsstrafe wegen einer Straftat nach § 129 a des Strafgesetzbuches zu vollstrecken ist. (2) Nicht überwacht werden ferner Schreiben des Gefangenen an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben, sowie an die Europäische Kommission für Menschenrechte. (3) Der übrige Schriftwechsel darf aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überwacht werden. §30 Weiterleitung von Schreiben. Aufbewahrung (1) Der Gefangene hat Absendung und Empfang seiner Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist. (2) Eingehende und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten. (3) Der Gefangene hat eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird; er kann sie verschlossen zu seiner Habe geben. §31 Anhalten von Schreiben (1) Der Anstaltsleiter kann Schreiben anhalten, 1. wenn das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde, 2. wenn die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde, 3. wenn sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von AnstaltsVerhältnissen enthalten, 4. wenn sie grobe Beleidigungen enthalten, 5. wenn sie die Eingliederung eines anderen Gefangenen gefährden können oder 6. wenn sie in Geheimschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefaßt sind. (2) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn der Gefangene auf der Absendung besteht. 8

Gesetzestext (3) Ist ein Schreiben angehalten worden, wird das dem Gefangenen mitgeteilt. Angehaltene Schreiben werden an den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen untunlich ist, behördlich verwahrt. (4) Schreiben, deren Überwachung nach § 29 Abs. 1 und 2 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden. §32 Ferngespräche und Telegramme Dem Gefangenen kann gestattet werden, Ferngespräche zu führen oder Telegramme aufzugeben. Im übrigen gelten für Ferngespräche die Vorschriften über den Besuch und für Telegramme die Vorschriften über den Schriftwechsel entsprechend. §33 Pakete (1) Der Gefangene darf dreimal jährlich in angemessenen Abständen ein Paket mit Nahrungs- und Genußmitteln empfangen. Die Vollzugsbehörde kann Zeitpunkt und Höchstmengen für die Sendung und für einzelne Gegenstände festsetzen. Der Empfang weiterer Pakete oder solcher mit anderem Inhalt bedarf ihrer Erlaubnis. Für den Ausschluß von Gegenständen gilt § 22 Abs. 2 entsprechend. (2) Pakete sind in Gegenwart des Gefangenen zu öffnen. Ausgeschlossene Gegenstände können zu seiner Habe genommen oder dem Absender zurückgesandt werden. Nicht ausgehändigte Gegenstände, durch die bei der Versendung oder Aufbewahrung Personen verletzt oder Sachschäden verursacht werden können, dürfen vernichtet werden. Die hiernach getroffenen Maßnahmen werden dem Gefangenen eröffnet. (3) Der Empfang von Paketen kann vorübergehend versagt werden, wenn dies wegen Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerläßlich ist. (4) Dem Gefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. Die Vollzugsbehörde kann ihren Inhalt aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überprüfen. § 34 Verwertung von Kenntnissen (1) Kenntnisse aus der Überwachung der Besuche oder des Schriftwechsels dürfen nur verwertet werden, 1. soweit dies notwendig ist, um die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zu wahren oder Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu verhüten, zu unterbinden oder zu verfolgen oder 2. soweit dies aus Gründen der Behandlung geboten ist; der Gefangene soll gehört werden. (2) Die Kenntnisse dürfen nur den zuständigen Vollzugsbediensteten sowie den zuständigen Gerichten und den Behörden mitgeteilt werden, die zuständig sind, Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu verhüten, zu unterbinden oder zu verfolgen.

35 s Urlaub, Ausgang und Ausführung

aus wichtigem Anlaß (1) Aus wichtigem Anlaß kann der Anstaltsleiter dem Gefangenen Ausgang gewähren oder ihn bis zu sieben Tagen beurlauben; der Urlaub aus anderem wichtigen Anlaß als wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung oder wegen des Todes eines Angehörigen darf 9

Gesetzestext sieben Tage im Jahr nicht übersteigen. § 11 Abs. 2, § 13 Abs. 5 und § 14 gelten entsprechend. (2) Der Urlaub nach Absatz 1 wird nicht auf den regelmäßigen Urlaub angerechnet. (3) Kann Ausgang oder Urlaub aus den in § 11 Abs. 2 genannten Gründen nicht gewährt werden, kann der Anstaltsleiter den Gefangenen ausführen lassen. Die Aufwendungen hierfür hat der Gefangene zu tragen. Der Anspruch ist nicht geltend zu machen, wenn dies die Behandlung oder die Eingliederung behindern würde. § 36 Gerichtliche Termine (1) Der Anstaltsleiter kann einem Gefangenen zur Teilnahme an einem gerichtlichen Termin Ausgang oder Urlaub erteilen, wenn anzunehmen ist, daß er der Ladung folgt und keine Entweichungs- oder Mißbrauchsgefahr (§11 Abs. 2) besteht. § 13 Abs. 5 und § 14 gelten entsprechend. (2) Wenn ein Gefangener zu einem gerichtlichen Termin geladen ist und Ausgang oder Urlaub nicht gewährt wird, läßt der Anstaltsleiter ihn mit seiner Zustimmung zu dem Termin ausführen, sofern wegen Entweichungs- oder Mißbrauchsgefahr (§11 Abs. 2) keine überwiegenden Gründe entgegenstehen. Auf Ersuchen eines Gerichts läßt er den Gefangenen vorführen, sofern ein Vorführungsbefehl vorliegt. (3) Die Vollzugsbehörde unterrichtet das Gericht über das Veranlaßte.

Fünfter Titel Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung §37 Zuweisung (1) Arbeit, arbeitstherapeutische Beschäftigung, Ausbildung und Weiterbildung dienen insbesondere dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern. (2) Die Vollzugsbehörde soll dem Gefangenen wirtschaftlich ergiebige Arbeit zuweisen und dabei seine Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigen. (3) Geeigneten Gefangenen soll Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung, Umschulung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden. (4) Kann einem arbeitsfähigen Gefangenen keine wirtschaftlich ergiebige Arbeit oder die Teilnahme an Maßnahmen nach Absatz 3 zugewiesen werden, wird ihm eine angemessene Beschäftigung zugeteilt. (5) Ist ein Gefangener zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht fähig, soll er arbeitstherapeutisch beschäftigt werden. §38 Unterricht (1) Für geeignete Gefangene, die den Abschluß der Hauptschule nicht erreicht haben, soll Unterricht in den zum Hauptschulabschluß führenden Fächern oder ein der Sonderschule entsprechender Unterricht vorgesehen werden. Bei der beruflichen Ausbildung oder 10

Gesetzestext Umschulung ist berufsbildender Unterricht vorzusehen; dies gilt auch für die berufliche Fortbildung, soweit die Art der Maßnahme es erfordert. (2) Unterricht soll während der Arbeitszeit stattfinden. § 39 Freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung (1) Dem Gefangenen soll gestattet werden, einer Arbeit, Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung oder Umschulung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt nachzugehen, wenn dies im Rahmen des Vollzugsplanes dem Ziel dient, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern und nicht überwiegende Gründe des Vollzuges entgegenstehen. § 11 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und § 14 bleiben unberührt. (2) Dem Gefangenen kann gestattet werden, sich selbst zu beschäftigen. (3) Die Vollzugsbehörde kann verlangen, daß ihr das Entgelt zur Gutschrift für den Gefangenen überwiesen wird. §40 Abschlußzeugnis Aus dem Abschlußzeugnis über eine ausbildende oder weiterbildende Maßnahme darf die Gefangenschaft eines Teilnehmers nicht erkennbar sein. §41 Arbeitspflicht (1) Der Gefangene ist verpflichtet, eine ihm zugewiesene, seinen körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung auszuüben, zu deren Verrichtung er auf Grund seines körperlichen Zustandes in der Lage ist. Er kann jährlich bis zu drei Monaten zu Hilfstätigkeiten in der Anstalt verpflichtet werden, mit seiner Zustimmung auch darüber hinaus. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Gefangene, die über 65 Jahre alt sind, und nicht für werdende und stillende Mütter, soweit gesetzliche Beschäftigungsverbote zum Schutze erwerbstätiger Mütter bestehen. (2) Die Teilnahme an einer Maßnahme nach § 37 Abs. 3 bedarf der Zustimmung des Gefangenen. Die Zustimmung darf nicht zur Unzeit widerrufen werden. (3)1 Die Beschäftigung in einem von privaten Unternehmen unterhaltenen Betriebe (§ 149 Abs. 4) bedarf der Zustimmung des Gefangenen. Der Widerruf der Zustimmung wird erst wirksam, wenn der Arbeitsplatz von einem anderen Gefangenen eingenommen werden kann, spätestens nach sechs Wochen. 1

§ 41 Abs. 3 wird durch besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt (vgl. § 198 Abs. 3).

§42 Freistellung von der Arbeitspflicht (1) Hat der Gefangene ein Jahr lang zugewiesene Tätigkeit nach § 37 oder Hilfstätigkeiten nach § 41 Abs. 1 Satz 2 ausgeübt, so kann er beanspruchen, achtzehn Werktage von der Arbeitspflicht freigestellt zu werden. Zeiten, in denen der Gefangene infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert war, werden auf das Jahr bis zu sechs Wochen jährlich angerechnet.

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Gesetzestext (2) Auf die Zeit der Freistellung wird Urlaub aus der Haft (§§ 13, 35) angerechnet, soweit er in die Arbeitszeit fällt und nicht wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung oder des Todes eines Angehörigen erteilt worden ist. (3) Der Gefangene erhält für die Zeit der Freistellung seine zuletzt gezahlten Bezüge weiter. (4) Urlaubsregelungen der Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des Strafvollzuges bleiben unberührt. §43' Arbeitsentgelt1 (1) Übt der Gefangene eine zugewiesene Arbeit, sonstige Beschäftigung oder eine Hilfstätigkeit nach § 41 Abs. 1 Satz 2 aus, so erhält er ein Arbeitsentgelt. Der Bemessung des Arbeitsentgelts ist der in § 200 bestimmte Satz des durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller Versicherten der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten ohne Auszubildende des vorvergangenen Kalenderjahres zugrunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der zweihundertfünfzigste Teil der Eckvergütung; das Arbeitsentgelt kann nach einem Stundensatz bemessen werden. (2) Das Arbeitsentgelt kann je nach der Leistung des Gefangenen und der Art der Arbeit gestuft werden. 75 vom Hundert der Eckvergütung dürfen nur dann unterschritten werden, wenn die Arbeitsleistungen des Gefangenen den Mindestanforderungen nicht genügen. (3) Übt ein Gefangener zugewiesene arbeitstherapeutische Beschäftigung aus, erhält er ein Arbeitsentgelt, soweit dies der Art seiner Beschäftigung und seiner Arbeitsleistung entspricht. (4) Das Arbeitsentgelt ist dem Gefangenen schriftlich bekanntzugeben. 1 § 43 tritt für die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie für den Teil des Landes Berlin, in dem das Strafvollzugsgesetz bisher nicht gegolten hat, mit folgender Maßgabe in Kraft: Bei § 43 ist bis zur Geltung einer einheitlichen Bemessungsgrundlage für alle Gefangenen die für die bisherigen Länder der Bundesrepublik Deutschland geltende Bemessungsgrundlage anzuwenden. 2 Ab 1.1.1992 gilt Abs. 2 Satz 1 in folgender Fassung: „Der Bemessung des Arbeitsentgelts ist der in § 200 bestimmte Satz der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch zugrunde zu legen (Eckvergütung)."

§ 44 Ausbildungsbeihilfe (1) Nimmt der Gefangene an einer Berufsausbildung, Umschulung, beruflichen Fortbildung oder an einem Unterricht teil und ist er zu diesem Zweck von seiner Arbeitspflicht freigestellt, so erhält er eine Ausbildungsbeihilfe, soweit ihm keine Leistungen zum Lebensunterhalt zustehen, die freien Personen aus solchem Anlaß gewährt werden. Der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes wird nicht berührt. (2) Für die Bemessung der Ausbildungsbeihilfe gilt § 43 Abs. 1 und 2 entsprechend. (3) Nimmt der Gefangene während der Arbeitszeit stunden- oder tageweise am Unterricht oder an anderen zugewiesenen Maßnahmen gemäß § 37 Abs. 3 teil, so erhält er in Höhe des ihm dadurch entgehenden Arbeitsentgelts eine Ausbildungsbeihilfe. 12

Gesetzestext §45'

Ausfallentschädigung (1) Kann einem arbeitsfähigen Gefangenen aus Gründen, die nicht in seiner Person liegen, länger als eine Woche eine Arbeit oder Beschäftigung im Sinne des § 37 Abs. 4 nicht zugewiesen werden, erhält er eine Ausfallentschädigung. (2) Wird ein Gefangener nach Beginn der Arbeit oder Beschäftigung infolge Krankheit länger als eine Woche an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so erhält er ebenfalls eine Ausfallentschädigung. Gleiches gilt für Gefangene, die eine Ausbildungsbeihilfe nach § 44 oder Ausfallentschädigung nach Absatz 1 bezogen haben. (3) Werdende Mütter, die eine Arbeit oder Beschäftigung im Sinne des § 37 nicht verrichten, erhalten Ausfallentschädigung in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung und bis zum Ablauf von acht Wochen, bei Früh- und Mehrlingsgeburten bis zu zwölf Wochen nach der Entbindung. (4) Die Ausfallentschädigung darf 60 vom Hundert der Eckvergütung nach § 43 Abs. 1 nur dann unterschreiten, wenn der Gefangene das Mindestentgelt des § 43 Abs. 2 vor der Arbeitslosigkeit oder Krankheit nicht erreicht hat. (5) Ausfallentschädigung wird unbeschadet der Regelung nach Absatz 3 insgesamt bis zur Höchstdauer von sechs Wocchen jährlich gewährt. Eine weitere Ausfallentschädigung wird erst gewährt, wenn der Gefangene erneut wenigstens ein Jahr Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe bezogen hat. (6) Soweit der Gefangene nach 5 566 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung Ubergangsgeld erhält, ruht der Anspruch auf Ausfallentschädigung. 1

§ 45 wird durch besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt; vgl. % 198 Abs. 3. § 46 1

Taschengeld Wenn ein Gefangener wegen Alters oder Gebrechlichkeit nicht mehr arbeitet oder ihm eine Ausfallentschädigung nicht oder nicht mehr gewährt wird, erhält er ein angemessenes Taschengeld, falls er bedürftig ist. Gleiches gilt für Gefangene, die für eine Beschäftigung nach § 37 Abs. 5 kein Arbeitsentgelt erhalten. 1 § 46 wird durch besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt; vgl. § 198 Abs. 3. Bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes gilt § 46 in der Fassung gemäß § 199 Abs. 2 Nr. 1.

§47'

Hausgeld (1) Der Gefangene darf von seinen in diesem Gesetz geregelten Bezügen mindestens dreißig Deutsche Mark monatlich (Hausgeld) und das Taschengeld (§46) für den Einkauf ($ 22 Abs. 1) oder anderweit verwenden. (2) Der Mindestbetrag des Hausgeldes erhöht sich um jeweils zehn vom Hundert der dreihundert Deutsche Mark übersteigenden monatlichen Bezüge. Die Vollzugsbehörde kann höhere Beträge von der Höhe des Überbrückungsgeldes abhängig machen. (3) Für Gefangene, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen (§39 Abs.l) oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen (§ 39 Abs. 2), wird aus ihren Bezügen ein angemessenes Hausgeld festgesetzt. 1 § 47 wird durch besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt; vgl. § 198 Abs. 3. Bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes gilt § 47 in der Fassung gemäß § 199 Abs. 2 Nr. 2.

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Gesetzestext §48' Rechtsverordnung Der Bundesminister der Justiz wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung der §§ 43 bis 45 Rechtsverordnungen über die Vergütungsstufen zu erlassen.1 1

Vgl. Strafvollzugsvergütungsverordnung, abgedruckt: Anhang 2.

§49' Unterhaltsbeitrag (1) Auf Antrag des Gefangenen ist zur Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht aus seinen Bezügen an den Berechtigten oder einen Dritten ein Unterhaltsbeitrag zu zahlen. (2) Reichen die Einkünfte des Gefangenen nach Abzug des Hausgeldes und des Unterhaltsbeitrages nicht aus, um den Haftkostenbeitrag zu begleichen, so wird ein Unterhaltsbeitrag nur bis zur Höhe des nach § 850 c der Zivilprozeßordnung unpfändbaren Betrages gezahlt. Bei der Bemessung des nach Satz 1 maßgeblichen Betrages wird die Zahl der unterhaltsberechtigten Personen um eine vermindert. 1

§ 49 wird durch besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt; vgl. § 198 Abs. 3.

§ 501 Haftkostenbeitrag (1) Von den in diesem Gesetz geregelten Bezügen und von den Bezügen der Gefangenen, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen (§ 39 Abs. 1), darf ein Haftkostenbeitrag in Höhe des Betrages einbehalten werden, der nach § 160 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung durchschnittlich zur Bewertung der Sachbezüge festgesetzt ist. Der Bundesminister der Justiz stellt den Durchschnittsbetrag für jedes Kalenderjahr nach den am 1. Oktober des vorhergehenden Jahres geltenden Bewertungen der Sachbezüge fest und macht ihn im Bundesanzeiger bekannt. Der Haftkostenbeitrag darf auch von dem unpfändbaren Teil der Bezüge, jedoch nicht zu Lasten des Hausgeldes oder des Unterhaltsbeitrages angesetzt werden. (2) Die Selbstbeschäftigung (§ 39 Abs. 2) kann davon abhängig gemacht werden, daß der Gefangene den Haftkostenbeitrag monatlich im voraus entrichtet. 1 § 50 wird durch besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt; vgl. § 198 Abs. 3. Bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes gilt § 50 in der Fassung gemäß § 199 Abs. 2 N r . 3.

§ 51 Überbrückungsgeld (1) Aus den in diesem Gesetz geregelten Bezügen und aus den Bezügen der Gefangenen, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen (§ 39 Abs. 1) oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen (§ 39 Abs. 2), ist ein Überbrückungsgeld zu bilden, das den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern soll. (2) Das Überbrückungsgeld wird dem Gefangenen bei der Entlassung in die Freiheit ausgezahlt. Die Vollzugsbehörde kann es auch ganz oder zum Teil dem Bewährungshelfer oder einer mit der Entlassenenbetreuung befaßten Stelle überweisen, die darüber entscheiden, wie das Geld innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entlassung an den Gefange14

Gesetzestext nen ausgezahlt wird. Der Bewährungshelfer und die mit der Entlassenenbetreuung befaßte Stelle sind verpflichtet, das Überbrückungsgeld von ihrem Vermögen gesondert zu halten. Mit Zustimmung des Gefangenen kann das Überbrückungsgeld auch dem Unterhaltsberechtigten überwiesen werden. (3) Der Anstaltsleiter kann gestatten, daß das Überbrückungsgeld für Ausgaben in Anspruch genommen wird, die der Eingliederung des Gefangenen dienen. (4) Der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgeldes ist unpfändbar. Erreicht es nicht die in Absatz 1 bestimmte Höhe, so ist in Höhe des Unterschiedsbetrages auch der Anspruch auf Auszahlung des Eigengeldes unpfändbar. Bargeld des entlassenen Gefangenen, an den wegen der nach Satz 1 oder Satz 2 unpfändbaren Ansprüche Geld ausgezahlt worden ist, ist für die Dauer von vier Wochen seit der Entlassung insoweit der Pfändung nicht unterworfen, als es dem Teil der Ansprüche für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf der vier Wochen entspricht. (5) Absatz 4 gilt nicht bei einer Pfändung wegen der in § 850 d Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Unterhaltsansprüche. Dem entlassenen Gefangenen ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner sonstigen gesetzlichen Unterhaltspflichten für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf von vier Wochen seit der Entlassung bedarf. §52 Eigengeld Bezüge des Gefangenen, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag, Unterhaltsbeitrag oder Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden, sind dem Gefangenen zum Eigengeld gutzuschreiben. Sechster Titel Religionsausübung §53 Seelsorge (1) Dem Gefangenen darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger seiner Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf seinen Wunsch ist ihm zu helfen, mit einem Seelsorger seiner Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten. (2) Der Gefangene darf grundlegende religiöse Schriften besitzen. Sie dürfen ihm nur bei grobem Mißbrauch entzogen werden. (3) Dem Gefangenen sind Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfange zu belassen. § 54 Religiöse Veranstaltungen (1) Der Gefangene hat das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen seines Bekenntnisses teilzunehmen. (2) Zu dem Gottesdienst oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft wird der Gefangene zugelassen, wenn deren Seelsorger zustimmt. (3) Der Gefangene kann von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung geboten ist; der Seelsorger soll vorher gehört werden. 15

Gesetzestext §55 Weltanschauungsgemeinschaften Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§ 53 und 54 entsprechend.

Siebter Titel Gesundheitsfürsorge

§56 Allgemeine Regeln (1) Für die körperliche und geistige Gesundheit des Gefangenen ist zu sorgen. § 101 bleibt unberührt. (2) Der Gefangene hat die notwendigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu unterstützen. S 57 Gesundheitsuntersuchungen, medizinische Vorsorgeleistungen (1) Gefangene, die das fünfunddreißigste Lebensjahr vollendet haben, haben jedes zweite Jahr Anspruch auf eine ärztliche Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von Krankheiten, insbesondere zur Früherkennung von Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie der Zuckerkrankheit. (2) Gefangene haben höchstens einmal jährlich Anspruch auf eine Untersuchung zur Früherkennung von Krebserkrankungen, Frauen frühestens vom Beginn des zwanzigsten Lebensjahres an, Männer frühestens vom Beginn des fünfundvierzigsten Lebensjahres an. (3) Voraussetzung für die Untersuchungen nach den Absätzen 1 und 2 ist, daß 1. es sich um Krankheiten handelt, die wirksam behandelt werden können, 2. das Vor- oder Frühstadium dieser Krankheiten durch diagnostische Maßnahmen erfaßbar ist, 3. die Krankheitszeichen medizinisch-technisch genügend eindeutig zu erfassen sind, 4. genügend Arzte und Einrichtungen vorhanden sind, um die aufgefundenen Verdachtsfälle eingehend zu diagnostizieren und zu behandeln. (4) Gefangene Frauen haben für ihre Kinder, die mit ihnen in der Vollzugsanstalt untergebracht sind, bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres Anspruch auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, die die körperliche oder geistige Entwicklung ihrer Kinder in nicht geringfügigem Maße gefährden. (5) Gefangene, die das vierzehnte, aber noch nicht das zwanzigste Lebensjahr vollendet haben, können sich zur Verhütung von Zahnerkrankungen einmal in jedem Kalenderhalbjahr zahnärztlich untersuchen lassen. Die Untersuchungen sollen sich auf den Befund des Zahnfleisches, die Aufklärung über Krankheitsursachen und ihre Vermeidung, das Erstellen von diagnostischen Vergleichen zur Mundhygiene, zum Zustand des Zahnfleisches und zur Anfälligkeit gegenüber Karieserkrankungen, auf die Motivation und Einweisung bei der Mundpflege sowie auf Maßnahmen zur Schmelzhärtung der Zähne erstrecken. (6) Gefangene haben Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wenn diese notwendig sind, 1. eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen, 16

Gesetzestext 2. einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken oder 3. Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. § 58 Krankenbehandlung Gefangene haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt insbesondere 1. ärztliche Behandlung, 2. zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz, 3. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, 4. medizinische und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation sowie Belastungserprobung und Arbeitstherapie, soweit die Belange des Vollzuges dem nicht entgegenstehen. § 59 Versorgung mit Hilfsmitteln Gefangene haben Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstükken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, sofern dies nicht mit Rücksicht auf die Kürze des Freiheitsentzugs ungerechtfertigt ist und soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Der Anspruch umfaßt auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch, soweit die Belange des Vollzuges dem nicht entgegenstehen. Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen besteht nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien. Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. § 60 Krankenbehandlung im Urlaub Während eines Urlaubs oder Ausgangs hat der Gefangene gegen die Vollzugsbehörde nur einen Anspruch auf Krankenbehandlung in der für ihn zuständigen Vollzugsanstalt. § 61 Art und Umfang der Leistungen Für die Art der Gesundheitsuntersuchungen und medizinischen Vorsorgeleistungen sowie für den Umfang dieser Leistungen und der Leistungen zur Krankenbehandlung einschließlich der Versorgung mit Hilfsmitteln gelten die entsprechenden Vorschriften des Sozialgesetzbuchs und die auf Grund dieser Vorschriften getroffenen Regelungen. §62 Zuschüsse zu Zahnersatz und Zahnkronen Die Landesjustizverwaltungen bestimmen durch allgemeine Verwaltungsvorschriften die Höhe der Zuschüsse zu den Kosten der zahnärztlichen Behandlung und der zahntechnischen Leistungen bei der Versorgung mit Zahnersatz. Sie können bestimmen, daß die gesamten Kosten übernommen werden. 17

Gesetzestext § 62 a Ruhen der Ansprüche Der Anspruch auf Leistungen nach den §§ 57 bis 59 ruht, solange der Gefangene auf Grund eines freien Beschäftigungsverhältnisses (§ 39 Abs. 1) krankenversichert ist. § 63 Arztliche Behandlung zur sozialen Eingliederung Mit Zustimmung des Gefangenen soll die Vollzugsbehörde ärztliche Behandlung, namentlich Operationen oder prothetische Maßnahmen durchführen lassen, die seine soziale Eingliederung fördern. Er ist an den Kosten zu beteiligen, wenn dies nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gerechtfertigt ist und der Zweck der Behandlung dadurch nicht in Frage gestellt wird. § 64 Aufenthalt im Freien Arbeitet ein Gefangener nicht im Freien, so wird ihm täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien ermöglicht, wenn die Witterung dies zu der festgesetzten Zeit zuläßt. § 65 Verlegung (1) Ein kranker Gefangener kann in ein Anstaltskrankenhaus oder in eine für die Behandlung seiner Krankheit besser geeignete Vollzugsanstalt verlegt werden. (2) Kann die Krankheit eines Gefangenen in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden oder ist es nicht möglich, den Gefangenen rechtzeitig in ein Anstaltskrankenhaus zu verlegen, ist dieser in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges zu bringen. Ist während des Aufenthalts des Gefangenen in einem Krankenhaus die Strafvollstreckung unterbrochen worden, hat der Versicherte nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung Anspruch auf die erforderlichen Leistungen. 1 1

§ 65 Abs. 2 Satz 2 wird durch besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt; vgl. § 198 Abs. 3.

§66 Benachrichtigung bei Erkrankung oder Todesfall (1) Wird ein Gefangener schwer krank, so ist ein Angehöriger, eine Person seines Vertrauens oder der gesetzliche Vertreter unverzüglich zu benachrichtigen. Dasselbe gilt, wenn ein Gefangener stirbt. (2) Dem Wunsche des Gefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden. Achter Titel Freizeit § 67 Allgemeines Der Gefangene erhält Gelegenheit, sich in seiner Freizeit zu beschäftigen. Er soll Gelegenheit erhalten, am Unterricht einschließlich Sport, an Fernunterricht, Lehrgängen und sonstigen Veranstaltungen der Weiterbildung, an Freizeitgruppen, Gruppengesprächen sowie an Sportveranstaltungen teilzunehmen und eine Bücherei zu benutzen. 18

Gesetzestext §68 Zeitungen und Zeitschriften (1) Der Gefangene darf Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. (2) Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen oder Zeitschriften können dem Gefangenen vorenthalten werden, wenn sie das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährden würden. § 69 Hörfunk und Femsehen (1) Der Gefangene kann am Hörfunkprogramm der Anstalt sowie am gemeinschaftlichen Fernsehempfang teilnehmen. Die Sendungen sind so auszuwählen, daß Wünsche und Bedürfnisse nach staatsbürgerlicher Information, Bildung und Unterhaltung angemessen berücksichtigt werden. Der Hörfunk- und Fernsehempfang kann vorübergehend ausgesetzt oder einzelnen Gefangenen untersagt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerläßlich ist. (2) Eigene Hörfunkgeräte werden unter den Voraussetzungen des § 70, eigene Fernsehgeräte nur in begründeten Ausnahmefällen zugelassen. § 70 Besitz von Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung (1) Der Gefangene darf in angemessenem Umfange Bücher und andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen. (2) Dies gilt nicht, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstands 1. mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre oder 2. das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würde. (3) Die Erlaubnis kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 widerrufen werden.

Neunter Titel Soziale Hilfe §71 Grundsatz Der Gefangene kann die soziale Hilfe der Anstalt in Anspruch nehmen, um seine persönlichen Schwierigkeiten zu lösen. Die Hilfe soll darauf gerichtet sein, den Gefangenen in die Lage zu versetzen, seine Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu regeln. § 72 Hilfe bei der Aufnahme (1) Bei der Aufnahme wird dem Gefangenen geholfen, die notwendigen Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige zu veranlassen und seine Habe außerhalb der Anstalt sicherzustellen. (2) Der Gefangene ist über die Aufrechterhaltung einer Sozialversicherung zu beraten.

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Gesetzestext §73 Hilfe während des Vollzuges Der Gefangene wird in dem Bemühen unterstützt, seine Rechte und Pflichten wahrzunehmen, namentlich sein Wahlrecht auszuüben sowie für Unterhaltsberechtigte zu sorgen und einen durch seine Straftat verursachten Schaden zu regeln. § 74 Hilfe zur Entlassung Um die Entlassung vorzubereiten, ist der Gefangene bei der Ordnung seiner persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu beraten. Die Beratung erstreckt sich auch auf die Benennung der für Sozialleistungen zuständigen Stellen. Dem Gefangenen ist zu helfen, Arbeit, Unterkunft und persönlichen Beistand für die Zeit nach der Entlassung zu finden. §75 Entlassungsbeihilfe (1) Der Gefangene erhält, soweit seine eigenen Mittel nicht ausreichen, von der Anstalt eine Beihilfe zu den Reisekosten sowie eine Uberbrückungsbeihilfe und erforderlichenfalls ausreichende Kleidung. (2) Bei der Bemessung der Höhe der Uberbrückungsbeihilfe sind die Dauer des Freiheitsentzuges, der persönliche Arbeitseinsatz des Gefangenen und die Wirtschaftlichkeit seiner Verfügungen über Eigengeld und Hausgeld während der Strafzeit zu berücksichtigen. § 51 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Die Überbrückungsbeihilfe kann ganz oder teilweise auch dem Unterhaltsberechtigten überwiesen werden. (3) Der Anspruch auf Beihilfe zu den Reisekosten und die ausgezahlte Reisebeihilfe sind unpfändbar. Für den Anspruch auf Uberbrückungsbeihilfe und für Bargeld nach Auszahlung einer Uberbrückungsbeihilfe an den Gefangenen gilt § 51 Abs. 4 Satz 1 und 3, Abs. 5 entsprechend. Zehnter Titel Besondere Vorschriften für den Frauenstrafvollzug § 76 Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (1) Bei einer Schwangeren oder einer Gefangenen, die unlängst entbunden hat, ist auf ihren Zustand Rücksicht zu nehmen. Die Vorschriften des Gesetzes zum Schutze der erwerbstätigen Mutter über die Gestaltung des Arbeitsplatzes sind entsprechend anzuwenden. (2) Die Gefangene hat während der Schwangerschaft, bei und nach der Entbindung Anspruch auf ärztliche Betreuung und auf Hebammenhilfe in der Vollzugsanstalt. Zur ärztlichen Betreuung während der Schwangerschaft gehören insbesondere Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft sowie Vorsorgeuntersuchungen einschließlich der laborärztlichen Untersuchungen. (3) Zur Entbindung ist die Schwangere in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges zu bringen. Ist dies aus besonderen Gründen nicht angezeigt, so ist die Entbindung in einer Vollzugsanstalt mit Entbindungsabteilung vorzunehmen. Bei der Entbindung wird Hilfe durch eine Hebamme und, falls erforderlich, durch einen Arzt gewährt.

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Gesetzestext $77 Arznei-, Verband- und Heilmittel Bei Schwangerschaftsbeschwerden und im Zusammenhang mit der Entbindung werden Arznei-, Verband- und Heilmittel geleistet. §78 Art, Umfang und Ruhen der Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft Die §§ 60, 61, 62 a und 65 gelten für die Leistungen nach den §§ 76 und 77 entsprechend. §79 Geburtsanzeige In der Anzeige der Geburt an den Standesbeamten dürfen die Anstalt als Geburtsstätte des Kindes, das Verhältnis des Anzeigenden zur Anstalt und die Gefangenschaft der Mutter nicht vermerkt sein. § 80 Mütter mit Kindern (1) Ist das Kind einer Gefangenen noch nicht schulpflichtig, so kann es mit Zustimmung des Inhabers des Aufenthaltsbestimmungsrechts in der Vollzugsanstalt untergebracht werden, in der sich seine Mutter befindet, wenn dies seinem Wohle entspricht. Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu hören. (2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten des für das Kind Unterhaltspflichtigen. Von der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs kann abgesehen werden, wenn hierdurch die gemeinsame Unterbringung von Mutter und Kind gefährdet würde. Elfter Titel Sicherheit und Ordnung § 81 Grundsatz (1) Das Verantwortungsbewußtsein des Gefangenen für ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt ist zu wecken und zu fördern. (2) Die Pflichten und Beschränkungen, die dem Gefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt auferlegt werden, sind so zu wählen, daß sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und den Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen. § 82 Verhaltensvorschriften (1) Der Gefangene hat sich nach der Tageseinteilung der Anstalt (Arbeitszeit, Freizeit, Ruhezeit) zu richten. Er darf durch sein Verhalten gegenüber Vollzugsbediensteten, Mitgefangenen und anderen Personen das geordnete Zusammenleben nicht stören. (2) Der Gefangene hat die Anordnungen der Vollzugsbediensteten zu befolgen, auch wenn er sich durch sie beschwert fühlt. Einen ihm zugewiesenen Bereich darf er nicht ohne Erlaubnis verlassen. (3) Seinen Haftraum und die ihm von der Anstalt überlassenen Sachen hat er in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

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Gesetzestext (4) Der Gefangene hat Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden. §83 Persönlicher Gewahrsam. Eigengeld (1) Der Gefangene darf nur Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihm von der Vollzugsbehörde oder mit ihrer Zustimmung überlassen werden. Ohne Zustimmung darf er Sachen von geringem Wert von einem anderen Gefangenen annehmen; die Vollzugsbehörde kann Annahme und Gewahrsam auch dieser Sachen von ihrer Zustimmung abhängig machen. (2) Eingebrachte Sachen, die der Gefangene nicht in Gewahrsam haben darf, sind für ihn aufzubewahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. Geld wird ihm als Eigengeld gutgeschrieben. Dem Gefangenen wird Gelegenheit gegeben, seine Sachen, die er während des Vollzuges und für seine Entlassung nicht benötigt, abzusenden oder über sein Eigengeld zu verfügen, soweit dieses nicht als Überbrückungsgeld notwendig ist. (3) Weigert sich ein Gefangener, eingebrachtes Gut, dessen Aufbewahrung nach Art und Umfang nicht möglich ist, aus der Anstalt zu verbringen, so ist die Vollzugsbehörde berechtigt, diese Gegenstände auf Kosten des Gefangenen aus der Anstalt entfernen zu lassen. (4) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln, dürfen von der Vollzugsbehörde vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden. § 84 Durchsuchung (1) Der Gefangene, seine Sachen und die Hafträume dürfen durchsucht werden. Bei der Durchsuchung männlicher Gefangener dürfen nur Männer, bei der Durchsuchung weiblicher Gefangener nur Frauen anwesend sein. Das Schamgefühl ist zu schonen. (2) Nur bei Gefahr im Verzuge oder auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie muß in einem geschlossenen Raum durchgeführt werden. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein. (3) Der Anstaltsleiter kann allgemein anordnen, daß Gefangene bei der Aufnahme nach Absatz 2 und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt zu durchsuchen sind. § 85 Sichere Unterbringung Ein Gefangener kann in eine Anstalt verlegt werden, die zu seiner sicheren Unterbringung besser geeignet ist, wenn in erhöhtem Maße Fluchtgefahr gegeben ist oder sonst sein Verhalten oder sein Zustand eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt darstellt.

1. 2. 3. 4.

§86 Erkennungsdienstliche Maßnahmen (1) Zur Sicherung des Vollzuges sind als erkennungsdienstliche Maßnahmen zulässig die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, die Aufnahme von Lichtbildern, die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale, Messungen.

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Gesetzestext (2) Die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen werden zu den Gefangenenpersonalakten genommen. Sie können auch in kriminalpolizeilichen Sammlungen verwahrt werden. (3) Personen, die auf Grund des Absatzes 1 erkennungsdienstlich behandelt worden sind, können nach der Entlassung aus dem Vollzug verlangen, daß die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen vernichtet werden, sobald die Vollstreckung der richterlichen Entscheidung, die dem Vollzug zugrunde gelegen hat, abgeschlossen ist. Sie sind über dieses Recht spätestens bei der Entlassung zu belehren.

§ 87 Festnahmerecht Ein Gefangener, der entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhält, kann durch die Vollzugsbehörde oder auf ihre Veranlassung hin festgenommen und in die Anstalt zurückgebracht werden.

§ 88 Besondere Sicherungsmaßnahmen (1) Gegen einen Gefangenen können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach seinem Verhalten oder auf Grund seines seelischen Zustandes in erhöhtem Maße Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung besteht. (2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig: 1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen, 2. die Beobachtung bei Nacht, 3. die Absonderung von anderen Gefangenen, 4. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien, 5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und 6. die Fesselung. (3) Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1, 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Anstaltsordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann. (4) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn aus anderen Gründen als denen des Absatzes 1 in erhöhtem Maße Fluchtgefahr besteht. (5) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur soweit aufrechterhalten werden, als es ihr Zweck erfordert. §89 Einzelhaft (1) Die unausgesetzte Absonderung eines Gefangenen (Einzelhaft) ist nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in der Person des Gefangenen liegen, unerläßlich ist. (2) Einzelhaft von mehr als drei Monaten Gesamtdauer in einem Jahr bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Diese Frist wird nicht dadurch unterbrochen, daß der Gefangene am Gottesdienst oder an der Freistunde teilnimmt.

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Gesetzestext §90 Fesselung In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Im Interesse des Gefangenen kann der Anstaltsleiter eine andere Art der Fesselung anordnen. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist. § 91 Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen (1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei Gefahr im Verzuge können auch andere Bedienstete der Anstalt diese Maßnahmen vorläufig anordnen. Die Entscheidung des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen. (2) Wird ein Gefangener ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet sein seelischer Zustand den Anlaß der Maßnahme, ist vorher der Arzt zu hören. Ist dies wegen Gefahr im Verzuge nicht möglich, wird seine Stellungnahme unverzüglich eingeholt. § 92 Arztliche Überwachung (1) Ist ein Gefangener in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder gefesselt (§ 88 Abs. 2 Nr. 5 und 6), so sucht ihn der Anstaltsarzt alsbald und in der Folge möglichst täglich auf. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transportes (§ 88 Abs. 4). (2) Der Arzt ist regelmäßig zu hören, solange einem Gefangenen der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen wird. §93 Ersatz von Aufwendungen (1) Der Gefangene ist verpflichtet, der Vollzugsbehörde Aufwendungen zu ersetzen, die er durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Selbstverletzung oder Verletzung eines anderen Gefangenen verursacht hat. Ansprüche aus sonstigen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. (2)1 Bei der Geltendmachung dieser Forderungen kann auch der den Mindestbetrag übersteigende Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden. (3) Für die in Absatz 1 genannten Forderungen ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. (4) Von der Aufrechnung oder Vollstreckung wegen der in Absatz 1 genannten Forderungen ist abzusehen, wenn hierdurch die Behandlung des Gefangenen oder seine Eingliederung behindert würde. 1 § 93 Abs. 2 wird durch besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt; vgl. § 198 Abs. 3. Bis zum Inkrafttreten des besonderen Bundesgesetzes gilt § 93 Abs. 2 in der Übergangsfassung gemäß § 199 Abs. 2 N r . 4.

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Gesetzestext Zwölfter Titel Unmittelbarer Zwang §94 Allgemeine Voraussetzungen (1) Bedienstete der Justizvollzugsanstalten dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann. (2) Gegen andere Personen als Gefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene zu befreien oder in den Anstaltsbereich widerrechtlich einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten. (3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang auf Grund anderer Regelungen bleibt unberührt. §95 Begriffsbestimmungen (1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen. (2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen. (3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind namentlich Fesseln. (4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schußwaffen sowie Reizstoffe. § 96 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen. (2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht. §97 Handeln auf Anordnung (1) Wird unmittelbarer Zwang von einem Vorgesetzten oder einer sonst befugten Person angeordnet, sind Vollzugsbedienstete verpflichtet, ihn anzuwenden, es sei denn, die Anordnung verletzt die Menschenwürde oder ist nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden. (2) Die Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgt der Vollzugsbedienstete sie trotzdem, trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, daß dadurch eine Straftat begangen wird. (3) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung hat der Vollzugsbedienstete dem Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist. Abweichende Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechts über die Mitteilung solcher Bedenken an einen Vorgesetzten (§ 38 Abs. 2 und 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes) sind nicht anzuwenden. 25

Gesetzestext §98 Androhung Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muß, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden. § 99 Allgemeine Vorschriften für den Schußwaffengebrauch (1) Schußwaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird. (2) Schußwaffen dürfen nur die dazu bestimmten Vollzugsbediensteten gebrauchen und nur, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden. (3) Der Gebrauch von Schußwaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuß. Ohne Androhung dürfen Schußwaffen nur dann gebraucht werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. § 100 Besondere Vorschriften für den Schußwaffengebrauch (1) Gegen Gefangene dürfen Schußwaffen gebraucht werden, 1. wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen, 2. wenn sie eine Meuterei (§ 121 des Strafgesetzbuches) unternehmen oder 3. um ihre Flucht zu vereiteln oder um sie wiederzuergreifen. Um die Flucht aus einer offenen Anstalt zu vereiteln, dürfen keine Schußwaffen gebraucht werden. (2) Gegen andere Personen dürfen Schußwaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Anstalt einzudringen.

§ 101 Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge (1) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind zwangsweise nur bei Lebensgefahr, bei schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit des Gefangenen oder bei Gefahr für die Gesundheit anderer Personen zulässig; die Maßnahmen müssen für die Beteiligten zumutbar und dürfen nicht mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit des Gefangenen verbunden sein. Zur Durchführung der Maßnahmen ist die Vollzugsbehörde nicht verpflichtet, solange von einer freien Willensbestimmung des Gefangenen ausgegangen werden kann. (2) Zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung außer im Falle des Absatzes 1 zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. (3) Die Maßnahmen dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung erster Hilfe für den Fall, daß ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist.

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Gesetzestext Dreizehnter Titel Disziplinarmaßnahmen § 102 Voraussetzungen (1) Verstößt ein Gefangener schuldhaft gegen Pflichten, die ihm durch dieses Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes auferlegt sind, kann der Anstaltsleiter gegen ihn Disziplinarmaßnahmen anordnen. (2) Von einer Disziplinarmaßnahme wird abgesehen, wenn es genügt, den Gefangenen zu verwarnen. (3) Eine Disziplinarmaßnahme ist auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird. § 103 Arten der Disziplinarmaßnahmen (1) Die zulässigen Disziplinarmaßnahmen sind: 1. Verweis, 2. die Beschränkung oder der Entzug der Verfügung über das Hausgeld und des Einkaufs bis zu drei Monaten, 3. die Beschränkung oder der Entzug des Lesestoffs bis zu zwei Wochen sowie des Hörfunk- und Fernsehempfangs bis zu drei Monaten; der gleichzeitige Entzug jedoch nur bis zu zwei Wochen, 4. die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit oder der Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen bis zu drei Monaten, 5. die getrennte Unterbringung während der Freizeit bis zu vier Wochen, 6. der Entzug des täglichen Aufenthalts im Freien bis zu einer Woche, 7. der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung bis zu vier Wochen unter Wegfall der in diesem Gesetz geregelten Bezüge, 8. die Beschränkung des Verkehrs mit Personen außerhalb der Anstalt auf dringende Fälle bis zu drei Monaten, 9. Arrest bis zu vier Wochen. (2) Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden. (3) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden. (4) Die Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 3 bis 8 sollen möglichst nur angeordnet werden, wenn die Verfehlung mit den zu beschränkenden oder zu entziehenden Befugnissen im Zusammenhang steht. Dies gilt nicht bei einer Verbindung mit Arrest. §104 Vollzug der Disziplinarmaßnahmen. Aussetzung zur Bewährung (1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt. (2) Eine Disziplinarmaßnahme kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden. (3) Wird die Verfügung über das Hausgeld beschränkt oder entzogen, ist das in dieser Zeit anfallende Hausgeld dem Überbrückungsgeld hinzuzurechnen. (4) Wird der Verkehr des Gefangenen mit Personen außerhalb der Anstalt eingeschränkt, ist ihm Gelegenheit zu geben, dies einer Person, mit der er im Schriftwechsel

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Gesetzestext steht oder die ihn zu besuchen pflegt, mitzuteilen. Der Schriftwechsel mit den in § 29 Abs. 1 und 2 genannten Empfängern, mit Gerichten und Justizbehörden in der Bundesrepublik sowie mit Rechtsanwälten und Notaren in einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache bleibt unbeschränkt. (5) Arrest wird in Einzelhaft vollzogen. Der Gefangene kann in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muß, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse des Gefangenen aus den §§ 19, 20, 22, 37, 38, 68 bis 70. § 105 Disziplinarbefugnis (1) Disziplinarmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei einer Verfehlung auf dem Wege in eine andere Anstalt zum Zwecke der Verlegung ist der Leiter der Bestimmungsanstalt zuständig. (2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung des Gefangenen gegen den Anstaltsleiter richtet. (3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen einen Gefangenen in einer anderen Vollzugsanstalt oder während einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 104 Abs. 2 bleibt unberührt. § 106

Verfahren (1) Der Sachverhalt ist zu klären. Der Gefangene wird gehört. Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung des Gefangenen wird vermerkt. (2) Bei schweren Verstößen soll der Anstaltsleiter sich vor der Entscheidung in einer Konferenz mit Personen besprechen, die bei der Behandlung des Gefangenen mitwirken. Vor der Anordnung einer Disziplinarmaßnahme gegen einen Gefangenen, der sich in ärztlicher Behandlung befindet, oder gegen eine Schwangere oder eine stillende Mutter ist der Anstaltsarzt zu hören. (3) Die Entscheidung wird dem Gefangenen vom Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefaßt. § 107 Mitwirkung des Arztes (1) Bevor der Arrest vollzogen wird, ist der Arzt zu hören. Während des Arrestes steht der Gefangene unter ärztlicher Aufsicht. (2) Der Vollzug des Arrestes unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn die Gesundheit des Gefangenen gefährdet würde. Vierzehnter Titel Rechtsbehelfe § 108 Beschwerderecht (1) Der Gefangene erhält Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an den Anstaltsleiter zu wenden. Regelmäßige Sprechstunden sind einzurichten. 28

Gesetzestext (2) Besichtigt ein Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, daß ein Gefangener sich in Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an ihn wenden kann. (3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt. § 109 Antrag auf gerichtliche Entscheidung (1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiete des Strafvollzuges kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden. (2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. (3) Das Landesrecht kann vorsehen, daß der Antrag erst nach vorausgegangenem Verwaltungsvorverfahren gestellt werden kann1. 1 Baden-Württemberg: A G G V G v. 16.12.1975 (GBl. S. 868), geändert durch G . v. 14.12.1976 (GBl. S. 618); Hamburg: G . v. 21.1.1960 (GVBI. S.291); Nordrhein-Westfalen: VorschaltverfahrensG v. 20. 2.1979 (GVBI. S. 40); Schleswig-Holstein: Vollzugsbeschwerdegesetz idF v. 9. 9.1977 (GVBI. S. 333).

§ 110

Zuständigkeit Über den Antrag entscheidet die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat. Durch die Entscheidung in einem Verwaltungsvorverfahren nach § 109 Abs. 3 ändert sich die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer nicht. § Hl Beteiligte (1) Beteiligte des gerichtlichen Verfahrens sind 1. der Antragsteller, 2. die Vollzugsbehörde, die die angefochtene Maßnahme angeordnet oder die beantragte abgelehnt oder unterlassen hat. (2) In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht oder dem Bundesgerichtshof ist der Beteiligte nach Absatz 1 Nr. 2 die zuständige Aufsichtsbehörde. § 112 Antragsfrist. Wiedereinsetzung (1) Der Antrag muß binnen zwei Wochen nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe der Maßnahme oder ihrer Ablehnung schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Gerichts gestellt werden. Soweit ein Verwaltungsvorverfahren (§ 109 Abs. 3) durchzuführen ist, beginnt die Frist mit der Zustellung oder schriftlichen Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides. (2) War der Antragsteller ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstel-

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Gesetzestext lung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. (4) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. § 113 Vornahmeantrag (1) Wendet sich der Antragsteller gegen das Unterlassen einer Maßnahme, kann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme der Maßnahme gestellt werden, es sei denn, daß eine frühere Anrufung des Gerichts wegen besonderer Umstände des Falles geboten ist. (2) Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß die beantragte Maßnahme noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus. Die Frist kann verlängert werden. Wird die beantragte Maßnahme in der gesetzten Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. (3) Der Antrag nach Absatz 1 ist nur bis zum Ablauf eines Jahres seit der Stellung des Antrags auf Vornahme der Maßnahme zulässig, außer wenn die Antragstellung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles unterblieben ist. § 114 Aussetzung der Maßnahme (1) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung. (2) Das Gericht kann den Vollzug der angefochtenen Maßnahme aussetzen, wenn die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird und ein höher zu bewertendes Interesse an dem sofortigen Vollzug nicht entgegensteht. Das Gericht kann auch eine einstweilige Anordnung erlassen; § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidungen sind nicht anfechtbar; sie können vom Gericht jederzeit geändert oder aufgehoben werden. (3) Der Antrag auf eine Entscheidung nach Absatz 2 ist schon vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung zulässig. § 115 Gerichtliche Entscheidung (1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. (2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme und, soweit ein Verwaltungsvorverfahren vorhergegangen ist, den Widerspruchsbescheid auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist. (3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. (4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der

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Gesetzestext Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. (5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

§ 116 Rechtsbeschwerde (1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. (2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. (3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend. (4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. § 117 Zuständigkeit für die Rechtsbeschwerde Uber die Rechtsbeschwerde entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat. § 118 Form. Frist. Begründung (1) Die Rechtsbeschwerde muß bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, binnen eines Monats nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung eingelegt werden. In dieser Frist ist außerdem die Erklärung abzugeben, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Aufhebung beantragt wird. Die Anträge sind zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob die Entscheidung wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden. (3) Der Antragsteller als Beschwerdeführer kann dies nur in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle tun. § 119 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde (1) Der Strafsenat entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. (2) Seiner Prüfung unterliegen nur die Beschwerdeanträge und, soweit die Rechtsbeschwerde auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die in der Begründung der Rechtsbeschwerde bezeichnet worden sind.

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Gesetzestext (3) Der Beschluß, durch den die Beschwerde verworfen wird, bedarf keiner Begründung, wenn der Strafsenat die Beschwerde einstimmig für unzulässig oder für offensichtlich unbegründet erachtet. (4) Soweit die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet wird, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der Strafsenat kann an Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheiden, wenn die Sache spruchreif ist. Sonst ist die Sache zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen. (5) Die Entscheidung des Strafsenats ist endgültig. § 120 Entsprechende Anwendung anderer Vorschriften (1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, sind die Vorschriften der Strafprozeßordnung entsprechend anzuwenden. (2) Auf die Bewilligung des Armenrechts sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. § 121 Kosten des Verfahrens (1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind. (2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen. (3) Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3. (4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend. (5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109 ff. kann auch ein dreißig Deutsche Mark übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.

Fünfzehnter Titel Strafvollstreckung und Untersuchungshaft § 122 (1) Wird Untersuchungshaft zum Zwecke der Strafvollstreckung unterbrochen oder wird gegen einen Strafgefangenen in anderer Sache Untersuchungshaft angeordnet, so unterliegt der Gefangene abweichend von § 4 Abs. 2 auch denjenigen Beschränkungen seiner Freiheit, die der Zweck der Untersuchungshaft erfordert. Die notwendigen Maßnahmen ordnet der nach § 126 der Strafprozeßordnung zuständige Richter an. § 119 Abs. 6 Satz 2 und 3 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. (2) § 148 Abs. 2, § 148 a der Strafprozeßordnung sind anzuwenden.

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Gesetzestext Sechzehnter Titel Sozialtherapeutische Anstalten § 123 Sozialtherapeutische Anstalten und Abteilungen (1) Für den Vollzug nach § 9 sind von den übrigen Vollzugsanstalten getrennte sozialtherapeutische Anstalten vorzusehen. (2) Aus besonderen Gründen können auch sozialtherapeutische Abteilungen in anderen Vollzugsanstalten eingerichtet werden. Für diese Abteilungen gelten die Vorschriften über die sozialtherapeutische Anstalt entsprechend. § 124 Urlaub zur Vorbereitung der Entlassung (1) Der Anstaltsleiter kann dem Gefangenen zur Vorbereitung der Entlassung Sonderurlaub bis zu sechs Monaten gewähren. § 11 Abs. 2 und § 13 Abs. 5 gelten entsprechend. (2) Dem Beurlaubten sollen für den Urlaub Weisungen erteilt werden. Er kann insbesondere angewiesen werden, sich einer von der Anstalt bestimmten Betreuungsperson zu unterstellen und jeweils für kurze Zeit in die Anstalt zurückzukehren. (3) § 14 Abs. 2 gilt entsprechend. Der Urlaub wird widerrufen, wenn dies für die Behandlung des Gefangenen notwendig ist. § 125 Aufnahme auf freiwilliger Grundlage (1) Ein früherer Gefangener kann auf seinen Antrag vorübergehend wieder in die sozialtherapeutische Anstalt aufgenommen werden, wenn das Ziel seiner Behandlung gefährdet und ein Aufenthalt in der Anstalt aus diesem Grunde gerechtfertigt ist. Die Aufnahme ist jederzeit widerruflich. (2) Gegen den Aufgenommenen dürfen Maßnahmen des Vollzuges nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden. (3) Auf seinen Antrag ist der Aufgenommene unverzüglich zu entlassen. § 126 Nachgehende Betreuung Die Zahl der Fachkräfte für die sozialtherapeutische Anstalt ist so zu bemessen, daß auch eine nachgehende Betreuung der Gefangenen gewährleistet ist, soweit diese anderweitig nicht sichergestellt werden kann.

Dritter Abschnitt Besondere Vorschriften über den Vollzug der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung Erster Titel Sicherungsverwahrung* * Bisheriger Erster Titel (§§ 123-28) gestrichen durch StVollzÄndG vom 20.12.1984 (BGBl. I S. 1654).

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Gesetzestext § 129 Ziel der Unterbringung Der Sicherungsverwahrte wird zum Schutz der Allgemeinheit sicher untergebracht. Ihm soll geholfen werden, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern. § 130 Anwendung anderer Vorschriften Für die Sicherungsverwahrung gelten die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe (§§ 3 bis 126) entsprechend, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist. § 131 Ausstattung Die Ausstattung der Sicherungsanstalten, namentlich der Hafträume, und besondere Maßnahmen zur Förderung und Betreuung sollen dem Untergebrachten helfen, sein Leben in der Anstalt sinnvoll zu gestalten, und ihn vor Schäden eines langen Freiheitsentzuges bewahren. Seinen persönlichen Bedürfnissen ist nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. § 132 Kleidung Der Untergebrachte darf eigene Kleidung, Wäsche und eigenes Bettzeug benutzen, wenn Gründe der Sicherheit nicht entgegenstehen und der Untergebrachte für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgt. § 133 Selbstbeschäftigung. Taschengeld (1) Dem Untergebrachten wird gestattet, sich gegen Entgelt selbst zu beschäftigen, wenn dies dem Ziel dient, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern. (2) Das Taschengeld (§ 46) darf dreißig Deutsche Mark im Monat nicht unterschreiten. § 134 Entlassungsvorbereitung Um die Entlassung zu erproben und vorzubereiten, kann der Vollzug gelockert und Sonderurlaub bis zu einem Monat gewährt werden. Bei Untergebrachten in einer sozialtherapeutischen Anstalt bleibt § 124 unberührt. § 135 Sicherungsverwahrung in Frauenanstalten Die Sicherungsverwahrung einer Frau kann auch in einer für den Vollzug der Freiheitsstrafe bestimmten Frauenanstalt durchgeführt werden, wenn diese Anstalt für die Sicherungsverwahrung eingerichtet ist.

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Gesetzestext Zweiter Titel Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt § 136 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Die Behandlung der Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus richtet sich nach ärztlichen Gesichtspunkten. Soweit möglich, soll er geheilt oder sein Zustand soweit gebessert werden, daß er nicht mehr gefährlich ist. Ihm wird die nötige Aufsicht, Betreuung und Pflege zuteil. § 137 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt Ziel der Behandlung des Untergebrachten in einer Entziehungsanstalt ist es, ihn von seinem Hang zu heilen und die zugrunde liegende Fehlhaltung zu beheben. § 138 Anwendung anderer Vorschriften (1) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt richtet sich nach Landesrecht, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. (2) Für die Unterbringung gelten § 51 Abs. 4 und 5, § 75 Abs. 3 und die §§ 109 bis 121 entsprechend.

Vierter Abschnitt Vollzugsbehörden Erster Titel Arten und Einrichtung der Justizvollzugsanstalten § 139 Justizvollzugsanstalten Die Freiheitsstrafe sowie die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung werden in Anstalten der Landesjustizverwaltungen (Justizvollzugsanstalten) vollzogen. § 140 Trennung des Vollzuges (1) Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird in getrennten Anstalten oder in getrennten Abteilungen einer für den Vollzug der Freiheitsstrafe bestimmten Vollzugsanstalt vollzogen. (2) Frauen sind getrennt von Männern in besonderen Frauenanstalten unterzubringen. Aus besonderen Gründen können für Frauen getrennte Abteilungen in Anstalten für Männer vorgesehen werden. (3) Von der getrennten Unterbringung nach den Absätzen 1 und 2 darf abgewichen werden, um dem Gefangenen die Teilnahme an Behandlungsmaßnahmen in einer anderen Anstalt oder in einer anderen Abteilung zu ermöglichen.

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Gesetzestext § 141 Differenzierung (1) Für den Vollzug der Freiheitsstrafe sind Haftplätze vorzusehen in verschiedenen Anstalten oder Abteilungen, in denen eine auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Gefangenen abgestimmte Behandlung gewährleistet ist. (2) Anstalten des geschlossenen Vollzuges sehen eine sichere Unterbringung vor, Anstalten des offenen Vollzuges keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen. §142 Einrichtungen für Mütter mit Kindern In Anstalten für Frauen sollen Einrichtungen vorgesehen werden, in denen Mütter mit ihren Kindern untergebracht werden können. § 143 Größe und Gestaltung der Anstalten (1)1 Justizvollzugsanstalten sind so zu gestalten, daß eine auf die Bedürfnisse des einzelnen abgestellte Behandlung gewährleistet ist. (2)1 Die Vollzugsanstalten sind so zu gliedern, daß die Gefangenen in überschaubaren Betreuungs- und Behandlungsgruppen zusammengefaßt werden können. (3) Die für sozialtherapeutische Anstalten und für Justizvollzugsanstalten für Frauen vorgesehene Belegung soll zweihundert Plätze nicht übersteigen. 1

Vgl. auch Übergangsbestimmung in § 201 Nr. 4.

§ 144 Größe und Ausgestaltung der Räume (1) Räume für den Aufenthalt während der Ruhe- und Freizeit sowie Gemeinschaftsund Besuchsräume sind wohnlich oder sonst ihrem Zweck entsprechend auszugestalten. Sie müssen hinreichend Luftinhalt haben und für eine gesunde Lebensführung ausreichend mit Heizung und Lüftung, Boden- und Fensterfläche ausgestattet sein. (2) Der Bundesminister der Justiz wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Näheres über den Luftinhalt, die Lüftung, die Boden- und Fensterfläche sowie die Heizung und Einrichtung der Räume zu bestimmen. §145 Festsetzung der Belegungsfähigkeit Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit für jede Anstalt so fest, daß eine angemessene Unterbringung während der Ruhezeit (§ 18) gewährleistet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine ausreichende Anzahl von Plätzen für Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung sowie von Räumen für Seelsorge, Freizeit, Sport, therapeutische Maßnahmen und Besuche zur Verfügung steht. 1 1

Vgl. auch Übergangsbestimmung in § 201 N r . 5.

§ 146 Verbot der Üherhelegung (1) Hafträume dürfen nicht mit mehr Personen als zugelassen belegt werden. (2) Ausnahmen hiervon sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.

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Gesetzestext § 147 Einrichtungen für die Entlassung Um die Entlassung vorzubereiten, sollen den geschlossenen Anstalten offene Einrichtungen angegliedert oder gesonderte offene Anstalten vorgesehen werden. § 148 Arbeitsbeschaffung, Gelegenheit zur beruflichen Bildung (1) Die Vollzugsbehörde soll im Zusammenwirken mit den Vereinigungen und Stellen des Arbeits- und Wirtschaftslebens dafür sorgen, daß jeder arbeitsfähige Gefangene wirtschaftlich ergiebige Arbeit ausüben kann, und dazu beitragen, daß er beruflich gefördert, beraten und vermittelt wird. (2) Die Vollzugsbehörde stellt durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicher, daß die Bundesanstalt für Arbeit die ihr obliegenden Aufgaben wie Berufsberatung, Arbeitsberatung und Arbeitsvermittlung durchführen kann. § 149 Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur beruflichen Bildung (1) In den Anstalten sind die notwendigen Betriebe für die nach § 37 Abs. 2 zuzuweisenden Arbeiten sowie die erforderlichen Einrichtungen zur beruflichen Bildung (§ 37 Abs. 3) und arbeitstherapeutischen Beschäftigung (§ 37 Abs. 5) vorzusehen. (2) Die in Absatz 1 genannten Betriebe und sonstigen Einrichtungen sind den Verhältnissen außerhalb der Anstalten anzugleichen. Die Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften sind zu beachten. (3) Die berufliche Bildung und die arbeitstherapeutische Beschäftigung können auch in geeigneten Einrichtungen privater Unternehmen erfolgen. (4) In den von privaten Unternehmen unterhaltenen Betrieben und sonstigen Einrichtungen kann die technische und fachliche Leitung Angehörigen dieser Unternehmen übertragen werden. § 150 Vollzugsgemeinschaften Für Vollzugsanstalten nach den §§ 139 bis 149 können die Länder Vollzugsgemeinschaften bilden. Zweiter Titel Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten § 151 Aufsichtsbehörden (1) Die Landesjustizverwaltungen führen die Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten. Sie können Aufsichtsbefugnisse auf Justizvollzugsämter übertragen. (2) An der Aufsicht über das Arbeitswesen sowie über die Sozialarbeit, die Weiterbildung, die Gesundheitsfürsorge und die sonstige fachlich begründete Behandlung der Gefangenen sind eigene Fachkräfte zu beteiligen; soweit die Aufsichtsbehörde nicht über eigene Fachkräfte verfügt, ist fachliche Beratung sicherzustellen. 37

Gesetzestext § 152 Vollstreckungsplan (1) Die Landesjustizverwaltung regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Justizvollzugsanstalten in einem Vollstreckungsplan. (2) Der Vollstreckungsplan sieht vor, welche Verurteilten in eine Einweisungsanstalt oder -abteilung eingewiesen werden. Uber eine Verlegung zum weiteren Vollzug kann nach Gründen der Behandlung und Eingliederung entschieden werden. (3) Im übrigen ist die Zuständigkeit nach allgemeinen Merkmalen zu bestimmen. S 153 Zuständigkeit für Verlegungen Die Landesjustizverwaltung kann sich Entscheidungen über Verlegungen vorbehalten oder sie einer zentralen Stelle übertragen. Dritter Titel Innerer Aufbau der Justizvollzugsanstalten § 154 Zusammenarbeit (1) Alle im Vollzug Tätigen arbeiten zusammen und wirken daran mit, die Aufgaben des Vollzuges zu erfüllen. (2) Mit den Behörden und Stellen der Entlassenenfürsorge, der Bewährungshilfe, den Aufsichtsstellen für die Führungsaufsicht, den Arbeitsämtern, den Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe, den Hilfeeinrichtungen anderer Behörden und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege ist eng zusammenzuarbeiten. Die Vollzugsbehörden sollen mit Personen und Vereinen, deren Einfluß die Eingliederung des Gefangenen fördern kann, zusammenarbeiten. § 155 Vollzugsbedienstete (1) Die Aufgaben der Justizvollzugsanstalten werden von Vollzugsbeamten wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Bediensteten der Justizvollzugsanstalten sowie nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden. (2) Für jede Anstalt ist entsprechend ihrer Aufgabe die erforderliche Anzahl von Bediensteten der verschiedenen Berufsgruppen, namentlich des allgemeinen Vollzugsdienstes, des Verwaltungsdienstes und des Werkdienstes, sowie von Seelsorgern, Ärzten, Pädagogen, Psychologen und Sozialarbeitern vorzusehen. § 1561 Anstaltsleitung (1) Für jede Justizvollzugsanstalt ist ein Beamter des höheren Dienstes zum hauptamtlichen Leiter zu bestellen. Aus besonderen Gründen kann eine Anstalt auch von einem Beamten des gehobenen Dienstes geleitet werden. 1 Abs. 1 ist in den neuen Bundesländern bis zum Inkrafttreten beamtenrechtlicher Regelungen nicht anzuwenden. Vgl. Einigungsvertragsgesetz (BGBl. II 1990 S. 885, 959).

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Gesetzestext (2) Der Anstaltsleiter vertritt die Anstalt nach außen. Er trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug, soweit nicht bestimmte Aufgabenbereiche der Verantwortung anderer Vollzugsbediensteter oder ihrer gemeinsamen Verantwortung übertragen sind. (3) Die Befugnis, die Durchsuchung nach § 84 Abs. 2, die besonderen Sicherungsmaßnahmen nach § 88 und die Disziplinarmaßnahmen nach § 103 anzuordnen, darf nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde übertragen werden. § 157 Seelsorge (1) Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet. (2) Wenn die geringe Zahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen. (3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters dürfen die Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen Seelsorger von außen zuziehen. § 158 Ärztliche Versorgung (1) Die ärztliche Versorgung ist durch hauptamtliche Ärzte sicherzustellen. Sie kann aus besonderen Gründen nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Ärzten übertragen werden. (2) Die Pflege der Kranken soll von Personen ausgeübt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz besitzen. Solange Personen im Sinne von Satz 1 nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben. § 159 Konferenzen Zur Aufstellung und Uberprüfung des Vollzugsplanes und zur Vorbereitung wichtiger Entscheidungen im Vollzuge führt der Anstaltsleiter Konferenzen mit an der Behandlung maßgeblich Beteiligten durch. § 160 Gefangenenmitverantwortung Den Gefangenen und Untergebrachten soll ermöglicht werden, an der Verantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse teilzunehmen, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für ihre Mitwirkung eignen. § 161 Hausordnung (1) Der Anstaltsleiter erläßt eine Hausordnung. Sie bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. (2) In die Hausordnung sind namentlich die Anordnungen aufzunehmen über

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Gesetzestext 1. die Besuchszeiten, Häufigkeit und Dauer der Besuche, 2. die Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit sowie 3. die Gelegenheit, Anträge und Beschwerden anzubringen, oder sich an einen Vertreter der Aufsichtsbehörde zu wenden. (3) Ein Abdruck der Hausordnung ist in jedem Haftraum auszulegen.

Vierter Titel Anstaltsbeiräte § 162 Bildung der Beiräte (1) Bei den Justizvollzugsanstalten sind Beiräte zu bilden. (2) Vollzugsbedienstete dürfen nicht Mitglieder der Beiräte sein. (3) Das Nähere regeln die Länder. § 163 Aufgabe der Beiräte Die Mitglieder des Beirats wirken bei der Gestaltung des Vollzuges und bei der Betreuung der Gefangenen mit. Sie unterstützen den Anstaltsleiter durch Anregungen und Verbesserungsvorschläge und helfen bei der Eingliederung der Gefangenen nach der Entlassung. § 164 Befugnisse (1) Die Mitglieder des Beirats können namentlich Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. Sie können sich über die Unterbringung, Beschäftigung, berufliche Bildung, Verpflegung, ärztliche Versorgung und Behandlung unterrichten sowie die Anstalt und ihre Einrichtungen besichtigen. (2) Die Mitglieder des Beirats können die Gefangenen und Untergebrachten in ihren Räumen aufsuchen. Aussprache und Schriftwechsel werden nicht überwacht. § 165 Pflicht zur Verschwiegenheit Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Gefangenen und Untergebrachten, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.

Fünfter Titel Kriminologische Forschung im Strafvollzug §166 Dem kriminologischen Dienst obliegt es, in Zusammenarbeit mit den Einrichtungen der Forschung den Vollzug, namentlich die Behandlungsmethoden, wissenschaftlich fortzuentwickeln und seine Ergebnisse für Zwecke der Strafrechtspflege nutzbar zu machen.

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Gesetzestext

Fünfter Abschnitt Schlußvorschriften Erster Titel Vollzug des Strafarrestes in Justizvollzugsanstalten § 167

Grundsatz Für den Vollzug des Strafarrestes in Justizvollzugsanstalten gelten die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe (§§ 2 bis 122) entsprechend, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist. § 168

Unterbringung,

Besuche und

Schriftverkehr

(1) Eine gemeinsame Unterbringung während der Arbeit, Freizeit und Ruhezeit (§§ 17 und 18) ist nur mit Einwilligung des Gefangenen zulässig. Dies gilt nicht, wenn Strafarrest in Unterbrechung einer Straftat oder einer Unterbringung im Vollzuge einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird. (2) Dem Gefangenen soll gestattet werden, einmal wöchentlich Besuch zu empfangen. (3) Besuche und Schriftwechsel dürfen nur untersagt oder überwacht werden, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt notwendig ist. § 169

Kleidung, Wäsche und Bettzeug Der Gefangene darf eigene Kleidung, Wäsche und eigenes Bettzeug benutzen, wenn Gründe der Sicherheit nicht entgegenstehen und der Gefangene für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgt. S 170

Einkauf Der Gefangene darf Nahrungs- und Genußmittel sowie Mittel zur Körperpflege in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt auf eigene Kosten erwerben.

Zweiter Titel Vollzug von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft 1 1

Abschiebungshaft siehe § 185.

§ 171

Grundsatz Für den Vollzug einer gerichtlich angeordneten Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft gelten die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe (§§ 3 bis 122) entsprechend, soweit nicht Eigenart und Zweck der Haft entgegenstehen oder im folgenden etwas anderes bestimmt ist.

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Gesetzestext § 172 Unterbringung Eine gemeinsame Unterbringung während der Arbeit, Freizeit und Ruhezeit (§§ 17 und 18) ist nur mit Einwilligung des Gefangenen zulässig. Dies gilt nicht, wenn Ordnungshaft in Unterbrechung einer Strafhaft oder einer Unterbringung im Vollzuge einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird. § 173 Kleidung, Wäsche und Bettzeug Der Gefangene darf eigene Kleidung, Wäsche und eigenes Bettzeug benutzen, wenn Gründe der Sicherheit nicht entgegenstehen und der Gefangene für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgt. S 174 Einkauf Der Gefangene darf Nahrungs- und Genußmittel sowie Mittel zur Körperpflege in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt auf eigene Kosten erwerben. § 175 Arbeit Der Gefangene ist zu einer Arbeit, Beschäftigung oder Hilfstätigkeit nicht verpflichtet.

Dritter Titel Arbeitsentgelt in Jugendstrafanstalten und im Vollzug der Untersuchungshaft § 176 Jugendstrafanstalten (1) Übt ein Gefangener in einer Jugendstrafanstalt eine ihm zugewiesene Arbeit aus, so erhält er unbeschadet der Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes über die Akkordund Fließarbeit ein nach § 43 Abs. 1 und 2 zu bemessendes Arbeitsentgelt. Übt er eine sonstige zugewiesene Beschäftigung oder Hilfstätigkeit aus, so erhält er ein Arbeitsentgelt nach Satz 1, soweit dies der Art seiner Beschäftigung und seiner Arbeitsleistung entspricht. (2)1 Arbeitsfähige Gefangene, denen aus Gründen, die nicht in ihrer Person liegen, Arbeit nicht zugewiesen werden kann, erkrankte Gefangene, bei denen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 vorliegen, und werdende Mütter, die eine Arbeit nicht verrichten, erhalten eine Ausfallentschädigung. Höhe und Dauer der Ausfallentschädigung sind nach § 45 Abs. J bis 6 zu bestimmen. (3)1 Gefangene, die wegen Gebrechlichkeit nicht arbeiten oder denen eine Ausfallentschädigung nicht oder nicht mehr gewährt wird, erhalten ein angemessenes Taschengeld, falls sie bedürftig sind. Gleiches gilt für Gefangene, die für eine Beschäftigung oder Hilfstätigkeit nach Absatz 1 Satz 2 kein Arbeitsentgelt erhalten. (4) Im übrigen gelten § 44 und die §§ 49 bis 52 entsprechend. 1 § 176 Abs. 2 und 3 werden durch besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt; vgl. § 198 Abs. 3. Bis zum Inkrafttreten des besonderen Bundesgesetzes gilt § 176 Abs. 3 in der Fassung gemäß § 199 Abs. 2 Nr. 5.

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Gesetzestext § 177 Untersuchungshaft Übt der Untersuchungsgefangene eine ihm zugewiesene Arbeit, Beschäftigung oder Hilfstätigkeit aus, so erhält er ein nach § 43 zu bemessendes Arbeitsentgelt.

Vierter Titel Unmittelbarer Zwang in Justizvollzugsanstalten § 178 (1) Die §§ 94 bis 101 über den unmittelbaren Zwang gelten nach Maßgabe der folgenden Absätze auch für Justizvollzugsbedienstete außerhalb des Anwendungsbereichs des Strafvollzugsgesetzes (§ 1). (2) Beim Vollzug der Untersuchungshaft und der einstweiligen Unterbringung nach § 126 a der Strafprozeßordnung bleibt § 119 Abs. 5 und 6 der Strafprozeßordnung unberührt. (3) Beim Vollzug des Jugendarrestes, des Strafarrestes sowie der Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erziehungshaft dürfen zur Vereitelung einer Flucht oder zur Wiederergreifung (§ 100 Abs. 1 Nr. 3) keine Schußwaffen gebraucht werden. Dies gilt nicht, wenn Strafarrest oder Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- oder Erzwingungshaft in Unterbrechung einer Untersuchungshaft, einer Strafhaft oder einer Unterbringung im Vollzuge einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird. (4) Das Landesrecht kann, namentlich beim Vollzug der Jugendstrafe, weitere Einschränkungen des Rechtes zum Schußwaffengebrauch vorsehen.

Fünfter Titel Anpassung des Bundesrechts § 179-184 [betrifft Änderungen

von Gesetzen und Verordnungen]

§ 185 Gesetz über das gerichtliche Verfahren hei Freiheitsentziehungen. [Abschiebungshaft] Dem § 8 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen wird folgender Absatz 2 angefügt: „(2) Wird Abschiebungshaft (§16 des Ausländergesetzes) im Wege der Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten vollzogen, so gelten die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft entsprechend." §§ 186-189 [betrifft Änderungen von Gesetzen und Verordnungen]

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Gesetzestext Sechster Titel Sozial- und Arbeitslosenversicherung §§ 190-194 [betrifft Änderungen von

Gesetzen]

§ 195 Einbehaltung von Beitragsteilen Soweit die Vollzugsbehörde Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung sowie zur Bundesanstalt für Arbeit zu entrichten hat, kann sie von dem Arbeitsentgelt, der Ausbildungsbeihilfe oder der Ausfallentschädigung einen Betrag einbehalten, der dem Anteil des Gefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn er diese Bezüge als Arbeitnehmer erhielte. Siebter Titel Einschränkung von Grundrechten. Berlin-Klausel. Inkrafttreten § 196 Einschränkung von Grundrechten Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 (körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person) und Artikel 10 Abs. 1 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) des Grundgesetzes eingeschränkt. S 197 Berlin-Klausel Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Uberleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin. Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Uberleitungsgesetzes. § 198 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt unbeschadet der §§ 199 und 201 am 1. Januar 1977 in Kraft, soweit die Absätze 2 und 3 nichts anderes bestimmen. (2) 1. Am 1. Januar 1980 treten folgende Vorschriften in Kraft: § 37 — Arbeitszuweisung — § 39 Abs. 1 - Freies Beschäftigungsverhältnis — § 41 Abs. 2 — Zustimmungsbedürftigkeit bei weiterbildenden Maßnahmen — § 42 — Freistellung von der Arbeitspflicht — § 149 Abs. 1 — Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur beruflichen Bildung — § 162 Abs. 1 - Beiräte - . (3) Durch besonderes Bundesgesetz werden die folgenden Vorschriften an inzwischen vorgenommene Gesetzesänderungen angepaßt und in Kraft gesetzt: § 5 Abs. 1 — Trennung im Aufnahmeverfahren — § 41 Abs. 3 — Zustimmungsbedürftigkeit bei Beschäftigung in Unternehmerbetrieben —

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Gesetzestext § § § § § §

45 46 47 49 50 65 Abs. 2 Satz 2

§ 93 Abs. 2 § 1 7 6 Abs. 2 und 3

— — —

Ausfallentschädigung — Taschengeld — Hausgeld — Unterhaltsbeitrag Haftkostenbeitrag Krankenversicherungsleistungen bei Krankenhausaufenthalt — Inanspruchnahme des Hausgeldes — — Ausfallentschädigung und Taschengeld im Jugendstrafvollzug — Verordnung über Kosten —

§ 189 § 190 Nr. 1 - 1 0 und 1 3 - 1 8 §§ 191 — 193 — Sozialversicherung —. (4) Uber das Inkrafttreten des § 41 Abs. 3 — Zustimmungsbedürftigkeit bei Beschäftigung in Unternehmerbetrieben — wird zum 31. Dezember 1983, über das Inkrafttreten des § 5 Abs. 1 — Trennung im Aufnahmeverfahren — und über die Fortgeltung des § 201 Nr. 1 — Unterbringung im offenen Vollzug — wird zum 31. Dezember 1985 befunden. § 199 Ubergangsfassungen (1) Vom 1. Januar 1977 bis zum Ablauf des 31. Dezember 1979 gilt folgendes: 1. § 42 — Freistellung von der Arbeitspflicht — erhält folgende Fassung: „(1) Hat der Gefangene ein Jahr lang zugewiesene Tätigkeit oder Hilfstätigkeiten nach § 41 Abs. 1 Satz 2 ausgeübt, so kann er achtzehn Werktage von der Arbeitspflicht freigestellt werden. (2) Auf die Zeit der Freistellung wird Urlaub aus der Haft (§§ 13, 35) angerechnet, soweit er in die Arbeitszeit fällt und nicht wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung oder des Todes eines Angehörigen erteilt worden ist. (3) Der Gefangene erhält für die Zeit der Freistellung seine zuletzt gezahlten Bezüge weiter. (4) Urlaubsregelungen der Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des Strafvollzuges bleiben unberührt." 2. § 156 Abs. 1 erhält folgenden Satz 3: „Für nichtselbständige Vollzugsanstalten kann als Leiter auch ein Richter oder Staatsanwalt bestellt werden, und zwar für nichtselbständige Vollzugsanstalten am Sitz eines Landgerichts in erster Linie der Oberstaatsanwalt, für solche am Sitz eines Amtsgerichts, der nicht zugleich Sitz eines Landgerichts ist, der Vorstand des Amtsgerichts." 3. § 162 Abs. 1 — Beiräte — erhält folgende Fassung: „(1) Bei den Justizvollzugsanstalten sollen Beiräte gebildet werden." (2) Vom 1. Januar 1977 bis zum Inkrafttreten des besonderen Bundesgesetzes nach § 198 Abs. 3 gilt folgendes: 1. § 46 — Taschengeld — erhält folgende Fassung: „Wenn ein Gefangener ohne sein Verschulden kein Arbeitsentgelt und keine Ausbildungsbeihilfe erhält, wird ihm ein angemessenes Taschengeld gewährt, falls er bedürftig ist." 2. § 47 - Hausgeld — erhält folgende Fassung: „(1) Der Gefangene darf von seinen in diesem Gesetz geregelten Bezügen zwei

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Gesetzestext

3.

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Drittel monatlich (Hausgeld) und das Taschengeld (§ 46) für den Einkauf (§ 22 A b s . 1) oder anderweit verwenden. (2) Für Gefangene, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen (§ 39 A b s . 1) oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen (§ 39 A b s . 2), wird aus ihren Bezügen ein angemessenes Hausgeld festgesetzt." § 50 — Haftkostenbeitrag — erhält folgende Fassung: „(1) Von Gefangenen, die Bezüge nach diesem Gesetz erhalten, werden Haftkosten nicht erhoben. (2) Von Gefangenen, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen (§ 39 Abs. 1), darf ein Haftkostenbeitrag in H ö h e des Betrages erhoben werden, der nach § 17 A b s . 1 N r . 3 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch durchschnittlich zur Bewertung der Sachbezüge festgesetzt ist. D e r Bundesminister der Justiz stellt den Durchschnittsbetrag für jedes Kalenderjahr nach den am 1. Oktober des vorhergehenden Jahres geltenden Bewertungen der Sachbezüge, jeweils getrennt für das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet und für das Gebiet, in dem das Strafvollzugsgesetz schon vor dem Wirksamwerden des Beitritts gegolten hat, fest und macht ihn im Bundesanzeiger bekannt. 1 Der Haftkostenbeitrag darf auch von dem unpfändbaren Teil der Bezüge, jedoch nicht zu Lasten des Hausgeldes oder des Unterhaltsbeitrages angesetzt werden. (3) Die Selbstbeschäftigung (§ 39 A b s . 2) kann davon abhängig gemacht werden, daß der Gefangene einen Haftkostenbeitrag bis zur H ö h e des in Absatz 2 genannten Satzes monatlich im voraus entrichtet. (4) Im Land Berlin gilt einheitlich der für das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet geltende Durchschnittsbetrag." § 93 Abs. 2 — Inanspruchnahme des Hausgeldes — erhält folgende Fassung: „ ( 2 ) Bei der Geltendmachung dieser Forderungen kann auch ein dreißig Deutsche Mark übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden." § 176 Abs. 3 — Taschengeld im Jugendstrafvollzug — erhält folgende Fassung: „(3) Wenn ein Gefangener ohne sein Verschulden kein Arbeitsentgelt und keine Ausbildungsbeihilfe erhält, wird ihm ein angemessenes Taschengeld gewährt, falls er bedürftig ist." Für die Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit sind die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung und des Angestelltenversicherungsgesetzes, die auch für diese Beiträge maßgebend sind, in der Fassung der §§ 190 und 191 anzuwenden. 2

1 Siehe dazu die B e k . der Feststellung des D u r c h s c h n i t t s b e t r a g e s f ü r die F e s t s e t z u n g des H a f t k o s t e n b e i t r a g e s im K a l e n d e r j a h r 1990 vom 2 3 . 1 1 . 1 9 8 9 ( B A n z . N r . 224 S . 5 5 2 1 ) : „ A u f G r u n d des § 50 A b s . 2 i. d. F. des § 199 A b s . 2 N r . 3 des Strafvollzugsgesetzes wird der Durchschnittsbetrag der gemäß § 17 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch bewerteten Sachbezüge für das Kalenderjahr 1990 festgestellt: 1. für Gefangene bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und für Gefangene in einer Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung oder U m s c h u l u n g : a) Monatlicher Durchschnittsbetrag 447,80 b) Tagesdurchschnittsbetrag 14,90 2. für alle übrigen Gefangenen: a) Monatlicher Durchschnittsbetrag 526,82 b) Tagesdurchschnittsbetrag 17,56 2 § 199 A b s . 2 N r . 6 wird mit Wirkung vom 1 . 1 . 1 9 9 2 aufgehoben.

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Gesetzestext §200

Höhe des Arbeitsentgelts (1) Der Bemessung des Arbeitsentgelts nach § 43 sind fünf vom Hundert des durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller Versicherten der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten ohne Auszubildende des vorvergangenen Kalenderjahrs zugrunde zu legen. 1 (2) Uber eine Erhöhung des Anteils von dem in Absatz 1 bezeichneten Arbeitsentgelt wird zum 31. Dezember 1980 befunden. 1 Ab 1.1.1992 gilt Abs. 1 in folgender Fassung: „Der Bemessung des Arbeitsentgelts sind fünf vom Hundert der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch zugrunde zu legen."

§ 201 Ubergangsbestimmungen für bestehende Anstalten Für Anstalten, mit deren Errichtung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen wurde, gilt folgendes: 1. Abweichend von § 10 dürfen Gefangene ausschließlich im geschlossenen Vollzug untergebracht werden, solange die räumlichen, personellen und organisatorischen Anstaltsverhältnisse dies erfordern. 2. Abweichend von § 17 kann die gemeinschaftliche Unterbringung während der Arbeitszeit und Freizeit auch eingeschränkt werden, wenn und solange die räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern; die gemeinschaftliche Unterbringung während der Arbeitszeit jedoch nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 1988. 3. Abweichend von § 18 dürfen Gefangene während der Ruhezeit auch gemeinsam untergebracht werden, solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern. Eine gemeinschaftliche Unterbringung von mehr als acht Personen ist nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 1985 zulässig. 4. Abweichend von § 143 Abs. 1 und 2 sollen Justizvollzugsanstalten so gestaltet und gegliedert werden, daß eine auf die Bedürfnisse des einzelnen abgestellte Behandlung gewährleistet ist und daß die Gefangenen in überschaubaren Betreuungs- und Behandlungsgruppen zusammengefaßt werden können. 5. Abweichend von § 145 kann die Belegungsfähigkeit einer Anstalt nach Maßgabe der Nummern 2 und 3 festgesetzt werden. §202

Freiheitsstrafe und Jugendhaft der Deutschen Demokratischen Republik (1) Für den Vollzug der nach dem Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik gegen Jugendliche und Heranwachsende erkannten Freiheitsstrafe gelten die Vorschriften für den Vollzug der Jugendstrafe, für den Vollzug der Jugendhaft die Vorschriften über den Vollzug des Jugendarrestes. (2) Im übrigen gelten für den Vollzug der nach dem Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik rechtskräftig erkannten Freiheitsstrafe und der Haftstrafe die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe.

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Kommentar

Erster Abschnitt Anwendungsbereich §1 Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Freiheitsstrafe in Justizvollzugsanstalten und der freiheitsziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung. Übersicht I. II.

Allgemeine Hinweise Regelungsbereich Erläuterungen 1. Freiheitsstrafe i. S. des StVollzG 2. Geltung des StVollzG für aus dem Jugendstrafvollzug „Herausgenommene" 3. Geltung des StVollzG für Strafarrest und Haft 4. Keine Geltung des StVollzG für den Vollzug der Untersu-

Rdn. 1 2 — 10 2

3-4

Rdn. chungshaft und der Jugendstrafe 5. Geltung des StVollzG bei freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung 6. Geltung des Gesetzes nur in Justizvollzugsanstalten . . . . III. Beispiel Abgrenzung des Rechtswegs nach §§ 109 ff StVollzG und SS 23 ff E G G V G

6-7

10

11

I. Allgemeine Hinweise Die Vorschrift bestimmt positiv, für wen die im StVollzG enthaltenen Rege- 1 lungen gelten. Das sind nur etwa zwei Drittel der im Justizvollzug befindlichen Personen (28.2.1990: 34 051). Für die in Untersuchungshaft befindlichen und die zu Jugendstrafe verurteilten Personen gilt das StVollzG nicht (zu einer wichtigen Ausnahme vgl. Rdn. 3). Das bringt erhebliche praktische Schwierigkeiten mit sich, denn in Justizvollzugsanstalten befinden sich oft neben Insassen, für die das StVollzG gilt, auch andere Gefangene, etwa wenn eine Justizvollzugsanstalt verschiedenen Zwecken dient, z. B. der Durchführung von Untersuchungshaft und der Vollstreckung kurzer Freiheitsstrafen zugleich, oder wenn besondere Einrichtungen für einen Bezirk zentral geschaffen sind (Anstaltskrankenhaus), in die Gefangene aller Art vorübergehend gelangen. Oft wird aber auch in derselben Anstalt im Anschluß an oder in Unterbrechung der Untersuchungshaft Alexander Böhm

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§1

1. Abschnitt. Anwendungsbereich

Freiheitsstrafe vollzogen oder nach Beendigung der Freiheitsstrafe Abschiebungshaft vollstreckt. Vor allem in Justizvollzugsanstalten für weibliche Gefangene sind meistens alle Frauen eines Bezirks untergebracht, gegen die Freiheitsentzug irgendwelcher Art vollstreckt wird (vgl. auch § 140 Rdn. 4). Seit dem 3.10.1990 gilt das StVollzG auch auf dem Gebiet der ehemaligen D D R (vgl. § 202 Rdn. 1).

II. E r l ä u t e r u n g e n 1. Vollzug der Freiheitsstrafe bedeutet hier Vollzug von Freiheitsstrafe i. S. 2 von § 38 StGB. Der Begriff wird im engeren Sinne verwendet (und nicht im weiteren, also Freiheitsstrafe, Jugendstrafe und Strafarrest umfassend: Lackner StGB, 18. Aufl., München 1989, Rdn. 1 zu § 38). Freiheitsstrafe im engeren Sinn ist auch die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB, also die Freiheitsstrafe, die an den Verurteilten vollzogen wird, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen. Wird jemand, der zu einer Freiheitsstrafe i. S. von § 38 StGB verurteilt worden ist, gemäß § 114 J G G in den Jugendstrafvollzug „hineingenommen" und in eine Jugendstrafanstalt verlegt, so bleibt gleichwohl das StVollzG auf ihn anwendbar. Auch die Jugendstrafanstalt ist eine Justizvollzugsanstalt, und aus § 114 J G G ergibt sich nicht, daß besondere Vollzugsbestimmungen gelten sollen ( B ö h m Einführung in das Jugendstrafrecht, 2. Aufl., München 1985, 210; Albrecht Jugendstrafrecht, München 1987, 356; a. A. Ostendorf J G G , Neuwied und Darmstadt 1987, § 114 Rdn. 6, § 110 Rdn. 1). Da diese unterschiedliche Gesetzeszuständigkeit in einer Anstalt zu Schwierigkeiten führt, wird in der Praxis von der keineswegs als Ausnahme formulierten Vorschrift des § 114 J G G sehr selten Gebrauch gemacht (28.2.1990: bei 73 Personen). 2. Gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 J G G braucht an einem zu Jugendstrafe Verur- 3 teilten, der das 18. Lebensjahr vollendet hat und sich nicht mehr für den Jugendstrafvollzug eignet, die Strafe nicht in einer Jugendstrafanstalt vollzogen zu werden. Über diese Ausnahme aus dem Jugendstrafvollzug entscheidet gem. § 92 Abs. 3 J G G der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter. Wird dann die Jugendstrafe nicht in der Jugendstrafanstalt vollzogen, so gelten die Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene (§ 92 Abs. 2 Satz 2 J G G ) , also das StVollzG (einschl. der Regelungen der §§ 109 ff über die gerichtliche Entscheidung gegen Vollzugsmaßnahmen: BGHSt 29, 33). Durch diese Rechtsfolgenverweisung des § 92 Abs. 2 Satz 2 J G G werden etwa 20% der zu Jugendstrafe Verurteilten, die ihre Strafe auch verbüßen müssen, den Regelungen des StVollzG unterstellt (1282 Verurteilte am 28.2. 1990). Vgl. deshalb für das Verfahren nach §§ 109 ff Rdn. 4 zu § 109. Zu Jugendstrafe Verurteilte, die — ohne gem. § 92 Abs. 2 J G G aus dem 4 Jugendstrafvollzug herausgenommen zu sein — zeitweise in einer Justizvollzugsanstalt, die keine Jugendstrafanstalt ist, untergebracht sind, etwa anläßlich 50

Alexander Böhm

1. Abschnitt. Anwendungsbereich

§ 1

eines Transportes, einer Verlegung zur Vorführung, einer Krankenbehandlung oder aus besonderen Sicherheitsgründen, unterliegen nicht den Regelungen des StVollzG, sondern den für den Vollzug der Jugendstrafe geltenden Bestimmungen (§§ 91, 115 J G G i. V. mit W J u g . : Böhm Jugendstrafvollzug. Kriminologischer Beitrag, in: Sieverts/Schneider (Hrsg.), Handwörterbuch der Kriminologie, 2. Aufl., Ergänzungsband, Berlin 1979, 522, 523 f). 3. Das StVollzG gilt auch für den Vollzug des Strafarrests, soweit er in den 5 Justizvollzugsanstalten stattfindet, entsprechend (§ 167) mit einigen kleineren Abweichungen (§§ 168—170). Der Vollzug von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft (und zwar unabhängig davon, ob er in Justizvollzugsanstalten oder anderwärts stattfindet) ist ebenfalls im StVollzG geregelt (SS 1 7 1 - 1 7 5 ; Einzelheiten bei Rdn. 2 zu SS 171-175). Hier gelten SS 3 - 1 2 2 — also nicht S 2 — entsprechend, soweit nicht Zweck und Eigenart der Haft entgegenstehen. Für den — in der Praxis häufig im Wege der Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten stattfindenden — Vollzug der Abschiebungshaft gem. S 16 des Ausländergesetzes gelten wiederum die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft entsprechend ( S 185). 4. Das StVollzG gilt nicht für in Justizvollzugsanstalten untergebrachte 6 a) Untersuchungsgefangene (28. 2.1990: 12 624). Für diese gelten die Vorschriften der StPO ( S 119) — bei jungen Menschen ergänzend S 93 J G G —, S S 23 ff E G G V G und die Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) als Verwaltungsvorschrift (vgl. Böhm 254 ff). Aus dem StVollzG gelten für Untersuchungsgefangene S 177 (Arbeitsentgelt, wenn der Untersuchungsgefangene eine ihm zugewiesene Arbeit, Beschäftigung oder Hilfstätigkeit ausübt) und $ 1 7 8 (unmittelbarer Zwang in den Justizvollzugsanstalten). Die UVollzO bestimmt zwar in Nr. 76, daß in Ergänzung der UVollzO „die Vorschriften über den Strafvollzug" sinngemäß gelten, soweit nicht in der UVollzO etwas anderes bestimmt ist oder Wesen und Zweck der UHaft entgegenstehen. Diese Bestimmung hat aber keine besondere Bedeutung. Die UVollzO enthält eine ziemlich vollständige Regelung der Untersuchungshaft; sie ist im übrigen nur eine Art Vorschlag für den zuständigen Richter, der die Haftbedingungen im Rahmen des S 119 StPO weitgehend gestalten kann (BVerfGE 15, 288, 293 ff). Eine gesetzliche Regelung des Vollzugs der Untersuchungshaft ist überfällig. Entwürfe liegen seit zehn Jahren vor, ein ArbeitsE des BMJ seit 1986 (vgl. Eisenberg ZRP 1987, 238 ff). b) zu Jugendstrafe Verurteilte, soweit sie nicht aus dem Jugendstrafvollzug 7 gem. S 92 J G G herausgenommen sind - oben Rdn. 3 - (28. 2.1990: 4087). Für den Vollzug der Jugendstrafe gelten SS 91, 115 J G G , SS 23 ff E G G V G , SS 176, 178 StVollzG (Arbeitsentgelt und unmittelbarer Zwang in Justizvollzugsanstalten). Als Verwaltungsvorschrift gilt die W J u g . Mitunter wird einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften des StVollzG das Wort geredet (Calliess/ Alexander Böhm

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§1

1. Abschnitt. Anwendungsbereich

Müller-Dietz Rdn. 8; AK-Feest Rdn. 8). Auch die mit Anträgen auf gerichtliche Entscheidung befaßten Oberlandesgerichte wenden häufig Vorschriften des StVollzG an (Böhm in: FS für Günter Blau zum 70. Geb., Berlin 1985, 189ff; NStZ 1987, 444). Dies entspricht aber nicht der Selbständigkeit des Jugendstrafvollzugs, seiner Zielbestimmung in § 91 J G G und den durch den Schlußbericht der Jugendstrafvollzugskommission angeregten Reformvorstellungen (vgl. auch Eisenberg, J G G , 3. Aufl., München 1988, § 91 Rdn. 12). 8

5. Von den freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung ist nur a) die Sicherungsverwahrung (§§ 129—135) abschließend im StVollzG geregelt (28. 2.1990: 191 Verwahrte). Diese Maßregel der Besserung und Sicherung wird nur in Justizvollzugsanstalten vollzogen.

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b) Die beiden anderen freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (Entziehungsanstalt, § 64 StGB, am 31. 3.1988: 1059 Insassen und Psychiatrisches Krankenhaus, § 63 StGB, am 31. 3.1988: 2365 Insassen) werden nicht in Justizvollzugsanstalten und nicht durch Justizvollzugsbeamte vollzogen. Die Einrichtungen, in denen diese Verwahrten untergebracht sind, gehören in der Regel nicht zum Justizressort. Es trifft auch nicht zu, daß das StVollzG den Vollzug insoweit regelt ( O L G Hamm 22. 11. 79 - 1 VAs 3/79). Die §§ 136 und 137 enthalten nur eine Beschreibung des Vollzugsziels dieser Maßregeln, und § 138 erklärt, daß sich die Unterbringung nach Landesrecht richtet (vgl. § 138 Rdn. 1), soweit nicht Bundesgesetze etwas anderes bestimmen. Nach § 138 Abs. 2 gelten § 51 Abs. 4 und 5, § 75 Abs. 3 - Pfändungsschutz des Überbrückungsgeldes und der Uberbrückungsbeihilfe —sowie §§ 109 bis 121 — gerichtlicher Rechtsschutz — für die Unterbringung entsprechend. Darüber hinaus regelt das StVollzG die Durchführung dieser Maßregeln gerade nicht. Es ist hier auch nicht entsprechend anwendbar (Calliess/Müller-Dietz Rdn. 1 zu § 138).

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6. Der Vollzug der Freiheitsstrafe (Rdn. 2, 3) wird nach dem Wortlaut des § 1 durch das StVollzG nur insoweit geregelt, als er in Justizvollzugsanstalten stattfindet. In Wahrheit enthält das StVollzG aber auch Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe außerhalb der Vollzugsanstalten. Bei Vollzugslockerungen, etwa bei der Gewährung von Urlaub, können dem Strafgefangenen Weisungen erteilt werden (§ 14). Bei der Verlegung nach § 65 Abs. 2 in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs trifft der Anstaltsleiter mit der Krankenhausleitung Absprachen, die die Sicherheit der Verwahrung des erkrankten Gefangenen, die Belange des Krankenhauses und die erforderliche Krankenbehandlung berücksichtigen (vgl. W zu § 65 und Rdn. 6 zu § 65).

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Der Senator der Justiz lehnt es „aus Sicherheitsbedenken" ab, dem Drogenberater X eine von ihm beantragte Bescheinigung auszustellen, daß er alle Voll-

III. Beispiel

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1. Abschnitt. Anwendungsbereich

§1

zugsanstalten des Landes Berlin besuchen dürfe. X beantragt hiergegen eine gerichtliche Entscheidung. Der Senator hält die Strafvollstreckungskammer gem. §§ 109 ff für zuständig, da sie „den gesamten gerichtlichen Rechtschutz i. S. des Art. 19 Abs. 4 GG hinsichtlich des Justizvollzugs wahrzunehmen" hätte. Dagegen hat das KG (BlStV 1982, H. 3, S. 3 - LS) zu Recht den Rechtsweg nach §§ 23 ff EGGVG für eröffnet gehalten, denn das Verlangen des Antragstellers „bezieht die Anstalten ein, in denen Untersuchungshaft und Jugendstrafe vollzogen wird. Für deren Vollzug ist aber das StVollzG nicht anzuwenden".

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Zweiter Abschnitt

Vollzug der Freiheitsstrafe Erster Titel

Grundsätze §2 Aufgaben des Vollzuges Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Schrifttum Arloth Strafzwecke im Strafvollzug, in: GA 1988, 403 ff; Bemmann Uber das Ziel des Strafvollzugs, in: Kaufmann u. a. (Hrsg.), FS Bockelmann München 1979, 891 ff; Bemmann „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen", in: BewHi 1988, 448ff; Böhm Strafzwecke und Vollzugsziele, in: Busch/Krämer (Hrsg.), Strafvollzug und Schuldproblematik, Pfaffenweiler 1988, 129 ff; Müller-Dietz Strafzwecke und Vollzugsziel. Ein Beitrag zum Verhältnis von Strafrecht und Strafvollzugsrecht, Tübingen 1973; Müller-Dietz (Re-)Sozialisierungsziel und Sicherungsaufgaben des Strafvollzugs — Zur Problematik der Zielkonflikte und ihrer Lösung — , in: Müller-Dietz (Hrsg.), Grundfragen des strafrechtlichen Sanktionensystems, Heidelberg/Hamburg 1979, 107 ff; Müller-Dietz Aufgaben des Strafvollzugs — kritisch gesehen, in: ZfStrVo 1985, 212 ff; Müller-Dietz Schuld und Strafvollzug, in: Schuh (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Straf- und Maßnahmenvollzugs, Grüsch 1987, 265 ff; Müller-Dietz 10 Jahre Strafvollzugsgesetz, in: BewHi 1986, 231 ff; Schöch Zielkonfliktsfall, in: Kaiser/Schöch (Hrsg.), Kriminologie. Jugendstrafrecht. Strafvollzug, 3. Aufl., München 1987, 204ff; Schüler-Springorum Tatschuld im Strafvollzug, in: Philipps/Scholler (Hrsg.), Jenseits des Funktionalismus. Arthur Kaufmann zum 65. Geb., Heidelberg 1989, 63 ff; Vomdran Zur kriminalpolitischen Situation des Strafvollzugs, in: Bitburger Gespräche, Jahrbuch 1986/2, München 1986, 1 ff; Wulf Opferbezogene Vollzugsgestaltung, in: ZfStrVo 1985, 67ff. Übersicht I. Allgemeine Hinweise 1. Gerichtliche Strafzumessung und Vollzugsziel

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Rdn. 1—9 22—3 -3

Rdn. 2. Rechtseinschränkung, Vollzugsziel und Strafzwecke . . . 3. Zielkonflikt zwischen resozia-

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4—6

§2

Aufgaben des Vollzuges lisierender Behandlung und Sicherheit a) Rangordnung nach Gesetzeswortlaut b) Sicherheit hat Vorrang bei Vollzugslockerungen. . . . c) Rangordnung bei anderen Vollzugsmaßnahmen.... II. Erläuterungen 1. Vollzugsziel ( § 2 Satz 1) . . . . a) betroffener Personenkreis . b) Erreichen des Vollzugsziels durch Freiheitsentzug . . .

7-9 7 8 9 10-18 10-14 11 12

c) Fähigwerden zu einem Leben ohne Straftaten in sozialer Verantwortung. . . . d) Bedeutung der „Schuldeinsicht" 2. Schutz der Allgemeinheit . . . a) Bedeutung b) Behinderung des Vollzugsziels durch Gewährleistung von Sicherheit c) Lösungsmöglichkeiten für den „Zielkonflikt"

13 14 15-18 15

16—17 18

I. Allgemeine Hinweise Die Vorschrift enthält die gesetzliche Beschreibung (Legaldefinition) des Voll- 1 zugsziels (Rdn. 10 ff) und beschäftigt sich mit Aufgaben des Vollzuges. Sie beruht auf der Vorstellung, es sei verständig, angemessen und möglich, die im Strafvollzug zu leistenden Aufgaben von den verfassungsrechtlichen und strafrechtlichen Bedingungen der Verhängung von Freiheitsstrafe zu trennen und die letzteren im Gesetz nicht zu erwähnen. Die Regelung versucht schließlich, die den Vollzug belastenden und erschwerenden „Zielkonflikte" (Rdn. 17 f) wenn nicht zu beheben, so doch zu vermindern. 1. Die Freiheitsstrafe ist zu vollziehen, wenn ihr ein rechtskräftiges Strafurteil 2 zugrunde liegt. Das Strafgericht verhängt Freiheitsstrafen nach den Vorschriften des StGB. Danach sind für das „ o b " und das „wie lange" einer Freiheitsstrafe die Schwere der vom Täter begangenen Rechtsverletzung — sie führt zu dem verbindlichen gesetzlichen Strafrahmen — und innerhalb des so gefundenen Strafrahmens vornehmlich das Maß der Schuld des Täters (§ 46 StGB) bestimmend. Erst nach Auffinden eines solchen „Schuldrahmens" werden auch im Bereich der gerichtlichen Strafzumessung Überlegungen spezialpräventiven Inhalts („Folgen der Verurteilung für den Täter", § 46 Abs. 2 StGB, Schutz der Allgemeinheit durch zeitweise Einsperrung des Täters und — § 47 Abs. 1, § 56 Abs. 1 und Abs. 2 StGB - vermuteter Resozialisierungserfolg) wirksam (im einzelnen: Zipf in: Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT, Teilband 2, 7. Aufl., 1989, §§ 63, 64). So müssen im Strafvollzug Freiheitsstrafen an Tätern vollzogen werden, die weder resozialisiert werden müssen noch für die Allgemeinheit gefährlich sind. Zu denken ist dabei an Verurteilte, die in Konfliktsituationen schwere Verbrechen begangen haben und mitunter erst Jahre nach der Tat, inzwischen wohleingegliedert und unauffällig lebend, als Täter ermittelt worden sind. Ähnlich ist es bei Personen, die im Zusammenhang mit ihrem Beruf bestehende Möglichkeiten zu umfangreichen Vermögensstraftaten mißbraucht haben, nach Entdeckung und Entfernung aus der von ihnen kriminell genutzten Position aber in der Lage und meistens auch bereit sind, ihr Brot in dem erlernten Beruf rechtschaffen zu erwerben (eindrucksvolles Beispiel: BGHSt 29, 319). In noch Alexander Böhm

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§2

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

zahlreicheren Fällen ist jedenfalls die Strafhöhe nicht vorrangig nach den Erfordernissen der in § 2 genannten Aufgaben des Strafvollzuges bemessen, sondern — insbesondere bei Gewaltverbrechen — wegen der Schwere der Tat und Größe der Schuld erheblich höher und — auch bei Berücksichtigung einer Entlassung zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB — möglicherweise für die Resozialisierung geradezu schädlich (Schöch in: Kaiser/Kerner/Schöch § 4 Rdn. 41 f.; allerdings ist die Rückfälligkeit nach (Teil-)Verbüßung langer Freiheitsstrafen besonders gering Böhm 43; Ublig BewHi 1987, 293 ff, 301 f). Von dieser Sachlage geht im übrigen das Strafvollzugsgesetz in § 3 Abs. 2 aus, wonach den schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegengewirkt werden soll (§ 3 Rdn. 11 f). Selbstverständlich sind aber diese im Sinne des Vollzugsziels nach § 2 unnötigen Freiheitsstrafen rechtens und müssen vollzogen werden. Ihr Vollzug dient dann der Vergeltung des schuldhaft begangenen Unrechts und — generalpräventiv — der Bestätigung der Rechtsordnung „und (wird) vom Gefangenen im Grunde auch nur so akzeptiert" ( O L G Stuttgart ZfStrVo 1984, 252 f). Dies gilt im übrigen auch für jede andere Freiheitsstrafe, deren Verhängung und Bemessung (mehr oder weniger zufällig) auch im Sinne der in § 2 erwähnten Aufgaben des Strafvollzugs funktional ist (BVerfG — Beschluß nach § 93 a BVerfGG - 19. 9.1980, 2 BvR 963/79). 3

Es hätte nichts geschadet, wenn auch im StVollzG diese selbstverständliche und unstreitige Rangfolge und Abhängigkeit der Freiheitsstrafe ausdrücklich formuliert worden wäre. Da das nicht geschehen ist, entstehen bei Verurteilten, Mitarbeitern des Strafvollzugs und in der Öffentlichkeit leicht Fehlvorstellungen über die Bedeutung der Freiheitsstrafen und ihres Vollzugs. Die Freiheitsstrafe ist ein zur Ahndung der schuldhaften Straftat dem Verurteilten auferlegtes Strafübel, eine Rechtseinbuße. Jede Verschleierung dieses Sachverhalts ist schädlich und erschwert die Erreichung des Vollzugsziels. Dem Verurteilten können die ihn durch den Vollzug der Freiheitsstrafe treffenden Beschränkungen und Belastungen niemals allein (oder auch nur überwiegend) aus den in § 2 genannten Aufgaben des Strafvollzugs und schon gar nicht aus dem Vollzugsziel erklärt werden. Wird ihm der wahre Hintergrund seines Strafleidens verschwiegen oder zerredet, so fühlt er sich letzten Endes betrogen oder für dumm verkauft, denn „wäre die Freiheitsstrafe eben nicht als Strafe unentbehrlich, würde sie kaum als Behandlung eingeführt werden" ( H . M a y e r nil nocere, in: Busch/Edel (Hrsg.), Erziehung zur Freiheit durch Freiheitsentzug, Neuwied/Berlin 1969, 199, 211). Zu den Rechtsbeschränkungen im Strafvollzug vgl. § 4 Rdn. 3, 12, 25.

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2. Die — vergeltende — Rechtseinschränkung ist der Freiheitsentzug als solcher in dem durch das StVollzG gesteckten Rahmen. Das wird verschiedentlich an den Grenzen der „Leistung" deutlich: zugesicherte Besuchszeit von einer Stunde im Monat (§ 24 Abs. 1 Satz 2, viel weniger als in jeder anderen sozialen Einrichtung), Unterbringung, Freizeit etc. Zusätzlich realisiert sich das Maß vergeltender Rechtseinschränkung in der Zuweisung von Mitteln für den Straf56

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§2

Aufgaben des Vollzuges

Vollzug. Hier wird eine Rolle spielen, daß die Lebenshaltung anderer sozial zu unterstützender Gruppen in der Allgemeinheit höher angesehen wird als die Strafgefangener. Die im StVollzG gewährten besseren Bedingungen für Sicherungsverwahrte (§§ 131 — 133) tragen dem Umstand Rechnung, daß diese Verurteilten die ihnen für ihre Straftaten zugemessene Freiheitsstrafe schon verbüßt haben und nun darüber hinaus nur noch festgehalten werden, weil sie als zu gefährlich für die Allgemeinheit gelten (AK-Feest Rdn. 1 zu § 131). Die gegenüber dem Vollzug der Freiheitsstrafe günstigeren Haftbedingungen der Insassen, an denen Strafarrest vollzogen wird, hängen damit zusammen, daß Strafarrest seinem Anlaß nach die weniger einschneidende Strafe ist (Calliess/Müller-Dietz zu § 167). Auch die Untersuchungsgefangenen gewährte bessere Lebenshaltung hat allein diesen Grund (Unschuldsvermutung! BVerfGE 35, 311 ff, 320). Das Vollzugsziel entspricht dem Strafzweck der (positiven) Spezialprävention, 5 der (Re-)Sozialisierung, von Schüler-Springorum für die im Strafvollzug Befindlichen zutreffend als „Ersatzsozialisation" bezeichnet (Was stimmt nicht mit dem Strafvollzug? Hamburg 1970, 49). Die in Satz 2 formulierte weitere Aufgabe des Vollzugs entspricht dem Strafzweck der (negativen) Spezialprävention, dem Sicherungszweck. Der ebenfalls zur Spezialprävention zu rechnende Warneffekt der Strafe (Individualabschreckung) wird durch den Vollzug der Freiheitsstrafe fraglos verwirklicht, ist aber weder Teil des Vollzugsziels noch (weitere) Aufgabe. Er wird durch den gesetzmäßigen Vollzug der Freiheitsstrafe erfüllt und für die Ausformung des Vollzugsziels im Einzelfall Bedeutung erlangen, eine eigenständige Berücksichtigung findet er nicht. Auch die (positive wie negative) Generalprävention ist weder Ziel noch Aufgabe des Vollzuges, wird vielmehr durch den gesetzmäßigen Vollzug der Freiheitsstrafe bewirkt, ohne daß sie bei der Ausgestaltung des Vollzugs im Rahmen des Gesetzes insgesamt oder bei der Behandlung des Gefangenen im Einzelfall Beachtung finden dürfte (a. A. O L G Frankfurt NStZ 1983, 140, das in Ausnahmefällen Gesichtspunkte „der Verteidigung der Rechtsordnung" neben dem Schuldausgleich berücksichtigen will. S. dazu Rdn. 6). Dies gilt grundsätzlich ebenso für die Vergeltung, die Verwirklichung des mit 6 der Verurteilung verhängten Strafübels. Hier ist freilich eine Einschränkung nötig. Das Gesetz ermöglicht es, die Freiheitsstrafe im geschlossenen Vollzug zu vollziehen, das Übel des Freiheitsentzuges aber auch in einem, durch Strafurlaube und Arbeit im freien Beschäftigungsverhältnis gestalteten offenen Vollzug weitgehend zurückzunehmen. Diesen unterschiedlichen Vollzugsgestaltungen sind die Gefangenen unabhängig von der Strafdauer und weitgehend abhängig von unverschuldeten persönlichen und sozialen Entwicklungen und Verhältnissen ausgesetzt. Die für die Versagung von Lockerungen maßgebliche Mißbrauchsgefahr (vgl. § 11 Rdn. 11 ff) kann oft von den Gefangenen selber schlecht beeinflußt werden. Die in diesem Sachverhalt liegende Ungerechtigkeit: die der Schuld angemessene Strafe wird je nach (weitgehend) unverschuldeter GefährAlexander Böhm

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§2

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

lichkeit mehr oder weniger einschneidend vollzogen, entspricht jedenfalls teilweise der allgemeinen Strafrechtsordnung; ähnliche Regelungen gelten für die Frage, ob eine (kürzere) Freiheitsstrafe vollzogen werden muß oder zur Bewährung ausgesetzt werden kann, vor allem aber für die Entlassung zur Bewährung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe. Insoweit verstößt die Regelung des StVollzG nicht gegen das Prinzip der „Einheit der Strafrechtsordnung". Schon deshalb könnte eine Berücksichtigung der Schuldschwere bei Vollzugsentscheidungen allenfalls in einem sehr frühen Vollstreckungsstadium in Betracht kommen ( O L G Frankfurt ZfStrVo 1983, 120, 124; falsch deshalb O L G Nürnberg ZfStrVo 1984, 114). Ja nur in Extremfällen kann es überhaupt zu unerträglichen Ergebnissen kommen: der inzwischen ungefährliche Massenmörder, der eine lebenslängliche Freiheitsstrafe verbüßt, könnte schon nach kurzer Strafdauer in den offenen Vollzug gelangen, regelmäßig Urlaub erhalten und Freigänger werden; der noch gefährliche, ebenfalls zu Freiheitsstrafe von lebenslänglicher Dauer verurteilte Täter eines einzelnen Mordes muß dagegen über viele Jahre im geschlossenen Vollzug bleiben (Staiger Tor zur Versöhnung, 110 ff). Deshalb ist es richtig, daß einige Oberlandesgerichte bei zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe Verurteilten, die bei ihren Taten besonders schwere Schuld auf sich geladen hatten, bei der Entscheidung über Vollzugslockerungen auch neben und in Abwägung mit der Erreichung des Vollzugsziels im einzelnen die Schwere der Schuld berücksichtigt haben ( O L G Karlsruhe ZfStrVo SH 1978, 9; O L G Frankfurt ZfStrVo SH 1979, 28; NStZ 1981, 157; ZfStrVo 1984, 373; O L G Nürnberg ZfStrVo 1980, 122; O L G Hamm NStZ 1981, 495), und daß das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsansicht von Verfassungswegen nicht nur nicht beanstandet, sondern (was freilich nicht seine Aufgabe und daher nicht verbindlich ist) ersichtlich für zutreffend gehalten hat (BVerfGE 64, 261 ff = ZfStrVo 1984, 52 ff mit abl. Votum von Mahrenholz. Es hat die Verfassungsbeschwerde gegen die einen Strafurlaub ablehnende OLG-Entscheidung gleichwohl für begründet gehalten, weil Alter und Gesundheitszustand des Antragstellers nicht in einer dessen Grundrechten entsprechenden Art und Weise berücksichtigt worden waren; vgl. Folgeentscheidung des O L G Frankfurt in dieser Sache, ZfStrVo 1984, 117). Nach dieser Entscheidung, die sich auf zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe Verurteilte, die besonders schwere Schuld auf sich geladen hatten, und auf Vollzugsmaßnahmen bezog, die eine weitgehende zeitweise Zurücknahme des Strafübels beinhalteten, haben einige Oberlandesgerichte die Schwere der Schuld auch bei der Gewährung von Vollzugslockerungen in Fällen von Freiheitsstrafen von mehr als 10 Jahren ( O L G Nürnberg ZfStrVo 1984, 114 - 14 Jahre, Totschlag; O L G Frankfurt ZfStrVo 1983, 120 = NStZ 1983, 140 - 11 Jahre, Notzucht) und bei geringfügigen Rücknahmen des Strafübels (Ausgang: O L G Stuttgart ZfStrVo 1984, 252 und ZfStrVo 1986, 117; O L G Celle ZfStrVo 1984, 251; 1 Tag Urlaub: O L G Frankfurt ZfStrVo 1987, 111) berücksichtigt, freilich die beantragte Lockerung meist bewilligt. Inzwischen liegt die gerichtliche Praxis wieder mehr auf der Linie des Bundesverfassungsgerichts, für die auch die (Aus58

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§2

Aufgaben des Vollzuges

nahme-)Regelung des § 57a StGB spricht (Böhm in: Böhm/Schäfer 17ff, 37; vgl. auch Müller-Dietz ZfStrVo 1985, 212, 214). Die Entscheidungen haben zu lebhaften wissenschaftlichen (abl.: Calliess/Müller-Dietz Rdn. 6 ff; Baumann Tor zur Versöhnung, 93 ff; Bemmann BewHi 1988, 448 ff; AK-Feest Rdn. 3, 4 ;Feest NStZ 1983, 143; Kaiser NStZ 1983, 142; Kreuzer 10 Jahre Strafvollzugsgesetz, 129 ff, 139 f; Peters J R 1978, 177; Schöch Tor zur Versöhnung, 9 ff; SchülerSpringorum aaO; zust. : Arloth GA 1988, 403 ff; Dietl 10 Jahre Strafvollzugsgesetz, 1988, 55 ff) und politischen (zust: Eyrich 10 Jahre Strafvollzugsgesetz, 29 ff, 34; Scholz BewHi 1986, 361 ff, 363; Vorndran aaO; abl.: de With 10 Jahre Strafvollzugsgesetz, 39 ff) Auseinandersetzungen geführt. Die Vollzugsverwaltungen einiger Bundesländer (unabhängig von deren parteipolitischer Ausrichtung — die damals rot-grüne hessische Regierung hat durch Rechtsbeschwerden gegen Lockerungsgewährungen der Vollstreckungskammern die hier referierte Rechtsprechung des O L G Frankfurt herbeigeführt — ) haben verallgemeinernde Richtlinien zur — weitgehenden — Berücksichtigung der Schwere der Schuld erlassen (vgl. Baumann ZfStrVo 1987, 47 für Baden-Württemberg; SchülerSpringorum aaO 66 für Bayern) oder in Einzelfällen entsprechendes Handeln nahegelegt, was weder der Rechtsprechung entspricht noch zulässig ist. Bestrebungen, diesen Gesichtspunkt als weiteres Entscheidungskriterium in §§ 2 oder 4 einzufügen, haben aber bei der Mehrzahl der Bundesländer (wieder unabhängig von ihrer parteipolitischen Ausrichtung) keine Zustimmung gefunden. Zu Recht: die Schwere der Schuld eignet sich als zusätzliches Bewertungskriterium nur bei Verurteilungen zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe und - vielleicht - im Anfangsstadium (dem ersten Drittel) des Vollzugs von langen zeitigen Freiheitsstrafen. Dort würde es, da die Vollzugsdauer auch aus Gründen der erhöhten Mißbrauchsgefahr und aus Gründen der Behandlung (Uberforderung des Verurteilten) bedacht werden muß, kaum praktische Bedeutung gewinnen. Außerhalb der geschilderten Extremfälle stellt die Schwere der Schuld kein Abwägungskriterium im Strafvollzug dar. Der weitergehenden Literaturmeinung, die auch in den Extremfällen den Gesichtspunkt der Schwere der Schuld nicht berücksichtigen will, kann trotz beachtlicher, insbesondere auf den Wortlaut des § 2 gestützter Argumente, nicht gefolgt werden. Ihre rigide Position birgt die Gefahr, ein sinnvolles Prinzip durch Übertreibung in Mißkredit zu bringen und vielfältigen Umgehungsversuchen preiszugeben. Das verbleibende Unbehagen von Ungerechtigkeit bei der Vollzugsgestaltung: unabhängig von Tat und Schuld werden den besser Sozialisierten, den ohnehin Bevorzugten, durch Vollzugslockerungen wesentlich günstigere Bedingungen eingeräumt als den „armen Teufeln" (ein Hauch von „Klassenjustiz"? vgl. Böhm aaO; Freimund, Vollzugslockerungen Ausfluß des Resozialisierungsgedankens? Diss. Mainz, 1990; Scholz BewHi 1986, 361, 363; vgl. auch Müller-Dietz BewHi 1986, 331 ff, 335f) muß andere Konsequenzen haben als die Berücksichtigung von Schuldschwere bei Lockerungsentscheidungen. Hier hilft eine stärkere Ausrichtung des gesamten Vollzugssystems am Vollzugsziel und die stärkere Gewichtung der Erreichung des Alexander B ö h m

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

Vollzugsziels im Einzelfall gegenüber der Mißbrauchsbefürchtung (vgl. Böhm aaO 132, 133; vgl. auch Bock NStZ 1990, 457 ff, 462, 463). Zur Berücksichtigung von „Schuldverarbeitung" vgl. Rdn. 14. 7

3 a) Die Zielkonflikte hat das StVollzG nicht beseitigt. Zwar läßt der Wortlaut des § 2 keinen Zweifel, daß das Vollzugsziel (Rdn. 10 ff) den Vorrang genießen soll und die Sicherheit der Allgemeinheit (Rdn. 15 f) vor Straftaten während des Vollzugs nur „auch" — also in zweiter Linie — eine Aufgabe des Vollzuges ist.

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b) Diese Rangordnung wird aber schon im Gesetz selber nicht eingehalten. So sind die Vollzugslockerungen davon abhängig, daß „nicht zu befürchten ist, daß der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lokkerungen des Vollzuges zu Straftaten mißbrauchen werde" (§11 Abs. 2). Wenn eine solche Befürchtung besteht, darf auch die zur Resozialisierung notwendigste Lockerung nicht angeordnet werden (OLG Karlsruhe ZfStrVo 1979, 54). Ja wenn die einzige Chance einer Resozialisierung darin bestände, eine riskante Lockerung zu gewähren, so wäre das nach § 11 Abs. 2 verboten (§11 Rdn. 11). Es findet keine Abwägung zwischen der Bedeutung der Lockerung für die Resozialisierung und der Schwere der bei Gewährung der Lockerung befürchteten Straftaten statt. Der Vorrang der Sicherheit ist eindeutig festgeschrieben. Diese Umkehr der Aufgabengewichtung ist bedauerlich. Der Gesetzgeber hätte den Zielkonflikt, der unvermeidlich ist, offener ins Auge fassen müssen und mit mehr Mut zum Risiko eine Abwägung der Aufgaben im Einzelfall unter Angabe von Bewertungsgesichtspunkten strukturieren sollen. In der vollzuglichen Praxis wird man ohnehin in dieser flexiblen Art vorgehen müssen, also die Wichtigkeit der Lockerung für die Resozialisierung in Beziehung zur Schwere der allenfalls drohenden Straftaten setzen und bei herannahendem Entlassungszeitpunkt die Bedeutung der Mißbrauchsgefahr bei Lockerungen geringer veranschlagen müssen.

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c) Bei den anderen Vollzugsmaßnahmen hat das Gesetz der Sicherheitsaufgabe des Vollzugs nicht so eindeutig den Vorrang eingeräumt. Innerhalb der Vollzugsanstalt ist die Gefahr, daß ein Insasse Straftaten begehen kann, die die Allgemeinheit gefährden, geringer. Hier kann deshalb auch auf das Vollzugsziel vorrangig Rücksicht genommen werden. Allerdings wird in der Praxis auch hier das Sicherheitsziel besonders stark beachtet. Das läßt sich an anderen Vorschriften des Gesetzes und — man muß sagen: folgerichtig - in den W und den DSVollz nachweisen. Obendrein werden Sachmittel und Personal in erster Linie für die Sicherungsaufgabe eingesetzt. Erst wenn dann noch etwas zur Verfügung steht, wird die Erreichung des Vollzugsziels bedacht (zur Abwägung der Interessen insoweit zutr.: O L G Hamm ZfStrVo 1985, 174). Der übergeordneten Vorstellung des § 2 entsprechend sollte aber auch hier zunehmend die Erreichung des Vollzugsziels eine größere Bedeutung erhalten (vgl. Bundesvorstand des Bundes der Strafvollzugsbediensteten in: BIStV 1982, H. 4/5, S. 1). 60

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Aufgaben des Vollzuges

II. Erläuterungen 1. Als Vollzugsziel bezeichnet es das Gesetz, daß der Gefangene im Vollzug 1 0 der Freiheitsstrafe fähig werden soll, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Dieses Vollzugsziel gilt natürlich auch für Strafgefangene fremder Nationalität (OLG Frankfurt ZfStrVo 1981, 247). Das Vollzugsziel soll einerseits maßgeblich für die Gestaltung des Vollzugssystems sein: Auswahl, Ausbildung, Einsatz und Zusammenarbeit der Vollzugsbediensteten sind ihm ebenso verpflichtet wie Einrichtung und Struktur der Vollzugsanstalten. Das Klima muß resozialisierungsfreundlich sein. So erschwert die Doppelbelegung eines Einzelhaftraums die Erreichung des Vollzugsziels (LG Braunschweig ZfStrVo 1984, 380; O L G Frankfurt NStZ 1985, 572). Andererseits muß das Vollzugsziel im Einzelfall Leitlinie für den Umgang mit dem Gefangenen sein (bei Verlegungen: OLG Hamm NStZ 1984, 141 und ZfStrVo 1985, 373; bei der Festlegung der Dauer verschuldeter Arbeitslosigkeit: OLG Koblenz ZfStrVo 1988, 113). Die Erreichung des Vollzugsziels verlangt auch Entscheidungen, die den Wünschen von Gefangenen zuwiderlaufen, etwa bei der beruflichen Ausbildung (OLG Frankfurt ZfStrVo 1983, 245) oder bei der Festlegung der Höhe des dem Zugriff der Gläubiger entzogenen Überbrückungsgeldes (OLG Hamm ZfStrVo 1985, 380 = NStZ 1986, 47). Ob es freilich richtig ist, dem Gefangenen die Verwendung seines Eigengeldes zum Kauf eines Gegenstandes für die Freizeitgestaltung nur deswegen zu untersagen, weil er das Geld besser anders — nämlich zur Unterstützung seiner Angehörigen — nützen sollte, erscheint zweifelhaft (OLG Zweibrücken ZfStrVo 1987, 303). a) Das bedeutet, daß der Gesetzgeber offenbar annimmt, viele Insassen der 11 Strafanstalten seien (noch) nicht fähig, in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen, könnten aber diese Fähigkeiten im Vollzug der Freiheitsstrafe erwerben. Dabei orientiert sich der Gesetzgeber an dem wiederholt rückfälligen Vermögensstraftäter aus ungünstigen sozialen Verhältnissen, emotional gestörten oder unvollständigen Familien mit mangelhaften schulischen Kenntnissen und ohne angemessene berufliche Eingliederung in den Arbeitsprozeß (§ 37 Rdn. 16). In der Tat finden sich bis zu 80% solcher mehr oder weniger benachteiligter Personen in Strafhaft (vgl. Wiegand in: Schwind/Blau 277, 278; Hilkenbach ZfStrVo 1979, 83 ff, 87; Berckhauer/Hasenpusch Legalbewährung nach Strafvollzug, in: Schwind/Steinhilper (Hrsg.), Modelle zur Kriminalitätsvorbeugung und Resozialisierung, Heidelberg 1982, 281 ff, 295—297; dies. Bildungsmaßnahmen im Justizvollzug, in: Steinhilper (Hrsg.), Soziale Dienste in der Strafrechtspflege, Heidelberg 1984, 247 ff). Von ihnen kann man sagen, daß sie (noch) nicht fähig sind, in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu leben. Mitunter wird bei diesem großen resozialisierungsbedürftigen Personenkreis angenommen, er sei nur zum Teil resozialisierungsfähig und resozialisierungswillig. Das mag zwar für einzelne zutreffen, (in Grenzen) lernfähig ist aber jeder Mensch bis zu seinem Tode, und die Ablehnung von ResozialisierungsbemühunAlexander Böhm

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

gen durch Gefangene weist kaum je auf mangelnden Willen zur Veränderung hin. Hinter einer solchen Ablehnung kann die Angst stehen, wieder zu versagen. Sie kann Ausdruck von Resignation sein, auf der Verinnerlichung erlernter Ausweich- und Uberlebenstechniken beruhen oder auch die richtige Erkenntnis widerspiegeln, daß das konkrete Resozialisierungsangebot unangemessen oder nutzlos ist. Deshalb ist es Teil der Aufgabe, den Insassen für das Vollzugsziel zu motivieren und ihn zu ermuntern, trotz der früheren entmutigenden Erfahrungen sich auf einen neuen, oft für den Insassen mit vielen Unannehmlichkeiten verbundenen Versuch einzulassen (§ 4 Abs. 1 Satz 2; § 4 Rdn. 4 und Rdn. 7). Man wird also grundsätzlich davon ausgehen dürfen, daß die große Mehrzahl der Strafgefangenen mehr oder weniger unfähig zu einer sozial zu tolerierenden Lebensführung ist, diese Unfähigkeit aber jedenfalls vermindern kann und das auch will oder doch zu Anstrengungen in dieser Richtung zu motivieren ist. Wer dieses Vertrauen in eine (wenn auch vielleicht begrenzte) Lernfähigkeit und Lernbereitschaft des bestraften Mitbürgers nicht hat, wessen Menschenbild einem statischen Modell verhaftet ist („Die Katze läßt das Mausen nicht"), kann weder im Strafvollzug vernünftig arbeiten noch das Gesetz im Sinne des Gesetzgebers richtig anwenden. Richtig ist vielmehr die unterdessen in der Rechtsprechung herrschende Meinung, daß bei Entscheidungen in Vollzugsfragen neben der Persönlichkeitsentwicklung, den Straftaten und zurückliegenden Auffälligkeiten im Vollzug immer und besonders sorgfältig auf die Entwicklung im Vollzug und neuere Beobachtungen und Einstellungsänderungen des Insassen eingegangen werden muß. Die Ablehnung von Vollzugsmaßnahmen allein mit dem Hinweis auf länger zurückliegende Vorfälle ist grundsätzlich unzulässig (OLG Hamburg ZfStrVo SH 1978, 3; O L G München ZfStrVo 1980, 122; OLG Koblenz ZfStrVo 1980, 186; O L G Frankfurt ZfStrVo 1984, 122 und 376; O L G Hamm ZfStrVo 1989, 310 = NStZ 1989, 390. Zum Strafvollzug als einheitlichem fortlaufendem Prozeß Vorbem. zu §§ 5 bis 7 Rdn. 1). 12

b) Aber der Gesetzgeber geht auch davon aus, daß der Insasse, der zu einem gesetzmäßigen Leben (noch) nicht fähig ist, diese Fähigkeit im Vollzug der Freiheitsstrafe erwerben könne. Diese Hoffnung begleitet den Strafvollzug mindestens seit dem ersten der Resozialisierung dienenden Zuchthaus in Amsterdam (1594; s. hierzu Schwind in: Schwind/Blau 1 ff). Sicher sind die Zusammenfassung vieler erheblich straffälliger Personen in einer Anstalt, die künstliche Atmosphäre einer Einrichtung, in der fast alle Lebensbereiche bis ins einzelne geregelt sind, und die Trennung der Insassen von den Menschen und den Fragen, mit denen sie es „draußen" zu tun haben, keine günstigen Voraussetzungen für soziales Lernen. Aber auf der anderen Seite war — wie sich an dem ständigen Rückfall oft mehr als deutlich zeigt — auch die Freiheit für viele Insassen kein guter Lehrmeister. Vielleicht bietet gerade das „Schonklima" des Freiheitsentzugs ein besseres Übungsfeld zum Nachholen versäumter Lernschritte (St. u. 62

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Aufgaben des Vollzuges

E. Quensel in: Kaufmann (Hrsg.), Die Strafvollzugsreform, Karlsruhe 1971, 159). Nach ersten Erfolgen wäre die Übung dann im Rahmen gelockerten Vollzugs fortzusetzen. Die in- und ausländischen Untersuchungen über die Wirksamkeit des Freiheitsentzugs hinsichtlich des Vollzugsziels ergeben kein eindeutiges Bild. Die oft lautstark vertretene Auffassung, der Vollzug der Freiheitsstrafe sei nur schädlich, seine Unfähigkeit, das Vollzugsziel zu fördern, sei nachgewiesen, ist für die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland weder dargetan noch überhaupt zu vermuten. Daß etwa 60% der aus Freiheitsstrafvollzug Entlassenen innerhalb von 5 Jahren nach der Entlassung wieder zu Freiheitsstrafe verurteilt werden müssen, hat für sich allein wenig zu bedeuten. Bei der Menge schwer benachteiligter Insassen ist mit einer sehr hohen Erfolgsquote vernünftigerweise nicht zu rechnen. Außerdem erhöht sich die Prozentzahl der „Aussteiger" aus der kriminellen Karriere, wenn man untersucht, wie viele der Entlassenen etwa nach 10 Jahren noch immer „ein Leben mit Straftaten" führen (Ergebnisse von Untersuchungen bei Rotthaus ZfStrVo 1978, 1; Klotz ZfStrVo 1980, 70; die JVA Straubing betreffend: ZfStrVo 1981, 43; für den Strafvollzug in Niedersachsen: ZfStrVo 1982, 171; Baumann/Maetze/Mey MschrKrim 1983, 133 ff; Böhm/Erhard Strafrestaussetzung und Legalbewährung, Darmstadt 1988, 98 ff; Jugendstrafe betreffend: Dolde/Grübl ZfStrVo 1988, 29ff). Auf der anderen Seite ist nicht gewiß, ob 40% ehemaliger Gefangener gerade wegen, trotz oder ganz unabhängig von der Verbüßung einer Freiheitsstrafe bereits im ersten Jahrfünft nach der Entlassung einigermaßen straffrei leben und sich dieser Prozentsatz später noch erhöht. Untersuchungen — vor allem an aus sozialtherapeutischen Anstalten Entlassenen und vergleichbaren Gefangenengruppen aus dem Normalvollzug — deuten jedenfalls darauf hin, daß ein Vollzug, der sich durch eine besondere Fülle und Dichte resozialisierender Angebote auszeichnet, bessere Erfolge hat als ein „Verwahrvollzug" (Rehn ZfStrVo SH 1980, 45; Dünkel ZfStrVo SH 1980, 70; Dolde ZfStrVo 1985, 148 ff; zusammenfassend Kerner in: Kaiser/Kerner/Schöch § 20 Rdn. 29 ff; vgl. auch Berckhauer/Hasenpusch aaO 319 ff). So ist die optimistische Haltung des Gesetzgebers auch hinsichtlich der Möglichkeit des Erreichens des Vollzugsziels im Vollzug der Freiheitsstrafe durchaus vertretbar. Sie muß auch die Praxis des Vollzuges und die Interpretation des StVollzG bestimmen. Vgl. auch § 3 Rdn. 12. c) Das Ziel, „ein Leben ohne Straftaten in sozialer Verantwortung" zu führen, 1 3 bedeutet nicht, daß von dem Gefangenen unangemessene moralische und sittliche Leistungen verlangt werden. „Soziale Verantwortung" bezeichnet die Haltung, in der eben eine straffreie Lebensführung am ehesten erwartet werden kann (zu der Frage, wie eine solche Haltung begünstigt oder unterstützt werden kann: Berckhauer/Hasenpusch aaO 328). Kriminologisch bestünde, ließe man den Satzteil „in sozialer Verantwortung" fort, kaum ein Unterschied (Calliess/ Müller-Dietz Rdn. 12; Schock in: Kaiser/Kerner/Schöch § 4 Rdn. 22). Der Begriff „in sozialer Verantwortung" läßt sich aber auch dahin deuten, daß das Alexander Böhm

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Leben „ohne Straftaten" nicht aus Angst vor Strafe oder aufgrund von Dressur geführt wird, sondern in der richtigen Erkenntnis, daß die rechtlichen Regeln dem gedeihlichen Zusammenleben in der staatlichen Gemeinschaft dienen. Das hat praktische Bedeutung für den Vollzug, weil die Berücksichtigung übertriebener Ordnungsvorstellungen, die früher einmal den „guten Gefangenen" ausgemacht haben, einem solchen Vollzugsziel wesensfremd wären. Selbst das Aufbegehren gegen die Vollzugsordnung, auch soweit es als „schlechte Führung" nicht hingenommen werden kann, darf nicht unbesehen als Anzeichen dafür gewertet werden, daß ein Insasse seinen Urlaub zu Straftaten oder dazu mißbraucht, nicht wieder in die Strafanstalt zurückzukehren ( O L G Saarbrücken ZfStrVo 1978, 182). Dazu auch § 13 Rdn. 14. Man kann schließlich den Hinweis auf die „soziale Verantwortung" als Aufforderung ansehen, neben der Stärkung der persönlichen und beruflichen Fähigkeiten auch an den Verantwortungsbereich für Angehörige und durch die Straftat Geschädigte zu denken. So ist eine Erweiterung der Angebote in Richtung auf eine „opferbezogene Vollzugsgestaltung" (Wulf ZfStrVo 1985, 67 ff) wünschenswert. Ein Leben ohne Straftaten ist im Wortsinn kaum zu erwarten. Vergehen, wie Beleidigung, üble Nachrede, Erschleichen der Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln, Betrügereien — jedenfalls solche kleineren Umfangs — bei Zoll, Steuer etc. begeht (meist unentdeckt) fast jeder Bürger. Ein aus der Strafhaft zur Bewährung entlassener Gefangener, der in der Bewährungszeit ein solches - ja auch unter Umständen ein schwereres — Delikt begeht, wird oft weiter unter Bewährung bleiben und nicht den Widerruf mit der Folge der Verbüßung der Reststrafe riskieren müssen, weil das Begehen einer neuen Straftat nur zum Widerruf führt, wenn es zeigt, daß der Verurteilte die Erwartung, die der Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde lag, enttäuscht hat (§ 56 f Abs. 1 StGB). Erfolgt wegen einer während der Bewährungszeit begangenen Straftat eine erneute Verurteilung zu Geldstrafe, so wird so gut wie nie ein Widerruf ausgesprochen. Bei einer erneuten Verurteilung zu Freiheitsstrafe zur Bewährung wird — allenfalls — die Bewährungszeit verlängert (Böhm/Erhard Strafaussetzung und Legalbewährung, Darmstadt 1988, 92 f). Deshalb sind auch die in den Rückfallstatistiken des Bundeszentralregisters (vgl. ZfStrVo 1989, 242) errechneten Mißerfolge nach Entlassung aus dem Strafvollzug nicht sehr aussagekräftig. Denn sie geben zwar an, ob die neue Verurteilung eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe ist, nicht aber, ob die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden und wegen welcher Taten sie verhängt worden ist. So können sich unter den als rückfällig gemeldeten Entlassenen Personen befinden, deren kriminelle Karriere steigt oder anhält, aber auch solche, bei denen die Kriminalität nachläßt (was schon ein Erfolg wäre: Mey ZfStrVo 1987, 45). Gemeint ist mit einem „Leben ohne Straftaten" ein solches ohne erhebliche (schwere) Straftaten und ohne ständige Kleinkriminalität.

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d) Ob die Erreichung des Vollzugszieles regelmäßig ( O L G München ZfStrVo 1 4 SH 1979, 67; O L G Bamberg ZfStrVo 1979, 122), im Einzelfall ( O L G Koblenz ZfStrVo 1986, 314; so wohl auch Calliess/Müller-Dietz Rdn. 10) oder jedenfalls dann, wenn der Verurteilung des Gefangenen schwerste Straftaten zugrunde liegen ( O L G Nürnberg ZfStrVo 1980, 122), eine Auseinandersetzung mit der Tat, Schuldeinsicht und Schuldverarbeitung verlangt, ist zweifelhaft. Für den Regelfall wird man das nicht sagen können. Einem Rückfall kann wirksam vorgebeugt werden, wenn der Gefangene eine neue Lebensperspektive und neue Interessen entwickelt oder aus dem alten kriminellen Umfeld herauswächst. Soweit aber eine Auseinandersetzung mit der Tat und eine Schuldverarbeitung erforderlich erscheinen, kann damit nicht eine Rechtsbeschränkung begründet werden (s. auch Schwind BewHi 1981, 351). Wird dagegen in Entscheidungen gleichwohl angenommen, bei einer Mordtat sei eine Schuldverarbeitung nur möglich, wenn der Täter lange im nicht durch Lockerungen erleichterten geschlossenen Vollzug einsitze ( O L G Nürnberg ZfStrVo 1980, 122; O L G Bamberg ZfStrVo 1979, 122; ähnliche Gedanken in anderem Zusammenhang auch O L G Bamberg NStZ 1989, 389 mit Anm. Müller-Dietz StrafV 1990, 29 ff), oder zur Schuldverarbeitung sei es nötig, Genehmigungen zu versagen ( O L G München ZfStrVo SH 1979, 67, 69; in ähnliche Richtung weisend O L G Hamm ZfStrVo 1986, 117, 119 = NStZ 1986, 143, das es für zulässig hält, die erteilte Genehmigung zum Betreiben eines Fernsehgeräts im Haftraum zur „Erreichung des Vollzugsziels" zu widerrufen, weil der Insasse von einem ihm gewährten Strafurlaub nicht freiwillig zurückgekehrt ist), ist zu befürchten, daß — bewußt oder unbewußt — die Vorstellung, ein so schuldig gewordener Mensch verdiene die Lockerung oder die erbetene Genehmigung (noch) nicht, also der Gedanke der Vergeltung oder des gerechten Schuldausgleichs, zu einer Resozialisierungsvoraussetzung verfälscht worden ist (so auch Schüler-Springorum aaO 71, 72). Zudem ist es mit Gewißheit nicht festzustellen, ob ein Gefangener in seiner augenblicklichen Lage überhaupt fähig ist, Schuld zu verarbeiten, ob dies zur Resozialisierung jetzt oder später unerläßlich ist und in welcher Weise er ggf. zu einer solchen Auseinandersetzung veranlaßt werden kann. Ja es ist nicht einmal sicher auszumachen, ob sich jemand mit seiner Schuld auseinandersetzt (SchülerSpringorum aaO 70). Eindeutige Handlungen (Wiedergutmachungsleistung unter Konsumverzicht) sollten gefördert werden. Gesprächsangebote, Anregungen, Vorschläge, ja Ermahnungen sind angebracht. Von Gefangenen als Schikane empfundene Rechtseinschränkungen sind aber nicht nur unzulässig, sie dürften obendrein Schuldverarbeitung eher verhindern (Wulf ZfStrVo 1985, 72). 2. „Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten." a) Mit dieser weiteren Aufgabe des Vollzuges wird nicht noch einmal das Vollzugsziel (Rdn. 10 ff) umschrieben. Das könnte man denken, denn ein Verurteilter, der fähig gemacht worden ist, künftig ein Leben ohne Straftaten zu fühAlexander Böhm

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

ren, und der diese Fähigkeit dann auch nützt (wovon im Regelfall ausgegangen werden kann), ist der beste Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Dazu wäre kein eigener Satz in § 2 nötig gewesen. Die Aufgabe, die hier zu erörtern ist, kann auch nicht als Ermunterung zu einem Abschreckungsvollzug verstanden werden etwa der Art, daß harte Vollzugsmaßnahmen den Verurteilten vor neuem Straffälligwerden warnen, zu Straftaten bereite Bürger außerhalb des Strafvollzuges von illegalen Verhaltensweisen abschrecken und die rechtstreue Bevölkerung in ihrer Haltung bestätigen (OLG Frankfurt ZfStrVo 1983, 120). Wie oben (Rdn. 4, 5) erörtert, werden diese Wirkungen (wenn sie überhaupt erzielt werden können, empirische Nachweise sind sehr schwer zu erbringen!) allein durch den Vollzug der verhängten Strafe entsprechend dem Gesetz herbeigeführt. Zur Ausgestaltung der Vorschriften dürfen sie nicht herangezogen werden. 16

b) So beschränkt sich der Satz auf den Inhalt, daß während der Vollzugszeit durch sichere Verwahrung des Insassen, gute Aufsicht und sorgfältige Strukturierung der Vollzugslockerungen eine Gefährdung der Allgemeinheit durch weitere Straftaten des Gefangenen verhindert werden soll. Das ist unproblematisch, soweit es mit dem Völlzugsziel harmoniert: natürlich soll der Gefangene sein strafbares Tun nicht fortsetzen, dadurch wird er auch nicht fähig, künftig ohne Straftaten zu leben. So entspricht die Kontrolle von Brief- und Besuchsverkehr (§ 25 Rdn. 9, 11; § 28 Rdn. 6), die das Ziel verfolgt, Straftaten des besuchten Gefangenen zu verhindern, dem Vollzugsziel i. S. von § 2 Satz 1: OLG Koblenz ZfStrVo 1979, 250 und SH 1979, 48 (§ 23 Rdn. 2). Kritisch wird es aber dann, wenn Vollzugsziel und weitere Aufgabe des Vollzugs miteinander in Widerspruch stehen, wenn die behandelnde Maßnahme, die die Chance des Verurteilten, künftig ein Leben ohne Straftaten zu führen, erhöht, das Risiko des Mißbrauchs mit sich bringt: zur Resozialisierung ist der enge Kontakt zu der Familie notwendig. Das legt es nahe, Besuche nicht abzuhören und Briefe nicht zu lesen. Es besteht aber die Gefahr, daß der Gefangene mit Hilfe seiner Besuche oder Briefe Kontakte für ein kriminelles Treiben etwa betrügerischer Art fortsetzt. Eine qualifizierte Berufsausbildung nachzuholen, ist ein wichtiger und erfolgversprechender Beitrag des Strafvollzugs zur Verbesserung der Chancen eines Inhaftierten, künftig straffrei zu leben. Aber viele Ausbildungsgänge machen es nötig, Insassen Werkzeuge in die Hand zu geben, mit denen sie auch Straftaten begehen können (vgl. OLG Zweibrücken ZfStrVo 1983, 55 ff mit Anm. Rotthaus 255). Die Kontrolle bei vielen Ausbildungsgängen ist weniger gut möglich als bei Hilfsarbeiten. Teile der Ausbildung können vielleicht nur im Freigang absolviert werden, wobei die Situation der mangelnden Aufsicht zu Straftaten genützt werden kann. Vollzugslockerungen sind zur Erreichung des Vollzugsziels zu gewähren, um die sozialen Beziehungen des Inhaftierten nicht zu gefährden und um die in Richtung auf Erfüllung des Vollzugsziels durchgeführten Maßnahmen außerhalb der geschlossenen Einrichtung auf ihre Nützlichkeit hin zu erproben. 66

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Auch hierbei werden Risiken, die Sicherung der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten des Verurteilten betreffend, eingegangen. Wegen der Auswirkungen auf Vollzugslockerungen bei mangelnder Resozialisierungsbereitschaft § 4 Rdn. 9. Wie oben (Rdn. 7—9) schon erwähnt, neigt die Praxis dazu, das in erster Linie 1 7 zu verfolgende Vollzugsziel durch die nur in zweiter Linie zu beachtende Sicherheitsaufgabe übermäßig einzuengen und zu behindern (vgl. z.B. § 8 Rdn. 11; § 10 Rdn. 9; vor §§ 23 ff Rdn. 3). Bedenklich ist die Billigung der Praxis einer Vollzugsverwaltung, bei Gewährung von Vollzugslockerungen wegen (angeblich) typischer Sicherheitsgefährdungen die Benutzung von Kraftfahrzeugen regelmäßig zu verbieten und nur bei besonders begründeten Ausnahmefällen zu gestatten ( O L G Stuttgart ZfStrVo 1983, 303 ff). Neben gesetzlichen Festschreibungen ( § 1 1 Abs. 2) - über die hinaus § 2 Satz 2 aber keine eigenständige Wirkung entfaltet ( O L G Celle ZfStrVo 1984, 251) - , spielt dabei eine Rolle, daß sich ein Mißerfolg bei der auf die vollzugliche Gegenwart bezogenen Sicherheitsaufgabe sofort deutlich und schmerzlich zeigt (jedenfalls in der Regel, natürlich werden mitunter Straftaten eines pünktlich zurückgekehrten „Urlaubers" erst später entdeckt), während die Erreichung des Vollzugsziels erst in vielen Jahren (vielleicht) erwiesen oder wenigstens wahrscheinlich ist, dann nämlich, wenn der Entlassene mit seinem Leben in Freiheit besser zurecht kommt und keine Straftaten mehr begeht. Das Risiko einer Vollzugsmaßnahme für die Sicherheit der Allgemeinheit ist also leicht festzustellen und zu belegen. Die Notwendigkeit dieser Vollzugsmaßnahme zur Erreichung des Vollzugsziels im Einzelfall ist dagegen viel unsicherer zu begründen. Außerdem begünstigt der Glaube an die Veränderbarkeit von Einstellungen und Verhaltensweisen, an ein dynamisches Menschenbild, die Bevorzugung des Vollzugsziels, während die Vorstellung, jemand bleibe so (gefährlich), wie er war, die Sicherheitsaufgabe stärker in den Vordergrund rückt. Ist bei einer Vollzugslockerung „etwas passiert", so werden aus den Akten und dem Vorleben des Verurteilten gerne Vorfälle hervorgekramt, die den jetzt geschehenen ähnlich sind. Sie hätten einer Lockerungsentscheidung entgegenstehen müssen, heißt es dann. Daß sich ein Mensch ändern kann und daß gerade diese Idee dem Strafvollzug zugrunde liegt, wird in solchen Fällen leicht übersehen. c) Die L ö s u n g dieses Zielkonflikts (oder doch seine Ordnung) ist eine der 1 8 wichtigsten und schwierigsten Aufgaben der vollzuglichen Praxis. Im Einzelfall ist es zunächst erforderlich, die Bedeutung der — sicherheitsgefährdenden — Maßnahme für die Erfüllung des Vollzugsziels festzustellen (vgl. O L G Frankfurt ZfStrVo 1981, 188). Statt Mitarbeiter der Fachdienste zu Stellungnahmen zur Mißbrauchsgefahr zu veranlassen, erscheint es sachdienlich zu prüfen, ob die Vollzugsmaßnahme wirklich notwendig ist, ob ein weniger sicherheitsgefährdender Ersatz nicht gleiche oder ähnliche Dienste leistet, ob vorbereitende Maßnahmen nötig sind (vgl. das Beispiel in O L G Hamburg ZfStrVo 1979, Alexander Böhm

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

53) und welche Gefahren für die Erreichung des Vollzugsziels drohen, wenn die Maßnahme nicht durchgeführt wird. Ferner ist zu prüfen, welche Folgen für das Vollzugsziel das Scheitern der Maßnahmen wegen Mißbrauchs hat. Zu große Uberforderungen des Verurteilten sind auch für seine Entwicklung schädlich (OLG Frankfurt ZfStrVo 1981, 189). Neue Verurteilungen belasten meist mehr als sie nützen. Mißerfolge beeinträchtigen das Selbstwertgefühl. Auf der anderen Seite ist zu prüfen, für welche Rechtsgüter einzelner oder der Allgemeinheit bei Gewährung der Vollzugsmaßnahme Gefahr droht und welchen Grad diese Gefahr erlangt. Gefahr für die Ehre einzelner Bürger, weil der Verurteilte leicht unbeschwert schimpft, hat natürlich einen anderen Stellenwert als Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen. Die Gefahr von Zechprellerei, Ladendiebstahl und Fahren ohne Fahrerlaubnis ist eher hinzunehmen als die Gefahr von Raubüberfällen und Einbruchsdiebstählen. Dann ist zu bedenken, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um die Gefahren zu vermindern und doch die Vollzugslockerungen, die Ausbildung oder die besondere Freizeitgestaltung zu gewähren. In Betracht kommen Auflagen und stützende Hilfen. Wichtig ist auch — vor allem bei Lockerungen — die Nähe des voraussichtlichen Entlassungstermins. Je näher der Zeitpunkt rückt, an dem der Verurteilte ohnehin in die Freiheit gelangt, desto weniger kann die Gefahr des Mißbrauchs Berücksichtigung finden ( K e r n e r ZfStrVo 1977, 74, 83).

§3 Gestaltung des Vollzuges (1) Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden. (2) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken. (3) Der Vollzug ist darauf auszurichten, daß er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern. Schrifttum Arloth Der Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG: Gestaltungsprinzip oder Leerformel? in: ZfStrVo 1987, 3 2 8 f f ; Bemmann Uber den Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG, in: Küper u. a. (Hrsg.), FS für Karl Lackner zum 70. Geb., Berlin 1987,

1047ff; Lesting Normalisierung im Strafvollzug, Pfaffenweiler 1988;

Schüler-Springorum

Strafvollzug und Strafvollzugsgesetz, in: Kaufmann u. a. (Hrsg.), FS für Bockelmann zum 70. Geb., München 1979, 869ff.

Übersicht Rdn.

Rdn. I. Allgemeine Hinweise Zur Rangordnung der tungsgrundsätze

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Gestal1-2

II. Erläuterungen 1. Angleichungsgrundsatz. . . a) Stellung im Gesetz . . .

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3-13 3-10 3

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Gestaltung des Vollzuges Rdn. b) Schwierigkeiten bei der Anwendung 4-9 c) Nachrangigkeit dieses Grundsatzes 10 2. Gegensteuerungsgrundsatz. . 11 — 12 3. Integrationsgrundsatz . . . . 13

Rdn. III. Beispiel Besondere Oberbekleidung für die Freizeit (Auslegung des § 20 Abs. 1 unter Berücksichtigung des Angleichungs- und des Gegensteuerungsgrundsatzes). . . .

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I. Allgemeine Hinweise Der Gesetzgeber hat drei Gestaltungsgrundsätze des Vollzugs aufgestellt, 1 den „Angleichungs-" (Rdn. 3 ff), den „Gegensteuerungs-" (Rdn. 11 f) und den „Integrationsgrundsatz" (Rdn. 13). Die einprägsamen Bezeichnungen stammen von Calliess/Müller-Dietz (Rdn. 3, 5, 7). Sie sollen einmal den Ausbau und die Organisation des Vollzuges der Freiheitsstrafe insgesamt bestimmen und zweitens stets dann bedacht werden, wenn bei der Entscheidung in einem Einzelfall Raum für die Ausübung von Ermessen bleibt oder ein Beurteilungsspielraum gegeben ist. Einmal wendet sich die Vorschrift an die Aufsichtsbehörden und die Länderparlamente, dann sind aber auch der Anstaltsleiter und jeder Bedienstete des Strafvollzugs angesprochen, die ihr tägliches Handeln an diesen Grundsätzen ausrichten sollen. Es ist aber nötig, das Verhältnis der Gestaltungsgrundsätze zu den in § 2 2 festgestellten Aufgaben des Vollzuges und zueinander zu bestimmen. Was das Vollzugsziel (näher § 2 Rdn. 10 ff) angeht, so lassen sich ihm alle drei Gestaltungsgrundsätze nutzbar machen. Allerdings genügt ihre Beachtung in der Regel nicht, um das Vollzugsziel zu erreichen. Wenn nach dem Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 35, 235) „dem Gefangenen Fähigkeiten und Willen zu verantwortlicher Lebensführung vermittelt werden" sollen, „er es lernen soll, sich unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft ohne Rechtsbruch zu behaupten, ihre Chancen wahrzunehmen und ihre Risiken zu bestehen", dann ist es unmittelbar einleuchtend, daß ein solcher Lernprozeß, der oft eine langfristige Fehlentwicklung des Insassen berücksichtigen und „umkehren" muß, nicht mit Angleichung und Gegensteuerung bestritten werden kann. Dabei sind die Beachtung des Gegensteuerungs- und des Integrationsgrundsatzes notwendig, aber nicht ausreichend. Der Angleichungsgrundsatz wird zudem nur umsichtig angewendet werden können. Die in § 2 Satz 2 genannte Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten des Gefangenen zu schützen (Einzelheiten § 2 Rdn. 15 ff), kann durch die Gestaltungsgrundsätze nicht erfüllt werden. Zwar ist vor der in der Praxis mitunter anzutreffenden Auffassung zu warnen, daß alles, was die Belange des einzelnen Insassen berücksichtige, die Sicherheit gefährde, aber der Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten während des Vollzugs erfolgt eben im wesentlichen durch — notwendigerweise nicht frei von Mißtrauen zu leistende — Beobachtung und Einsperrung. Aber auch der Erreichung des Vollzugsziels Alexander Böhm

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

steht der Angleichungsgrundsatz im Einzelfall entgegen, nämlich dann, wenn der Verurteilte — wie vielleicht sein Scheitern und Straffälligwerden gezeigt haben — den „allgemeinen Lebensverhältnissen" (noch) nicht gewachsen ist und den in der Vollzugsanstalt geschaffenen künstlichen „Schonraum" für erste Lernschritte benötigt. Das wird vor allem bei der Organisation von schulischer und beruflicher Ausbildung (vgl. Quensel ZfStrVo 1981, 277) zu bedenken sein, die — gerade im Gegensatz zu der den allgemeinen Lebensverhältnissen entsprechenden —, soll sie Erfolg haben, besonders die durch enttäuschende Vorerfahrungen und mangelndes Selbstvertrauen des Insassen entstandene Lage berücksichtigen muß. Nicht ohne Grund hat die Jugendstrafvollzugskommission deshalb den „Angleichungsgrundsatz" in ihren Grundsatzvorstellungen überhaupt nicht erwähnt, sondern auf die Notwendigkeit einer besonderen, in Inhalten und Methoden gerade von der den allgemeinen Lebensverhältnissen entsprechenden Ausbildung abweichenden Vollzugspädagogik hingewiesen (Schlußbericht 1980, S. 15, 28, 30). Auch der Gegensteuerungsgrundsatz macht mitunter ein Abweichen von dem im allgemeinen Leben Üblichen notwendig. Eine unkontrollierte und unbeobachtete Kommunikation der Insassen ist oft nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern auch deswegen unangebracht, weil der Außenseiter in der Gefangenengruppe gequält oder ausgenützt wird (vgl. z. B. Fleck ZfStrVo 1985, 269ff, 272, 273; Fleck/Ringelhann ZfStrVo 1986, 300, 301). Der Angleichungsgrundsatz wird also nur dann herangezogen werden dürfen, wenn seine Verwirklichung im allgemeinen oder im Einzelfall weder dem Vollzugsziel noch der Aufgabe, die Allgemeinheit vor Straftaten zu schützen, entgegenläuft und wenn sie sich mit dem Gebot des Gegensteuerungsgrundsatzes vereinbaren läßt.

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II. Erläuterungen 1 a) Der „Angleichungsgrundsatz" ist zwar in § 3 als erster Grundsatz erwähnt und scheint dadurch besonders hervorgehoben. Schiiler-Springorum aaO 879 weist ihm auch entscheidende Bedeutung für die Erreichung des Vollzugsziels zu (ähnlich: Lesting aaO 57; Bemmann aaO 1047; AK-Feest Rdn. 4). Dem ist aber aus den oben (Rdn. 2) erwähnten Gründen nicht ohne weiteres zu folgen (zutr.: Arloth ZfStrVo 1987, 330; ähnlich Schöch in: Kaiser/Kerner/Schöch, § 5 Rdn. 27). Auch in der Praxis hat der Grundsatz nur geringere Bedeutung erlangt, zu Recht. b) Der Grundsatz ist nicht eindeutig. Offenbar wollte der Gesetzgeber den im Vollzug der Freiheitsstrafe entwickelten, teilweise aus der Rechtlosigkeit oder doch beschränkten Rechtsstellung des Insassen überkommenen, teilweise aus organisatorischen oder auch aus früheren Vollzugsprinzipien ableitbaren sterilen Eigenheiten des Gefängnislebens Einhalt gebieten. Beispiele dafür sind der „gute Gefangene", der niemals widerspricht und in seinen Haftraum Muster bohnert, oder auch die Ausgabe der Abendkost aus „organisatorischen Gründen" um 70

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§3

Gestaltung des Vollzuges

11.30 Uhr ( L G Hamburg ZfStrVo SH 1978, 22). Auch die anderen Erscheinungsformen der „totalen Organisation" wären demnach zu vermeiden oder zu mildern, etwa die restlos durchorganisierte Versorgung und der extrem aufgegliederte Tagesablauf, in dem für Möglichkeiten individueller Entfaltung des Insassen kein Raum bleibt. Freilich entspricht diese notwendige Veränderung und Entwicklung des Vollzuges auch dem Gegensteuerungsgrundsatz (Rdn. 11 f). Der Angleichungsgrundsatz wäre, legte man ihn so aus, ein Unterfall des gesetzgeberischen Auftrags, schädlichen Einflüssen des Strafvollzugs gegenzusteuern. Der Gesetzgeber könnte auch an die Minima, die Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen — Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarats über die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze vom 12. 2.1987 —, gedacht haben, wo nach Nr. 64 „die Haftbedingungen und Vollzugsformen die damit" (gemeint ist der Freiheitsentzug) "zwangsläufig verbundenen Leiden nicht verstärken" dürfen, „es sei denn, die Aufrechterhaltung der Disziplin oder eine gerechtfertigte Absonderung erfordern dies". Dort ist (Nr. 65) weiter bestimmt, es müsse sichergestellt sein, „daß die Lebensbedingungen mit der Menschenwürde vereinbar und mit der allgemein anerkannten Norm der Gesellschaft vergleichbar sind" und „die schädlichen Wirkungen des Vollzugs und die Unterschiede zwischen dem Leben im Vollzug und in der Freiheit, welche die Selbstachtung oder die Eigenverantwortung des Gefangenen beeinträchtigen können, auf ein Mindestmaß herabgesetzt werden". Eine Auslegung des § 3 Abs. 1 im Sinne dieser Grundsätze dürfte am ehesten sachgerecht sein. Dem so verstandenen Angleichungsgrundsatz würden die Unterbringung in einem Raum, mit zum Wohn- und Schlafteil unabgetrenntem W C , für den zentral das Licht ein- und ausgeschaltet wird, das kleinliche Verbot des Besitzes eigener Sachen (Beispiel etwa O L G Koblenz ZfStrVo SH 1979, 85; O L G Celle BIStV 1982, H. 2, S. 2 und ZfStrVo 1983, 181), die Möglichkeit, jederzeit die Durchsuchung und dabei das Durcheinanderwerfen der eigenen Sachen erdulden zu müssen, und das Fehlen jeder Privatsphäre widersprechen (§ 19 Rdn. 3f). Ihm entspricht es, das bei Zulassung eines Rundfunkgerätes mit UKW-Empfangsbereich oder eines C D Players „verbleibende Sicherheitsrisiko, das sich nur als eine allgemeine Befürchtung darstellt, zugunsten einer den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichenen Informationsmöglichkeit hinzunehmen" ( O L G Frankfurt 14.11.1979 - 3 Ws 331/78 und ZfStrVo 1989, 245 = NStZ 1989, 343; § 69 Rdn. 5; § 81 Rdn. 10). Die Bediensteten dürfen (ja müssen) jederzeit die Hafträume betreten. Soweit entschieden worden ist (LG Bielefeld NStZ 1986, 189 = ZfStrVo 1987, 368 für den offenen Vollzug; anders - kein Anklopfen erforderlich — für den geschlossenen Vollzug: L G Trier ZfStrVo 1987, 303), vor Betreten des Haftraums müsse der Bedienstete anklopfen, wird doch zugleich festgestellt, er brauche keine Antwort abwarten, sondern dürfe unmittelbar danach eintreten, womit auch überraschende Haftraumkontrollen möglich blieben. In Wahrheit geht es hier nicht um „Angleichung" (woran?), sondern um die Frage, wieweit unter den besonderen Bedingungen des Vollzugs die Menschenwürde des Gefangenen Alexander Böhm

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§3

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

im Umgang mit ihm zu achten ist. Hier ist gewiß noch manches verbesserungsbedürftig (vgl. zum Verhängen des Sichtspions: O L G Hamm ZfStrVo 1987, 368 und § 4 Rdn. 24). 5

Wer die Normalisierung des Vollzugs als Angleichung an die allgemeinen Lebensverhältnisse betrachtet, den Grundsatz also über die in Rdn. 4 dargestellten Bereiche ausdehnt, gerät in Schwierigkeiten. 6 So falsch es ist, auf ein weltfremdes Gefängnisleben vorzubereiten, so verhängnisvoll kann es sein, den Insassen immer wieder in ihn überfordernde, zwar den allgemeinen Lebensverhältnissen entsprechende, von ihm aber noch nicht zu bewältigende Situationen zu stellen, in denen er versagt, was ihm zum Vorwurf gemacht wird und der Abstempelung dient, resozialisierungsunfähig oder -unwillig zu sein.

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Manche Insassen leben in ausgesprochen kriminogenen allgemeinen Lebensverhältnissen. Diese sind etwa gekennzeichnet durch unregelmäßige und unqualifizierte Arbeit, mangelnde Planung der Lebensführung, hemmungslose Ausnützung gutmütiger oder eingeschüchterter Bezugspersonen und von Alkoholkonsum begleitetes sinnloses Freizeitverhalten. Niemand kann verlangen, solche „allgemeinen Lebensverhältnisse" im Vollzug der Freiheitsstrafe vorzufinden (OLG München ZfStrVo SH 1979, 67).

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Im Vollzug der Freiheitsstrafe — also während der Unfreiheit und in einer unnatürlichen Lebenssituation — können in den „allgemeinen Lebensverhältnissen" übliche Gewohnheiten und Geschehnisse eine veränderte, ja dem Vollzugsziel zuwider laufende Bedeutung erlangen. So ist das Verbot einer wiederholten Wahl in die Gefangenenvertretung zur „Verhinderung einer durch mehrjährige Tätigkeit immer derselben Personen verursachten schädlichen Einfluß- und Herrschaftsstruktur" für zulässig erachtet worden (LG Koblenz bei Franke NStZ 1981, 249; § 160 Rdn. 10). Freilich gibt es auch „draußen" Vereinssatzungen, die eine Wiederwahl von Vorstandsmitgliedern — freilich aus ganz anderen Gründen — ausschließen. Auch daß die gewählten Gefangenen für in ihre Arbeitszeit fallende Besprechungen das normale Arbeitsentgelt bezahlt bekommen, ist unmittelbar einleuchtend. Aber eine „Angleichung" etwa an Regelungen des Betriebsverfassungs- oder Personalvertretungsrechts kann hierfür ja kaum bemüht werden (LG Mannheim ZfStrVo 1985, 254 mit Anm. Butzke = NStZ 1985, 239).

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Auch die Vergleichsgrößen sind unsicher. Abgesehen von dem den allgemeinen Lebensverhältnissen entgegenstehenden und nie aufzuhebenden Umstand, daß der Haftraum im geschlossenen Vollzug über Nacht und oft über viele Stunden des Tages abgeschlossen ist, bleibt unklar, ob er im übrigen einem Hotelzimmer, einem in einem Privathaushalt gemieteten möblierten — oder teilmöblierten — Zimmer, den Zimmern einer Wohngemeinschaft oder gar der eigenen Familie „anzugleichen" ist. Je nachdem könnten mehr oder weniger eigene Gegenstände eingebracht oder Einrichtungsgegenstände anders angeord72

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§3

Gestaltung des Vollzuges

net werden (Einzelheiten § 19 Rdn. 3 f). Der Grundsatz versagt bei Prüfung der Frage, ob die Tierhaltung in einer Anstalt gestattet werden sollte (OLG Koblenz ZfStrVo 1983, 315; vgl. auch § 70 Rdn. 6), während sich hier mit der Erreichung des Vollzugsziels im Einzelfall und dem Gegensteuerungsgrundsatz argumentieren ließe. Ob ein beschränkt arbeitsfähiger Frührentner der Arbeitspflicht nach § 41 unterliegt, läßt sich eher aus dem Zweck der Arbeitspflicht, die auf diesen Personenkreis möglicherweise nicht zugeschnitten ist, als aus dem Angleichungsgrundsatz (so aber O L G Frankfun ZfStrVo 1985, 315 = NStZ 1985, 429 mit krit. Anm. Müller-Dietz) herleiten. Und was besagt dieser Grundsatz für oder gegen die Gleichbehandlung arbeitender und unverschuldet nicht arbeitender Gefangener beim Einkauf ( O L G Frankfurt ZfStrVo 1986, 58)? c) Die Einschränkung „soweit möglich" und „soll" ist offenbar eingeführt 1 0 worden, damit Insassen aus dem Grundsatz nicht unmittelbar Rechte herleiten können (BT-Drucksache 7/3998, 6). Als Grundsatz, der die Ausübung von Ermessen bei einer Einzelfallentscheidung beeinflußt, muß der Angleichungsgrundsatz aber auch in seiner eingeschränkten Formulierung beachtet werden. Da der Insasse Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hat (gerichtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung § 115 Rdn. 19f), kann er im Ergebnis aus dem Angleichungsgrundsatz ebenso — mittelbar — Rechte herleiten wie aus den anderen Vollzugsgrundsätzen. Auch die Einschränkung „soweit möglich" betrifft alle Vollzugsgrundsätze, und mit dieser Einschränkung sind nicht nur die durch die Sicherheitsaufgabe gezogenen Grenzen gemeint (so offenbar Calliess/Müller-Dietz Rdn. 4) — der Sicherungsaufgabe muß ja sogar das Vollzugsziel Tribut zollen —, sondern auch die finanziellen und personellen (zu Kriterien der vorzunehmenden Abwägung der Interessen: O L G Koblenz ZfStrVo 1987, 246) Möglichkeiten der Vollzugsbehörde. Die gerade für den Angleichungsgrundsatz gewählte vorsichtige Formulierung weist deshalb auf seine Nachrangigkeit hinter den anderen Grundsätzen und auf die dargestellte Schwierigkeit, seine jeweiligen Forderungen verläßlich zu bestimmen, hin. 2. Der Gegensteuerungsgrundsatz ist in der Praxis das wichtigste Prinzip. 11 Er hat auch für die Insassen Bedeutung, für die das Vollzugsziel nicht verwirklicht werden muß oder kann (§ 2 Rdn. 2). „Schädlich" sind Wirkungen des Freiheitsentzugs, die die Erreichung des Vollzugsziels (§ 2 Rdn. 10 ff) behindern, aber auch Wirkungen, die die Lebensmöglichkeiten der bereits zu Beginn der Haft Eingegliederten verschlechtern. Zu denken ist an das Verlernen beruflicher Fähigkeiten, das Nicht-auf-dem-laufenden-Bleiben, Verlust oder Lockerung menschlicher Beziehungen, Nichtwahrnehmung von Rechten und Verdienstmöglichkeiten. Deshalb ist bei der Zuweisung von Arbeit und Ausbildung auf Kenntnisse und Fähigkeiten zu achten (§ 37 Rdn. 13), sind Weiterbildungsmöglichkeiten zu gewähren (§ 37 Rdn. 16), sind die Kontakte mit der Außenwelt zu pflegen (z. B. §§ 10 ff; §§ 23 ff) und ist der Gefangene in seinen persönlichen und geschäftlichen Angelegenheiten zu beraten. Zur Konkretisierung der Beratung Alexander Böhm

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§3

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

vgl. insb. § 74. In allen diesen Punkten überschneidet sich der Gegensteuerungsgrundsatz mit dem Integrationsgrundsatz. 12

A b e r der Vollzug der Freiheitsstrafe hat noch ganz typische Gefahren. Sie werden in der vollzugskundlichen Wissenschaft mit den Schlagworten „ P r i s o n i s i e r u n g " und (negative) „ S u b k u l t u r " (vgl. z . B . Weis in: Schwind/Blau 2 3 9 f f ) umschrieben. D e r Vorgang der Prisonisierung, vor allem an den Einlieferungsprozeduren beschrieben, geht mit dem Verlust von Selbstwertgefühl einher; der Gefangene fühlt sich als O b j e k t , nicht oder gering geachtet, weniger wertvoll. Der Insasse gerät in ein System totaler Versorgung (Rdn. 4), in dem ihm keine Eigenbetätigung mehr möglich ist. D i e Folge dieser totalen Versorgung ist unter anderem das Verlernen, für die eigenen D i n g e Verantwortung zu tragen. Gegensteuerung fordert eine Vollzugsentwicklung, in der der Insasse (oder die Insassengruppe) für Versorgung und Pflege der Person und der eigenen Sachen verantwortlich ist, w o nicht jeden Tag alles geregelt wird, w o der Insasse selbst bestimmt, wann und wie oft er sich reinigt, seine Kleider pflegt, seine Wäsche wechselt und an Wochenenden ißt (z. B . ) und wie die dafür bereitstehenden Mittel zu verwenden sind. In seinen Angelegenheiten soll er beraten werden, aber in einer Weise, daß er die Dinge selbst zu erledigen lernt und nicht bequem auf andere abschieben kann. Bei längeren Strafen kann auch eine Illusionsbildung eintreten. E s geht in der genauen O r d n u n g alles gut. D e r Gefangene meint, dann würden auch draußen wohl keine Probleme auftreten. Vollzugslockerungen und Verlegung in den offenen Vollzug dienen deshalb auch der Gegensteuerung ( O L G Celle ZfStrVo 1986, 114). Irrig ist die Vorstellung (AK-Feest R d n . 14, auch R d n . 18 vor § 2), es sei ein Ausfluß des Gegenwirkungsgrundsatzes, den G e fangenen schnell zu entlassen. Deshalb sei der Gefangene auf alle Möglichkeiten, eine Haftverkürzung herbeizuführen, hinzuweisen. D e n n der Freiheitsentzug (und seine Dauer) sind nicht auch zugleich dessen schädliche Wirkung. Kritiker der Freiheitsstrafe mögen zwar ihre A b s c h a f f u n g fordern und ihre generelle Schädlichkeit behaupten, das StVollzG geht aber ersichtlich davon aus, daß die Freiheitsstrafe zur Erreichung des Vollzugsziels geeignet und erforderlich — und damit nicht nur z u m Schutz der Allgemeinheit vor dem Täter notwendig, sondern auch zu dessen Resozialisierung nützlich — sein kann (§ 2 R d n . 12). D a sie neben solchen nützlichen auch schädliche Wirkungen hat (wie etwa die Nebenwirkungen eines Medikaments), sind diese zu bekämpfen, aber eben nicht der Freiheitsstrafvollzug an sich. D a ß im übrigen der Insasse auf alle seine Möglichkeiten, vorzeitig entlassen zu werden, hingewiesen werden muß, folgt aus allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen. Keine Behörde darf die Unkenntnis eines Bürgers über seine Rechte ausnützen. D e r Insasse muß deshalb auch dann auf Möglichkeiten, etwa die Strafzeit durch einen Antrag auf nachträgliche Gesamtstrafenbildung zu verkürzen, hingewiesen werden, wenn man die dadurch erreichte Verkürzung der Strafzeit für ausgesprochen schädlich hält. 74

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§4

Stellung des Gefangenen

3. Der Integrationsgrundsatz deckt sich auf der einen Seite mit dem Voll- 1 3 zugsziel. Er bedeutet aber darüber hinaus, daß auch der bereits Eingegliederte oder der anscheinend nicht Eingliederungswillige der Hilfen bedarf, sich nach der Haft wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Diese Hilfen sind von Beginn der Haft an, nicht erst gegen deren Ende, zu leisten ( O L G Hamm ZfStrVo 1985, 373 = NStZ 1985, 573). Der Freiheitsentzug ist notwendigerweise eine „Ausgliederung" auf Zeit, die möglichst reibungslos wieder in die Freiheit übergeleitet werden muß. Es ist deshalb auch nur folgerichtig, daß für jede Freiheitsentziehung die Vollzugsgrundsätze gelten, unabhängig vom Vollzugsziel (Beispiel: Zivilhaft § 171; dort Rdn. 4).

III. Beispiel In einer Anstalt bekommen die Strafgefangenen zwei Arbeitsanzüge („Blau- 1 4 mann"), von denen sie einen für die Arbeit, den anderen als Oberbekleidung für die Freizeit verwenden sollen. Nach dem O L G Celle (ZfStrVo SH 1978, 20) widerspricht diese Form der Berücksichtigung des § 20 Abs. 1, wonach der Gefangene für die Freizeit eine besondere Oberbekleidung erhalten soll, dem Angleichungsgrundsatz. Besondere Oberbekleidung sei nicht schlicht eine weitere Garnitur, sondern eine auch im Schnitt und der Art andere Garnitur, weil dies so auch in den allgemeinen Lebensverhältnissen üblich sei. Die Entscheidung ist richtig, wenngleich es den allgemeinen Lebensverhältnissen sicher nicht entspricht, daß sich die Insassen für ihre Freizeit gleichmäßig kleiden. Da sie dies (der Gefangene trägt Anstaltskleidung) tun müssen, könnte man durchaus auch die Auffassung vertreten, es sei nun auch gleichgültig, ob sich die Arbeits- von der Freizeitkleidung unterscheide, wenn sie nur zweckmäßig sei (s. auch Rdn. 2 zu § 20). Die Entscheidung kann auch mit dem Gegensteuerungsgrundsatz (Erhaltung des Selbstwertgefühls des Gefangenen) gerechtfertigt werden (Schöch Vollzugsrechtsfall Rdn. 23 in: Kaiser/Schöch (Hrsg.), Kriminologie. Jugendstrafrecht. Strafvollzug, 3. Aufl., München 1987).

§4 Stellung des Gefangenen (1) Der Gefangene wirkt an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit. Seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern. (2) Der Gefangene unterliegt den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen seiner Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihm nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerläßlich sind. Alexander Böhm

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§4

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

Schrifttum FrankeVom Behandlungsvollzug zum Rechtsvollzug? in: BIStV 1981, H. 1, S. 1 ff;Jung Behandlung als Rechtsbegriff, in: ZfStrVo 1987, 38 ff; Mey Zum Begriff der Behandlung im Strafvollzugsgesetz, in: ZfStrVo 1987, 42 ff; Müller-Dietz Grundfragen des strafrechtlichen Sanktionensystems, Heidelberg/Hamburg 1979, 130 ff; Müller-Dietz Die Rechtsprechung der Strafvollstreckungskammern zur Rechtsgültigkeit der WStVollzG, in: NStZ 1981, 409 ff; Müller-Dietz Zehn Jahre Strafvollzugsgesetz — Bilanz und Perspektiven, in: BewHi 1986, 259ff; Schwind Strafvollzug in der Konsolidierungsphase, in: ZfStrVo 1988, 259 ff. Übersicht

I. Allgemeine Hinweise Status des Gefangenen II. Erläuterungen 1. Integrationsstatus (Abs. 1) . . a) Mitwirkungspflicht des Gefangenen nur in dem durch besondere gesetzliche Regelung bestimmten Umfang b) Keine weitergehende Mitwirkungspflicht des Gefangenen. Aber Pflicht der Vollzugsbehörde zur Motivation des Gefangenen . . c) Auswirkungen der Mitwirkungsbereitschaft auf Vollzugsentscheidungen . . . . d) Anspruch des Gefangenen auf resozialisierende Behandlung 2. Abwehrstatus (Abs. 2) . . . . a) Rechtsbeschränkungen nur kraft Gesetzes zulässig . . b) Keine zusätzlichen Be-

Rdn.

Rdn. 1 2—25 2 — 11

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schränkungen durch W erlaubt aa) Zur Entstehung der W bb) Einzelfall und Vereinheitlichung cc) Selbstbindung der Verwaltung c) Rechtsbeschränkungen durch die Generalklausel (Abs. 2 Satz 2) aa) Begriff der „Sicherheit" in Abs. 2 Satz 2 bb) Enge Auslegung der Klausel. Subsidiarität. Erfordernis der „Unerläßlichkeit" 3. Besonderheiten bei Grundrechtseinschränkungen . . . . III. Beispiel Tragen eines Lichtbildausweises an der Jacke kann nicht nach § 4 Abs. 2 Satz 2 angeordnet werden

14-18 15 16—17 18

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I. Allgemeine Hinweise 1

Wie das BVerfG wiederholt festgestellt hat, ist auch der Strafgefangene ein Bürger, für den die Rechtsgarantien des Grundgesetzes gelten. Er ist in seinen Grundrechten nur soweit beschränkbar, als dies die Verfassung in der F o r m und in der Sache erlaubt ( B V e r f G E 33, 1 f f ; 40, 276). D i e ihm aufgrund erlittener Benachteiligungen nach dem Sozialstaatsprinzip geschuldete resozialisierende Behandlung ( B V e r f G E 35, 202, 235) kann zwar auch zur Beschränkung von Rechten führen, ist aber keine „ G e h i r n w ä s c h e " oder "Zwangsbehandlung", die der Verurteilte in einer Objektstellung zu erdulden hätte, sondern bezieht den Gefangenen als zu informierende ( O L G H a m m ZfStrVo 1985, 51 = N S t Z 1985, 47), zu beteiligende und zu aktivierende Person positiv ein. D a m i t sind der 76

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§4

Stellung des Gefangenen

„Abwehrstatus" (Rdn. 12 ff) des Gefangenen (Grenzen der Eingriffe in seine Rechte) und der „Integrationsstatus" (Stellung des Insassen im Behandlungsprozeß, Rdn. 2 ff) umschrieben (Würtenberger Kriminalpolitik im sozialen Rechtsstaat, Stuttgart 1970, 223; Calliess/Müller-Dietz Rdn. 1).

II. Erläuterungen 1. Der „Integrationsstatus" des Gefangenen ist in Abs. 1 behandelt. 2 a) Im Strafvollzug befindet sich der Gefangene nicht freiwillig. Es handelt sich um ein Zwangssystem, das den Gefangenen für die Dauer des Freiheitsentzugs in vielerlei Weise in seiner Handlungsfreiheit einengt. Diese Einengungen haben ihre Gründe in der Sicherung des Gewahrsams und des Lebens und der Gesundheit der in der Anstalt befindlichen Menschen (Sicherheit der Anstalt), in der Notwendigkeit, das Zusammenleben in der Anstalt einigermaßen erträglich zu organisieren (Ordnung der Anstalt; § 81 Rdn. 7), in der Verpflichtung, während des Vollzugs der Freiheitsstrafe die Allgemeinheit vor Straftaten des Insassen zu schützen (Aufgabe des Vollzuges nach § 2 Satz 2; § 2 Rdn. 15ff), aber auch in der Vorstellung, im Vollzug Verhältnisse zu schaffen, die die Erreichung des Vollzugsziels (§ 2 Rdn. 10 ff) ermöglichen. Rechtsbeschränkungen aus diesem zuletzt genannten Grund sind nicht nur 3 zulässig, sondern für einen geordneten Strafvollzug unerläßlich (BVerfGE 40, 276). Er kann „nicht nur Ansprüche des Gefangenen begründen, sondern unter Umständen auch grundrechtsbeschränkende Maßnahmen rechtfertigen, die erforderlich sind, um die inneren Voraussetzungen für eine spätere straffreie Lebensführung des Gefangenen zu fördern" (S. 284, 285) (§ 68 Rdn. 12). Im StVollzG finden sich deshalb an vielen Stellen Hinweise darauf, daß dem Gefangenen Beschränkungen in seinen Rechten auch auferlegt werden, um das Vollzugsziel nicht zu gefährden oder die Eingliederung der Insassen nicht zu behindern (§ 25 Nr. 2; § 27 Abs. 1; § 28 Abs. 2 Nr. 2; § 29 Abs. 3; § 31 Abs. 1 Nr. 1; § 34 Abs. 1 Nr. 2; § 68 Abs. 2 Satz 2; § 70 Abs. 2 Nr. 2; vgl. auch Müller-Dietz JuS 1976, 88, 91). Aus Gründen der Behandlung kann der Anstaltsleiter dem Gefangenen bei der Gewährung von Lockerungen Weisungen erteilen (§ 14). Der Gefangene ist mindestens auch deshalb, weil dies zur Erreichung des Vollzugsziels für notwendig gehalten wird, in der Anstalt zur Arbeit verpflichtet (§ 41). In diesem durch das Gesetz in Einzelbestimmungen gezogenen Umfang trifft den Gefangenen eine Mitwirkungspflicht an seiner Behandlung (Rdn. 6) in dem Sinne, daß er die im Einzelfall angeordneten Beschränkungen zu dulden, der Arbeitspflicht und den Weisungen nach § 14 nachzukommen hat. Lehnt er sich gegen diese Beschränkungen auf, so handelt er gegen seine Pflichten und setzt sich — schuldhaftes Verhalten vorausgesetzt — disziplinarischer Zurechtweisung aus (§§ 102 ff). Die Befürchtung, daß ein solcher Zwang entgegen dem Ziel des Vollzuges nur einen „guten Gefangenen" schaffe, der für die Freiheit nicht tauge (Calliess/Müller-Dietz Rdn. 3, 4; ganz ablehnend auch AK-Feest Alexander Böhm

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

Rdn. 19 vor § 2), erscheint nicht begründet. Ist schon der Entzug der Freiheit oft notwendig, um das „Schonklima" (§ 2 Rdn. 12) für die erforderlichen Lernschritte zu schaffen, so ist auch der zwangsweise Ausschluß besonderer Gefährdungen unerläßlich, freilich nicht ausreichend, um das Vollzugsziel zu erreichen ( O L G Bamberg 1.10.1981 - Ws 491/81). Auf eine solche zwangsweise Ausgestaltung des Vollzuges könnte nur verzichtet werden, wenn die Gefährdungen durch Gespräche in einem „therapeutischen" Wohngruppenvollzug aufgearbeitet würden. Diese Entwicklung ist anzustreben (vgl. auch Rdn. 2 zu § 102). 4

b) Jenseits der ausdrücklichen Regelungen des Gesetzes, die gewissermaßen den dem Gesetzgeber unverzichtbar erscheinenden Behandlungsrahmen darstellen, besteht aber für den Gefangenen keine Pflicht, an seiner Behandlung mitzuwirken (Calliess 50; O L G Celle ZfStrVo 1985, 374). Daß der Gefangene „mitwirkt", ist vielmehr der Wunsch des Gesetzgebers, denn die Mitwirkung ist zur Erreichung des Vollzugsziels notwendig. Wie sich aus Satz 2 ergibt, geht der Gesetzgeber aber — und damit wird eine Erfahrung aus dem Vollzugsalltag berücksichtigt — nicht davon aus, daß der Gefangene vom Beginn des Vollzugs an bereit ist, an der Gestaltung seiner Behandlung (Rdn. 6) und an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuwirken. Deshalb muß seine Bereitschaft hierzu geweckt und, ist sie erst einmal in Ansätzen vorhanden, ständig gefördert werden (zur Motivierung auch § 2 Rdn. 11). Das Einsetzen einer resozialisierenden Behandlung ist also nicht von der Mitwirkung oder Zustimmung des Gefangenen abhängig. Der Gefangene hat kein Recht darauf, sich den resozialisierenden Maßnahmen im Vollzug zu entziehen. Das Recht, gegen Absitzen der Strafzeit ein Verbrecher bleiben zu dürfen, in Ruhe gelassen zu werden, neue Kräfte für einen antisozialen Lebenswandel zu sammeln, besteht nicht (Müller-Dietz Grundfragen des strafrechtlichen Sanktionensystems 149, 155). Deshalb muß die Behandlungsuntersuchung (§ 6) und die Erstellung, Durchführung und Fortschreibung des Vollzugsplans (§ 7) immer stattfinden, und zwar auch bei jenem Gefangenen, der seine Mitwirkung völlig verweigert. Und es ist rechtswidrig, den Gefangenen in eine Arbeit, eine Wohngruppe oder eine Maßnahme der Weiterbildung einzuteilen, die nach der Erkenntnis der Vollzugsbehörde der Erreichung des Vollzugsziels schadet (etwa Gemeinsamkeit mit anderen Insassen, die aufeinander einen schlechten Einfluß haben können), auch und gerade dann, wenn der Gefangene diese Gestaltung seiner Behandlung will. Die Verantwortung für die Erreichung des Vollzugsziels und die Gestaltung der Behandlung liegt bei der Vollzugsbehörde. Sie besteht unabhängig von der Bereitschaft oder Fähigkeit des Gefangenen, sich zu beteiligen. Vgl. so zur Mitwirkung bei der Behandlungsuntersuchung § 6 Rdn. 12.

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Behandlung ist nicht nur mit Zustimmung des zu Behandelnden auf der Ebene der Freiwilligkeit möglich. Menschen bewähren sich, leben und lernen seit eh und je in Situationen und unter Bedingungen, die sie nicht ausgewählt haben und in die sie unwillentlich geraten (Grunau/Tiesler Rdn. 1). Widerstand und Unlust 78

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§4

Stellung des Gefangenen

von Gefangenen beruhen oft auf eingeschliffenen Verhaltenstechniken, die der Lebensbewältigung dienen (Calliess/Müller-Dietz Rdn. 5), auch auf angesichts unangenehmer Vorerfahrungen durchaus nachzuempfindendem Mißtrauen, werden aber auch überhaupt bei erheblich straffällig gewordenen Personen häufig festgestellt (Göppinger, Angewandte Kriminologie, Berlin 1985, 104,105). Mit Zustimmung und Bereitschaft zu resozialisierenden Maßnahmen wird man daher anfangs oft nicht rechnen dürfen. Sie werden deshalb für den Behandlungsprozeß richtigerweise nicht vorausgesetzt, in seinem Verlauf aber angestrebt. Dabei gibt es Behandlungsmaßnahmen, die ohne Zustimmung, ja gegen den Willen des Gefangenen begonnen werden, und andere, die notwendigerweise sein Einverständnis, mindestens eine Art Duldung, voraussetzen. So ist der Einsatz des Gefangenen in der Anstaltsschreinerei, der zur Erreichung des Vollzugsziels sinnvoll erscheint, auch ohne seine Zustimmung zulässig, ja vielleicht geboten (Einzelheiten bei § 41). Das Eingehen eines Ausbildungsverhältnisses in der Schreinerwerkstatt bedarf aber der Zustimmung des Gefangenen, wobei in vielen Fällen die Bereitschaft zur Mitarbeit im Laufe der Zeit entsteht und wächst. Der zunächst widerwillig in der Schreinerei Tätige findet Gefallen an der Arbeit, Sympathie für den Meister und erkennt zugleich, daß ihm der erwünschte und bequeme Job in der Hofkolonne ohnehin konsequent verweigert wird. Weiteres § 37 Rdn. 18. Behandlung bedeutet jede Art von Einflußnahme und Tätigkeit, die mit dem 6 Ziel stattfindet, den Gefangenen auf die Zeit nach der Entlassung aus der Haft vorzubereiten, die Fähigkeiten, Fertigkeiten und den Willen zu stärken trachtet, ein Leben ohne Straftaten in sozialer Verantwortung zu führen, die den schädlichen Wirkungen des Freiheitsentzuges gegensteuert und hilft, den Insassen in das freie Leben wieder einzugliedern {Calliess/Müller-Dietz Rdn. 6). Dazu gehören die Art des Umgangs der Bediensteten mit dem Gefangenen (Lob, Tadel, Gespräche, Hilfsangebote), die Unterbringung, die Arbeit, die Aus- und Weiterbildung, das Freizeitangebot, die Lockerungen, die Förderung der Außenkontakte, die Entlassungsvorbereitungen, aber auch Therapie im engeren Sinne, wie Gesprächstherapie, Gruppentherapie und medizinische Behandlung (im einzelnen: Jung ZfStrVo 1987, 39, 40; Mey ZfStrVo 1987, 42). Die Fähigkeit und Bereitschaft des Insassen zur Mitwirkung zu wecken und 7 zu fördern, ist eine der wichtigsten Pflichten aller Vollzugsbediensteten. Die Erfahrung lehrt, daß die Bereitschaft des Insassen nicht kontinuierlich wächst, sondern Schwankungen unterliegt, so daß immer wieder von neuem Motivationsarbeit zu leisten ist (§ 2 Rdn. 11). Die Erfahrung lehrt auch, daß es nie zu spät ist, d. h., daß auch bei scheinbar hoffnungslos verstockten Insassen durch geduldige und einfühlsame Beharrlichkeit die Bereitschaft zur Mitwirkung am Vollzugsziel zu erreichen ist. Auch mit den Bezugspersonen des Insassen empfiehlt es sich insoweit zusammenzuarbeiten. Die Motivationsarbeit darf nicht dem Sozialdienst überlassen sein, sie ist Sache aller Bediensteten an allen Stellen, Alexander Böhm

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

die Hand in Hand arbeiten müssen. Der Umstand, daß es Vollzugsanstalten gibt, bei denen bei durchaus ähnlicher Insassenschaft der Anteil der Insassen, die sich etwa einer dem Vollzugsziel dienlichen Ausbildung unterziehen, extrem unterschiedlich ist, beweist, daß die Fragen der Mitarbeit der Insassen, der Resozialisierungsfähig- und Willigkeit in erheblichem Maße von der Motivierungsarbeit der Bediensteten und der Art und Weise der gemachten Angebote abhängen. Viel zu rasch wird oft der Versuch eingestellt, die Bereitschaft Gefangener, an ihrer Behandlung mitzuwirken, zu wecken und zu fördern. Viel zu schnell wird der Insasse als „unwillig" und „unfähig" eingeordnet, statt zu bedenken, ob denn das Behandlungsangebot für den Insassen nach seiner ganzen bisherigen Entwicklung und seiner gegenwärtigen Verfassung zumutbar und brauchbar ist. Das spricht auch dagegen, von dem Begriff „Behandlung" abzugehen, und (nur) „Chancen" zu eröffnen (so aber Eyrich BlStV 1986, H. 2, S. 1; Meyer ZfStrVo 1987, 9; Schwind ZfStrVo 1988, 259 ff, 261; „Vollzugsangebote" AK-Feest Rdn. 3 und Rdn. 5 ff vor § 2; dagegen - wie hier - Schöch in: Kaiser/Kerner/ Schöch § 4 Rdn. 26). Denn viele Gefangene sind ohne geduldige Motivationsarbeit der Bediensteten gar nicht in der Lage, „Chancen" zu nutzen. Es darf auch nicht übersehen werden, daß Behandlungsvorschläge nicht selten mit wirklichen oder vermuteten Nachteilen (weniger Freizeit, geringerer Einkauf, vgl. AK-Feest Rdn. 6) verbunden sind. Dem ist entgegenzuwirken. 8

c) Da eine Rechtspflicht, an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuwirken, dem Gefangenen nicht auferlegt worden ist (Rdn. 4), ist es unzulässig, gegen ihn eine Disziplinarmaßnahme anzuordnen, weil er sich weigert, einen für seine Eingliederung nützlichen Fortbildungskurs zu besuchen oder am group counseling teilzunehmen. Das ist unstreitig. Schwieriger ist schon die Frage zu beantworten, ob die Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsziels bei anderen Vollzugsentscheidungen eine Rolle spielen darf. Für die Gewährung von Vollzugslockerungen bestimmen W Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 zu § 11 ausdrücklich, daß zu berücksichtigen ist, „ob der Gefangene durch sein Verhalten im Vollzug die Bereitschaft gezeigt hat, an der Erreichung des Vollzugszieles mitzuwirken" (§11 Rdn. 20). Die Berücksichtigung dieser Mitarbeit wird von Jung (ZfStrVo 1977, 89) gegen Grunau (DRiZ 1978, 112) richtigerweise für zulässig gehalten. Aber auch bei der Zulassung zu Freizeitgruppen mit begrenzter Teilnahmemöglichkeit und bei der Zuweisung besonders begehrter Arbeitsplätze ist zu bedenken, daß es vielleicht zur Motivationsarbeit gehört, Insassen, die an ihrer Sozialisierung mitwirken, nach Möglichkeit entgegenzukommen (Schöch in: Kaiser/ Kerner/Schöch § 5 Rdn. 25; Müller-Dietz Grundfragen des strafrechtlichen Sanktionensystems 140). Berücksichtigt man aber deren Engagement bei den genannten Entscheidungen positiv, so wirkt sich für den (derzeit) Resozialisierungsunwilligen seine mangelnde Bereitschaft negativ aus.

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Bei der Gewährung von Lockerungen spielt die mangelnde Bereitschaft, an der Resozialisierung (dazu § 2 Rdn. 11 ff) teilzunehmen, insoweit eine Rolle, als 80

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sie die Gefahr begründet, der Insasse werde die Lockerung zur Flucht oder zur Begehung neuer Straftaten mißbrauchen. Das ist zwar nicht zwingend, aber in manchen Fällen wohl kaum von der Hand zu weisen: erachtet man zur Erreichung des Ziels, daß der Verurteilte fähig wird, ein Leben ohne Straftaten zu führen, Maßnahmen für erforderlich, an denen mitzuwirken der Verurteilte sich weigert, dann ist im Augenblick das Ziel nicht erreichbar und die Gefahr künftiger Straftaten gegeben (OLG Karlsruhe ZfStrVo 1985, 245). Das macht die Gewährung der Lockerungen riskanter als bei einem an seiner Resozialisierung mitarbeitenden Insassen. Freilich kann, wenn das Mißbrauchsrisiko angesichts besonderer Umstände verantwortbar erscheint, die Gewährung der Lockerung den resozialisierungsunwilligen Gefangenen vielleicht zu einer positiveren Einstellung hinsichtlich der Erreichung des Vollzugszieles gerade veranlassen; dann ist ein Vertrauensvorschuß durchaus angezeigt (OLG Hamm ZfStrVo 1985, 373 = NStZ 1985, 573). Die von den meisten Insassen erstrebte Entlassung zur Bewährung verlangt nach § 57 StGB eine positive Entlassungsprognose (§15 Rdn. 2). Diese Prognose wird von der Entwicklung, die der Insasse während des Vollzugs genommen hat, entscheidend beeinflußt. Die Vollzugsbehörde ist verpflichtet, in ihrer Stellungnahme wahrheitsgemäß zu berichten, daß der Insasse sich beharrlich geweigert hat, an den Maßnahmen mitzuwirken, die zur Erreichung des Vollzugsziels für erforderlich gehalten worden sind. Aus dieser Mitteilung wird häufig der Schluß gezogen werden müssen, daß eine Entlassung zur Bewährung nicht verantwortet werden kann, während umgekehrt ein Insasse, der sich an solchen Maßnahmen bereitwillig beteiligt, seine Chancen, vorzeitig entlassen zu werden, merklich steigert. So wird auf den Insassen wegen der mittelbaren Wirkungen, die von seiner Weigerung ausgehen, ein starker Druck ausgeübt, an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuarbeiten. Selbst wenn man die Verweigerung (schon wegen der erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich ihrer prognostischen Bedeutung) nicht gar zu negativ bewertet; auf die Entscheidung gem. § 57 StGB hat das Verhalten im Vollzug wesentlichen Einfluß (hierzu eingehend: Müller-Dietz BewHi 1986, 331 ff, 341 f-Jung ZfStrVo 1987, 40, 41). Daß keine Pflicht postuliert ist, beschränkt sich somit darauf, daß gegen den nichtmitwirkungsbereiten Gefangenen keine Disziplinarmaßnahmen verhängt werden und ihm keine unabhängig von seiner Mitwirkungsbereitschaft zustehenden Rechte verkürzt werden (OLG Celle ZfStrVo 1980, 184; Schöch in: Kaiser/Kerner/Schöch § 4 Rdn. 25; vgl. auch Haberstroh ZfStrVo 1982, 259 ff). Calliess/Müller-Dietz (Rdn. 4) meinen, weil der Insasse keine Pflicht habe, an 10 dem Behandlungsziel mitzuwirken (Rdn. 4, 9), dürften auch bei einer Entweichung keine Disziplinarmaßnahmen erfolgen. Hieran ist nur richtig, daß die Pflicht des Gefangenen, die Einsperrung zu dulden, nicht daraus folgt, daß er an seiner Behandlung mitwirkt. Selbst wenn er eine Rechtspflicht hierzu hätte, so könnte es bei einem Konflikttäter durchaus der Fall sein, daß resozialisierende Maßnahmen zur Erreichung des Vollzugsziels nicht erforderlich sind, ja ein Alexander Böhm

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künftiges Leben ohne Straftaten desto wahrscheinlicher ist, je eher der Insasse die Anstalt verläßt. Seine Entweichung wäre geradezu im Sinne der Erreichung des Vollzugsziels nötig, aber gleichwohl ein (schwerer) Pflichtverstoß, der eine Disziplinarmaßnahme rechtfertigt (Rdn. 17, 18 zu § 102 u. § 13 Rdn. 15). 11

d) Der Gefangene kann zwar keine bestimmte resozialisierende Behandlung verlangen (KG, 29.1.1979 - 2 Ws 145/78; OLG Nürnberg NStZ 1982, 399; Calliess/Müller-Dietz Rdn. 3). Er hat aber ein Recht darauf, über die zur Erreichung des Vollzugsziels bei ihm für notwendig erachteten Vollzugsmaßnahmen unterrichtet zu werden. Sie sind mit ihm zu erörtern, am besten mit ihm zu erarbeiten (für den Vollzugsplan — ein Anspruch auf Aushändigung einer schriftlichen Ausfertigung besteht freilich nicht — O L G Karlsruhe ZfStrVo 1980, 184), (§ 6 Rdn. 13). Auch wenn er zunächst nicht zur Mitwirkung bereit ist, sind ihm die Gründe verständlich zu machen, warum die eine oder andere Maßnahme ergriffen, ihm gewisse Angebote unterbreitet oder bestimmte von ihm vorgebrachte Wünsche zur Gestaltung seiner Behandlung abgeschlagen werden. Er soll eigene Vorstellungen darüber, wie das Vollzugsziel zu erreichen ist, vortragen und darf erwarten, daß sie ernst genommen, bei Erfolgsaussicht möglichst verwirklicht und mit ihm erörtert werden (Franke ZfStrVo 1979, 73 zum Anspruch, beruflich gefördert zu werden). Der Gefangene ist auch nicht das Objekt von Manipulationen oder gar von einer Art „Gehirnwäsche" — beides verstieße gegen seine in Art. 1 GG geschützte Menschenwürde und gegen den Resozialisierungsbegriff des StVollzG (Müller-Dietz Grundfragen des strafrechtlichen Sanktionensystems 138, 139), sondern ein für den notwendigen Lernprozeß zu gewinnender Partner. Vgl. § 6 Rdn. 12 f.

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2. Der „Abwehrstatus" ist in der Weise verwirklicht, daß die Einschränkungen der Freiheit des Gefangenen im StVollzG im einzelnen genau dargestellt sind. Das bedeutet nicht, daß der Insasse im übrigen unbeschränkte Freiheiten hätte. Er unterliegt vielmehr zahlreichen weiteren Beschränkungen, die in anderen Gesetzen festgelegt sind. Bei der Auskunftserteilung über den Aufenthalt des Gefangenen an Dritte — Gläubiger z. B. — gelten die allgemeinen Vorschriften: OLG Celle NStZ 1985, 44 - Datenschutzgesetze; OLG Hamm NStZ 1988, 381 und — zweifelhaft — NStZ 1988, 525, hierzu auch Rdn. 24. Aber in seiner Eigenschaft als „Gefangener" treffen ihn darüber hinaus nur die im StVollzG erwähnten Rechtsbeschränkungen. Damit ist der Gesetzgeber von der vom BVerfG (BVerfGE 33, 1 ff) für verfassungswidrig erachteten Figur des „besonderen Gewaltverhältnisses" abgegangen, die die Rechtsstellung des Gefangenen bisher bestimmt hatte und alle Rechts- (auch Grundrechts)beschränkungen gestattete, die zur Erreichung der nach dem StGB vorausgesetzten Strafzwecke (Abschrekkung, Sühne, Vergeltung, Sicherheit, Resozialisierung) erforderlich erschienen (Rdn. 1). Er hat aber auch nicht den für den Jugendstrafvollzug (§§ 91, 92, 115 J G G ) und die Untersuchungshaft (§119 StPO) gewählten Weg beschritten, die Rechtsstellung der Insassen durch wenige, etwas spezifizierte Generalklauseln zu 82

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kennzeichnen, obwohl dies nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 57, 170, 177 für die Untersuchungshaft) bisher auch für zulässig erachtet wird. Insoweit wird der Rechtsschutz der Gefangenen durch das StVollzG besonders gut gewährleistet. a) Die Beschränkungen der Freiheit müssen sich aus dem Gesetz ergeben. So 1 3 darf die Vollzugsbehörde nicht andere, vielleicht sogar weniger belastende Eingriffe in Rechte anordnen als die im Gesetz formulierten. Unzulässig ist die Nichtbeförderung eines Schreibens vor Änderung der irreführenden Absenderangabe durch den Gefangenen, denn hier hätte die Behörde ein, den Sachverhalt aufklärendes Begleitschreiben gem. § 31 Abs. 2 beifügen können ( O L G Celle ZfStrVo 1982, 127). Unzulässig ist die im Gesetz nicht vorgesehene Urlaubssperre ( O L G Bremen NStZ 1982, 84; O L G Celle ZfStrVo 1985, 374), die Ausrüstung der Insassen mit Lichtbildausweisen, die offen an der Oberbekleidung zu tragen sind, statt eine Anordnung zu erlassen, Anstaltskleidung nach § 20 Abs. 1 zu tragen (KG NStZ 1981, 77), sowie das generelle Verbot der Benützung von Sportstätten und Freizeiträumen für die in einer besonderen Anstaltsabteilung untergebrachten Arbeitsverweigerer statt der Verhängung entsprechender Disziplinarmaßnahmen in jedem Einzelfall ( O L G Nürnberg ZfStrVo 1980, 250). b) Im Gesetz müssen die Freiheitsbeschränkungen geregelt sein. Das bedeu- 14 tet, daß die zu dem StVollzG erlassenen W nicht weitere Beschränkungen enthalten können ( O L G Koblenz ZfStrVo 1981, 246 zu W Nr. 2 Abs. 2 und Nr. 4 zu § 13. Vgl. auch § 115 Rdn. 23). Ohne Prüfung des Einzelfalls darf eine ablehnende Entscheidung mit dem bloßen Hinweis auf in den W enthaltene Beispiele nicht ergehen (OLG Frankfurt ZfStrVo 1981, 122). Die W versuchen entweder, den Gesetzeswortlaut auszulegen (tatbestandsinterpretierende Auslegungsrichtlinien) oder Hinweise für eine gleichartige Ausübung des Ermessens zu geben (Entscheidungshilfen). Zur Ermessensausübung durch die Behörde §115 Rdn. 20. Hier haben sich in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten ergeben (im einzelnen Müller-Dietz NStZ 1981, 409). Sie beruhen auf folgendem: aa) Das StVollzG ist vom deutschen Bundestag beschlossen worden und be- 1 5 ruht auf einem im wesentlichen vom Bundesjustizministerium erarbeiteten Regierungsentwurf. Im Gesetzgebungsverfahren war der Bundesrat — und somit mittelbar die Landesjustizverwaltungen, die den Strafvollzug verantwortlich durchführen und gestalten — eingeschaltet, zumal das StVollzG ein Zustimmungsgesetz ist, gegen eine Mehrheit im Bundesrat also nicht erlassen werden konnte. Im Ergebnis haben sich die an der Gesetzgebung beteiligten Instanzen auf einen Kompromiß geeinigt. Die W stammen von den Landesjustizverwaltungen. Bei der Auslegung des StVollzG sind dabei auch Vorstellungen berücksichtigt worden, die im Gesetzgebungsverfahren nicht durchgesetzt werden konnten. Dafür ist die „Reststrafenregelung" beim Urlaub ein gutes Beispiel. Nach der Vorstellung des Bundesrats sollte Urlaub in der Regel erst innerhalb der letzten 18 Monate vor Strafende gewährt werden. Diese Auffassung ließ sich Alexander Böhm

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im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen. In W Nr. 4 Abs. 2 a zu § 13 taucht diese Urlaubsvoraussetzung als „Entscheidungshilfe" wieder auf. Während das O L G Frankfurt (NJW 1978, 334) diese Regelung für unbeachtlich hält, weil sie dem Gesetz widerspricht (ebenso O L G Koblenz ZfStrVo 1978, 123; O L G Celle J R 1978, 258; Calliess 155; Böhm 162), wird sie überwiegend als Hinweis insoweit für beachtenswert gehalten, als neben anderen Überlegungen hinsichtlich der Geeignetheit eines den Urlaub beantragenden Gefangenen auch die Höhe des noch zu verbüßenden Strafrests berücksichtigt wird (Franke BIStV 1981, H. 1, S. 1, 3 m. w. N.). Vgl. auch § 13 Rdn. 10. 16

bb) Um das Vollzugsziel zu erreichen, ist es nötig, bei jeder Entscheidung vorrangig den Einzelfall zu bedenken. Deshalb hat das StVollzG die Vollzugsentscheidungen fast durchweg der fachnahen Vollzugsbehörde übertragen und sie in weitem Umfang von Ermessensüberlegungen abhängig gemacht, in die die nach den Vollzugsgrundsätzen jeweils erforderlichen, den Einzelfall betreffenden Vorstellungen eingehen müssen. Die von den Aufsichtsbehörden erlassenen W versuchen demgegenüber eine gewisse Einheitlichkeit der Entscheidungen zu gewährleisten, wobei mehr an äußeren aktenkundigen und formalen Merkmalen festgehalten ist, als an einer Gesamtbewertung des Einzelfalls, bei der jeweils unterschiedliche Merkmale und Geschehnisse ein unterschiedliches Gewicht haben {Franke BIStV 1981, H. 1, S. 1 ff, 3). Durch diese formalen Richtlinien wird ein Druck auf die nachgeordneten Vollzugsbehörden ausgeübt, in jedem Einzelfall der zu prüfenden Formalie besonderes und vorrangiges Gewicht beizumessen. Sie kann und darf die Einzelfallentscheidung nicht ersetzen oder erübrigen, drängt sie aber doch erfahrungsgemäß in eine bestimmte Richtung (Meier NStZ 1981, 406, 407). Der Versuch, Ermessensausübung zu vereinheitlichen, ist nicht von vornherein abzulehnen. Große Anstalten, in denen sich jede Entscheidung schnell herumspricht, geraten in Unordnung und Unruhe, wenn nicht eine gewisse schematische, an Äußerlichkeiten festzumachende „gleiche" Behandlung der Insassen stattfindet. Besondere Experimente im Einzelfall können das gesamte Klima der Anstalt so belasten, daß wieder die Resozialisierung im Einzelfall behindert ist. Insgesamt ist aber eine Vollzugsgestaltung anzustreben, die mehr und mehr auf den Einzelfall zugeschnittene Entscheidungen ermöglicht.

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Die Gerichte setzen einen stärkeren Schwerpunkt bei dem Einzelfall, wirken also der Dynamik von an allgemeinen Merkmalen ausgerichteten Richtlinien entgegen, ohne die Berechtigung der Aufsichtsbehörden, auf gewisse Vereinheitlichung hinzuwirken, ganz zu leugnen ( O L G Koblenz ZfStrVo 1981, 319; Müller-Dietz NStZ 1981, 417). Diese vermittelnde, bei den jeweiligen Bestimmungen im einzelnen dargestellte Haltung, erscheint angemessen (brauchbare Vorschläge für die Vollzugspraxis, wie Entscheidungen demnach zu begründen sind, bei Franke BlStV 1981, H. 1, S. 1 ff, 4). Zur Bedeutung der W für das Gericht § 115 Rdn. 23. 84

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cc) Dort wo die W über den Gesetzeswortlaut hinaus dem Gefangenen Möglichkeiten der Vollzugsgestaltung einräumen, gewähren sie ihm über die Rechtsfigur der „Selbstbindung der Verwaltung" einen durchsetzbaren Anspruch ( O L G Karlsruhe NStZ 1981, 456 hinsichtlich W Nr. 2 Buchst, b zu § 42).

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c) In § 4 Abs. 2 Satz 2 werden noch weitere Rechtseinschränkungen dann 1 9 gestattet, wenn sie, obwohl für sie in den einzelnen gesetzlichen Bestimmungen keine Grundlage zu finden ist, unerläßlich (Rdn. 3; § 68 Rdn. 12) sind, um die Sicherheit aufrecht zu erhalten oder eine schwerwiegende Störung der Ordnung in der Anstalt ( § 8 1 Rdn. 7) abzuwenden. Ohne daß für die Notwendigkeit einer solchen Einschränkungsermächtigung überzeugende Beispiele vorgebracht worden wären, hat man sich im Gesetzgebungsverfahren auf Drängen des Bundesrats auf diese „Angstklausel" (Calliess/Müller-Dietz Rdn. 18) geeinigt. Die Auslegung der Vorschrift bereitet Schwierigkeiten und ist umstritten. aa) Während Calliess/Müller-Dietz (Rdn. 16; ebenso AK-Feest Rdn. 13) einen 2 0 zusätzlichen Schutz von „Sicherheit und Ordnung" der Anstalt für beabsichtigt halten, an Sicherheit gegen Entweichung/Ausbruch nach außen (evtl. gewaltsames Eindringen von außen) und gegen Meuterei und Widerstandshandlungen im Innenbereich denken, meint Schöch (in: Kaiser/Kerner/Schöch § 4 Rdn. 29—35 und ders. in: Kaiser/Schöch (Hrsg.), Kriminologie. Jugendstrafrecht. Strafvollzug, 3. Aufl., München 1987, Fall 18 Rdn. 37; kritisch hierzu Müller-Dietz Grundfragen des strafrechtlichen Sanktionensystems, 1979, 116, 117), daß unter „Sicherheit" hier mehr nämlich auch die Sicherheit der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten des Verurteilten während des Vollzugs (§ 2 Rdn. 15 ff) zu verstehen sei. Dem ist zuzustimmen. Schon der Wortlaut der Vorschrift, die den Begriff Sicherheit von der Anstaltsordnung trennt und nicht in der sonst üblichen Formulierung „Sicherheit oder Ordnung der Anstalt" verwendet, legt dies nahe. Beschränkungen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 sind dann etwa denkbar, wenn Tatsachen den nahen Verdacht begründen, daß ein Insasse den ihm gewährten Besuchs- oder Briefverkehr zur Begehung von strafbaren Taten mißbrauchen will. So könnte die Überwachung des Besuchs (im Einzelfall wohl auch ein Verbot des Besuchs) angeordnet werden, wenn zu befürchten steht, daß der Gefangene seinen Besucher angreift und verletzt, ohne daß dies anders verhindert werden könnte, oder ihn betrügt oder zu einer Straftat anstiftet oder — bewußt oder unbewußt — als Kurier zur Übermittlung von Nachrichten verwendet, die strafbare Taten verursachen sollen. § 27 Abs. 1 erlaubt die Überwachung von Besuchen normalerweise nur aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt. Zwar läßt sich die Meinung vertreten, die Behandlung des Gefangenen lege es nahe, ihn daran zu hindern, während der Strafverbüßung Straftaten zu begehen ( O L G Koblenz ZfStrVo SH 1979, 45), und eine Verletzung eines Besuchers würde vielleicht auch die Ordnung der Anstalt gefährden (so sieht das O L G Hamm NStZ 1988, 525 die Ordnung der Anstalt als gefährdet an, wenn die Vollzugsbehörde sich durch Unterlassen der Alexander Böhm

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Aufklärung eines Außenstehenden an einem Betrug des Insassen beteiligen könnte!). Daß aber die Achtung der Rechtsgüter Dritter durch die Vollzugsbehörde nur in dieser „mittelbaren" Weise möglich sein soll, erscheint unangemessen, ja peinlich, und es entspricht auch nicht der Bedeutung dieser weiteren Aufgabe des Vollzuges nach § 2 Satz 2. Ein Besuchsverbot gegenüber Angehörigen, die zur Übermittlung von Straftaten veranlassenden Nachrichten mißbraucht werden sollen, wäre, worauf Schock (in: Kaiser/Schöch (Hrsg.), Kriminologie. Jugendstrafrecht. Strafvollzug, 3. Aufl., München 1987, Fall 18 Rdn. 38) zu Recht hinweist, nicht einmal über den Umweg „aus Gründen der Behandlung" möglich. Näheres bei § 27 Rdn. 6, 8. 21

bb) „Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält" kann nicht so ausgelegt werden, daß dort, wo der Gesetzgeber eine Rechtseinschränkung an irgendwelche Voraussetzungen geknüpft hat, eine ergänzende und erweiternde Einschränkung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 nicht in Betracht komme (so aber AKFeest Rdn. 10). Das ist weder nach dem Wortlaut einleuchtend noch sachdienlich. „Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält" bedeutet vielmehr folgendes: die Rechtseinschränkung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 tritt stets nur subsidiär ein, also nicht dann, wenn den durch § 4 Abs. 2 Satz 2 geschützten Belangen ohnehin durch eine besondere Regelung des Gesetzes Rechnung getragen ist. So wird die Aufrechterhaltung der Ordnung und der Umstand, daß „ein schlechtes Beispiel nicht Schule macht", bei der schuldhaften Arbeitsverweigerung eines Gefangenen durch die Möglichkeit, Disziplinarmaßnahmen anzuordnen, geschützt. Die Vollzugsbehörde kann nicht statt dessen Rechtseinschränkungen auf § 4 Abs. 2 Satz 2 stützen ( O L G Nürnberg ZfStrVo 1980, 250). Die Anordnung, daß ein betäubungsmittelabhängiger Gefangener Pakete nur durch Vermittlung verläßlicher Stellen und nicht direkt von seinen Angehörigen zugeschickt erhalten darf, ist bereits als Einzelausgestaltung des Anspruchs aus § 33 Abs. 1 zulässig ( O L G München bei Franke NStZ 1981, 248; s. auch § 33 Rdn. 9).

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Auch dann ist kein Raum für die Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 2, wenn der Gesetzgeber die zu entscheidende Frage unter offenbarer Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen abschließend geregelt hat (für die Verwendung einer Trennscheibe bei Verteidigerbesuch — abschließend in § 148 Abs. 2 Satz 3 StPO geregelt - BGHSt 30, 38 gegen O L G München NStZ 1981, 36 mit Anm. Höflich 38; O L G Hamm ZfStrVo 1980, 57; O L G Celle NStZ 1981, 116 und O L G Nürnberg ZfStrVo 1981, 186 ff; für die Berücksichtigung anstaltsbezogener Gründe der Sicherheit und Ordnung bei der Besuchsüberwachung gilt ausschließlich § 27: O L G Saarbrücken NStZ 1983, 94 mit Anm. Müller-Dietz). Das ist aber jeweils genau zu untersuchen. Denn der Umstand, daß eine Rechtseinschränkung unter irgendwelchen Voraussetzungen geregelt ist, kann kein stärkeres Indiz für die „abschließende" Regelung sein als das gänzliche Fehlen einer gesetzlichen Möglichkeit, ein Recht einzuschränken. Auch dann kann der Gesetzgeber nämlich „abschließend" davon ausgegangen sein, daß ein Eingriff in 86

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die gewährte Rechtsposition unter allen Umständen unzulässig sein soll. So kann aus § 86, der das Fotografieren eines Gefangenen zur Sicherung des Vollzuges (Fahndung bei einer Entweichung) gestattet, nicht geschlossen werden, daß das Fotografieren zu ganz anderen Zwecken (etwa für einen „Hausausweis", mit dem der Gefangene sich gegenüber kontrollierenden Bediensteten ausweisen muß, womit bei Gewährung von Freizügigkeit in der Anstalt Sicherheit, Ordnung und Übersichtlichkeit gewährt werden können) deswegen ausdrücklich ausgeschlossen sein sollte (Rdn. 26 und § 86 Rdn. 2). Die nach § 4 Abs. 2 Satz 2 zu treffende Rechtseinschränkung muß unerläßlich 2 3 sein, die Sicherheit aufrechtzuerhalten oder eine schwerwiegende Störung der Ordnung in der Anstalt zu verhindern. Sie ist also auf den äußersten Notfall beschränkt, ultima ratio (OLG Frankfurt ZfStrVo 1979, 58 und ZfStrVo SH 1979, 51; OLG Nürnberg ZfStrVo 1980, 250). Außer den o. g. Beispielen (Rdn. 20) käme das Anhalten des Schreibens eines 2 4 Gefangenen, in dem dieser Mitteilungen macht, die die Sicherheit einer anderen Anstalt als der, aus der er den Brief absendet, gefährdet (Verrat von Schwachstellen der Sicherung, die eine Befreiungsaktion von außen ermöglichen), in Betracht. Das OLG Hamburg (NStZ 1981, 239) hält ein Anhalten des Schreibens gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1 in diesem Fall nicht für zulässig, weil diese Vorschrift ersichtlich nur die Anstalt meine, in der sich der Briefschreiber gerade aufhalte (§ 31 Rdn. 10). Der Gesetzgeber hat den zu entscheidenden Fall offenbar nicht bedacht. Eine abschließende Regelung liegt nicht vor. Unerläßlich wäre ein Anhalten des Briefes freilich nur, wenn mit einer Warnung der Anstalt, deren Sicherheitslücken verraten werden, nicht der gleiche Zweck erfüllt werden könnte (etwa deshalb, weil die Beseitigung des Sicherheitsmangels nicht sofort möglich ist). Das OLG Nürnberg (ZfStrVo 1981, 57) hat die Weisung des Anstaltsleiters an einen Gefangenen, ein mit einem anderen Gefangenen gemeinsam unterhaltenes Bankkonto aufzuheben, als durch § 4 Abs. 2 Satz 2 gedeckt angesehen. Durch die mit einem gemeinsamen Konto möglichen undurchschaubaren Vermögensverschiebungen trete offenbar eine schwerwiegende Störung der Anstaltsordnung (Betätigung unerlaubter Geschäfte) ein. Ob die Störung der Anstaltsordnung „schwerwiegend" ist, erscheint zweifelhaft. Soweit eine gesetzliche Regelung darüber fehlt, ob Dritten Auskünfte über einen Insassen — Aufenthalt, Strafdauer — erteilt werden dürfen, könnte Abs. 2 Satz 2 ausnahmsweise einen Rechtseingriff gestatten, wenn anderenfalls die Begehung von Straftaten durch den Insassen unabwendbar wäre (Betrug: OLG Hamm ZfStrVo 1989, 115 = NStZ 1988, 525 = JR 1989, 481 mit krit. Anm. Müller-Dietz). Das Gesetz enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen über die allgemeinen Sicherungsmaßnahmen. Daraus kann nicht der Schluß gezogen werden, daß Fenster- und Türsicherungen, Häufigkeit von Anwesenheitskontrollen etc. nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 zulässig seien. Daß diese allgemeinen Einrichtungen und Maßnahmen der Anstalt zum FreiheitsentAlexander Böhm

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zug an sich gehören, ergibt sich schon daraus, daß das Gesetz nur „besondere Sicherungsmaßnahmen" regelt (§ 88). Ein „Grenzfall" ist die Verwendung der Sichtspione in den Haftraumtüren wegen des besonders belastenden Eindringens in die Privatsphäre des Gefangenen. Wenn deshalb nicht im Einzelfall die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 vorliegen, ist dem Gefangenen zu gestatten, den Spion ständig oder jedenfalls zeitweise (OLG Zweibrücken, BIStV 1982, H. 1, S. 5) zuzukleben oder zu verhängen (KG BIStV 1990, H. 4/5, S. 3; OLG Saarbrücken NStZ 1985, 478 = ZfStrVo 1985, 374 mit Anm. Schaaf; a. A.: Benutzen des Sichtspions ist im geschlossenen Vollzug immer zulässig: KG ZfStrVo 1987, 189 jedenfalls in der Untersuchungshaft; OLG Hamm ZfStrVo 1988, 64 und OLG Koblenz, Vorlagebeschluß gem. § 121 Abs. 2 GVG v. 27. 8. 1990 - 2 Vollz Ws 31/90). Das O L G Koblenz (ZfStrVo SH 1979, 48) hat unter Heranziehung von § 4 Abs. 2 Satz 2 einem Insassen die ausschließliche Verwendung eines Künstlernamens bei seiner Korrespondenz untersagt und gegen dieses Verbot vorgelegte Schreiben angehalten (§31 Rdn. 9). Da die Vollzugsbehörde befürchtete, der Gefangene könne auf eine Namenstäuschung und betrügerische Handlungen gegenüber seinen Korrespondenten aus sein, würde die Beförderung des Schreibens bereits das „Ziel des Vollzuges" gefährden und damit auf § 31 Abs. 1 Nr. 1 gestützt werden können (vgl. aber Rdn. 19). Nach§ 31 Abs. 3 Satz 1 muß der Gefangene davon unterrichtet werden, daß ein ein- oder ausgehendes Schreiben nach § 31 Abs. 1 angehalten worden ist. Es gibt Fälle, in denen möglicherweise gerade diese Mitteilung ein verabredetes Zeichen für einen Befreiungsversuch von außen darstellt. Dann kann die Unterrichtung gem. § 31 Abs. 3 Satz 1 nach § 4 Abs. 2 Satz 2 jedenfalls zunächst unterbleiben (s. auch OLG Frankfurt ZfStrVo SH 1979, 51; vgl. auch § 31 Rdn. 17). Eine schwerwiegende Störung der Ordnung der Anstalt kann entstehen, wenn ein Gefangener geschäftsmäßig für andere Schriftsätze fertigt und dadurch unerwünschte Abhängigkeiten eintreten. Im Einzelfall kann dann das Verbot, für andere Schriftsätze anzufertigen, unerläßlich i. S. von § 4 Abs. 2 Satz 2 sein (OLG Saarbrücken ZfStrVo 1982, 249). Das Verbot des Austausches schriftlicher Nachrichten unter Gefangenen ein und derselben Anstalt kann nur nach § 4 Abs. 2 Satz 2 erfolgen, obwohl die analoge Anwendung der Vorschriften über den Briefverkehr vielleicht sachdienlicher wäre (OLG Zweibrücken ZfStrVo 1985, 141). Sie verbietet sich nämlich, weil keine Regelungslücke vorliegt. § 4 Abs. 2 Satz 2 verhindert so Rechtsbeschränkungen im Wege der Analogie. Die Führung eines Geschäfts aus der geschlossenen Anstalt mag im Einzelfall Formen annehmen, die es aus Gründen der Sicherheit und Ordnung unerläßlich erscheinen lassen, Einschränkungen anzuordnen (LG Bonn NStZ 1988, 245). Zur Rechtfertigung einer Hin- und Herverschubung eines gewalttätigen Gefangenen zwischen mehreren Anstalten: LG Köln NStZ 1983, 431. Wenn einem Gefangenen wegen einer konkreten Mißbrauchsbefürchtung oder Sicherheits- und Ordnungsgefährdung eine Vollzugslockerung oder Genehmigung nur unter der Bedingung erteilt wird, daß er durch eine ihm zumutbare Handlung die 88

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Befürchtung entkräftet, so läßt sich ein solches Vorgehen schon mit der betreffenden Lockerungsvorschrift (etwa § 11) rechtfertigen. § 4 Abs. 2 Satz 2 findet keine Anwendung (a. A. - § 4 Abs. 2 Satz 2 ist einschlägig — Abgabe einer Urinprobe bei Verdacht des Rauschmittelmißbrauchs: LG Freiburg NStZ 1988, 151 = ZfStrVo 1988, 365; LG Kleve NStZ 1989, 48; zutr. dagegen: O L G Koblenz NStZ 1989, 550 = ZfStrVo 1990, 51, das die Befugnis zur Vornahme einer Urinkontrolle aus § 101 Abs. 1 ableitet; problematisch freilich die hier angenommene schuldhafte Pflichtverletzung bei Verweigerung —, vgl. § 101 Rdn. 11; Teilnahme an bereichsübergreifenden Freizeitveranstaltungen nur bei Vorlage eines Lichtbildausweises: O L G Koblenz ZfStrVo 1985, 56 und ZfStrVo 1986, 253; a. A. Calliess/Müller-Dietz Rdn. 18). Läßt sich ein Einschmuggeln von Rauschgift durch Besuchskontrollen nicht verhindern, so daß der Besuch nach § 25 Nr. 1 völlig untersagt werden könnte, ist der Anstaltsleiter natürlich nicht gehindert, dem Gefangenen einen Besuch nur unter Verwendung einer Trennscheibe anzubieten (noch weitergehend: KG NStZ 1984, 94; vgl. § 27 Rdn. 13). 3. Die Grundrechte der Gefangenen sind nur insoweit beschränkt, als das 2 5 StVollzG dies zuläßt. Gem. § 196 schränkt das Gesetz Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2, die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit — Anwendung unmittelbaren Zwanges, Schußwaffengebrauch, Zwangsernährung, §§ 94—101 — und der Freiheit der Person, sowie Art. 10 Abs. 1, Briefpost- und Fernmeldegeheimnis, ausdrücklich ein. Damit ist das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG gewahrt. Soweit die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung sowie auf Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) beschränkt sind, weil die Insassen nicht beliebig Radio hören und fernsehen können und ihnen gem. § 68 Abs. 2 Teile von Zeitungen vorenthalten werden können, wenn sie etwa das Ziel des Vollzugs erheblich gefährden, bedurfte es eines besonderen Hinweises auf die Beschränkung eines Grundrechts nicht. Es steht unter dem Vorbehalt des Gesetzes, und das StVollzG ist ein solches allgemeines Gesetz nach Art. 5 Abs. 2 G G (BVerfG ZfStrVo 1981, 63; s. auch § 68 Rdn. 1). Die Gerichte müssen die Rechtseinschränkungen behutsam und unter Beachtung der Bedeutung dieses Informationsrechts aus Art. 5 GG vornehmen (OLG Hamburg ZfStrVo 1980, 59, 60, 127; O L G Nürnberg ZfStrVo 1983, 190). Soweit die durch den Freiheitsentzug behinderte Bewegungsfreiheit Voraussetzung zur Wahrnehmung von Grundrechten ist (Versammlungsfreiheit: Art. 8 GG; Freizügigkeit: Art. 11 GG), sind sie als spezifische Ausprägungen des Freiheitsgrundrechts automatisch eingeschränkt {Calliess/Müller-Dietz Rdn. 14). Außerdem sind auch die nicht unter Gesetzesvorbehalt stehenden Grundrechte nicht „schrankenlos", sondern nur im Rahmen der grundgesetzlichen Wertordnung gewährleistet (OLG Nürnberg ZfStrVo 1989, 374; zu Art. 4 GG vgl. vor § 53 Rdn. 5). O b freilich einem Gefangenen die Malerlaubnis unter der Bedingung erteilt werden darf, jede Darstellung von Gewalt sei ihm untersagt, ist nicht nur aus vollzugspädagogischen, sondern Alexander Böhm

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auch aus verfassungsrechtlichen Gründen zweifelhaft (Matzke/Bartl zu OLG Nürnberg ZfStrVo 1990, 54).

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III. Beispiel In einer großen JVA mit mehreren Unterkunftshäusern erwägt der Anstaltsleiter „Lockerungen nach innen". Die Insassen sollen sich innerhalb der Umwehrungsmauer an einigen Stunden des Tages frei bewegen und auch die verschiedenen Unterkunftsgebäude betreten dürfen. Um gleichwohl noch die zur ordnungsgemäßen Uberschaubarkeit und Sicherheit notwendige Kontrolle zu gewährleisten, werden die Gefangenen angewiesen, sich fotografieren zu lassen und einen Ausweis mit Namen und Foto sichtbar auf ihrer Jacke zu befestigen, wenn sie ihr Unterkunftshaus verlassen. Diese Maßnahme belaste die Gefangenen weniger, als wenn das nach § 20 ohnehin zulässige Tragen von Anstaltskleidung angeordnet werde. Das Fotografieren der Gefangenen sei nach § 86 Abs. 1 Ziff. 2 gestattet. Gegen diese Anordnung beschweren sich einige Gefangene. Das KG (NStZ 1981, 77, 78) gab ihnen recht: § 86 gestattet das Fotografieren der Gefangenen ersichtlich nur zu dem Zweck, im Falle einer Entweichung zur Einleitung von Fahndungsmaßnahmen ein Lichtbild zur Hand zu haben. § 20 Abs. 1 Satz 1 gestattet die Ersetzung der Gefangenenkleidung durch offenes Tragen eines Lichtbildausweises an der eigenen Jacke nicht: „Denn Beschränkungen der Freiheit des Gefangenen, die das Gesetz nicht vorsieht, dürfen auch dann nicht angeordnet werden, wenn sie andere Maßnahmen entbehrlich machen würden, die das Gesetz zwar erlaubt, die den Gefangenen aber insgesamt stärker belasten würden. Dem steht § 4 Abs. 2 Satz 1 entgegen." Aus § 4 Abs. 2 Satz 2 verneint das KG die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Anstaltsleiters, weil das Fotografieren von Gefangenen in § 86 abschließend geregelt sei. Diese Begründung überzeugt nicht (s. oben Rdn. 21). § 4 Abs. 2 Satz 2 kommt aber deshalb nicht zur Anwendung, weil die Maßnahme zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt nicht unerläßlich ist. Es können statt dessen die „Lockerungen nach innen" teilweise zurückgenommen werden (vgl. auch Müller-Dietz NStZ 1981, 158, 159).

Zweiter Titel Planung des Vollzuges Übersicht Rdn.

Rdn. 1. Ziele des Aufnahmeverfahrens (§§ 5 bis 7)

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1

2. Eingangsvollzug als Orientierungsphase 3. Planungformen

Alexander Böhm

2 3

§ 5

Aufnahmeverfahren

Vorbemerkungen 1. Aufnahmeverfahren (§ 5), Behandlungsuntersuchung (§ 6) und Vollzugs- 1 plan (§ 7) sind die Grundlagen der Planung des Vollzuges. Diese dient der Erreichung des Behandlungsziels (§ 4 Rdn. 6) in einem fortlaufend geplanten und kontrollierten Prozeß unter Leistung geeigneter Hilfen (§ 6 Rdn. 1). §§ 5 und 6 K E (Zuständigkeit für Aufnahme; Aufnahmeersuchen; vorläufige Aufnahme) sind vom R E nicht übernommen worden, weil ihr Inhalt bereits durch die Vorschriften zum Vollstreckungsplan (§ 152) und durch weitere verwaltungsrechtliche Vorschriften geregelt ist bzw. geregelt werden kann (BT-Drucks. 7/918, 48). Die Verwaltungsvorschriften ( W ) zu §§ 5 und 6 regeln lediglich die Durchführung der ärztlichen Untersuchung und das bis zum Inkrafttreten von § 5 Abs. 1 geltende Verfahren sowie zu § 6 die Frage, von welcher Vollzugsdauer an eine Behandlungsuntersuchung durchzuführen ist. Beachte aber § 6 Rdn. 7, 21. Damit ist die Ausgestaltung des Aufnahmeverfahrens zum überwiegenden Teil den Vorschriften der einzelnen Landesjustizverwaltungen überlassen geblieben (vgl. Schöch in: Kaiser/Kerner/Schöch § 6 Rdn. 26). 2. §§ 5 bis 7 regeln Vorgänge, die als Aufnahme- oder Anfangsvollzug bezeichnet werden können. Dieser Begriff ist jedoch vom Gesetzgeber wegen seiner historischen Belastung als Kennzeichnung einer mit strengen Einschränkungen verbundenen Haftform, die die Gefangenen zur „Besinnung" führen sollte, bewußt vermieden worden (BT-Drucks. 7/918, 48). Calliess 74 spricht von der Anfangsphase, Kerner in: Kaiser/Kerner/Schöch § 13 Rdn. 13 von einer Eingangsphase, die als Orientierungsstufe des Vollzuges konzipiert werden könnte.

2

3. Die vom Gesetz angestrebte Planung des Vollzuges wird u. a. deutlich in den Begriffen Vollstreckungsplan, Vollzugsplan, Behandlungsplan. Während der Vollstreckungsplan die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Vollzugsanstalten regelt (§ 152), werden im Vollzugsplan (§ 7, dort Rdn. 2) Inhalte und Ablauf des Vollzuges für den einzelnen Gefangenen bestimmt. Der Behandlungsplan (§ 7 Rdn. 8) sieht vor, welche methodischen Behandlungsformen im Einzelfall anzuwenden sind.

3

§5 Aufnahmeverfahren (1) Beim Aufnahmeverfahren dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein.'"' (2) Der Gefangene wird über seine Rechte und Pflichten unterrichtet. (3) N a c h der Aufnahme wird der Gefangene alsbald ärztlich untersucht und dem Leiter der Anstalt oder der Aufnahmeabteilung vorgestellt.

* § 5 Abs. 1 tritt durch besonderes Bundesgesetz in Kraft (§ 198 Abs. 3). Hans-Georg Mey

91

§5

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

W 1 Durch die ärztliche Untersuchung soll der Gesundheitszustand des Gefangenen einschließlich der Körpergröße, des Körpergewichts und des Zustands des Gebisses festgestellt werden; insbesondere ist zu prüfen, ob der Gefangene vollzugstauglich, ob er ärztlicher Behandlung bedürftig, ob er seines Zustandes wegen anderen gefährlich, ob und in welchem Umfang er arbeitsfähig und zur Teilnahme am Sport tauglich ist und ob gesundheitliche Bedenken gegen die Einzelunterbringung bestehen. Das Ergebnis der Untersuchung ist schriftlich niederzulegen. 2 Bis zum Inkrafttreten des $ 5 Abs. 1 gilt folgendes: Während des Aufnahmeverfahrens sollen andere Gefangene nicht sein.

zugegen

Schrifttum Diepenbruck Rechtsmittel im Strafvollzug, Diss. jur. Göttingen 1981; Informationen zum Strafvollzugsgesetz, Wolfenbüttel o.J.; Weis Zur Subkultur der Strafanstalt, in: Schwind/Blau 239 ff.

Ubersicht I. Allgemeine Hinweise 1. Rechtliche und behandlungsmäßige Ausgestaltung des Aufnahmeverfahrens 2. Inhaltlicher und zeitlicher Umfang des Aufnahmeverfahrens II. Erläuterungen 1. Abwesenheit anderer Gefangener im Aufnahmeverfahren

Rdn. 1—3

1

2—3 4—9 4—6

Rdn. 2. Information des Gefangenen im Aufnahmeverfahren . . . . 7 3. Ärztliche Untersuchung. Vorstellung beim Anstaltsleiter . . 8—9 III. Beispiele 10-12 1. Unzulässige Anwesenheit anderer Gefangener beim Aufnahmeverfahren 10 2. Zulässige Anwesenheit anderer Gefangener 11 — 12

I. Allgemeine Hinweise 1 1. Das Aufnahmeverfahren ist im StVollzG im Gegensatz zu KE bzw. AEStVollzG nicht im einzelnen geregelt. Die Vollzugsbehörde gestaltet es in inhaltlicher Hinsicht nach pflichtgemäßem Ermessen (OLG Koblenz ZfStrVo 1988, 310). Das StVollzG legt lediglich fest, was für die Rechtsstellung des Gefangenen bzw. für eine behandlungsorientierte Ausgestaltung des Aufnahmeverfahrens maßgeblich ist. Zum Behandlungsziel § 4 Rdn. 6. Für den Gefangenen ist es als erster Schritt in den Vollzug von entscheidender Bedeutung. Dies drückt sich z. B. in dem vorgesehenen Schutz der Intimsphäre (§ 5 Abs. 1) durch das Verbot der Anwesenheit anderer Gefangener aus {Kerner in: Kaiser/Kerner/Schöch § 13 92

Hans-Georg Mey

§5

Aufnahmeverfahren

Rdn. 8 - 1 3 ) . Vgl. auch die Beispiele Rdn. 1 0 - 1 2 . Unklar bleibt allerdings, warum der Gesetzgeber eine solche Sicherung nicht auch für andere Vorgänge des Aufnahmeverfahrens, z. B. für die Behandlungsuntersuchung (§ 6), gelten lassen wollte, in der in gleicher Weise mit dem Gefangenen persönliche Dinge zu erörtern sind. Zur praktischen Bedeutung vgl. Rdn. 5 f. Unabhängig davon, ob § 5 Abs. 1 notwendig war oder als gesetzliche Vorschrift zu hoch eingestuft ist (so Grunau/Tiesler Rdn. 1), kommt es entscheidend darauf an, den Gefangenen bei im Aufnahmeverfahren notwendigen Entäußerungen wirksam zu schützen (Rdn. 4 ff). 2. Über den Umfang des Aufnahmeverfahrens gibt es unterschiedliche Auf- 2 fassungen. Während Grunau/Tiesler Rdn. 1 hierin nur die Vorgänge von der Zuführung zur Vollzugsgeschäftsstelle bis zur Umkleidung sieht, dauert nach Calliess/Müller-Dietz Rdn. 2 das Aufnahmeverfahren von der Entscheidung über die Aufnahme in die Anstalt bis zur Vorstellung beim Leiter der Anstalt/ Aufnahmeabteilung mit ärztlicher Untersuchung und Unterrichtung über Rechte und Pflichten (Rdn. 8). AE-StVollzG fordert nicht für das gesamte Aufnahmeverfahren die Abwesen- 3 heit anderer Gefangener, sondern lediglich für die ärztliche Untersuchung und die Einkleidung. AE-StVollzG legt auf eine Beschleunigung des Ablaufs des Aufnahmeverfahrens wert und setzt Schwerpunkte bei der Durchführung der Behandlungsuntersuchung (§ 6 Rdn. 8 ff) und bei der Aufstellung des Vollzugsplans (§ 7 Rdn. 2), dort als Behandlungsplan bezeichnet. Kerner in: Kaiser/Kerner/Schöch § 13 Rdn. 12 wertet die Vorschläge des AE-StVollzG als ein Modell für einen Aufnahmevollzug neueren Verständnisses, während er das in der DVollzO detailliert beschriebene Aufnahmeverfahren als typisch für den Vorgang eines degradierenden Rollentausches des Gefangenen ansieht (Kerner aaO § 13 Rdn. 10).

II. Erläuterungen 1. Das in § 5 Abs. 1 festgelegte Recht des Gefangenen, das Aufnahmeverfah- 4 ren ohne die Gegenwart anderer Gefangener zu absolvieren, soll einerseits die Verletzung der Intimsphäre des neu aufgenommenen Gefangenen (Rdn. 10) wie auch andererseits eine unkontrollierte Einflußnahme auf den Neuankömmling durch bereits länger einsitzende Gefangene verhindern, um damit einer unerwünschten raschen Anpassung an die Subkultur (§ 3 Rdn. 12) einer JVA entgegenzuwirken (zur Gefangenensubkultur Weis aaO). Gleichzeitig soll dadurch auch ein möglichst unbeeinflußter Kontakt des Gefangenen zu den Mitgliedern des Vollzugsstabes hergestellt werden (Calliess/Müller-Dietz Rdn. 1). Während der Sonderausschuß Strafrechtsreform davon ausging, daß § 5 Abs. 1 sich nur auf das förmliche Verfahren, nämlich die Befragung des Gefangenen bei der Aufnahme in die Vollzugsgeschäftsstelle beziehe (BT-Drucks. 7/3998, 7), ist es die Absicht des RE, das mit § 5 Abs. 1 angestrebte Ziel für das gesamte AufnahmeHans-Georg Mey

93

§5

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

verfahren zu erreichen (BT-Drucks. 7/918, 48). Das ergibt sich auch aus dem Wortlaut der Vorschrift. Die Vollzugsverwaltung ist nicht gehindert, § 5 Abs. 1 schon jetzt zu verwirklichen, wo dies notwendig und sinnvoll ist (Rdn. 2, 3). 5

Nach Auffassung des Gesetzgebers ist ein Aufnahmeverfahren gemäß § 5 Abs. 1 wegen der derzeitigen baulichen und personalstrukturellen Bedingungen im Strafvollzug noch nicht überall durchführbar. Das Inkrafttreten von § 5 Abs. 1 gemäß § 198 Abs. 2 Nr. 3 wurde zunächst zum 1.1.1986 in Aussicht genommen. Art. 22 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22.12.1981 (BGBl. I 1523 ff) setzte fest, daß nunmehr über das Inkrafttreten von § 5 Abs. 1 zum 31.12.1985 befunden werden sollte, was jedoch nicht geschehen ist. Nach wie vor gilt daher W Nr. 2 zu § 5 Abs. 1 als Sollvorschrift, d. h., es ist dort nach dieser Bestimmung zu verfahren, wo die hierzu notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden können (s. Beispiele Rdn. 10—12).

6

Der mit der Vorschrift zu § 5 Abs. 1 angestrebte Schutz der Intimsphäre des Gefangenen wird in der Praxis auch bei Vorliegen günstiger baulicher, räumlicher und personeller Verhältnisse kaum zu realisieren sein. Unter dem Druck der Mitgefangenen (Weis aaO 247 ff) wird der Neuankömmling oft gezwungen, seine persönlichen Verhältnisse zu offenbaren. Dem kann nur durch organisatorische Maßnahmen entgegengewirkt werden, die eine unmittelbare und ständige Betreuung der Zugänge in kleinen Gruppen durch Bedienstete garantieren. Dadurch wird auch das Informationsbedürfnis (Weis aaO 241 ff) des neu eintretenden Gefangenen über offizielle Kontakte befriedigt. Ein der Absicht des § 5 (Schutz vor Zwang zur persönlichen Preisgabe; Information über die neue Situation; Entwicklung von positiven Beziehungen zum Stab) entsprechendes Aufnahmeverfahren erfordert eine äußerst straffe und stets kontrollierte organisatorische Planung, wie sie in den meisten Anstalten noch nicht eingeführt ist.

7

2. § 5 Abs. 2 formuliert den Anspruch des Gefangenen auf Unterrichtung über seine Rechte und Pflichten. Zur Rechtsstellung der Gefangenen grds. § 4 Rdn. 12 ff. Erst eine umfassende Information hierüber vermittelt dem Gefangenen Sicherheit in seinem neuen Status und kann Gefühle der Unsicherheit mit daraus folgender Aggressionsentwicklung verhindern. Die Pflicht zur Unterrichtung des Gefangenen ist nach anderer Auffassung bereits erfüllt, wenn dem Gefangenen ein Exemplar des Strafvollzugsgesetzes und der Hausordnung ausgehändigt worden ist (Calliess/Müller-Dietz Rdn. 3) bzw. wenn ihm der Gesetzestext dauerhaft zur Verfügung steht ( O L G Celle NStZ 1987, 44), z. B. in der Bücherausleihe (64. Sitzung Strafvollzugsausschuß der Länder 27.—31.10. 86). Strafvollzugsgesetz und Hausordnung konkurrieren nicht miteinander (s. § 161), da die Hausordnung nur Teilbereiche des Vollzuges regelt. Wegen der Rechtsnatur der Hausordnung § 161 Rdn. 2, 4. Es genügt nicht, dem Gefangenen lediglich die „Informationen zum Strafvollzugsgesetz" auszuhändigen. Welche Mängel ihnen anhaften, sagt beispielhaft Diepenbruck aaO 217. Mit dem Text des Strafvollzugsgesetzes und der Hausordnung können Gefangene wenig anfangen. 94

Hans-Georg Mey

§5

Aufnahmeverfahren

Nach Diepenbruck aaO 216 scheint das Bestreben des Gefangenen, in den Besitz des Strafvollzugsgesetzes zu kommen, auch relativ gering zu sein. Ohne zusätzliche Erläuterungen des Gesetzeswortlauts kann es allein durch Textaushändigung eher zu Mißverständnissen und damit zur Entwicklung neuer Konflikte und Ängste kommen. Dadurch werden wiederum aggressive Einstellungen gefördert (vgl. auch das Beispiel Rdn. 12). Unter den Rechten und Pflichten, über die der Gefangene nach § 5 Abs. 2 zu unterrichten ist, differenzieren Calliess/MüllerDietz Rdn. 3 zutreffend zwischen denjenigen, die die Stellung des Gefangenen in der Binnenstruktur des Vollzuges betreffen (etwa: Anfechtungsmöglichkeit von Vollzugsmaßnahmen, O L G Frankfurt NStZ 1989, 144), und denjenigen, die sich aus den Beziehungen zwischen ihm und der übrigen Gesellschaft außerhalb des Vollzuges ergeben. Die Unterrichtung über die letztgenannten Rechte und Pflichten soll durch geeignete Beratung und Hilfe des Vollzugsstabs (Sozialdienst) bei der Aufnahme (§ 72), aber auch während des späteren Vollzuges (§ 73) geschehen. Vgl. dazu auch § 72 Rdn. 5 3. § 5 Abs. 3 legt das Recht des Gefangenen auf ärztliche Untersuchung und 8 auf die Vorstellung beim Anstaltsleiter oder dem Leiter der Aufnahmeabteilung fest. Die ausführlichen W Nr. 1 zu § 5 besagen u.a., daß die Untersuchung durch einen Arzt vorgenommen werden muß. Nach § 101 Abs. 2 kann sie auch zwangsweise durchgeführt werden, allerdings nicht mit Hilfe eines körperlichen Eingriffs (§ 101 Rdn. 31). Zur Durchführung der ärztlichen Untersuchung hatten RE- und AE-StVollzG eine Frist von 24 Stunden vorgeschrieben. Die alsbaldige ärztliche Untersuchung und Vorstellung beim Leiter der Anstalt oder der Aufnahmeabteilung kann nur als Aufforderung verstanden werden, das Aufnahmeverfahren so schnell wie möglich abzuwickeln. Eine Frist von drei Tagen sollte auf keinen Fall überschritten werden (Calliess/Müller-Dietz Rdn. 6). Mit der Vorstellung beim Anstaltsleiter soll das Aufnahmeverfahren abge- 9 schlössen werden. Die Einhaltung dieser Reihenfolge ist nicht zwingend. Die Vorstellung sollte sich nicht auf eine nur formale Begrüßung beschränken. Eine sinnvolle Verbindung von gründlicher Information und Diskussion über das Strafvollzugsgesetz innerhalb einer Zugangsgruppe mit der Vorstellung beim Anstaltsleiter (Rdn. 7 f) fördert das Einleben des Gefangenen und sein Vertrautwerden mit den Verhältnissen in der JVA (ähnlich AK-Feest/Quensel Rdn. 11, 13). III. Beispiele 1. Unzulässige Anwesenheit anderer Gefangener In der JVA X sind 15 Neuaufnahmen vorzunehmen. Wegen der großen Zahl 1 0 läßt sich der Leiter der Vollzugsgeschäftsstelle jeweils drei Gefangene zusammen in die Vollzugsgeschäftsstelle vorführen und befragt den einzelnen Gefangenen in Gegenwart der beiden anderen zu Angaben, die zur Anlegung der Gefangenenpersonalakte notwendig sind. Er kann die beiden anderen Gefangenen wähHans-Georg Mey

95

§6

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

rend der Befragung des dritten deshalb nicht vor der Vollzugsgeschäftsstelle warten lassen, weil ein Beamter des allgemeinen Vollzugsdienstes zur Aufsicht nicht zur Verfügung steht. Ein solches Verfahren ist unzulässig, weil dadurch der Schutz der Intimsphäre des Gefangenen nicht gewährleistet ist. Er wird gezwungen, sich mit seinen persönlichen Angaben vor anderen Gefangenen zu offenbaren (Rdn. 4, 6). 2. Zulässige Anwesenheit anderer Gefangener Beispiel 1: 11 Wegen Personalmangels kann die JVA Y auf die Mitwirkung eines Gefangenen in der Kammer bei der Umkleidung von Neuzugängen nicht verzichten. Dieser Gefangene wird in der Kammer jedoch so eingesetzt, daß er vom Kammerbeamten stets überwacht werden und keine unbeobachteten Kontakte mit dem einzukleidenden neuen Gefangenen aufnehmen kann. Hier berührt die Anwesenheit des Gefangenen nur technische Vorgänge. Der Persönlichkeitsbereich des in die Anstalt neu eintretenden Gefangenen wird nicht verletzt. 12

Beispiel 2: Der Leiter der JVA Z hat die Erfahrung gemacht, daß die Neuzugänge der Anstalt durch die kommentarlose Aushändigung von StVollzG und Hausordnung bezüglich ihrer Rechte und Pflichten nur ungenügend informiert werden. Sie melden sich danach besonders häufig mit immer gleichen Bitten um Erläuterung. Der Anstaltsleiter ordnet deshalb an, daß alle Neuzugänge einer Woche regelmäßig zu einem festen Termin zu einer Diskussionsstunde über das Strafvollzugsgesetz und die Hausordnung zusammengefaßt werden, die er oder sein Vertreter leiten und an der auch andere abkömmliche Bedienstete (z. B. Abteilungsleiter, Arbeitsinspektor, Wirtschaftsinspektor, Sicherheitsinspektor, Vertreter des Sozialdienstes) teilnehmen. In dieser Veranstaltung können alle Gefangenen mit ihren Problemen zu Wort kommen. In ihr läßt sich unter Schilderung konkreter Anwendungsfälle zeigen, welchen Sinn diese Vorschriften haben. Gleichzeitig hat jeder neue Gefangene Gelegenheit, hierbei den Anstaltsleiter, den Abteilungsleiter und andere Mitglieder des Vollzugstabes persönlich kennenzulernen und sie auch in ihrer Funktion zu erleben. Hier ist die Anwesenheit anderer Gefangener zulässig und wird es auch künftig bleiben, da durch eine solche Veranstaltung der Gefangene in der Wahrnehmung seiner persönlichen Belange nicht eingeschränkt, sondern gefördert wird. Dazu auch Rdn. 7.

§6 Behandlungsuntersuchung, Beteiligung des Gefangenen (1) Nach dem Aufnahmeverfahren wird damit begonnen, die Persönlichkeit und die Lebensverhältnisse des Gefangenen zu erforschen. Hiervon kann 96

Hans-Georg Mey

Behandlungsuntersuchung. Beteiligung des Gefangenen

§6

abgesehen werden, wenn dies mit Rücksicht auf die Vollzugsdauer nicht geboten erscheint. (2) Die Untersuchung erstreckt sich auf die Umstände, deren Kenntnis für eine planvolle Behandlung des Gefangenen im Vollzuge und für die Eingliederung nach seiner Entlassung notwendig ist. (3) Die Planung der Behandlung wird mit dem Gefangenen erörtert.

w Bei einer Vollzugsdauer bis zu einem Jahr ist eine Behandlungsuntersuchung der Regel nicht geboten.

in

Schrifttum Brüsten Prozesse der Kriminalisierung — Ergebnisse einer Analyse von Jugendamtsakten, in: Otto/Schneider (Hrsg.), Gesellschaftliche Perspektiven der Sozialarbeit II, Neuwied/Berlin 1973, 85 ff; Bund der Strafvollzugsbediensteten (Hrsg.), Denkschrift zur Errichtung einer Bundesakademie für Strafvollzugsbedienstete, 1964; Dertinger Überlegungen zur Einrichtung einer Akademie für Strafvollzug, in: JVB1. NW 1972, 121 ff; Geiger Klassifizierung und Differenzierung im Strafvollzug in Baden-Württemberg, in: ZfStrVo 1977, 34 ff; Jung/Müller-Dietz Vorschläge zum Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes, Schriftenreihe des Bundeszusammenschlusses für Straffälligenhilfe, Heft 15, 2. Aufl., Bonn-Bad Godesberg 1974; Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Zehn Jahre Einweisungsverfahren im Erwachsenenvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen, 1981; Keller Das Akteneinsichtsrecht des Strafgefangenen, in: NStZ 1982, 17ff; Kemer Behandlungs- und Vollzugsorganisation im neuen Strafvollzugsgesetz, in: ZfStrVo 1977, 74 ff; Koepsel 10 Jahre Einweisungsanstalt Hagen/Westfalen — Besondere Probleme zentraler Diagnosezentren, in: ZfStrVo 1982, 195 ff; Mey/Schmidt Die Planung der Behandlung im Jugendstrafvollzug, in: Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Tagungsberichte Jugendstrafvollzugskommission, VI. Bd., Bonn 1978, 37 ff; Mey Prognostische Beurteilung des Rechtsbrechers, in: Handbuch der Psychologie, Bd. 11, Berlin 1967, 511 ff; Neufeind Einweisungsanstalten und Berufsausbildung in Nordrhein-Westfalen, in: ZfStrVo 1979, 78ff; Paetow Die Klassifizierung im Erwachsenenstrafvollzug, Stuttgart 1972; Paritätisches Bildungswerk Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland e.V. (Hrsg.), Wahrnehmen — Beobachten — Beurteilen, Trainingsprogramm zur Verhaltensbeobachtung für Vollzugsbedienstete, Saarbrücken 1981; Rüther Selektion und Zuschreibung im Strafvollzug, in: KrimJ 1978, 107 ff; Stemmer-Lück Die Behandlungsindikation bei Straffälligen (Kriminologische Studien, Bd. 34), Göttingen 1980; Thole Die Klassifizierung der Gefangenen im Erwachsenenvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen, in: MschrKrim 1975, 261 ff. Übersiebt I. Allgemeine Hinweise 1. Aufgabe der Behandlungsuntersuchung 2. Klassifizierung und Behandlung

Rdn. 1-7 1-2

Rdn. 3. Individualisierung und Stigmatisierung 4. Fortschreibung der Behandlungs Untersuchung

5-6 7

3-4

Hans-Georg Mey

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§ 6

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe Erläuterungen 8-21 1. Behandlungsuntersuchung in Einweisungsanstalten 8-9 2. Dauer der Behandlungsuntersuchung; Unterbringung . . . 10 3. Personal der Behandlungsun11 tersuchung 4. Rechte und Pflichten des Gefangenen in der Behandlungsuntersuchung 12-13 5, Umfang der Behandlungsuntersuchung 14 6. Organisation der Behandlungsuntersuchung 15

7. Methoden der Behandlungs16 untersuchung 8. Auswertung der Ergebnisse der Behandlungsuntersuchung 1 7 - 1 9 9. Schweigerecht und Schweige20 pflicht 10. Vollzugsdauer und Behand21 lungsuntersuchung 22-25 III. Beispiele 1. Erhebungen zur Vorge22 schichte (Anamnese) 2. Verhaltensbeobachtungen. . . 23 24 3. Tests 25 4. Exploration

I. Allgemeine Hinweise 1

1. Mit der Behandlungsuntersuchung beginnt der Vorgang der Behandlung (Calliess/Müller-Dietz Rdn. 2; zum Behandlungsbegriff § 4 Rdn. 6). Es besteht ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Behandlungsuntersuchung, der Diagnose, der Planung des Vollzuges und der eigentlichen Behandlung im Vollzug. Die Unterteilung in Aufnahmeverfahren (§ 5), Behandlungsuntersuchung (§ 6), Vollzugsplan (§ 7) und weitere Durchführung des Vollzuges ist letztlich formal. Diese Vorgänge als in sich abgeschlossene, gesonderte Leistungen des Vollzuges aufzufassen, hieße den Strafvollzug als einen ganzheitlichen, fortlaufenden Prozeß von der Aufnahme bis zur Entlassung zu verkennen (s. Vorbemerkungen zu §§ 5—7 Rdn. 1). Dementsprechend müssen Persönlichkeitsmodelle, die als Arbeitshypothesen der Behandlungsuntersuchung zugrunde gelegt werden, von der Prozeßhaftigkeit in der Entwicklung des Gefangenen und seiner Kriminogenese ausgehen. Mit Böhm 116 und Grunau/Tiesler Rdn. 3 ist deshalb der Begriff „Erforschung der Persönlichkeit" abzulehnen, weil er einmal das diagnostische Vorgehen inadäquat beschreibt und zum anderen einer statischen, festschreibenden Querschnittsdiagnose unbewußt Vorschub leistet (Gefahr der „self-fulfilling-prophecy", der sich selbst erfüllenden Vorhersage).

2

Inhalt und Methode der Persönlichkeitserforschung werden vom Gesetzgeber nicht beschrieben. Im Gegensatz zu § 7 Abs. 3 Satz 2 KE sind die an der Behandlungsuntersuchung zu beteiligenden Fachkräfte nicht benannt (BTDrucks. 7/918, 49). Der Gefangene ist zur Duldung der Behandlungsuntersuchung verpflichtet (BT-Drucks. 7/918, 48), eine Pflicht zur aktiven Mitwirkung besteht für ihn jedoch nicht. Zur Mitwirkungspflicht allgemein § 4 Rdn. 2 ff.

3

2. Die aus der Behandlungsuntersuchung resultierenden Diagnosen ermöglichen eine Klassifizierung (Rdn. 9) der Gefangenen. Statische Klassifizierungsformen müssen ebenso vermieden werden wie starre Differenzierungssysteme (zur Differenzierung s. § 141 Rdn. 1 und § 143 Rdn. 2), weil hierdurch unerwünschte Stigmatisierung eintritt. Klassifizierungssysteme sollten sich durch Flexibilität und Mobilität auszeichnen (Paetow aaO 165), um dem Gefangenen 98

Hans-Georg Mey

Behandlungsuntersuchung. Beteiligung des Gefangenen

§6

während des Vollzuges und der Bewährungszeit die notwendige Verhaltensänderung zu ermöglichen (Müller-Dietz ZfStrVo 1977, 22). Der Strafvollzugsaufbau der einzelnen Bundesländer und die von ihnen eingerichteten Vollzugsgemeinschaften müssen beachten, daß die sich aus individueller Diagnose und Klassifizierung ergebenden Behandlungsempfehlungen durch die Bereitstellung von geeigneten Vollzugseinrichtungen (§§ 141, 143) tatsächlich erfüllbar sind (§141 Rdn. 1; § 143 Rdn. 2 und unten Rdn. 9). Schilderung der möglichen Schwierigkeiten mit ihren Folgen bei Neufeind aaO 82, ebenso Rüther aaO 116. Die Reduzierung des Einweisungsverfahrens in Baden-Württemberg (1981) geht u. a. darauf zurück, daß neben der Festschreibung einer reinen Legalprognose Empfehlungen für den weiteren Vollzug kaum zu verwirklichen waren, weil Differenzierungsmöglichkeiten (Rdn. 9) fehlten. Die Stellung einer Legalprognose mit der in Prozentwerten ausgedrückten Wahrscheinlichkeit eines Nichtrückfalls/ Rückfalls (Geiger aaO 35) ist sinnlos, wenn Empfehlungen für eine Änderung dieses Zustandes nicht realisiert werden können (Mey aaO 558 ff). Zur Bedeutung des Rückfalls vgl. auch § 2 Rdn. 12. Wegen fehlender Integration von Klassifizierung und Differenzierung wird die Frage der Beibehaltung bzw. Erweiterung von Klassifizierungszentren kritisch diskutiert (Koepsel unveröffentlichter Bericht über den zweiten Tag der 7. Arbeits- und Fortbildungstagung der Bundesvereinigung für Anstaltsleiter am 5. 5.1981). Lediglich Nordrhein-Westfalen scheint ein relativ realistisches und flexibles Klassifizierungs-/Differenzierungssystem entwickelt zu haben (RV d. J M N W vom 29.11.1976 - 4512 - IV A. 3 - i. d. F. v. 17. 5.1979; RV d. J M N W v. 26.11.1976 - 4512 - IV A. 4 - ; Thole aaO; J M des Landes N W aaO; § 141 Rdn. 3; § 152 Rdn. 14). Die Behandlungsuntersuchung kann in der Aufnahmeabteilung der nach dem 4 Vollstreckungsplan (§ 152) zuständigen Anstalt oder in Einweisungsanstalten nach § 152 Abs. 2 (Gutachteranstalt nach § § 5 1 ff AE-StVollzG) stattfinden (§ 152 Rdn. 5 ff). Die Durchführung dieser Aufgabe obliegt Gremien (Kommissionen). Einweisungsanstalten findet man lediglich in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen (Rdn. 15). In einigen Bundesländern meist Stadtstaaten - existieren Auswahlkommissionen, die ohne intensive Untersuchung vorrangig nur die Eignung für den offenen Vollzug beurteilen. Zur Arbeitsweise in den Einweisungsanstalten Rdn. 15. 3. Voraussetzung einer wirksamen Behandlung im Vollzug ist ihre individuelle 5 Anwendung. Calliess 76 ff und Müller-Dietz ZfStrVo 1977, 19 sprechen deshalb vom Individualisierungsprinzip. Es kommt auch darin zum Ausdruck, daß nach § 152 Abs. 2 vom Vollstreckungsplan aus Gründen der Behandlung abgewichen werden kann (§ 152 Rdn. 7). Zum Problem Individualisierung und Wohngruppen § 7 Rdn. 10. Diagnosen aus der Behandlungsuntersuchung und Klassifizierung sind zwar 6 zur Sicherung der Behandlung im Strafvollzug notwendig, können jedoch auch unerwünschte Stigmatisierungsprozesse auslösen (Rüther aaO 116). Es ist daHans-Georg Mey

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§6

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

her problematisch, wenn nicht sogar schädlich, im Rahmen eines Einweisungsverfahrens oder während der Behandlungsuntersuchung in Aufnahmeabteilungen Legalprognosen oder auch nur Sozialprognosen zu stellen (s. auch Rdn. 3). Da das Verhalten des Gefangenen nach seiner Entlassung nicht mehr dem Einfluß des Vollzuges unterliegt, ist die Stellung einer Legal- und Sozialprognose während der Inhaftierung wenig gesichert. Es ist nicht vorauszusehen, welche besonderen oder noch unbekannten und daher auch kaum abschätzbaren Ereignisse auf den Gefangenen nach seiner Entlassung aus der Anstalt einwirken werden. Anstelle einer Legal- oder Sozialprognose sollte daher lediglich eine individuelle Behandlungsprognose gestellt werden. Die aus der Persönlichkeitserforschung gewonnenen Erkenntnisse sollen zur Empfehlung geeigneter Behandlungsmaßnahmen führen, um das Verhalten des Gefangenen während der Haft zu ändern und dadurch seine Kompetenz zur kriminalitätsfreien Lebensbewältigung zu stärken. Kaiser in: Kaiser/Kerner/Schöch § 9 Rdn. 16 fordert Behandlungstypologien als Voraussetzung für Behandlungsprognosen, die während des Vollzuges ständig zu überprüfen sind. Ihre wissenschaftliche Entwicklung steckt jedoch noch in den Anfängen (Kaiser aaO § 9 Rdn. 19). Hinweise auf die ökonomischen Grenzen der Verwirklichung des Individualisierungsprinzips bei Müller-Dietz ZfStrVo 1977, 19. 7

4. Grunau/Tiesler Rdn. 2 weisen darauf hin, daß es ein Ende der Behandlungsuntersuchung nicht gibt (ebenso Kaiser aaO § 9 Rdn. 12). Die Fortschreibung des Vollzugsplans und seine Abstimmung mit der Entwicklung des Gefangenen erfordern erneute Untersuchungen. Müller-Dietz 91 betont, daß ein flexibles und variables Klassifizierungssystem diagnostisch und therapeutisch geschulte und erfahrene Fachkräfte benötigt. Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten sind realistisch aufeinander abzustimmen. Dies kann durch systematische Rückmeldekontrolle, wie z. B. im Einweisungsverfahren Nordrhein-Westfalen, geschehen (Richtlinien für Einweisungsanstalten, RV d. JM NW vom 29.11.1976 - 4512 - IV A. 3 - ) . Vgl. auch Rdn. 1. II. Erläuterungen

8

1. In § 6 Abs. 1 ist die Behandlungsuntersuchung als Grundlage des Vollzugsplans (§ 7 Rdn. 2) zwingend vorgeschrieben (so auch bereits Nr. 58 Abs. 1 DVollzO). Die Behandlungsuntersuchung schließt sich an das Aufnahmeverfahren an (§ 5 Rdn. 4 ff). Sie wird entweder in Einweisungsanstalten oder -abteilungen (§ 152 Abs. 2) oder in Anstalten durchgeführt, deren Zuständigkeit sich aus dem Vollstreckungsplan nach allgemeinen Merkmalen ergibt (§ 152 Abs. 3). Qualifikation der Mitarbeiter (Rdn. 11) und Kompetenz der Institution sprechen für die Durchführung der Persönlichkeitsforschung in Einweisungsanstalten.

9

Wegen des engen Zusammenhangs zwischen Klassifizierung ( = Einteilung der Gefangenen in Gruppen mit gleichen oder ähnlichen Behandlungsbedürfnissen) und 100

Hans-Georg Mey

Behandlungsuntersuchung. Beteiligung des Gefangenen

§

6

Differenzierung (= Bereitstellung von Anstalten, Abteilungen, Vollzugseinheiten, Wohngruppen mit bestimmten Behandlungsangeboten) wird die Einrichtung von zentralen Klassifizierungszentren (Auswahl- oder Einweisungsanstalten) immer wieder gefordert und verteidigt (Paetow aaO; Koepsel aaO; skeptisch Kaiser aaO § 9 Rdn. 30). Man erwartet, daß bei Konzentrierung der Behandlungsuntersuchung auf Einweisungsanstalten die Qualifizierung des dort tätigen Personals steigt und Erkenntnisse für die weitere Differenzierung der Anstalten gewonnen werden können. Auch können hier gleichzeitig Aufgaben der auf die Bedürfnisse des Strafvollzugs ausgerichteten kriminologischen Forschung (§ 166) erfüllt werden (Koepsel aaO 199). Diese Annahmen haben sich jedoch nur zum Teil bestätigt. Nach den bisherigen Erfahrungen scheint es besonders wichtig zu sein, das in den Einweisungsanstalten tätige Fachpersonal vor Aufnahme seiner Tätigkeit mit genügender Vollzugserfahrung auszustatten und nicht über lange Jahre hinweg ausschließlich mit diagnostischen Aufgaben zu betrauen. Vgl. auch Rdn. 3 und § 152 Rdn. 8. 2. Während der Behandlungsuntersuchung kann nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 die 10 gemeinsame Unterbringung des Gefangenen während Arbeit und Freizeit bis zu zwei Monaten eingeschränkt werden (s. auch Rdn. 5 zu § 17). Daraus folgt, daß dieser Zeitraum auch als die längste Dauer der Behandlungsuntersuchung anzusehen ist (unterscheide dazu Rdn. 21). Diese Zeit wird jedoch selten voll beansprucht. Während Einweisungsanstalten (Rdn. 15) in der Regel sechs bis acht Wochen für die Behandlungsuntersuchung benötigen, zeigen praktische Erfahrungen aus Anstalten, welche die Gefangenen nach den Vorschriften des Vollstreckungsplans (§ 7 Rdn. 2) aufnehmen, daß bei rationeller Organisation von Aufnahmeverfahren, Behandlungsuntersuchung und Vollzugsplankonferenz diese Vollzugsphase in zwei bis drei Wochen nach Eintritt des Gefangenen in die Anstalt abgeschlossen sein kann (ähnlich auch § 53 Abs. 1 AE-StVollzG). Die Einweisungsanstalten begründen ihren höheren Zeitaufwand damit, daß sie einen längeren Zeitraum für Verhaltensbeobachtung im Vollzug benötigen. 3. Die Behandlungsuntersuchung sollte und wird in der Regel von einem der 11 Aufnahmeabteilung fest zugeordneten Mitarbeiterstab nach § 155 Abs. 2 durchgeführt. Voraussetzung für eine erfolgreiche Mitwirkung in der Behandlungsuntersuchung sind gute diagnostische Ausbildung und Befähigung dieser Bediensteten sowie ihre ausreichende Vollzugserfahrung (s. Rdn. 9). Grunau/Tiesler (Rdn. 4) weisen explizit auf die notwendige Professionalisierung der Behandlungsuntersuchung hin. Die Mitwirkung eines Psychiaters ist allerdings selbst in Einweisungsanstalten selten (dazu Kerner in: Kaiser/Kerner/Schöch § 17 Rdn. 5). Je mehr Bedienstete an der Behandlungsuntersuchung beteiligt sind, um so höhere Anforderungen sind an die Organisation des Ablaufs und an die Kooperation innerhalb des Gremiums zu stellen (vgl. auch § 152 Rdn. 8). Unzureichend ist es sicher, wenn die Behandlungsuntersuchung sich in einer Abfolge von Beratungsgesprächen erschöpft (AK-Feest/Quensel Rdn. 6). Es ist vielmehr Hans-Georg Mey

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

notwendig, zunächst alle verfügbaren Informationen und Befunde zu erheben, diese gemeinsam mit dem Gefangenen auszuwerten (Exploration) und dann die Ergebnisse mit ihm zu besprechen. Vgl. auch Rdn. 25. Die Gefahr einer Uberdiagnostizierung (Böhm 116; Koepsel aaO 195 f) ist in der Praxis selten. Unzureichend gesicherte Diagnosen sind dagegen häufiger anzutreffen. Erst nach der Exploration kann eine Schlußberatung erfolgen, welche die erhobenen Befunde, die Bedürfnisse des Gefangenen und die vorhandenen Angebote des Vollzuges so aufeinander abstimmt, daß mit einem Gutachten und den sich daraus ergebenden Empfehlungen einer sinnvollen Planung der weiteren Behandlung nähergetreten werden kann. Zum Verlauf des Strafvollzuges als einheitlichem Prozeß vgl. Rdn. 1. 12

4. Der Gefangene ist zur Duldung der Behandlungsuntersuchung verpflichtet, jedoch nicht zu aktiven Mitwirkung (Calliess/Miiller-Dietz Rdn. 1). Die aktive Mitwirkung des Gefangenen ist jedoch selbstverständliche Voraussetzung dafür, daß die Behandlungsuntersuchung verwertbare Ergebnisse erbringt. Da der Gefangene hier eine sehr starke Blockademöglichkeit durch sein „Veto" hat, kommt es wie auch später entscheidend darauf an, die Motivation des Gefangenen zur Mitarbeit an der Erreichung des Vollzugsziels zu erhalten und zu fördern (§ 4 Abs. 1 Satz 2). Es ist nicht davon auszugehen, daß die zunächst während der Behandlungsuntersuchung erreichte Motivation zur Absolvierung bestimmter Behandlungsmaßnahmen späterhin ständig gleich bleibt (vgl. Rdn. 7 zu § 4). Mit mehr oder minder starken Motivationsschwankungen ist erfahrungsgemäß zu rechnen, auf deren Ausmaß das Gutachten aus der Behandlungsuntersuchung möglichst schon hinweisen sollte. Grundsätzlich zur Mitwirkungspflicht § 4 Rdn. 4, 9.

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Gespräche mit dem Gefangenen über den jeweiligen Stand der Behandlungsuntersuchung sind im notwendigen Ausmaß zu führen (vgl. auch Rdn. 25). Wenn AK-Feest/Quensel Rdn. 8 verlangen, daß der Gefangene jederzeit die Möglichkeit zur Akteneinsichtnahme und zur Anforderung von Kopien eines jeden Schriftstücks aus der Behandlungsuntersuchung haben sollte, so ist dies unzweckmäßig, weil gerade bei einer noch nicht abgeschlossenen Behandlungsuntersuchung die unkommentierte Bekanntgabe von Teilergebnissen zu zusätzlichen und unnötigen Konflikten führt. Erst das Gespräch nach Abschluß der Untersuchung kann dem Ziel dienen, den Gefangenen über den Gesamtbefund angemessen zu informieren und ihm zu helfen, die für ihn wichtigen Erkenntnisse zu akzeptieren und so die für die Mitwirkung bei der Behandlung notwendigen Aktivitäten zu entwickeln (zur Frage des Rechts auf Einsicht in die Gefangenenpersonalakte s. Rdn. 9 zu § 108; § 115 Rdn. 7; § 120 Rdn. 3; §§ 162 ff Rdn. 5; zur Aushändigung von Unterlagen im Einweisungsverfahren: OLG Celle NStZ 1982, 136; Calliess/Müller-Dietz § 6 Rdn. 7 positiv; LG Duisburg NStZ 1984, 238; OLG Hamm NStZ 1985, 47 = ZfStrVo 1985, 51 abl.). Das die Behandlungsuntersuchung abschließende Gutachten (Rdn. 17, 18) hat keinen 102

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Regelungscharakter und kann deshalb von dem Gefangenen nicht angefochten werden ( O L G Hamm ZfStrVo 1987, 368). 5. Umfang und Methoden der Behandlungsuntersuchung sind sowohl aus 1 4 ökonomischen als auch aus Gründen des Datenschutzes (für das Aufnahmeverfahren § 5 Rdn. 4, 6) auf die Erreichung der für die Aufstellung des Behandlungsund Vollzugsplans notwendigen Inhalte und Ausmaße zu beschränken (Calliess/ Müller-Dietz Rdn. 6). Schematische Wederholungen früherer Untersuchungen sind zu vermeiden ( B ö h m 115, 116). Statt dessen muß die Behandlungsuntersuchung als Längsschnittuntersuchung angelegt werden, in die die Ergebnisse früherer Untersuchungen einzubeziehen sind. Ihre Wiederholung sollte nur bei notwendigen Vergleichen stattfinden (Mey/Schmidt aaO 46 ff). 6. In Einweisungsanstalten bzw. Einweisungsabteilungen (z. B. Baden-Würt- 1 5 temberg; Niedersachsen; Nordrhein-Westfalen) arbeiten diagnostische Teams interdisziplinär (Rdn. 4). Wegen ihrer Störanfälligkeit bedürfen sie einer sorgfältig abgestimmten Organisation. Eine hohe interdisziplinäre Integration darf nicht zu einer Komplizierung und Verlängerung des organisatorischen Ablaufs der Behandlungsuntersuchung führen. Auch in Einweisungsanstalten ist anzustreben, die Behandlungsuntersuchung und die Zusammenfassung des Endbefundes mit Erstellung von Empfehlungen innerhalb eines Zeitraumes von weniger als sechs Wochen durchzuführen (s. Rdn. 10). Kompliziertheit und Schwerfälligkeit interdisziplinärer Behandlungsuntersuchungen lassen sich zum Teil dadurch vermeiden, daß für die Erstellung des Abschlußbefundes bereits bei Beginn der Untersuchung ein sogenannter „Federführer" bestellt wird, dem die Ermittlung und Zusammenfassung aller Informationen und Daten obliegt und der dann von sich aus daran interessiert ist, alle für die Untersuchung notwendigen Daten schnell und vollständig zu erhalten, zu sammeln und auszuwerten. Das gleiche Verfahrensmodell ist auch für die Durchführung der Behandlungsuntersuchung in den nach dem Vollstreckungsplan zuständigen Anstalten praktikabel. Vgl. aber § 152 Rdn. 9, 14 f. 7. Die Behandlungsuntersuchung mit der dabei zu stellenden psychosozialen 1 6 Diagnose (anstelle des wenig glücklichen Begriffs „Persönlichkeitserforschung") sollte sich auf vier Methodengruppen stützen: a) Erhebungen zur Vorgeschichte (Anamnese), b) Verhaltensbeobachtungen, c) Durchführung von standardisierten Untersuchungsverfahren (Tests), d) erörternde und beratende Gespräche zwischen dem Gefangenen und den Bediensteten einschließlich der Stellungnahme des Gefangenen zu den bisher über ihn vorliegenden Befunden und ihren Ergebnissen sowie Erkundung der Vorstellungen, Planungen und Wünsche des Gefangenen hinsichtlich seines weiteren Aufenthaltes im Vollzug und in der Freiheit (Exploration). Siehe dazu im einzelnen Rdn. 22 bis 25. Hans-Georg Mey

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

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8. Bei der zusammenfassenden Verarbeitung der Ergebnisse der Behandlungsuntersuchung zu einem Gesamtbefund ist der Rückgriff auf psychologische oder kriminologische Alltagstheorien zu vermeiden (Calliess/Müller-Dietz Rdn. 3). Eine derartige diagnostische Basis ist nicht selten in Gutachten auch renommierter Psychiater festzustellen, während psychologische Gutachten oft an einer Uberfrachtung mit verschiedensten wissenschaftlichen Theorien leiden, ohne daß eine praktikable Ubersetzung der vertretenen Thesen in die alltäglichen Fragestellungen des Vollzuges erfolgt.

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Die formale und verbale Gestaltung von Gutachten und gutachterlichen Äußerungen, mit denen Ergebnisse der Behandlungsuntersuchung an nachfolgende Adressaten weitergegeben werden, wird in der Praxis immer wieder mit Recht beklagt. Dies liegt u. a. an der mangelhaften Ausbildung der Vollzugsfachkräfte incl. Psychologen in diagnostischer Gutachtengestaltung. Es empfiehlt sich daher, in den Vollzug eintretende Angehörige von Fachdiensten während der Einführung in ihr Berufsfeld in Seminaren zur Berichts- und Gutachtengestaltung spezifisch auszubilden. Allgemein zur Frage der Einführung von Fachdiensten in das Berufsfeld Strafvollzug s. § 155. Zur Diskussion über die Einrichtung einer Vollzugsakademie: Dertinger aaO 122; Bund der Strafvollzugsbediensteten aaO.

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Die in der Behandlungsuntersuchung anfallenden Unterlagen werden nicht Teil der Gefangenenpersonalakte. Sie sind gesondert und gegen unbefugte Kenntnisnahme sorgfältig gesichert aufzubewahren (z. B. Regelung in N W durch Richtlinien für das Einweisungsverfahren; danach bleiben Untersuchungsunterlagen als Hausakten bei der Einweisungsanstalt). Zur Gefangenenpersonalakte auch bei § 108 Rdn. 9, § 115 Rdn. 7, § 120 Rdn. 3; §§ 162ff Rdn. 5.

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9. Für den mitwirkenden Psychologen bestehen Probleme des Schweigerechts bzw. der Schweigepflicht. Müller-Dietz stellt in einem (nicht veröffentlichten) Gutachten „Zur rechtlichen Stellung des Anstaltspsychologen" zum Thema Schweigepflicht fest, daß die Mitwirkung in Diagnostik und Therapie den Anstaltspsychologen in Kollision mit rechtlichen Bestimmungen über Verschwiegenheit und Schweigepflicht bringen kann. Verschwiegenheitsgebote ergeben sich aus der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit. Hier entsteht jedoch durch innerbehördliche Weitergabe psychodiagnostischer Befunde keine Interessenkollission. Über die Weitergabe an Dritte entscheidet in diesem Fall durch Erteilung der Aussagegenehmigung der Behördenleiter. Anders die Schweigepflicht des Psychologen nach § 203 StGB: Hier bedarf nach Müller-Dietz die Weitergabe von Befunden stets eines Rechtfertigungsgrundes. Bei diagnostischen Aufgaben, die vom StVollzG gefordert werden, wie z. B. der Behandlungsuntersuchung, die der Gefangene zu dulden hat, liegen Rechtfertigungsgründe vor. Bei Stellungnahmen zu und Uberprüfung von Vollzugsentscheidungen liegt es im Interesse des Gefangenen, alle überprüfungsfähigen Daten mitzuteilen und weiterzugeben, so daß hier die Einwilligung zur Weitergabe vorausgesetzt werden kann. 104

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Behandlungsuntersuchung. Beteiligung des Gefangenen

§6

Insgesamt ergeben sich daher Schwierigkeiten aus den gesetzlichen Bestimmungen zur Schweigepflicht für den Psychologen nur im therapeutischen Bereich, der allerdings dringend einer normativen Regelung bedarf. 10. § 6 Abs. 1 Satz 2 versucht in Verbindung mit W zu § 6 Behandlungsun- 21 tersuchung und Vollzugsdauer aufeinander abzustimmen. Behandlungsanspruch und Behandlungsnotwendigkeit können auch bei kurzen Strafen vorliegen (so auch Fachausschuß I des Bundeszusammenschlusses für Straffälligenhilfe, Jung/Müller-Dietz aaO 17). Dies stellt sich allerdings in der Regel erst nach der Behandlungsuntersuchung heraus. Ergebnisse einer Behandlungsuntersuchung können für den Gefangenen auch dann von Bedeutung sein, wenn aus zeitlichen Gründen eine Behandlung im Vollzug nicht mehr in Frage kommt, Hilfen im Rahmen der Behandlung nach der Entlassung jedoch geboten erscheinen (Prinzip der Verzahnung des Vollzuges mit nachfolgenden Betreuungsinstanzen, s. auch § 154 Abs. 2). Die Vorschrift § 6 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit W zu § 6 ist daher nicht starr anzuwenden. Zwar ist der Gesetzgeber der Meinung, daß angesichts der schwierigen Personalsituation im Vollzug eine Behandlungsuntersuchung bei kurzen Strafen nur eine unnötige Arbeitsbelastung verursachen würde (BT-Drucks. 7/918, 49 und BT-Drucks. 7/3998, 7). Dies berechtigt jedoch nicht zu einer schematischen Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 2. Die Fassung von § 6 Abs. 1 gegenüber RE in den Beratungen des Sonderausschusses Strafrechtsreform hat klarstellen wollen, daß auch bei kurzer Vollzugsdauer eine Erforschung der Persönlichkeit und der Lebensverhältnisse des Gefangenen grundsätzlich erwünscht ist (BT-Drucks. 7/3998, 7). Nach Calliess/ Müller-Dietz Rdn. 5 kann die Vollzugsdauer nur ein zusätzliches Indiz für das Erfordernis einer Behandlungsuntersuchung sein. Lediglich wenn „durch die Untersuchung keine Kenntnisse zu erlangen sind, die für eine planvolle Behandlung des Gefangenen im Vollzuge notwendig sind, weil die Vollzugsdauer zu kurz i s t , . . . ist die Behandlungsuntersuchung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 nicht geboten" (aaO). Damit bleibt W zu § 6 allerdings schwer vereinbar mit § 6 Abs. 1 (Müller-Dietz 100). Eine ähnliche Auffassung vertritt Kaiser mit der Empfehlung von zwei Modellen der Persönlichkeitserforschung für Langzeitund für Kurzzeitfälle (Kaiser in: Kaiser/Kerner/Schöch § 9 Rdn. 15; vgl. auch Dolde/Jehle ZfStrVo 1986, 195 ff).

III. Beispiele Eine Behandlungsuntersuchung wird zweckmäßigerweise folgendermaßen ge- 2 2 staltet: 1. Erhebungen zur Vorgeschichte (Anamnese) durch den Sozialdienst. Auswertung aktenkundiger Daten im Vergleich mit den Angaben des Gefangenen. Aus den Akten übernommene Daten sollten nie als festgeschrieben hingenommen werden (insoweit richtige Kritik Brüsten 118). Übernommene Daten sind vielmehr mit dem Gefangenen zu erörtern und ggf. nach seinen'Angaben zu Hans-Georg Mey

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ergänzen bzw. zu korrigieren. Bei der Aufnahme der Vorgeschichte empfiehlt sich die Verwendung standardisierter Anamnesebögen, um einmal die Vollständigkeit der Erhebung, zum anderen ihre eventuell geplante statistische Auswertung zu sichern. Auch bei der Erhebung zur Vorgeschichte ist das Verhalten des Gefangenen wie in allen anderen Situationen während der Behandlungsuntersuchung sorgfältig zu beobachten und zu protokollieren. Zur Behandlungsuntersuchung durch qualifiziertes Personal Rdn. 11. Bereits vorliegende wichtige Informationsquellen zur Persönlichkeit des Gefangenen und zu seiner sozialen Situation finden sich für gewöhnlich im Urteil, in den Berichten der Gerichtshilfe und der Bewährungshilfe sowie in Sachverständigengutachten. Für die Stellung einer Verlaufsdiagnose sind die Personalakten aus früheren Aufenthalten in einer JVA heranzuziehen. Ihre Beiziehung und die Anforderung von Sachverständigengutachten werden vielfach aus Bequemlichkeitsgründen gescheut, sind jedoch leicht zu organisieren (nachdrücklich Böhm 115). Im Strafverfahren erstattete Sachverständigengutachten zur Persönlichkeit sollen gemäß § 31 Abs. 2 StVollstrO mit den Vollstreckungsunterlagen an die zuständige Justizvollzugsanstalt übersandt werden. 23

2. Verhaltensbeobachtungen (alle Dienste). Die Organisationsstruktur der Anstalt muß dafür Sorge tragen, daß ganz allgemein, insbesondere aber zur Durchführung der Behandlungsuntersuchung systematische Verhaltensbeobachtung der Gefangenen möglich ist. Da der allgemeine Vollzugsdienst und der Werkdienst die häufigsten Kontakte mit den Gefangenen haben, muß das hier eingesetzte und der Zugangsabteilung fest zugeordnete Personal für diese Aufgabe besonders ausgebildet werden (anstaltsinterne Ausbildungsmöglichkeiten z. B. nach: Paritätisches Bildungswerk Rheinland-Pfalz/Saarland aaO). Aber auch alle übrigen an der Behandlungsuntersuchung beteiligten Bediensteten sind dazu anzuhalten, den Gefangenen während der Kontakte mit ihnen zu beobachten und die Beobachtungen schriftlich festzuhalten. Das Verhalten des Gefangenen in Gruppen kann z. B. während der Informationsveranstaltungen für Zugänge beobachtet werden (vgl. § 5 Rdn. 12). Zwischen dem Verhalten des Gefangenen als einzelnem und als Mitglied einer Gruppe treten oft gravierende Unterschiede auf. Situationen zu intensiver Verhaltensbeobachtung finden sich bei Sport, Spiel und Freizeitbeschäftigung. Auch hier muß systematische Verhaltensbeobachtung nicht nur während der Dauer der Behandlungsuntersuchung, sondern auch während des späteren Vollzuges sichergestellt werden.

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3. Standardisierte Untersuchungsverfahren (Tests) zur Erfassung der Persönlichkeit des Gefangenen werden aus rationellen Gründen durch den psychologischen Dienst möglichst in der Gruppe durchgeführt. Es empfiehlt sich daher, die unbedingt notwendigen und in der Gruppe durchführbaren Untersuchungsverfahren zu einer Einheit zusammenzufassen (z. B. Intelligenztests, Arbeitsprobe, Persönlichkeitsfragebogen, Schulleistungstests). Darüber hinaus sind Untersuchungsverfahren bereitzuhalten, die bei Bedarf im Einzelfall zusätzlich an106

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§7

Vollzugsplan

wendbar sind und die nach Möglichkeit ebenfalls zur Anwendung in Gruppen geeignet sein sollten. Die Verwendung sogenannter projektiver Testverfahren (z. B. Rorschach-Test; T. A. T.) ist im Methodenverständnis der heutigen Psychologie umstritten. Eine negative Bewertung dieser Verfahren ist allerdings oft weniger eine Frage der Verläßlichkeit und diagnostischen Valenz dieser Tests, sondern eher abhängig von der diagnostischen Ausbildungsbreite des anwendenden Psychologen. Projektive Verfahren können bei genauer Kenntnis ihrer Schwächen und Vorzüge durchaus zu sinnvoll verwertbaren Ergebnissen führen. 4. Das Explorationsgespräch basiert auf der Zusammenfassung der ermittel- 2 5 ten Daten und der inzwischen vorliegenden Untersuchungsergebnisse. Ein vorläufiger Gesamtbefund aus Anamnese, Beobachtungen und Tests ist zu Beginn eines solchen Gesprächs vorhanden. Nunmehr erörtern der Gefangene und der mit dem Abschluß der Untersuchung beauftragte Bedienstete („Federführer") diese Befunde, der Gefangene nimmt zu ihnen Stellung, der Bedienstete (z. B. ein Psychologe) zeigt Konsequenzen auf, die sich aus den Befunden ergeben, der Gefangene wird veranlaßt, seine Einstellungen zu seiner Vergangenheit, seiner jetzigen Situation und zu seinen Perspektiven für die Zukunft darzulegen. Schließlich versuchen beide gemeinsam, die sich aus dem Gesamtbefund ergebenden Aussichten und Möglichkeiten zu definieren, sowie Motivation für notwendige Veränderungen zu wecken. Die Behandlungsuntersuchung geht hier mit einer Planungsberatung (§ 6 Abs. 3) bereits konkret in Behandlung über. Beachte auch Rdn. 13.

§7 Vollzugsplan (1) Auf Grund der Behandlungsuntersuchung (§ 6) wird ein Vollzugsplan erstellt. (2) Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Behandlungsmaßnahmen : 1. die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug, 2. die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt, 3. die Zuweisung zu Wohngruppen und Behandlungsgruppen, 4. den Arbeitseinsatz sowie Maßnahmen der beruflichen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung, 5. die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung, 6. besondere Hilfs- und Behandlungsmaßnahmen, 7. Lockerungen des Vollzugs und 8. notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung. (3) Der Vollzugsplan ist mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in Einklang zu halten. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen. Hans-Georg Mey

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

Schrifttum Jung Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug: Der Vollzugsplan, in: JuS 1986, 49 ff; Lösel/Köferl/Weber Meta-Evaluation der Sozialtherapie. Qualitative und quantitative Analysen zur Behandlungsforschung in sozialtherapeutischen Anstalten im Justizvollzug, Stuttgart 1987; Mey Zum Begriff der Behandlung im Strafvollzugsgesetz (aus psychologisch-therapeutischer Sicht) in: ZfStrVo 1987, 42 ff; Mey/Schmidt Die Planung der Behandlung im Jugendstrafvollzug — Vollzugs- und Behandlungsplan — (Durchführung und Fortschreibung), in: Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Tagungsberichte der Jugendstrafvollzugskommission, Band VI, Bonn 1978, 37; Neufeind „Planvolle Behandlung" als Gegenstand der Behandlungsuntersuchung und des Vollzugsplans (§§ 6, 7 StVollzG), in: J Z 1980, 603 ff; Ortmann Resozialisierung im Strafvollzug, Freiburg 1987; Rehn Sozialtherapie und sozialtherapeutische Anstalt, in: MschrKrim 1975, 69 ff; Schlußbericht Jugendstrafvollzugskommission, 1980; Staiber Kriminalpolitik und Strafvollzug, Berlin 1978; Steller Sozialtherapie statt Strafvollzug, Köln 1977. Übersicht I. Allgemeine Hinweise 1. Wesen des Vollzugsplans . . . 2. Definitorische Abgrenzung. . 3. Vollzugsplanung in der Vollzugswirklichkeit II. Erläuterungen 1. Zusammenhang zwischen Behandlungsuntersuchung und Vollzugsplan

1

Rdn. 1-3 1 2 3 4-13

2. 3. 4. 5.

Vollzugsplankonferenz . . . . Inhalt des Vollzugsplans . . . Behandlungsplan Wohngruppen und Behandlungsgruppen 6. Persönlichkeitsentwicklung des Gefangenen und Vollzugsplan

Rdn. 6 7

9-11

4-5

I. Allgemeine Hinweise 1. Der Vollzugsplan ist das wichtigste Ergebnis des Aufnahmevollzuges

{Böhm 112). H i e r k o m m t der G r u n d s a t z des StVollzG z u m A u s d r u c k , durch die Bestimmungen über die Behandlungsuntersuchung (§ 6) und den darauf aufbauenden Vollzugsplan eine individualisierende Behandlung des Gefangenen zu ermöglichen. Vorschriften zur Vollzugsplanung hat es zwar in N r . 58 (4) D V o l l z O bereits gegeben, sie sind jedoch im StVollzG eingehender gestaltet und begründen auch erstmalig das Recht des Gefangenen auf eine ihm angemessene Vollzugsplanung. D e r Vollzugsplan konkretisiert die Erreichung des Vollzugsziels im Einzelfall in F o r m eines Rahmenplanes. E r ist eine Orientierungshilfe sowohl für den Gefangenen als auch für alle an der Behandlung beteiligten Mitarbeiter ( O L G Frankfurt ZfStrVo 1985, 170; O L G K o b l e n z ZfStrVo 1986, 58). Eine solche Planung eröffnet schließlich weitere Aspekte in der Behandlung aus einer „Verbundzuständigkeit" gem. § 154 A b s . 2. D i e Vollzugsplanung wird dadurch unter Einbeziehung der Untersuchungshaft z u m Unterteil eines G e s a m t p l a n e s z u r G e g e n s t e u e r u n g gegen abweichendes Verhalten in der F o r m intensiver oder chronischer Kriminalität (Vorstellungen über einen Gesamtplan: Schlußbericht Jugendstrafvollzugskommission 9 und Böhm 112). 108

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§7

Vollzugsplan

2. Zu unterscheiden ist der Vollzugsplan vom Behandlungsplan (Rdn. 8) und 2 vom Vollstreckungsplan. Der Vollstreckungsplan bestimmt, in welcher Anstalt der einzelne Gefangene einzuweisen ist (s. Rdn. 2 zu § 152). Der Vollzugsplan legt für jeden Gefangenen fest, was mit ihm während seiner Vollzugszeit geschehen soll (Schöch in: Kaiser/Kerner/Schöch § 6 Rdn. 29). Aus der Begründung zum R E (BT-Drucks. 7/918, 49) stammt der Begriff des Behandlungsplans. Er stellt einen besonderen Teil des Vollzugsplans dar und wird als Regelung der auf den Gefangenen anzuwendenden therapeutischen Behandlung durch Fachdienste aufgefaßt (Müller-Dietz 100; Kerner in: Kaiser/Kerner/Schöch § 13 Rdn. 18). 3. Obwohl der Vollzugsplan ein Kernstück des behandlungsorientierten Voll- 3 zuges ist, hat sich die Praxis seiner Gestaltung ähnlich wie die der Behandlungsuntersuchung in den Bundesländern und in den einzelnen Anstalten sehr unterschiedlich entwickelt (vgl. zur Behandlungsuntersuchung § 6 Rdn. 14 f). Die Vollzugsplangestaltung reicht von einer schlichten Zuweisung zu einem Arbeitsplatz und der Anordnung der Unterbringung auf einer gerade frei gewordenen Zelle nach Durchführung eines kargen Zugangsgesprächs anstelle einer Behandlungsuntersuchung bis hin zur interdisziplinären Diagnose in einer Einweisungsanstalt (§ 6 Rdn. 15) mit dezidierten Empfehlungen unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Zeit. Nicht immer verhindern allein die bescheidenen Sach- und Personalausstattungen der Anstalten und der Bundesländer die bestimmungsgemäße Aufstellung des Vollzugsplans. Es bietet sich damit ein vielfältiges Bild organisatorischer Formen der Vollzugsplangestaltung, wobei mitunter nicht einmal der Anschein der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben gewahrt ist. So stellt z. B. Staiber aaO 6 fest, daß nur in etwa 10% aller Fälle der nach dem Gesetz vorgeschriebene Vollzugsplan erstellt werde. Neuere Erhebungen sind nicht bekannt. II. Erläuterungen 1. Im System des StVollzG ist der Vollzugsplan (Rdn. 8: Abgrenzung zum 4 Behandlungsplan) eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiete des Strafvollzuges (§ 109; zur Frage der Rechtsbehelfe s. §§ 1 0 8 - 1 2 1 und speziell O L G Hamm ZfStrVo 1979, 63; K G 8.6. 1982 2 Ws 69/82, LS ZfStrVo 1983, 181; § 109 Rdn. 11). Der Gefangene hat ein Recht auf die Aufstellung des Vollzugsplans ( O L G Hamm aaO; O L G Nürnberg ZfStrVo 1982, 308; L G Berlin StrafV 1982, 476) unter der Voraussetzung, daß eine Behandlungsuntersuchung gemäß § 6 durchgeführt worden ist (§ 6 Rdn. 8). Gefangene, bei denen die Durchführung der Behandlungsuntersuchung mit Rücksicht auf die Vollzugsdauer nicht geboten erscheint, haben diesen Anspruch nicht. Diese Konsequenz ist unbefriedigend. Wie bereits in § 6 erörtert (Rdn. 21), kann die Aufstellung eines Vollzugsplans bei Gefangenen mit kürzerer Vollzugsdauer ebenfalls empfehlenswert sein, insbesondere unter Berücksichtigung von Maßnahmen, die über die Entlassung hinaus den Ubergang in die Hans-Georg Mey

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

Freiheit positiv steuern können. Die Vollzugsbehörde ist in diesen Fällen an der Aufstellung eines Vollzugsplans nicht gehindert. Seine Ausgestaltung ist dann nach Art und Umfang auf die Kürze der zur Verfügung stehenden Strafzeit abzustellen. 5

Die Durchführung der Behandlungsuntersuchung durch eine Einweisungsanstalt (§ 6 Rdn. 15) oder durch die Aufnahmeabteilung der jeweils unmittelbar zuständigen Anstalt führt zwingend zur Aufstellung des Vollzugsplans (Calliess/ Müller-Dietz Rdn. 1; O L G Hamm ZfStrVo 1979, 63). Beschluß und Empfehlungen der Einweisungsanstalt stellen aber noch nicht den eigentlichen Vollzugsplan dar, sie sollen lediglich seine Aufstellung vorbereiten und ermöglichen ( O L G Hamm aaO). Der Gefangene hat zwar einen Rechtsanspruch auf die Einhaltung der Mindestanforderungen, die gemäß § 7 Abs. 2 an den Vollzugsplan zu stellen sind. Dieses Recht kann jedoch nicht auf die Empfehlungen der Einweisungsanstalten ausgedehnt werden. Der Rechtsanspruch des Gefangenen auf die Aufstellung des Vollzugsplans ist zu konkretisieren. Der Vollzugsplan muß auf einer Beratung in einer Konferenz nach § 159 beruhen und in schriftlicher Form fixiert werden ( O L G Hamm aaO). Das mündliche Gespräch ersetzt nicht die schriftliche Form. Der Gefangene hat jedoch kein Recht zu verlangen, daß bestimmte Behandlungsmaßnahmen in den Vollzugsplan aufgenommen werden ( O L G Hamm aaO; O L G Nürnberg aaO; O L G Frankfurt ZfStrVo 1983, 245 = NStZ 1983, 381 mit Anm. Rotthaus; O L G Celle ZfStrVo 1985, 243); insoweit steht ihm nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des der Vollzugsanstalt zustehenden Ermessens zu). Vgl. auch § 4 Rdn. 11. Einzelanordnungen allerdings müssen mit den im Vollzugsplan enthaltenen Angaben über Behandlungsmaßnahmen in Einklang stehen ( O L G Celle NStZ 1982, 136). Schöch in: Kaiser/Kerner/Schöch § 6 Rdn. 29 bejaht entgegen O L G Karlsruhe ZfStrVo 1980, 184 das Recht des Gefangenen auf Aushändigung einer Abschrift des Vollzugsplans (ebenso Calliess/Müller-Dietz § 7 Rdn. 1). Er hält die Begründung des O L G Karlsruhe, der Vollzugsplan könne auch geheimzuhaltende Tatsachen aus der Gefangenenpersonalakte enthalten, zu Recht nicht für stichhaltig (vgl. Rdn. 12; vgl. auch O L G Celle ZfStrVo 1985, 169). Zur Aushändigung von Einweisungsunterlagen an Gefangene § 6 Rdn. 13.

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2. Die Entscheidung über den Vollzugsplan muß nach Beratung in einer Konferenz gefällt werden (§ 159). Teilnehmer derartiger Konferenzen sollen die an der Behandlung maßgeblich Beteiligten sein. Da bei der Aufstellung des Vollzugsplans mit der Behandlung bestenfalls begonnen wird, bleibt unklar, wer außer dem Anstaltsleiter an dieser Konferenz teilnehmen soll. Die Konferenzleitung sollte an einen besonders befähigten Abteilungsleiter delegiert werden, zweckmäßigerweise an einen Angehörigen der Fachdienste. Die übrigen Teilnehmer nach § 159 können sinnvollerweise nur diejenigen sein, die an der Behandlung des jeweils in Rede stehenden einzelnen Gefangenen konkret beteiligt sind (s. § 159 Rdn. 3). Bei der ersten Vollzugsplankonferenz nach § 159 können

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Vollzugsplan

daher die Teilnehmer nur die Beteiligten an der bisher durchgeführten Behandlungsuntersuchung sein. Darüber hinaus sollen die Betreuer während der bisherigen Vollzugszeit (einschließlich Aufsichts- und Werkdienst) und diejenigen Bediensteten hinzugezogen werden, die nach dem in Aussicht genommenen Vollzugsplan für die weitere Durchführung des Vollzuges und der Behandlung zuständig sein werden. Erst bei Konferenzen zur Fortschreibung und weiteren Uberprüfung des Vollzugsplans können die Teilnehmer nach der in § 159 vorliegenden Definition ausgewählt werden (§ 159 Rdn. 5). Die Anwesenheit des Gefangenen bei der Vollzugsplankonferenz ist zweckmäßig. Nach § 6 Abs. 3 ist ohnehin vorgesehen, die Planung der Behandlung mit ihm zu erörtern. Seine Teilnahme an der Vollzugsplankonferenz erleichtert ihm das Verständnis der in Aussicht genommenen Maßnahmen und fördert damit gleichzeitig seine Motivation. Vgl. auch § 6 Rdn. 12; § 159 Rdn. 7. 3. § 7 Absatz 2 regelt ausführlich die Frage des inhaltlichen Mindestumfangs 7 des Vollzugsplans. Der Vollzugsplan darf allerdings nicht nur die nach § 7 Abs. 2 Nr. 1—8 getroffenen einzelnen Entscheidungen aufzählen. Er muß darüber hinaus auch erkennen lassen, daß die Entscheidungen aus dem Ergebnis der Behandlungsuntersuchung abgeleitet worden sind. Zur Gewinnung des Behandlungsergebnisses im einzelnen § 6 Rdn. 22 ff. Die Aufstellung eines Zeitplans für einen sinnvoll abgestimmten Verlauf des Vollzuges ist sowohl aus Behandlungs- wie auch aus organisatorischen Gründen notwendig, aber auch schwierig. Insbesondere bei Gefangenen mit langen Strafen wird es noch nicht möglich sein, zu allen Punkten von § 7 Abs. 2 unmittelbar nach der Behandlungsuntersuchung konkrete Aussagen zu machen. Auch dies muß in den Vollzugsplan aufgenommen werden mit dem gleichzeitigen Hinweis auf die Inaussichtnahme des Zeitpunkts einer späteren Entscheidung ( O L G Hamm ZfStrVo 1979, 63). Bereits aus diesen Gründen sind Fortschreibungsfristen individuell festzulegen ( O L G Celle ZfStrVo 1985, 244). Die Aufzählung über den Inhalt des Vollzugsplans nach § 7 Abs. 2 Nr. 1—8 ist nicht abschließend. So empfiehlt es sich, regelmäßig auch einen Urlaubsplan aufzustellen und das Überbrückungsgeld (s. Rdn. 4 ff zu § 51) festzusetzen. Andere notwendige Entscheidungen oder in Aussicht genommene Behandlungsmaßnahmen sollen — falls notwendig — den Vollzugsplan vervollständigen. Insbesondere für die Planung therapeutischer Maßnahmen läßt § 7 Abs. 2 Raum, da im Gesetz außer in § 37 Abs. 5 besondere therapeutische Maßnahmen nicht erwähnt werden. Die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt (§ 7 Abs. 2 Nr. 2) wird wegen der Schwierigkeit der Diagnose und zeitlichen Prognose in den einzelnen Bundesländern nach verschiedenen Organisationsmodellen gehandhabt. Ist eine Maßnahme in den Vollzugsplan aufgenommen, muß sie auch durchgeführt werden (Calliess/Müller-Dietz Rdn. 2), es sei denn, sie wird nach § 7 Abs. 3 änderungsbedürftig. Die Änderung muß begründet werden {Calliess/Müller-Dietz § 7 Rdn. 2; O L G Frankfurt ZfStrVo 1985, 111, 114; O L G Celle ZfStrVo 1989, 116; O L G Karlsruhe ZfStrVo 1989, 310). Auch bei Hans-Georg Mey

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§7

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

Verlegung in eine andere Anstalt behält der Vollzugsplan seine Bedeutung (OLG Koblenz ZfStrVo 1986, 58 = NStZ 1986, 92; KG NStZ 1990, 559); zu den Voraussetzungen einer Änderung bei Verlegung in die sozialtherapeutische Anstalt: O L G Zweibrücken ZfStrVo 1988, 367 = NStZ 1988, 431. § 7 Abs. 3 soll verhindern, daß der Vollzugsplan eine negative Festschreibungsfunktion erhält (Rdn. 13). Stärker als alle anderen behandlungsorientierten Vorschriften des Gesetzes muß der Vollzugsplan flexible Möglichkeiten zur schnellen und wirksamen Anpassung an veränderte Verhältnisse sicherstellen (dazu Neufeind aaO 603 ff und im Bereich des Jugendvollzuges Mey/Schmidt aaO 37 ff). Zum Strafvollzug als einheitlichem Prozeß auch Vorbem. zu §§ 5 bis 7 Rdn. 1. Den Vollzugsplan als Ganzes kann der Gefangene nicht anfechten (KG ZfStrVo 1984, 370; OLG Koblenz ZfStrVo 1990, 116), weil er selbst keine Maßnahme, sondern nur einen Plan für die Vollzugsgestaltung darstellt, wohl aber die einzelnen dort angeordneten Regelungen (KG ZfStrVo 1987, 245). 8

4. Vom Vollzugsplan zu unterscheiden ist der Behandlungsplan. Er ist dem Vollzugsplan untergeordnet und regelt die Konkretisierung einzelner Elemente des Vollzugsplans durch behandelnde Fachkräfte (BT-Drucks. 7/918, 49). Im Gesetz ist der Behandlungsplan nicht besonders geregelt. Die Benutzung der Begriffe Behandlungsuntersuchung (§ 6 Abs. 1; § 7 Abs. 1), Planung der Behandlung (§ 6 Abs. 3), Vollzugsplan (§ 7) und Behandlungsplan führt leicht zu terminologischer Verwirrung. Die Trennung von Vollzugsplan und Behandlungsplan ist darüber hinaus unzweckmäßig, weil mit dem Behandlungsplan therapeutische Maßnahmen von Fachkräften eine zu stark herausgehobene und damit isolierte Bedeutung erhalten. So haben sozialtherapeutische Erfahrungen gezeigt, daß eine Verbesserung der Effizienz des Strafvollzuges weniger durch Einsatz spezifischer psychotherapeutischer Methoden als vielmehr durch ein bis in alle Funktionen abgestimmtes Behandlungsklima zu erreichen ist (beachte jedoch § 9 Rdn. 6). In diesem Sinne sind Rehn und Steller zu verstehen, wenn sie als Sozialtherapie die Behandlung delinquenter Klienten in Institutionen definieren, wobei es darauf ankomme, verschiedene Behandlungsmethoden im weitesten Sinne in einem die gesamte Institution erfassenden Interventionsplan zusammenzuführen (Rehn aaO; Steller aaO 13; zu einem umfassenden Behandlungsbegriff: Calliess/ Müller-Dietz § 4 Rdn. 6; Mey aaO 45; vgl. auch § 141 Rdn. 5). Folgt man ihnen, so wäre die Abhängigkeit der Begriffe Vollzugsplan/Behandlungsplan genau umzukehren und der Vollzugsplan als wesentlicher Bestandteil des übergreifenden Behandlungsplans anzusehen (Zur Zurückhaltung des Gesetzgebers gegenüber dem Behandlungsbegriff Jung aaO 50). Zwar stellt der Gesetzgeber in BTDrucks. 7/918, 49 fest, daß der Vollzugsplan als Rahmenplan die am Vollzug Beteiligten zur Zusammenarbeit anregt. Dennoch verbleibt es trotz dieser Erkenntnis bei der strikten Unterscheidung zwischen Vollzugsplan und Behandlungsplan. Der gesetzlich ungeregelte Begriff des Behandlungsplans hat allerdings den Vorteil, daß dadurch in Verbindung mit den ebenfalls nicht definierten 112

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Vollzugsplan

besonderen Hilfs- und Behandlungsmaßnahmen (§ 7 Abs. 2 Nr. 6) die Anwendung und Erprobung vielfältiger Behandlungsmethoden möglich ist. Diese Möglichkeit ist auch im Rahmen verschiedener sozialtherapeutischer Konzepte genutzt worden. (Zur Meta-Evaluation der Sozialtherapie Lösel aaO). 5. Die in § 7 Abs. 2 aufgezählten Mindestregelungen des Vollzugsplans stehen 9 mit anderen Regelungen des Gesetzes in Verbindung: Nr. 1 mit §§ lOf; Nr. 2 mit § 9; Nr. 3 mit §§ 17f; Nr. 4 und 5 mit §§ 37ff; Nr. 6 mit §§ 9, 56; Nr. 7 mit § 11; Nr. 8 mit § 15. Probleme ergeben sich lediglich aus den Nrn. 3 und 6. § 7 Abs. 2 Nr. 3 schreibt die Zuweisung zu Wohngruppen zwingend vor und 1 0 sieht darin eine Behandlungsmaßnahme (Calliess/Müller-Dietz Rdn. 4). In Verbindung mit § 143 Abs. 2 ergibt sich daraus, den sogenannten Wohngruppenvollzug in allen Anstalten zur Regel zu machen. Ob die Zuweisung zu einer Wohngruppe bereits Behandlung ist und insbesondere das Individualisierungsprinzip der Behandlung (§ 6 Rdn. 5) erfüllt, mag dahingestellt bleiben. Die Unterbringung der Gefangenen in Wohngruppen ist jedoch Voraussetzung dafür, das Leben in der Anstalt zu einem natürlichen sozialen Trainingsfeld zu gestalten und das Klima der gesamten Anstalt dem einer problemlösenden Gemeinschaft anzunähern. Nicht zu verkennen ist dabei allerdings auch, daß hier durch den unmittelbaren Kontakt des Personals mit den Gefangenen eine besondere Belastung auftritt. Jeder Bedienstete muß im Wohngruppenvollzug das Verhältnis von Distanz und Nähe zum Gefangenen besonders sorgfältig austarieren. Notwendig ist daher ständige Praxisberatung von Bediensteten, die im Wohngruppenvollzug tätig sind. Vgl. auch § 143 Rdn. 4. Von der Wohngruppe zu unterscheiden ist die Behandlungsgruppe (vgl. auch 11 § 143 Rdn. 5). Die hier zusammengefaßten Gefangenen gehören meist zu verschiedenen Wöhngruppen. Die Gruppe wird gebildet zum Zweck der Durchführung besonderer Behandlungsmaßnahmen, von denen allerdings die Maßnahmen nach § 7 Abs. 2 Nr. 6 zu unterscheiden sind. Denkbar wäre allerdings, daß Methoden wie „group counselling" oder soziales Training (§ 74 Rdn. 12) auch in geschlossenen Wohngruppen durchführbar sind (hierzu Kerner in: Kaiser/Kerner/Schöch § 16 Rdn. 11). Maßnahmen nach § 7 Abs. 2 Nr. 6 sind dagegen spezielle methodisch ausgerichtete Therapieformen oder Trainingsabläufe, aber auch gezielte Einzelhilfemaßnahmen. 6. Dem Gefangenen wird das Ergebnis der Vollzugsplankonferenz eröffnet, 1 2 auch wenn mit ihm die Planung des Vollzuges bereits gem. § 6 Abs. 3 erörtert worden ist (Rdn. 6). Er hat zwar das Recht auf Aushändigung einer Abschrift des Vollzugsplans (s. Rdn. 5), dies berechtigt ihn jedoch nicht zur Einsichtnahme in die dem Vollzugsplan zugrundeliegenden Unterlagen. Vgl. auch § 6 Rdn. 1 und § 152 Rdn. 12. Nach § 7 Abs. 3 ist der Vollzugsplan mit der Entwicklung des Gefangenen 1 3 und den weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in Einklang zu Hans-Georg Mey

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§ 8

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

halten, wobei bereits im Vollzugsplan individuell angemessene Fristen zur Uberprüfung festzulegen sind. Daraus ergeben sich Folgerungen wegen der auch konzeptionell begründeten Prozeßdynamik des Vollzuges (Vorbem. zu §§ 5 bis 7 Rdn. 1). Dementsprechend muß mit § 7 Abs. 3 der Gefahr begegnet werden, daß der Gefangene mit der Diagnose aus der Behandlungsuntersuchung unveränderlich abgestempelt bleibt (Rdn. 7). Darüber hinaus enthält diese Vorschrift eine Anweisung zur organisatorischen Gestaltung des Vollzuges. Die fortlaufende Uberprüfung des Vollzugsplans, die gemäß § 159 wiederum in einer Konferenz zu geschehen hat, muß sich nach den Bedingungen des Einzelfalls ausrichten. Es empfiehlt sich daher, zur Uberprüfung zunächst grundsätzlich feste zeitliche Abstände zu bestimmen, von denen dann mit Einzelverfügung abgewichen werden kann (z. B. wegen veränderter Gesamtstrafdauer oder wegen einer konstanten Gesamtentwicklung des Gefangenen).

§8 Verlegung. Überstellung (1) Der Gefangene kann abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere für den Vollzug der Freiheitsstrafe zuständige Anstalt verlegt werden, 1. wenn die Behandlung des Gefangenen oder seine Eingliederung nach der Entlassung hierdurch gefördert wird oder 2. wenn dies aus Gründen der Vollzugsorganisation oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist. (2) Der Gefangene darf aus wichtigem Grund in eine andere Vollzugsanstalt überstellt werden. VV 1 (1) Wichtige Gründe für eine Uberstellung sind namentlich a) Besuchszusammenführung, wenn ein Besuch in der zuständigen Anstalt nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich ist; b) Ausführung und Ausgang am Ort oder in Ortsnähe einer anderen Anstalt; c) Vorführung und Ausantwortung am Ort oder in Ortsnähe einer anderen Anstalt; d) Begutachtung und ärztliche Untersuchungen. (2) Überstellungen sind nur im Einvernehmen mit der aufnehmenden Anstalt zulässig. Dies gilt nicht bei Vorführungen und Ausantwortungen. 2 Auf begründeten Antrag darf der Gefangene einer Polizeibehörde ausgeantwortet werden.

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befristet

§8

Verlegung. Überstellung

I. Allgemeine Hinweise 1. Verlegung hier nicht abschließend geregelt 2. Vollstreckungsplan und Möglichkeit der mehrfachen Verlegung während des Strafvollzuges 3. Verlegung in eine für den Wohnort zuständige Anstalt. . 4. Anstaltswechsel a) Art der Durchführung . . . b) Beschränkung der Verlegungen auf das unumgänglich notwendige M a ß . . . . c) kein totaler Neuanfang in der aufnehmenden Anstalt d) Änderung der Zuständig-

Rdn. 1 —8 1

2-3 4 5-7 6

7 7

Rdn. keit der Strafvollstrekkungskammer II. Erläuterungen 1. Begriff der Verlegung a) Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung . . b) Verlegung zur Förderung der Behandlung des Gefangenen c) Verfahren zur Verlegung . . d) Antrag auf gerichtliche Entscheidung e) Erforderlichkeit der Verlegung aus Gründen der Vollzugsorganisation 2. Die Überstellung 3. Die Ausantwortung

8 9—16 9—14 10

11 12 13

14 15 16

I. Allgemeine Hinweise 1. D i e Uberschrift V e r l e g u n g , U b e r s t e l l u n g erweckt die irrige Vorstellung, 1 als sei hier die Verlegung abschließend oder wenigstens in der Mehrzahl ihrer Fälle geregelt. Beides trifft indessen nicht zu. Im Gesetz verstreut finden sich zahlreiche weitere die Verlegung betreffende Vorschriften: § 9 Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt, § 10 in den offenen Vollzug, § 15 A b s . 2 Verlegung zur Entlassungsvorbereitung, § 65 zur besseren Krankenbehandlung, § 76 A b s . 3 zur Entbindung, § 85 zur sicheren Unterbringung, § 152 A b s . 2 zur Vorbereitung der Einweisungsentscheidung. Alle diese Spezialvorschriften gehen der allgemeinen Vorschrift des § 8 vor. Zahlenmäßig fallen besonders Verlegungen im Zuge der Entwicklung des Gefangenen im Vollzug (Progression) ins Gewicht (Rdn. 3). F ü r die Vorschrift des § 8 wäre deshalb die Uberschrift „ A b w e i c h u n g v o m V o l l s t r e c k u n g s p l a n " treffender gewesen. 2. D e r Vollstreckungsplan (§ 152), der von den Landesjustizverwaltungen für ein Bundesland — oder im Falle einer Vollzugsgemeinschaft (§ 150) für mehrere Länder — im Wege der Verwaltungsanordnung aufgestellt wird, bestimmt, in welcher Vollzugsanstalt ein Verurteilter seine Freiheitsstrafe zu verbüßen hat. In diese Anstalt gelangt der Verurteilte, wenn er entweder der L a d u n g der Vollstreckungsbehörde, der Staatsanwaltschaft, z u m Strafantritt folgt, oder aber auf deren Ersuchen — z. B . aus der Untersuchungshaftanstalt — nach dort transportiert wird. D i e Tätigkeit der Vollstreckungsbehörde richtet sich nach der S t V o l l s t r O , einer Verwaltungsvorschrift. Mit der A u f n a h m e in die Vollzugsanstalt als Selbststeller oder mit dem Ubertritt von der Untersuchungshaft in den Vollzug der Freiheitsstrafe wird der Verurteilte Strafgefangener, tritt er in den Geltungsbereich des Strafvollzugsgesetzes. D i e Vorschriften des Gesetzes gehen dann den Regelungen der StVollstrO vor ( L G Wiesbaden ZfStrVo S H 1978, 42; Karl Peter Rotthaus

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2

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

Wetterich /Hamann, Strafvollstreckung, 4. Aufl., München 1989 Rdn. 92). Zum Anwendungsbereich des StVollzG § 1 Rdn. 1 ff. 3

Im Laufe des Vollzuges kann eine andere Vollzugsanstalt zuständig i. S. d. Gesetzes werden. So kann ein Gefangener zunächst in eine Einweisungsanstalt (§ 6 Rdn. 15) aufgenommen und auf Grund einer Einweisungsuntersuchung zum weiteren Vollzug nach Gesichtspunkten der Behandlung und Eingliederung in die dafür ausgewählte Vollzugsanstalt verlegt werden (OLG Celle ZfStrVo 1980, 250; § 152 Rdn. 3; § 6 Rdn. 4). Weiterhin kann eine andere Vollzugsanstalt zuständig werden, wenn der zunächst in eine geschlossene Anstalt eingewiesene Gefangene später den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügt (§ 10 Abs. 1. Dort Rdn. 6). Entsprechendes gilt, wenn der Gefangene im offenen Vollzug versagt und deshalb in eine geschlossene Anstalt verlegt werden muß ( § 1 0 Abs. 2 Satz 2. Dort Rdn. 11 f) oder wenn ein Gefangener für eine besondere Behandlungsmaßnahme (z. B. der beruflichen oder schulischen Förderung) in eine andere Anstalt übernommen wird, bei der eine entsprechende Sonderzuständigkeit (z. B. Berufsförderungsstätte, Pädagogisches Zentrum) begründet ist. Zur beruflichen Förderung § 37 Rdn. 16 ff. Versagt er dort im Bereich der schulischen oder beruflichen Förderung oder aber im disziplinarischen Bereich, so wird wiederum die Anstalt zuständig, in der er zuvor untergebracht war (Rotthaus ZfStrVo 1983, 256, Anm. zu OLG Zweibrücken ZfStrVo 1983, 55 ff, das die Rückverlegung unter dem Gesichtspunkt der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes, entsprechend § 49 Abs. 2 VwVfG, gebilligt hatte). So kann ein Gefangener im Laufe eines längeren Strafvollzugs eine Vielzahl von Vollzugsanstalten kennenlernen, sich aber stets in der für ihn zuständigen Anstalt befinden mit der Folge, daß es sich bei all diesen Verlegungen nicht um Anwendungsfälle des § 8 handelt. Vgl. auch § 152 Rdn. 3.

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3. Verlegung in eine für den Wohnort zuständige Anstalt. Im Zeitpunkt des Übertritts in den Strafvollzug haben § 24 Abs. 1 Satz 3 und 4 StVollstrO große praktische Bedeutung für Gefangene, die in einer nicht für ihren Wohnort zuständigen Anstalt untergebracht sind: Wird eine Strafe mit einer Vollzugsdauer von mehr als sechs Monaten in einer für den Aufenthaltsort zuständigen Anstalt vollzogen, so ist der Verurteilte in die für den Wohnort zuständige Anstalt zu verlegen, wenn er es binnen zwei Wochen nach Vollzugsbeginn bei der Vollzugsanstalt beantragt. Die Vollzugsanstalt weist ihn bei Vollzugsbeginn auf diese Möglichkeit hin. Wohnort ist der O r t , an dem der Verurteilte den Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen hat.

Auf diese Weise kann ein Gefangener, der z. B. in einem von seiner Heimat entfernten Bundesland verurteilt wurde, auf einfache Weise erreichen, zur Verbüßung seiner Strafe in eine Anstalt verlegt zu werden, die seinem Lebenskreis näher liegt. Auch das ist kein Fall des § 8 dieses Gesetzes. 5

4. Der Anstaltswechsel ist ein tiefer Eingriff in das Leben des Gefangenen. Er kann ein Wechsel zum Guten oder aber zum Schlechteren sein. Zum Schlechte116

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Verlegung. Überstellung

ren, wenn der Gefangene einen guten Arbeitsplatz hatte, gute Kontakte zum Personal der Anstalt und zu Angehörigen und Freunden in der Nähe der Anstalt. Zum Guten, wenn ein schwieriger Gefangener in der neuen Anstalt einen neuen Anfang schafft, bessere Bedingungen innerhalb der Anstalt vorfindet und günstigere Kontaktmöglichkeiten nach draußen (z. B. für Besuch oder Ausgang) gewinnt. Andererseits ist ein geordneter Vollzug nur möglich, wenn die Gefangenen in der Regel in der nach dem Vollstreckungsplan zuständigen Anstalt untergebracht sind. Doch müssen der Vollzugsbehörde Verlegungen auch aus organisatorischen Gründen möglich sein, wenn Anstalten vorübergehend überbelegt oder unterbelegt sind oder anderweitig genutzt werden sollen. Das Gesetz hat sich um einen Interessenausgleich bemüht. Zum Konflikt zwischen Vollzugsziel und Aufgaben des Vollzugs vgl. auch § 2 Rdn. 16. a) Wichtig für den betroffenen Gefangenen ist auch die Art der Durchfüh- 6 rung von Verlegungen. Es besteht die Gefahr, daß der Gefangene wie ein Objekt, wie ein Transportgut behandelt wird (§ 4 Rdn. 1). Das OLG München (ZfStrVo SH 1978, 87) hat in diesem Zusammenhang mit Recht daran erinnert, daß vor einer den Gefangenen beschwerenden Maßnahme das rechtliche Gehör gewährt werden muß: „Gegen die Verlegung eines Gefangenen ohne dessen vorherige Anhörung bestehen deshalb Bedenken" (§ 115 Rdn. 6). Auch der tatsächliche Ablauf der Verlegung muß menschenwürdig gestaltet werden. So muß dem Gefangenen der Verlegungszeitpunkt rechtzeitig bekanntgegeben werden, damit er seine Habe in Ruhe packen und sich — wenn er das will — auch von Beamten und Mitgefangenen verabschieden kann. Die Durchführung der Reise eines Gefangenen von einer J V A zur anderen richtet sich nach der Gefangenentransportvorschrift (GTV), die ähnlich wie die UVollzO oder die Vollzugsgeschäftsordnung (VGO) von den Landesjustizverwaltungen vereinbart, in den einzelnen Bundesländern gilt. Sie wurde in den Ländern bekanntgemacht (für Nordrhein-Westfalen AV d. J M v. 8. 2.1963 - JMB1. S. 51 ff) und in Form eines — vergriffenen — Sonderdrucks veröffentlicht. Die Gefangenen werden regelmäßig im Sammeltransport in Omnibussen befördert, die zur Verhinderung von Entweichungen technisch gesichert sind. Im einzelnen hierzu: Romanski ZfStrVo 1988, 338 ff. Die von AK-Feest/Quensel (Rdn. 13) gegen diese Art von Personenbeförderung geäußerten Bedenken sind von der Rechtsprechung nicht anerkannt worden (OLG Celle v. 30.10.1985 - 3 VAs 15/85). Entsprechendes gilt für die dort gerügte Verletzung des Angleichungsgrundsatzes (§ 3 Abs. 1), jedenfalls soweit es um den Transport von Gefangenen des geschlossenen Vollzuges geht. Im offenen Vollzug untergebrachte Gefangene könnten demgegenüber geltend machen, daß ein gesicherter Transport für sie nicht erforderlich ist. — Unter bestimmten Voraussetzungen ist der Einzeltransport vorgeschrieben (Nr. 3 GTV). Das gilt zur Sicherstellung von Trennungsvorschriften (Nr. 3 Abs. 2 a) und f)), aus Sicherheitsgründen (Buchst, b) aaO) und vor allem aus gesundheitlichen Rücksichten (Buchst, c) bis e) aaO). Der Gefangene kann aus Karl Peter Rotthaus

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

persönlichen Gründen den Einzeltransport beantragen, der aber im allgemeinen nur „zulässig" ist, wenn er die Kosten übernimmt (Nr. 3 Abs. 3 Buchst, b)). 7

b) Diejenigen, die über Verlegungen zu entscheiden haben (s. u. Rdn. 12), müssen sich darüber im klaren sein, wie belastend Verlegungen sein können und welche Unruhe und Angst sie bei den betroffenen Gefangenen oftmals auslösen. Verlegungen sind deshalb, soweit sie nicht dem Wunsch des Gefangenen entsprechen, auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. c) In der aufnehmenden Anstalt braucht der Gefangene nicht g a n z von N e u e m a n z u f a n g e n . Der Vollzugsplan ist lediglich fortzuschreiben, nicht völlig neu zu gestalten. Das folgt aus § 7 Abs. 3, nach dem „der Vollzugsplan mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in Einklang zu halten" ist ( O L G Koblenz N S t Z 1986, 92). Auch der Besitzstand des Gefangenen an Erlaubnissen (z. B. nach §§ 69 ff) ist nach Möglichkeit zu wahren ( O L G Karlsruhe N S t Z 1990, 408; AK-Feest/Quensel Rdn. 9).

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d) Eine wichtige Auswirkung des Anstaltswechsels ist die Ä n d e r u n g der Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, die dann eintritt, wenn der Gefangene in einen anderen Landgerichtsbezirk verlegt wird. Das gilt auch dann, wenn die Verlegung während eines gerichtlichen Verfahrens über einen Verpflichtungsantrag ( B G H N S t Z 1989, 196 f: Vollzugslockerungen, B G H N S t Z 1990, 205 mit krit. Anm. Volckarf. Einzelfernsehempfang) oder ein Anfechtungsbegehren ( O L G Stuttgart N S t Z 1989, 496 f: Anhalteverfügung, nicht jedoch bei der Anfechtung einer Disziplinarmaßnahme: O L G Celle bei Bungert N S t Z 1990, 428) stattfindet. Die zunächst mit der Sache befaßte Strafvollstreckungskammer muß den Antragsteller auf die Möglichkeit der , Klageänderung' hinweisen und einen Antrag auf Verweisung anregen. Näheres hierzu insbes. § 110 Rdn. 6. II. E r l ä u t e r u n g e n

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1. Verlegung ist der auf D a u e r berechnete AnstaltsWechsel, bei dem die Beziehungen des Gefangenen zu der abgebenden Anstalt völlig abgebrochen werden. Ein Wechsel der Unterbringung innerhalb ein und derselben Anstalt, auch wenn er mit einem Ortswechsel verbunden ist (Zweiganstalt), ist keine Verlegung. Doch können bei der Entscheidung und Uberprüfung (§ 109) einer solchen Maßnahme die Rechtsgedanken des Abs. 1 herangezogen werden ( A K Feest/Quensel Rdn. 12 ff), wenn ein solcher , U m z u g ' ähnliche Folgen wie eine Verlegung hat. Die Verlegung darf n u r in eine dem Vollzug von Freiheitsstrafe dienende Anstalt erfolgen, nicht also in Anstalten, die nur dem Vollzug von Jugendstrafe, von Untersuchungshaft (vgl. § 152 Rdn. 10) oder Sicherungsverwahrung dienen, und — nach dieser Vorschrift — auch nicht in eine psychiatrische Klinik oder eine andere Einrichtung, in der die Behandlung mit Freiheitsentzug verbunden ist (dazu auch § 1 Rdn. 2). Der Behandlungsvollzug ist ein dynamischer Prozeß, dessen planmäßiger Verlauf den Gefangenen je nach seinem Entwicklungsstand und nach den erforderlichen Behandlungsmaßnahmen 118

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§8

Verlegung. Überstellung

mehrere jeweils nach Vollzugsform und Behandlungsaufgabe unterschiedliche, aber für ihn zuständige Anstalten durchlaufen läßt (Progression). Wird mit der Entwicklung des Gefangenen (z. B. Eintritt der Eignung für den offenen Vollzug — § 10 Abs. 1) eine andere Anstalt zuständig, so richtet sich der dann erforderliche Anstaltswechsel nicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 (vgl. Rdn. 3; vgl. dazu auch Vorbem. zu §§ 5 bis 7 Rdn. 1). a) Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung 10 Wie so viele Regelungen des StVollzG ist auch diese Bestimmung als „Kannvorschrift" gefaßt. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Ablehnung des Verlegungsantrags eines Gefangenen oder die Anordnung seiner Verlegung aus organisatorischen Gründen in das Belieben der Vollzugsbehörde gestellt wäre. Der Gesetzgeber wollte nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes das Ermessen der Vollzugsverwaltung an bestimmte Richtlinien binden. Die Rechtsprechung hat in zahlreichen Entscheidungen herausgestellt, daß der Gefangene Anspruch auf eine gründliche sachliche Prüfung seines Verlegungsantrags und auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens hat (§115 Rdn. 20). Raum für die Ermessensentscheidung ist freilich erst dann, wenn zuvor das Vorliegen eines Verlegungsgrundes nach Abs. 1 Ziff. 1 oder 2 festgestellt wurde (Folgeermessen — O L G Bremen StrafV 1984, 166 m. Anm. Volckart; O L G Hamm ZfStrVo 1985, 373). Die Verlegungsgründe (Rdn. 11, 14) sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die von den Gerichten voll überprüfbar sind (OLG Bremen aaO; vgl. § 115 Rdn. 22; a. A. — bedenklich — der Vollzugsbehörde wird bei Ausfüllung des Rechtsbegriffs ein Beurteilungsspielraum zugebilligt: O L G Hamm NStZ 1984, 141 f.). Eine Schwierigkeit für den Gefangenen ist allerdings, daß die Grenzen des Ermessens nur sehr allgemein umschrieben sind, sich gesetzlich auch wohl nicht näher konkretisieren lassen. Das zwingt die Vollzugsverwaltung dazu, eine Art „ständige Praxis" dafür zu entwickeln. Der Außenstehende kann von diesen Verwaltungsbräuchen nur gelegentlich durch Gerichtsentscheidungen erfahren oder aber durch Auskünfte der Vollzugsbehörden, denen gegenüber gerade Gefangene meist mißtrauisch sind. Zur gerichtlichen Uberprüfung von Ermessensentscheidungen § 115 Rdn. 19 ff. b) Die Verlegung zur Förderung der Behandlung des Gefangenen oder 11 seiner Eingliederung nach der Entlassung (Abs. 1 Ziff. 1). Die Verlegung nach dieser Vorschrift setzt einen Antrag des Gefangenen nicht voraus. Die Vollzugsbehörde muß das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtsbegriffe von Amts wegen prüfen, wobei ihr bei der Bewertung ein Beurteilungsspielraum zustehen soll (Rdn. 10). Die meisten Verlegungsanträge werden von Gefangenen allerdings auf diese Vorschrift gestützt und mit der Erwartung begründet, daß ihre Behandlung oder ihre Eingliederung nach der Entlassung in einer anderen als der an sich zuständigen Anstalt besser gefördert werden könne. Am häufigsten beantragen sie die Verlegung zur Erleichterung Karl Peter Rotthaus

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

des Kontaktes zu ihren Angehörigen und Freunden an einen Ort, der deren Wohnsitz näher gelegen ist. O b dieser Grund ausreicht, ist streitig. Die Rechtsprechung ist hier (im Gegensatz zu Calliess/Miiller-Dietz Rdn. 3; AK-Feest/ Quensel Rdn. 5) eher zurückhaltend: „Beschwernisse, welche die Besuche durch Anreise, Aufbringung von Reisekosten und Bindung an Besuchszeiten mit sich bringen, müssen die Besucher zur Durchführung eines geordneten Vollzuges und im Hinblick auf die Beachtung der nötigen Sicherheitsvorkehrungen hinnehmen" (LG Wiesbaden ZfStrVo SH 1977, 45; ZfStrVo SH 1978, 42; ZfStrVo SH 1979, 89; LG Karlsruhe ZfStrVo SH 1977, 44; O L G Koblenz ZfStrVo SH 1979, 86; O L G Hamm v. 11.1. 1985 - 1 Vollz Ws 227-228/84; LG Düsseldorf, O L G Hamm bei Bungert NStZ 1988, 354); § 152 Rdn. 7, 12). Diese „Beschwernisse" sind der Preis für die Differenzierung (§ 141) der Vollzugsanstalten, die der wirksamen Behandlung dienen soll. Es müssen also im Einzelfall besondere, vom Durchschnittsfall abweichende Erschwerungen des Kontaktes zu den Angehörigen vorliegen, um einen Verlegungsantrag ausreichend zu begründen. Bei Eheleuten, die beide im Strafvollzug, aber in verschiedenen Anstalten untergebracht sind, kann Art. 6 Abs. 1 GG die Verlegung in nahegelegene Anstalten zur Erleichterung der Besuchszusammenführung gebieten (OLG Saarbrücken ZfStrVo 1983, 379). Förderungswürdige Wiedereingliederungsbemühungen haben nicht zur Voraussetzung, daß der Entlassungszeitpunkt nahe heransteht: ,Die Kontaktpflege zu Angehörigen und anderen dem Gefangenen nahestehenden Personen ist während der gesamten Haftzeit zu fördern, insbesondere bei Personen mit langen Freiheitsstrafen'. Dies kann selbst bei einem schwierigen und nicht kooperativen Gefangenen gelten, , d a . . . die Verlegung in eine heimatnahe Anstalt seine Einstellung zur Erreichung des Vollzugsziels ( § 2 S. 1 StVollzG) günstig zu beeinflussen vermag' (OLG Hamm NStZ 1985, 573 = ZfStrVo 1985, 373). Andererseits kann die Notwendigkeit der Trennung von Mittätern zur Erreichung des Vollzugsziels deren Verteilung auf mehrere - auch heimatfernere - Anstalten rechtfertigen (LG Stuttgart ZfStrVo 1990, 184; vgl. auch O L G Düsseldorf NStZ 1990, 408, einen U-Gefangenen betreffend, der zur Vorbeugung gegen tätliche Auseinandersetzungen mit Mitgefangenen verlegt wurde). Weitere Beispiele sind die Verlegung in eine andere Anstalt zur beruflichen oder schulischen Förderung, wenn bei der anderen Anstalt zwar keine besondere Zuständigkeit begründet ist für eine solche Maßnahme, diese Einzelmaßnahme (berufsnaher Einsatz als Schlosser, Besuch einer Abendschule im Wege des Freigangs) dort aber aus tatsächlichen Gründen leichter durchführbar ist. Zum Konflikt zwischen Vollzugsziel und Sicherheitsaufgaben allgemein § 2 Rdn. 17 f. 12

c) Verfahren zur Verlegung Soll ein Gefangener in eine an sich nicht zuständige Anstalt verlegt werden, so ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten daraus, daß bei der Verlegungsentscheidung mehrere Vollzugsbehörden zusammenwirken müssen. In der Regel sind 120

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§8

Verlegung. Überstellung

das wenigstens drei: die abgebende Anstalt, die aufnehmende Anstalt und die gemeinsame Aufsichtsbehörde, deren Zustimmung es für eine Abweichung vom Vollstreckungsplan bedarf. Häufig behält sich die Landesjustizverwaltung die Entscheidung vor (§ 153; LG Wiesbaden ZfStrVo SH 1977, 45 f), wobei sie ihre Entscheidung auf die Stellungnahmen der beteiligten Anstalten stützt. Überträgt sie die Entscheidung, was nach § 153 möglich ist, einer zentralen Stelle (§ 153 Rdn. 3), so wird sie gleichzeitig für diese Verwaltungsvorschriften erlassen. Diese Vorschriften lassen zwar das Gesetz unberührt, enthalten aber die „Spielregeln" für den Verwaltungsablauf (Näheres bei § 4 Rdn. 14 ff; § 115 Rdn. 23). Wer sachgemäße Anträge stellen und diese möglichst zügig entschieden haben will, muß sich nach diesen Vorschriften erkundigen, sich also von der Verwaltung beraten lassen. Besonders umständlich wird das Verfahren, wenn ein Gefangener von einem Bundesland in ein anderes Bundesland verlegt werden möchte. Gesetzliche Vorschriften zur Regelung des Verfahrens fehlen (Calliess/Müller-Dietz Rdn. 2 zu § 153). Die beteiligten Landesjustizverwaltungen müssen sich einigen (§ 26 Abs. 1 Satz 4 StVollstrO). Die so gefundene Entscheidung muß § 8 entsprechen und ist daraufhin gerichtlich nachprüfbar, doch wird der Weg zur Entscheidung oft langwierig sein. Widerstand gegen den Verlegungsantrag ist eher von der Anstalt und der Landesjustizverwaltung zu erwarten, die den Gefangenen aufnehmen soll, als von der an sich zuständigen Anstalt und ihrer Aufsichtsbehörde. Deshalb kann es in zweifelhaften Fällen zweckmäßig sein, sich zunächst an diese Landesjustizverwaltung mit der Bitte um Aufnahme zu wenden. d) Antrag auf gerichtliche Entscheidung 13 Die komplizierten Zuständigkeitsregelungen für Verlegungsentscheidungen wirken sich besonders dann aus, wenn der Gefangene seinen abgelehnten Verlegungsantrag mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung weiterverfolgen will. Soll die Verlegung innerhalb eines Bundeslandes erfolgen, so ist die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer am Sitz der obersten Landesbehörde oder der zentralen Stelle nach § 153 gegeben. Sind dagegen zwei Landesjustizverwaltungen beteiligt, so kann der Gefangene gezwungen sein, die ablehnenden Entscheidungen in zwei Verfahren vor zwei verschiedenen Gerichten anzufechten, da es im Verfahren nach § 109 ff keine Beiladung gibt. Weil der Widerstand gegen den Antrag in erster Linie bei dem Land zu erwarten ist, das den Gefangenen aufnehmen soll, kann es sich empfehlen, zunächst dessen Bescheid anzufechten (OLG Stuttgart ZfStrVo SH 1977, 59; LG Wiesbaden ZfStrVo SH 1979, 88; O L G Hamm ZfStrVo SH 1979, 91; § 153 Rdn. 2). Die Auffassung des OLG Zweibrücken (ZfStrVo 1983, 248 f), weder die Aufnahmeanstalt noch die nach §153 zuständige Stelle des Aufnahmelandes sei verpflichtet, sich mit einem Verlegungsantrag des Gefangenen zu befassen, und ein von diesen Behörden etwa erteilter ablehnender Bescheid stelle .trotz seiner äußeren Erscheinungsform keine mit den Rechtsbehelfen des StVollzG angreifbare Maßnahme (§ 109 StVollzG) dar', ist abzulehnen, weil sie dazu führen würde, daß der Gefangene Karl Peter Rotthaus

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§8

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

eine gerichtliche Entscheidung nicht erreichen kann ( O L G Stuttgart ZfStrVo SH 1977, 59 f; O L G Hamm ZfStrVo SH 1979, 91 f; Calliess/Müller-Dietz Rdn. 3). In Nordrhein-Westfalen gelten besondere Zuständigkeitsregeln, weil es dort zwei Mittelbehörden und zwei Einweisungsanstalten gibt. § 151 Rdn. 7; § 152 Rdn. 14. Zuständiges Gericht nach erfolgter Verlegung § 110 Rdn. 6; bei Anfechtung von Rückverlegungen § 110 Rdn. 2. 14

e) Die Verlegung eines Gefangenen aus Gründen der Vollzugsorganisation oder aus anderen wichtigen Gründen muß .erforderlich' (Abs. 1 Ziff. 2) sein. Die Vollzugsbehörde muß also zunächst alle ihr zu Gebote stehenden anderen Mittel ausschöpfen, bevor sie Verlegungen anordnet. Organisatorische Gründe ergeben sich in Zeiten der Uberfüllung der Vollzugsanstalten allerdings oft genug. Die Verwaltung hat meist kein anderes Mittel zur Verfügung als den „Belegungsausgleich" durch Verlegung von Gefangenen aus überbelegten in weniger stark genutzte Anstalten. Allerdings erlaubt diese Vorschrift einer Anstalt nicht die Verlegung eines Gefangenen, weil sie ihrerseits einen einzigen zusätzlichen Gefangenen aufnehmen mußte ( O L G Hamm NStZ 1984, 141). Andere Beispiele für Gründe der Vollzugsorganisation sind Vollstreckungsplanänderungen im Gefolge von Veränderungen des Belegungsdrucks in einem Lande ( O L G Frankfurt ZfStrVo 1982, 189), Teilschließungen bei Umbauarbeiten oder Stillegungen von Anstalten bei sinkenden Gefangenenzahlen. Meist handelt es sich um Sachverhalte, die eine Vielzahl von Gefangenen in gleicher Weise betreffen. Die Voraussetzungen der Rechtsbegriffe von Ziff. 2 sind darum von den Vollzugsbehörden leicht nachzuweisen. Besondere Sorgfalt verlangen demgegenüber die Erwägungen zum Folgeermessen. Hier spricht manches für den Grundsatz, diejenigen Gefangenen nicht zu verlegen, die in der Anstalt tragfähige Kontakte (Besuchsmöglichkeit von Angehörigen, von ehrenamtlichen Betreuern, zufriedenstellender Arbeitsplatz, Vertrauensverhältnis zu Beamten, Freunde unter den Mitgefangenen) aufgebaut haben. Doch dürfen andererseits die Benachteiligten unter den Gefangenen, die Arbeitsunfähigen, die Schwierigen und die für die Anstalt Lästigen, nicht als eine Art Manövriermasse beliebig von Anstalt zu Anstalt verschoben werden. Das würde ihre Eingliederungschancen weiter verschlechtern. .Gründe, die auf das individuelle Verhalten des Gefangenen oder dessen persönliche Situation bezogen sind', sollen, wie Calliess/Müller-Dietz (Rdn. 5) näher darlegen, eine Verlegung nach Ziff. 2 nicht rechtfertigen (ebenso AK-Feest/ Quensel Rdn. 6; Schöch in: Kaiser/Kerner/Schöch § 6 Rdn. 35). Sie sehen in einem ,generalklauselartigen Verlegungsgrund etwa aus wichtigem Anlaß' eine Gefahr für den Behandlungsgedanken. Gleichwohl kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Im Strafvollzug ist ständig nach einem Ausgleich zwischen den Interessen des Einzelnen und der Gefangenen in ihrer Gesamtheit zu suchen. Die Klassifizierung dient deshalb nicht nur der Verwirklichung der individuellen Behandlung, sie soll auch die sachgemäße Behandlung von Gefangenen mit ähn122

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§8

Verlegung. Überstellung

liehen Behandlungsbedürfnissen sicherstellen (vgl. § 152 Rdn. 5 f). Das Recht des Gefangenen auf den Verbleib in einer Anstalt, die an sich für seine Behandlung die richtige ist, endet, wenn er dort — allerdings in schwerwiegender Weise — stört. Die Rechtsprechung hat dieses praktische Bedürfnis anerkannt. Sie hat die Verlegung von Gefangenen nach Ziff. 2 gebilligt, bei denen Anhaltspunkte für die Beteiligung am Drogenhandel vorlagen (LG Hamburg ZfStrVo 1983, 300; LG Stuttgart NStZ 1981, 405 f; ebenso für den Fall der Gefahr einer ungünstigen Beeinflussung anderer Gefangener O L G Hamm bei Franke NStZ 1985, 304). Die Bestimmung darf allerdings nicht dazu benutzt werden, unbequeme Gefangene, etwa weil sie zahlreiche Eingaben und Beschwerden schreiben, abzuschieben ( O L G Koblenz v. 15.10.1986 - 2 Vollz Ws 99-102/86) oder in versteckter Form zu disziplinieren (Calliess/Müller-Dietz Rdn. 5). Sie gilt jedoch auch für die nicht ganz seltenen Fälle, in denen ein Gefangener zu seiner eigenen Sicherheit verlegt werden muß, um ihn z. B. vor den Racheakten anderer Gefangener zu schützen; denn § 85 ist nicht anwendbar, weil die Gefahr nicht von dem zu verlegenden Gefangenen ausgeht. 2. Die Uberstellung ist die befristete Uberführung eines Gefangenen in eine 1 5 andere Justizvollzugsanstalt (Nr. 7 VGO). Sie darf nur aus wichtigem Grund durchgeführt werden, um den Gefangenen nicht ohne Not aus den sozialen Bezügen seiner „Heimatanstalt" zu lösen. W Nr. 1 gibt Beispiele für wichtige Gründe. Die ersten beiden Beispiele, Besuchszusammenführung und Erleichterung von Ausführung und Ausgang, dienen den Interessen des Gefangenen, so daß dieser keine Einwendungen gegen die Uberstellung erheben wird. Die Vollzugsbehörde aber wird auch in diesem Fall, besonders aber, wenn die Überstellung aus organisatorischen Gründen (Beispiel W Nr. 1 Buchst, c) und d)) erfolgt, prüfen müssen, ob sich nicht andere Wege finden lassen. So muß ein längerer Reiseweg für eine Ausführung in Kauf genommen werden, wenn dadurch eine mehrtägige Abwesenheit vom Arbeits- oder Ausbildungsplatz vermieden werden kann; vgl. O L G Celle bei Bungert NStZ 1989, 357 (Besuchszusammenführung) und O L G Koblenz NStZ 1989, 93 (Wahrnehmung eines Gerichtstermins). Die Förderung einer Briefbekanntschaft ist kein wichtiger Grund für eine Uberstellung zur Besuchszusammenführung ( O L G München ZfStrVo 1979, 63). Wenn die Vollzugsverwaltung im Falle eines gerichtlichen Vorführungsersuchens keinen Einfluß auf das ,Ob' und ,Wann' der Uberstellung hat, ist die Zielanstalt zur Aufnahme des überstellten Gefangenen verpflichtet. In den übrigen Fällen bedarf es einer Absprache der beteiligten Anstalten. Im Einzelfall kann unklar sein, ob eine Überstellung oder eine Verlegung anzunehmen ist. Die Frage hat Bedeutung z. B. für die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer (§ 110 Rdn. 2). Wird aber ein Gefangener „zur Teilnahme an einer längeren Berufsausbildung (hier: ca. 13A Jahre) in eine andere Vollzugsanstalt überführt, so handelt es sich um eine Verlegung i. S. des § 8 Abs. 1" ( O L G Celle ZfStrVo SH 1979, 86). Karl Peter Rotthaus

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

§9

Calliess/Müller-Dietz R d n . 4 halten wiederholte kurzfristige Überstellungen zur Erleichterung des Besuchsverkehrs mit Angehörigen mit dem Regelungszweck der Vorschrift für nicht vereinbar, in derartigen Fällen sei eine Verlegung geboten (gegen O L G K o b l e n z ZfStrVo S H 1979, 86). D e r A u f f a s s u n g kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. D e r Gefangene kann ein Interesse daran haben, seine Strafe in einer vom Wohnort seiner Angehörigen entfernten Anstalt zu verbüßen, weil er dort im offenen Vollzug untergebracht ist oder an einer beruflichen oder schulischen Bildungsmaßnahme teilnimmt. D i e hier abgelehnte A u f f a s s u n g würde ihn vor die Alternative stellen, entweder auf den K o n takt zu seinen Angehörigen oder auf die sachgemäße Behandlungsmaßnahme zu verzichten. D a z u auch § 141 R d n . 5. 16

3. Für die A u s a n t w o r t u n g fehlt eine gesetzliche Grundlage. D i e Verwaltungstradition kennt die U b e r g a b e eines Strafgefangenen an die Polizeibehörde zu längeren Vernehmungen, Gegenüberstellungen oder zur Durchführung von Ortsterminen. W N r . 2 ist für eine so einschneidende Maßnahme eine wenig tragfähige Basis. E s besteht hier eine Gesetzeslücke. Ein Bedürfnis für solche Ausantwortungen ist anzuerkennen. Solange eine gesetzliche Grundlage fehlt, ist jedenfalls ein zurückhaltender U m g a n g mit dem Institut der Ausantwortung ratsam. A K - F e e s t / Q u e n s e l R d n . 12, empfehlen, auf die Freiwilligkeit des G e f a n genen abzustellen mit der einleuchtenden Begründung, daß ,auch außerhalb des Strafvollzugs niemand verpflichtet sei, auf L a d u n g bei der Polizei zu erscheinen (Arg. § 163 a A b s . 3 S t P O ) ' .

§9 Verlegung in eine s o z i a l t h e r a p e u t i s c h e A n s t a l t (1) E i n G e f a n g e n e r k a n n m i t seiner Z u s t i m m u n g in eine sozialtherapeutische A n s t a l t verlegt werden, w e n n die besonderen t h e r a p e u t i s c h e n Mittel u n d sozialen H i l f e n dieser A n s t a l t z u seiner R e s o z i a l i s i e r u n g a n g e z e i g t sind. E r k a n n wieder z u r ü c k v e r l e g t werden, w e n n mit diesen Mitteln u n d Hilfen d o r t voraussichtlich kein E r f o l g erzielt w e r d e n k a n n . D i e §§ 8 u n d 85 bleiben unberührt. (2) D i e V e r l e g u n g bedarf der Z u s t i m m u n g des Leiters der s o z i a l t h e r a p e u tischen A n s t a l t . Schrifttum Böhm Zur Sozialtherapie, in: NJW 1985, 1813 ff; Bundeszusammenschluß für Straffälligenhilfe (Hrsg.), Sozialtherapie und sozialtherapeutische Anstalt; Bad Godesberg 1973; ders. Sozialtherapeutische Anstalten — Konzepte und Erfahrungen; Bonn/Bad Godesberg, 1977; ders. Sozialtherapie als kriminalpolitische Aufgabe, Bonn, 1981; Dolde Effizienzkontrolle sozialtherapeutischer Behandlung im Vollzug; in: Göppinger/Bresser (Hrsg.); Sozialtherapie. Grenzfragen bei der Beurteilung psychischer Auffälligkeiten im Strafrecht, Kriminologische Gegenwartsfragen, Bd. 15, Stuttgart 1982, S. 47 ff; dies. Neuere For124

Karl Peter Rotthaus

Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt

§9

schungsvorhaben zur Sozialtherapie im Strafvollzug der Bundesrepublik Deutschland. Ein Überblick und Ergebnisse; in: ZfStrVo 1985, 148 ff; Driebold (Hrsg.), Strafvollzug. Erfahrungen, Modelle, Alternativen; Göttingen, 1983; ders. Anforderungen der Berufspraxis an die sozialwissenschaftliche Forschung und die Bedeutung von Restriktionen bei ihrer praktischen Umsetzung im Bereich der Kriminalpolitik und des Strafvollzuges, in: Hohmann/ Lange/Schneider, (Hrsg.); Die Praxisrelevanz der Sozialwissenschaften und die Handlungskompetenz von Sozialwissenschaftlern in außeruniversitären Berufsfeldern; Bielefeld, 1984, S. 239 ff; Driebold/Egg/Nellessen/Quensel/Schmitt Die sozialtherapeutische Anstalt; Göttingen, 1984; Dünkel Legalbewährung nach sozialtherapeutischer Behandlung; Berlin, 1980; Egg Sozialtherapie und Strafvollzug; Frankfurt 1979; ders. Straffälligkeit und Sozialtherapie; Köln 1984; Engel Zur Metamorphose des Rechtsbrechers. Grundlagen einer Behandlungslehre; Stuttgart, 1973; Forschungsgruppe „Sozialtherapeutische Anstalten im Justizvollzug" Modellentwurf, in: Kerner/Kury/Sessar (Hrsg.); Deutsche Forschungen zur Kriminalitätsentstehung und Kriminalitätskontrolle; Bd. 3 Köln 1983, S. 1842 ff; Heinz/Korn Sozialtherapie als Alibi; Frankfurt 1973; Henze Mindestanforderungen an sozialtherapeutische Einrichtungen aus rechtlicher Sicht, in: KrimPäd, 1990, Heft 30, 18 ff; Hilbert/Lange Abkehr von der Behandlungsideologie, KrimJ 1973, 52 ff; Kahlau/Denig Zwischenbericht über das Forschungsprojekt „Effizienzkontrolle sozialtherapeutischer Maßnahmen" in Nordrhein-Westfalen; in: ZfStrVo 1987, 79ff; Kaiser/Dünkel/Ortmann Die sozialtherapeutische Anstalt — das Ende einer Reform?, in: ZRP 1982, 198 ff; Kretz Sozialtherapeutische Anstalt aus ärztlicher Sicht, in: Schwind/Blau (Hrsg.); Strafvollzug in der Praxis, 1. Aufl.; Berlin/New York, 1976, 77ff; Lamott Zur Heilungsideologie des Strafvollzugs, in: Kritische Justiz 1982, 79 ff; dies. Die erzwungene Beichte. Zur Kritik des therapeutischen Strafvollzugs; München 1984; Lipton/Martinson/Wills The Effectiveness of Correctional Treatment; New York, 1975; Mauch/Mauch Sozialtherapie und Sozialtherapeutische Anstalt; Stuttgart, 1971; Müller-Dietz (Hrsg.), Kriminaltherapie heute; Berlin 1974; Rasch (Hrsg.), Forensische Sozialtherapie — Erfahrungen in Düren; Karlsruhe/ Heidelberg, 1977; Rehn Behandlung im Strafvollzug; Weinheim 1979; ders. Rückfall nach Sozialtherapie. Vergleichende Untersuchung aus drei Hamburger Justizvollzugsanstalten, in: MschrKrim 1979, 357ff; Rehn/Jürgensen Rückfall nach Sozialtherapie. Wiederholung einer im Jahre 1979 vorgelegten Untersuchung, in: Kerner/Kury/Sessar (Hrsg.): Deutsche Forschungen zur Kriminalitätsentstehung und Kriminalitätskontrolle, Bd. 3, Köln 1983, 1910 ff; Rehn/Warning Lebenswelt sozialtherapeutische Anstalt. Grundsätzliche Bemerkungen und Konkretisierungen am Beispiel der sozialtherapeutischen Anstalt Altengamme; in: ZfStrVo 1989, 222 ff; Rehn Sozialtherapie: Strafvollzug plus Behandlung?, in: KrimPäd 1990 Heft 30, 7 ff; Romkopf Sozialtherapeutische Anstalt Gelsenkirchen: Unterstützung der Wohngruppenarbeit durch Fachpersonal, in: ZfStrVo 1980, SH 60 ff; ders. Sozialtherapie, in: Schwind/Blau 295 ff; Roosenburg Reeducation a la „van der HoevenKliniek", in: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht 1965, 391 ff; dies. Psychotherapeutische Erfahrungen an Strafgefangenen, in: Bitter (Hrsg.); Verbrechen, Schuld oder Schicksal? Stuttgart 1969, 88 ff; Rotthaus Sozialtherapie in der Dr. v. d. Hoeven-Kliniek in Utrecht, in: MschrKrim 1975, 83 ff; ders. Die neue Dr. v. d. Hoeven-Kliniek in Utrecht, in: MschKrim 1978, 126 ff; ders. Das dänische Staatsgefängnis in Ringe — ein Gegenmodell zur Sozialtherapeutischen Anstalt? in: ZfStrVoSH 1980, 99 ff; ders. Sozialtherapie in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen, in: ZfStrVo 1981, 323 ff; ders. Erfahrungen in der praktischen Sozialtherapie — Stellungnahme eines Juristen, in: Kriminologische Gegenwartsfragen, Bd. 15, Stuttgart 1982, 79ff; ders. Die Sozialtherapeutische Anstalt, in: Schwind/Blau 87 ff; Sagebiel Zur Sicherung einer therapeutisch orientierten OrganisationsKarl Peter Rotthaus

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

§9

struktur für sozialtherapeutische Anstalten, Göttingen 1979; Schmitt Sozialtherapie - eine Gratwanderung im Strafvollzug, Frankfurt 1980; Schöch u. a., Rettet die Sozialtherapeutische Anstalt als Maßregel der Besserung und Sicherung!, in: ZRP 1982, 207ff; SchülerSpringorum Die Sozialtherapeutischen Anstalten — ein kriminalpolitisches Lehrstück, in: GS für H. Kaufmann, Berlin/New York 1986, 167 ff; Specht Die Zukunft der sozialtherapeutischen Anstalten, in: Forensische Psychiatrie heute, FS für U. Venzlaff, Heidelberg 1986, 108 ff; ders. Anforderungen an sozialtherapeutische Einrichtungen, in: KrimPäd 1990 Heft 30, 14 ff; Steller Sozialtherapie statt Strafvollzug. Psychologische Probleme der Behandlung von Delinquenten, Köln 1977; Stürup Treating the Untreatable, Baltimore 1968; Treiber Widerstand gegen Reformpolitik — Institutionelle Opposition im Politikfeld Strafvollzug, Düsseldorf 1973; Waxweiler Psychotherapie im Strafvollzug, Weinheim 1980. Übersicht I. Allgemeine Hinweise 1. Bestand und Bedarf an Behandlungsplätzen 2. Konzepte sozialtherapeutischer Anstalten 3. Erfolg sozialtherapeutischer Behandlung

Rdn. 1-4

II. Erläuterungen 1. Voraussetzungen für die Aufnahme 2. Der Grundsatz der Freiwilligkeit 3. Rückverlegung 4. Zustimmungserfordernis des Leiters der sozialtherapeutischen Anstalten

Rdn. 5—9 5 6 7—8 9

I. A l l g e m e i n e H i n w e i s e Als gesetzliche Grundlage für die sozialtherapeutische Anstalt, die ein wesentlicher Bestandteil der Strafrechtsreform werden sollte, hat das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts im Jahre 1969 den § 65 in das Strafgesetzbuch eingefügt. Danach sollte die auf den Schutz der Allgemeinheit hin orientierte Sicherungsverwahrung ein behandlungsorientiertes Gegenstück erhalten, eine zeitlich unbestimmte Verwahrung zum Zwecke therapeutischer Behandlung (Maßregellösung). Durch mehrere Verschiebegesetze wurde der Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung mehrfach hinausgeschoben und schließlich durch das StVollzÄndG im Jahre 1984 aufgehoben. Einzige Grundlage für die Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt ist jetzt das StVollzG (§§ 9, 123 bis 126, Vollzugslösung). Die jetzt geltende Regelung hat Böhm (1985) zusammenfassend wie folgt kritisiert: Der Gesetzgeber hatte die Aufgabe, eine Sonderform des Vollzuges der Freiheitsstrafe zu skizzieren und zu strukturieren, ohne mögliche künftige Entwicklungen durch starre Festschreibungen zu behindern. Skizziert und strukturiert ist kaum etwas, festgeschrieben (Zustimmungsbedürfnis und Urlaubsanrechnung) ist schon zuviel. Zum Aufbau sozialtherapeutischer Anstalten, zur Auswahl der Gefangenen und zum Inhalt ihrer Behandlung sowie zu der wechselvollen, zeitweise dramatischen Geschichte der Sozialtherapie liegt eine umfangreiche, leicht zugängliche Literatur vor. Zur Einführung z. B. Böhm 1985, Egg 1984, Rotthaus 1988, Rom126

Karl Peter Rotthaus

§9

Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt

köpf 1988. Zu den typischen Persönlichkeitsstörungen, die in den sozialtherapeutischen Anstalten behandelt werden sollen, und zu möglichen Behandlungsmethoden knapp und sehr anschaulich Calliess/Müller-Dietz Rdn. 3. 1. Bestand und Bedarf an Behandlungsplätzen Unmittelbar nach Verkündung des Zweiten Strafrechtsreformgesetzes richte- 2 ten die meisten Bundesländer Erprobungsanstalten ein (Bundeszusammenschluß für Straffälligenhilfe (Hrsg.), 1977; ZfStrVo SH 1980, Sozialtherapie und Behandlungsforschung). Heute bestehen die nachstehend aufgeführten Anstalten: Bundesland

Sozialtherapeutische Anstalten

Baden-Württemberg

Ludwigsburg (Hohenasperg) Zweiganstalt Crailsheim (Drogenkranke)

68 23

Bayern

Erlangen München (Sexualtäter)

41 (6*) 16

Berlin

Berlin-Tegel VA für Frauen Berlin

Hamburg

Hamburg-Altengamme Hamburg-Bergedorf

Hessen

Kassel II Freigängerhaus

Niedersachsen

Bad Gandersheim

24

Nordrhein-Westfalen

Düren Ubergangshaus Köln, soweit für soztherap. Fälle genutzt Gelsenkirchen

32 10

Rheinland-Pfalz

Ludwigshafen Lübeck Männer Lübeck Frauen

Schleswig-Holstein

Belegungsfähigkeit

160 15 60 (6**) 33 140 25

54 68 28 5 802

* davon offen * * davon für Frauen

Dieses Angebot entspricht etwa 1% aller Haftplätze und reicht nicht aus. Wenn auch die frühen Schätzungen von bis zu 20% heute übersetzt erscheinen, so sind doch — bei Berücksichtigung der im Zuge des Belegungsrückganges schwieriger gewordenen Belegung — 3%—5% Haftplätze in sozialtherapeutischen Anstalten zu fordern. Mit Rücksicht auf die verengten RahmenbedingunKarl Peter Rotthaus

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§9

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

gen ist jedoch mit der an sich notwendigen Erweiterung des Angebots an Behandlungsplätzen nicht zu rechnen. 3

2. Die Konzepte der verschiedenen sozialtherapeutischen Anstalten weisen zwar erhebliche Unterschiede auf. Es herrscht jedoch Übereinstimmung (Henze 1990, Rehn 1990, Specht 1990), daß folgende Grundsätze beachtet werden sollten: Sozialtherapeutische Anstalten sollten als kleine Einrichtungen von nicht mehr als 80 Plätzen — möglichst als selbständige Anstalten — angelegt werden. Die vom Gesetz an anderer Stelle festgelegte Höchstgrenze von 200 Plätzen (§ 143 Abs. 3) ist zu hoch angesetzt. Für die Behandlung müssen ausreichend Personal, Fachdienste (Arzte, Pädagogen, Psychologen, Sozialarbeiter) und Mitarbeiter des allgemeinen Vollzugsdienstes zur Verfügung stehen. Die Forderungen des § 164 AE-StVollzG, nach dem jeder Wohngruppe (§ 7 Rdn. 10; § 143 Rdn. 4) mindestens drei Sozialassistenten und ein Sozialarbeiter und je zwei Wohngruppen ein Psychologe angehören sollen, sind nach den Erfahrungen begründet. Eine Verhältniszahl von 1:1 für das Verhältnis von Personal zu Gefangenen wird noch nicht ausreichen. Besonders die Arbeit auf den kleinen Wohngruppen, die durchschnittlich nicht mehr als 10 Mitglieder haben dürfen, ist sehr personalintensiv. Bei der schwierigen und kriminell stark gefährdeten Klientel muß das Wohngruppenleben, solange die Haftraumtüren offenstehen, vom Personal gewissermaßen durchtränkt werden. Anders würde sich eine negative Subkultur bilden, die zur Unterdrückung schwächerer Gruppenglieder führt und die kriminelle Ansteckung begünstigt. Innerhalb der Wohngruppe ist eine beständige, von Fachkräften geleitete Wohngruppenarbeit sicherzustellen, an der jeder Gefangene teilnehmen muß. Diese Wohngruppenarbeit schafft die Grundlage für die „problemlösende Gemeinschaft". Psychotherapie kann, braucht nach den gewonnenen Erfahrungen aber nicht das Kernstück der sozialtherapeutischen Behandlung sein (beachte aber § 7 Rdn. 8). Weitere Behandlungsangebote sind die schulische und die berufliche Weiterbildung, die gründliche Entlassungsvorbereitung, zu der auch ein Außentraining mit Vollzugslockerungen gehört, und die Nachbetreuung (vgl. § 126).

4

3. Erfolg sozialtherapeutischer Behandlung Wegen ihres hohen Kostenaufwandes — vergleichbare psychiatrische Einrichtungen berechnen Pflegesätze von 300 DM täglich und mehr — stand die Sozialtherapie von Anbeginn an unter einem starken Rechtfertigungsdruck. Insbesondere wurde an sie mit großer Dringlichkeit die Frage nach dem Behandlungserfolg gerichtet. Die ursprünglich sehr hochgespannten Erwartungen blieben zwar unerfüllt, doch deuten die bisherigen Untersuchungen auf eine deutliche Verminderung der Rückfallwahrscheinlichkeit hin (Rehn 1979 und 1983, Dünkel 1980, Dolde 1982 und 1985). Weiteren Aufschluß wird, wie zu hoffen ist, ein sorgfältig konzipiertes Forschungsprojekt des Max-Planck-Instituts für internationales und vergleichendes Strafrecht in Freiburg (Kahlau, Denig 1987) bringen. 128

Karl Peter Rotthaus

Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt

§9

II. Erläuterungen 1. Voraussetzungen für die Aufnahme Nach § 7 Abs. 2 Ziff. 2 ist bei der Erstellung des Vollzugsplans in jedem Fall zu prüfen, ob der Gefangene in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen ist (Diese Vorschrift wirkt zugleich als Bestandsgarantie für die sozialtherapeutischen Anstalten - Böhm 1985). Die Voraussetzungen sind nach Abs. 1 2. Halbsatz aber so vage umschrieben, daß eine Rechtskontrolle schwierig ist. So hat das O L G Celle erwogen, „daß der Vollzugsbehörde auch im Rahmen der Indikation nach § 9 Abs. 1 S. 1 StVollzG" in Anlehnung an die Rechtsprechung des B G H zur Gefahrenprognose nach § 11 Abs. 2 StVollzG (NStZ 1982, 173) „ein Beurteilungsspielraum zusteht" (bedenklich NStZ 1984, 142; § 11 Rdn. 12; a. A. zutreffend i. S. uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle AK-Volckart § 1 1 5 Rdn. 26 ff). Bejaht das Gericht das Vorliegen der Indikation, so kann bei der Ausübung des Folgeermessens die Entscheidung mangels einer ausreichenden Zahl von Behandlungsplätzen immer noch negativ ausfallen. Bei der Erstellung des Vollzugsplanes ist zunächst nach den Störungen und sozialen Defiziten des Gefangenen zu fragen, dann danach, ob die konkrete sozialtherapeutische Anstalt des Bundeslandes für diesen Befund angemessene „therapeutische Mittel und soziale Hilfen" anzubieten hat ( O L G Hamburg 11.12.1974 - VAs 52/72), und schließlich, ob ein freier Behandlungsplatz vorhanden ist ( O L G Celle aaO). Schon wegen der Zeitdauer sozialtherapeutischer Behandlung sind Gefangene mit kürzeren Strafen ausgeschlossen. Nach einer Entscheidung des K G vom 27.1.1984 (5 Ws 445/83 Vollz) ist der von § 9 I StVollzG vorgegebene Ermessensspielraum nicht überschritten, wenn die Eignung für die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt, sofern Ausnahmen möglich bleiben, durch das Alter von 40 Jahren begrenzt und auf eine Reststrafzeit zwischen 15 und 36 Monaten oder bei lebenslanger Freiheitsstrafe auf die Endvollzugsphase beschränkt wird. Einschränkungen dieser Art sind in manchen für die sozialtherapeutischen Anstalten geltenden Richtlinien enthalten, um Gefangene mit wegen ihres fortgeschrittenen Lebensalters wenig günstigen Behandlungsaussichten aus diesen Anstalten fernzuhalten und sicherzustellen, daß im Anschluß an die Behandlung möglichst die Entlassung in die Freiheit erfolgen kann. 2. Der Grundsatz der Freiwilligkeit der Verlegung in die sozialtherapeutische 6 Anstalt wurde von allen sozialtherapeutischen Einrichtungen beachtet, bevor er durch das StVollzAndG („mit seiner Zustimmung") ausdrücklich festgelegt wurde (hierzu krit. Böhm 1985). Entsprechendes muß auch für die einzelnen Behandlungsangebote, insbesondere für die Psychotherapie, gelten, weil eine Behandlung ohne aktive Mitarbeit des Gefangenen erfolglos bleiben muß. 3. Die Rückverlegung aus der sozialtherapeutischen Anstalt (Abs. 1 Satz 2) in 7 den konventionellen Vollzug wirft Probleme auf. Einerseits gibt es Fehldiagnosen, bei denen sich die Schwierigkeiten des Gefangenen als nicht behandelbar Karl Peter Rotthaus

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§9

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

erweisen. Zum anderen gibt es Fälle, in denen die Behandlung zunächst erfolgreich verlaufen ist, der Klient aber mit einem Teilerfolg der Behandlung zufrieden ist. In beiden Fällen ist es nicht sinnvoll, den Gefangenen weiter in der sozialtherapeutischen Anstalt zu belassen, wo er einen der wenigen kostbaren Behandlungsplätze besetzt hält. Der Gefangene muß also verlegt werden. Doch kann sich der Ruf nach Verlegung bei Personal und bei Mitgefangenen auch aus ganz anderen Gründen erheben. Immerhin ist zu bedenken, daß es im Zuge fast jeder therapeutischen Behandlung Krisen und Rückschläge gibt. Das Personal kann bei solchen Gelegenheiten in die Gefahr geraten, Störungen der Zusammenarbeit auf einzelne Gefangene zu projizieren, und die Verlegung dann in der Hoffnung betreiben, auf diese Weise die eigenen Schwierigkeiten zu bewältigen. Vor der Verlegungsentscheidung sind deshalb die Auswirkungen der Verlegung für den Gefangenen und für die Anstalt sorgfältig abzuwägen. Manchmal ist es besser, von der Verlegung abzusehen und die Therapieziele bescheidener zu formulieren. Das gilt besonders, wenn der Zeitpunkt der Entlassung absehbar ist. Dann wird die sozialtherapeutische Anstalt immerhin noch eine sorgfältigere Entlassungsvorbereitung durchführen können als die meisten personell weniger gut besetzten Vollzugsanstalten. Wird in einem solchen Fall die Verlegung vermieden, erspart man dem Gefangenen u. U. ein weiteres Erlebnis, verlassen zu werden und die mögliche weitere Stigmatisierung, selbst in der Sozialtherapie versagt zu haben. Zur Motivierung vgl. § 2 Rdn. 11; § 4 Rdn. 4, 7. Dem Antrag eines Gefangenen, der ernsthaft und nachdrücklich seine Rückverlegung in den „Normalvollzug" verlangt, ist, den Überlegungen zur Freiwilligkeit der Aufnahme (Rdn. 6) entsprechend, zu folgen. 8

Die nach Abs. 2 a. F. mögliche probeweise Aufnahme in eine sozialtherapeutische Anstalt hat das StVollzÄndG mit Recht beseitigt (1. Aufl. Rdn. 9). Gleichzeitig wurde dem 1. Abs. ein 3. S. angefügt, nach dem eine Verlegung auch nach den allgemeinen Regeln des § 8 und nach § 85 in eine „zu seiner sicheren Unterbringung besser geeignete" Anstalt erfolgen kann. Entsprechendes dürfte auch für die anderen hier nicht genannten Verlegungsgründe gelten (vgl. Rdn. 1 zu § 8).

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4. Das Erfordernis der Zustimmung des Leiters der sozialtherapeutischen Anstalt (Abs. 3) zur Aufnahme gilt ebenso auch für die entgegengesetzte Entscheidung, die Rückverlegung. Durch die Vorschrift soll sichergestellt werden, daß die Fachkunde des Leiters diese Entscheidungen bestimmt. Es soll damit auch verhindert werden, daß Gefangene, die nach Auffassung anderer Anstalten behandlungsbedürftig sind, der sozialtherapeutischen Anstalt zugeschoben werden. Möglich ist jedoch, daß die Entscheidung des Anstaltsleiters durch die Entscheidung der Aufsichtsbehörde oder der zentralen Stelle (§ 153) ersetzt wird (Calliess/Miiller-Dietz Rdn. 10). Für manche Bundesländer gelten Verwaltungsvorschriften, die das vorsehen. Doch berücksichtigen die danach zur Entscheidung berufenen Stellen die gutachtliche Äußerung der sozialtherapeutischen Anstalt. 130

Karl Peter Rotthaus

§10

Offener und geschlossener Vollzug

Wenn in Absatz 3 ausdrücklich der Anstaltsleiter genannt wird, so bedeutet das nicht, daß die Aufnahmeentscheidung sein „einsamer Entschluß" sein müßte. Zu den Grundelementen sozialtherapeutischer Arbeit gehört im Gegenteil, daß alle wichtigen Entscheidungen in Konferenzen getroffen werden (OLG Celle NStZ 1984, 142). Das gilt besonders für die schwerwiegenden Entscheidungen über Aufnahme und Verlegung. Gerade hier ist der Anstaltsleiter auf einen möglichst hohen Konsens unter den Mitarbeitern angewiesen. Die Behandlung wird kaum erfolgreich anlaufen können, wenn die Mehrzahl der Mitarbeiter der Aufnahme des Gefangenen ablehnend gegenübersteht. Umgekehrt wird der Abbruch der sozialtherapeutischen Behandlung gegen den Willen der Mitarbeiter zu Spannungen und zu Krisen im Team führen, weil durch die Verlegungsentscheidung Beziehungen der Mitarbeiter zum Klienten zerschnitten wurden.

§10 Offener und geschlossener Vollzug (1) Ein Gefangener soll mit seiner Zustimmung in einer Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzuges untergebracht werden, wenn er den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügt und namentlich nicht zu befürchten ist, daß er sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzuges zu Straftaten mißbrauchen werde. (2) Im übrigen sind die Gefangenen im geschlossenen Vollzug unterzubringen. Ein Gefangener kann auch dann im geschlossenen Vollzug untergebracht oder dorthin zurückverlegt werden, wenn dies zu seiner Behandlung notwendig ist. W 1 (1) Vom offenen Vollzug ausgeschlossen sind Gefangene, a) gegen die während des laufenden Freiheitsentzuges eine Strafe vollzogen wurde oder zu vollziehen ist, welche gemäß § 74 a GVG von der Strafkammer oder gemäß § 120 GVG vom Oberlandesgericht im ersten Rechtszug verhängt worden ist, b) gegen die Untersuchungs-, Auslieferungs- oder Abschiebungshaft angeordnet ist, c) gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung für den Geltungsbereich des Strafvollzugsgesetzes besteht, d) gegen die eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung oder eine sonstige Unterbringung gerichtlich angeordnet und noch nicht vollzogen ist. (2) In den Fällen des Absatzes 1 Buchstaben a, c und d sind Ausnahmen mit Walter Ittel

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig. In den Fällen des Buchstabens a ist die Vollstreckungsbehörde, des Buchstabens d das zuständige Gericht zu hören; in den Fällen des Buchstabens c bedürfen Ausnahmen des Einvernehmens mit der zuständigen Ausländerbehörde. 2 (1) Für die Unterbringung im offenen Vollzug ungeeignet sind in der Regel namentlich Gefangene, a) die erheblich suchtgefährdet sind, b) die während des laufenden Freiheitsentzuges entwichen sind, eine Flucht versucht, einen Ausbruch unternommen oder sich an einer Gefangenenmeuterei beteiligt haben, c) die aus dem letzten Urlaub oder Ausgang nicht freiwillig zurückgekehrt sind oder bei denen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß sie während des letzten Urlaubs oder Ausgangs eine strafbare Handlung begangen haben, d) gegen die ein Ausweisungs-, Auslieferungs-, Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig ist, e) bei denen zu befürchten ist, daß sie einen negativen Einfluß ausüben, insbesondere die Erreichung des Vollzugszieles bei anderen Gefangenen gefährden würden. (2) Ausnahmen von Abs. 1 können zugelassen werden, wenn besondere Umstände vorliegen; die Gründe hierfür sind aktenkundig zu machen. In den Fällen des Buchstaben d ist die zuständige Behörde zu hören. (3) Bei Gefangenen, gegen die während des laufenden Freiheitsentzuges eine Strafe wegen grober Gewalttätigkeiten gegen Personen, wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder wegen Handels mit Stoffen im Sinne des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln vollzogen wurde oder zu vollziehen ist oder die im Vollzug in den begründeten Verdacht des Handels mit diesen Stoffen gekommen sind, bedarf die Frage, ob eine Unterbringung im offenen Vollzug zu verantworten ist, besonders gründlicher Prüfung. 3

(1) Ein Gefangener, der sich im offenen Vollzug befindet, ist in den geschlossenen Vollzug zurückzuverlegen, wenn a) er seine Zustimmung zur Unterbringung im offenen Vollzug zurücknimmt, b) er sich für den offenen Vollzug als nicht geeignet erweist, c) Umstände bekannt werden, die nach Nr. 1 einer Unterbringung im offenen Vollzug entgegengestanden hätten. (2) Dem Gefangenen ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Die Gründe für die Verlegung sind aktenkundig zu machen und dem Gefangenen bekanntzugeben. (3) Die Verlegung in den geschlossenen Vollzug schließt eine erneute Unterbringung im offenen Vollzug nicht aus. 132

Walter Ittel

Offener und geschlossener Vollzug

§10

(1) Über die Verlegung in den offenen Vollzug sowie die (Rück-)Verlegung in den geschlossenen Vollzug entscheidet die von der Landesjustizverwaltung bestimmte Stelle. (2) Die Entscheidung über die Unterbringung eines zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen ist in einer Konferenz nach § 159 StVollzG vorzubereiten. Uber die Konferenz ist eine Niederschrift zu fertigen; gutachtliche Äußerungen sind aktenkundig zu machen. Die Unterbringung bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.

Schrifttum Eiermann Der offene Vollzug am Beispiel des Gustav-Radbruch-Hauses, in: SchwindBlau, 47 ff; Ittel/Erzhöf er Erfahrungen mit dem offenen Vollzug, in: ZfStrVo 1980, 135 ff; Loos Die offene und halboffene Anstalt im Erwachsenenstraf- und Maßregelvollzug, Stuttgart 1970; Müller-Dietz Perspektiven und Probleme des offenen Strafvollzuges, in: ZfStrVo 1988, 204ff; Thomas Erfahrungen mit dem offenen Strafvollzug in Bremen, in: ZfStrVo 1985, 220 ff. Übersiebt Rdn. I. II.

Allgemeine Hinweise Bedeutung des offenen Vollzugs Erläuterungen 1. Unterbringung im offenen Vollzug a) Zustimmung des Gefangenen b) Eignung des Gefangenen . aa) besondere Anforderungen des offenen Vollzuges bb) vom offenen Vollzug ausgeschlossene sowie grundsätzlich ungeeignete Gefangene . . cc) Rücksichtnahme auf die Öffentlichkeit . .

1-3 4-13 4-10 5 6-10

Rdn. dd) Anforderungen an den Insassen der offenen Anstalt 10 2. Unterbringung im geschlossenen Vollzug 11 — 12 a) Eignung liegt noch nicht vor 11 b) Rückverlegung 12 3. Zuständigkeit für die Entscheidung nach § 10 13 III. Beispiel 14-15 a) zeitliche Begrenzung des Aufenthalts im offenen Vollzug . . 14 b) stufenweise Lockerung der Vollzugsbedingungen . . . . 15

I. Allgemeine Hinweise Das vorrangige Ziel des Vollzuges ist die Wiedereingliederung des Täters in die Rechtsgemeinschaft (§ 2 Rdn. 10 ff). Dieses Ziel läßt sich nur erreichen, wenn der Vollzug dem Gefangenen ein Übungsfeld sozialen Verhaltens zur Verfügung stellt und ihn zu Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Aktivität befähigt. Zur Motivierung § 2 Rdn. 11; § 4 Rdn. 4, 7. Ein besonders geeignetes Trainingsfeld für die Bewährung in der Freiheit stellt der offene Vollzug (§ 141 Rdn. 8) dar. Er bietet dem Gefangenen die MöglichWalter Ittel

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§10

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

keit, am freien Leben zumindest tagsüber regelmäßig teilzunehmen (Freigang, Ausgang), die Verbindungen zu Angehörigen und sonstigen nahestehenden Personen erst gar nicht abreißen zu lassen bzw. sie neu zu knüpfen und zu pflegen (oftmalige Beurlaubungen gem. §§ 13, 15 Abs. 4, häufige Besuche, Besuchsausgang, nicht überwachter Brief- und Telefonverkehr pp.) sowie sich innerhalb der Anstalt bzw. Abteilung frei zu bewegen und zu entfalten (vgl. dazu § 141 Abs. 2 sowie W Nr. 2 zu § 141). Vgl. auch die drei Gestaltungsgrundsätze des Strafvollzuges § 3 Rdn. 1. 2

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Unterbringung im offenen Vollzug die Regel, die Unterbringung im geschlossenen Vollzug (§141 Rdn. 8) die Ausnahme sein (OLG Hamburg ZfStrVo 1980, 185; O L G Celle ZfStrVo 1985, 374; Calliess/Müller-Dietz Rdn. 1; A K - H o f f m a n n / L e s t i n g Rdn. 4; a. A. Böhm 96). Durch eine Unterbringung im offenen Vollzug soll etwaigen schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegengewirkt werden (vgl. § 3 Abs. 2). Die Unterbringung des Gefangenen in einer geschlossenen Anstalt bringt eine Anzahl von gewöhnlich belastenden Nebenfolgen des Freiheitsentzuges mit sich. Das Leben in einer geschlossenen Anstalt ist notwendigerweise stark reglementiert, die Möglichkeit des eigenverantwortlichen Handelns ist gering. Insbesondere bei längerer Strafverbüßung können sich diese Einschränkungen auf die Persönlichkeit und das Verhalten des Gefangenen negativ auswirken. Reglementierung, geringe Entfaltungsmöglichkeit und Isolation begründen zu einem großen Teil die lebensfremde Situation im Vollzug und stehen damit dem in § 3 Abs. 1 genannten Grundsatz entgegen, das Leben in der Anstalt möglichst den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen. Zur Problematik des Angleichungsgrundsatzes vgl. § 3 Rdn. 3 ff.

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§ 10 strebt deshalb an, den Gefangenen möglichst vom Beginn seiner Strafhaft an in einer Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzuges unterbringen zu lassen. Der Vorschrift liegt das Prinzip der Vollzugszielbestimmung des § 2 zugrunde: soviel Entzug der Freiheit wie nötig, soviel normale Lebensumstände und Kontakt mit der übrigen Gesellschaft wie möglich zu verwirklichen (Calliess/MüllerDietz Rdn. 1; § 2 Rdn. 12). Die Unterbringung im offenen Vollzug stellt eine der wichtigsten Behandlungsmaßnahmen dar. § 7 Abs. 2 Nr. 1 schreibt deshalb vor, daß der Vollzugsplan sich über die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug äußern muß. Die Anzahl der in den einzelnen Bundesländern zur Verfügung stehenden Plätze in Einrichtungen des offenen Vollzuges ist unterschiedlich (vgl. dazu Rdn. 2 zu § 147). Zu den Prozentzahlen der im offenen Vollzug Untergebrachten §§ 141 Rdn. 4, 10; 147 Rdn. 2.

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Offener und geschlossener Vollzug

II. Erläuterungen 1. Unterbringung im offenen Vollzug 4 Gemäß Absatz 1 soll ein Gefangener mit seiner Zustimmung im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn er sich hierfür eignet. Der Begriff „Unterbringung" umfaßt zunächst die Möglichkeit, daß ein Verurteilter seine Freiheitsstrafe von Anfang an im offenen Vollzug verbüßt (z. B. über den Vollstreckungsplan oder eine Entscheidung der Einweisungskommission). Den Hauptfall stellt jedoch die sog. Progression dar, also die Verlegung des Gefangenen aus dem geschlossenen in den offenen Vollzug zum Zweck der Entlassungsvorbereitung; vgl. §§ 15 Abs. 2, 147. Absatz 1 ist als Sollvorschrift gestaltet. Die Sollvorschrift bedeutet, daß die Vollzugsbehörde grundsätzlich die Unterbringung im offenen Vollzug wählen muß und nur in besonders begründeten Fällen einen für den offenen Vollzug geeigneten Gefangenen im geschlossenen Vollzug unterbringen kann (Schöch in Kaiser/Kerner/Schöch § 6 Rdn. 40; vgl. auch Rdn. 11). Der Gefangene hat keinen Rechtsanspruch auf Unterbringung im offenen Vollzug, sondern lediglich ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch (§ 4 Rdn. 11). Sieht der Vollzugsplan jedoch die Verlegung eines Gefangenen in den offenen Vollzug vor, hat der Gefangene einen Anspruch darauf, daß die Verlegung auch vorgenommen wird. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Gefangene selbst durch sein Verhalten im Vollzug Anlaß zu Abweichungen gibt (OLG Frankfurt ZfStrVo 1985, 111 ff). Individuelle Voraussetzungen für die Unterbringung eines Gefangenen im offenen Vollzug sind: a) Der Gefangene muß der Maßnahme zustimmen. Das Erfordernis der 5 Zustimmung zur Unterbringung im offenen Vollzug sichert dem Gefangenen ein gewisses Maß an Selbstbestimmung (BT-Drucks. 7/918, 52). Verweigert der Gefangene seine Zustimmung oder widerruft er sie, ist das zugrundeliegende Motiv für die Frage der Wirksamkeit der Willenserklärung ohne Bedeutung. Der Wunsch des Gefangenen, die Strafzeit in einer geschlossenen Anstalt zu verbringen, kann z. B. anerkennenswert sein, wenn der Gefangene vermeiden will, im Zustand der Gefangenschaft den Blicken Außenstehender ausgeliefert zu sein oder wenn er Angst hat, wegen der weitgehenden Lockerungen des Vollzuges zu versagen und damit u. U. seine Entlassung zu gefährden. Besteht sein Motiv jedoch darin, daß er eine Erprobungssituation vermeiden möchte, gehört es gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 zur Aufgabe der Vollzugsbehörde, die Bereitschaft des Gefangenen zu wecken, seine Zustimmung zu einer Unterbringung im offenen Vollzug zu geben oder aufrechtzuerhalten (BT-Drucks. aaO; Calliess/Miiller-Dietz Rdn. 5; AK-Hoffmann/Lesting Rdn. 9; Böhm 100; § 4 Rdn. 7). b) Der Gefangene muß sich für eine Unterbringung im offenen Vollzug 6 eignen. Dazu auch § 141 Rdn. 10 f. Eine Eignung ist dann zu bejahen, wenn davon ausgegangen werden kann, daß der Gefangene den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügen wird; namentlich darf nicht zu befürchten Walter Ittel

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

sein, daß sich der Gefangene dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzuges zu Straftaten mißbrauchen würde (Abs. 1, 2. Halbsatz; § 2 Rdn. 15ff). Die Eignung eines Gefangenen für die Unterbringung im offenen Vollzug ist grundlegend von seiner Persönlichkeit abhängig. Es sind aber auch sein Vorleben, etwaige frühere Straftaten, die Umstände und das Gewicht der Tat sowie die Tatmotivation, sein Verhalten und seine Persönlichkeitsentwicklung im Vollzug zu berücksichtigen ( O L G Karlsruhe ZfStrVo 1985, 174). Nach Auffassung des O L G Karlsruhe aaO wird durch die fehlende Bereitschaft eines Gefangenen, (im geschlossenen Vollzug) an der Erreichung des Vollzugszieles mitzuwirken, die Mißbrauchsgefahr erhöht. Ein derartiger Mangel allein führt jedoch nicht zur Ungeeignetheit eines Gefangenen für den offenen Vollzug ( O L G Celle ZfStrVo 1985, 374; vgl. Rdn. 12). Die im Gesetz genannten Kriterien für die Eignung des Gefangenen für den offenen Vollzug sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die einer Uberprüfung durch das Gericht unterliegen ( O L G Hamburg ZfStrVo 1980, 185; zum Umfang der Kontrolles. § 11 Rdn. 12). Die Anforderungen, welche an die Bewertung der Mißbrauchsgefahr zu richten sind, sind nicht so streng wie diejenigen, die an die Erfüllung der günstigen Sozialprognose im Sinne des § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu stellen sind. § 10 Abs. 1 gestattet dementsprechend die Unterbringung auch solcher Gefangener im offenen Vollzug, denen eine Aussetzung des Strafrestes aus prognostischen Gründen nicht bewilligt werden kann ( O L G Koblenz ZfStrVo 1981, 319; O L G Karlsruhe ZfStrVo 1985, 174 und 245 ff). 7

aa) Worin die besonderen Anforderungen, die der offene Vollzug an den Gefangenen stellt, im einzelnen bestehen, sagt der Gesetzgeber nicht. In Betracht kommen die charakterliche Befähigung zu korrekter Führung unter geringerer Beaufsichtigung als im geschlossenen Vollzug, die Aufgeschlossenheit gegenüber den gesteigerten Bemühungen des offenen Vollzuges in sozialpädagogischer Hinsicht, die Bereitschaft zur uneingeschränkten und loyalen Mitarbeit, ein bestimmtes Maß an Fähigkeiten und Bereitschaft zur Einordnung in die Gemeinschaft sowie die Rücksichtnahme auf Mitbewohner ( O L G Koblenz aaO).

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bb) Um eine möglichst sachgerechte und einheitliche Ausführung des Gesetzes zu gewährleisten, haben die Landesjustizverwaltungen auf Grund ihrer Anordnungs- und Regelungskompetenz mittels Verwaltungsvorschriften Ermessensrichtlinien erlassen und insoweit Ausschlußklauseln ( W Nr. 1) sowie Regelvermutungen mangelnder Eignung ( W Nr. 2) festgelegt. Wegen der Einzelheiten vgl. § 11 Rdn. 16 ff und § 13 Rdn. 9 ff. Zum Grundsätzlichen vgl. Böhm 162; Müller-Dietz NStZ 1981, 409ff, O L G Koblenz ZfStrVo 1978, 123, 124 sowie Rdn. 12 zu § 11 und Rdn. 9 zu § 13. Zu den W allgemein § 115 Rdn. 23.

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cc) Die Frage der Eignung des Gefangenen muß schon deshalb besonders sorgfältig geprüft werden, weil die breite Öffentlichkeit der Notwendigkeit von Vollzugslockerungen nur geringes Verständnis entgegenbringt (vgl. dazu Müller136

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§10

Offener und geschlossener Vollzug

Dietz aaO; Schwind ZfStrVo 1988, 260, 262). Eine offene Anstalt kann jedoch nur dann einigermaßen erfolgversprechend arbeiten, wenn man die von ihr angeordneten Vollzugslockerungen nicht fortwährend daraufhin kontrolliert, ob sie auch in keinem Fall mißbraucht werden. Hilfreich zur Vermeidung des Mißbrauchs von Vollzugslockerungen könnte deshalb ein schon im geschlossenen Vollzug begonnenes Selbständigkeitstraining des Gefangenen sein, bei dem Reglementierung und Versorgung durch das Anstaltspersonal systematisch zurückgenommen werden (AK-Hoffmann/Lesting Rdn. 19). Von Bedeutung wäre auch die stufenweise Heranführung des Gefangenen an einen offenen Vollzug, der in der letzten Phase vor dem Ubergang in die völlige Freiheit alle Lockerungsmöglichkeiten als Übungsfeld sozialen Verhaltens einsetzt, vgl. dazu Rdn. 15. Bei einer derartigen Verfahrensweise dürften die sozialschädlichen Folgen des offenen Vollzuges erträglich bleiben. Geringfügige Pannen, UnZuverlässigkeiten oder Regelverstöße sollten im Vollzug möglichst nicht anders bewertet werden, als im alltäglichen Leben auch. Zu diesem „Zielkonflikt" vgl. auch § 2 Rdn. 17ff sowie Böhm 100. dd) Besondere Anforderungen an den Gefangenen stellt der offene Vollzug 1 0 auch innerhalb der Anstalt bzw. Abteilung, da hier das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen in großem Umfang angeglichen werden kann (vgl. Ittel/Erzhöf er aaO; Grunau/Tiesler Rdn. 6). Zu den Bedenken § 3 Rdn. 5 ff. Es ist deshalb notwendig, daß der Gefangene die Bereitschaft und Fähigkeit zur freiwilligen Einordnung mitbringt und willens ist, sich in ein System einbeziehen zu lassen, das auf der Selbstdisziplin und dem Verantwortungsbewußtsein des Gefangenen beruht (BT-Drucks. 7/918, 51). Ein Gefangener, bei dem zu befürchten ist, daß er einen negativen Einfluß ausüben, insbesondere die Erreichung des Vollzugszieles bei anderen Gefangenen gefährden würde, ist deshalb in der Regel für eine Unterbringung im offenen Vollzug nicht geeignet ( W N r . 2 Abs. 1 Buchstabe e). 2. Unterbringung im geschlossenen Vollzug 11 a) Gemäß Absatz 2 ist derjenige Gefangene im geschlossenen Vollzug unterzubringen, der zum Zeitpunkt der Eignungsprüfung den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges noch nicht genügt (Rdn. 6 ff). Erweist sich der Gefangene bei der ersten Prüfung für eine Unterbringung im offenen Vollzug als noch nicht geeignet, wird die Prüfung nach Ablauf einer angemessenen Frist, spätestens nach 6 Monaten, zu wiederholen sein. Ein Gefangener kann im übrigen dann im geschlossenen Vollzug untergebracht oder dorthin zurückverlegt werden, wenn dies zu seiner Behandlung notwendig ist (Abs. 2 Satz 2). Das ist der Fall, wenn der Aufenthalt im offenen Vollzug der Erreichung des Vollzugszieles (§ 2 Rdn. 10 ff) entgegensteht. Deshalb reichen Zweckmäßigkeitserwägungen nicht aus (BT-Drucks. 7/918, 52). Behandlungsmaßnahmen, die eine Unterbringung im geschlossenen Vollzug Walter Ittel

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2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

rechtfertigen, können z. B. Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung, schulische Maßnahmen mit Vollzeitunterricht oder therapeutische Maßnahmen sein. Befindet sich der Gefangene bereits im offenen Vollzug, kommen aus Behandlungsgründen für eine Rückverlegung befristete Maßnahmen (z. B. zwecks Krisenintervention oder zum Schutz des Betroffenen) in Betracht. 12

b) W Nr. 3 Abs. 1 konkretisiert, wann ein Gefangener, der sich im offenen Vollzug befindet, in den geschlossenen Vollzug zurückverlegt werden muß. Die Verhaltensweisen, die zur Feststellung der Nichteignung führen, sind vielfältig, jedoch reicht der Umstand allein, daß der Gefangene während seines Aufenthaltes im offenen Vollzug keine Bereitschaft gezeigt hat, an der Erreichung des Vollzugszieles mitzuwirken, für eine Herausnahme aus dem offenen Vollzug nicht aus ( O L G Celle ZfStrVo 1985, 374). Eine Zurückverlegung kommt jedoch dann in Betracht, wenn Freigang, Urlaub und Ausgang zur Begehung von Straftaten mißbraucht werden, wobei der auf konkreten Anhaltspunkten beruhende Verdacht ausreichend sein kann (KG ZfStrVo 1989, 116). Ebenso ist eine Zurückverlegung möglich, wenn der Gefangene im offenen Vollzug bereits einmal entwichen ist oder Alkoholmißbrauch vorliegt (vgl. dazu Thomas aaO; Ittel/ Erzhöf er aaO). Das Fehlverhalten, das zur Nichteignung führt, wird in der Regel Sachverhalte betreffen, die in W Nr. 2 beschrieben sind. Der Anstaltsleiter hat insoweit bei der Entscheidung der Frage, ob ein Gefangener als für den offenen Vollzug ungeeignet in die geschlossene Anstalt zurückzuverlegen ist oder nicht, einen relativ großen Ermessensspielraum ( W Nr. 3 Abs. 1 Buchstabe b; vgl. auch Calliess/Müller-Dietz Rdn. 9). Werden jedoch Umstände bekannt, die in W Nr. 1 beschrieben sind, muß der Anstaltsleiter den betroffenen Gefangenen in den geschlossenen Vollzug zurückverlegen ( W Nr. 3 Abs. 1 Buchstabe c). Zur Verlegung allgemein § 8 Rdn. 1, 8. Wird die Rückverlegung eines Gefangenen in den geschlossenen Vollzug mit dessen Verhaltensweisen im offenen Vollzug begründet, so müssen diese entweder einzeln oder in ihrer Gesamtheit die Notwendigkeit der Behandlung im geschlossenen Vollzug ergeben ( O L G Frankfurt ZfStrVo 1988, 62 ff). Die Verlegung in den offenen Vollzug ist ein begünstigender Verwaltungsakt. Seine Rücknahme bzw. sein Widerruf ist in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 2 zulässig, wobei Sinn und Zweck der jeweiligen Maßnahme, Sicherheitsbelange sowie die allgemeinen Vollzugsgrundsätze der §§ 2 und 3 berücksichtigt werden müssen ( O L G Hamm ZfStrVo 1987, 371). Dem Gefangenen muß vor der Verlegungsentscheidung Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. Die Gründe für die Verlegung sind aktenkundig zu machen und dem Gefangenen bekanntzugeben ( W Nr. 3 Abs. 2). W Nr. 3 Abs. 3 stellt klar, daß die Verlegung in den geschlossenen Vollzug eine erneute Unterbringung im offenen Vollzug nicht ausschließt. Die Prüfung einer erneuten Eignung des Gefangenen wird nach Ablauf einer angemessenen Frist, spätestens nach 6 Monaten, zu erfolgen haben. Die geschlossene Anstalt, in die der Gefangene (zurück)verlegt wird, wird ihrer Aufgabe, die Gefan138

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Offener und geschlossener Vollzug

genen zu befähigen, nach der Entlassung ein Leben ohne Straftaten zu führen (§ 2 Satz 1), jedoch nur dann gerecht werden, wenn sie den Gefangenen bis zu einer etwaigen erneuten Verlegung in den offenen Vollzug nicht sich selbst überläßt. Die Gründe, die zum Versagen im offenen Vollzug geführt haben, müssen von ihr vielmehr ermittelt und die zugrunde liegenden Ursachen müssen (nach Möglichkeit) aufgearbeitet werden. § 10 Abs. 2 ist so zu verstehen, daß auch derjenige Gefangene, der sich als für den offenen Vollzug nicht geeignet erwiesen hat, in den geschlossenen Vollzug verlegt wird, weil „dies zu seiner Behandlung notwendig ist". 3. Uber die Verlegung in den offenen Vollzug entscheidet in aller Regel der 1 3 Leiter der abgebenden Anstalt, wenn der offene Vollzug in einer besonderen Anstalt durchgeführt wird. Die Unterbringung eines zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen im offenen Vollzug bedarf jedoch der Zustimmung der Aufsichtsbehörde ( W N r . 4 Abs. 2 Satz 3; § 153). Der Leiter der offenen Anstalt ist an die Verlegungsentscheidung grundsätzlich gebunden. Er ist nicht befugt, die Entscheidung der abgebenden Anstalt eigenverantwortlich zu überprüfen und die Aufnahme des Gefangenen in den offenen Vollzug mit Argumenten abzulehnen, die der abgebenden Anstalt im Zeitpunkt der Verlegung in den offenen Vollzug bereits bekannt waren. Die offene Anstalt kann die Aufnahme nur aus organisatorischen oder aus anderen Gründen ablehnen, die in der spezifischen Vollzugssituation der Anstalt begründet sind ( O L G Frankfurt ZfStrVo 1985, 111 ff). Über die Herausnahme aus dem offenen Vollzug und die Rückverlegung eines Gefangenen in den geschlossenen Vollzug wegen Nichteignung entscheidet der Leiter der offenen Anstalt (§ 153).

III. Beispiel a) Wegen der eher geringen Akzeptanz des offenen Vollzuges in der Öffentlichkeit (vgl. Rdn. 9) wird es in der Regel sinnvoll sein, die Verweildauer im offenen Vollzug auf ein vernünftiges Maß zu begrenzen. Dies erscheint auch deswegen angezeigt, weil der Aufenthalt im offenen Vollzug für einen zu einer langen Freiheitsstrafe Verurteilten, der noch den größten Teil seiner Strafe vor sich hat, auf die Dauer eine außerordentlich starke seelische Belastung darstellen kann, die die Fluchtgefahr erhöht (vgl. dazu Loos 150 ff). Auch tritt nach einem längeren Aufenthalt im offenen Vollzug offenbar ein kritischer Zeitpunkt auf, in welchem die Gefangenen z. B. durch Aggressionen oder Alkoholmißbrauch opponieren (vgl. Thomas 229). Es könnte sich deshalb empfehlen, in der Regel nach folgender Tabelle zu verfahren, die in Nordrhein-Westfalen angewandt wird:

Walter Ittel

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§11

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

Vollzugsdauer vom Beginn der Strafzeit bis zum ZweidrittelZeitpunkt in Monaten mehr mehr mehr mehr mehr mehr 15

als 18 bis als 24 bis als 30 bis als 36 bis als 48 bis als 60

24 30 36 48 60

Erstmalige Prüfung e t w a . . . Monate vor dem Zweidrittel-Zeitpunkt, ob eine Unterbringung im offenen Vollzug erfolgen kann 15 18 21 24 27 30

b) Auch dürfte es hilfreich sein, wenn der Aufenthalt im offenen Vollzug gut strukturiert wird und dem Gefangenen deutlich gemacht werden kann, daß es sich für ihn „lohnt", durchzuhalten und die zur Verfügung stehenden Kräfte zu mobilisieren, um nicht zu versagen. Zu denken ist insoweit an eine stufenweise Lockerung des Vollzuges bis zur Entlassung in die Freiheit. In Betracht kommen u.a. folgende Maßnahmen: - zunächst „halboffener", dann offener Vollzug, - zunächst Außenbeschäftigung, dann Freigang, - zunächst Freigang, dann freies Beschäftigungsverhältnis (vgl. § 39), - zunächst geringe Anzahl von Urlaubstagen gem. § 15 Abs. 4, dann volle Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens (vgl. § 15 Rdn. 8), - zunächst offener Vollzug, dann Verlegung in ein Ubergangshaus (vgl. dazu § 147 Rdn. 4).

§11 Lockerungen des Vollzuges (1) Als Lockerung des Vollzuges kann namentlich angeordnet werden, daß der Gefangene 1. außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen darf oder 2. f ü r eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Ausgang) verlassen darf. (2) Diese Lockerungen dürfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, daß der Gefangene sich dem Vollz u g der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten mißbrauchen werde.

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Paul Kühling

§11

Lockerungen des Vollzuges

w 1

Bei der Außenbeschäftigung wird der Gefangene entweder ständig und unmittelbar oder ständig oder in unregelmäßigen Zeitabständen durch einen Vollzugsbediensteten beaufsichtigt. 2 (1) Freigang kann auch in der Weise angeordnet werden, daß ein Dritter schriftlich verpflichtet wird, die Anstalt unverzüglich zu benachrichtigen, wenn der Gefangene an der Beschäftigungsstelle nicht rechtzeitig erscheint, sich ohne Erlaubnis entfernt oder sonst ein besonderer Anlaß (z. B. Erkrankung, Trunkenheit) hierzu besteht. (2) Die Anstalt überprüft das Verhalten des Gefangenen während des Freiganges in unregelmäßigen Abständen. 3 (1) Der Anstaltsleiter überträgt die Ausführung des Gefangenen besonders geeigneten Bediensteten. (2) Vor der Außenbeschäftigung und der Ausführung erteilt er den Bediensteten die nach Lage des Falles erforderlichen Weisungen. 4 (1) Die Entscheidung über Lockerungen im Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe ist in einer Konferenz nach § 159 StVollzG vorzubereiten. Uber die Konferenz ist eine Niederschrift zu fertigen; gutachtliche Äußerungen sind aktenkundig zu machen. Lockerungen sind in diesen Fällen in der Regel nur unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 StVollzG zulässig. Sie bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. (2) Absatz 1 gilt nicht für die Ausführung und die Außenbeschäftigung unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht. 5 (1) Außenbeschäftigung, Freigang und Ausgang sind ausgeschlossen bei Gefangenen, a) gegen die während des laufenden Freiheitsentzuges eine Strafe vollzogen wurde oder zu vollziehen ist, welche gemäß § 74 a GVGvon der Strafkammer oder gemäß § 120 GVG vom Oberlandesgericht im ersten Rechtszug verhängt worden ist, b) gegen die Untersuchungs-, Auslief erungs- oder Abschiebungshaft angeordnet ist, c) gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung für den Geltungsbereich des Strafvollzugsgesetzes besteht, Paul Kühling

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§11

2. Abschnitt. Vollzug der Freiheitsstrafe

d) gegen die eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung oder eine sonstige Unterbringung gerichtlich angeordnet und noch nicht vollzogen ist. (2) In den Fällen des Abs. 1 Buchstaben a, c und d sind Ausnahmen mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig. In den Fällen des Buchstaben a ist die Vollstreckungsbehörde, des Buchstaben d das zuständige Gericht zu hören; in den Fällen des Buchstabens c bedürfen Ausnahmen des Einvernehmens mit der zuständigen Ausländerbehörde. 6 (1) Außenbeschäftigung, Freigang und Ausgang sind nur zulässig, wenn der Gefangene für diese Maßnahmen geeignet ist, insbesondere ein Mißbrauch nicht zu befürchten ist. Bei der Entscheidung ist zu berücksichtigen, ob der Gefangene durch sein Verhalten im Vollzug die Bereitschaft gezeigt hat, an der Erreichung des Vollzugszieles mitzuwirken. (2) Ungeeignet für eine Lockung nach Absatz 1 sind in der Regel namentlich Gefangene, a) die erheblich suchtgefährdet sind, b) die während des laufenden Freiheitsentzuges entwichen sind, eine Flucht versucht, einen Ausbruch unternommen oder sich an einer Gefangenenmeuterei beteiligt haben, c) die aus dem letzten Urlaub oder Ausgang nicht freiwillig zurückgekehrt sind oder bei denen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß sie während ihres letzten Urlaubs oder Ausgangs eine strafbare Handlung begangen haben, d) gegen die ein Ausweisungs-, Auslieferungs-, Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig ist, e) bei denen zu befürchten ist, daß sie einen negativen Einfluß ausüben, insbesondere die Erreichung des Vollzugszieles bei anderen Gefangenen gefährden würden. (3) Ausnahmen von Absatz 2 können zugelassen werden, wenn besondere Umstände vorliegen; die Gründe hierfür sind aktenkundig zu machen. In den Fällen des Buchstabens d ist die zuständige Behörde zu hören. (4) Bei Gefangenen, gegen die während des laufenden Freiheitsentzuges eine Strafe wegen grober Gewalttätigkeiten gegen Personen, wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder wegen Handels mit Stoffen im Sinne des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln vollzogen wurde oder zu vollziehen ist oder die im Vollzug in den begründeten Verdacht des Handels mit diesen Stoffen gekommen sind, bedarf die Frage, ob eine Lockerung des Vollzuges zu verantworten ist, besonders gründlicher Prüfung.

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§11

Lockerungen des Vollzuges

7 Die Anordnung einer Lockerung ist aufzuheben, wenn der Gefangene seine Zustimmung zu dieser Maßnahme zurücknimmt. Schrifttum zu §§ 11-14 Arloth Strafzwecke im Strafvollzug, in: GA 1988, 403 ff; Baumann Schuld und Sühne versus Urlaub, in: ZfStrVo 1987, 47; Bock Zur dogmatischen Bedeutung unterschiedlicher Arten empirischen Wissens bei prognostischen Entscheidungen im Strafrecht, in: NStZ 1990, 457 ff; Böhm Vollzugslockerungen und offener Vollzug zwischen Strafzwecken und Strafzielen, in: NStZ 1986, 201 ff; Böhm Probleme der Strafvollzugsforschung, insbes. Vollzugslockerungen, in: Beiträge zur kriminologischen Forschung, Kury (Hrsg.), Bd. 10, 1985, S. 575 ff; Böhm/Schäfer Vollzugslockungen im Spannungsfeld unterschiedlicher Instanzen und Interessen, 2. Auflage Wiesbaden 1989; Brosch Der Hafturlaub von Strafgefangenen unter Berücksichtigung des Strafvollzugszieles. Eine empirische Untersuchung zur Einstellung betroffener männlicher Strafgefangener, Europ. Hochschulschriften Reihe II Rechtswissenschaft Bd. 332, 1983; Dünkel Die Öffnung des Vollzugs — Anspruch und Wirklichkeit, in: ZStW 1982, 671 ff; Freimund Vollzugslockerungen - Ausfluß des Resozialisierungsgedankens? Diss. jur. Mainz 1990; Freitag Gedanken und Überlegungen zur Ausführung von Gefangenen, in: ZfStrVo 1986, 224; Joester/Quensel/Hoffmann/Feest Lockerungen des Vollzugs. Versuch einer sozialwissenschaftlich angeleiteten Kommentierung des § 11 Strafvollzugsgesetz und einer Auseinandersetzung mit den dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften, in: ZfStrVo 1977, 93 ff; Kirchner Pro und Kontra Vollzugslockerungen, in: Blätter der Wohlfahrtspflege 134 (1987) S. 209ff; Kühling Lockerungen des Vollzugs, in: Schwind/Blau 347ff; Kusch Die Strafbarkeit von Vollzugsbediensteten bei fehlgeschlagenen Lockerungen, in: NStZ 1985, 385 ff; Meier Die Entscheidung über Ausgang und Urlaub aus der Haft, Freiburg 1982; Meißner Urlaub aus dem Strafvollzug. Diss. jur., Mannheim 1988; Mertens Die Ausführungen von Gefangenen zur Behandlung und Betreuung, in: ZfStrVo 1978, 203 ff; Müller-Dietz Schuldschwere und Urlaub aus der Haft, in: JR 1984, 353 ff; Nesselrodt Der Strafurlaub im Progressionssystem des Freiheitsentzuges. Funktion und Wirkung der Beurlaubung Gefangener hessischer Vollzugsanstalten, Diss. jur. Marburg 1979; Peters Beurlaubung von zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten, in: JR 1978, 177ff; Rössner Die strafrechtliche Beurteilung der Vollzugslockerungen, in: JZ 1984, 1065 ff; Schaffstein Die strafrechtliche Verantwortlichkeit Vollzugsbediensteter für den Mißbrauch von Vollzugslockerungen, in: FS Lackner, 1987, S. 795ff; Schalt Der Freigang im Jugendstrafvollzug. Dargestellt am Beispiel der Fliedner-Häuser des Landes Hessen, Heidelberg 1977; Schüler-Springorum Tatschuld im Strafvollzug, in: StrafV 1989, 2; Sülz Zum Urlaub aus der Haft, in: ZfStrVo 1979, 67ff.

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Jahr

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